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Sind die Interpolationen im altrussischen Josephus wertlos?

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Scheid weil er» Sind die Interpolationen im altrussischen Josephus wertlos ? 155 Sind die Interpolationen im altrussischen Josephus wertlos? Von Oberstudienrat Dr. Felix Scheidweiler (Köln-Deutz, Alarichstr. 22) Im Jahre 1906 hörte die wissenschaftlich interessierte Welt zum erstenmal von der Existenz einer altrussischen Übersetzung des Werkes des Flavins Josephus über den jüdischen Krieg. Sie stammt etwa aus dem XI. Jh. und unterscheidet sicli von dem überlieferten griechischen Original einerseits durch Kürzungen und Auslassungen, andererseits durch eine Reihe von Zusätzen, von denen die interessantesten sich auf Johannes den Täufer und Jesus Christus beziehen. Über diese Zusätze ist naturgemäß viel geschrieben worden. Mit Josephus selbst das steht vor allem nach der abschließenden Untersuchung von E. Bickermann 1 fest haben sie nichts zu tun. Fraglich ist mir nur, ob man sie ihrem ganzen Inhalt nach auf das Konto eines spät- byzantinischen Interpolators setzen kann, wie Bickermann das tut. Dieser Interpolator müßte nämlich Eigenschaften in sich vereinigen, wie sie in der gleichen Persönlichkeit nicht gut zusammen vorkommen können. Er soll einerseits sich in ganz gerissener Weise die Maske des Josephus anlegen und ist andererseits so albern, daß er erfindet, Pilatus habe Jesus zuerst freigelassen, weil er sein sterbendes Weib geheilt habe, und dann doch den selben Pilatus, von den Juden mit 20 Talenten bestochen, Jesus diesen ausliefern läßt 2 . Er zeigt sich in dem Abschnitt über den Tempelvorhang als krassen Ignoranten, indem er den bei Jesu Tode gerissenen Vorhang jahrzehntelang zer- rissen bleiben läßt, also nichts von seiner jährlichen Erneuerung weiß, und mimt gleich darauf ausgezeichnet, die unentschiedene Haltung eines der Auferstehung Jesu skeptisch gegenüberstehenden Juden 3 . Er weiß in den Evangelien, den Apokryphen und den Kirchenvätern *) Sur la version vieitx-rüsse de Flavius-Josephe in den Mllanges Franz Cwnont, Brüssel 1936 S. 53—84?. . a ) In der großen Interpolation über Jesus Christus zwischen II §174 und 175. 3 ) Nach V §214: »Und man sagte, daß jener . . . nach der Bestattung im Grabe nicht gefunden wurde. Die einen nun gaben vor, er sei auferstanden, die anderen aber, daß er gestohlen sei von seinen Freunden. Ich weiß aber selbst nicht, welche richtiger sprechen. Denn auferstehen kann ein Toter von sich selbst nicht, wohl aber mit Hilfe des Gebets eines anderen Gerechten, außer wenn es ein Engel sein wird oder ein anderer von den himmlischen Gewaltigen, oder wenn Gott selbst erscheint wie ein Mensch und wandelt mit den Menschen und fällt und sich legt und aufersteht, wie es seinem Willen gemäß ist. Andere aber sagten, daß es nicht möglich war, ihn zu stehlen, weil man um sein Grab Wächter gesetzt hatte, 30 Römer, aber 1000 Juden.« (Übersetzung von Hob. Eisler $ *, Heidelberg 1929/30 I S. 371.) Brought to you by | Heinrich Heine Universität Düsseldorf Authenticated | 132.74.1.4 Download Date | 9/13/13 10:02 PM
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Scheid weil er» Sind die Interpolationen im altrussischen Josephus wertlos ? 155

Sind die Interpolationen im altrussischen Josephuswertlos?

Von Oberstudienrat Dr. Felix Scheidweiler(Köln-Deutz, Alarichstr. 22)

Im Jahre 1906 hörte die wissenschaftlich interessierte Welt zumerstenmal von der Existenz einer altrussischen Übersetzung des Werkesdes Flavins Josephus über den jüdischen Krieg. Sie stammt etwa ausdem XI. Jh. und unterscheidet sicli von dem überlieferten griechischenOriginal einerseits durch Kürzungen und Auslassungen, andererseitsdurch eine Reihe von Zusätzen, von denen die interessantesten sichauf Johannes den Täufer und Jesus Christus beziehen. Über dieseZusätze ist naturgemäß viel geschrieben worden. Mit Josephus selbst— das steht vor allem nach der abschließenden Untersuchung vonE. Bickermann1 fest — haben sie nichts zu tun. Fraglich ist mirnur, ob man sie ihrem ganzen Inhalt nach auf das Konto eines spät-byzantinischen Interpolators setzen kann, wie Bickermann das tut.Dieser Interpolator müßte nämlich Eigenschaften in sich vereinigen,wie sie in der gleichen Persönlichkeit nicht gut zusammen vorkommenkönnen. Er soll einerseits sich in ganz gerissener Weise die Maske desJosephus anlegen und ist andererseits so albern, daß er erfindet,Pilatus habe Jesus zuerst freigelassen, weil er sein sterbendes Weibgeheilt habe, und dann doch den selben Pilatus, von den Juden mit20 Talenten bestochen, Jesus diesen ausliefern läßt2. Er zeigt sich indem Abschnitt über den Tempelvorhang als krassen Ignoranten,indem er den bei Jesu Tode gerissenen Vorhang jahrzehntelang zer-rissen bleiben läßt, also nichts von seiner jährlichen Erneuerung weiß,und mimt gleich darauf ausgezeichnet, die unentschiedene Haltungeines der Auferstehung Jesu skeptisch gegenüberstehenden Juden3.Er weiß in den Evangelien, den Apokryphen und den Kirchenvätern

*) Sur la version vieitx-rüsse de Flavius-Josephe in den Mllanges Franz Cwnont,Brüssel 1936 S. 53—84?. .a) In der großen Interpolation über Jesus Christuszwischen II §174 und 175. 3) Nach V §214: »Und man sagte, daß jener . . .nach der Bestattung im Grabe nicht gefunden wurde. Die einen nun gaben vor,er sei auferstanden, die anderen aber, daß er gestohlen sei von seinen Freunden.Ich weiß aber selbst nicht, welche richtiger sprechen. Denn auferstehen kann einToter von sich selbst nicht, wohl aber mit Hilfe des Gebets eines anderen Gerechten,außer wenn es ein Engel sein wird oder ein anderer von den himmlischen Gewaltigen,oder wenn Gott selbst erscheint wie ein Mensch und wandelt mit den Menschen undfällt und sich legt und aufersteht, wie es seinem Willen gemäß ist. Andere abersagten, daß es nicht möglich war, ihn zu stehlen, weil man um sein Grab Wächtergesetzt hatte, 30 Römer, aber 1000 Juden.« (Übersetzung von Hob. Eisler

$ *, Heidelberg 1929/30 I S. 371.)

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Bescheid und ist doch so unbekannt mit der biblischen Chronologie,daß er den Täufer bereits unter Archelaus auftreten läßt4. So etwasverträgt sich schlecht miteinander. Mir scheint also in diesen Zusätzenrecht verschiedenartiges und verschiedenen Zeiten entstammendesMaterial zusammengeflossen zu sein, das in jedem Falle auf seinenWert zu prüfen ist. Doch gehen wir ins einzelne!

1. Im Jüd. Krieg I § 364ff. wird der Araberfeldzug des Herodesvom Jahre 32 v. Chr. erzählt. Hier schiebt die altrussische Übersetzungzwischen § 369 und 370 ein geheimes Gespräch jüdischer Priester ein,in dem die Annahme, Herodes sei der Messias, mit aller Schärfe ab-gelehnt wird. Herodes sei nicht aus Davids Geschlecht, vielmehr einAraber und unbeschnitten. Das stimmt allerdings beides nicht: daserste könnte allenfalls als gehässige Auswertung des Umstandes ge-deutet werden, daß des Herodes Mutter tatsächlich die Tochter einesAraberscheichs war (Jüd. Kr. I § 181), das zweite aber ist ganz un-sinnig, da auch die Araber die Sitte der Beschneidung hatten. Gutim Bilde aber ist der Interpolator über die Herodianer, d. h. Juden,die in Herodes den Messias sahen. Über diese unterrichtet am aus-führlichsten der Bischof Epiphanios von Salamis (IV. Jh.) in seinemWerke gegen die Häresien 201. 7if. Danach beriefen sich diese Judenauf die Prophezeiung Gen 4910: »Nicht wird ermangeln ein Herrscheraus Juda, bis der kommt, dem es (d. i. die Herrschaft) bestimmt ist.«5

Herodes, so argumentierten sie, sei der erste fremdstämmige Herrschergewesen. Aber dem widerspreche, meint Epiphanios, die Fortsetzungder Prophezeiung: »Er ist die Erwartung der Heiden, und auf ihnwerden die Heiden hoffen.« Welches Volk, fragt er, habe denn aufHerodes gehofft ? Von diesen Ausführungen könnte der Wortlaut imaltrussischen Josephus geradezu eine Übersetzung sein: »Die Pro-pheten haben geschrieben,, daß nicht ermangeln wird ein Fürst ausJuda, bis der kommt, dem es gegeben ist; auf den hoffen die Heiden.Aber ist dieser die Hoffnung der Heiden ? Wir jedenfalls hassen seineMissetaten; wollen etwa die Heiden auf ihn hoffen?« Noch inter-essanter ist, was ein weiterer Priester spricht: »Ich kenne alle Bücher.Als Herodes sich vor der Stadt schlug6, hätte ich es nie in den Sinnbekommen, daß Gott ihn über uns herrschen lassen werde. Jetzt aberverstehe ich, daß unsere Verwüstung nahe ist. Bedenkt doch dieWeissagung Daniels l7 Er schreibt, daß nach der Rückkehr" (aus derbabylonischen Gefangenschaft) die Stadt Jerusalem 70 Jahrwochenstehen wird, welches sind 400 Jahre und 90, und danach wird sieWüste werden. Und da sie die Jahre auszählten, waren es 30 Jahre

4) Hinter II § 110. *) So die Septuaginta, im hebräischen Text steht für'dem es bestimmt ist* das rätselhafte Wort 'Schiloh'. e) 37 v. Chr. erstürmteHerodes Jerusalem. 7) Dan 924-27.

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Scheidweiler, Sind die Interpolationen im altrussischen Josephus wertlos ? 157

und 4.« Die früheren Ausleger, Berendts8 und Eisler9 deuten diese34 Jahre als den von den siebzig Jahrwochen noch verbleibenden Rest.Pascal, der Verfasser der französischen Übersetzung in Istrins Aus-gabe,10 und im Anschluß an ihn Bickermann ergänzen zu den34 Jahren 400 aus dem Vorhergehenden und kommen so auf 434 Jahre= 62 Jahrwochen. Die Entscheidung, wer recht hat, ist von größterWichtigkeit; ich muß deshalb etwas weiter ausholen.

Der kurz vor dem Tode des Antiochos Epiphanes (164) schreibendeVerfasser des Danielbüches ringt schwer um die Deutung der Jeremias-worte 25 litt, und 29 ioff., wonach auf die Knechtschaft der 70 Jahreeine Zeit des Heils folgen werde. Denn die 70 Jahre sind längst vorbei,aber die augenblickliche Bedrückung ist schlimmer denn je. EinEngel gibt ihm die Lösung: die 70 Jahre des Jeremias sind als 70Jahrwochen zu verstehen. Von diesen werden 7 Jahrwochen = 49Jähre von der Zerstörung Jerusalems 586 bis auf den HohenpriesterJosua gerechnet, unter dem die Juden 536 aus der babylonischenGefangenschaft heimkehrten. Dann folgen 62 Jahrwochen = 434Jahre bis zur Hinrichtung des Hohenpriesters Onias' III. im Jahre171. Dieser, ein gesetzestreuer Mann, war zu Beginn der Regierung desAntiochos Epiphanes von seinem hellenistisch gesinnten Bruder Jasonaus seinem Amte verdrängt worden. Nach 3 Jahren aber erlitt Jaspndas gleiche Schicksal durch Menelaus, der ihn beim König um 300Talente Silbers überbot. Als Menelaus nun, um dieses Geld aufzu-bringen, sich an den Goldgeräten des Tempels vergriff, rügte Oniasdies, und Menelaus ließ ihn deswegen umbringen11. Nun sind es zwarvon 536—171 keine-434 Jahre; aber dem Verfasser fehlten einesteilsgenaue chronologische Kenntnisse; andrerseits war es das Ziel seinerSehnsucht, in der letzten Jahrwoche zu leben, welche die Wendebringen mußte; und so nahm er es mit der Zwischenzeit nicht genau.Der Schluß der Prophezeiung ist äußerst schwierig. Wir hören, daßdas Volk eines Fürsten, der heranzieht, Stadt und Heiligtum zer-stören wird (926), daß aber die letzte Jahrwoche den Bund (mit Jahve)bei vielen festigen wird12; andererseits werde die Mitte der Woche dieAbschaffung der Schlacht- und Speiseopfer13 und den profanierendenGreuel (Greuel der Verwüstung) im Tempel bringen. Am Schluß derletzten halben Woche ist natürlich das* Hereinbrechen der Gottes-herrschaft zu erwarten.

8) Flavius Josephus, Vom jüdischen Krieg I —IV. Nach der slav. Übersetzungherausgegeben von Alex, Berendts u. Konr. Grass, Dorpat 1924/26, S. 128, 4.9) a. a. O. I S. 346ff, 10) V. Istrin, La prise de Jerusalem de Josephe le Juif.Texte vieux russe. Paris 1934/38 I S. 67, 4. n) II Macc 4 7 ff. Vgl. B. Niese,Hermes 1900, 609 f. ia) Als Reaktion gegen die Unterdrückung bildet sich derBund der Asidäer, der Gesetzestreuen (I Macc 242). 13) 168 wird der jüdischeKult verboten (Schürer, Gesch. des jüd. Volkes im Zeitalter Jesu Christi I* S. 199f.)·

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Diese Weissagung Daniels wurde von den Christen selbstverständ-lich auf Jesus Christus bezogen. Er mußte der Gesalbte sein, der nach926 umgebracht wird, ohne daß Schuld (so muß man ergänzen!) anihm ist. Den ersten Niederschlag dieser Deutung finden wir in dergroßen Parusie- oder Wiederkunftsrede Jesu (Mc 13 == Mt 24 = Lc 21),wo ausdrücklich von der Zerstörung Jerusalems und dem Greuel derVerwüstung an heiliger Stätte die Rede ist (Mc 13 u usw.) und inunmittelbarem Anschluß daran das Ende dieser Welt erwartet wird.Diese Rede stammt schwerlich von Jesus selbst. Er hat allerdings mitseiner baldigen Wiederkunft gerechnet. Schon bei der Aussendung derApostel erwartet er nach Mt 1023, daß diese bis zu seiner Wieder-kunft nicht einmal mit der Missionierung der Städte Israels fertig seinwerden. Von einer voraufgehenden Zerstörung Jerusalems ist dabeinicht die Rede. Diese erste Erwartung Jesu hat sich nun nicht erfüllt.Die Apostel sind zu ihm zurückgekehrt, ohne daß diese Wiederkunfteingetreten war14. Jesus mußte also den Zeitpunkt der Parusie hin-ausschieben. Es fragt sich, wie weit er ihn hinausgeschoben hat. Auchdas läßt sich feststellen. Auf die beschwörende Frage des Hohen-priesters, ob er der Messias sei, antwortet er nach Mt 26 64: »Dti hastes gesagt. Aber ich sage euch: Von nun an werdet ihr sehen den Men-schensohn sitzend zur Rechten Gottes und kommend auf den Wolkendes Himmels.« Hier ist das Von nun an' unsinnig; denn Von nun an'kann niemals das Eintreten eines einmaligen Vorgangs einleiten. Dasgriechische * bedeutet aber nicht nur Von nun an', sondernauch 'jetzt', so z. B. Joh 13 19 u. 14 7. Jesus bezeichnet also hier seineWiederkunft als unmittelbar bevorstehend15. Auch hier ist also aneine vorangehende Zerstörung Jerusalems und eine vorherige Profa-nierung des Tempels nicht gedacht. Vielmehr scheint Jesus in diesenTagen ein unmittelbares Eingreifen Gottes erhofft zu haben. Allesdeutet darauf hin, daß er den Konflikt mit der jüdischen und derrömischen Behörde zunächst wenigstens16 gesucht hat. So wehrt er

14) Von der gleichen Aussendung der Apostel erzählt Mc 6 7; derselbe berichtet6 30 ihre Rückkehr. 1 ) Mc li 62 hat das * nicht; aber auch Lc 22 C9hat es in seiner Vorlage gelesen; er ersetzt es durch , nimmt esalso im Sinne des Von nun an', ändert aber dementsprechend: von nun anwird der Menschensohn zur Rechten der Kraft Gottes sitzen. Das gibt Sinn, kannaber nicht das Ursprüngliche sein. Das lesen wir vielmehr bei Matthäus. Und in demMarkustext, der Mt und Lc vorlag, wird ' auch gestanden haben. Das istm. E. wahrscheinlicher als ' aus der zweiten Mt und Lc gemeinsamen Quelleherzuleiten. 1 ) Widerspruchslos ist die Haltung Jesu nicht: er sucht nachherdoch dem Konflikt auszuweichen, indem er nachts Jerusalem verläßt, um derVerhaftung zu entgehen. Aber mit solchen Widersprüchen muß auch die her-gebrachte Auffassung Jesu fertig werden. Daß der Gottmensch, der sein Lebenfür die Sünden der Welt hingeben will, zuletzt doch in Todesangst betet, derVater möge, wenn möglich, den Kelch an ihm vorübergehen lassen, ist für sie ein

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z. B. der Menge, die ihn kurz vor Jerusalem jubelnd als Messias be-grüßt, nicht, antwortet vielmehr den Pharisäern, die ihn auf das Be-denkliche dieses Vorgangs aufmerksam machen: »Wenn diese schwei-gen, werden die Steine schreien« (Lc 198?). Und auch die Tempel-reinigung mußte von der Behörde als Herausforderung empfundenwerden. Er wollte leiden und durch sein Leiden die große Wende her-beiführen. Und nur aus der bitteren Enttäuschung über das Aus-bleiben des noch am Kreuz erwarteten Eingreifens Gottes ist der Ver-zweifelungsschrei zu erklären, mit dem Jesus gestorben ist. Wenn dasrichtig ist, so ist der Schluß erlaubt, daß die große Parusierede erstetwa zu Beginn des jüdischen Krieges formuliert worden ist und zwarzu einer Zeit, wo man noch annehmen konnte, dieser werde in einejiallgemeinen Krieg ausmünden, in dem sich Volk gegen Volk und Reichgegen Reich erheben werde (Mo 13 s).

Ungefähr um die gleiche Zeit erfolgte vielleicht die auffallendeFestlegung der Geburt Jesü auf das Jahr 9 n. Chr. Es handelt sichum die merkwürdige in einer Handschrift des Klosters Bobbio aus demIX. Jh. (und auch anderswo) vorliegende und dort auf Alexander,den Begründer der Bibliothek von Jerusalem (Euseb K. G. 6 20) zu-rückgeführte Tradition, die E. v. Dobschütz in einem Exkurs zuseinem Kerygma Petri (Lpz. 1893) untersucht hat. Sie gibt an:1. Geburtsjahr: Q. Sulpitio Camerino C.Poppaeo Sabino cons. = 9 n. Chr.2. Taufjähr: Valerio Asiatico II M. Junio Silano cons. = 46 n.Chr.3. Todesjahr: Nerone III M. Valerio Messala cons. = 58 n. Chr.Daraus, daß hier die Konsuln noch mit ihren sämtlichen drei Namenaufgeführt werden — bei M. Valerius Messala speziell ist das nur hierund bei Tacitus Ann. XIII 34 noch der Fall, während sonst der Namestets verkürzt wird —, schloß Th. Mommsen auf eine vorzüglichealte Überlieferung, die in die älteste Zeit hinaufgehe und gänzlichunabhängig sei von der durch Lukas begründeten christlichen Chrono-logie. Nachdem diese sich durchgesetzt hatte, konnte sie überhauptschweres Problem. Man lese in dem zwar dilettantischen, aber anregenden Buche vonJos. Pickl, Messiaskönig Jesus (München 1936) S.74ff., wie dieser sich mit der AgonieJesu inderölbergschilderung abquält, (Lc 22 44) soll nicht 'Angst' bedeuten,sondern 'seelische und energische Anstrengung bis zum Schweißausbruch', und diesesei veranlaßt vor allem durch die Vorschau der Leiden seiner Jünger und seiner Kirche.Neben dieses apologetische Gerede halte man die einfachen und schönen Sätze Eislersa. a. O. II S. 6281: »Bis zum letzten hofft Jesus auf die Gnadenwunder Gottes, der— wenn er nur wollte l — seinem Knecht Tod und Qual erlassen und das Reich ohne

* (Prüfung) . .. heraufführen . . . könnte. Aber nach wie vor, wie in allendiesen Jahren des heißen, unerschütterlichen Hoffens und Harrens und wie in denJahrtausenden, die dieser furchtbaren Nacht der Schicksalserfüllung gefolgt sind,dunkelt in uneriorschlichem Schweigen ein erbarmungslos unbewegter. Himmel auf dengläubigen Beter herunter.«

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nicht mehr entstehen. Dobschütz vermag nun die Relationenzwischen den drei Daten zu erklären. Ungefähr 50 Lebensjahre schreibtIrenaeus II 22 Jesu zu, indem er sich auf Joh 8 57 und auf die Tra-dition der Presbyter (Apostelschüler) beruft. Dobschütz kann auchIndizien für ein auf 12 Jahre geschätztes öffentliches Wirken Jesubeibringen. Nur eins kann er nicht, den Ausgangspunkt der Rechnung,das Jahr 9, begründen. Ich glaube, hier hilft die Danielsche Wochen-prophetie weiter. Der jüdische Krieg begann 66 n. Chr. Aber die Vor-geschichte dieses Krieges hat nach Hans Drexlers Untersuchungenzu Josephus und der Geschichte des jüdischen Aufstandes (Klio 1925,277ff.) »Dimensionen, von denen wir jetzt kaum etwas ahnen können«(S. 312). Der schlimme Gessius Floras war seit 64 Prokurator. Manwird schon damals das Unheil haben kommen sehen. Und man wirddas Ende des vorausgesehenen Krieges früher vermutet haben, alses nachher eingetreten ist. Vermutete man es für 65 und zog vondiesem Jahre die letzte Danielswoche ab, so mußte der Dan 926geweissagte Tod des mit Christus identifizierten Gesalbten auf 58fallen. Daraus ergaben sich dann entsprechend den von Dobschütznachgewiesenen Relationen die übrigen Daten17.

Vielleicht läßt sich diese Hypothese noch von einer anderen Seiteher stützen. John Gwynn hat in der Hermathena XV (1880), vol.VII137—150 ein in syrischer Übersetzung erhaltenes Fragment des Hippo-lytos veröffentlicht, worin dieser behauptet, Traianus Quintus18,a chief man of the Romans, habe ein Idol, Köre (= Persephone) ge-nannt, im Tempel zu Jerusalem aufgestellt. Hippolytos hat dieseNachricht nicht erfunden, denn sie paßt schlecht zu dem, was er be-weisen will, daß nämlich mit dem 'Greuel der Verwüstung' der Anti-christ gemeint sei. Gwynn denkt bei Traianus an den von Josephusfür die Jahre 67 und 68 (III § 289, 458, 485; IV 450) als Kommandantder 10. Legion erwähnten M. Ulpius Traianus, den Vater des späterenKaisers Trajan. In seiner Rezension des Gwynnschen Aufsatzes fragtHarnack (ThLZtg. 1889, 527): »Wann ist das geschehen? Zur Zeitder Belagerung selbst, als der Vorhof erobert war? Oder zu eineranderen, viel späteren Zeit?« Die erste Möglichkeit scheidet aus. Eskönnte sich da nur um den äußeren Vorhof handeln; der war zweiTage im Besitz der Römer, ehe der innere Vorhof genommen wurde,aber zugleich auch der ganze Tempel in Flammen aufging; in äußerenVorhof aber werden die Römer während der erbitterten Kämpfe

17) Weshalb 49 statt 50 ? Jesus sollte ein volles Leben gelebt haben. Dafür schienen49 Jahre, d. h. die heilige Zahl 7 mit sich selbst multipliziert, am geeignetsten.l8) In Quintus wird Crinitus stecken, das Eutrop im Breviarium ab urbe condita 8 2 alsBeinamen (agnomen) des Kaisers Trajan anführt. Solche agnomina wurden vererbt;also kann auch der Vater bereits diesen Beinamen geführt haben, oder es liegt Ver-wechslung von Vater und Sohn vor.

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schwerlich ein Bild der Köre aufgestellt haben. Außerdem stand da-mals M. Ulpius Traianus nicht mehr vor Jerusalem, sonst wäre erzweifellos zu dem Kriegsrat des Titus, in dem über das Schicksal desTempels beraten wurde, hinzugezogen worden10. Unter der viel spä-teren Zeit aber kann Härnack nur die Hadrians verstehen, in derJerusalem unter dem Namen Aelia Capitolina wieder aufgebaut wurdeund dort ein Juppitertempel erstand. Aber es ist weder für diesenJuppitertempel ein Standbild der Köre wahrscheinlich zu machen,noch kennen.wir aus dieser Zeit irgend einen Trajan. So bleibt denn,wenn wir dem Bericht des Hippolytos überhaupt Glauben schenkenwollen, nur die Zeit vor Ausbruch des Krieges übrig. Für diese aberspricht eine Stelle in den Stromateis (Teppichen) des Clemens Alexan-drinus. Er rechnet die letzte Woche Daniels von 64 oder 65 bis 7O20.Nach ihm hat Daniel gesagt, daß 2300 Tage vergehen sollen von demZeitpunkt an, wo durch Nero der Greuel in die heilige Stadt eindrang,bis zu ihrer Zerstörung« (Strom. I 146 7). Von Erfindung wird manauch hier schwerlich reden können; denn der Zeitpunkt der Auf-stellung des Greuels aip Anfang der Woche paßt nicht zu Daniel, derdamit für die Mitte der Woche rechnet. Es scheint also tatsächlichschon im Jahre 64 oder 65 ein Idol irgendwo im Tempel aufgestelltworden zu sein. War Trajan daran beteiligt, so versteht man auch dasSchweigen des Josephus, der Rücksicht auf den von Vespasian hochgeehrten Feldherrn nehmen mußte und überhaupt »uns zwar nichtmit belanglosem Geschwätz verschont, aber für das Wesentliche elendim Stich läßt« (Drexler a. a. O. S. 312). Indes, Bedenken bleiben.Mußte nicht das Aufstellen eines Idols, wenn es nicht schleunigstwieder entfernt wurde, den sofortigen Ausbruch des jüdischen Auf-standes zur Folge haben ? Möglicherweise handelt es sich also bei denBerichten des Hippolytos und des Clemens Alexandrinus nur umWeitergabe eines unverbürgten Gerüchts. Aber wann kann diesesaufgekommen sein ? Aufgeregte Zeiten sind der beste Nährboden fürsolche Gerüchte. Nach dem Jahre 70 ferner war kein rechter Anlaßmehr dafür gegeben. Endlich wird die merkwürdige Datenfolge wohlweitab von Palästina, wo um diese Zeit die Erinnerung an Jesus nochzu lebendig war, um eine solche Verfälschung seiner Lebensdaten zuerlauben, entstanden sein. Alle diese Überlegungen führen etwa aufdas Rom des Jahres 64. Der furchtbare Brand und die anschließendeVerfolgung waren nur zu geeignet, die Gemüter der dortigen Christen

"19) Wahrscheinlich wurde er im Laufe des Jahres 68 abberufeiu Nach Stotte(Philol. Anz. 1870, 269) und Henzen (Ephem. epigr, I S. 188, 2) wurde er in diesemJahre consul suffecius. 20) Clemens rechnet nicht genau. Er setzt für die letzteJahrwoche 3% Jahre Neros, 17 Monate -f 8 Tage des Galba, Otho und Vitelliussowie 2 Jahre Vespasians an. Also ist entweder Neros Tod falsch datiert oder derletzte Posten zu hoch gegriffen.

Zeitschr. f. d. neutest. Wise. 43. Band 1950/51 11

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zu erregen und das Weltende, das sie erhofften, ihnen als unmittelbarbevorstehend vorzuspiegeln. Von den damals einem peinlichen Verhörunterzogenen Christen berichtet Tacitus (Ann. XV 44), sie seien zwarnicht der Brandstiftung, wohl aber des Hasses gegen das Menschen-geschlecht überführt worden. Was deutet diese Worte besser als dieAnnahme, diese Christen hätten vor Gericht aus ihrer Überzeugungvon dem nahen Ende dieser Welt kein Hehl gemacht ? War aber dieseStimmung unter den damaligen Christen verbreitet, so konnte ihnennichts erwünschter sein als eine Nachricht, die den Greuel der Ver-wüstung an heiliger Stätte bezeugte, der auch nach den Evangeliendem Ende unmittelbar voraufgehen muß. So dürfte das Gerücht ent-standen sein.

Um die Mitte der sechziger Jahre des I. Jhs. glaubte man sichalso kurz vor dem Ende der siebzigsten Jahrwoche Daniels und damitvor der Wiederkunft Christi. Von welchem Ausgangspunkt man da-mals die 70 Wochen gerechnet hat, wissen wir nicht. Solche Ansätzehaben wir erst aus späterer Zeit21. Sie stießen ebenso wie die ganzeRechnung auf kaum überwindbare Schwierigkeiten. Vom Ansatz desDanielbuches auf 586 konnte man nicht ausgehen, sonst langte manweit vor dem erstrebten Zielpunkt an. Aber dem Ansatz 586 eigneteauch eine gewisse Willkür. »Vom Ausgang eines Spruches betreffsRückführung und Wiederaufbaus Jerusalems« heißt es Dan 925.Dabei dachte der Verfasser an den Spruch des Jeremias, rechnete abernicht von dem Jahre 605, in dem dieser Spruch erging (Jer 25 i),sondern von dem Ereignis, das der Prophet mit seinem Spruch imAuge hatte, der Zerstörung Jerusalems und der Wegführung in dieGefangenschaft. Ein Spruch betreffs Rückführung usw. (man be-achte das Fehlen des Artikels) konnte aber auch anders gedeutetwerden, nämlich auf den Erlaß des Kyros, der den Juden die Rück-kehr erlaubte (Esr l i ff.), wofür man dann auch einfach die Rückkehrselbst setzen konnte, oder auf den Erlaß des Dareios, der den Wieder-aufbau des Tempels anordnete (Esr 6 6 ff.), wobei man sich aucherlaubte, von der Vollendung dieses Tempelbaus im 6. Jahre desDareios (Esr 6 is) auszugehen, oder endlich auf das Dekret aus dem20. Jahre des Artaxerxes (Neh 2 iff.), durch welches Nehemia zumWiederaufbau der Mauern Jerusalems entlassen wurde. So ergebensich als Ausgangspunkte 559 (man nahm fälschlich das erste Jahr derRegierung des Kyros überhaupt statt 538, das erste Jahr seiner Herr-schaft in Babylon), 520 bzw. 515 und endlich 445. Man deutete schließ-lich aber auch den Dan 9 25 erwähnten Spruch auf die Vision Daniels

al) Zum Folgenden vgl. Franz Fraidl, Die Exegese der 70 Wochen Daniels inder alten und mittleren Zeit, Graz 1883. — Ed. Schwartz, Die Königslisten desEratosthenes und Kastor, Abh. d. Gott. G. d. W. 40, 2 (1896) S. 22-38. - Ad.Schlatter, Der Chronograph aus dem 10. Jahre Antonins, Lpz. 1895.

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Scheidweiler, Sind die Interpolationen iin altnissischen Josephus wertlos ? 163

selbst, die dieser im ersten Jahre Dareios des Meders erlebt habenwollte (Dan 91) und stempelte diesen Dareios entweder zu einem Vor-gänger des Kyros — der im Anfang des IX. Jhs. schreibende byzanti-nische Chronist Synkellos nennt p. 439 Nabonid und Astyages — oderidentifizierte ihn mit Xerxes (485—465),' Artaxerxes (465—425),Dareios Nothos (424—405), nach Schlatter sogar mit Dareios Kodo-inannos (336—330).

Eine zweite Schwierigkeit bereitete die letzte Jahrwoche. Sollteman sie eschatologisch deuten oder nicht ? In der Mitte der sechzigerJahre des I. Jhs. war die eschatologische Deutung eine Selbstver-ständlichkeit. Schlatter hat in der oben Anm. 21 angeführten Schriftauch für 148 eine Erwartung des Endes auf Grund der ProphezeiungDaniels wahrscheinlich gemacht und angenommen, man habe dabeivon Dareios Kodomannos aus gerechnet und so ungefähr 490 Jahrezusammengebracht. Aber die eschatologische Deutung hat auch inspäterer Zeit ihre Anhänger gehabt, die den Greuel der Verwüstungmit dem Antichristen gleichsetzten. Sie waren dabei natürlich ge-zwungen, die letzte Woche zeitlich von den übrigen loszureißen undsie in eine unbestimmte Zukunft zu versetzen. Wie setzte man aberbei nichteschatologischer Deutung den Endpunkt an? Da wurdenzwei Daten bevorzugt: das Jahr 'des Kreuzestodes Christi und dasder Zerstörung Jerusalems. So rechnete der Vater der christlichenChronographie, Sextus Africanus, die 70 Wochen vom 20. Jahr desArtaxerxes (445) bis zum Todesjahr Christi, als welches er das Jahr31 annahm. Er erhielt dabei zwar nur 475 Jahre, setzte diese abergleich 490 Mondjahre und bekam auf diese Weise die gewünschte Zahl.

Tertullian22 rechnet vom 1. Jahre des Dareios, den er dem Xerxesgleichsetzt, also von 485 bis zur Zerstörung Jerusalems 490 Jahre.Und zwar sollen von 485 bis zur Geburt Christi — dieser wurde nachihm im Jahre 29, ungefähr 30 Jahre alt, gekreuzigt — 62% Wochenverflossen sein, so daß von Christi Geburt bis 70 nur 7% Wochenbleiben. Natürlich stimmt beides nicht, er müßte denn das erste Jahrseines Dareios gleich 438 gesetzt haben. Für den zweiten Abschnitthilft er sich dadurch, daß er die Regierungszeiten des Tiberius undNero zu kurz ansetzt und den Claudius überhaupt nicht mitrechnet.

Auch für Clemens Alexandrinus ist das Jahr 70 der Endtermin.Ausgangspunkt aber ist das erste Jahr des Kyros23. Da nun bei ihmdie 69. Woche mit dem Kreuzestode Christi schließt, muß er zwischendieser und der 70. Woche eine zeitliche Lücke angesetzt haben. Aberauch für die 69 Wochen kommt eine viel zu hohe Zahl von Jahrenheraus. Origenes24 will der zeitlichen Lücke zwischen der 69. und

«) Adversus Judaeos c. 8. 28) Strom. 1128, l gibt er ihm 30 Jahre, rechnetalso von 569. u) Matthäuskommentar, ser. 40 (GCS Origene$s Werke 11. Bandp. 78, 14 Klostermann). -

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164 Scheid weiler, Sind die Interpolationen im altrussischen Josephus wertlos ?

70. Woche dadurch entgehen, daß er die Woche mit 70 Jahren an-setzt, also mit Zehnjahrwochen rechnet. Die 69. Woche schließt auchbei ihm mit dem Tode Christi (32 oder 33). Danach ist es bis zur Zer-störung Jerusalems nur etwas mehr als eine halbe Woche, so daß derEndpunkt ungefähr eine halbe Zehnjahrwoche nach 70 fällt. Rechtgenau mit den Zahlen nimmt es Eusebios. Infolgedessen landet erbei keinem der beliebten Endpunkte. In einer ersten Berechnung gehter vom ersten Jahr des Kyros aus, das er = 558 setzt, und rechnetvon da bis zur Erstürmung des Tempels durch Pompeius (63) 496Jahre. In dem Eindringen des Pompeius in das AUerheiligste erblickter den Greuel der Verwüstung25. In einer zweiten Berechnung nimmter das 8. Jahr des Dareios I. (513)20 als Ausgangspunkt27 und rechnetvon da bis 30 v. Chr., der Zeit des Augustus und Herodes, durch dender letzte ordnungsgemäße Hohepriester Hyrkanos beseitigt wurde,483 Jahre d. h. 69 Wochen. Die letzte Woche trennt er von den übri-gen. In ihre Mitte verlegt er den Kreuzestod Christi (nach ihm 32),so daß der Schluß der Woche 3% Jahre später fällt. Später hat ersogar diese letzte Woche und nur diese als Zehnjahrwoche gefaßt28.Er läßt sie wie Origenes mit dem Jahre nach der Kreuzigung beginnenund so über das Jahr 70 hinausreichen bis zum Tode des ApostelsJohannes, der nach ihm Jesus um 70 Jahre überlebt hat.

Eine dritte Schwierigkeit bot die eigentümliche Teilung derWochen bei Daniel in 7 + 62 + 2 halbe Wochen. Danach mußte alsoauch der Schnittpunkt der 7. und 8. Woche durch ein besonderesEreignis gekennzeichnet sein, und Julius Africanus wird von Eusebiosgetadelt, weil er das nicht beachtet hat. Auf die einzelnen Lösungenhier einzugehen erübrigt sich. Nur das muß bemerkt werden, daßTheodoret, der berühmte Kirchenhistoriker und Exeget des V. Jhs.,die Reihenfolge umdrehte und die 62 Wochen vor die 7 stellte. Erschließt sich im übrigen an Africanus an und arbeitet wie dieser mitMondjahren. Die 62 Wochen reichen vom 20. Jahr des Artaxerxes bisauf Hyrkan, dann folgen 6 Wochen bis zur Taufe Jesu im 15. Jahrdes Tiberius. Der Kreuzestod fällt dann in die Mitte der letzten Woche;diese schließt also 3% Jahre nach der Kreuzigung. Eine ähnliche Um-stellung (62 vor 7) schreibt Hieronymus den jüdischen Auslegern seinerZeit zu.

Wir sind nunmehr imstande, die Berechnung im altrussischenJosephus zu beurteilen. Pascals 434 Jahre bestechen zunächst. Wirhätten es also mit einer Berechnung zu tun, bei der wie bei Theodoretdie 62 vor die 7 Jahrwochen gesetzt wurden. Im Jahre 32 (S. 156) wärenalso 434 Jahre abgelaufen, so daß noch 56 übrig blieben. Welchen

8B) Dem. ev. VIII 2, 76. fe) Dem. ev. VIII 2, 80ff. 27) Ed. Schwartzin dem oben Anm. 21 angeführten Aufsatz S. 29. 2e) Eclogae propheticae 165.

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Scheidweiler, Sind die Interpolationen im altrussischen Josephns wertlos? 165

Endpunkt könnte, wer so rechnete, im Auge gehabt haben ? Mit den56 Jahren kommen wir auf das Jahr 25 n. Chr., ein Jahr also, das fürunsere Frage keinerlei Bedeutung hat. Nun ist freilich Bickermannder Meinung, der Interpolator folge der Berechnung Hippolyts, mitdessen Kommentar man in Rußland nachweislich das Buch Daniel

.gelesen habe. Und Hippolyt habe die ersten 7 Wochen noch zur baby-lonischen Gefangenschaft geschlagen, und unser Interpolator rechneausdrücklich von der Rückkehr aus dieser Gefangenschaft an, so daßalso mit den von Pascal erschlossenen 434 Jahren in Wirklichkeitschon 483 abgegolten wären und wir unmittelbar vor der letztenWoche ständen29. Ich muß gestehen, das ist eine starke Zumutung,die sich übrigens schon dadurch erledigt, daß der Interpolator aus-drücklich 70 Jahrwochen nach der Rückkehr ansetzt. Aber ganz ab-gesehen davon, auch das, was Bickermann über Hippolyt sagt, mußzurechtgerückt werden. Hippolyt80 rechnet von dem Zeitpunkt an,wo Daniel seine Offenbarung empfing. Er bestimmt ihn als das 21.Jahr der Gefangenschaft. Dem entsprechend müßte nach 49 Jahrengerade die Gefangenschaft zu Ende sein, das wäre also das Jahr 536.Aber das hat Hippolyt nicht gemeint. Schon der Umstand, daß er dieJuden unter Jesua, Serubabel und Esra zurückkommen läßt, mußstutzig machen. Denn Esras Rückkehr erfolgte wesentlich später.Außerdem sagt er ausdrücklich, daß zu diesem Zeitpunkt auch dieTempelverödung zu Ende war. Die Tempelveröduiig aber endete nachdem ersten Kapitel des Sacharja im 2. Jahr des Dareios (520), wofürman auch das 6. oder wie Eusebios das 8. Jahr gesetzt hat. Polychro-nios (um 400) verlegte dieses Ereignis sogar in das 9. Jahr des Dareios.Nimmt man etwas derartiges auch für Hippolyt an und rechnet vonda 49 Jahre zurück, so kommt man etwa auf 565. 21 Jahre früher sindwir im Jahre 586, dem tatsächlichen Beginn der babylonischen Ge-fangenschaft. Hippolyt brachte also mit dieser Berechnung die baby-lonische Gefangenschaft tatsächlich auf 70 Jahre, die sie ja in Wirk-lichkeit gar nicht gedauert hat. Daß im Jahre 565 in Babylon keinRegierungswechsel eintrat — Daniel will ja seine Vision im erstenJahre Dareios des Meders erlebt haben —, verschlug dem gegenübernichts. Hippolyt hat möglicherweise bei diesem Dareios an Evil

29) Ich kann Bickermanns Worte a. a. O. S. 75 nicht anders deuten: »Daniel, etEusebe le suivant, comptent 7 et 62, au total 6g semaines jusqu'ä la venue du Christ. Maisd* apres le commentaire d'Hippolyte (In Dan IV 31) lessept premieres semaines couvraientencore une Partie de la captiviti des, Juifs en Babylonie des septante annoes prfdites parJMmie. Ce n'est qu'en annonfant les 62 semaines suivantes que Daniel dtcouvrit les con-seils de la Providence et exprima clairement les secrets des temps ä venir. Ainsi Hippolytesuppute: »depuis le retour du peuple . . . jusqu'ä la venue du Christ s'acouleront 434 ansC'est ce comput qui s'imposa au Pseudo-Josephe *°) Danielkommentar IV 28 ff.(S. 264 der Ausgabe von Bonwetsch).

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166 Schcidweiler, Sind die Interpolationen im altrussischen Joseph as wertlos ?

Merodach gedacht, der 561, oder an Nabonid81, der 555 den Thronbestieg. Auf ein paar Jahre kommt es ja bei diesen Berechnungennicht an. Jedenfalls unterscheidet sich Hippolyt in diesem Punkte innichts von anderen Exegeten. Denn das 2. oder 6. Jahr des Dareioswird mit Vorliebe als Endpunkt der ersten 7 Wochen angesetzt.

Und wie steht es ferner mit der einen Woche, die nach Bicker-mann im Jahre 32 v. Chr, noch ausstehen würde ? Sie hängt entwedermit den früheren nicht zusammen, oder sie führt uns ins Jahr 25 v. Chr.,wieder ein Jahr ohne jede Bedeutung. Es ist also nichts mit PascalsErgänzung der 400 Jahre. Wir müssen bei der Deutung von Berendtund Eisler bleiben, nach der die 34 Jahre der von den 70 Jahrwochennoch bleibende Rest sind. Rechnen wir aber von 32 v. Chr. 34 Jahreweiter, so kommen wir auf 3 n. Chr.31a Eisler denkt sich dieses Jahr alsErscheinungsjahr des Messias und findet diesen Messias entweder inJudas dem Galiläer oder in dem falschen Alexander, dem angeblichenSohn der Hasmonäerin Mariamne (Jos. Jüd. Kr. II § lOlff.). Beidesentbehrt jeder Wahrscheinlichkeit. Nun ist das Gespräch der Priesterzweifellos eine Fiktion, und wer es erfunden hat, hat sicherlich einenbestimmten Endpunkt im Auge gehabt, auf den er die Zahlen einstellte.Dieser Endpunkt aber ist angegeben. Es ist die Zerstörung Jerusalemsim Jahre 70. Ziehen wir davon 34 Jahre ab, so kommen wir auf dasJahr 36. Es kann nun kein Zufall sein, daß in diesem Jahre ebenfallsein Araberkrieg begann, nämlich der des Herodes Antipas (Schürer,Gesch. des jüd. Volkes I4 S. 445). Sollte etwa ursprünglich dieserHerodes für den Messiasbefreier gehalten worden sein ?

Man steht der Gleichsetzung eines Herodes mit dem Messiasgewiß zunächst skeptisch gegenüber und E. Bickermann möchtesie in einem Artikel ^LesH rod^ens«(Rev.bibl. 1938,184—197) als ledig-lich auf einem christlichen Mißverständnis beruhend erweisen. IndesBickermann ist leicht zu widerlegen. Ich brauche dazu nur zwei Sätzeseines Aufsatzes nebeneinander zu stellen. S. 188 heißt es: »J7 suffitde constater que les Juifs des premiers sitcles de notre ere ont pris le motobscur Shiloh (s. o. Anm. 5) pour une designation messianique, que lesTargums le rendent par 'l'Oinf et 'le Roi Oint\« Und S. 191: »Commepour les Chratiens 'celui a qui est reservo'. .. itait ntcessairement leChrist, ils attribuerent a ceux des luifs, qui identifiaient le personnage

avec H rode, Vidae Strange de tenir Hirode poiir le Messie. Envtritt les 'färodiens' ont pris seulement Horode pour 'Shiloh', pourcelui qui mettra fin a la royaüto nationale. Gewiß liegt bei Epiphaniosein Mißverständnis vor, aber das betrifft nur seine Annahme, Herodesder Große sei für den Messias gehalten worden. Das ist bei diesemTyrannen, unter dessen hartem Regiment man stöhnte, allerdings

Vgl. S. 163. 3la) Eisler setzt 2 an.

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Scheidweiler, Sind die Interpolationen im altrussischen Josephus wertlos ? 167

kaum glaublich. Außerdem lebte man zu seiner Zeit noch in einemdem Namen nach selbständigen Staate. Wohl aber ist es denkbar, daßdie seit der Absetzung des Archelaos unter römischer Herrschaftstehenden Landschaften Judäa und Samaria auf der Suche nacheinem Befreier von dem als drückend empfundenen römischen Jochauf den im benachbarten Galiläa regierenden Herodes Antipas verfie-len. Sogenannte Messiasse hat es ja zur Zeit der Römerherrschaft ge-nug gegeben, angefangen von Judas dem Galiläer über Theudas bis zuBar-Kochba, und bei all diesen messianischen Bewegungen war zu-nächst ausschlaggebend die Befreiung von der römischen Herrschaft.Unter diesen Umständen ist es durchaus möglich, daß gewisse Judenin Antipas den Messiasbefreier gesehen haben. Daß er nicht viel besserwar als sein Vater, kam ihnen nicht so zum Bewußtsein, weil sie nichtunmittelbar unter seiner Herrschaft standen. Und wenn die Christenanläßlich der Genesisweissagung sich darauf beriefen, daß Jesus zurZeit Herodes des Großen, des ersten fremdstämmigen Herrschers,unter dem das Szepter von Juda genommen wurde, geboren war, sogalt ja von Herodes Antipas das gleiche. Nach seiner im Jahre 39erfolgten Verbannung richtete sich die Hoffnung dieser jüdischenKreise auf Herodes Agrippä, der ja tatsächlich in Rom großen Ein-fluß hatte und schließlich noch einmal für ein paar Jahre die jüdischenLandschaften unter seiner Herrschaft vereinigte und das Land vonden römischen Prokuratoren befreite. Und von diesem Agrippä, derwegen seiner Frömmigkeit bei den Juden recht beliebt war, berichtetder gegen Ende des IV. Jhs. schreibende Filastrius im 28. Kapitelseines Ketzerkatalogs in der Tat, daß die Juden auf seine Wiederkehrals Messias hofften82. Nun legt freilich Bickermann diesem Zeugnisgar keinen Wert bei. Filastrius, meint er, schreibe den Epiphanios ausund habe nur im Anschluß an Act 12, 22 (»Das Volk aber rief: Soredet ein Gott und nicht ein Mensch«) den Agrippä statt seines Groß-vaters eingesetzt. Überhaupt gingen alle Autoren, welche die GleichungHerodes—Messias bringen, auf eine Quelle zurück und seien dem-gemäß zu bewerten. Als diese Quelle aber sieht er die fälschlich Ter-tullian zugelegte Schrift Adversus omnes haereses an. Nach der Ver-mutung von Ed. Schwartz (Zwei Predigten Hippolyts, Bayr.S.Ber.1936, 3 S. 37ff.), die viel für sich hat, handelt es sich bei dieser Schriftum ein von Viktorin von Pettau (f 304) überarbeitetes Werk desPapstes Zephyrin (etwa 198—217), also um eine Quelle aus rechtalter Zeit. Aber die dort gleich zu Anfang sich findende dürftige NotizHerodianos, qui Christum Herodem esse dixerunt genügt wohl als

3a) Alii Herodiani sunt, ab Herode rege ludaeorum ita appellati. Isti . . . Herodem. . . regem ludaeorum, percussum ab angelo (Act 12, 23) ipsum ut Christum sperantesexpectant.

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168 Scheidweilcr, Sind die Interpolationen im allrussischen Josephus wertlos ?

Quelle f r Hieronymus Contra Luciferianos 23 (Herodiani Herodemregem suscepere pro Christo) nicht aber f r die langen Ausf hrungendes Epiphanios, und wenn auch Filastrius vielfach den Epiphaniosbenutzt hat, so ist es doch recht unwahrscheinlich, da er hier aussich ge ndert hat, eben weil der fromme und beliebte Agrippa einef r die Messiaserwartung der Juden viel geeignetere Pers nlichkeitwar als der verha te Herodes.

So hat denn m. E. unser Priestergespr ch zuerst dem Antipasgegolten, und die abf llige Kritik der Priester wird dabei auf dieNiederlage Bezug genommen haben, die dieser im arabischen Kriegerlitten hat. Darin wird der Grund liegen, weshalb man es nach derUmdeutung auf Herodes den Gro en zu dem Jahre setzte, in welchemdieser zum Krieg gegen die Araber auszog. Fragt man aber, von wemdas Gespr ch erfunden sein kann, so wird man am ehesten an einePers nlichkeit aus dem Kreis der Johannesj nger denken. Diesehatten allen Grund, auf Antipas erbost zu sein, weil er ihren Meisterhatte enthaupten lassen; f r sie lag es auch nahe, auf den ungl ck-lichen Araberkrieg des Antipas hinzuweisen, dessen schlimmen Aus-gang auch Josephus (Altert. XVIII § 116) auf die Hinrichtung desT ufers zur ckf hrt. Von Josephus selbst also stammt dieses Messias-gespr ch nicht — er w rde es nicht an so falscher Stelle eingef gthaben —, aber es stammt aus alter Zeit, bereichert, wenn meine Dar-legungen richtig sind, unsere Kenntnisse und ist eine Mahnung f runs, auch ber die Nachrichten der brigen Zus tze nicht ohne weiteresden Stab zu brechen.

2. Wie steht es ferner um Johannes den T ufer ? Die christlicheberlieferung hat ihn zum Vorl ufer gemacht, zum blo en Hinweiser

auf Jesus. Aber unter dieser tendenzi sen bermalung schimmertan einzelnen Stellen das echte geschichtliche Bild des Mannes nochdurch. Wenn Joh 3 26 die Johannesj nger zu ihrem Meister von Jesussagen: 65 ην μετά σον (der mit dir zusammen war), so h tten sie sichsehr ungenau ausgedr ckt, wenn sie blo an das einmalige KommenJesu zur Taufe gedacht h tten. Der Wortlaut deutet vielmehr aufeinen l ngeren Aufenthalt Jesu bei Johannes hin. Im gleichen Ka-pitel V. 22 und ebenso 4, l hei t es von Jesus, er habe selbst getauftbzw. durch seine J nger taufen lassen und die Ausdrucksweise 4, llegt die Vermutung nahe, als habe er das in Konkurrenz mit Johannesgetan. So ist denn auch Joh 825 von einer Auseinandersetzung derJohannesj nger μετά Ιουδαίου περί καθαρισμού (mit einem Judenber die Reinigung d. h. doch wohl ber die Taufe) die Rede. Die

Lesart μετά Ιουδαίου aber kann nicht richtig sein. Das w re" genauso, als wenn ein Deutscher in Deutschland sagte: »Ich habe gesternmit einem Deutschen gesprochen.« Auch w rde man Ιουδαίου τινό$erwarten. Von den Verbesserungsvorschl gen ist der beste der von

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Scheidweiler, Sind die Interpolationen im .altrussischen Josephus wertlos ? 169

O. Holtzmann μετά των 'Ιησού seil, μαθητών (mit den J ngern Jesu).Das ist ein weiterer Zug zu dem Bilde sich befehdender Konkurrenten.

Weiter f hrt das 11. Kapitel des Matth usevangeliums. Dort istman v llig berrascht, nach einem begeisterten Loblied auf denT ufer — er sei mehr als ein Prophet und der Gr te der Weibge-borenen -— das herbe Urteil zu vernehmen, da der Kleinste imHimmelreich gr er sei als er. Nat rlich hat man das zu erkl ren ver-sucht. Pr fen wir also die Erkl rung Harnacks, eines unserer gr tenTheologen! Er hat die Stelle in seinem Aufsatz'Zwei Worte Jesu'behandelt (Berl.S.Ber. 1907, S. 942/57). Dort hei t es S. 951: »DiesesReich des Himmels aber ist nicht erst zuk nftig, sondern es dringtnach den Tagen des Johannes im Sturme ein, und nur Menschen, dieSt rmer sind, ergreifen es; denn alle Propheten und das Gesetz haben(f r ihre prophetische Aufgabe) bei und mit Johannes ihre Grenzegefunden (also mu jetzt etwas Neues da sein): ist Johannes doch— wenn ihr diese Betrachtung gelten lassen wollt — der Elias, derals unmittelbarer Vorl ufer des Messias kommen soll.« Und S. 950:»In der neuen h heren Sph re aber gilt: minimum maximimaius estmaxima minimi. Sehen wir uns das im einzelnen an! Zun chst das 'denn'vor 'alle Propheten'. Es steht genau so im Urtext. Nach Harnack solles das Vorhergehende begr nden —, »nicht eigentlich den sachlichenInhalt des Satzes, sondern das chronologische Moment« (S. 955). Einmerkw rdiges denn! Auch Harnack scheint nicht sehr befriedigt zusein von dieser Erkl rung, denn er bringt in einer Anmerkung nocheine zweite: »Doch l t sich auch daran denken, da eine neue Weise(n mlich das st rmische Ergreifen) nun eintreten mu , weil die demGesetz und den Propheten entsprechende Weise ihre Grenze gefundenhat«. Das lie e sich h ren, falls mit dem 'ihre Grenze gefunden haben'das Verbum des 13. Verses richtig wiedergegeben w re. Aber πάντεςoi προφήται καΐ 6 νόμος 2cos Ιωάννου έπροφήτευσαν (alle Prophetenund das Gesetz haben bis auf Johannes prophezeit) kann nicht hei en:die alttestamentlichen Prophezeiungen gehen bis auf Johannes undfinden da ihre Grenze. Sie gehen ber ihn hinaus auf den Messias undsogar auf die Zerst rung Jerusalems. Noch weniger kann man aus'Gesetz und Propheten' die ihnen entsprechende Weise machen, wieHarnack das dem 'denn' zuliebe tut33. Es sind sch ne Worte, dieHarnack gegen Ende seines Aufsatzes findet: »Wenn Jesus die neuePeriode dadurch charakterisiert, da das Reich mit Gewalt herein-bricht und nur St rmer es ergreifen, so ist damit der Charakter jederwahrhaft gro en religi sen Bewegung wunderbar getroffen. Das be-

M) Auch die an sich passendere Deutung^ die man sonst findet: »Mit Johannesbeginnt die endzeitliche Erf llung dieser Prophezeiungen« legt zu viel in den ein·fachen Wortlaut des berlieferten Textes hinein.

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170 Scheid weilcr, Sind die Interpolationen im allrussischen Josephus wertlos ?

r hmte Wort Luthers von dem Wort Gottes, das wie ein Platzregenf hrt — wer sich nicht dazu tut, geht leer aus —, ist wie ein Nachhall.Zugleich aber liegt in diesen Worten eine Kritik der T uferbewegung.Bei aller hohen und h chsten Anerkennung, die dem Johannes zuteilwird — er und seine J nger waren doch keine βιασταΐ άρπάζοντε?την βασιλείαν (St rmer des Reiches), konnten es nicht sein, denndas Reich Gottes war noch nicht da34. Damals galt es die innere Vor-bereitung f r das kommende Reich, jetzt gilt es, das gegenw rtigeReich selbst zu gewinnen. — Jene (des T ufers) Gefangensetzung wareine Katastrophe: der Wegbereiter, der Elias, schm hlich eingezogen,sein Werk zerst rt; Gott hat dieses Werk verlassen; Johannes waralso nicht, der er schien! Aber Jesus bog den Sinn des Ereignisses um— das ist das Erstaunliche: das Werk des Johannes, des Vor-l ufers, ist erf llt! Ist aber dieses Werk erf llt, so ist das ReichGottes bereits da; denn es mu dem Vorl ufer auf dem Fu e folgen.Dann aber ist auch alles Vorbereitende nunmehr abgeschlossen: dortdas Gesetz und die Propheten, hier das Reich Gottes! So schlug dieKatastrophe des Johannes Jesus nicht nieder, sondern erhob ihn zuder zuversichtlichen Einsicht, da das Alte nun vergangen sei undda daher sein eigenes Wirken bereits die Gegenwart des Reichesdarstelle.« Wie gesagt, das sind sch ne und eindrucksvolle S tze.Aber was sie bieten, ist Konstruktion auf unsicherer Grundlage.Denn diese Konstruktion basiert auf der Behauptung, das Reich seibereits da und nicht erst in Zukunft zu erwarten. Weshalb l t dennJesus seine J nger beten: Dein Reich komme? Gewi , es gibt einpaar Worte von ihm (etwa Mt 12 28; Lc 17 21), in denen er in k hnerVorwegnahme das Reich als schon gegenw rtig hinstellt. Aber aufGrund einer blo en k hnen Vorwegnahme nun eine Grenzscheide auf-richten, die alle, welche vorher gelebt haben, ausscheidet, das gehtdoch nicht an. Und Johannes lebt doch noch, als Jesus dieses harteUrteil ber ihn ausspricht! Selbst wenn er nicht mehr lebte: auch diel ngst Dahingeschiedenen wie Abraham, Isaak und Jakob werdennach Mt 811 im Himmelreich mit zu Tische liegen.

Wenn nun selbst Harnack eine Matth usstelle nicht befriedigenderkl ren kann, so liegt die Vermutung nahe, da der Verfasser desersten Evangeliums sich erlaubt hat, den Wortlaut des ihm ber-lieferten ζ,μ ndern. Denn dabei verf hrt er zuweilen so ungeschickt,da er eine rechte Deutung unm glich macht. Bestes Beispiel daf r

**) Hier m chte man einwenden: Verdienen sie also kritisiert zu werden ?Au erdem ist die von Harnack und den meisten anderen Theologen beliebteDeutung der griechischen Worte βιασταί und άριτάζειν sehr gewagt. Selbst Harnackmu zugeben: »Da βιασταί und άρττάζειν in gutem Sinne verstanden werden sollen,ist vielleicht etwas paradox« (S. 963). Sie im schlimmen Sinne zu fassen liegt jeden-falls viel n her.

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Scheidweiler, Sind die Interpolationen im altrussischen Josephus wertlos ? 171

ist das, was er aus der ber hmten Frage des reichen J nglings undder Antwort Jesu gemacht hat. Da fragt der J ngling statt wie beiMC und Lc: »Guter Meister, was mu ich tun, um ewiges Leben zuerwerben ?« vielmehr: »Meister, was mu ich Gutes tun, u. e. L. z. e. ?«Und Jesus antwortet nicht: »Was nennst du mich gut ? Niemand istgut au er Gott allein«, was guten Sinn gibt, aber dem Verfasser desersten Evangeliums bedenklich vorkam, sondern vielmehr: »Wasfragst du mich nach dem Guten? Einer ist gut, n mlich Gott.« Hierversagt alle Interpretationskunst. Denn das w rde nur dann einen"befriedigenden Sinn geben, wenn Jesus der Meinung gewesen w re,der Mensch sei, weil das Pr dikat 'gut* nur Gott zukomme, berhauptnicht imstande, Gutes zu tun. Das aber ist sicher seine Meinung nichtgewesen.

Bei dieser Stelle sind wir also in der gl cklichen Lage, einwand-freie Parallelberichte zu haben36. Der Parallelbericht zu Mt 11 aber(Lc 16 ie) bringt den Wortlaut in zweifellos entstellter Form; ό νόμο$και οι προφηται μέχρι Ιωάννου · από τότε ή βασιλεία του θεούευαγγελίζεται καΐ πα$ εί$ αυτήν βιάζεται (Gesetz und Propheten reichenbis Johannes; von da an wird die Frohbotschaft vom Reiche Gottesverk ndet und jeder dringt mit Gewalt in dieses ein). Aber in einemPunkte hilft Lukas doch weiter; er hat die Stellung der S tze getreuerbewahrt als Matth us. Das ergibt sich daraus, da nur bei dieserStellung der S tze die zeitlichen Bestimmungen &os Ιωάννου undαπό δε των ήμερων Ιωάννου (bis Johannes — aber seit den Tagen desJohannes) sowie das den zweiten Satz einleitende 'denn' zu ihremrechten Sinn kommen. In dem Satz πάντες yap οι προφηται και όνόμος έως Ιωάννου προφητεύουσιν (seil, περί της βασιλείας) liegt derTon auf dem προφητεύουσιν; alle Propheten und das Gesetz be-schr nken sich bis auf Johannes auf das Prophezeien (des Reiches).Daran schlie t sich: από δε των ήμερων Ιωάννου έως άρτι ή βασιλείατων ουρανών βιάζεται καΐ βιασταΐ άρπάζουσιν αυτήν d. h. Seitden Tagen des Johannes aber sucht man das Reich mit Gewalt auf-zurichten und Gewaltt ter suchen es an sich zu rei en. Bei dieserStellung der S tze kommt auch das begr ndende γαρ zu seinemRechte. Begr ndet wird ri mlich das vorangehende harte Urteil Jesuber den T ufer. Freilich die nachher folgende Wendung berrascht

da etwas: »Und wenn ihr es annehmen wollt: er ist Elias, der dakommen soll. Wer Ohren hat, h re es!« Auch da scheint eine kleine

nderung vorgenommen zu sein. Der Zusammenhang verlangt καίτοιstatt καί. »Und doch, wenn ihr es annehmen wollt; er ist Elias.« Soist die Stelle in Ordnung.

Wir wissen, da seit dem Jahre 6 n. Chr., in dem Archelaus ab-gesetzt wurde und Jud a und Samaria unter r mische Herrschaft

») Mt 19ief, = MC 10i7f. tu IxJ 18i8f.

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172 Scheidweiler, Sind die Interpolationen im altrussischen Josephus wertlos ?

kamen, Kias Feuer des Aufstandes ununterbrochen unter der Aschefortglimmte, bis es endlich 60 Jahre später zur mächtigen Flammeemporloderte« (Schürer a. a. 0. S. 487)3e. Und wenn es allgemeinejüdische Anschauung war, daß »der Messias ein 'Messias-König' sei,der die Heiden im Kampfe besiege und über ihre Reiche herrsche,und daß es zur Erreichung dieses Zieles nur einen Weg gebe: Aufruhrgegen die Römer« (Jos. Klausner, Jesus von Nazareth2, Berl. 1934,S. 345), so sehe ich nicht, weshalb wir unter allen Umständen an-nehmen müssen, Johannes der Täufer sei von dieser Auffassung, dieselbst unter den Jüngern Jesu ihre Anhänger hatte, unberührt ge-blieben. Richtig urteilt Joh. Weiß, Die Schriften des Neuen Testa-ments für die Gegenwart erklärt2 Gott. 1907 S. 317 unten: »DieWorte (Mt 1111) enthalten eine scharfe Wendung nicht nur gegen dieGewalttäter, sondern in gewisser Weise auch gegen die Wirksamkeitdes Täufers, der hiernach nur eine verkehrte und nicht ans Ziel füh-rende Bewegung entfacht habe« **. Jesus war eben ein Feind jederGewalt, und hierin wird-der Grund sowohl dafür zu suchen sein, daßer sich vom Täufer trennte, als auch für das herbe Urteil Mt 11 n.Diese verschiedene Einstellung der beiden kommt aber gerade in denZusätzen zum altrussischen Josephus deutlich zum Ausdruck. Jo-hannes verkündet da: »Gott hat mich gesandt, euch den Weg desGesetzes zu zeigen, auf dem ihr euch von vielen Gewalthabern be-freien werdet. Und es wird nicht mehr ein Sterblicher über euchherrschen, sondern nur der Höchste, der mich gesandt hat« **. Jesusaber verschmäht den ihm von irgendwelchen Anhängern gemachtenVorschlag, sich mit Gewalt Jerusalems zu bemächtigen39. Auch darin,daß ein solches Ansinnen an Jesus gestellt worden sei, liegt nichtsUnwahrscheinliches. Pickl redet von einem mehrmaligen Liebes-werben der Freiheitspartei um Jesus40. Und in der Tat läßt sich eine

3 ) Vgl. auch Jos. Pickl, Messiaskönig Jesus S. 16: »Das Geburtsjahr der Frei-heitspartei ist demnach 6 n. Chr.« 37) Vgl. E is l er a. a. O. II 88 u. Anm. 5. Ich setzeseine Worte her, damit deutlich wird, worin sich seine Auffassung von der meinigenunterscheidet: »Der Lobpreis des Täufers als des größten aller bisherigen Menschen,weil bis auf ihn Moses und die Propheten vom Gottesreich nur geredet, geweissagthätten, während er mit der tatkräftigen Verwirklichung des Gedankens, mit dem 'Be-reiten des Weges1 begonnen habe, setzt sicher voraus, daß Jesus dem Täufer die Ur-heberschaft der zelotisch-aktivistischen Freiheitsbewegung zuschrieb.« Also keineKritik des Täufers seitens Jesu, nur Anerkennung. 38) Hinter II § 110. 3 ) »J/slui demand erent d'entrev dans la ville, de massacrer les troupes romaines et Pilateet de rogner sur eux. Mais il n'en eut pas cure« (Pascal bei Istrin I S. 151). 40) Vgl.K. Adam in seiner Rezension von Pickls Buch (Theol. Quartalschr. 1935, S. 665) :»Der Verfasser wird wohl darin recht haben, daß der politische Einschlag in der ur-sprünglichen Geschichte Jesu und seiner Verkündigung doch stärker gesehen werdenmuß, als bisher üblich war, und daß . . . die Apostel erst in langem fortschreitendemProzeß von ihren politischen Bindungen frei wurden.«

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S ch ei d weil er, Sind die Interpolationen im altrussischen Joeephus wertlos ? 173

Stelle wie Lc 131-3 nicht wohl anders erklären, als daß Jesus Zeloten,die ihn durch den Hinweis auf das empörende Vorgehen des Pilatusgegen die Galüäer für ihre Ziele zu gewinnen suchten, antwortete:»Wenn ihr eure Gesinnung nicht ändert, d. h. wenn ihr von euremGewaltstreben nicht ablasset, werdet ihr alle in gleicher Weise um-kommen«.

Wenn diese Ausführungen richtig sind, so kommen wir allerdingsin Konflikt mit der biblischen Chronologie. Jesus konnte schwerlichkonstatieren, daß sich seit Johannes ein Wandel in der Auffassungvom Kommen des Gottesreiches vollzogen habe, falls Johannesdamals erst so kurze Zeit tätig war, wie wir das nach der Darstellungder Synoptiker annehmen müssen. Es stellt sich uns also die Frage,ob unsere auf Lukas gegründete Chronologie richtig ist. Was demLukas für chronologische Versehen unterlaufen, ist bekannt. Er setztAct 3 f. den nach Josephus unter die Statthalterschaft des Fadus(37—44 n. Chr.) fallenden Aufruhr des Theudas vor den aus derSchätzung des Quirinius (6 n. Chr.) sich herleitenden Aufstand ^desGaliläers Judas. Ebenso stellt er die wahrscheinlich ins Jahr 48 fallendeHungersnot unter Tiberius Alexander (45—49, vgl. Jos. Altert. XX§ 101) vor den Tod des Agrippa, der ins Frühjahr 44 gehört (Act Il27ff.u. 12 23). Nicht weniger falsch ist die Verlegung der Geburt Jesu in•das Jahr der Schätzung des Quirinius (Lc 2 2)41. Und auch bei der

41) Die Versuche, einen römischen Zensus unter Herodes glaubhaft zu machen,sind sämtlich mißlungen. Vgl. Groag Real-Encyclopädie für das klass. Altert. IVASp. 836. Mommsens Urteil (Res gestae Divi Augusti* S. 176) besteht immer noch zuRecht. Er gibt zwar die Möglichkeit zu, daß Quirinius zweimal Statthalter von Syriengewesen sei, betont aber: »minime sequitur bis c ens am esse ludaeam a Quirinio, etprimum quidem eo t empöre, quo a Romanis nullo modo censeri potuit, quaeque eius generis.alia homines theologi vel non theologi, sed ad instar theologorum ex vinculis sermocin-antes ex Lucae relatione effici posse sibi primum, mox aliis persuaserunt. Es ist überdiesvollkommen ausgeschlossen, daß die Römer für ihren Zensus die einzelnen Familien-dahin beorderten, wo ihr Ahnherr vor Jahrhunderten zur Welt gekommen war. Daswäre ganz unsinnig und zwecklos gewesen. Etwas ganz anderes ist es, wenn 104 n.Chr.(und später) der Präfekt Ägyptens anordnet, jeder der seine Heimat verlassen habe,müsse dahin zurückkehren, um sein Deklarationsgeschäft dort (also nicht in der Heimat•des Ahnherren) zu erfüllen und der ihm obliegenden Landarbeit sich zu wid-men (Mitteis-Wilcken, Grundzüge der Papyruskunde I Nr. 202). Das war alsoeine Maßnahme gegen Landflucht. Wie nötig damals solche Maßnahmen zumal in demfür die Getreideversorgung Roms wichtigen Ägypten waren, erkennen wir, wenn wirin dem ungefähr zur gleichen Zeit entstandenen 'Jäger* des Dion von Prusa einenAthener sagen hören (§34): »Liegen doch jetzt, ihr Männer, beinahe zwei Drittelunseres Landes wegen Fahrlässigkeit und Mangel an Arbeitskräften öde da. Ich selbst,wie gewiß noch manch anderer, besitze nicht bloß in den Bergen, sondern auch in derEbene viele Morgen Landes, die ich nicht allein umsonst geben- würde, sondern bei

-denen ich noch Geld dazu vorstrecken würde, wenn sich einer zu ihrem Anbau ent-

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174 Scheidwciler, Sind die Interpolationen im altrussischen Josephus wertlos?

anscheinend so genauen Angabe im Anfang des 3. Kapitel des Evgls.ergeben sich Schwierigkeiten42, auf Grund deren z. B, Ed. Meyer(Ursprung und Anfänge des Christentums III 206) am liebsten dasvon Lukas für das Auftreten des Täufers angegebene Jahr als das derKreuzigung nehmen möchte43. Damit aber stehen wir vor der Frage,ob hinter der Behauptung im altrussischen Josephus, Johannes habeschon einen Zusammenstoß mit Archelaos gehabt44, nicht doch mehrsteckt als das bloße Hirngespinst eines Interpolators. Sie paßt aus-gezeichnet zu der Feststellung, daß der seit 6 n. Chr. einsetzendeAktivismus der theokratischen Bewegung mit dem Auftreten desJohannes in Verbindung stehe. Johannes müßte dann * allerdingswesentlich älter gewesen sein als Jesus. Aber daß sie ungefähr gleich-altrig gewesen seien, lesen wir nur in der Jugendgeschichte Jesu, dielegendenhaft und ohne geschichtlichen Wert ist.

In den Zusätzen zum altrussischen Josephus findet sich sicherviel Wertloses; über anderes, was bemerkenswert ist, ist es schwerzu einem begründeten Urteil zu kommen; ich möchte deshalb nur nocheinen Punkt herausgreifen, der für Josephus selbst von Belang ist.Es handelt sich um die bekannte Episode in der Höhle von Jotapata.Dorthin hatte Josephus sich bei der Einnahme dieser Stadt geflüchtet.Er traf 40 Schicksalsgenossen dort, vornehme Bürger der Stadt, diehier eine Gelegenheit zur Flucht erspähen wollten. Aber ein heimlichesEntkommen erwies sich als unmöglich. Vielmehr wurde es den Römernverraten, daß Josephus sich in diesem Versteck verborgen hielt.

schließen könnte.« Für Ägypten vgl. Rostovtzeff, Gesellschaft und Wirtschaft imröm. Kaiserreich II S. 64: »Bereits zu Beginn des zweiten Jahrhunderts und sogar schonim ersten hören wir wiederholt, daß Dörfler . . . zu- dem in Ägypten alteingeführtenMittel des Streiks griffen, das heißt die Dörfer verließen und ihre Zuflucht in denSümpfen des Delta suchten.« Nun wird zwar aus apologetischen Gründen behauptet,das von Lukas angegebene Verfahren beim Zensus entspreche jüdischer Art; der Beweisfür diese Behauptung aber dürfte schwer fallen. Denn »bei den Juden selbst war be-kanntlich jede Zählung und Schätzung unbeliebt und außer Gebrauch« (Zumpt, Ge-burtsjahr Christi, Lpz. 1869, S. 197). Bei der Volkszählung Davids (II Sam 24), dieman etwa heranziehen könnte, lesen wir jedenfalls nichts derartiges. Der Schluß istunabweislich: Lukas hat, um Jesus, der in Wirklichkeit in Nazareth geboren wurde,entsprechend Mi 51 in Bethlehem zur Welt kommen zu lassen, Joseph und Maria zurZeit seiner Geburt von Nazareth nach Bethlehem bringen wollen. Er hat etwas vomZensus des Quirinius gehört, greift ihn zu diesem Zweck auf, verlegt ihn aber in ge-dankenloser Weise in die Zeit des Herodes, setzt ihn also 10 Jahre zu früh an.42) Zuletzt behandelt von G. Kölscher, Die Hohenpriesterliste bei Josephus unddie evangelische Chronologie (Heidelb. S.Ber. 1940, S.26ff.). Er setzt den Tod Jesuauf Ostern 27. 43) Auch Goguel, dessen Vie de Josus (Paris 1932) ich leider, nuraus Rezensionen kenne, läßt Jesus am Passahfest 28 gekreuzigt werden. Das 15. Jahrdes Tiberius wurde nämlich in Syrien vom 1. Okt. 27 bis 30. Sept. 28 gerechnet (Cicho-rius ZNW 1923, 17ff.). 44) Nach II § 110, Istrin S. 135 unten. ·

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Scheidweiler, Sind die Interpolationen im altrassischen Josephus wertlos ? 175

Vespasian, der ihn gern lebendig in seine Gewalt bringen wollte,schickte zweimal eine Abordnung, die ihn unter Zusicherung desLebens veranlassen sollte, die Höhle zu verlassen. Josephus war auchbereit darauf einzugehen, aber seine jüdischen Genossen zwangen ihnzu bleiben. Sie waren entschlossen, Selbstmord zu begehen, und ver-langten das gleiche von Josephus. Josephus brachte sie mit Mühevon diesem Entschluß ab, indem er vorschlug, sich lieber gegenseitigzu töten. Über die Reihenfolge sollte das Los entscheiden. »Wie nunein jeder vom Lose getroffen wurde, bot er dem Nächstfolgenden willigseine Brust dar in der Überzeugung, daß ihr Kommandant45 gleichdanach auch sterben werde. Denn süßer als das Leben erschien ihnender Tod zusammen mit Josephus. Dieser aber blieb — soll man vomZufall sprechen oder von dem Walten der göttlichen Vorsehung ? —zusammen mit einem anderen als letzter übrig« (Jüd. Kr. III § 390/1).Diesen Gefährten überredete er dann, sich mit ihm den Römern zuergeben und so das Leben zu retten. So der griechische Text.

In der altrussischen Übersetzung aber steht an dieser Stellenichts von Zufall oder göttlicher Vorsehung, da heißt es vielmehr vonJosephus: » Er zählte die Ziffern mit Klugheit, und dadurch führteer alle in die Irre.« Ohne Zweifel wird es tatsächlich so gewesen sein.Eisler a. a. O. I 323,2 bemerkt zu. dem Vorgang: »Hierzu machtmich der ausgezeichnete Kenner und französische Übersetzer desJosephus M. Julien Weil freundlichst darauf aufmerksam, daß dierabbinische Überlieferung Auszählungskünste46 kennt, die der schlaueJosephus bei dieser Gelegenheit angewendet haben könnte.« Eislerführt dann ein derartiges Kunststück an. Nun erhebt sich die Frage;Ist der Interpolator aus sich auf diesen gescheiten Gedanken ge-kommen? Das ist höchst unwahrscheinlich; denn wo wir ihn wirklichzu fassen bekommen, da produziert er nur albernes Zeug47. Vine.

**) Josephus war Kommandant von Jotapata gewesen. 46) Man beachte,daß in der altrussischen Übersetzung ausdrücklich vom Zählen, nicht vom Losendie Rede ist. Das setzt genaue Kenntnisse voraus. 47) Dazu rechne ichauch den von Salomon Reinach (Amalttee II 336ff.) hervorgehobenen Zusatzzum Jüd. Kr. IV § 674 hinsichtlich der Schlacht von Bedriacum, in der Othos Heervon den Truppen des Vitellius· besiegt wurde. Dort geht es nach dem Satz desechten Josephus: »Am ersten Tage war Otho überlegen, am zweiten aber das Heer desVitellius« so weiter: »Er hatte näihlich in der Nacht dreispitzige Eisen ausgestreut,und nachdem sie sich am Morgen in Schlachtordnung aufgestellt, stellte Vitellius sich,als fliehe er, und Otho jagte mit den Truppen hinter ihm her. Und sie erreichten denPlatz, auf dem die Eisen gestreut waren. Da wurden die Rosse lahm, und es war wederden Rossen möglich herauszukommen noch ihnen selbst. Und des Vitellius Krieger,die umgekehrt waren, erschlugen alle, die da lagen.« Ich will nicht davon reden, daßweder Otho noch Vitellius persönlich in der Schlacht zugegen waren. Aber die hiergeschilderte Kriegslist fügt sich auf keine Weise in den uns durch das 2. Buch derHistorien des Tacitus und Plutarchs Biographie Othos genau bekannten Verlauf der

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176 Scheidweiler« Sind die Interpolationen im altrussischen Joaephus wertlos ?

Ussani, der sich in einem Aufsatz Giuseppe Greco, Giuseppe Slavo eGorionide in den Rendiconti delta Pontificia Academia Romana diArcheologia 1934, 165ff. mit Recht gegen eine Zurückführung derVersion des Russen auf Josephus selbst wendet, ist geneigt, an eineBeeinflussung durch den hebräischen Josippon, eine mittelalterlicheBearbeitung des Josephus, zu denken* Aber, wie er selbst zugibt, wäredas der einzige Punkt, wo sich eine derartige Beeinflussung feststellenließe. Und aus den Stellen, die er nach Breithaupts lateinischerÜbersetzung des Jahres 1710 anführt, ergibt sich nur, daß auch imJosippon an ein schlaues Manöver des Josephus gedacht wird: PosteaJosephus callido consilio viros in paria divisit sortemque super pariaista coniecit ita> ut ipse eiusque socius ultimi evaderent sorte (Breithauptp. 621). Und als Genossen hat sich Josephus denjenigen seiner Ge-fährten aufgespart, quem minime strenuum esse noverat, quo faciliuseundem superare ac vincere posset, falls er nämlich seinem Vorschlagsich den Römern zu ergeben sich widersetzen sollte. Der Interpolatorhätte sich also den Josippon, falls er ihn kannte, wenig zunutze ge-macht, und das Losen hätte er aus eigenem durch ein echt rabbini-sches Auszählungskunststück ersetzt. Das ist höchst unwahrscheinlich.Vielmehr ist es auch hier ebenso wie bei dem Messiasgespräch derjüdischen Priester am wahrscheinlichsten, daß wir den Niederschlageiner Schrift aus der Zeit des. Josephus selbst vor uns haben, welchedie jüdische Geschichte von einem anderen Standpunkt bearbeiteteals Josephus und diesem nicht freundlich gesonnen war. Wie der-artiges in die Hand des byzantinischen Interpolators kam, auf dessenAusgabe die altrussische Übersetzung fußt, das entzieht sich allerdingsunserer Kenntnis.

[Abgeschlossen am 16. X. 1949.]

NachtragIch bin in der vorliegenden Arbeit auf das berühmte Testimonium

Flavianum deshalb nicht eingegangen, weil ich es in einem besonderenAufsatz behandelt habe, der in den Würzburger Jahrbüchern er-scheinen wird. Nun hat aber Prof. Eltester mich gebeten, zu einemAufsatz von Ch. Martin S. J. zu eben diesem Testimonium Stellungzu nehmen, der in der Revue Beige (1941 S. 409—465) erschienen ist.

Schlacht. Da ist freilich von einem Hinterhalt, den die Vitellianer legten, die Rede,aber am Tage vor der entscheidenden Schlacht und mit gänzlichem Mißerfolg. AmEntscheidungstage selbst aber wurden die Vitellianer vom Vormarsch der TruppenOthos überrascht, so daß an eine vorherige Präparierung des Schlachtfeldes nicht zudenken ist.

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Scheidweiler, Sind die Interpolationen im altrussischen Josephus wertlos ? 177

Martin glaubt, die mit dem Tesiimonium zusammenh ngenden Prob-leme endg ltig gel st zu haben. Er nimmt einen echten Kern an, zudem ein Christ, und zwar wahrscheinlich der ber hmte Origenes,2 Randnoten hinzugeschrieben habe. Diese seien dann sp ter in denText gerutscht. Das habe so ausgesehen (S. 416);

Γίνεται δε κατά τούτον τον χρόνον Ίησοϋ*,εϊγε άνδρα αυτόν λέγειν σοφό* άνήρ (fjv γαρ παραδόξων ΙργωνΧΡή' *XS οοτο* fjv. ττοιητή*), διδάσκαλο* ανθρώπων των ηδονή

τάληθή δεχόμενων καΐ πολλού* μεν Ιου-δαίου*, πολλούς δε και του Ελληνικού έπη-γάγετο. Και αυτόν ένδείξει των πρώτωνανδρών παρ* ήμϊν σταυρφ Ιπιτετιμηκότο*Πιλάτου ουκ Ιπαύσαντο οι το προδτον

έφάνη γαρ αύτοϊ* τρί- άγαπήσαντες, εΐ* έτι τε νυν των χριστιανώντην 2χων ήμέραν πάλιν από τούδε ώνομασμένον οΟκ έπέλιπε τοζών των Θείων προφη- φυλον.των ταύτα τε καΐ αλλάμυρία περί αυτού θαυμά-σια είρηκότων.

Martin unterscheidet sich also .von den brigen Vertretern einerchristlichen Teilinterpolation der Josephus-Stelle dadurch, da erkeinerlei nderung an dem berlieferten Text vornimmt. Er glaubtallem Anschein nach nicht an eine absichtliche Textverf lschungvon christlicher Seite. Ist das nun des R tsels definitive L sung?Nein! Folgendes spricht dagegen;

1. Es kann nicht auf mechanischem Wege erkl rt werden, dadie erste Randnote in 2 Teile zerlegt und diese Teile an verschiedenenStellen im Text untergebracht wurden.

2. Ein Teil der berlieferung bietet /Ιησούς τι* statt Ίησοϋ$.Das ist zweifellos zu akzeptieren, Kein Christ w rde das gering-sch tzige τι$ zugef gt haben f hohe Wahrscheinlichkeit spricht daf r,da man es absichtlich weggelassen hat. Wichtiger ist folgendes:

3. Wer ό Χριοτό$ oCrros ην wegl t, ohne ein quivalent daf reinzusetzen, macht das από τούδε ώνομασμένον am Schlu unver-st ndlich. Martin meint zwar, es sei nicht n tig gewesen, f r Judenhervorzuheben, da Jesus der Χριστό* habe sein wollen. Mag sein:aber Josephus schrieb in erster Linie f r Nichtjuden, und f r die warein Hinweis n tig,

4. Es ist h chst unwahrscheinlich, da Josephus Jesus als σοφόςάνήρ bezeichnet hat. Martin widerspricht sich in der Deutung diesesσοφό*. S. 444 ist σοφό* ΜΗ connaisseur des choses profondes^mer-veilleuses, inaccessibles au.commun des mortels. S. 457 aber hei t es:

Zeitschr. f. d. neutest. Wies. 43. Band 1950/51 · 12

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178 Percy, Zu den Problemen des Kolosser- und Epheserbriefes

la signification vέritable du tenne σοφός qui, chez Josephe, se nuancertgultirement de celle de γόη$ ou de μάγχ>$.« Ich verweise der K rzehalber auf Eisler Ίησοί/s ρασιλεύ$ I S. 52 ff., der nicht dadurchwiderlegt wird, da Martin ein weiteres Beispiel beibringt. ContraApionem I 236 wird Άμένωφι$ als σοφό$ και μαντικό* άνήρ be-zeichnet. Aber was Josephus diesem § 232 zubilligt (θεία$ δε δοκουντιμετεσχηκέναι φύσεω$ κατά τε σοφίαν καΐ πρόγνωσιν των έσομενων),w rde er von Jesus nicht ausgesagt haben.

5. Jesus als διδάσκαλο* ανθρώπων των ηδονή τάληθη δεχόμενωνbezeichnet zu haben k nnte man Josephus nur zutrauen, wenn manes wie Martin mit maitre de disciples credules et enthousiastes (S. 440)bersetzt, qui acceptaient .. . tout ce qu'on leur prosentait comme έΐαηί

les νέηίέ$ . .. sans esprit critique (S. 445). Aber das ist unm glich.6. Das Testimonium steht mitten in einer Serie von θόρυβοι, die

sich unter Pilatus ereigneten oder zu seinerzeit ereignet haben sollen.Also erwartet man auch hier Θόρν/ os oder ein hnliches Wort, das zutilgen nat rlich f r Christen nahe lag.

Ich f ge zum Schlu meine Rekonstruktion des urspr nglichenTextes bei, f r deren Begr ndung ich freilich auf meinen Aufsatzverweisen mu :

Γίνεται δε κατά τούτον τον χρόνον αρχή νέων Θορύβων Ιησούςτι* ό λεγόμενος Χριστός' ην γαρ παραδόξων έργων ποιητής, διδάσ-καλος ανθρώπων των ηδονή τάήθη δεχόμενων και πολλούς μεν Ιου-δαίους, πολλούς δε και του Ελληνικού έπηγάγετο. καΐ αυτόν ένδείξειτων πρώτων ανδρών παρ' ήμΐν σταυρφ έπιτετιμηκότος Πιλάτουουκ έπαύσαντο θορυβεΐν οί το πρώτον άγαπήσαντες, είς έτι τε νυντων Χριστιανών από τούδε ώνομασμένον ουκ έπέλιπε το φϋλον.

Zu den Problemen des Kolosser- und EpheserbriefesVon Ernst Percy in Lund

(Lund, Schweden, Botulfsgarden 2b) ·

1. Die sprachlichen und stilistischen Beziehungenzu den anerkannten Briefen

In meiner im Jahre 1946 erschienenen Arbeit »Die Probleme derKolosser- und Epheserbriefe«1 habe ich u. a. die sprachlichen undstilistischen Beziehungen dieser beiden Briefe zu den anerkanntenPaulusbriefen eingehend untersucht. Ich habe dabei als eines der Er-gebnisse dieser Untersuchung in bereinstimmung u. a. mit Eduard

*) Skrifter utgivna av Kungl. Humanistiska Vetenskapssamfundet i Lund1 XXXIX, Lund 1946 (im folgenden zitiert als PKE), Kap. I, IV, VI: V.

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172 Scheidweiler, Sind die Interpolationen im altrussischen Josephus wertlos ?

kamen, Kias Feuer des Aufstandes ununterbrochen unter der Aschefortglimmte, bis es endlich 60 Jahre später zur mächtigen Flammeemporloderte« (Schürer a. a. 0. S. 487)3e. Und wenn es allgemeinejüdische Anschauung war, daß »der Messias ein 'Messias-König' sei,der die Heiden im Kampfe besiege und über ihre Reiche herrsche,und daß es zur Erreichung dieses Zieles nur einen Weg gebe: Aufruhrgegen die Römer« (Jos. Klausner, Jesus von Nazareth2, Berl. 1934,S. 345), so sehe ich nicht, weshalb wir unter allen Umständen an-nehmen müssen, Johannes der Täufer sei von dieser Auffassung, dieselbst unter den Jüngern Jesu ihre Anhänger hatte, unberührt ge-blieben. Richtig urteilt Joh. Weiß, Die Schriften des Neuen Testa-ments für die Gegenwart erklärt2 Gott. 1907 S. 317 unten: »DieWorte (Mt 1111) enthalten eine scharfe Wendung nicht nur gegen dieGewalttäter, sondern in gewisser Weise auch gegen die Wirksamkeitdes Täufers, der hiernach nur eine verkehrte und nicht ans Ziel füh-rende Bewegung entfacht habe« **. Jesus war eben ein Feind jederGewalt, und hierin wird-der Grund sowohl dafür zu suchen sein, daßer sich vom Täufer trennte, als auch für das herbe Urteil Mt 11 n.Diese verschiedene Einstellung der beiden kommt aber gerade in denZusätzen zum altrussischen Josephus deutlich zum Ausdruck. Jo-hannes verkündet da: »Gott hat mich gesandt, euch den Weg desGesetzes zu zeigen, auf dem ihr euch von vielen Gewalthabern be-freien werdet. Und es wird nicht mehr ein Sterblicher über euchherrschen, sondern nur der Höchste, der mich gesandt hat« **. Jesusaber verschmäht den ihm von irgendwelchen Anhängern gemachtenVorschlag, sich mit Gewalt Jerusalems zu bemächtigen39. Auch darin,daß ein solches Ansinnen an Jesus gestellt worden sei, liegt nichtsUnwahrscheinliches. Pickl redet von einem mehrmaligen Liebes-werben der Freiheitspartei um Jesus40. Und in der Tat läßt sich eine

3 ) Vgl. auch Jos. Pickl, Messiaskönig Jesus S. 16: »Das Geburtsjahr der Frei-heitspartei ist demnach 6 n. Chr.« 37) Vgl. E is l er a. a. O. II 88 u. Anm. 5. Ich setzeseine Worte her, damit deutlich wird, worin sich seine Auffassung von der meinigenunterscheidet: »Der Lobpreis des Täufers als des größten aller bisherigen Menschen,weil bis auf ihn Moses und die Propheten vom Gottesreich nur geredet, geweissagthätten, während er mit der tatkräftigen Verwirklichung des Gedankens, mit dem 'Be-reiten des Weges1 begonnen habe, setzt sicher voraus, daß Jesus dem Täufer die Ur-heberschaft der zelotisch-aktivistischen Freiheitsbewegung zuschrieb.« Also keineKritik des Täufers seitens Jesu, nur Anerkennung. 38) Hinter II § 110. 3 ) »J/slui demand erent d'entrev dans la ville, de massacrer les troupes romaines et Pilateet de rogner sur eux. Mais il n'en eut pas cure« (Pascal bei Istrin I S. 151). 40) Vgl.K. Adam in seiner Rezension von Pickls Buch (Theol. Quartalschr. 1935, S. 665) :»Der Verfasser wird wohl darin recht haben, daß der politische Einschlag in der ur-sprünglichen Geschichte Jesu und seiner Verkündigung doch stärker gesehen werdenmuß, als bisher üblich war, und daß . . . die Apostel erst in langem fortschreitendemProzeß von ihren politischen Bindungen frei wurden.«

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S ch ei d weil er, Sind die Interpolationen im altrussischen Joeephus wertlos ? 173

Stelle wie Lc 131-3 nicht wohl anders erklären, als daß Jesus Zeloten,die ihn durch den Hinweis auf das empörende Vorgehen des Pilatusgegen die Galüäer für ihre Ziele zu gewinnen suchten, antwortete:»Wenn ihr eure Gesinnung nicht ändert, d. h. wenn ihr von euremGewaltstreben nicht ablasset, werdet ihr alle in gleicher Weise um-kommen«.

Wenn diese Ausführungen richtig sind, so kommen wir allerdingsin Konflikt mit der biblischen Chronologie. Jesus konnte schwerlichkonstatieren, daß sich seit Johannes ein Wandel in der Auffassungvom Kommen des Gottesreiches vollzogen habe, falls Johannesdamals erst so kurze Zeit tätig war, wie wir das nach der Darstellungder Synoptiker annehmen müssen. Es stellt sich uns also die Frage,ob unsere auf Lukas gegründete Chronologie richtig ist. Was demLukas für chronologische Versehen unterlaufen, ist bekannt. Er setztAct 3 f. den nach Josephus unter die Statthalterschaft des Fadus(37—44 n. Chr.) fallenden Aufruhr des Theudas vor den aus derSchätzung des Quirinius (6 n. Chr.) sich herleitenden Aufstand ^desGaliläers Judas. Ebenso stellt er die wahrscheinlich ins Jahr 48 fallendeHungersnot unter Tiberius Alexander (45—49, vgl. Jos. Altert. XX§ 101) vor den Tod des Agrippa, der ins Frühjahr 44 gehört (Act Il27ff.u. 12 23). Nicht weniger falsch ist die Verlegung der Geburt Jesu in•das Jahr der Schätzung des Quirinius (Lc 2 2)41. Und auch bei der

41) Die Versuche, einen römischen Zensus unter Herodes glaubhaft zu machen,sind sämtlich mißlungen. Vgl. Groag Real-Encyclopädie für das klass. Altert. IVASp. 836. Mommsens Urteil (Res gestae Divi Augusti* S. 176) besteht immer noch zuRecht. Er gibt zwar die Möglichkeit zu, daß Quirinius zweimal Statthalter von Syriengewesen sei, betont aber: »minime sequitur bis c ens am esse ludaeam a Quirinio, etprimum quidem eo t empöre, quo a Romanis nullo modo censeri potuit, quaeque eius generis.alia homines theologi vel non theologi, sed ad instar theologorum ex vinculis sermocin-antes ex Lucae relatione effici posse sibi primum, mox aliis persuaserunt. Es ist überdiesvollkommen ausgeschlossen, daß die Römer für ihren Zensus die einzelnen Familien-dahin beorderten, wo ihr Ahnherr vor Jahrhunderten zur Welt gekommen war. Daswäre ganz unsinnig und zwecklos gewesen. Etwas ganz anderes ist es, wenn 104 n.Chr.(und später) der Präfekt Ägyptens anordnet, jeder der seine Heimat verlassen habe,müsse dahin zurückkehren, um sein Deklarationsgeschäft dort (also nicht in der Heimat•des Ahnherren) zu erfüllen und der ihm obliegenden Landarbeit sich zu wid-men (Mitteis-Wilcken, Grundzüge der Papyruskunde I Nr. 202). Das war alsoeine Maßnahme gegen Landflucht. Wie nötig damals solche Maßnahmen zumal in demfür die Getreideversorgung Roms wichtigen Ägypten waren, erkennen wir, wenn wirin dem ungefähr zur gleichen Zeit entstandenen 'Jäger* des Dion von Prusa einenAthener sagen hören (§34): »Liegen doch jetzt, ihr Männer, beinahe zwei Drittelunseres Landes wegen Fahrlässigkeit und Mangel an Arbeitskräften öde da. Ich selbst,wie gewiß noch manch anderer, besitze nicht bloß in den Bergen, sondern auch in derEbene viele Morgen Landes, die ich nicht allein umsonst geben- würde, sondern bei

-denen ich noch Geld dazu vorstrecken würde, wenn sich einer zu ihrem Anbau ent-

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174 Scheidwciler, Sind die Interpolationen im altrussischen Josephus wertlos?

anscheinend so genauen Angabe im Anfang des 3. Kapitel des Evgls.ergeben sich Schwierigkeiten42, auf Grund deren z. B, Ed. Meyer(Ursprung und Anfänge des Christentums III 206) am liebsten dasvon Lukas für das Auftreten des Täufers angegebene Jahr als das derKreuzigung nehmen möchte43. Damit aber stehen wir vor der Frage,ob hinter der Behauptung im altrussischen Josephus, Johannes habeschon einen Zusammenstoß mit Archelaos gehabt44, nicht doch mehrsteckt als das bloße Hirngespinst eines Interpolators. Sie paßt aus-gezeichnet zu der Feststellung, daß der seit 6 n. Chr. einsetzendeAktivismus der theokratischen Bewegung mit dem Auftreten desJohannes in Verbindung stehe. Johannes müßte dann * allerdingswesentlich älter gewesen sein als Jesus. Aber daß sie ungefähr gleich-altrig gewesen seien, lesen wir nur in der Jugendgeschichte Jesu, dielegendenhaft und ohne geschichtlichen Wert ist.

In den Zusätzen zum altrussischen Josephus findet sich sicherviel Wertloses; über anderes, was bemerkenswert ist, ist es schwerzu einem begründeten Urteil zu kommen; ich möchte deshalb nur nocheinen Punkt herausgreifen, der für Josephus selbst von Belang ist.Es handelt sich um die bekannte Episode in der Höhle von Jotapata.Dorthin hatte Josephus sich bei der Einnahme dieser Stadt geflüchtet.Er traf 40 Schicksalsgenossen dort, vornehme Bürger der Stadt, diehier eine Gelegenheit zur Flucht erspähen wollten. Aber ein heimlichesEntkommen erwies sich als unmöglich. Vielmehr wurde es den Römernverraten, daß Josephus sich in diesem Versteck verborgen hielt.

schließen könnte.« Für Ägypten vgl. Rostovtzeff, Gesellschaft und Wirtschaft imröm. Kaiserreich II S. 64: »Bereits zu Beginn des zweiten Jahrhunderts und sogar schonim ersten hören wir wiederholt, daß Dörfler . . . zu- dem in Ägypten alteingeführtenMittel des Streiks griffen, das heißt die Dörfer verließen und ihre Zuflucht in denSümpfen des Delta suchten.« Nun wird zwar aus apologetischen Gründen behauptet,das von Lukas angegebene Verfahren beim Zensus entspreche jüdischer Art; der Beweisfür diese Behauptung aber dürfte schwer fallen. Denn »bei den Juden selbst war be-kanntlich jede Zählung und Schätzung unbeliebt und außer Gebrauch« (Zumpt, Ge-burtsjahr Christi, Lpz. 1869, S. 197). Bei der Volkszählung Davids (II Sam 24), dieman etwa heranziehen könnte, lesen wir jedenfalls nichts derartiges. Der Schluß istunabweislich: Lukas hat, um Jesus, der in Wirklichkeit in Nazareth geboren wurde,entsprechend Mi 51 in Bethlehem zur Welt kommen zu lassen, Joseph und Maria zurZeit seiner Geburt von Nazareth nach Bethlehem bringen wollen. Er hat etwas vomZensus des Quirinius gehört, greift ihn zu diesem Zweck auf, verlegt ihn aber in ge-dankenloser Weise in die Zeit des Herodes, setzt ihn also 10 Jahre zu früh an.42) Zuletzt behandelt von G. Kölscher, Die Hohenpriesterliste bei Josephus unddie evangelische Chronologie (Heidelb. S.Ber. 1940, S.26ff.). Er setzt den Tod Jesuauf Ostern 27. 43) Auch Goguel, dessen Vie de Josus (Paris 1932) ich leider, nuraus Rezensionen kenne, läßt Jesus am Passahfest 28 gekreuzigt werden. Das 15. Jahrdes Tiberius wurde nämlich in Syrien vom 1. Okt. 27 bis 30. Sept. 28 gerechnet (Cicho-rius ZNW 1923, 17ff.). 44) Nach II § 110, Istrin S. 135 unten. ·

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Scheidweiler, Sind die Interpolationen im altrassischen Josephus wertlos ? 175

Vespasian, der ihn gern lebendig in seine Gewalt bringen wollte,schickte zweimal eine Abordnung, die ihn unter Zusicherung desLebens veranlassen sollte, die Höhle zu verlassen. Josephus war auchbereit darauf einzugehen, aber seine jüdischen Genossen zwangen ihnzu bleiben. Sie waren entschlossen, Selbstmord zu begehen, und ver-langten das gleiche von Josephus. Josephus brachte sie mit Mühevon diesem Entschluß ab, indem er vorschlug, sich lieber gegenseitigzu töten. Über die Reihenfolge sollte das Los entscheiden. »Wie nunein jeder vom Lose getroffen wurde, bot er dem Nächstfolgenden willigseine Brust dar in der Überzeugung, daß ihr Kommandant45 gleichdanach auch sterben werde. Denn süßer als das Leben erschien ihnender Tod zusammen mit Josephus. Dieser aber blieb — soll man vomZufall sprechen oder von dem Walten der göttlichen Vorsehung ? —zusammen mit einem anderen als letzter übrig« (Jüd. Kr. III § 390/1).Diesen Gefährten überredete er dann, sich mit ihm den Römern zuergeben und so das Leben zu retten. So der griechische Text.

In der altrussischen Übersetzung aber steht an dieser Stellenichts von Zufall oder göttlicher Vorsehung, da heißt es vielmehr vonJosephus: » Er zählte die Ziffern mit Klugheit, und dadurch führteer alle in die Irre.« Ohne Zweifel wird es tatsächlich so gewesen sein.Eisler a. a. O. I 323,2 bemerkt zu. dem Vorgang: »Hierzu machtmich der ausgezeichnete Kenner und französische Übersetzer desJosephus M. Julien Weil freundlichst darauf aufmerksam, daß dierabbinische Überlieferung Auszählungskünste46 kennt, die der schlaueJosephus bei dieser Gelegenheit angewendet haben könnte.« Eislerführt dann ein derartiges Kunststück an. Nun erhebt sich die Frage;Ist der Interpolator aus sich auf diesen gescheiten Gedanken ge-kommen? Das ist höchst unwahrscheinlich; denn wo wir ihn wirklichzu fassen bekommen, da produziert er nur albernes Zeug47. Vine.

**) Josephus war Kommandant von Jotapata gewesen. 46) Man beachte,daß in der altrussischen Übersetzung ausdrücklich vom Zählen, nicht vom Losendie Rede ist. Das setzt genaue Kenntnisse voraus. 47) Dazu rechne ichauch den von Salomon Reinach (Amalttee II 336ff.) hervorgehobenen Zusatzzum Jüd. Kr. IV § 674 hinsichtlich der Schlacht von Bedriacum, in der Othos Heervon den Truppen des Vitellius· besiegt wurde. Dort geht es nach dem Satz desechten Josephus: »Am ersten Tage war Otho überlegen, am zweiten aber das Heer desVitellius« so weiter: »Er hatte näihlich in der Nacht dreispitzige Eisen ausgestreut,und nachdem sie sich am Morgen in Schlachtordnung aufgestellt, stellte Vitellius sich,als fliehe er, und Otho jagte mit den Truppen hinter ihm her. Und sie erreichten denPlatz, auf dem die Eisen gestreut waren. Da wurden die Rosse lahm, und es war wederden Rossen möglich herauszukommen noch ihnen selbst. Und des Vitellius Krieger,die umgekehrt waren, erschlugen alle, die da lagen.« Ich will nicht davon reden, daßweder Otho noch Vitellius persönlich in der Schlacht zugegen waren. Aber die hiergeschilderte Kriegslist fügt sich auf keine Weise in den uns durch das 2. Buch derHistorien des Tacitus und Plutarchs Biographie Othos genau bekannten Verlauf der

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176 Scheidweiler« Sind die Interpolationen im altrussischen Joaephus wertlos ?

Ussani, der sich in einem Aufsatz Giuseppe Greco, Giuseppe Slavo eGorionide in den Rendiconti delta Pontificia Academia Romana diArcheologia 1934, 165ff. mit Recht gegen eine Zurückführung derVersion des Russen auf Josephus selbst wendet, ist geneigt, an eineBeeinflussung durch den hebräischen Josippon, eine mittelalterlicheBearbeitung des Josephus, zu denken* Aber, wie er selbst zugibt, wäredas der einzige Punkt, wo sich eine derartige Beeinflussung feststellenließe. Und aus den Stellen, die er nach Breithaupts lateinischerÜbersetzung des Jahres 1710 anführt, ergibt sich nur, daß auch imJosippon an ein schlaues Manöver des Josephus gedacht wird: PosteaJosephus callido consilio viros in paria divisit sortemque super pariaista coniecit ita> ut ipse eiusque socius ultimi evaderent sorte (Breithauptp. 621). Und als Genossen hat sich Josephus denjenigen seiner Ge-fährten aufgespart, quem minime strenuum esse noverat, quo faciliuseundem superare ac vincere posset, falls er nämlich seinem Vorschlagsich den Römern zu ergeben sich widersetzen sollte. Der Interpolatorhätte sich also den Josippon, falls er ihn kannte, wenig zunutze ge-macht, und das Losen hätte er aus eigenem durch ein echt rabbini-sches Auszählungskunststück ersetzt. Das ist höchst unwahrscheinlich.Vielmehr ist es auch hier ebenso wie bei dem Messiasgespräch derjüdischen Priester am wahrscheinlichsten, daß wir den Niederschlageiner Schrift aus der Zeit des. Josephus selbst vor uns haben, welchedie jüdische Geschichte von einem anderen Standpunkt bearbeiteteals Josephus und diesem nicht freundlich gesonnen war. Wie der-artiges in die Hand des byzantinischen Interpolators kam, auf dessenAusgabe die altrussische Übersetzung fußt, das entzieht sich allerdingsunserer Kenntnis.

[Abgeschlossen am 16. X. 1949.]

NachtragIch bin in der vorliegenden Arbeit auf das berühmte Testimonium

Flavianum deshalb nicht eingegangen, weil ich es in einem besonderenAufsatz behandelt habe, der in den Würzburger Jahrbüchern er-scheinen wird. Nun hat aber Prof. Eltester mich gebeten, zu einemAufsatz von Ch. Martin S. J. zu eben diesem Testimonium Stellungzu nehmen, der in der Revue Beige (1941 S. 409—465) erschienen ist.

Schlacht. Da ist freilich von einem Hinterhalt, den die Vitellianer legten, die Rede,aber am Tage vor der entscheidenden Schlacht und mit gänzlichem Mißerfolg. AmEntscheidungstage selbst aber wurden die Vitellianer vom Vormarsch der TruppenOthos überrascht, so daß an eine vorherige Präparierung des Schlachtfeldes nicht zudenken ist.

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Scheidweiler, Sind die Interpolationen im altrussischen Josephus wertlos ? 177

Martin glaubt, die mit dem Tesiimonium zusammenh ngenden Prob-leme endg ltig gel st zu haben. Er nimmt einen echten Kern an, zudem ein Christ, und zwar wahrscheinlich der ber hmte Origenes,2 Randnoten hinzugeschrieben habe. Diese seien dann sp ter in denText gerutscht. Das habe so ausgesehen (S. 416);

Γίνεται δε κατά τούτον τον χρόνον Ίησοϋ*,εϊγε άνδρα αυτόν λέγειν σοφό* άνήρ (fjv γαρ παραδόξων ΙργωνΧΡή' *XS οοτο* fjv. ττοιητή*), διδάσκαλο* ανθρώπων των ηδονή

τάληθή δεχόμενων καΐ πολλού* μεν Ιου-δαίου*, πολλούς δε και του Ελληνικού έπη-γάγετο. Και αυτόν ένδείξει των πρώτωνανδρών παρ* ήμϊν σταυρφ Ιπιτετιμηκότο*Πιλάτου ουκ Ιπαύσαντο οι το προδτον

έφάνη γαρ αύτοϊ* τρί- άγαπήσαντες, εΐ* έτι τε νυν των χριστιανώντην 2χων ήμέραν πάλιν από τούδε ώνομασμένον οΟκ έπέλιπε τοζών των Θείων προφη- φυλον.των ταύτα τε καΐ αλλάμυρία περί αυτού θαυμά-σια είρηκότων.

Martin unterscheidet sich also .von den brigen Vertretern einerchristlichen Teilinterpolation der Josephus-Stelle dadurch, da erkeinerlei nderung an dem berlieferten Text vornimmt. Er glaubtallem Anschein nach nicht an eine absichtliche Textverf lschungvon christlicher Seite. Ist das nun des R tsels definitive L sung?Nein! Folgendes spricht dagegen;

1. Es kann nicht auf mechanischem Wege erkl rt werden, dadie erste Randnote in 2 Teile zerlegt und diese Teile an verschiedenenStellen im Text untergebracht wurden.

2. Ein Teil der berlieferung bietet /Ιησούς τι* statt Ίησοϋ$.Das ist zweifellos zu akzeptieren, Kein Christ w rde das gering-sch tzige τι$ zugef gt haben f hohe Wahrscheinlichkeit spricht daf r,da man es absichtlich weggelassen hat. Wichtiger ist folgendes:

3. Wer ό Χριοτό$ oCrros ην wegl t, ohne ein quivalent daf reinzusetzen, macht das από τούδε ώνομασμένον am Schlu unver-st ndlich. Martin meint zwar, es sei nicht n tig gewesen, f r Judenhervorzuheben, da Jesus der Χριστό* habe sein wollen. Mag sein:aber Josephus schrieb in erster Linie f r Nichtjuden, und f r die warein Hinweis n tig,

4. Es ist h chst unwahrscheinlich, da Josephus Jesus als σοφόςάνήρ bezeichnet hat. Martin widerspricht sich in der Deutung diesesσοφό*. S. 444 ist σοφό* ΜΗ connaisseur des choses profondes^mer-veilleuses, inaccessibles au.commun des mortels. S. 457 aber hei t es:

Zeitschr. f. d. neutest. Wies. 43. Band 1950/51 · 12

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178 Percy, Zu den Problemen des Kolosser- und Epheserbriefes

la signification vέritable du tenne σοφός qui, chez Josephe, se nuancertgultirement de celle de γόη$ ou de μάγχ>$.« Ich verweise der K rzehalber auf Eisler Ίησοί/s ρασιλεύ$ I S. 52 ff., der nicht dadurchwiderlegt wird, da Martin ein weiteres Beispiel beibringt. ContraApionem I 236 wird Άμένωφι$ als σοφό$ και μαντικό* άνήρ be-zeichnet. Aber was Josephus diesem § 232 zubilligt (θεία$ δε δοκουντιμετεσχηκέναι φύσεω$ κατά τε σοφίαν καΐ πρόγνωσιν των έσομενων),w rde er von Jesus nicht ausgesagt haben.

5. Jesus als διδάσκαλο* ανθρώπων των ηδονή τάληθη δεχόμενωνbezeichnet zu haben k nnte man Josephus nur zutrauen, wenn manes wie Martin mit maitre de disciples credules et enthousiastes (S. 440)bersetzt, qui acceptaient .. . tout ce qu'on leur prosentait comme έΐαηί

les νέηίέ$ . .. sans esprit critique (S. 445). Aber das ist unm glich.6. Das Testimonium steht mitten in einer Serie von θόρυβοι, die

sich unter Pilatus ereigneten oder zu seinerzeit ereignet haben sollen.Also erwartet man auch hier Θόρν/ os oder ein hnliches Wort, das zutilgen nat rlich f r Christen nahe lag.

Ich f ge zum Schlu meine Rekonstruktion des urspr nglichenTextes bei, f r deren Begr ndung ich freilich auf meinen Aufsatzverweisen mu :

Γίνεται δε κατά τούτον τον χρόνον αρχή νέων Θορύβων Ιησούςτι* ό λεγόμενος Χριστός' ην γαρ παραδόξων έργων ποιητής, διδάσ-καλος ανθρώπων των ηδονή τάήθη δεχόμενων και πολλούς μεν Ιου-δαίους, πολλούς δε και του Ελληνικού έπηγάγετο. καΐ αυτόν ένδείξειτων πρώτων ανδρών παρ' ήμΐν σταυρφ έπιτετιμηκότος Πιλάτουουκ έπαύσαντο θορυβεΐν οί το πρώτον άγαπήσαντες, είς έτι τε νυντων Χριστιανών από τούδε ώνομασμένον ουκ έπέλιπε το φϋλον.

Zu den Problemen des Kolosser- und EpheserbriefesVon Ernst Percy in Lund

(Lund, Schweden, Botulfsgarden 2b) ·

1. Die sprachlichen und stilistischen Beziehungenzu den anerkannten Briefen

In meiner im Jahre 1946 erschienenen Arbeit »Die Probleme derKolosser- und Epheserbriefe«1 habe ich u. a. die sprachlichen undstilistischen Beziehungen dieser beiden Briefe zu den anerkanntenPaulusbriefen eingehend untersucht. Ich habe dabei als eines der Er-gebnisse dieser Untersuchung in bereinstimmung u. a. mit Eduard

*) Skrifter utgivna av Kungl. Humanistiska Vetenskapssamfundet i Lund1 XXXIX, Lund 1946 (im folgenden zitiert als PKE), Kap. I, IV, VI: V.

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