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Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

Date post: 13-Feb-2017
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Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp-Kommunikation Verfasserin: Jelena Zagoricnik Matrikel-Nr.: 07-730-088 Referentin: Prof. Dr. Christa Dürscheid Deutsches Seminar Abgabedatum: 19.11.2014
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Page 1: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

Masterarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades

Master of Arts

der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich

Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in

der WhatsApp-Kommunikation

Verfasserin: Jelena Zagoricnik

Matrikel-Nr.: 07-730-088

Referentin: Prof. Dr. Christa Dürscheid

Deutsches Seminar

Abgabedatum: 19.11.2014

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Danksagung

An dieser Stelle möchte ich mich zuallererst bei meiner Beraterin Prof. Dr. Christa Dür-

scheid bedanken, welche mir mit äusserst nützlichen, wissenschaftlichen

Lektürehinweisen und Tipps zur Seite stand. Selbstverständlich gebührt mein herzlichs-

ter Dank meinen Freundinnen Snežana und Dragana 1 , welche mir durch ihr

Einverständnis die Benutzung unseres WhatsApp-Gruppenchats ‚Girls’ als

Quellengrundlage für meine Analyse ermöglichten und somit zur Forschung beitrugen –

ohne sie hätte meine Masterarbeit nie in der gleichen Qualität zustande kommen können.

Zudem bedanke ich mich bei ihnen und meinem Freund für das Korrekturlesen, wofür

sie alle einen grossen Teil ihrer Freizeit hingaben. Ausserdem möchte ich mich auch

meinen Studienkolleginnen bedanken, die sich die Zeit nahmen mit mir über Inhaltli-

ches und Methodisches zu diskutieren und mir dadurch einige Entscheidungen

erleichterten. Und schliesslich gilt mein besonderer Dank meiner Familie, die immer an

mich geglaubt hat und die mich in dieser fesselnden Abschlussphase meiner akademi-

schen Laufbahn mit grosser Geduld und viel Fürsorge unterstützte.

1 Die Namen wurden aus Anonymitätsgründen durch adäquate Pseudonyme ersetzt.

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Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung .............................................................................................................. 3 2. WhatsApp – eine neue Kommunikations(platt)form........................................... 7 2.1 Technische und linguistische Definition der Anwendung WhatsApp ........... 11 2.2 Nutzung der Applikation WhatsApp ............................................................ 16 2.3 Kommunikationsstil und Orthographie auf WhatsApp ................................. 20 2.3.1 Nachrichtenlänge .............................................................................. 22 2.3.2 Überlappungen und Gesprächsorganisation....................................... 23 2.3.3 Tippfehler, Gross- und Kleinschreibung und Interpunktion ............... 24 3. Korpus und Methode .......................................................................................... 27 4. Sprachmischungen bei Bilingualen .................................................................... 30

4.1 Monolingualer, intermediärer und bilingualer Sprachmodus ........................ 32 4.2 Code-Switching (CS)................................................................................... 37

4.2.1 Intersentenzielles CS......................................................................... 39 4.2.2 Intrasentenzielles CS......................................................................... 43 4.2.3 Extrasentenzielles CS........................................................................ 44

4.3 Code Mixing................................................................................................ 45 4.4 Entlehnung und Ad-hoc-Entlehnung ............................................................ 49 4.5 Language Crossing ...................................................................................... 54 4.6 Motivationen und Funktionen von Sprachmischungen ................................. 60

5. Serbisch-schweizerdeutsche Sprachmischungen im WhatsApp-Chat ‚Girls’ .. 64

5.1. Migrationshintergrund und Charakterisierung der Chatterinnen ................... 64 5.1.1 Dragana ............................................................................................ 68 5.1.2 Snežana ............................................................................................ 72 5.1.3 Jelena................................................................................................ 77

5.2 Mundartverwendung und Verschriftung des Schweizerdeutschen ................ 81 5.3 Schriftsystem des Serbischen und seine Realisierung in WhatsApp ............. 86 5.4 Unterscheidung verschiedener Sprachmischungsarten im Korpus ................ 92

5.4.1 Häufigkeit der Sprachmischungen..................................................... 94 5.4.2 Funktionen der Sprachmischungen.................................................... 97

5.5 Fazit ....................................................................................................... 104 6. Schlusswort ....................................................................................................... 109 Bibliographie ....................................................................................................... 111 - Sekundärliteratur .................................................................................................... 111 - Verzeichnis eingetragener Internetadressen (Netlinks): ........................................... 116 Anhang ....................................................................................................... 119 - Interviewfragen an die Chatteilnehmerinnen ........................................................... 119 - Statistiken zu den Sprachmischungstypen und ihren Funktionen ............................. 121 - Beispiele aus dem Korpus zu den übrigen ermittelten CS- Funktionen.................... 126

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1. Einleitung

Tagtäglich beobachten wir, wie gerne und intensiv das heute so beliebte Handy von

Anderen oder uns selbst zur Kommunikation genutzt wird: Während man früher öfters

telefonierte, schreibt man als Jugendlicher oder junger Erwachsener vor allem seit Be-

ginn des zweiten Millenniums vermehrt SMS. Seit der Erfindung des Smartphones und

dem 2009 eigens dafür entwickelten mobilen Instant Messengers ‚WhatsApp’ erfreut

sich diese Kommunikations(platt)form jedoch einer viel grösseren Beliebtheit als die

altbekannte SMS. Somit verlagert sich das exzessive Schreiben nun von der SMS auf

WhatsApp-Nachrichten, wodurch auch ganze mündliche Gespräche ersetzt werden,

welche aufgrund geographischer Distanz und weiterer Umstände nicht augenblicklich

stattfinden können (vgl. Dürscheid/Wagner/Brommer 2010, 2).

In der schriftbasierten informellen Kommunikation über die neueren elektronischen

Kommunikations(platt)formen – wie SMS, E-Mail, Internet Relay Chat (IRC), Instant

Messaging (IM) und soziale Netzwerke wie Facebook – herrscht ein an die mündliche

Kommunikation angelehnter Stil vor, der sich vor allem in der Schweiz durch dialekta-

les, lautnahes und spontanes Schreiben auszeichnet (vgl. Dürscheid/Wagner/Brommer

2010, 128; 141). Hierzu ist, meines Erachtens, neu auch die Kommunikation über

WhatsApp dazuzuzählen. Bei der Analyse des Kommunikationsstils der oben genannten

Kommunikations(platt)formen stellten Dürscheid, Wagner und Brommer (2010) sich

gleichende sprachliche Charakteristika fest: Es werden, unter anderem, etwa in glei-

chem Masse Abkürzungen, Inflektive, Emoticons und eine bevorzugte Kleinschreibung

benutzt, wobei auch wenig auf die Interpunktionsregeln geachtet wird.

Daneben kommt es in einzelnen schriftbasierten, elektronischen Mitteilungen zur

Benutzung von Entlehnungen (wie Anglizismen), Sprachspielen, aber auch zu

Sprachmischungen2 – wie Code-Switching –, bei welchen Wörter, Phrasen oder Sätze

zweier oder mehrerer beherrschter Sprachen in derselben Nachricht benutzt werden.

Sprachmischungen fand man bis zum Aufkommen der schriftbasierten Kommunikation

vor allem in mündlicher Interaktion vor, so zum Beispiel in Martin Luthers lateinischen

Tischreden, wo er ins Deutsche wechselte, „wenn es um theologische Fragestellungen

ging“ (Sturm-Trigonakis 2007, 113; vgl. Auer 1999, 318). Aber auch schriftlich in

frühen literarischen und nicht-literarischen, vereinzelten Texten der Antike, des

2 Der Terminus Sprachmischungen wird in der Arbeit als Hyperonym für Code-Switching, Code Mixing Entlehnungen, Ad-hoc-Entlehnungen und Language Crossing, also alle Sprachmischungsarten, benutzt.

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Mittelalters und der frühen Neuzeit – wie z. B. in Übersetzungen bestimmter Texte3,

Briefen, Versromanen 4 , makkaronischen Gedichten und Dramen - kamen

Mehrsprachigkeit und Sprachmischungen in Form von Code-Switching und

Entlehnungen vor (vgl. Sturm-Trigonakis 2007, 112-115); sie stellen somit also kein

neues sprachliches Phänomen dar.

Sprachmischungen werden seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts mit grammatischen,

pragmatischen und soziolinguistischen Ansätzen extensiv in der Sprachkontaktfor-

schung der mündlichen Face-to-Face-Kommunikation untersucht. Mit der Zunahme an

schriftbasierter ‚computer-vermittelter Kommunikation’ (CVK) begannen um die

Jahrtausendwende Linguisten – wie z. B. Androutsopoulos, Hinnenkamp, Siebenhaar,

Pekarek-Doehler, Cougnon und Paolillo – auch die schriftlich getätigten

Sprachmischungen in SMS, IRC’s, Webblogs, und Foren zu untersuchen. Dabei wurden

verschiedenste Sprachpaare, wie z. B. Deutsch-Türkisch, Schweizerdeutsch-Standard-

deutsch, Englisch-Hindi-Punjabi etc., untersucht.

Meines Wissens stellt das Sprachpaar Serbisch-Schweizerdeutsch jedoch eine Lücke in

der bisherigen linguistischen Forschung der mündlichen wie auch schriftbasierten

computer-vermittelten Kommunikation dar. Zudem wurde auch die Kommunikati-

ons(platt)form WhatsApp erst in drei linguistischen Forschungsarbeiten der Germanis-

tik thematisiert. Dies sind folgende: Ein in Schnitzers Arbeit (2012) befindlicher, kurzer

Exkurs zu WhatsApp, Dürscheid und Fricks Artikel (2014) Keyboard-to-Screen-

Kommunikation gestern und heute: SMS und WhatsApp im Vergleich und eine

Seminararbeit von Barbara Hug (2014) mit dem Titel Gesprächsorganisation in

WhatsApp. Interaktionale Aspekte einer neuen Kommunikations(platt)form, die im Rah-

men des im Herbstsemester 2013 an der Universität Zürich gehaltenen Forschungssemi-

nars ‚Sprache und Sprachgebrauch im Web’ verfasst wurde. Daneben sind am

01.07.2014 die vorläufigen, ersten Ergebnisse des im Herbst 2013 gestarteten,

universitären Forschungsprojekts What’s up, Switzerland? der Universitäten Zürich,

Bern und Neuchâtel erschienen, die aus der Nachrichten-Sammlung und -untersuchung

der ersten zwei Wochen stammen.5 Im Zeitraum vom 01.06.2014 bis 13.07.2014 wur-

den schweizweit WhatsApp-Nachrichten gesammelt, mit dem Ziel „sprachliche Merk-

male der WhatsApp-Kommunikation zu beschreiben und mit SMS-Nachrichten zu 3 Z. B. in Notkers Übersetzung von Boethius’ De Consolatione Philosophiae. 4 Siehe z. B. in Gottfrieds von Strassburg Tristan: V. 3353: „“jâ hêrre, Tristan; dêu sal!“ / „dêu sal, bêas vassal!“ / „mercî“, sprach er „gentil rois“ (S. 206): Code-Switching zwischen Mhd. und Altfranzösisch. 5 Diese Forschungsergebnisse sind unter Netlink 22 einsehbar <12.11.2014>.

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vergleichen“.6 Bevor dieses Korpus in naher Zukunft für Forschungsarbeiten genutzt

werden kann, muss er jedoch zuerst gänzlich aufbereitet werden.

Zum serbisch-schweizerdeutschen Code-Switching gibt es bisher weder für die mündli-

che noch für die schriftbasierte Kommunikation explizite Studien. Die Arbeit, die der

meinen thematisch betrachtet am nächsten kommt, ist diejenige von Stanisavljević

(2010), mit dem Titel Bilinguismus und Migration. Eine Untersuchung zu bos-

nisch/kroatisch/serbisch-deutschem Codeswitching in Berlin. Hierbei handelt es sich

jedoch um eine Untersuchung des mündlich getätigten Code-Switching zwischen ser-

bisch-deutschen Bilingualen, während sich meine Arbeit auf dasjenige in der

schriftbasierten Kommunikation serbisch-schweizerdeutscher Bilingualer fokussiert.

Daher sollen die obengenannten Lücken in der vorliegenden Arbeit über das serbisch-

schweizerdeutsche Code-Switching in der WhatsApp-Gruppenchat-Kommunikation

dreier bilingual aufgewachsenen, jungen Frauen mit Migrationshintergrund gefüllt wer-

den.

Mehrere Faktoren inspirierten die Urheberin, ihre Masterarbeit zu diesem Thema zu

verfassen: Erstens die eigene Zugehörigkeit zur bilingualen, serbisch-

schweizerdeutschen Sprachgemeinschaft, zweitens die eigenen jahrelangen, mündlich

und schriftlich gesammelten Erfahrungen mit Sprachmischungen, drittens die oft sehr

interessanten beobachteten Code-Switches im eigenen Freundes-, Familien- und

Bekanntenkreis, und viertens die häufig in der WhatsApp-Kommunikation

auftauchenden Sprachmischungen im mittlerweile besonders datenreichen Gruppenchat

‚Girls’, an welchem die Freundinnen Dragana, Snežana und die Autorin seit dem

23.6.2011 beteiligt sind und der heute noch existent ist.

Der Interessenschwerpunkt der vorliegenden, soziolinguistisch fundierten Arbeit liegt

nicht nur auf der Art und Weise, wie sich serbisch-schweizerdeutsche

Sprachmischungsphänomene schriftlich niederschlagen und gestalten, sondern auch auf

den Beweggründen und kommunikativen Funktionen, welche sich hinter diesen

Sprachmischungsereignissen verbergen könnten. Dabei wurden folgende Fragen

aufgeworfen:

Welche Sprachmischungstypen lassen sich in der schriftbasierten CVK über

WhatsApp auffinden? Sind es dieselben, denen man in der mündlichen

Kommunikation begegnet?

6 Netlink 23 <13.11.2014>.

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Welches ist das von den Chatterinnen bevorzugte Code-Swichting-Muster im

Gruppenchat ‚Girls’ und was könnten mögliche Gründe dafür sein?

Welches ist die mehrheitlich verwendete Matrixsprache, in welche andersspra-

chige Elemente eingebettet werden? Könnte die präferierte Verwendung dieser

Sprache kompetenz-bedingt sein?

Welche Motivationen und kommunikative Funktionen stecken hinter den einzel-

nen Switches? In welchen Fällen wird am häufigsten geswitcht?

Die vorliegende Arbeit, die nicht strikt in einen theoretischen und analytischen Teil ge-

teilt ist, weist folgende Gliederung auf: Im ersten Teil (Kapitel 2-4) soll eine theoreti-

sche Grundlage anhand verschiedener Definitionen und Erklärungen geschaffen werden.

Dazu wird im zweiten Kapitel die Kommunikations(platt)form WhatsApp und ihre Nut-

zung vorgestellt. Anschliessend wird im dritten Kapitel das Korpus und die angewandte

Methode erläutert, bevor im vierten Kapitel auf die Sprachmischungstermini

monolingualer, intermediärer und bilingualer Sprachmodus (4.1), Code-Switching

(CS)(4.2), Code Mixing (CM)(4.3), Entlehnung und Ad-hoc-Entlehnung (4.4) und

Language Crossing (4.5) mit illustrativen Korpus-Belegen eingegangen wird. Dabei

sollen im Unterkapitel 4.2 auch auf die verschiedenen CS-Typen, wie intersentenzielles,

intrasentenzielles und extrasentenzielles Code-Switching vorgestellt werden. Bereits in

den zuvor genannten Kapiteln finden analytische Untersuchungen erster Beispiele aus

dem Korpus statt. Daran anschliessend werden im Unterkapitel 4.6 die in der Forschung

vorgestellten einzelnen Motivationen und Funktionen der in mündlicher und

schriftbasierter Kommunikation getätigter Sprachmischungen aufgezeigt.

Der zweite Teil der Arbeit besteht aus dem fünften Kapitel, in welchem stärker analy-

tisch vorgegangen wird. Hierbei wird in einem ersten Schritt im Kapitel 5.1 auf den

Migrationshintergrund und die Charakterisierung der Chatterinnen eingegangen, welche

auf aufgezeichnetem Interview-Material fusst und mir für die spätere Untersuchung der

Sprachmischungen im WhatsApp-Chat weitere Aufschlüsse bot. Im Kapitel 5.2. soll

zunächst auf die Verschriftung des Schweizerdeutschen eingegangen werden, das auf-

grund seiner fehlenden normgebundenen Orthographie einen Spezialfall darstellt. Unter

5.3 werden auch das digraphische Schriftsystem des Serbischen und seine Realisierung

im WhatsApp erläutert, wo ebenfalls Normabweichungen zu verzeichnen sind. Danach

folgt die konkrete Analyse der Häufigkeit der einzelnen Sprachmischungsarten und ih-

ren kommunikativen Funktionen im ‚Girls’-Chat. Im Fazit sollen die Erkenntnisse und

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Ergebnisse gesammelt und zusammengefasst werden, während im Schlusswort ein Aus-

blick für weitere Forschungen in diesem Gebiet gegeben wird.

2. WhatsApp – eine neue Kommunikations(platt)form

Da sich diese Arbeit auf die Smartphone-Anwendung WhatsApp und ihre

Kommunikationsformen fokussiert, soll hier in einem ersten Schritt kurz auf

Smartphones und daran anschliessend auf die darauf installierbare Software WhatsApp

eingegangen werden.

Das Smartphone ist in erster Linie – genauso wie sein Vorgänger, das klassische Handy

mit Zahlentastatur – ein Mobiltelefon, das jedoch im Gegensatz zu seinem Vorgänger

mit so vielen weiteren Funktionen ausgestattet ist, dass man es durchaus auch als ‚Mini-

Computer’ bezeichnen kann (vgl. Dürscheid/Frick 2014, 152). Es unterscheidet sich

aber auch äusserlich stark vom traditionellen Handy. Anstatt einer handy-üblichen 12er-

Tastatur mit Zahlen besitzt es einen Touchscreen mit einer virtuellen Buchstabentastatur,

die für jeden Buchstaben – ausser für Umlaute und Buchstaben mit Diakritika – eine

Taste bereitstellt; diese sind alle gleich angeordnet, wie bei einem herkömmlichen

Computer. Das Wesentlichste jedoch ist die für Smartphones typische mobile

Internetnutzung, die es dem Nutzer ermöglicht, in sogenannten ‚Stores’ neben den be-

reits vorinstallierten Anwendungen spezielle Zusatzsoftware herunterzuladen und zu

installieren. Diese zusätzlich erwerbbaren Anwendungen werden heute kurz ‚Apps’

(engl. applications) genannt. 7 Zu den Kommunikationsanwendungen gehört neben

Skype, Viber,8 Textme, Telegram und Threema unter anderem auch die äusserst popu-

läre und erfolgreiche Smartphone-Anwendung WhatsApp, auf deren Erfolgsgeschichte

nun das Augenmerk gerichtet werden soll.

Die Kommunikationsplattform WhatsApp existiert seit dem Jahr 2009 und erfreut sich

einer immer grösseren Beliebtheit im Rahmen der schriftbasierten Kommunikation

durch das Medium des Smartphones. Während es in den 1990er Jahren noch die SMS

war, die für einen regelrechten Boom an Nachrichten sorgte, ist es nun der mobile

Smartphone-Instant-Messenger WhatsApp, der ihr diesen hohen Rang abzunehmen

droht. Dies bestätigen auch die Nutzerzahlen von WhatsApp: Laut der Financial Times

Deutschland zählte WhatsApp bereits im April 2012 zu den „meistverkaufte[n] iPhone-

7 Für die vorliegende Arbeit werden dafür die Begriffe App, Applikation und Anwendung verwendet. 8 Im Gegensatz zu WhatsApp kann man mit Viber und Skype auch telefonieren.

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App[s] in fast 100 Ländern“.9 Im Mai 2013 informierte die Westdeutsche Zeitung, dass

„innerhalb von sechs Monaten […] die Zahl der [deutschen] Nutzer von 9,3 auf 13,7

Millionen gestiegen“ sei. 10 Gemäss den eigenen Berechnungen des Unternehmens

WhatsApp holt es „– nach der Übernahme durch Facebook im Februar 2014 – im

Durchschnitt weltweit 15 Millionen neue Nutzer pro Monat“11 ins Boot, sodass das

Unternehmen im Mai 2014 weltweit schon „den Meilenstein von 500 Millionen aktiven

Nutzern“ 12 erreicht hatte. Zum Vergleich: Im August 2013 waren es noch weltweit 300

Millionen Anwender,13 was für eine rasche Nutzerzunahme spricht. Laut einer Compa-

ris-Umfrage benutzen in der Schweiz von 100 Nachrichtendienst-Anwendern derzeit

insgesamt 91 WhatsApp.14 Nach der Facebook-Übernahme und den damit einhergehen-

den Sorgen über den Datenschutz haben laut der NZZ fünf von hundert WhatsApp-Nut-

zer die App deinstalliert, während zehn es in Betracht gezogen haben, zu einem anderen

vergleichbaren, jedoch sichereren, Nachrichtendienst – wie z. B. zur Schweizer App

Threema15 – überzugehen. Wie die Nutzerzahlen im Mai 2014 jedoch zeigen (s. o.),

verliert WhatsApp allem Anschein nach nur sehr wenige Mitglieder. Dies hängt wohl

mit der Tatsache zusammen, dass der Freundeskreis der Meisten oft weiterhin diesen

Nachrichtendienst nutzt und nur sehr schwer zu einem Wechsel zu einem anderen

Anbieter zu bewegen ist, da sich WhatsApp bereits durchgesetzt und bewährt hat; daher

bleiben oft auch die Zweifelnden bei WhatsApp registriert.16 Davon sind auch Dür-

scheid und Frick überzeugt, die behaupten: „Zudem spielt auch der Nachahme-Effekt

eine Rolle: Je mehr Menschen eine spezifische Kommunikationsform nutzen, umso

attraktiver wird sie“ (2014, 162), womit die Autorin ihnen aus eigener Erfahrung nur

zustimmen kann.

Vor allem bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist WhatsApp sehr beliebt: Im

Rahmen der JAMES-Studie des Jahres 2012 wurden 12- bis 19-jährige Jugendliche aus

der Schweiz, die ein Smartphone besitzen, aufgefordert ihre drei Lieblings-Apps zu

notieren. Nach der Auswertung der Daten ging „hervor, dass zwei Apps klar am höchs-

ten in der Gunst der Jugendlichen stehen. Es sind dies WhatsApp (431 Nennungen) und

9 Netlink 1 <14.10.2014>. 10 Netlink 2 <14.10.2014>. 11 Netlink 3 <14.10.2014>. 12 Netlink 4 <14.10.2014>. 13 Vgl. Netlink 5 <14.10.2014>. 14 Vgl. Netlink 3 <14.10.2014>. 15 Threema unterscheidet sich von WhatsApp dadurch, dass die ausgetauschten Nachrichten vor dem Ankommen in die Zentrale verschlüsselt werden und somit ein hoher Datenschutz gewährleistet wird. 16 Vgl. Netlink 6 <14.10.2014>.

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die Facebook-App (412 Nennungen)“ (Willemse et al. 2012, 51). Die ersten Befunde

dieser Studie aus dem Jahre 2014 halten zudem fest, dass „98 Prozent der Schweizer

Jugendlichen […] ein eigenes Handy“, davon „97 Prozent ein Smartphone“ besitzen

und dass dieses heute viel seltener für den ursprünglichen Zweck, die Telefonie, genutzt

wird (Willemse et al. 2014, 4). Die Beliebtheit der Anwendung WhatsApp ist aber auch

bei den 12- bis 19-jährigen Jugendlichen in Deutschland festzustellen, wie im Rahmen

der JIM-Studie des Jahres 2013 erkenntlich wurde. Hier gaben insgesamt 70 % aller

befragten Jugendlichen an, WhatsApp auf ihrem Smartphone installiert zu haben (71 %

der Mädchen, 69 % der Jungen), wobei die Nutzung der App mit zunehmendem Alter

der Jugendlichen auch proportional ansteigt (vgl. Feierabend et al. 2013, 53). Seit 2013

sind „die klassischen Handytätigkeiten Telefonieren (2013: 75 %) und vor allem SMS-

Schreiben (2013: 72 %) zurück[gegangen], wenn man sie mit den neuen Ergebnissen

der JIM-Studie aus dem Jahr 2014 vergleicht“ (Feierabend et al. 2013, 47). Zudem

wurden nun von 86 % der jugendlichen Befragten die Messenger-Apps als die

wichtigsten Apps genannt (siehe Grafik 1), welche „inzwischen die Kommunikation via

SMS abgelöst“ haben; darunter stimmten insgesamt 84 % für die Anwendung

WhatsApp (vgl. Feierabend et al. 2014, 49; vgl. Grafik 1).

Grafik 1: Die wichtigsten Apps auf dem Smartphone von 12- bis 19-jährigen deutschen Jugendlichen, 2014 (Feierabend et al. 2014, 49).

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Des Weiteren gab die JIM-Studie 2014 bekannt, dass 94 % der befragten jugendlichen

Smartphone-Besitzer beiden Geschlechts WhatsApp als Grundausstattung installiert

haben und sich dieser Wert „gegenüber der JIM-Studie 2013 […] deutlich um 25

Prozentpunkte erhöht“ hat (Feierabend et al. 2014, 50). Die aktive Nutzung belaufe sich

momentan auf 86 % der befragten Jugendlichen, welche die App täglich verwenden,

was „dann auch die hohe tägliche Frequenz [erklärt]: durchschnittlich rufen Jugendliche WhatsApp 26 Mal pro Tag auf. Jeder Fünfte, der diese App täglich nutzt, macht dies sogar häufiger als 50 Mal am Tag, jeder Dritte immerhin noch zwischen 20 und 49 Mal täglich [siehe Grafik 2].“ (Feierabend et al. 2014, 50)

Zudem habe WhatsApp unter den befragten 12- bis 19-jährigen Jugendlichen aus

Deutschland nicht nur der SMS, sondern auch dem sozialen Netzwerk Facebook (und

seiner Messenger-Funktion) mehrheitlich den Rang abgelaufen (vgl. Feierabend et al.

2014, 50).

Auch das Allensbacher Institut für Demoskopie berichtete in einem Kurzbericht vom 17.

Januar 2014 darüber, dass das Instant-Messaging-Programm WhatsApp auf dem Vor-

marsch sei. In Deutschland wurden 1'587 Personen ab 16 Jahren dazu befragt, ob sie

beim Nachrichtenversand eine SMS schicken oder dafür eher WhatsApp oder einen

anderen Nachrichtendienst verwenden würden. Dabei zeigte sich, dass in der jüngeren

Gruppe der 16- bis 29-Jährigen, „WhatsApp die klassische SMS bereits knapp über-

holt“ hat (Institut für Demoskopie Allensbach 2014, 2): Hier sind es 37 % die ihre

Grafik 2: Nutzungshäufigkeit von WhatsApp pro Tag von 12- bis 19-jährigen deutschen Jugendlichen, 2014 (Feierabend et al. 2014, 50).

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Nachrichten über WhatsApp und 36 % die sie über SMS verschicken. Der Studie zu-

folge würde WhatsApp im höheren Alter zurzeit jedoch seltener genutzt als die SMS

(vgl. Institut für Demoskopie Allensbach 2014, 2f.).

Zusammenfassend kann man sagen, dass zu erwarten ist, dass die Tendenz zur Bevorzu-

gung von WhatsApp mit der zunehmenden Verbreitung von Smartphones noch weiter

steigen und die altbewährte SMS in naher Zukunft möglicherweise ganz vom ersten

Platz verdrängen wird, wie vermehrt in den Medien darüber zu lesen ist; 17 bei der

Mehrzahl der Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist dies, wie gerade erläutert, heute

bereits der Fall (vgl. Feierabend et al. 2014, 47; vgl. Schnitzer 2012, 36; vgl. Dürscheid/

Frick 2014, 163f.). Zieht man noch die neueste Erweiterung vom 22.1.2015 in Betracht

– nämlich, dass der mobile WhatsApp Messenger von Android-Nutzern nun auch auf

dem PC im Google-Chrome-Browser genutzt werden kann18, stützt dies die These der

weiter zunehmenden Beliebtheit von WhatsApp noch. So ist zu erwarten, dass die

Anwendung nun noch reger genutzt werden wird, zumal das Zehn-Finger-System am

PC aus Sicht der meisten User als praktischer angesehen wird als das Zwei- oder gar

Ein-Finger-System am Smartphone.

Nach diesem Einblick in die zunehmende Beliebtheit der Anwendung WhatsApp sollen

nun im nächsten Kapitel eine technische und eine linguistische Definition und einige

allgemeine Informationen zu den diversen Funktionen dieser App gegeben werden.

2.1. Technische und linguistische Definition der Anwendung WhatsApp

Bei der 2009 von den einstmaligen Yahoo!-Angestellten Jan Koum und Brian Acton

entwickelten Anwendung WhatsApp Messenger 19 handelt es sich um einen

internetbasierenden, plattformübergreifenden mobilen Instant Messenger (IM) für

Smartphones, der eine kostenlose bzw. kostengünstigere Alternative zu den altbekann-

ten und kostenpflichtigen SMS und MMS darstellen soll.20 Es ermöglicht dem Nutzer,

unabhängig vom Smartphone-Hersteller und dem benutzten Betriebssystem, eine

unkomplizierte und schnelle Kommunikation über Textnachrichten, Ton-, Bild- und

Video-Dateien. Dafür ist lediglich eine Internetverbindung erforderlich, entweder über 17 Vgl. Netlinks 2, 7, 8 <14.10.2014>. 18 Vgl. Netlink 25 <01.02.2015>. 19 Der Name der Anwendung WhatsApp verkörpert dabei ein intendiertes Wortspiel, das auf das englische umgangssprachliche „What’s up?“ (‚Was geht (ab)?’/ ‚Wie läuft’s?’) zurückgeht und das Kürzel ‚App’ für Applikation beinhaltet (vgl. Dürscheid/Frick 2014, 162). 20 Vgl. Netlink 9 <02.06.2014>.

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den aktivierten Datentarif (EDGE / 3G / 4G) des jeweiligen Mobilfunkanbieters oder

über WLAN. Nach einem kostenlosen ersten Probejahr folgt für alle Anwender anschei-

nend eine jährliche Gebühr von CHF 1.- (0,79 Euro / 0,99 US-Dollar); 21 im Vergleich

dazu zahlte man früher für eine SMS je nach Mobilfunknetz zwischen 15 und 20 Rap-

pen (vgl. Dürscheid/Frick 2014, 164).

Neben der grundlegenden Funktion, einfache Textnachrichten – mittlerweile ohne jegli-

che Zeichenbegrenzung – zu versenden und zu empfangen, haben die Nutzer auch die

Möglichkeit, unbegrenzt Bilder und Videos miteinander auszutauschen, wofür im Ver-

gleich zur heute noch sehr teuren MMS (bei Orange ca. CHF 1.-) dennoch keine

zusätzlichen Kosten anfallen (vgl. Schnitzer 2012, 35; vgl. Hug 2014, 4). Somit kann in

diesem Bereich am meisten mit WhatsApp gespart werden, vor allem wenn man be-

denkt, wie häufig heute Bild-Dateien verschickt und empfangen werden. Des Weiteren

können WhatsApp-Nutzer Kontaktdateien und Sprachnachrichten untereinander austau-

schen sowie dem Adressaten den eigenen, gegenwärtigen Standort über GPS-Ermittlung

mitteilen. Neben der herkömmlichen dyadischen Konversation zwischen zwei Parteien

– die man bereits aus der SMS-Kommunikation kennt – sind aber auch

Mehrparteiendialoge in sogenannten Gruppenchats möglich, in denen sich bis zu fünf-

zig Teilnehmer miteinander austauschen können (vgl. Dürscheid/Frick 2014, 162f.; vgl.

Hug 2014, 4). Die WhatsApp-Entwickler sind bemüht, die Anwendung und all ihre

Funktionen ständig zu verbessern und es gilt noch abzuwarten, welche weiteren

Neuerungen die neue Ära unter Facebook-Besitz mit sich bringt. Die neueste davon ist,

wie im vorangehenden Kapitel bereits angedeutet, dass der mobile WhatsApp

Messenger seit dem 22.1.2015 auch vom PC aus nutzbar ist, vorerst jedoch nur von

denjenigen WhatsApp-Nutzern, welche die Anwendung auf ihrem Android-gängigen

Smartphone installiert haben. Für iPhone-Nutzer ist diese Implementierung noch nicht

verfügbar, da „iOS-Geräte […] laut Whatsapp nicht die Form von Multitasking im

Hintergrund sowie nicht die Form von Nachrichten-Weiterleitung per Push-Messaging

[erlauben], die beide für die Whatsapp-Anwendung im Browser essenziell sind.“22 Des

Weiteren funktioniert diese Erweiterung bisher nur im Google-Chrome-Browser, da nur

dieser Browser über „eine Schnittstelle für die Weiterleitung von

21 Bisher habe jedoch weder ich noch jemand aus meinem Freundeskreis diese Gebühr zahlen müssen, trotz mehrjähriger Nutzung; daher würde ich dazu tendieren WhatsApp als gratis zu bezeichnen. 22 Vgl. Netlink 25 <01.02.2015>.

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Grafik 3: Screenshot einer Chatübersicht auf dem mobilen WhatsApp Messenger eines Android-gängigen Smartphones.

Nachrichten“ verfügt.23 Zudem kann diese Erweiterung nicht genutzt werden, wenn das

Smartphone nicht mit dem Internet verbunden ist; „sie kann also nicht ohne

[Smartphone-]Unterstützung laufen“.24 Das Ganze funktioniert folgendermassen: Wer

das neue Angebot nutzen will, sollte zuerst am PC im Google-Chrome-Browser die

Webseite https://web.whatsapp.com 25 aufrufen, anschliessend die Anwendung

WhatsApp auf seinem Smartphone öffnen und bei den Optionen WhatsApp Web

anwählen. Daraufhin erscheint auf dem Bildschirm ein QR-Code, welchen man

einscannt, damit WhatsApp authentifizieren kann, „welcher Browser zu welchem

[Smartphone] gehört“.26 Danach werden die Daten von WhatsApp auf dem Smartphone

mit der WhatsApp-Web-Implementierung automatisch synchronisiert, damit in Zukunft

alle Nachrichten zeitgleich am PC sowie auf dem Smartphone empfangen werden

können.27 Man sollte mit dem Smartphone jedoch permanent online bleiben – am besten

mit WLAN verbunden, da ansonsten das mobile Datenvolumen auch für die per PC

verschickten Nachrichten verbraucht wird –, „andernfalls geht [die Implementierung]

auch [im] Browser wieder offline. Als Smartphone-

Ersatz also kann der PC nicht dienen, eher als

übergroßer Bildschirm samt Tastatur fürs

Smartphone.“ 28 Jedoch gestaltet sich die

Unterscheidung zwischen den Nachrichten, die vom

mobilen Messenger und denjenigen, die vom Web-

Browser verschickt worden sind, als unmöglich, was

der Forschung Probleme bereiten wird, wenn es um

die Beschreibung der Unterschiede zwischen diesen

beiden Kommunikationsformen geht. Denn in

welchem Kontext die Nachricht geschrieben wurde,

weiss man dann nur noch durch eine Video-

Überwachung des Produktionsprozesses. Die beiden

folgenden Grafiken (3 & 4) zeigen die Darstellung

der Anwendung WhatsApp auf einem Android-

23 Netlink 25 <01.02.2015>. 24 Netlink 25 <01.02.2015>. 25 Netlink 26 <01.02.2015>. 26 Netlink 25 <01.02.2015>. 27 Vgl. Netlink 25 <01.02.2015>. 28 Netlink 25 <01.02.2015>.

Page 15: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

14

gängigen Smartphone und die WhatsApp Web-Implementierung auf dem PC.

Nach diesem kurzen Überblick über die Funktionen dieses Nachrichtendiensts folgt nun

eine linguistische Definition der WhatsApp-Kommunikation: Dürscheid und Frick

benutzen für die SMS-, E-Mail-, IRC-Chat-, Instant Messaging- (IM)29 und WhatsApp-

Kommunikation – über die Medien Handy, Smartphone, Computer und Tablet – den

linguistischen Terminus ‚Keyboard-to-Screen-Kommunikation’ (KSC), der von

Jucker/Dürscheid (2012) geprägt wurde. Dies tun sie, da der linguistisch geläufigere

und präferierte Terminus ‚computer-vermittelte Kommunikation’ (CVK) 30 streng

genommen die schriftbasierte Kommunikation über das alte Medium ‚Handy’

ausschliesst, das nicht zu den ‚computer-ähnlichen’ Entwicklungen wie das Smartphone

gehört (vgl. Dürscheid/Frick 2014, 152f.; vgl. Jucker/Dürscheid 2012, 39f.).

Jedoch schliesst der Terminus KSC die Kommunikation über Audio- und Video-

Dateien aus, da er lediglich auf graphematisch realisierte Kommunikationsformen

Bezug nimmt (vgl. Herring et al. 2013, 5; vgl. Dürscheid/Frick 2014, 154; vgl.

Jucker/Dürscheid 2012, 41). WhatsApp ist jedoch eine ‚Kommunikationsplattform’, auf

der insgesamt drei Kommunikationsformen – über Text-31, Sprachnachrichten32 und

29 Beispielsweise: ICQ, MSN Messenger, Windows Messenger, Google Talk etc. (für mehr Informationen über IM siehe Baron 2013; Jones 2013; Ling/Baron 2007). 30 Der gängige englische Fachausdruck dafür ist ‚computer-mediated communication’ (CMC).

31 Damit ist der übliche, zeitversetzte Textnachrichten-Austausch zwischen zwei Parteien gemeint. 32 Das sind kurze mit dem im Smartphone integrierten Mikrofon aufgenommene mündliche Nachrichten, die im angewählten WhatsApp-Chat veröffentlicht werden können.

Grafik 4: Printscreen einer Chatübersicht, inkl. geöffnetem Chatfenster der WhatsApp Web-Implementierung auf dem PC.

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Chat33 – zum Zuge kommen (vgl. Dürscheid/Frick 2014, Fussn. 4, 177). Diese können

durchaus auch ineinandergreifen und -übergehen und somit ein Konglomerat an

verschiedenen, verflochtenen Kommunikationsformen bilden. Da der Begriff KSC also

einen wichtigen Teil der WhatsApp-Kommunikation ausschliessen würde, wäre es

meines Erachtens angemessener, bei Untersuchungen der WhatsApp-Kommunikation –

die nicht auf Vergleichen mit der SMS-Kommunikation über einfache Handys beruhen

– den Terminus ‚computer-vermittelte Kommunikation’ (CVK) zu verwenden; daher

wird der letztgenannte, in der Linguistik gebräuchliche Begriff auch für die vorliegende

Forschungsarbeit gewählt. Der Terminus CVK umfasst, wie bereits angedeutet, also

nicht nur überwiegend schriftbasierte Kommunikationsformen34 über netzwerkfähige

Computer und computer-ähnliche Geräte – wie Smartphone und Tablet – sondern auch

solche des mündlichen und visuellen Bereichs, wie der Internet-Telefonie (VoIP) und

der Videokonferenzen (z. B. über Skype) (vgl. Herring et al. 2013, 7-9).35 Dabei kann

die Kommunikation über diese Formen nicht nur im eins-zu-eins-, sondern eins-zu-

viele- oder viele-zu-viele-Format stattfinden und benötigt zum kommunikativen

Austausch die Medien selbst, wie auch ihre zugehörige Hardware ((Touch-)Bildschirm,

physische oder virtuelle Tastatur, Kamera, Maus) und Software (z. B. Skype, WhatsApp

etc.).

Aus linguistischer Sicht betrachtet ist hierbei zu betonen, dass es sich bei der CVK (wie

auch der KSC) nicht um eine einfache Übermittlung einer Nachricht eines Senders an

einen Empfänger (und vice versa) handelt. Vielmehr handelt es sich um ‚kommunika-

tive Akte’ (Communicative Acts, CAs), die aus verbalen oder non-verbalen Einheiten36

bestehen und mit einer kommunikativen Intention geäussert werden (vgl. Ju-

cker/Dürscheid 2012, 41f.; vgl. Dürscheid/Frick 2014, 155f.). Diese bleiben jedoch

nicht alleine im Raum stehen, denn auf einen kommunikativen Akt folgt generell ein

anderer, „der auf den vorangehenden Akt Bezug nimmt“ (Dürscheid/Frick 2014, 156),

sodass dadurch dialogische „Sequenzen kommunikativer Akte (Communicative Act

33 Mit der Chat-Kommunikation ist der beinahe synchrone, schriftbasierte Austausch im eins-zu-eins-, eins-zu-viele- oder viele-zu-viele-Format gmeint. 34 Dies umfasst unter anderem die asynchronen schriftbasierten CVK-Formen, wie Blog, Usenet, Internetforum, Newsgroup, E-Mail, Mailinglisten, SMS (die über internetgängige Computer versendet wird) und die quasi-synchronen schriftbasierten CVK-Formen, wie IRC-Chat, Instant Messaging, WhatsApp. 35 Weitere mündliche CVK-Formen: Video Blogs (z. B. über YouTube), Multi User Dungeon (MUD) und die neue Sprachnachricht-Funktion des WhatsApp Messengers. 36 Dies können gesprochene, geschriebene, gebärdete, monologische oder in einen Dialog eingebettete Einheiten sein (vgl. Dürscheid/Frick 2014, 155).

Page 17: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

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Sequences, CASs)“ entstehen, die auch als ‚Gesprächssequenzen’ bezeichnet werden

können (Dürscheid/Frick 2014, 155).

So können auch die einzelnen Beiträge (‚Turns’) einer WhatsApp-Unterhaltung als

kommunikative Akte und der zustandegekommene Gesprächsstrang (‚Thread’) als Se-

quenz kommunikativer Akte bezeichnet werden. Da der komplette Chat-Verlauf einer

WhatsApp-Unterhaltung mit einer (oder mehreren) Person(en) das Ergebnis mehrerer

kommunikativer Akte über eine längere Zeitspanne ist, spricht man in diesem

Zusammenhang aber nicht von einer „einzigen langen Sequenz kommunikativer Akte

(CAS)“, sondern eher von einer „Reihe verschiedener CASs“ (Dürscheid/Frick 2014,

169), die sich über mehrere Tage, Monate oder gar Jahre hinweg entwickelt und

angesammelt haben. Dies gilt auch für den gesamten Chat-Verlauf des hier untersuchten

WhatsApp-Gruppenchats ‚Girls’, der seit 23.06.2011 existiert und auch heute noch rege

von uns genutzt wird.

Nach der technologischen und linguistischen Definition der Anwendung WhatsApp

folgen im nächsten Unterkapitel Erläuterungen zur Nutzung der drei verschiedenen

Kommunikationsformen dieses mobilen Messengers.

2.2. Nutzung der Applikation WhatsApp

Bei privaten Erkundigungen im eigenen Freundeskreis stellte auch die Urheberin dieser

Arbeit fest, dass das Smartphone mittlerweile von Vielen häufiger zum Schreiben von

WhatsApp-Nachrichten als zum Telefonieren genutzt wird. Als Grund wurde

mehrheitlich angegeben, dass man meist mit etwas anderem beschäftigt sei und dann

lieber kurz und bündig durch eine oder mehrere WhatsApp-Nachrichten antworte, als zu

telefonieren, da in einer solchen mündlichen Kommunikationssituation die Multi-

Tasking-Fähigkeit durch konzentriertes Zuhören und Antworten enorm eingeschränkt

sei.37

Das heutzutage bevorzugte Schreiben wird von den Meisten jedoch nicht als unhöflich

oder unfreundlich eingestuft, da der WhatsApp Messenger die Funktion eines Instru-

ments zum dialogischen und meist informellen Austausch über grosse Distanzen über-

nimmt und somit stark zur Kontakt- und Beziehungspflege bereits bekannter und

vertrauter Kommunikationspartner beiträgt. Dabei sind die verschiedensten Schreiban-

37 Siehe dazu auch das Resümee der Interviews in den drei Unterkapiteln unter 5.1. und Barons Artikel Instant Messaging (vgl. 2013, 138-140).

Page 18: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

17

lässe möglich, wie z. B. Verabredungen, Informationsaustausch, Erkundigungen nach

dem Befinden, Glückwünsche und Grüsse, Bitten und Vorschläge oder eine rein humor-

volle oder spielerische Kommunikation durch den gegenseitigen Austausch von

Sprachspielen oder diverser unterhaltsamer Bild- und Video-Dateien (vgl. Schnitzer

2012, 64; vgl. Hug 2014, 6). So kommt es aufgrund der niedrigen Kosten auch dazu,

dass oft über Belangloses geschrieben wird; dies ist vor allem dann der Fall, wenn

Langeweile als Schreibmotivation dient, sodass dabei eher klatsch- und plauschhafte

Konversationen entstehen (vgl. Hug 2014, 6; vgl. Dürscheid/Frick 2014, 172). Daher

schliesst sich die Autorin Hugs Meinung gänzlich an, welche behauptet, dass es in der

WhatsApp-Kommunikation „nicht nur um Informationsaustausch, sondern vor allem

darum [geht], ein virtuelles ‚Kaffeekränzchen’ abzuhalten – und zwar immer und über-

all“ (Hug 2014, 8).

Sobald der Smartphone-Nutzer die Applikation heruntergeladen, installiert und durch

seine Handynummer registriert hat, kann er optional sein Profil einrichten und sofort

mit der Kommunikation starten. Während der neue Nutzer mit der Profileinrichtung

beschäftigt war, hat die App bereits die im Smartphone-Telefonbuch gespeicherten

Kontakte abgerufen und eine Kontaktliste zusammengestellt, die diejenigen Kontakte

auflistet, die über WhatsApp erreichbar sind. Dieses System ermöglicht – im Gegensatz

zum öffentlichen IRC-Chat – also ausschliesslich die Kommunikation mit denjenigen

Personen, die man kennt, deren Handynummer man besitzt und welche die App eben-

falls installiert haben.

Um WhatsApp-Nachrichten verschicken und empfangen zu können, muss – wie bereits

erwähnt – eine Internetverbindung bestehen; andernfalls erfolgt die Zusendung der

Nachrichten erst bei der Wiederaktivierung des Internets. Jedes Mal sobald der Nutzer

die App startet, wird er in all seinen offenen dyadischen Unterhaltungen als ‚online’

angezeigt; im Gruppenchat hingegen entfällt diese Anzeige. Möchte man mit einer

bestimmten Person kommunizieren, wählt man diese aus der Kontaktliste an, woraufhin

sich ein separates Chat-Fenster öffnet. Mit dem Öffnen des Fensters erscheint automa-

tisch die virtuelle Buchstabentastatur des Touchscreens, welche die sofortige Interaktion

ermöglicht. Falls der angeschriebene Empfänger gerade nicht ‚online’ ist – sein Chat-

Fenster also nicht geöffnet ist – und er die Nachricht erst später liest und beantwortet,

spricht man von einer asynchronen Kommunikation über Textnachrichten, wie dies

auch bei der SMS- oder E-Mail-Kommunikation der Fall ist (vgl. Dürscheid/Frick 2014,

177; vgl. Baron 2013, 135). Die einzelnen Beiträge werden in Sprechblasen dargestellt

Page 19: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

18

und mit der Uhrzeit der Veröffentlichung versehen. Wurde die Nachricht erfolgreich an

den Server versendet, erscheint rechts unten neben dem Zeitstempel ein graues Häk-

chen; wurde die Nachricht an das Smartphone des Empfängers zugestellt, erscheint ein

zweites Häkchen, das als Zustellungsbericht fungiert (vgl. Dürscheid/Frick 2014, 167f.).

Seit dem neuesten Update vom 5.11.2014 werden nun die beiden Doppelhäkchen blau

angezeigt, wenn die Mitteilung vom Empfänger gelesen wurde, sodass nun erstmals seit

der Existenz von WhatsApp auch eine Lesebestätigung gegeben wird.38

Die oben beschriebene asynchrone Kommunikation kann aber im Falle, dass der

Empfänger – wie auch der Sender – gerade Zeit zum Schreiben haben und gleichzeitig

online sind, in eine quasi-synchrone Kommunikationsform übergehen, sodass die

Unterhaltung dann eher der Chat- als der SMS-Kommunikation gleicht (vgl. Dür-

scheid/Frick 2014, 167). In diesem Falle nutzen die Beteiligten also die Chat-Funktion

des WhatsApp, die sich von der einfachen Textnachrichten-Funktion der Anwendung

darin unterscheidet, dass die einzelnen Äusserungen der Gesprächsteilnehmer bei

beiderseits geöffneten Chat-Fenstern „in minimal zerdehnter Abfolge“ auf den Geräten

der Beteiligten in der Chronologie der Veröffentlichung erscheinen und vom Gegenüber

so schnell wie möglich beantwortet werden (Dürscheid/Frick 2014, 167; vgl. Baron

2013, 135). In diesem Fall sieht der eine nicht nur, dass der andere gerade ‚online’ ist39

– was seine Bereitschaft zum Chatten impliziert –, sondern auch, wenn er gerade mit

dem Verfassen einer Antwort beschäftigt ist: dabei taucht in der Statuszeile der Hinweis

‚A. schreibt…’ auf (vgl. Dürscheid/Frick 2014, 167). Da der Empfänger die Produktion

der Zeichen seines Gesprächspartners aber nicht eins zu eins mitverfolgen kann, son-

dern erst in das veröffentlichte Endprodukt Einblick erhält, gilt die Synchronie also „nur

turnweise, nicht zeichenweise“ und wird deshalb als Quasi-Synchronität bezeichnet

(Dürscheid 2003, 38).40

Zur kreativeren Ausgestaltung der Textnachrichten wird zudem eine grosse Auswahl an

diversen Emojis und Piktogrammen angeboten, die auf der virtuellen Tastatur gleich

links neben der Eingabezeile über eine Schaltfläche ausgewählt werden können. Durch

38 Vgl. Netlink 9, unter der Sparte ‚FAQ’ <02.06.2014>. 39 Sollte der Kontakt offline gehen, die Anwendung also schliessen, erscheinen in der Statusleiste – falls die Person nicht ihren Online-Status verborgen hat – Angaben dazu, wann sie zuletzt online gewesen ist, also die App genutzt hat; dies wird folgendermassen kenntlich gemacht: ‚zul. online [Datum und Uhrzeit]’. 40 Eine vollkommen synchrone Kommunikation findet ausschliesslich in der direkten Face-to-Face-Kommunikation und derjenigen über Telefonie statt.

Page 20: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

19

einen Klick auf die mit einem Smiley41 gekennzeichnete Schaltfläche öffnet sich eine

separate Emoji-Tastatur, welche alle Zeichen in unterschiedlichen Kategorien unterteilt,

wie auch die meistgenutzten unter einer eigenen Sparte darstellt (vgl. Dürscheid/Frick

2014, 166; vgl. Hug 2014, 4). Neben schriftbasierten Beiträgen werden aber auch oft

Bilder, Links zu sozialen Netzwerken (z. B. Facebook) und Internetseiten, Tonaufnah-

men und Videos mit nur wenigen Klicks als Mitteilungen weitergeleitet.

Neben der Möglichkeit, einfache Textnachrichten zu verschicken, besteht in WhatsApp,

wie bereits erwähnt, die Option, Sprachnachrichten von unbeschränkter Dauer zu

senden. Dazu braucht der Sender nur das Mikrofon-Symbol, gleich neben der

Texteingabezeile, während seiner Sprachaufnahme konstant gedrückt zu halten; nach

dem Loslassen wird die Sprachnachricht automatisch versendet (vgl. Dürscheid/Frick

2014, 166). Obwohl diese neue Kommunikationsform zur CVK gehört, unterscheidet

sie sich nicht nur von der schriftbasierten, sondern auch von der mündlichen

Kommunikation (z. B. über das Telefon oder die Internet-Telefonie). Während beim

Telefonieren mehrheitlich in einem stetigen Redefluss gesprochen wird und der

Sprecher gelegentlich durch das ins Wort fallende Gegenüber unterbrochen werden

kann, ist dies ist beim Austausch von Sprachnachrichten auf WhatsApp nicht der Fall;

hier kann der Gesprächspartner den Sender bei seiner Sprachaufnahme nicht

unterbrechen.

Ein wesentliches Merkmal der WhatsApp-Kommunikation ist, wie bereits erwähnt, der

Gruppenchat, der es den Gesprächsteilnehmern ermöglicht, ihre Nachrichten, Fotos und

Videos in einem einzigen Chat-Fenster durch einmaliges Versenden an mehrere

Adressaten zu richten, sodass sie für alle mitverfolgbar sind (vgl. Dürscheid/Frick 2014,

176f.). Hierbei können verschiedene Arten von Gruppen, wie „cliquen- oder familienin-

terne Gruppen“ – wie es der untersuchte WhatsApp-Chat ‚Girls’ ist – oder solche, die

„die Mitglieder eines Vereins“ umfassen, entstehen und einem bestimmten Zweck die-

nen (Dürscheid/Frick 2014, 176).42 Die Anwendung wird im Mehrparteiengespräch auf

dieselbe Art genutzt wie beim Nachrichtenaustausch zwischen zwei Parteien, denn auch

hier kommen asynchrone und quasi-synchrone Kommunikationsformen zustande, die

von der einen in die andere übergehen können.

41 Bei Android-gängigen Smartphones ist es ein Smiley-, bei iPhones ein Erdball-Symbol. 42 Im Gespräch mit einem Schweizer Polizisten erfuhr ich zudem, dass es durchaus auch in diesem Beruf vorkommt, dass die Mitarbeiter einen Gruppenchat zum Austausch über aktuelle Fahndungen nach Kriminellen pflegen; WhatsApp wird also auch rege zur formellen Kommunikation im professionellen Rahmen genutzt.

Page 21: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

20

2.3. Kommunikationsstil und Orthographie auf WhatsApp

In diesem Kapitel steht der Kommunikationsstil und Aspekte der Orthographie auf

WhatsApp im Zentrum, wobei unter anderem auf die Faktoren Nachrichtenlänge,

Überlappungen, Gesprächsorganisation, Tippfehler, Gross- und Kleinschreibung und

Interpunktion eingegangen werden soll. Bevor jedoch die Eigenheiten dieser

Kommunikation ins Zentrum gerückt werden, sollen zunächst die von Koch und

Oesterreicher geprägten Begriffe der konzeptionellen Mündlichkeit und der medialen

Schriftlichkeit aufgegriffen und in den Kontext eingebettet werden.

Bei der CVK in WhatsApp handelt es sich fast immer um informelle private

Unterhaltungen unter Freunden, Bekannten und Familienangehörigen, mit welchen man

sich auch in der Face-to-Face-Kommunikation nicht in formeller, gehobener Sprache

unterhält. Nach dem in der Linguistik bekannten und oft zitierten Modell von

Koch/Oesterreicher (1994) handelt es sich bei der Face-to-Face-Kommunikation unter

Freunden um eine sowohl konzeptionell als auch medial mündliche Unterhaltungsform.

Auf die schriftbasierten Kommunikationsformen des WhatsApp (Textnachrichten und

Chat) angewandt, spricht man hier aufgrund der darin gewählten Ausdrucksweise – die

sich an die Mündlichkeit der direkten Kommunikation anlehnt – von einer

konzeptionellen Mündlichkeit und einer medialen Schriftlichkeit, da die Kommunika-

tion graphisch realisiert wird (vgl. Schnitzer 2012, 70; vgl. Siebenhaar 2006b, 3; vgl.

Dürscheid/Wagner/Brommer 2010, 52). In einer späteren Publikation heben

Koch/Oesterreicher zudem die Kommunikationsform Chat als „eines der schönsten Bei-

spiele dafür“ hervor, „dass im graphischen Medium eine relative, natürlich immer limi-

tierte Annäherung an dialogische spontane Nähesprachlichkeit möglich

ist“ (Koch/Oesterreicher 2007, 359; vgl. Dürscheid/Wagner/Brommer 2010, 41).

Doch wodurch zeichnet sich diese Nähesprachlichkeit in der CVK genau aus und wel-

chen Kommunikationsstil findet man in der CVK über WhatsApp auf?

Wie Dürscheid/Wagner/Brommer festgestellt haben, „gleichen sich die Schreibphäno-

mene in den verschiedenen Kommunikationsformen“, SMS, E-Mail, Chat, Instant

Messaging (IM) und den sozialen Netzwerken (Dürscheid/Wagner/Brommer 2010, 128).

Ergänzend wäre hierzu nun auch die neue Kommunikationsplattform WhatsApp –

welche ebenfalls ein (mobiler) Instant Messenger ist – dazuzuzählen, die mit den

obengenannten Kommunikationsformen denselben Kommunikationsstil gemein hat.

Page 22: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

21

Diesen durch gewisse Schreibphänomene zustande kommenden Kommunikationsstil

bezeichnen sie passend als ‚Freizeitstil’ von Jugendlichen43 (vgl. Dürscheid/ Wagner/

Brommer 2010, 128).44 Damit ist „primär ein dialektales, konzeptionell mündliches

Schreiben, das durch jugendsprachliche Elemente überlagert wird und Merkmale wie z.

B. Inflektive aufweist“, gemeint (Dürscheid/Wagner/Brommer 2010, 141). Dieser

Freizeitstil kann in der schriftbasierten CVK zusammengefasst folgende sprachliche

Phänomene umfassen: (übermässige) Benutzung von Emojis/Emoticons 45 ,

Abkürzungen 46 , Akronymen 47 , Buchstabentilgungen 48 und -wiederholungen 49 ,

Inflektive50, comicsprachliche Ausdrücke51, die bevorzugte durchgehende Klein-52 oder

Grossschreibung53, eine vernachlässigte Interpunktion, die Tendenz zum elliptischen

Schreiben und eher kurzen Beiträgen sowie zu Anglizismen 54 , szenesprachlichen

Wörtern55, kreativen Neologismen, Sprachspielen56 und Code-Switching57.

Fast alle dieser sprachlichen Phänomene wurden auch im WhatsApp-Korpus der

Urheberin ermittelt. Trotz dem grossen Interesse für all diese sprachlichen

Auffälligkeiten kann die Autorin der vorliegenden Arbeit – die sich auf

Sprachmischungsphänomene fokussiert – leider nicht auf alle CVK-spezifischen

sprachlichen Phänomene dieses Freizeitstils eingehen. Daher soll in den folgenden

Unterkapiteln lediglich ein Einblick in die Nachrichtenlänge, Tippfehler, Gross- und

Kleinschreibung, Interpunktion, Überlappungen und die Gesprächsorganisation in

WhatsApp gegeben werden.

43 Dies gilt meines Erachtens nicht nur für Schüler – deren Schreibverhalten in diesem Projekt untersucht wurde –, sondern auch für junge Erwachsene, so wie es in meinem Freundeskreis beobachtet wurde. 44 „Insgesamt unterscheiden sich die sprachlichen Charakteristika in den Freizeittexten kaum; die Kommunikationsform scheint, mit Ausnahme der E-Mail, nur einen geringen Einfluss auf die gewählten Ausdrucksmittel zu haben. Sie beeinflusst allenfalls die typographische Gestaltung der Texte (z. B. im Hinblick auf die verwendeten Emoticons)“ (Dürscheid/Wagner/Brommer 2010, 141). 45 Wie :-) , :-D , :-( , :-p und die piktoral realisierten Emojis in WhatsApp und Facebook. 46 Wie bh für Bahnhof oder geburi für Geburtstag; aus meinem Korpus. 47 Wie c u (‚see you’); aus meinem Korpus. 48 Wie „sry, nd, abr“ (Dürscheid/Wagner/Brommer 2010, 135). 49 Zur Emphase, wie in laufe tuet sooo weh; aus meinem Korpus. 50 Wie *rotwerd*; aus meinem Korpus. 51 Wie jap, jup, jep; aus meinem Korpus. 52 Wie was macheter?; aus meinem Korpus. 53 Wie „NEEEEEI, FOUL!!!!!!!!“ (Dürscheid/Wagner/Brommer 2010, 134). 54 Wie cool oder easy;aus meinem Korpus. 55 Wie „z. B. Flow, Battle“ (Dürscheid 2010, 21). 56 Z. B. „Englische Wörter in phonetischer Schreibung: kuli sach“ (Dürscheid/Wagner/Brommer 2010, 130. 57 Wie „Hat es geklappt avec die arbeit?“ (Dürscheid/Wagner/Brommer 2010, 131), oder Vazi, bis gleich! (‚Abgemacht, bis gleich!’); aus meinem Korpus.

Page 23: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

22

2.3.1 Nachrichtenlänge

Da WhatsApp, wie bereits erwähnt, im Gegensatz zur SMS keine Zeichenbeschränkung

aufweist, wäre zunächst zu erwarten, dass auch die einzelnen WhatsApp-Nachrichten

eine grössere Länge aufweisen. Schnitzer beispielsweise untersuchte in ihrem Exkurs zu

WhatsApp auch die Durchschnittslänge der Turns ihres aus 358 Beiträgen bestehenden

Korpus (vgl. Schnitzer 2012, 197). Im WhatsApp-Gesamtkorpus der Autorin der

vorliegenden Arbeit – der insgesamt 20'288 Turns umfasst – variierte die

Nachrichtenlänge aufgrund der Themenwahl jedoch jeweils so stark und umfasste in

sehr vielen Turns um einiges mehr als 160 Zeichen, dass entschieden wurde, die

Durchschnittslänge nicht zu berechnen. Die relativ langen WhatsApp-Beiträge könnten

meines Erachtens auch mit den persönlichen Vorlieben, Schreibstrategien und dem

Alter – damals alle zwischen 25 und 28 Jahre alt – zusammenhängen. Bei der

familieninternen WhatsApp-Gruppenchat-Kommunikation mit den beiden jüngeren

Geschwistern – damals 16 und 19 Jahre alt – wurde nämlich beobachtet, dass ihre Turns

im Verhältnis immer kürzer waren als diejenigen der Autorin. Diese kurze

Nachrichtenlänge hängt jedoch auch stark mit dem Chat-Charakter der WhatsApp-

Unterhaltungen zusammen (vgl. Schnitzer 2012, 197). Wie im letzten Kapitel bereits

berichtet, befinden sich in einer Chat-Situation beide Kommunikationspartner vor dem

gleichzeitig geöffneten Chat-Fenster, sodass auch der Kommunikationskanal in beide

Richtungen offen steht. Dies hat zur Folge, dass der Interaktivitätsgrad durch den

ständigen und sekundenschnellen Nachrichtenaustausch steigt und sich deshalb in äus-

serst kurzen Beiträgen in der quasi-synchronen Kommunikation äussert (vgl. Dür-

scheid/Frick 2014, 170; vgl. Hug 2014, 22). Genau wie Schnitzer kam auch Hug zum

Schluss, dass in Situationen, in denen weniger Zeitdruck herrschte, die einzelnen Turns

eine höhere Länge aufwiesen (vgl. Schnitzer 2012, 198; vgl. Hug 2014, 22). Diese

Beobachtung liess sich ebenfalls in meinem Korpus machen, wobei hinzuzufügen ist,

dass sowohl in der quasi- als auch in der asynchronen WhatsApp-Kommunikation Kür-

zest-Beiträge aufzufinden sind.

In Situationen des Zeit- und Produktionsdrucks hingegen lässt sich oft eine rasche

Versendung mehrerer kurzer Turns desselben Produzenten hintereinander beobachten,

was im herkömmlichen IRC- oder IM-Chat mit dem Terminus „chunking“ bezeichnet

wird; dieser Fachbegriff kann meines Erachtens auch für den WhatsApp-Chat benutzt

werden kann (vgl. Hug 2014, 23). Der Vorteil dieser Produktionsmethode ist, dass

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23

dadurch keine langen Wartezeiten für die übrigen Rezipienten (beispielsweise eines

Gruppenchats) entstehen (vgl. Hug 2014, 25). Daraus resultiert nicht nur eine höhere

Quasi-Synchronie, sondern auch eine höhere Kohärenz, da der Produzent auf diese

Weise seltener von seinen Gesprächspartnern durch Einwürfe, Kommentare und

Themenwechsel unterbrochen wird. Andererseits kann es auch in solchen Situationen

vorkommen, dass andere Teilnehmer eines Gruppenchats, ohne abzuwarten, auf einen

(Teil-)Beitrag des Produzenten eingehen, woraufhin Inkohärenzen und Überlappungen

entstehen können, auf welche im anschliessenden Kapitel näher eingegangen wird.

2.3.2 Überlappungen und Gesprächsorganisation

In quasi-synchronen Chat-Situationen, in denen ein äusserst schneller Nachrichtenaus-

tausch zwischen Gesprächspartnern stattfindet, kann es durchaus auch vorkommen, dass

nicht nur die Teilnehmer eines Gruppenchats, sondern auch solche eines Zwei-Parteien-

Chats, ihre Mitteilungen simultan verfassen, „was zu Überlappungen und Inkohärenzen

im Textverlauf führen kann“; dies äussert sich dann oft darin, dass aufeinander bezo-

gene kommunikative Akte nicht immer aufeinanderfolgend dargestellt werden (Dür-

scheid/Frick 2014, 170). Dies ist jedoch nicht nur auf das hohe Kommunikationstempo,

sondern auch auf die „technologisch geregelte Sequenzierung“ der Nachrichten

zurückzuführen (Hug 2014, 5). Die einzelnen Mitteilungen werden nämlich der

Chronologie ihrer Ankunft in den WhatsApp-Server nach angeordnet und auch in dieser

Reihenfolge auf den Bildschirmen der Nutzer aufgelistet. Daher erscheint der Beitrag

des Nutzers, der seinen Text um wenige Sekunden schneller verschickt, als erster im

Chat-Fenster.

Der dadurch entstehende Reaktionsdruck ist in Gruppen-Chats mit mehreren Teilneh-

mern daher noch grösser als in dyadischen Kommunikationssituationen, sodass jeder

seinen Beitrag möglichst schnell veröffentlichen möchte, um der Kohärenz des aktuel-

len Gesprächsthemas gerecht zu werden, bevor das Thema gewechselt wird (vgl. Dür-

scheid/Frick 2014, 171; vgl. Hug 2014, 23). Sollte in der Zwischenzeit bereits ein neuer

thematischer Strang eröffnet worden sein, stellt dies im Gegensatz zur mündlichen

Kommunikation jedoch kein Problem dar: Alle kommunikativen Akte werden im Chat-

Verlauf gespeichert und somit besteht jederzeit die Möglichkeit, an die entsprechende

Stelle der Konversation zurückzuscrollen und die Beiträge nachzulesen, um bei allfällig

offengebliebenen Fragen und Inkohärenzen den Sinnzusammenhang wiederherzustellen

Page 25: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

24

(vgl. Hug 2014, 15). Dennoch verliert eine zeitlich weit zurückliegende Mitteilung mit

zunehmender Gruppengrösse schnell seinen Reiz, sodass das neu angeschnittene Thema

eher bevorzugt wird (vgl. Hug 2014, 23). Andererseits können bei weiterem Festhalten

an einem Gegenstand auch Parallelgespräche zwischen einigen Gruppenteilnehmern

entstehen, sodass von einigen Gruppenmitgliedern noch über das vorherige Thema

geschrieben wird, während andere bereits das nächste behandeln (vgl. Hug 2014, 19).

Die Gesprächsorganisation in WhatsApp kann auf den ersten Blick ziemlich ungeordnet

erscheinen, da in der schriftbasierten Kommunikation keine Regeln des Rederechts gel-

ten, welche in der mündlichen Kommunikation für das Verständnis hingegen unentbehr-

lich sind. Während in der mündlichen Kommunikation (im besten Fall) also nur ein

Konversationspartner spricht, gilt in der schriftlichen Kommunikation „ein gleichzeiti-

ges Rederecht für alle“ (Storrer 2001, 12; vgl. Hug 2014, 21-22). Bei genauerer

Betrachtung eines Gruppenchats wird aber dennoch eine bestimmte Struktur sichtbar,

die sich durch die ständige Bezugnahme der Teilnehmer aufeinander durch explizite

Anrede eines Adressaten mit Namen oder durch lexikalische Wiederaufnahmen

(Retraktionen) ergibt (vgl. Hug 2014, 12). Die ständige Bezugnahme der Teilnehmer

aufeinander durch namentliche Anreden ist in WhatsApp-Gruppenchats unerlässlich, da

Missverständnisse entstehen können, wenn die einzelnen Gesprächspartner nicht wissen,

wer gerade angesprochen wird (vgl. Hug 2014, 18).

2.3.3 Tippfehler, Gross- und Kleinschreibung und Interpunktion

Durch die hohe Kommunikationsgeschwindigkeit in quasi-synchronen Chat-Situationen

und die nahe nebeneinander liegenden Buchstaben auf der Smartphone-Tastatur kommt

es aufgrund „typische[m] Danebengreifen“ durchaus oft zu Flüchtigkeits- oder Tippfeh-

lern, welche nicht „auf mangelnde Rechtschreibungskenntnisse“ zurückzuführen sind

(Dürscheid/Wagner/Brommer 2010, 76). Dies äussert sich in sowohl falsch angetippten,

wie auch „fehlende[n] oder überflüssigen Buchstabe[n]“ (Schnitzer 2012, 200; vgl. Dür-

scheid/Frick 2014, 171); dies lässt sich auch in meinem WhatsApp-Korpus feststellen.

Schnitzer bemerkt zudem, dass es bei ihren Beispielen sehr selten zu Selbstkorrekturen

und Nachfragen des Gegenübers komme (vgl. Schnitzer 2012, 200), was damit

zusammenhängt, dass der Gesprächspartner durch einen Blick auf die eigene Tastatur

oft die Art des Tippfehlers erkennen und den Kontext dadurch wieder selbst

rekonstruieren kann. Auch in meinem Korpus wurden zwar Selbstkorrekturen gefunden,

Page 26: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

25

jedoch verhältnismässig wenige, da sich die Gesprächspartnerinnen in quasi-synchronen

Chat-Situationen selten die Zeit für Korrekturen nahmen. Nicht verbesserte Tipp- und

Flüchtigkeitsfehler können in wenigen Fällen aber auch zu Verständnisproblemen füh-

ren, welche vom Sender nachträglich erklärt werden müssen.

Schnitzer untersuchte ein standarddeutsches Korpus, in dem auch Fehler aufgrund der

eingestellten Worterkennung und Autokorrektur von Smartphones ausgelöst wurden

(vgl. Schnitzer 2012, 201). Im Falle meiner Daten sind solche Fehler jedoch undenkbar,

da zu diesem Zeitpunkt weder die Worterkennung noch eine schweizerdeutsche

Autokorrektur auf Smartphones – wie auch auf herkömmlichen Handys – verfügbar

war58 und deshalb somit auch keine der Chat-Teilnehmerinnen die Worterkennung und

Autokorrektur aktiviert haben konnte (vgl. Dürscheid/Stark 2013, 198).

Neben Tipp- und Flüchtigkeitsfehlern lassen sich in der Mehrzahl der WhatsApp-

Nachrichten – wie bei den SMS – zudem Normabweichungen von Interpunktions-,

Gross- und Kleinschreibungsregeln beobachten (vgl. Dürscheid/Frick 2014, 171; vgl.

Schnitzer 2012, 199; vgl. Dürscheid/Stark 2013, 190): Bezüglich der Interpunktion ist

in meinem Korpus folgendes zu beobachten: Bei Deklarativsätzen fehlt sehr oft der

Punkt, da ein Beitrag mit seiner Veröffentlichung meist sowieso als beendet angesehen

wird. Zudem wurde festgestellt, dass sehr häufig Emojis an Satzgrenzen

aufeinanderfolgender Deklarativ- und Exklamativsätze eingefügt wurden, sodass sie

beinahe schon eine satztrennende oder -beendende Funktion übernahmen. 59

Interrogativsätze enthalten in den meisten Fällen ein Fragezeichen, doch auch hier kom-

men Abweichungen von der Norm vor, sodass bei sehr hohem Kommunikationstempo

die Setzung eines Fragezeichens manchmal vergessen oder durch einen Punkt ersetzt

wird, was zu Interpretationsproblemen führen kann. Bei Imperativsätzen wird das

Ausrufezeichen weniger häufig aufgefunden als bei Exklamativsätzen und die

Kommasetzung wird weitgehend vernachlässigt. Snežana setzte im Vergleich mit den

beiden anderen Gesprächsteilnehmerinnen die wenigsten Kommata, sodass einige ihrer

Beiträge manchmal einer zweiten Lektüre bedurften, um die Satzgrenzen und somit den

intendierten Sinn der Aussage zu erkennen. Doch auch sehr viele Turns von Dragana

und mir wiesen eine mangelhafte Kommasetzung auf, was bei allen Chatterinnen ledig-

58 Dies hängt auch mit der Tatsache zusammen, dass das Schweizerdeutsche keine normierte Orthographie aufweist. 59 Zudem werden „Emojis […] meist, wie Smileys auf früheren Mobiltelefonen, als Kommentare verwendet. Sie dienen also in der Regel nicht dazu, Wörter durch Bilder zu ersetzen“ (Netlink 22, Seite 5 <13.11.2014>).

Page 27: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

26

lich auf Zeiteinsparung zurückzuführen ist. Doch in den vielen Jahren der Freundschaft

und der WhatsApp-Kommunikation wurde dies niemals als etwas Störendes empfunden,

da fehlende Satzzeichen in der Regel keine grossen Verständnisprobleme verursachen.

Zur Interpunktion lässt sich also zusammenfassend sagen, dass zwar enorm viele

Normabweichungen festzustellen sind, ihr von den Gesprächsteilnehmern aber eine eher

untergeordnete Rolle beigemessen wird.

Was die Gross- und Kleinschreibung betrifft, wurde bei den Turns aller Chat-

Teilnehmerinnen die Tendenz zur Kleinschreibung festgestellt, wie sie auch schon in

früheren Studien zur SMS- oder Chat-Kommunikation bemerkt wurde. Dennoch kann

man nicht in allen Fällen von einer absolut konsequenten Kleinschreibung sprechen.

Die Chat-Teilnehmerinnen intendierten zwar niemals bestimmte Wörter, gross zu

schreiben, die Technik hingegen schon: Durch eine optionale Voreinstellung aktiviert

das Smartphone nämlich automatisch nach einem Punkt, Frage- oder Ausrufezeichen

(gefolgt von einem Leerzeichen) die Grossschreibung, sodass im untersuchten Korpus

einzig in solchen satzinitialen Fällen von korrekter Grossschreibung die Rede ist.

Meines Erachtens ist das ‚normwidrige’ Schreiben jedoch eher auf das hohe

Kommunikationstempo als auf mangelnde Orthographie- und Interpunktionskenntnisse

zurückzuführen, da es sich im vorliegenden Fall, um junge Frauen mit abgeschlossener

Matura handelt. Durch die jahrelange Kommunikation, zuerst über SMS, IM und nun

über WhatsApp, hat sich bei allen Chat-Teilnehmerinnen eine Tendenz zur

durchgehenden Kleinschreibung entwickelt. Dies ist meines Erachtens auf mehrere

Faktoren zurückzuführen: Erstens fühlt man sich bei der schriftlichen Kommunikation

innerhalb des Freundeskreises nicht dazu gezwungen in normiertem Standarddeutsch

mit geregelter Interpunktion, Gross- und Kleinschreibung zu schreiben, da es sich um

informelle Gespräche unter Ebenbürtigen handelt. Dies kann zudem dadurch verstärkt

werden, dass das Gegenüber ebenfalls auf eine korrekte Gross- und Kleinschreibung

verzichtet und somit einen indirekten Einfluss auf die Schreibgewohnheiten seines

Gesprächspartners ausübt. Zweitens ist die durchgehende Kleinschreibung, wie auch der

(gelegentliche) Verzicht auf Satzzeichen, mit hohen Zeiteinsparungen verbunden, da

keine zusätzlichen Tasten getippt werden müssen (vgl. Dürscheid/Frick 2014, 171). Und

drittens setzten der ‚Freizeitstil’ und diese von der Norm abweichenden Schreibweisen

bereits mit alten schriftlichen Kommunikationsformen, wie z. B. der SMS-

Kommunikation ein, bis sie zur Konvention in informeller CVK wurden und aus

Page 28: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

27

Gewohnheit von den Schreibern nun auch in der neuen Kommunikationsplattform

WhatsApp weitergeführt werden (vgl. Brommer/Dürscheid 2012, 287).

3. Korpus und Methode

Nach der Herausbildung der Idee, meine Masterarbeit über serbisch-schweizerdeutsches

Code-Switching in der WhatsApp-Kommunikation zu schreiben, entschied ich mich,

eigenes Nachrichtenmaterial zu benutzen, da dadurch der jeweiligen Kontext der

Sprachmischungen in bestimmten Gesprächssequenzen mitberücksichtigt werden

konnte. Im Falle einer aufwändigeren Sammlung fremder WhatsApp-Nachrichten hätte

der Kontext wahrscheinlich oft gefehlt, da Wenige bereit sind, ihre meist intimen

WhatsApp-Chats gänzlich mit fremden Personen zu teilen. Daher fragte die Autorin ihre

Freundinnen Dragana und Snežana, ob sie damit einverstanden seien, wenn sie den

gemeinsamen sprachmischungsreichen WhatsApp-Gruppenchat ‚Girls’ für die

Erhebung der Daten nutzen würde. Sie stimmten der Bitte – unter der Bedingung, ihre

Namen zu anonymisieren – ohne Zögern zu, sodass ich mir unseren Chat-Verlauf

lediglich per E-Mail zuschicken musste. Da ich jedoch nicht mehr dasselbe Smartphone,

wie damals zur Zeit der Gründung unseres Gruppenchats besass, hatte ich nicht mehr

auf den gesamten Chat-Verlauf Zugriff.

Um an die Daten in einer kompakteren Form als auf dem Smartphone zu gelangen, bat

ich schliesslich Snežana – die unseren Chat noch seit seiner Gründung auf demselben

Smartphone besass –, mir den Verlauf unseres Chats per E-Mail zuzuschicken. Die Da-

tei liess sich nach dem Download jedoch lediglich mit wenigen Anwendungen, wie

Microsoft Word und dem Microsoft Editor, öffnen und zeigte aufgrund der Kodierung

leider keine der typischen WhatsApp-Emojis an; stattdessen befanden sich an deren

Stelle Quadrate ( ) und chinesische Zeichen (wie ). Daher konnte in der vorliegen-

den Arbeit keine Untersuchung der Kommunikation über Emojis gemacht werden.

Doch aufgrund der sich stetig verbessernden Technik werden in naher Zukunft be-

stimmt viele andere Studien darüber veröffentlicht werden.

Wie bereits erwähnt, wurden die Namen bestimmter Firmen, Städte und der am Chat

beteiligten oder darin genannten Personen anonymisiert; ausgenommen meiner Person,

da dies aufgrund meiner Charakterisierung im Kapitel 5.1.3 und einiger meiner

Nachrichten ohnehin transparent wird. Die Nachrichten wurden mit der originalen

Page 29: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

28

Orthographie und Interpunktion wiedergegeben; lediglich die verfremdeten Emojis wur-

den gelöscht.

Zur Zusammenstellung meines WhatsApp-Korpus wurden die Ausgangsdaten, beste-

hend aus 25'264 Nachrichten (Turns) des WhatsApp-Chats ‚Girls’, die innerhalb eines

Jahres (vom 23.06.2011 – 23.06.2012) zwischen den Teilnehmerinnen ausgetauscht

wurden, nach allen Sprachmischungsarten und weiteren schriftlichen Auffälligkeiten,

wie z. B. der Benutzung serbischer Diakritika und des kyrillischen Alphabets, durch-

sucht.60 Während der Sichtung und der Analyse der einzelnen Nachrichten wurden alle

Turns, die ausschliesslich Emojis (ohne zusätzlichen Text) enthielten und bestimmte

Gesprächssequenzen, welche die Chatteilnehmerinnen als zu intim ansahen, ausgelassen

(4'976 Turns ≈ 19,7% aller Turns), obwohl auch diese viele Sprachmischungen enthiel-

ten. Nach der Entfernung aller dieser Sequenzen bot sich mir ein Gesamtkorpus von

20'288 Turns dar, der für die Analyse genutzt werden konnte. Des Weiteren umfasst das

Sprachmischungs-Subkorpus, welches die totale Anzahl an Nachrichten, die

Sprachmischungen aller Art und weitere schriftliche Besonderheiten umfassen, 2’124

Turns; somit ergab sich, dass ca. 10,47% aller unserer in diesem Jahr ausgetauschten

Nachrichten Sprachmischungen enthielten. Neben dem Schweizerdeutschen und Serbi-

schen tauchten auch folgende Varietäten auf, die hierauf nach abnehmenden Frequenz

geordnet sind: Englisch, Standarddeutsch, Kroatisch, Französisch, Bosnisch und Spa-

nisch. Der Fokus dieser Arbeit liegt aber vor allem auf den Turns, die Sprachmischun-

gen zwischen Schweizerdeutsch und Serbisch enthielten, wobei auch einige – jedoch

nicht alle – fremdsprachige Switches des Gesamtkorpus berücksichtigt wurden; würde

man jedoch auch explizit alle fremdsprachigen Einschübe dazuzählen, wäre der

Prozentanteil aller Sprachmischungen im Korpus um einiges höher. Die totale Anzahl

monolingual schweizerdeutscher, serbischer oder fremdsprachiger Nachrichten wurde

nicht festgehalten, da in dieser Arbeit der Fokus mehr auf die qualitative Analyse

bilingualer Turns gelegt wird.

Die einzelnen Turns, die Sprachmischungen enthielten, inventarisierte ich sukzessive in

separaten Exceldokumenten, die ich nach den jeweiligen Sprachmischungstypen

benannte, sodass ich also gleich während der ersten Sichtung des

Sprachmischungskorpus Subkorpora bilden konnte. Dabei wurden auch weitere

60 Dieser Zeitraum wurde gewählt, da ich zu dieser Zeit noch nicht wusste, dass ich meine Masterarbeit über Code-Switching schreiben würde, sodass die Konversationen dieser Zeitspanne mit Sicherheit natürliche, unbeeinflusste Sprachmischungen enthalten.

Page 30: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

29

Exceldokumente für die Benutzung diakritischer Zeichen und des kyrillischen Alpha-

bets angelegt.61 Das methodische Vorgehen mit Excel erlaubte mir den Überblick über

die totale Anzahl Turns in den einzelnen Subkorpora. Eine Hürde stellten Turns dar, die

nicht nur inter-, sondern auch intra- und extrasentenzielle Switches – sei es insertionaler

oder alternationaler Art – enthielten, sodass dieselben Nachrichten in mehrere Doku-

mente (d.h. Subkorpora) kopiert werden mussten. Für meine Arbeit habe ich – inspiriert

durch Siebenhaar (2005, 2006a) – eine Kombination aus qualitativem und quantitativem

methodischen Ansatz gewählt, um die einzelnen Sprachmischungsphänomene in

schriftbasierter CVK in ihrer gesamten Diversität darzustellen und Thesen über deren

Gewicht machen zu können. Nach der abgeschlossenen Inventarisierung konnte ich

während der anschliessenden quantitativen Untersuchung die Häufigkeit der

verschiedenen Sprachmischungsarten und der diskursstrategischen Funktionen der

einzelnen Switches bestimmen, und im Rahmen der qualitativen Analyse die

Beschaffenheit der Sprachmischungsarten und ihrer einzelnen kommunikativen

Funktionen in den jeweiligen Gesprächssequenzen näher untersuchen.

Von Vorteil war – im Vergleich zu Forschungsarbeiten über mündliches Code-Swit-

ching – hierbei erstens, dass das Ausgangsmaterial aufgrund des Mediums bereits in

verschrifteter Form existierte, also nicht zuerst transkribiert werden musste und somit

einfach in die Arbeit zu integrieren war. Ein zweiter Vorteil war in meinem Fall – im

Gegensatz zu vielen anderen Forschungsarbeiten –, dass ich die Chatteilnehmerinnen

sehr gut kenne und es sich um einen ganzen originalen Chat-Verlauf handelt, auf wel-

chen ich jederzeit zurückgreifen konnte, falls sich mir der Kontext einer bestimmten

Nachricht nicht gleich auf Anhieb eröffnete. Somit konnte ich stets die vorangehenden

und nachfolgenden Turns der momentan untersuchten Nachricht mitberücksichtigen,

was mir also eine sequenzielle Analyse erlaubte, die Bestimmung der Funktionen der

einzelnen Code-Switches erleichterte sowie die Bestimmung der Matrixsprache62 des

Chats ermöglichte; auch Peter Auer betont immer wieder, dass der sequenzielle Kontext

von hoher Wichtigkeit für die korrekte Bestimmung der Funktion und der Bedeutung

eines Switches ist (vgl. Auer 1986, 120; vgl. ders. 1995, 116; vgl. ders. 1998, 4; vgl.

ders. 1999, 311). Im Rahmen vieler anderer Forschungen hingegen, bestand das Korpus 61 Eine Übersicht über die gebildeten Subkorpora befindet sich in der Tabelle 1 im Anhang. 62 Der Begriff der ‚Matrixsprache’ wurde von Myers-Scotton (1993) im Rahmen des ‚Matrix Language Frame Model’ etabliert, um die dominantere Basissprache in der Bilinguale sich unterhalten, von der eingebetteten Zweitsprache, die sich durch weniger Worte in einer Äusserung bemerkbar macht, zu unterscheiden. Die Sprache, die sich durch weniger Morpheme in einer Äusserung auszeichnet, ist folglich die eingebettete Sprache.

Page 31: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

30

aus isoliert gesammelten Nachrichten (SMS), welche nur für sich allein und ohne

sequenziellen Kontext untersucht werden konnten (vgl. Pekarek-Doehler 2011; vgl.

Cougnon 2011, u.a.).

Von Nachteil hingegen ist, dass ich somit nur die Sprachmischungen eines kleinen Krei-

ses von Chatterinnen untersuchen konnte und diese Daten somit (wahrscheinlich) nicht

als allgemeingültig innerhalb der serbisch-schweizerdeutschen Sprachgemeinschaft zu

betrachten sind. Ein weiterer Nachteil besteht darin, dass man, im Gegensatz zu

aufgenommenen mündlichen Äusserungen, auf schriftlicher Ebene – sei es nun beim

Analysieren von SMS oder WhatsApp-Turns – die produzierten Nachrichten erst post

hoc, also erst nach dem Veröffentlichungsprozess analysieren kann. Somit stehen dem

Linguisten bestimmte Stellen, an denen der Schreibende beispielsweise bei einer

bestimmten Formulierung zögert oder sie in der anderen Sprache umformuliert, nicht

zur Verfügung; solche Situationen kommen zwar sicherlich auch beim Schreiben von

WhatsApp-Nachrichten vor, müssten jedoch während der Produktion mit einer Kamera

gefilmt werden, um in linguistischen Forschungsarbeiten weiter untersucht werden zu

können (vgl. Pekarek-Doehler 2011).

4. Sprachmischungen bei Bilingualen

Da es in diesem Kapitel um Sprachmischungen bei Bilingualen gehen wird, sollen diese

beiden Begriffe in einem ersten Schritt näher umschrieben werden.

Unter einem Bilingualen versteht man ein Individuum, das durch den simultanen

„natürlichen Erwerb (d. h. ohne formalen Unterricht)“ zwei Sprachen erlernt hat und

diese als seine Muttersprachen bezeichnen kann (Müller et al. 2011, 15). Neben dem

simultanen Erwerb mehrerer Sprachen gibt es aber auch die sukzessive Form des

Sprachenerwerbs, der seinerseits auf zwei Arten erfolgen kann: „der natürliche Erwerb

zweier oder mehrerer Sprachen, wie er in der Regel bei jedem Kleinkind erfolgt

[,jedoch leicht zeitlich versetzt], und der gesteuerte Erwerb [einer Fremdsprache] mit

formalem Unterricht“, bis sie auf Muttersprachen-Niveau gesprochen wird (Müller et al.

2011, 15). Nachdem die beiden Sprachen erworben wurden, sollte ein erwachsener

Bilinguale, fähig sein, beide Sprachen zu verstehen und zu sprechen, was nur der

regelmässige und aktive Gebrauch beider Sprachen ermöglicht. Viele Menschen sind

noch der Meinung, dass Zweisprachige beide Sprachen gleich gut und fliessend spre-

chen sollten, so als ob sich zwei Monolinguale in einer Person befinden würden. Diesen

Page 32: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

31

Standpunkt bezeichnet Grosjean mit dem Ausdruck „the two monolinguals in one per-

son viewpoint“ (Grosjean 1998, 133); dies ist seiner Meinung nach jedoch nur sehr sel-

ten der Fall (vgl. Grosjean 1998, 144). Oft werden die beiden Sprachen aufgrund

unausgeglichener Nutzungshäufigkeit 63 nicht genau gleich gut bzw. gleich fliessend

vom Bilingualen beherrscht, oder die eine (besser beherrschte, dominantere) Sprache

der anderen vorgezogen (vgl. Grosjean 1998, 132). Dadurch entwickelt sich auch ein

eigentümliches bilinguales Sprachverhalten, das sich nicht direkt mit der „Summe des

Sprachverhaltens zweier Monolingualer“ vergleichen lässt (Schlund 2003, 9).

Bilinguale, die über ihre Zweisprachigkeit nachgedacht haben, berichten oft, dass sie im

Vergleich dazu, wenn sie unter Monolingualen sind, anders sprechen, als wenn sie sich

unter Bilingualen befinden (vgl. Grosjean 2001, 1). Je nachdem also in welcher Situa-

tion sich Bilinguale befinden, weisen sie ein anderes Sprachverhalten auf, welches

Grosjean mit dem psycholinguistischen Konzept des ‚Language Mode’ erfasste; dieser

Terminus wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit zu Deutsch als ‚Sprachmodus’

bezeichnet (vgl. Schlund 2003, 9) (mehr dazu im Kapitel 4.1).

Während Bilinguale es vermeiden, in der Gegenwart eines Monolingualen ihre zweite

Sprache zu benutzen, kann es im Gespräch zwischen zwei Bilingualen, die dieselben

Sprachen als Muttersprachen haben, dazu kommen, dass gelegentlich zwischen den

beiden Sprachen alterniert wird, sodass Sprachmischungen entstehen. Solche Sprachmi-

schungen – seien es nun diejenigen von Kindern oder Erwachsenen – wurden lange Zeit

als Anomalie oder Schwäche betrachtet. Gumperz (1976) war als Erster davon über-

zeugt, dass es sich hierbei nicht um ein sprachliches Defizit handle (vgl. Grosjean 1998,

133; vgl. Scheuplein 2010, 33; vgl. Hinnenkamp 2005, 53; vgl. Müller et al. 2011, 10;

189; 193f.).64 So herrscht auch heute die vorwiegend vertretene Meinung, dass es sich

dabei um eine Fähigkeit und um ein vollkommen normales Verhalten unter miteinander

interagierenden Bilingualen handelt, die oft genau aufgrund dieser Fähigkeit ein viel

ausgeprägteres Sprachbewusstsein als Monolinguale entwickeln (vgl. Grosjean 1998,

133; vgl. Scheuplein 2010, 33; vgl. Androutsopoulos/Hinnenkamp 2001, 397; vgl.

Müller et al. 2011, 189). 63 Die Sprachkompetenz kann im Laufe des Lebens eines Bilingualen oft schwanken (vgl. Grosjean 1998, 132). Wenn die eine Sprache z. B. aufgrund von Migration weniger oft benutzt wird, kann sich dies auch ungünstig auf den Wortschatz des Zweisprachigen auswirken. Andererseits kann sich der Wortschatz auch wieder erweitern, wenn man die bisher weniger genutzte Sprache bei einem längeren Aufenthalt im Mutterland vermehrt benutzt und hört (vgl. Grosjean 1998, 134). 64 Lediglich in Fällen des sogenannten ‚Semilingualismus’ – welcher Kinder oder Jugendliche betrifft, die weder die eine noch die andere Muttersprache gänzlich beherrschen – kann man meines Erachtens von einer Anomalie oder Schwäche sprechen (vgl. Grosjean 1998, 133).

Page 33: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

32

Unter dem Terminus Sprachmischung ist im Allgemeinen das Phänomen gemeint, dass

Zweisprachige – aber auch Monolinguale – während einer Konversation oder innerhalb

eines geäusserten Satzes die von ihnen beherrschten Sprachen, Varietäten und Dialekte

(‚Codes’) gleichzeitig benutzen (vgl. Müller et al. 2011, 187). Konkret heisst das, dass

also innerhalb einer in der Sprache A geführten Unterhaltung einzelne Sätze, Phrasen

oder einzelne Wörter der Sprache B benutzt werden (vgl. Müller et al. 2011, 188). In

der Forschung konnte man sich bisher leider noch nicht auf einen generell akzeptierten

übergeordneten Terminus für solche Sprachphänomene einigen (vgl. Auer 1995, 116).

Viele Forscher benutzen für die Gesamtheit aller Sprachmischungsarten auch die Ter-

mini Sprachalternation (vgl. Androutsopoulos/Hinnenkamp 2001), Code-Alternation

(vgl. Auer 1995), Code Mixing (Di Sciullo/Muysken/Singh 1986, Muysken 1997, 2000,

2004, 2007) oder Code-Switching (CS) (vgl. Auer 1999, 309). Der letztgenannte Termi-

nus wird seinerseits in weitere Unterkategorien eingeteilt (dazu mehr im Kapitel 4.2).

Da es neben Code-Switching aber noch weitere sprachliche Auffälligkeiten und

Sprachmischungstypen, wie Code Mixing (CM) (Kapitel 4.3), Entlehnung und Ad-hoc-

Entlehnung (4.4), Language Crossing (Kapitel 4.5) etc. gibt, wird in der vorliegenden

Arbeit der Terminus Sprachmischung dem des Code-Switchings als Hyperonym für alle

sich voneinander unterscheidenden Sprachmischungstypen vorgezogen (vgl. Rothe

2012, 13). Im weiteren Verlauf der Arbeit wird zudem auffallen, dass ich verschiedene

Definitionen und Modelle benutzt habe, da mir keine als ‚die Beste’ und Geeignetste

erschien; meines Erachtens ist in der Forschung dringend eine Einigung bezüglich der

Termini im Bereich der Sprachmischungen vonnöten, da momentan aufgrund der

auseinandergehenden Meinungen auch viele Unklarheiten und Missverständnisse

auftauchen. Wie der Titel der vorliegenden Arbeit bereits klar macht, wird der Fokus

auf das Code-Switching gelegt. Dennoch sollen die oben genannten interessanten

Sprachmischungsphänomene – die im Korpus nicht derart häufig wie das Code-Swit-

ching vorkommen – dem Leser nicht vorenthalten werden. Bevor jedoch auf die einzel-

nen Sprachmischungstypen und ihre Definitionen eingegangen wird, soll Grosjeans

Konzept des ‚Language Mode’ vorgestellt werden, um ein Grundgerüst für die im

bilingualen Sprachmodus auftretenden Sprachmischungen aufzubauen.

4.1 Monolingualer, intermediärer und bilingualer Sprachmodus

Page 34: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

33

Zweisprachige benutzen ihre beiden Sprachen im Laufe des Alltags in verschiedenen

Domänen des Lebens65, für verschiedene Interaktionsziele und mit verschiedenen Perso-

nen: Sie kommunizieren sowohl mit Monolingualen als auch mit Bilingualen und müs-

sen ihr Sprachverhalten daher an die gegebenen situativen Umstände und Sprachkennt-

nisse ihrer Interaktionspartner anpassen (vgl. Grosjean 1998, 132). Je nach

Kommunikationssituation befinden sie sich zwischen einem monolingualen und

bilingualen Sprachmodus (‚language mode’), welche nach Grosjean zwei Endpunkte

des ‚monolingual-bilingual mode’-Kontinuums darstellen (vgl. Grosjean 1998, 136;

siehe Grafik 5). Die beiden Sprachen A und B werden in der Grafik 5 durch die oberen

und unteren Quadrate auf einer vertikalen Achse dargestellt, während ihre Aktivierungs-

grade durch die Schattierungsstufen der einzelnen Quadrate angezeigt werden. Das

weisse, nur leicht schraffierte Quadrat steht dabei für eine ‚schlummernde’, die stärker

schraffierten für eine aktiviertere und die schwarz eingefärbten für die am stärksten

aktivierte Sprache A, in welcher gerade hauptsächlich gesprochen wird (vgl. Grosjean

1998, 136; vgl. Grosjean 2001, 3). Die Grafik 5 kann zur Illustration des Aktivie-

rungsgrades beider Sprachen

sowohl während der Produktion

wie auch der Rezeption genutzt

werden. An dieser Stelle soll

zuerst auf die Produktionssitua-

tion eingegangen werden.

Je nach Sprachmodus, in dem

sich ein Bilingualer befindet,

wird die eine Sprache mehr

(schwarz eingefärbte Quadrate),

die andere weniger aktiviert (bei-

nahe ganz weisse und schraffierte

Quadrate), jedoch nie gänzlich

deaktiviert. Zu ergänzen ist die

Tatsache, dass die minimal und maximal mögliche Aktivierungsgrade der zweiten,

weniger genutzten Sprache (in Grafik 5: Sprache B) immer noch nicht gänzlich klar 65 Man weiss, dass Bilinguale für bestimmte Domänen, wie Berufswelt, Schule, familiärer Bereich, Religion, Freizeit etc., oft ausschliesslich eine der beiden beherrschten Sprachen benutzen und dass viele Zweisprachige deshalb oft kein passendes Äquivalent für ein bestimmtes Wort in ihrer zweiten Sprache für diese Domänen finden können (vgl. Grosjean 1998, 134; vgl. Grosjean 2001, 5).

Grafik 5: ‚Monolingual-bilingual mode-continuum’ (Grosjean 1998, 136).

Page 35: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

34

sind und somit weiterhin ein empirisches Problem darstellen (vgl. Grosjean 2001, 6).

Was man jedoch weiss, ist, dass dieser Aktivierungsgrad durch verschiedene Faktoren

kontrolliert wird, wie durch der Gesprächspartner, mit dem der Zweisprachige gerade

spricht (oder ihm zuhört), durch die Situation (evtl. anwesende monolinguale Freunde),

das Gesprächsthema, den kommunikativen Zweck etc. (vgl. Grosjean 1998, 136f.).

In der Grafik 5 werden drei hypothetische Positionen für ein und denselben

Zweisprachigen dargestellt. Die schwarze Färbung der zu Sprache A zugehörigen Quad-

rate verweist darauf, dass sie am meisten aktiviert ist und der Sprecher in allen drei

Positionen zur Kommunikation die Sprache A als Matrixsprache benutzt, während die

Sprache B immer einen geringeren Aktivierungsgrad aufweist. In der ersten Position der

Grafik ist die Sprache A vollständig aktiviert, während B dies nur sehr schwach ist,

weshalb man sagen kann, dass der Bilinguale sich in einem monolingualen Sprachmo-

dus befindet. In solch einem Fall handelt es sich beim Gesprächspartner um einen

Monolingualen, der nur die Sprache A beherrscht, sodass die Situation den Bilingualen

zu einer einfachen einsprachigen Kommunikation verpflichtet und ihn veranlasst, die

Sprache B (meist unbewusst) zu einem bestimmten Grad zu deaktivieren, sodass diese

sozusagen schlummert (vgl. Grosjean 1998, 136; vgl. Grosjean 2001, 3-4). Wenn also –

auf unser Untersuchungsgebiet angewendet – ein serbisch-schweizerdeutscher Bilingu-

ale mit einem schweizerdeutschen Monolingualen Schweizerdeutsch spricht, befindet er

sich in einem ‚schweizerdeutschen monolingualen Sprachmodus’. Analog dazu befindet

sich derselbe Bilinguale, wenn er Serbisch mit einem serbischen Monolingualen spricht,

in einem ‚serbischen monolingualen Sprachmodus’ (vgl. Grosjean 1998, 137).

In der zweiten Position befindet sich der bilinguale Sprecher in einem intermediären

Sprachmodus, in dem A immer noch die Matrixsprache darstellt, in der hauptsächlich

kommuniziert wird, B jedoch ebenfalls zu einem gewissen Grad aktiviert ist (vgl. Gros-

jean 1998, 136; vgl. Grosjean 2001, 3). Solch eine Situation finden wir vor, wenn ein

Zweisprachiger mit einem anderen spricht, der zwar dieselben Sprachen beherrscht,

jedoch gerade nicht beide verwendet. Dies kann folgende Gründe haben: 1) Er be-

herrscht eine davon weniger gut, 2) er will in diesem Moment nicht die zweite Sprache

(B) benutzen, 3) er mischt ungern die beiden Sprachen, oder 4) es handelt sich um eine

formale Kommunikationssituation, in welcher es seltener zu Sprachmischungen kommt

(vgl. Grosjean 1998, 136f. vgl. Grosjean 2001, 4, 5; vgl. Muysken 2004, 202).

In der dritten Position befindet sich der Zweisprachige im bilingualen Sprachmodus,

währenddem er mit anderen Bilingualen – die dieselben Sprachen gut beherrschen –

Page 36: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

35

spricht (oder ihnen zuhört). In diesem Fall kann es zu Sprachmischungen, wie z. B.

Code-Switching kommen. Die Sprachmischungen können dabei in einzelnen Äusserun-

gen eines einzelnen Sprechers, wie auch in denen seines Kommunikationspartners

vorkommen. Nach Grosjean sind in diesem Sprachmodus zwar beide Sprachen (A und

B) aktiviert, jedoch zu unterschiedlichen Graden: Während Sprache A vollständig akti-

viert ist, ist es die Sprache B nur etwas weniger als A, da diese immer noch als

Matrixsprache – also als momentan vorwiegende Interaktionssprache – verwendet wird.

Meistens handelt es sich in solchen Kommunikationssituationen um gute Bekannte oder

Freunde, mit welchen sie sich gewohnt sind, beide Sprachen öfters zu mischen (vgl.

Grosjean 2001, 3-4). Zumeist wird zu Konversationsbeginn eine Basissprache verwen-

det (sei es nun A oder B; z. B. in der Grafik 5 Sprache A), in der vorwiegend interagiert

wird. Dabei steht aber jederzeit die andere Sprache (‚guest language’ / ‚Gastsprache’)

zur Verfügung und ist für Sprachmischungen, wie Code-Switching und Entlehnungen,

abrufbar (vgl. Grosjean 1998, 137; vgl. Grosjean 2001, 2). Wenn also zwei serbisch-

schweizerdeutsche Bilinguale aufeinander treffen und sich entscheiden, Schweizer-

deutsch zu sprechen, wobei sie gelegentlich ins Serbische wechseln, befinden sie sich

folglich beide in einem ‚schweizerdeutschen bilingualen Sprachmodus’ (vgl. Grosjean

1998, 137; vgl. Grosjean 2001, 4). Solche bilingualen, von Sprachmischungen gepräg-

ten Kommunikationssituationen halten verschieden lang an; doch oft entscheidet sich

einer der Interaktionspartner nach einer bestimmten Zeit und aufgrund verschiedener

Faktoren wieder für eine einzige Sprache, die anschliessend von seinem Partner eben-

falls angenommen wird (vgl. Auer 1995, 126). Die Faktoren, welche einen Einfluss auf

die gewählte Sprache, den Sprachmodus und die Sprachmischungen eines Sprechers

oder Rezipienten haben, werden im Kapitel 4.6 erläutert.

Ein Wechsel des Gesprächsthemas oder der Kommunikationssituation kann natürlich

auch dazu führen, dass die Matrixsprache geändert wird, während die Gesprächspartner

im bilingualen Sprachmodus bleiben. In der Grafik 5 würde dann die Sprache B zur

gänzlich aktivierten Sprache (und durch schwarze Quadrate dargestellt) werden und A

zur etwas weniger aktivierten Sprache (durch dunkel schraffierte Quadrate markiert). In

solch einem Fall des Wechsels würden sich also zwei serbisch-schweizerdeutsche

Bilinguale, die zuvor Schweizerdeutsch gesprochen haben, auf die Matrixsprache Ser-

bisch einigen und gelegentlich ins Schweizerdeutsche wechseln: dies würde man folg-

lich als ‚serbisch bilingualen Sprachmodus’ bezeichnen (vgl. Grosjean 1998, 137; vgl.

Grosjean 2001, 4f.). Ähnlich dazu kann auch ein Wechsel zwischen Sprachmodi

Page 37: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

36

(Verschiebung vom einen Ende des Kontinuums zum anderen) stattfinden, ohne dass

die Matrixsprache geändert wird: In solch einem Fall kann der Sprecher beispielsweise

vom bilingualen in den monolingualen Sprachmodus wechseln, wobei er die vorherige

Matrixsprache beibehält. Dies könnte eventuell durch eine Änderung der

Teilnehmerkonstellation (z. B. durch Hinzukommen eines bekannten Monolingualen)

zustande kommen. Solche Wechsel finden üblicherweise unbewusst sowie nahtlos und

mühelos statt, wie es sich auch bei Wechseln zwischen Sprechstilen und verschiedenen

Registern verhält (vgl. Grosjean 2001, 4, 5). An dieser Stelle sollte auch betont werden,

dass sich Zweisprachige untereinander sehr stark unterscheiden können, sodass einige

sich weniger oft am bilingualen Endpunkt des Kontinuums befinden, während andere

dies öfter und über längere Zeit sind (vgl. Grosjean 1998, 137). Dies kann sich auch in

einer einzigen Gesprächssituation äussern, indem einer der beiden bilingualen Sprecher

lediglich eine Sprache benutzt, während sein Kommunikationspartner die beiden Spra-

chen mischt (vgl. Grosjean 2001, 19); somit befindet sich der erstere im intermediären

und der zweite Sprecher im bilingualen Sprachmodus.

Zuletzt sollte auch der Fall der Nicht-Akkomodation bei der Sprachwahl angesprochen

werden. Solch eine Situation liegt vor, wenn ein Bilingualer konstant die Sprache A

spricht und der andere Bilinguale durchgängig die Sprache B. Hierbei befinden sich

beide Sprecher im intermediären Sprachmodus, da die gehörte andere Sprache ebenfalls

aktiviert sein muss (vgl. Grosjean 2001, 7; 19). Dasselbe Phänomen hat auch Auer

festgestellt, welches er als präferenzen-abhängiges Switching bezeichnet. Dieses kommt

dadurch zustande, dass sich die beiden Gesprächspartner aufgrund verschiedener

Sprach-Präferenzen nicht auf eine gemeinsame Interaktionssprache einigen können,

sodass eine anhaltende Divergenz in der Sprachwahl entsteht. Auer erklärt dies damit,

dass jeder der beiden Sprecher sich eventuell in der anderen Sprache unsicher fühlt,

diese meidet und deshalb in derjenigen spricht, in der er eine grössere Kompetenz auf-

weist. Dieses Muster kann sich im Verlauf einer Konversation jedoch auch ändern, falls

einer der beiden Sprecher nach einer bestimmten Zeit die präferierte Interaktionssprache

seines Partners akzeptiert und die Gesprächssequenz z. B. in der Sprache A als gemein-

same Interaktionssprache fortgeführt wird (vgl. Auer 1998, 8; vgl. Auer 1995, 125).

Nach dieser Sprachverhandlung würden sich die beiden Gesprächspartner – Grosjean

zufolge – also beide in einem intermediären Sprachmodus befinden, in dem sie nur in

einer Sprache kommunizieren, obwohl sie beide (mehr oder weniger) beherrschen.

Page 38: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

37

Grosjeans Konzept trifft analog auch auf Rezipienten, wie Zuhörer oder Leser, zu:

Wenn ein Zuhörer – bei beliebiger Basissprache – vernimmt, dass in den gehörten

Äusserungen Elemente der anderen Sprache enthalten sind, begibt er sich in den

bilingualen Sprachmodus, sodass seine beiden Muttersprachen aktiviert werden; dabei

ist die gehörte Matrixsprache immer noch aktivierter als die andere. Dasselbe kann auch

auf Leser eines Texts – oder in unserem Fall, eines WhatsApp-Turns –, der lexikalische

Einheiten beider Sprachen enthält, projiziert werden: Schon nur die Vorahnung, dass

Elemente beider Sprachen vorkommen könnten, lassen den Bilingualen sich vom

monolingualen Endpunkt des Kontinuums weg Richtung bilingualem bewegen, sodass

er sich im intermediären Bereich einpendelt. Bereits wenn sich ein einziges Wort der

anderen Sprache im gelesenen Text befindet, nimmt diese Verschiebung in Richtung

bilingualem Endpunkt des Kontinuums zu (vgl. Grosjean 1998, 137). Wie sich der

Sprachmodus von Gesprächssequenz zu Gesprächssequenz im untersuchten WhatsApp-

Chat ‚Girls’ verändert, soll im Kapitel 5.4 erläutert werden.

4.2 Code-Switching (CS)

Den Terminus ‚Code-Switching’ (CS) findet man nicht nur in der englischsprachigen,

sondern auch in der deutschsprachigen Forschungsliteratur auf, wo er sich mittlerweile

durchgesetzt hat und auch unter den Schreibweisen ‚code switching’ und ‚codeswit-

ching’ bekannt ist (vgl. Rothe 2012, 19; vgl. Müller et al. 2011, 187). 66 Diese

Schreibweisen bringen dasselbe zum Ausdruck: Nämlich das Phänomen, dass Bi- oder

Multilinguale während einer Konversation oder innerhalb eines geäusserten Satzes

beide (oder mehrere) beherrschte Sprachen, Varietäten oder Dialekte (‚Codes’)

gleichzeitig benutzen (vgl. Bussmann 2008, 106; vgl. Müller et al. 2011, 187). Code-

Switching kann in der Äusserung einer einzigen Person vorkommen, oder sich durch

einen Sprecherwechsel ergeben (vgl. Schlund 2003, 13). Dabei kann die Sequenz der

eingebetteten Sprache in einem anderssprachigen Beitrag von variabler Länge sein: sie

kann ein Wort, eine Phrase, einen ganzen Neben- oder Hauptsatz umfassen (vgl.

Cougnon 2011, 48).

Die ursprüngliche Definition des Code-Switching geht auf Haugen (1956) zurück, der

ihn folgendermassen umschrieb: „[It] occurs when a bilingual introduces a completely

66 Alternative deutsche Fachausdrücke für Code-Switching, wie Kodeumschaltung oder Kodewechsel, werden immer seltener benutzt (vgl. Rothe 2012, 19).

Page 39: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

38

unassimilated word from another language into his speech“ (zit. nach Bernart et al. 2004,

13; vgl. Hlavac 2003, 42). Code-Switching geschieht Haugen zufolge (1956, 65) ohne

phonologische oder morphologische Integration und ist durch einen ‚sauberen Bruch’ (z.

B. durch eine Pause) an einer Lexemgrenze markiert, wodurch ein Switch in die andere

Sprache signalisiert wird (vgl. Hlavac 2003, 42).

Der von Haugen gewählte Terminus wurde seither weitgehend akzeptiert und rege

genutzt, bis im Laufe der Zeit in der Forschung auch andere Fachbegriffe für Code-

Switching vorgeschlagen wurden, wie „Code Mixing (z.B. Di Sciullo/Muysken/Singh

1986), Language Mixing, Mixed Code, Insertion, Alternation und Congruent

Lexicalization (vgl. Muysken 2000, 2007)“ (Rothe 2012, 19f.; vgl. Hlavac 2003, 42).

Diese Termini weichen in ihren Definitionen jedoch leicht voneinander ab, worauf in

den folgenden drei Unterkapiteln eingegangen werden soll.

Hervorzuheben ist, dass Code-Switches immer eine kommunikative Bedeutung und

Funktion in ihren lokalen Erscheinungskontexten haben (vgl. Auer 1998, 3; vgl.

Androutsopoulos/ Hinnenkamp 2001, 388) und dass Code switchende Bilinguale in der

Regel „sowohl soziolinguistische, als auch pragmatische und grammatikalische

Regularitäten“ der im Moment gebrauchten Sprachen befolgen (Müller et al. 2011, 189).

Poplack (1990) unternimmt auch eine qualitative Differenzierung des CS “im Hinblick

auf seine Einbettung in den Kommunikationsfluss als stockend oder flüssig

(„flagged“ oder „smoothed“, 1990: 37)“ (Schlund 2003, 12). Zweisprachige, denen es

leicht fällt, in einer Konversation fliessend in die andere Sprache zu wechseln, werden

von Poplack daher als sehr kompetente Bilinguale bezeichnet. Doch die Unterscheidung

zwischen ‚stockend’ und ‚flüssig’ wird in der vorliegenden Arbeit nicht getroffen wer-

den können, da stockendes CS in WhatsApp-Mitteilungen aufgrund des uneinsehbaren

Produktionsprozesses nicht nachgewiesen und somit nur beim mündlich getätigten CS

identifiziert werden kann. Ansonsten lassen sich bei der schriftbasierten CVK – neben

spezifisch graphematisch realisierten Sprachmischungsphänomenen – alle Arten von

Sprachmischungen, die man auch im mündlicher Interaktion antrifft, auffinden (vgl.

Androutsopoulos/Hinnenkamp 2001, 371). In der Forschung sind bisher einstimmig drei

verschiedene Unterkategorien von Code-Switching (CS) definiert worden, die als

‚intersentenzielles’, ‚intrasentenzielles’ und ‚extrasentenzielles CS’ bezeichnet werden

und in den folgenden Unterkapiteln näher umschrieben werden sollen.

Page 40: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

39

4.2.1 Intersentenzielles CS

Während man mit Switching den eigentlichen Prozess bezeichnet, wird ein ‚Switch’ als

die Stelle im Satz, an der die Sprache gewechselt wird, verstanden; diese Wechsel kön-

nen an ganz verschiedenen Stellen in einer Unterhaltung oder einem geäusserten Satz

stattfinden (vgl. Hlavac 2003, 43). In den meisten Fällen stellt man einen Switch an

Satz- oder Teilsatzgrenzen fest, was im Falle geschriebener Sprache relativ einfach

festzustellen ist. Wenn also ein Switch von der einen in die andere Sprache zwischen

zwei einzelnen Sätzen oder Gliedsätzen vorkommt – also an einer Satz- oder Teilsatz-

grenze liegt –, wird er als intersentenzieller Code-Switch kategorisiert (vgl. Hlavac

2003, 43; vgl. Müller et al. 2011, 191). Dieser Switch kann in einer Gesprächssequenz

entweder mit einem Sprecherwechsel oder an der Satzgrenze innerhalb eines Beitrags

eines einzelnen Sprechers geschehen (vgl. Siebenhaar 2005, 14).

Muysken hat für CS drei Unterkategorien definiert,67 welche für das inter-, wie auch

intrasentenzielle CS gültig sind und folgendermassen benannt werden (vgl. Müller et al.

2011, 189; vgl. Muysken 2000, 5; vgl. ders. 2004, 149):

a) Alternation (‚alternation’)

b) Insertion (‚insertion’)

c) Kongruente Lexikalisierung (‚congruent lexicalization’)

Von einer Alternation (oder einem alternationalen Code-Switching) spricht man, wenn

ein kompletter Switch – unter der Berücksichtigung der Lexik und der Syntax –, von

Sprache A in B stattfindet, sodass zweite Teilsatz in Sprache B endet (vgl. Muysken

2000, 5; vgl. Müller et al. 2011, 189; vgl. Pekarek-Doehler 2011; vgl. Morel et al. 2012,

261). 68 Das in der Forschung mittlerweile wohl berühmteste Beispiel für eine

intersentenzielle Alternation ist Poplacks (1980) Aufsatztitel „Sometimes I’ll start a

sentence in Spanish y termino en Español“ (vgl. Rothe 2012, 28). Analog dazu ein

Beispiel aus meinem eigenen Korpus:

(1)

10.8.11. / 18:33:50 Snezana I schriib eu sobald i dihai bin, pa vi dodjite kad vam volja…

67 Um eine Verwirrung bezüglich der Terminologie zu umgehen: Di Sciullo/Muysken/Singh (1986), Singh (1985) und Muysken (2000, 2004) benutzen den Begriff ‚Code Mixing’ ausschliesslich für Sprachmischungen zwischen zwei Sprachen (in Sinne von ‚clause’)(vgl. Rothe 2012, 20; vgl. Müller et al. 2011, 188), was nach der von mir akzeptierten Definition dem Code-Switching entsprechen würde. ‚Code-Switching’ hingegen benutzen sie für Sprachmischungen zwischen mehr als zwei Sprachen. 68 Intersentenzielles CS-Muster 1: A/B; die Grossbuchstaben symbolisieren die verwendete Sprache und die Schrägstriche eine (Teil-)Satzgrenze.

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40

‚Ich schreib’ euch sobald ich zu Hause bin, und dann könnt ihr kommen, wann ihr wollt…’

Snežana setzt in diesem Turn an der Teilsatzgrenze ein Komma, welches den

darauffolgenden alternationalen Switch ins Serbische noch klarer markiert; die

Kommasetzung ist aber besonders in Snežanas WhatsApp-Beiträgen ansonsten eher

selten der Fall, was die Bestimmung der CS-Muster während der Analyse ein wenig

erschwerte.

Mehreren Forschern zufolge erfordert das intersentenzielle CS grössere Kompetenzen

und ein grösseres Wissen über die Grammatik der beiden benutzten Sprachen und deren

Satz- oder Teilsatzgrenzen, als es z. B. das extrasentenzielle CS tut, welches sich durch

einfache Diskursmarker auszeichnet (vgl. Rothe 2012, 28). An diesem Punkt stelle ich

die These auf, dass die intersentenzielle Alternation in meinem WhatsApp-Korpus das

wohl am meisten vertretene CS-Muster sein könnte, da man in der schriftbasierten CVK

seine Beiträge – wie auch die enthaltenen CS’s – generell geordneter, geregelter und

grammatikalisch korrekter produziert, als in der direkten mündlichen Kommunikation,

wo man sich im schnellen Redefluss durchaus verhaspeln kann, sodass grammatikali-

sche Irregularitäten entstehen oder auch vermehrt Code Mixing zustande kommt.

Eine Insertion (oder ein insertionales Code-Switching) hingegen liegt vor, wenn

Sprachmaterial aus der Sprache B in die Struktur der Matrixsprache A eingebettet

wird.69 Dieses Sprachmaterial kann aus einem bis zu mehreren Lexemen oder grösseren

Konstituenten, wie z. B. einem Syntagma nominaler, präpositionaler oder adverbialer

Art bestehen (vgl. Schlund 2003, 13; vgl. Müller et al. 2011, 189; vgl. Pekarek-Doehler

2011; vgl. Scheuplein 2010, 37). Eine intersentenzielle Insertion liegt im Beispiel (2)

vor:

(2) 27.6.11. / 16:22:54 Dragana ich keine,jer nisam znala, obs gsehsh oder nöd...guet ‚Ich keine, weil ich nicht wusste, ob du’s siehst oder

nicht…gut’ Im Gesprächsausschnitt, in welchem dieser Turn eingebettet ist, fragte ich danach, wel-

che Emojis Dragana und Snežana – die iPhones besitzen – mir geschickt haben, da diese

mir aufgrund eines damals noch fehlenden Updates für Android-gängige Smartphones

lediglich als Quadrate angezeigt wurden. Wie man hier schön sieht, wechselt Dragana

für einen Teil ihrer Begründung ins Serbische, welchen sie in den, in der Matrixsprache

Schweizerdeutsch gehaltenen Satz einbettet. 69 Intersentenzielles CS-Muster 2: A/B/A.

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41

Wie oben bereits erwähnt, können auch intersentenzielle Alternationen mit

Sprecherwechseln zwischen den Turns stattfinden. Dies äussert sich darin, dass jeder

Gesprächsteilnehmer an seiner gewählten Matrixsprache festhält, ohne innerhalb der

Äusserung zu switchen und jeder Turn in der jeweils anderen Sprache produziert wird.

Dies muss aber nicht bedeuten, dass die Sprecher sich voneinander distanzieren wollen,

da solche Situationen meist durch unbewusste Sprachwahl entstehen; zudem wissen

beide Gesprächsteilnehmer, dass der jeweils andere beide Codes versteht (vgl. Sieben-

haar 2005, 12). Dies wird auch im Beispiel (3) ersichtlich:

(3) 8.11.11. / 21:10:44 Snezana Sto me smestis nikolu tu? ‚Wieso bringst du nicht Nikola hier unter?’ 8.11.11. / 21:11:06 Jelena Ja de nikola söll döt izieh! ‚Ja, Nikola soll dort einziehen!’ 8.11.11. / 21:11:08 Dragana nikola nece bez dragane ‚Nikola will nicht ohne Dragana’ 8.11.11. / 21:11:37 Jelena Jaaa?! So härzig! ‚Jaaa?! So süss!’

Eine intersentenzielle Alternation ohne Sprecherwechsel zwischen den Turns kann

hingegen durch das im Kapitel 2.3.1 erläuterte ‚Chunking’ zustande kommen, nämlich

wenn ein Sender mehrere kürzere Beiträge (‚Chunks’) hintereinander produziert. Wie

im Beispiel (4) dargestellt, kommt es zwischen den einzelnen Turns ein und derselben

Person dann zu intersentenziellem CS alternationaler Art:

(4) 1.5.12. / 12:54:20 Dragana Taman idem ‚Ich gehe gerade.’ 1.5.12./12:54:20 Dragana Termin am 1 ‚[Habe den] Termin um 1’

Mit diesen beiden Chunks antwortete Dragana auf meine Frage, wann sie zu ihrem

vereinbarten Friseurtermin gehen werde; dabei switchte sie vom Serbischen ins

Schweizerdeutsche, um ihre erste Äusserung weiter zu verdeutlichen. Auf Muyskens

kongruente Lexikalisierung soll im Kapitel 4.3 näher eingegangen werden, da sie keine

diskursstrategischen Funktionen aufweist, wie es bei CS der Fall ist und anderen

Definitionen zufolge als Code Mixing bezeichnet wird.

Wie im Kapitel 4.2 bereits erläutert, bezeichnet man aber auch den alternierenden

Gebrauch zwischen Standardsprache und Dialekt oder anderen Idiomen oder

Regionalsprachen als CS. So lassen sich auch in meinem WhatsApp-Chat ‚Girls’ Stel-

len finden, an denen sowohl CS zwischen Standarddeutsch und Schweizerdeutsch als

Page 43: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

42

auch zwischen Standardserbisch und bestimmten serbischen Dialekten oder zwischen

den Standardvarietäten Bosnisch, Serbisch und Kroatisch stattfinden.70

So unternimmt Snežana im folgenden Beispiel – nachdem ich sie und Dragana auf

Schweizerdeutsch gefragt habe, wo wir uns nach der Arbeit treffen sollen, bevor wir an

ein Konzert gehen – einen Switch in ihren serbischen Dialekt aus dem Bezirk Pčinja,

um scherzhaft ihr Unwissen mitzuteilen.

(5) 7.11.11. / 17:25:31 Snezana Neznajem da ti kazujem, floid reci? ‚Das kann ich dir nicht sagen [Ich weiss es nicht], sag du

Floid?’ Auf Standardserbisch hätte ihre Antwort folgendermassen gelautet: ‚Ne znam da ti

kažem, floid reci?’ Snežana tut dies also nicht, um uns auszugrenzen, da sie weiss, dass

Dragana und ich diesen Dialekt – der auch in den Regionen um Niš und Leskovac

verbreitet ist – bereits von unseren Verwandten, weiteren Bekannten und medialen

Quellen (z. B. Filmen) kennen. Da sie weiss, dass wir diesen Dialekt komisch finden

und sie zurzeit gutgelaunt und zu Spässen aufgelegt war, entschied sie sich bewusst,

diesen Dialekt einzusetzen.

In anderen Fällen hingegen – wie im folgenden Beispiel – geschieht das CS bei der

mehrsprachig (Serbisch / Kroatisch) aufgewachsenen Snežana wohl eher unbewusst:

(6) 14.1.12. / 13.47.17 Dragana allei im gsicht 10stück...vom hals redemer gar nöd ‚Allein im Gesicht 10 Stück…vom Hals reden wir

[noch]gar nicht’ 14.1.12. / 13.49.23 Snezana Nemoj brojat! Wird nur no meh ako brojis ‚Zähl sie nicht! Es werden nur noch mehr, wenn du [sie]

zählst’ Die überraschte Dragana berichtete uns davon, wie viele Muttermale ihr Bruder habe,

und schickte uns auch ein Foto. Daraufhin führte Snežana in ihrer scherzhaften Antwort

einen unbewussten Code-Switch durch, indem sie den kroatischen Infinitiv (brojat, dt.

‚zählen’) benutzte. Dieser lautet im Serbischen zwar fast identisch (‚brojati’), doch wird

die Infinitiv-Konstruktion bei Modalverben, beim Imperativ und in Nebensätzen im

70 Obwohl Bosnisch, wie auch Kroatisch und Serbisch, als mittlerweile eigene normierte Standardsprachen bezeichnet werden, empfinden Dragana, Snežana, ich und weitere Personen aus unserem Freundeskreis diese eher als gut verständliche Idiome oder als Standardvarietäten einer Sprache (vgl. z.B. das Deutsche mit seinen verschiedenen Standardvarietäten in Österreich und Deutschland). Zudem braucht es keine Dolmetscher, die zwischen diesen einzelnen Varietäten übersetzen müssten, da man, wenn man eine dieser ‚Sprachen’ beherrscht auch die anderen beiden versteht. Auf der Ebene der Syntax und der Morphologie kann man diese ‚Sprachen’ weitgehend als identisch bezeichnen. Sie unterscheiden sich lediglich im Bereich der Phonologie, z. T. in den verwendeten Alphabeten (Lateinisch vs. Kyrillisch) und einigen Regionalismen.

Page 44: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

43

Serbischen höchst selten benutzt, obwohl sie auch eine mögliche und korrekte Variante

darstellen würde (vgl. Mišeska Tomić 2006, 484). Im Standardserbischen würde man

dafür eher eine Subjunktiv-Konstruktion – also einen Nebensatz mit der Konjunktion

‚da’ (dt. ‚dass’) und einem finiten Verb – verwenden und dies folgendermassen ausdrü-

cken: ‚Nemoj da brojiš!’ (vgl. Mišeska Tomić 2006, 484). Somit kann man ihren ersten

Satz „Nemoj brojat!“ eindeutig als Kroatisch identifizieren. In ihrem zweiten Satz

hingegen, könnte der konditionale Nebensatz („ako brojiš“; ‚wenn du zählst’) auf Kroa-

tisch wie auch Serbisch geäussert worden sein, da es in beiden Standardvarietäten gleich

gebildet, ausgesprochen und geschrieben wird. Dennoch würde ich in diesem Fall eher

zum Serbischen tendieren, da – meinen Beobachtungen zufolge – Snežana das

Kroatische mehrheitlich nur in solchen Situationen benutzt, die es ihr ermöglichen, sich

auf diese Weise schriftlich kürzer ausdrücken. Und schliesslich ist mir aufgefallen, dass

bei intersentenziellen Switches meistens Konjunktional- und Pronominalsätze in der

jeweils anderen Sprache gebildet wurden.

4.2.2 Intrasentenzielles CS

Eine Switch-Stelle wird als intrasentenziell bezeichnet, wenn sie sich innerhalb eines

einzelnen Satzes oder Gliedsatzes befindet (vgl. Hlavac 2003, 43; vgl. Müller et al.

2011, 191). Intrasentenzielles Code-Switching kann in seinem minimalen Erscheinungs-

bild aus einem einzigen Lexem der anderen Sprache bestehen (vgl. Schlund 2003, 12).

Auch hierzu erfordert es sehr gute Sprach- und Grammatikkenntnisse, da „das Risiko,

das System einer der Sprachen bei einem intrasentenziellen Code-Switch zu verletzen,

[…] höher [ist] als beim inter- oder extrasentenziellen Switchen“ (Rothe 2012, 30). Wie

im letzten Unterkapitel bereits erläutert, treffen die beiden CS-Unterkategorien Alterna-

tion und Insertion auch auf das intrasentenzielle CS zu. So liegt im folgenden Beispiel

eine intrasentenzielle Alternation71 vor:

(7) 16.12.11. / 17:22:35 Jelena Leleee72.. Jedva sam stigla kuci nochem coiffeur.. Überall

stau weg dem sturm ‘Meine Güte.. Ich bin kaum nach Hause gekommen nach

dem Coiffeur.. Überall Stau wegen dem Sturm’

71 Intrasentenzielles CS-Muster 1: AB. 72 Der serbische Ausruf „Lele“ ist eigentlich nicht wörtlich ins Deutsche übersetzbar, weshalb das inhaltlich naheliegende ‚Meine Güte’ gewählt wird.

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44

Diesen Switch kann ich mir nur dadurch erklären, dass mir das schweizerdeutsche Wort

für ‚Friseur’ schneller in den Sinn kam als das serbische und somit meinen

alternationalen Switch in der Präpositionalphrase des ersten Satzes triggerte, sodass ich

im zweiten Satz gleich das Schweizerdeutsche beibehielt.

Eine intrasentenzielle Insertion73 hingegen findet man im Beispiel (8) vor, wo mitten in

einem komplett in Serbisch gehaltenen Satz einige schweizerdeutsche Wörter eingebet-

tet wurden; zu intrasentenziellen Insertionen kommt es sehr häufig bei

Wortfindungsschwierigkeiten oder fehlendem Wortschatz in der einen Sprache:

(8) 3.12.11. / 22:23:52 Snezana A da nema besucherparkplatz nego blaue zone :) i neradi

mo zvono kako treba tako da ako vam ne otvorim cimni-teme :)

‚Ach ja, es gibt keinen Besucherparkplatz, sondern Blaue Zone :) Und meine Hausklingel funktioniert nicht, wie sie sollte, also falls ich euch nicht [gleich] aufmache, klingelt mit dem Handy durch :)’

In diesem Fall würde ich davon ausgehen, dass Snežana die serbischen Äquivalente für

Besucherparkplatz und Blaue Zone nicht kennt und diese Nomina deshalb auf

Schweizerdeutsch verschriftet; dies hängt wohl damit zusammen, dass wir alle drei die

Autoprüfung in der Schweiz absolviert haben und das entsprechende (schweizer-)deut-

sche Vokabular fest zu unserem aktiven Wortschatz gehört. Des Weiteren fiel mir in

unserem WhatsApp-Chat auf, dass vor allem für Nominal-, Präpositional- und

Verbalphrasen in die jeweils andere Sprache geswitcht wurde.

4.2.3 Extrasentenzielles CS

Wenn ein Switch ausserhalb der grammatikalischen Einheit eines Satzes steht, wie es

bei Diskursmarkern wie Interjektionen (z. B. Ach,…) und Satzfüllern (z. B. also; ähm;

…, weißt du?) oft der Fall ist, spricht man von extrasentenziellem Code-Switching; die-

ses Phänomen wird auch ‚tag switching’, ‚emblematic switching’ oder von Muysken

‚discourse marker switching’ genannt (vgl. Muysken 2007, 316; vgl. Hlavac 2003, 43;

vgl. Müller et al. 2011, 191; vgl. Rothe 2012, 28).

Für das ‚tag switching’ gibt es praktisch keine syntaktischen Einschränkungen, da

Diskursmarker syntaktisch verhältnismässig frei sind (vgl. Rothe 2012, 28): Es kann

also an satzinitialen und -finalen Stellen, aber auch an einer Satzgrenze vorkommen (vgl.

73 Intrasentenzielles CS-Muster 2: ABABA.

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Hlavac 2003, 47f.). Aufgrund dieser geringen Restriktionen ist das extrasentenzielle CS

auch einfacher anzuwenden, als intra- oder intersentenzielles CS, da bei diesem CS-

Muster die Systeme der beiden benutzten Sprachen kaum verletzt werden können. Da-

her lässt sich dieser Typ von Code-Switching auch oft bei Monolingualen beobachten (z.

B. in SMS oder Whats-App-Nachrichten Jugendlicher, vgl. Pekarek-Doehler 2011), die

in der einen Sprache (z. B. Englisch) nur fremdsprachlich kompetent sind (vgl. Rothe

2012, 28). Die folgenden aus dem gleichnamigen Subkorpus entnommenen Beispiele

illustrieren typisches extrasentenzielles CS:

(9) 27.6.11. / 16:24:51 Jelena Easy.. Ajd bis spöter! ‚Easy.. Also dann, bis später!’

(10)

30.9.11. / 09:44:22 Jelena Hahahaha.. Bozeeeee! Ich chas nöd glaube ‚Hahahaha.. Goooott! Ich kann’s nicht glauben’

(11)

11.12.11. / 20:07:36 Jelena Guet samo jos da odgovori dragana ‚Gut, jetzt muss nur noch Dragana antworten’

(12)

17.12.11. / 21:52:29 Snezana So ja krenula kuci, izvolite dodjite ‚So, bin unterwegs nach Hause, bitteschön, kommt’

Wenn man dieses CS-Muster auch mit einem der beiden Attribute insertional oder

alternational bezeichnen müsste, würde ich alle Belege in meinem Subkorpus des

extrasentenziellen CS als insertional bezeichnen, da es sich immer um ein spontanes

und unbewusstes Einfügen anderssprachiger Diskursmarker handelt; um die Switches

als alternational zu bezeichnen, sind die anderssprachigen Ausdrücke definitiv zu kurz.

4.3 Code Mixing

Das Code Mixing, oder wie Muysken (1997, 2000) es präziser kongruente Lexikalisie-

rung nennt, bezeichnet ein Sprachwechselphänomen, bei dem zwei Sprachen eine

grammatikalische Struktur teilen, welche lexikalische Elemente beider Sprachen enthal-

ten kann. Sie könnte auf den ersten Blick auch den Anschein einer Kombination von

Alternationen und Insertionen erwecken, doch da zwischen beiden Sprachen immer

wieder vor- und zurückgeswitcht wird und diesen häufigen Sprachwechseln keine

pragmatische Funktionen und Regularitäten zugeordnet werden können, gehört dieses

Phänomen zu einer eigenen Kategorie (vgl. Müller et al. 2011, 188f.; vgl. Muysken

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1997, 362; vgl. Morel et al. 2012, 273; vgl. Pekarek-Doehler 2011; vgl. Androutsopou-

los 2013, 667; vgl. Cougnon 2011, 48f.).

Im Gegensatz zum Code-Switching lässt sich in Fällen des Code Mixing aufgrund

derartig frequenter Sprachwechsel innerhalb einer Äusserung oft die Matrixsprache

nicht bestimmen (vgl. Auer 1999, 315). Vielmehr scheint es so, als ob diese alternie-

rende Nutzung die Interaktionssprache ausmacht, was jedoch nicht zwingend auf die

Sprachkompetenzen und -präferenzen der Gesprächsteilnehmer zurückzuführen ist (vgl.

Auer 1999, 315; vgl. Hinnenkamp 2005, 73). Zu dieser Sprachmischungsart kommt es

oft in Situationen mit vertrauten Personen und aus persönlicher Gewohnheit oder

Bequemlichkeit (z. B. bei Wortfindungsschwierigkeiten) (vgl. Androutsopoulos 2013,

682; vgl. Androutsopoulos/ Hinnenkamp 2001, 397).

Die einzelnen Sprachwechsel haben beim Code Mixing aber keine lokal konstituierte

Bedeutung und keine bestimmte Funktion, was bei Code-Switching hingegen konstitu-

tiv ist (vgl. Auer 1999, 315; vgl. Auer 1998, 15f.; vgl. Hinnenkamp 2005, 77; vgl.

Androutsopoulos/Hinnenkamp 2001, 388; vgl. Androutsopoulos 2013, 667). Dennoch

können Code Mixing und funktionales Code-Switching in einer Unterhaltung gleichzei-

tig auftreten, sodass es aus einem analytischen Standpunkt heraus schwerfallen kann,

diese beiden Phänomene auseinanderzuhalten (vgl. Auer 1998, 16; vgl. Hinnenkamp

2005, 77).

Code Mixing findet man vor allem zwischen Dialekt und Standardsprache und „bei

typologisch ähnlichen Sprachen […], d.h., es wird eine einheitliche Struktur der beiden

gemischten Sprachen gefordert“ (Müller et al. 2011, 190; vgl. Muysken 2007, 322).

Zwischen einer agglutinierenden (z. B. Türkisch) und einer flektierenden Sprache (z. B.

Französisch) wird man diesen Sprachmischungstyp also wahrscheinlich weniger häufig

antreffen – als zwischen zwei flektierenden oder zwei agglutinierenden Sprachen – da

ihre Grammatik weniger miteinander harmoniert. An dieser Stelle möchte ich zuerst

Muyskens Beispiel aufzeigen und danach klären, ob Code Mixing auch im Varietäten-

paar Serbisch-Schweizerdeutsch möglich ist:

(13) Bueno, in other words, el fight que sale de Chicago around three o’clock. (Muysken 1997, 362)

In Beispiel (13) kann man aufgrund des häufigen Sprachwechsels zwischen Spanisch

und Englisch also weder die Matrixsprache noch eine bestimmte diskursstrategische

Funktion ausfindig machen.

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47

Schlund ist der Meinung, dass dieser Sprachmischungstyp „zwar zwischen [Serbokroa-

tisch] und Deutsch nicht grundsätzlich auszuschliessen, jedoch aufgrund der relativ

grossen strukturellen Unterschiede zwischen den Sprachen eher selten [sei] und […] im

zu analysierenden Datenmaterial auch nicht vor[komme]“ (Schlund 2003, 13). Sie

argumentiert damit, dass es sich um verwandte Sprachen handeln müsse (vgl. Schlund

2003, 13); doch in Muyskens eigenem Beispiel handelt es sich um Spanisch (zugehörig

zur romanischen Sprachfamilie) und Englisch (zugehörig zur germanischen Sprachfami-

lie), die sich zwar unterscheiden, aber auch zur grossen indogermanischen

Sprachfamilie gehören. Deshalb vertrete ich die Meinung, dass zwischen den beiden

flektierenden indogermanischen Sprachen, Serbisch (zugehörig zur slawischen

Sprachfamilie) und Schweizerdeutsch (zugehörig zur germanischen Sprachfamilie),

ebenfalls Code Mixing vorkommen können. Dies wird meines Erachtens in erster Linie

durch die relativ freie Wortstellung im Serbischen ermöglicht. Jedoch konnte ich – wie

bereits Schlund für die Face-to-Face-Kommunikation – nur relativ wenige Code

Mixing-Belege in meinem WhatsApp-Korpus auffinden. Die Beispiele (14) und (15)

aus dem entsprechenden Subkorpus illustrieren, welche Formen das serbisch-

schweizerdeutsche Code Mixing aufweisen kann:

(14) 30.6.11. / 09:01:30 Dragana zwar bila moookra do koze,als ich do acho bin, ali, ich bin

acho ‚Zwar war ich naaass bis auf die Haut, als ich hier

angekommen bin, aber ich bin angekommen’

(15) 24.2.12. / 18:00:23 Dragana und sutra kafa und verzelle kako bilo im [Firma X] i na

diplomfiir! ‚Und morgen [gehen wir einen] Kaffee [trinken] und [dann

musst du] erzählen, wie es in [Firma X] und auf [der] Diplomfeier war!’

Bereits auf den ersten Blick stellt man in diesen beiden Turns fest, dass die einzelnen

Sprachwechsel keinen spezifischen kommunikativen oder diskursstrategischen Zweck

erfüllen und die Matrixsprache nicht klar festzustellen ist. Sie sind weder auf eine be-

stimmte Gesprächssituation noch auf eine Ausdrucksabsicht zurückzuführen und sie

geschahen wohl eher ungewollt und unbewusst, sodass der Sprachmischungstyp in die-

sen beiden Turns klar als Code Mixing bezeichnet werden kann. Es fällt beim Beispiel

(15) aber auch auf, dass Dragana ihre Äusserung aufgrund des getätigten Code Mixings

und dem stichwortartigen Schreibstil extrem kurz halten kann, was in WhatsApp als

äusserst wichtig empfunden wird.

Page 49: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

48

Aufgrund den oft auftauchenden grammatikalischen Irregularitäten benutzen einige

Forscher (z. B. Meisel 1989) den Terminus Code Mixing vor allem für kindliche

Sprachmischungen, die in der Phase des bilingualen Erstsprachenerwerbs getätigt

werden, um es vom geregelteren Code-Switching der Erwachsenen zu unterscheiden

(vgl. Müller et al. 2011, 189). Doch diese Nutzung des Terminus wird in dieser Arbeit

nicht akzeptiert, da Code Mixing, Androutsopoulos und Hinnenkamp zufolge, auch bei

migrierten Jugendlichen und jungen Erwachsenen der 2. und 3. Generation vorkommen

kann. Dies geschieht vor allem in stark umgangssprachlichen Äusserungen – wie auch

in schriftlichen Mitteilungen der CVK –, während deren Produktion der Sprecher nicht

bewusst eine bestimmte Sprache wählt (‚unmarked choice of language’)(vgl.

Androutsopoulos 2013, 679; 686; vgl. Androutsopoulos/ Hinnenkamp 2001, 388;

Stanisavljević 2010, 280). Ich schliesse mich ausserdem Stanisavljevićs Meinung an,

dass Jugendliche und junge Erwachsene die beiden Codes mixen, „um sowohl der einen

als der anderen Sprache „gerecht zu werden“; weil sie weder den einen noch den

anderen monolingualen Modus als treffend empfinden“ (Stanisavljević 2010, 280).

Somit können sie durch Code Mixing nicht nur ihre bilinguale Gruppenidentität,

sondern auch ihren eigenen Gruppenstil – ihren „eigenen hybridolektalen We-Code“ –

signalisieren (Hinnenkamp 2005, 91). Dies tritt vor allem in Face-to-Face-

Kommunikation mit Vertrauten oder sehr schnell aufeinanderfolgenden (quasi-

synchronen) Textnachrichten auf, in denen Abmachungen für ein Treffen gemacht oder

Informationen ausgetauscht werden. Wie Androutsopoulos bemerkt, ist Code Mixing

jedoch weniger in Mitteilungen mit romantischem Inhalt oder in Webforen74 vertreten,

wo das asynchrone Verfassen von öffentlichen Beiträgen (mit höherem Formalitätsgrad)

mehr Zeit in Anspruch nimmt, grössere Distanz zwischen den Gesprächspartnern

schafft und somit seltener spontane und unbewusste Code Mixing-Prozesse zustande

kommen (vgl. Androutsopoulos 2013, 676; 679; 685; vgl. Androutsopoulos 2006, 193).

Androutsopoulos und Hinnenkamp haben zudem festgestellt, dass auch in dem von

ihnen untersuchten Chatkanal #hellas seltener Code Mixing als Code-Switching

vorkam; sie erklären das damit, dass dieses Mischungsmuster wohl nicht zum üblichen

Misch-Repertoire „unter Deutschlandgriechen der 2./3. Generation“ gehöre (2011, 388).

74 Androutsopoulos schreibt zudem: „Die Literatur legt hier die Annahme nahe, dass in Chats mehr konversationelles Switching und Mixing zu erwarten ist als in den Foren (vgl. Paolillo [2011]).“ (Androutsopoulos 2006, 194).

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49

So lassen sich auch in meinem eigenen Korpus verhältnismässig wenige Code Mixing-

Belege finden. Dies kann entweder damit zusammenhängen, dass sich die

Chatteilnehmerinnen genug Zeit zum Verfassen von WhatsApp-Mitteilungen nahmen,

oder auch damit, dass es nicht alle gewohnt sind, dieses eher ungewöhnliche Sprachmi-

schungsmuster zu benutzen; beispielsweise findet man Code Mixing viel öfter in Draga-

nas als in Snežanas und meinen Turns auf (siehe dazu Tabelle 1 im Anhang).

4.4 Entlehnung und Ad-hoc-Entlehnung

Zu den Sprachmischungen gehören neben Code-Switching (in all seinen Varianten) und

Code Mixing auch einzelne, in Äusserungen integrierte, lexikalische Entlehnungen

(nach Muysken ‚heavy borrowing’) und Ad-hoc-Entlehnungen (engl. ‚nonce borrow-

ing’) (vgl. Muysken 2007, 316; vgl. Müller et al. 2011, 191; vgl. Rothe 2012, 14).

Unter Entlehnung versteht man „einzelne Wörter oder kurze Ausdrücke, welche auch

phonologisch75 (und morphologisch) in die andere Sprache integriert wurden“ (Müller

et al. 2011, 191; vgl. Grosjean 1998, 137; vgl. Pekarek-Doehler 2011; vgl. Rothe 2012,

33). Dies geschieht meistens, wenn es in der anderen Sprache kein Äquivalent für ein

bestimmtes Wort gibt und deshalb eine „Übernahme eines Lexems […] aus einer

Gebersprache in eine Nehmersprache“ unternommen wird (Rothe 2012, 16). Bei solch

einer Übernahme handelt es sich um Entlehnungen, die sich im Wortschatz einer Spra-

che sedimentiert haben und somit auch in Wörterbüchern als Lehnwörter aus einer

anderen Sprache festgehalten werden (vgl. Morel et al. 2012, 278; vgl. Müller et al.

2011, 191; vgl. Pekarek-Doehler 2011; vgl. Cougnon 2011, 48; vgl. Paolillo 2011, 2).

Sie kann grundsätzlich in beide Richtungen verlaufen – also aus beiden Sprachen stam-

men (vgl. Müller et al. 2011, 86); jedoch wird prinzipiell öfter aus derjenigen entlehnt,

die man öfter im Alltag verwendet (vgl. Müller et al. 2011, 116).

Der Integrationsvorgang neuer Entlehnungen in eine Sprache geschieht Gregor (1983)

zufolge in drei Phasen: Bi- oder Multilinguale äussern in einem ansonsten einsprachigen

Beitrag ein fremdes Wort (mehrsprachige Integrationsphase), welches im Laufe der Zeit

nicht nur von anderen Bi- oder Multilingualen, sondern auch von Monolingualen ver-

mehrt verwendet wird (mehrsprachig-monolinguale Integrationsphase), „bis schliesslich

vorwiegend monolinguale Sprecher diese[s] [Wort] verwenden“, als ob es ein

75 Aufgrund der medialen Schriftlichkeit von WhatsApp-Mitteilungen können phonologische Integrationen in meinen Belegen nicht beobachtet werden.

Page 51: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

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muttersprachliches sei (monolinguale Integrationsphase)(Rothe 2012, 16f.), wie z. B.

das ursprünglich englische Wort ‚Chat’. Nachdem ein Lehnwort nach dem

„Integrationsprozess einen etablierten Status in der nehmersprachlichen

Sprachgemeinschaft“ erlangt hat (Rothe 2012, 17), wird es in die heimischen

Wörterbücher aufgenommen; danach ist solch eine etablierte lexikalische Entlehnung

der Sprechermehrheit „der monolingualen nehmersprachlichen Sprachgemeinschaft

bekannt“ und wird verhältnismässig oft verwendet (Rothe 2012, 18). Hierzu zwei

Beispiele aus meinem Entlehnungs-Subkorpus. Das Beispiel (16) zeigt einen

Germanismus, während das Beispiel (17) einen Turzismus im Serbischen illustriert:

(16) 5.4.12. / 12:17:27 Snezana Sto su ovi gastarbeiteri oberljakse 76 neverovatno..

Fremdschämen isch agseit ‚Was für ‚Ober-Bauern’ diese Gastarbeiter doch sind,

unglaublich.. Fremdschämen steht auf dem Tagesprogramm’

(17) 5.9.11. / 23:27:32 Dragana taman kad se vratim us dä ferie ‚Gerade dann, wenn ich aus den Ferien zurückkomme’

Das (schweizer-)deutsche Wort ‚Gastarbeiter’ im Beispiel (16) gilt im Serbischen schon

seit längerer Zeit als aus dem Deutschen entlehntes Lehnwort, ein sogenannter

Germanismus77. Da Snežana den ersten Satz komplett im Serbischen wiedergibt, mar-

kiert sie den Plural des Lehnwortes auch mit dem serbischen Suffix -i (Nom. Pl.). Die-

ses Substantiv würde auf Serbisch jedoch folgendermassen korrekt verschriftet werden:

‚gastarbajteri’; da uns die deutsche Verschriftung des <ei> jedoch sehr beeinflusst,

verschriftet Snežana es nach der deutschen Orthographie, anstatt nach der serbischen

(mit <aj>).

Das serbische taman im Beispiel (17) hingegen ist ein türkisches Lehnwort, das zur Zeit

der osmanischen Besetzung Serbiens in den serbischen Wortschatz aufgenommen

wurde und das eigentlich vom türkischen ‚tamam’ (‚abgemacht, fertig, einverstanden’)

stammt. Im Serbischen wird es jedoch mit der Bedeutung ‚genau, gerade (eben), pas-

send’ benutzt.

76 Die kreative Neubildung „oberljakse“ besteht aus zwei Morphemen: dem ersten, (schweizer-)deutschen „ober“ und dem serbischen Wortspiel „ljakse“, welches die Invertierung der Silben „se-„ und „ljak“ darstellt. Das serbische Wort ‚seljak’ entspricht dem deutschen ‚Bauer’ (CH-Deutsch ‚buur’); somit ergibt sich die Ad-hoc-Entlehnung „oberseljak“, die wörtlich als ‚Oberbauer’ übersetzt werden kann. Hierbei handelt es sich aber nicht um eine im Freundeskreis bereits bekannte Ad-hoc-Entlehnung, weshalb ich auch nachfragen musste. Solche Silbeninvertierungswortspiele wurden bereits von unseren Eltern im Jugendalter gemacht und werden auch heute noch benutzt, wobei im Kreise von Migrierten dazu nun auch die zweite Muttersprache benutzt wird. 77 Weitere Informationen zu Germanismen im Serbischen in: Golubović (2007).

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51

Daneben produzieren Bilinguale auch spontan (sprich: aus dem Stegreif), aus einer

anderen Sprache entlehnte Wörter, die in dieser Form nicht in der Sprechergemeinschaft

bekannt oder verbreitet sind und daher Ad-hoc-Entlehnungen genannt werden (engl.

‚nonce borrowing’) (vgl. Rothe 2012, 18; 34). Da Ad-hoc-Entlehnungen aber meistens

spontane Äusserungen – also Performanzphänomene – darstellen, kommt es öfters vor,

dass sie nur einmal verwendet werden (vgl. Rothe 2012, 34; 18). Rothe spricht auch

davon, dass sie „mit einer Häufigkeit von weniger als fünf Prozent auftreten“ (Rothe

2012, 19). Bilinguale greifen vor allem in Fällen von Wortfindungsschwierigkeiten auf

solche spontanen Ad-hoc-Entlehnungen zurück (vgl. Müller et al. 2011, 111). Meines

Erachtens geschieht dies jedoch auch oft bei humorvollen Sprachwechseln und

bewussten Wortspielen.

Ad-hoc-Entlehnungen und Code-Switching unterscheiden sich auf morphosyntaktischer

Ebene darin, dass „Ad-hoc-Entlehnungen morphologisch, syntaktisch und manchmal

phonologisch 78 in die Nehmersprache integriert sind, Code-Switching jedoch

nicht“ (Rothe 2012, 35; vgl. Auer 1999, 316f.). So findet man bei Ad-hoc-Entlehnungen

– im Gegensatz zu Code-Switching – folgende Beispiele, wo wortintern an einer

Morphemgrenze gewechselt wird, sodass sie morphosyntaktisch in die andere Sprache

integriert werden:

(18) 7.9.11. / 22:19:37 Snezana Lepo kaze majka ako mene neko ne verkupla necu nikad

nac79 decka – het scho was… ‚Wie meine Mutter so schön sagt: Wenn mich nicht je-

mand verkuppelt, werde ich nie einen Freund finden – hat schon was…’

(19)

16.11.11. / 13:15:24 Dragana samo se ti schützaj... ‚Schütz’ du dich ruhig nur…’

Im Beispiel (18) kann man davon ausgehen, dass Snežana – die ihren Satz auf Serbisch

beginnt – in diesem Moment das serbische Äquivalent zum deutschen ‚verkuppeln’

(umgangsspr. serb. ‚spanđati’) gerade nicht gefunden hat, da es vielleicht lediglich in

ihrem passiven Wortschatz gespeichert ist, aber nicht aktiv von ihr genutzt wird. Eine

andere Möglichkeit besteht darin, dass sie die serbische Entsprechung allenfalls gar

nicht kennt; soweit ich mich erinnern kann, habe ich Snežana weder mündlich noch 78 Vgl. dazu auch den Artikel Stanisavljevićs (2010), wo mündlich gehaltene Konversationen auf BKS und Deutsch aufgenommen und untersucht wurden; darin lassen sich auch phonologisch integrierte Entlehnungen auffinden, welche in der vorliegenden Arbeit aufgrund der schriftlichen Produktion nicht untersucht werden konnten. 79 Das kroatische ‚nać’ (dt. ‚finden’) entspricht dem serbischen ‚naći’.

Page 53: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

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schriftlich dieses Wort benutzen gehört – allerdings wird dieses Wort im ganzen

WhatsApp-Chatverlauf von keiner einzigen der Chatteilnehmerinnen benutzt. Snežana

umgeht die Wortfindungsschwierigkeit jedenfalls damit, dass sie an den schweizerdeut-

schen Verbstamm ‚verkuppl-‚ (CH. Inf. ‚verkupple’) das serbische flektierte Verbsuffix

-a (für 3. Pers. Sg.) anhängt und diese Ad-hoc-Entlehnung so in die serbische Verbal-

phrase integriert. Interessant ist dabei, dass sie beim Integrationsprozess auch serbische

Orthographieregeln beachtet, indem sie das ‚Doppel-p’ des Verbstamms ‚verkuppl-‚ auf

ein einziges -p- reduziert, da es im Serbischen keine Doppelkonsonanten gibt.

Im Beispiel (19) ist der Grund der Ad-hoc-Entlehnung hingegen ein anderer. Dragana

nimmt zuerst aus Snežanas zuvor gesendeter Mitteilung (16.11.11. / 13:13:02: Snezana:

Was? Reine selbstschutz? […]) das Morphem –schutz wieder auf, formt daraus das

schweizerdeutsche Verb ‚schütze’ und hängt anschliessend das serbische flektierte

Verbsuffix -aj (für 2. Pers. Sg.) an. Dies tut sie, um Snežanas Selbstschutz vor zukünfti-

gem Liebeskummer auf Serbisch zu kommentieren. Obgleich Dragana das serbische

Wort für ‚schützen’ (serb. ‚štititi') bestimmt kennt und es sicherlich zu ihrem aktiven

Wortschatz gehört, entscheidet sie sich dafür, das zuvor geäusserte Wort

wiederaufzugreifen und daraus eine Ad-hoc-Entlehnung zu bilden, welche sie

morphosyntaktisch in ihre serbische Äusserung integriert.

Obwohl solche Ad-hoc-Entlehnungen relativ häufig vorkommen können, ist hinzuzufü-

gen, dass solch eine „Kategorisierung von wortinternen Sprachmischungen […] und die

Frage, ob Sprachmischungen zwischen freien und gebundenen Morphemen möglich

sind, [zu] […] den strittigsten Punkten in der Sprachmischungsforschung“ gehören (Ro-

the 2012, 27). Ungeachtet der grammatikalischen Restriktionen, solche Sprachmischun-

gen zu bilden, werden sie tagtäglich von Bilingualen, wie auch Monolingualen,

hervorgebracht. So gehören zu den Ad-hoc-Entlehnungen auch die heutzutage oft in

Chat- und IM-Nachrichten verwendeten jugendsprachlichen Ausdrücke, die „aus einem

englischen Verbstamm und einer schweizerdeutschen [Infinitivendung], wie chatte,

sounde, phone“ gebildet werden (Dürscheid/Wagner/Brommer 2010, 135); Dürscheid,

Wagner und Brommer haben dieses Sprachphänomen in ihrer Publikation zwar nicht

mit dem Terminus ‚Ad-hoc-Entlehnung’ benannt, dennoch würde ich es der obigen

Definition zufolge als solches klassifizieren.

Die Verwendung von Entlehnungen kann zudem dazu führen, dass auch weitere Wörter

der Gebersprache in die Äusserung aufgenommen werden; in solch einem Fall triggert

die benutzte Gebersprache der Ad-hoc-Entlehnung die Fortsetzung der Äusserung in

Page 54: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

53

derselben (vgl. Auer 1998, 17; 20). Dies zeigt auch folgendes Beispiel aus meinem

Subkorpus der Ad-hoc-Entlehnungen:

(20) 6.1.12. / 21:19:59 Snezana E ako idete na tankstellu wär i für zigis dankbar ako ne

nista ‚Hey, falls ihr zur Tankstelle geht, wäre ich für Zigaretten

dankbar, wenn nicht, egal’ Snežana beginnt ihren Beitrag auf Serbisch, fügt die Ad-hoc-Entlehnung tankstellu mit

dem angehängten Deklinationssuffix -u (Lokativ Sg.80) ein, um in diesem Teilsatz der

serbischen Grammatik gerecht zu werden. Daran anschliessend wird sie aber durch das

(schweizer-)deutsche Wort ‚Tankstelle’81 veranlasst bis zum nächsten Nebensatz in der

Gebersprache fortzufahren; danach switcht sie an der Teilsatzgrenze wieder zurück ins

Serbische, um den Bedingungssatz hervorzuheben. Allein in dieser Äusserung lassen

sich also ein intersentenzielles CS (unterstrichen) und eine Ad-hoc-Entlehnung (fett /

kursiv) finden. Auer zufolge werden vor allem Nomen entlehnt, wobei oft auch be-

stimmte und unbestimmte Artikel mitentlehnt werden (vgl. Auer 1999, 316-317; vgl.

Schlund 2003, 11); da das Serbische jedoch über keine bestimmte Artikel verfügt, wel-

che es mit sich führt,82 bedarf es auch keiner Entlehnung. In meinem eigenen Subkorpus

der echten Entlehnungen sieht es bezüglich entlehnter Nomen jedoch ein wenig anders

aus: Es wurden lediglich elf entlehnte Substantive gefunden; die Mehrzahl machen Ver-

ben aus, welche insgesamt dreizehn Mal vertreten sind. Zusammenfassend kann man

jedoch sagen, dass ausschliesslich die Autosemantika, Substantiv und Verb, entlehnt

wurden.

80 Das Serbische verfügt über sieben Fälle: Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ, Vokativ, Instrumental und Lokativ. Die serbischen Fälle Instrumental und der Lokativ sind mit dem lateinischen Ablativus instrumentalis und dem Ablativus loci (Lokativ) vergleichbar (vgl. Mišeska Tomić 2006, 108). 81 Bei einer späteren Anfrage antwortete Snežana, dass sie das schweizerdeutsche Wort deshalb benutze, weil es kürzer und somit weniger umständlich zu tippen ist, als das serbische Äquivalent ‚benzinska pumpa’, das sie natürlich auch kennt. 82 Man kann die Idiome BKS als Null-Artikel-Sprachen bezeichnen, da zur Markierung des Genus, Numerus und Kasus das morphologisch markierte Flexionssuffix an ein Substantiv, Pronomen oder Adjektiv angehängt wird und daher keine bestimmten Artikel vonnöten sind. In der Regel enden die Feminina im Nom. Sg. immer auf -a, die Neutra auf -e oder -o und die Maskulina auf einen Konsonanten; in den Fällen Genitiv, Dativ, Akkusativ, Lokativ, Vokativ und Instrumental nehmen die Flexionssuffixe wiederum eine andere Form an. Auch die unbestimmten Artikel, die im Serbischen eher als Numerale genutzt werden, werden oft nicht benutzt, z. B. ‚(Ja) imam sina.’ (Dt. ‚(Ich) habe (einen) Sohn.’); das ‚ja’ (‚ich’) wurde ausgeklammert, da das Personalpronomen nur benutzt wird, wenn man eine Person hervorheben will (vgl. Mišeska Tomić 2006, 108-118).

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4.5 Language Crossing

Im Gegensatz zum Code-Switching, bei dem Bilinguale in einer Konversation zwischen

den beherrschten Sprachen hin- und wieder zurückwechseln, handelt es sich beim

Language Crossing83 – auch schlicht ‚Crossing’ genannt – um ein etwas spezielleres

Sprachkontaktphänomen, nämlich um „das sprachliche Überqueren einer ethnisch-

sozialen Grenze“ (Androutsopoulos 2003, 5). Der Terminus wurde von Ben Rampton

geprägt und beinhaltet folgendes: Im Falle von Crossing bedient sich ein Sprecher eines

fremden Sprechstils – einer sogenannten ‚fremden Stimme’ –, mit der er sich selbst

nicht identifiziert und die ansonsten für eine andere soziale oder ethnische Gruppe

typisch ist, welcher er nicht angehört (vgl. Androutsopoulos 2003, 9; vgl. ders. 2001, 4f.,

10; vgl. Rampton 1995, 14f.; vgl. Rampton 1997, 291).84 Diese Sprechstile werden auch

als Ethnolekte oder ethnolektale Varietäten bezeichnet (vgl. Androutsopoulos 2001, 3).

In Anlehnung an Androutsopoulos (vgl. 2003, 11) bezeichne ich in der vorliegenden

Arbeit das Language Crossing als ein vom (intra-ethnischen) Code-Switching

gesondertes, inter-ethnisches Interaktionsphänomen, welches sich durch einen

„metaphorischen Wechsel“ im Sprechstil auszeichnet (Androutsopoulos 2003, 10f.; vgl.

ebd. 30).

‚Aussenstehende’ – vor allem Jugendliche und junge Erwachsene – eignen sich den

Ethnolekt in ihrer Freizeit entweder direkt von Migrantenjugendlichen (Freunden,

Schulkameraden, Arbeitskollegen) oder durch die Rezeption von Medien an, die densel-

ben „propagieren, sichtbar und verfügbar machen“ (Androutsopoulos 2001, 14; vgl.

ebd., 3; 12f.; vgl. Hinnenkamp 2005, 94). Crossing taucht in ganz verschiedenen For-

men auf; einige Beispiele dafür sind: „ethnisch markierte Varietäten der Mehrheitssprache“85, wie der in Deutschland

verbreitete Ethnolekt ‚Türkendeutsch’, der von Anderssprachigen nachgeahmt

wird (Androutsopoulos 2003, 14; vgl. ders. 2001, 1; vgl. ders. 2003, 21)86

83 Zu Deutsch ‚sprachliche Kreuzung’ (vgl. Androutsopoulos 2003). 84 Für einige könnten hierbei auch die in der Literatur geläufigen Stichworte des ‚Borgens von Stimmen’ oder der ‚Bricolage’ ein Begriff für dieses jugendsprachliche Phänomen sein (vgl. Androutsopoulos 2001, 15; vgl. ders. 2003, 12; vgl. Dürscheid 2010, 20). 85 Solche Ethnolekte werden durch typische muttersprachliche „lautliche, prosodische, lexikalische [und] grammatische Besonderheiten“ markiert (Androutsopoulos 2003, Fussnote 11). 86 Für konkrete Merkmale des ‚Türkendeutsch’, wie z.B. den Akzent oder „die Koronalisierung des stimmlosen palatalen Frikativs (z.B. ich > isch)“, siehe Androutsopoulos 2001, 3-4. Solche Ethnolekte der Migrantenjugendlichen sind nicht mit dem ‚Gastarbeiterdeutsch’ der 1. Migrantengeneration identisch (vgl. Androutsopoulos 2011, 4).

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die Verwendung oder Nachahmung der „Lernervarietäten der ersten

Migrantengeneration“ (sogenanntes stilisiertes ‚Gastarbeiterdeutsch’) (ders. 2003,

14)

durch verschiedene Medien verbreitete, stilisierte Varietäten des ‚Türkendeutsch’

oder der ’Kanaksprak’, die zwar von den Sprechern dieser ethnischen Gruppen

inspiriert sind, jedoch weiter verarbeitet wurden und anschliessend von

Medienrezipienten angeeignet und im Alltag reproduziert werden (z. B. „in Co-

medy- und Radio-Shows87, Songtexten und Romanen, Werbespots und Filmen,

Talkshows und Comic-Strips, Web-Seiten, [YouTube] und anderen Medien“)

(ders. 2001, 1; vgl. ders. 2003, 14)

der v.a. in den USA moderne (und z. T. prestigeträchtige) Gebrauch des

afroamerikanischen Englisch, der „die Stereotype von der Strassenkultur und dem

Leben der ‚Gangs’ in grossstädischen Ghettos“ vermittelt (ders. 2003, 21; vgl.

ebd., 13)

ebenfalls in den USA verwendetes „Mock Spanish“, d. h. der unterhaltende oder

diskriminierende „Gebrauch des karikierten Spanisch“ (Androutsopoulos 2003, 19,

25; vgl. ders. 2001, 12; vgl. Hill 1995)

aber auch „die scherzhafte Nachahmung fremder Dialekte und Sozio-

lekte“ (Androutsopoulos 2003, Fussnote 12) So benutzen türkische Migrantenjugendliche und junge Erwachsene der 2. und 3.

Migrantengeneration ihren eigenen Ethnolekt meist bewusst und nur in ganz spezifi-

schen Situationen (vgl. Androutsopoulos 2001, 4). Migrantenjugendliche verfügen

natürlich aber auch über andere Register und Varietäten – wie Standarddeutsch, einen

bestimmten Dialekt, Jugendsprache, ein stilisiertes ‚Gastarbeiterdeutsch’, einen durch

Code-Switching geprägten Mischstil etc. – zwischen welchen sie „je nach pragmati-

schen Anforderungen“ wechseln können (Androutsopoulos 2001, 4); dasselbe gilt auch

für meine am ‚Girls’-Chat beteiligten Freundinnen und mich.

Einheimische Jugendliche benutzen Crossing nicht nur in ernsten Konfliktsituationen,

sondern auch „in spielerischen Anmachen“ und zur scherzhaften Unterhaltung, indem

sie den ethnolektalen Akzent und Sprechstil von Migrantenjugendlichen nachahmen

(Androutsopoulos 2001, 5). Dieses Phänomen habe ich auch in der Schweiz beobachtet,

87 Z. B. die Comedy-Shows „Erkan und Stefan“ oder „Was guckst du?“.

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wo vor allem die Ethnolekte von Balkanstämmigen und türkischen Migrantenjugendli-

chen nachgeahmt werden.

Was die mediale Stilisierung ethnolektaler Sprechstile in der Schweiz betrifft, kann man

auf diverse YouTube-Videoclips verweisen, die erstens nicht nur einen balkan-

schweizerischen Ethnolekt parodieren, sondern oft auch gleichzeitig bestimmte Sequen-

zen aus Hollywood-Filmen, wie ‚The Fantastic Four’, ‚Under Siege’ oder aus dem

Zeichentrick ‚Spongebob’.88 Dass in vielen dieser Videoclips ein spezifisch albanisch-

schweizerischer Ethnolekt nachgeahmt wird, wird daran erkenntlich, dass den

Hauptdarstellern albanische Vornamen gegeben wurden und dass bei Verwendung von

Fluchwörtern Code-Switches ins Albanische stattfinden. Diese Videos sind meines Wis-

sens unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen weitbekannt und derart beliebt, dass

einzelne Äusserungen daraus im Alltag als Phraseologismen wiedergegeben, aber oft

auch spielerisch-kreativ zu sogenannten ‚Running Gags’ und neuen Kultausdrücken mit

bewusst gesetzten grammatikalischen Fehlern umgeformt werden; Beispiele dazu

befinden sich auf der Seite 58.

Die Äusserungen in solchen parodistischen Clips sind teilweise erfunden, aber vom

realen ethnolektalen Sprechstil Migrantenjugendlicher inspiriert. Zum Teil befinden

sich darunter aber auch eins-zu-eins-Übernahmen aus echten balkan-schweizerischen

ethnolektal gefärbten, sprachlichen Beiträgen, die in Talkshows oder Interviews vorge-

bracht wurden (konkrete Beispiele weiter unten). In einigen anderen Videoclips erwei-

sen sich die Hauptdarsteller als Entertainer, indem sie sogar ihre eigene Ethnie auf der

Meta-Ebene parodieren, wobei der Ethnolekt oft in übertriebener Form wiedergegeben

wird. 89 Aufgrund des Wiedererkennungscharakters und des gemeinsamen

Erfahrungshorizonts bringen diese Clips nicht nur Schweizer Jugendliche, sondern auch

Migrantenjugendliche derselben Ethnie zum Lachen.

Die Aneignung begrenzt sich meist auf wenige übernommene Wörter und Wendungen,

die zu jugendsprachlichen Phraseologismen mit Kultcharakter wurden, wobei bei

unterhaltenden Showeinlagen im Alltag auf eine durchgehend „typische[] phonetische[]

und prosodische[] Realisierung“ geachtet wird (Androutsopoulos 2001, 10). Zum me-

dial weitervermittelten balkan-schweizerischen ethnolektalen Sprechstil, der seine 88 Vor allem die YouTube-Clips des Abonnementanbieters ‚Sputim’ mit den folgenden Titeln sind populär: ‚Fantastic Kleshtrimania Part 1’ (Netlink 10 <20.10.2014>), ‚Kleshtrimania Part 2’ (Netlink 11 <20.10.2014>), ‚Kleshtrimania Under Siege’ (Netlink 12 <20.10.2014>), ‚300 Sputim’ (Netlink 13 <20.10.2014>), und ‚Spongetrim Budalkopf Episode 1-4’ (Netlink 14 <20.10.2014>). 89 Siehe z. B. ‚Die Integrationspille’ (Netlink 15 <20.10.2014>) oder ‚10 Dinge, die Sie nicht tun sollten, wenn Sie den Schweizerpass möchten’ (Netlink 16 <20.10.2014>).

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57

Merkmale aus dem realen Ethnolekt schöpft und unter Schweizern und

Migrantenjugendlichen heute in Form von Crossing weit verbreitet ist, gehören die

folgenden Merkmale: auf der phonetischen / phonologischen Ebene: sowohl ein gerolltes, wie auch ein

stimmhaft alveolares, albanisches /r/ (wie im Englischen [ɹ]), wobei durch die

Verbreitung der YouTube-Clips innerhalb vom Freundeskreis heute vermehrt das

stimmhaft alveolare [ɹ] benutzt wird, welches vor allem im kosovarischen Alba-

nisch auftaucht; die häufige Verwendung des stimmhaften lateralen palatalen,

albanischen Approximanten [ʎ] (graphisch: <lj>) anstelle des einfachen alveolaren

[l]90

auf der morphosyntaktischen Ebene: „Weglassen von Artikeln […] und

Präpositionen in Phrasen der Richtung und des Ortes“ (Androutsopoulos 2001, 4),

wie z. B. in ej mir müend Schuel, Kolleg, Mann 91 (‚Ey wir müssen Schule,

Kollege, Mann’); gömer Migros? (‚Gehen wir Migros?’); häsch Problem oder

so?92 (‚Hast du Problem oder so?’)

auf der lexikalischen und diskursorganisatorischen Ebene: häufig benutzte

Diskursmarker und Intensivierer, wie weisch (du) (‚weisst du’); verstohsch93 (‚ver-

stehst du’); (ich) schwör; (voll) krass; Mann; serb. und alb. ajde (‚komm schon’,

‚los’); serb. bre (‚Mann’); alb. nonen94(‚Mutter’)

auf der phraseologische Ebene: Kultausdrücke und ‚Running Gags’ wie, das isch

di gröschti Afiggerei95 (‚Das ist die grösste Beleidigung’); s’Beschte wo je het’s

git’s (Das Beste, das es je gegeben hat) oder chas git’s96 (‚Kann’s geben’); Alles,

alles tuet’s mir weh97 (‚Alles, alles tut mir weh’); chill de lebe98 (‚Geniess das Le-

90 Wie in den folgenden beiden Turns: 3.4.12./19.17.29: Snezana: Haha so ljustig (‚Haha, so lustig ’); 31.1.12. 13.19.15: Snezana: I wot au ljuege drum i brüelje (‚Ich will auch schauen, darum weine ich’). 91 Eine reale Äusserung eines Migrantenjugendlichen während einem Interview: YouTube-Clip ‚s’beschte wos je hets gits & co.’ (Netlink 17 <20.10.2014>). 92 Ein real geäusserter Beitrag, der zum jugendsprachlichen Phraseologismus wurde; ursprünglich aus der 90er-Jahre-Talkshow „Forler Live“ des Schweizer Privatsenders TV3 mit dem Thema ’Jugend und Gewalt’ (auf YouTube in gekürzter Form unter ‚Osman – Best of’ (Netlink 18 <20.10.2014>). 93 Netlink 18 <20.10.2014>. 94 Netlink 14 <20.10.2014>. 95 Netlink 18 <20.10.2014>. 96 Dieser real während eines Interviews mit Telebasel (Sendung: mash tv) geäusserte Kultausdruck wurde zudem in einem eigens dafür gestalteten Beitrag von Tele Züri – weiter thematisiert. Dabei wurden die Jugendlichen danach gefragt, ob sie ihn kennen: Alle Gefragten kannten ihn und beendeten den vom Interviewer begonnen Satz unverzüglich. Auch Erwachsene und Senioren wurden damit konfrontiert, um herauszufinden, was diese davon halten (Netlink 19 <20.10.2014>); siehe auch Netlink 17 <20.10.2014>. 97 Eine reale Äusserung eines türkischen Migranten, über welchen ein Beitrag auf Tele Züri veröffentlicht wurde(Netlink 20 <20.10.2014>).

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58

ben’ / ‚beruhige dich’); was lauft, man?99 (‚Was läuft’ / ‚Was geht, Mann?’); sorry,

wotsch du min Fötli ha?100 (‚Sorry, willst du mein Foto haben?’); in Liäbi oder

auch ims Liäbi101 (‚in Liebe’ / ‚verliebt’)

Vergleichbare Crossing-Beispiele sind, wie oben bereits erwähnt, die Nachahmung des

‚Gastarbeiterdeutsch’102, welches sich durch „Tilgungen von Artikeln, Präpositionen,

Kopulaverb und Verbalflexion, Infinitivformen, Negation mit vorangestelltem nix [Bsp.

21 & 22] sowie machen-Konstruktionen (z. B. Disziplin machen statt ‚disziplinie-

ren’)“ (Androutsopoulos 2003, 17f.) und durch die Entlabialisierung von Umlauten (ö >

e / ü > i / ä > e)(Bsp. 24) auszeichnet. Dies lässt sich gut an den folgenden Beispielen

aus meinem Crossing-Subkorpus aufzeigen, in welchen das Gastarbeiterdeutsch immer

spasseshalber benutzt wurde:

(21) 5.10.11. / 19:50:13 Jelena Jeli nix verstehn ‚Jeli versteht nichts.’

(22)

5.10.11. / 19:52:35 Snezana Snezana kennt nix komma ‚Snezana kennt keine Kommas.’

(23)

11.10.11. / 13:42:47 Jelena Dankescheeen! :) ‚Dankeschööön! :)’

(24)

3.2.12. / 19:30:48 Dragana i h habe fertig mit schaffe :) ‚Ich bin fertig mit Arbeiten :)’

(25)

4.2.12. / 19:33:41 Snezana Guckst du jutube :) ‚Schau auf YouTube :)’

Es wurde aber auch die scherzhafte Imitation von Menschen, welche beispielsweise die

Fremdsprache Englisch mündlich oder schriftlich nicht gut beherrschen (‚Mock

English’) im Korpus aufgefunden: z. B. die Akzentnachahmung von ungeübten, vorwie-

gend Deutschsprachigen, die den stimmlosen englische /th/-Laut nicht korrekt als [θ],

sondern als [s] aussprechen, wie im Beispiel (26) aus meinem WhatsApp-Subkorpus

‚Crossing’: 98 Netlink 17 <20.10.2014>). 99 Netlink 18 <20.10.2014>. 100 Netlink 18 <20.10.2014>. 101 Wahrscheinlich ein erfundener parodistischer Beitrag, der unter Jugendlichen in der Schweiz dank medialer Verbreitung im Freundeskreis weitbekannt wurde und rege reproduziert wird (Netlink 10 <20.10.2014>). 102 Weiterführende Literatur zum ‚Gastarbeiterdeutsch’: Keim, Inken (2002).

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59

(26) 1.2.12. / 10:24:15 Dragana i dont sink so :) ‘Das denke ich nicht :)

Da man auf der Ebene der schriftbasierten Kommunikation jedoch ohne „die

phonetischprosodische Komponete ethnolektaler Stile auskommen“ muss, benutzt man

zur Verdeutlichung oft „orthographische Verfremdungen“, um die fingierte Äusserung

als diejenige eines Sprechers, der die Fremdsprache nur sehr schlecht beherrscht,

erscheinen zu lassen (Androutsopoulos 2001, 9).

Interessant ist vor allem, dass solche Phraseologismen, wie oben vorgestellt, während

einer In-Group-Konversation meist durch lexikalisches oder thematisches

„Triggering“ ausgelöst werden (vgl. Androutsopoulos 2001, 11), wie im Beispiel (27):

(27) 26.11.11. / 14:15:48 Snezana Siri isch mis hirni sbeschte wos je hets gits, leider het sie

kei gfühl aber sie schnallt wenn mer sie beleidigt ‚Siri ist mein Gehirn. Das Beste, das es je gegeben hat!

Leider hat sie keine Gefühle, aber sie versteht es, wenn man sie beleidigt’

In diesem Beitrag benutzt Snežana den damals noch aufgrund seiner medialen Aktuali-

tät immer noch hochmodernen Phraseologismus103, um die neue iPhone-Funktion der

Sprachsteuerung (genannt ‚Siri’) zu beschreiben. Um diese Software als ‚das Beste’ zu

bezeichnen, greift sie also aufgrund des thematischen Triggerings auf diesen ethnolekta-

len Kultausdruck zurück. Wie Dürscheid in ihrem gleichnamigen Forschungsaufsatz

bereits erläuterte, enthält der Phraseologismus jedoch „mehrere Grammatikfehler: Das

Subjektpronomen es wird dreifach verwendet (wo-s je het-s git-s) und die Wortstellung

ist markiert“ (Dürscheid 2010, 20); doch genau diese Grammatikfehler machten es zum

Kultausdruck, der sich grösster Beliebtheit erfreut.

Androutsopoulos schreibt, dass Crossing „oft von der umgebenden Rede formal abge-

setzt [wird], und zwar entweder prosodisch durch Tempo, Lautstärke, Tonhöhe oder

veränderte Artikulation, oder metapragmatisch, z. B. durch Zitatmar-

ker“ (Androutsopoulos 2003, 16). Crossing kann in der schriftbasierten Kommunikation

lediglich durch Anführungs- und Schlusszeichen markiert werden, jedoch wurde dies im

untersuchten WhatsApp-Chat in keinem Turn, der Crossing enthielt, unternommen, da

die Freundinnen genau wissen, welche Kultausdrücke den anderen beiden bekannt sind.

Crossing wird, wie es scheint, vor allem „aus Spass“, Ironie, Parodie und Lust am

Sprachspiel, zur Aufhellung der informellen Konversation in scherzhaften und unerns-

103 Er wurde im Jahr 2009 sogar zum „Schweizer Jugendwort des Jahres“ (Dürscheid 2010, 20).

Page 61: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

60

ten Äusserungen oder in Smalltalk eingesetzt, um die Gesprächsteilnehmer zum Lachen

zu bringen (Androutsopoulos 2001, 12; vgl. ebd., 14; vgl. ders. 2003, 23).104 Es wird

aber nicht in Gegenwart von „Sprechern mit offensichtlich imperfekter Deutsch-

Kompetenz“ (Androutsopoulos 2001, 11), Fremden und Erwachsenen, die nicht zu die-

ser Peergroup gehören, gebraucht.105 Zu dieser multiethnischen Sprechergemeinschaft

gehört man zudem nur, wenn man dasselbe Wissen über reale Ethnolekte und aktuelle

ethnolektal gefärbte Medien teilt und somit einen „gemeinsamen Erfahrungshinter-

grund“ aufweist (Androutsopoulos 2001, 13; vgl. ders. 2003, 25).

Verwendet man als Anderssprachiger jedoch den Ethnolekt „gegenüber seinen

‚Eigentümern’“, kann dies in der konkret vorliegenden Situation durchaus als

diskriminierend aufgefasst werden und zu Konflikten führen. Da ich aber selbst höchst

selten bemerkt habe, dass solch eine Nachahmung als Provokation oder Diskriminie-

rung empfunden wurde, gehe ich vorerst davon aus, dass Crossing unter Jugendlichen in

der Schweiz ein Trend ist, der mehrheitlich mit Humor verbunden ist, was

Androutsopoulos zufolge auch für Deutschland zutrifft (vgl. 2001, 11; vgl. 2003, 24).

4.6 Motivationen und Funktionen von Sprachmischungen

Auer zufolge gilt konversationelles Code-Switching – im Gegensatz zu Code Mixing –

als lokal bedeutsam. Die einzelnen Sprachwechsel haben also eine interaktive Bedeu-

tung, eine bestimmte pragmatische Funktion und bieten dem Gesprächspartner

Kontextualisierungshinweise für die Interpretation der Äusserung (vgl. Auer 1999, 315;

vgl. Auer 1998, 15f.). Daher stellen sich Forscher von Sprachmischungsphänomenen

immer wieder die folgenden Fragen: Welche Diskursfunktionen erfüllt der alternierende

Gebrauch zweier oder mehrer Sprachen? Bei welchen Aktivitäten – also in welchen

Gesprächskontexten – neigen Bilinguale zu Code-Switching und weshalb (vgl. Auer

1995, 119f.; vgl. Müller et al. 2011, 188)? Diesen Fragen möchte ich in diesem Kapitel

nachgehen.

104 Vgl. auch Netlink 21 <20.10.2014>. 105 Daneben hat jedoch Hill (1995) den Gebrauch des sogenannten ‚Mock Spanish’ untersucht, wobei sie zum Schluss kam, dass dieser Ethnolekt durchaus auch zur „ethnischen Diskriminierung“ benutzt wird und einen verdeckten Rassismus in sich birgt (Androutsopoulos 2001, 12; vgl. Androutsopoulos 2003, 24f.). Ben Rampton hingegen ist der Meinung, dass sich die Jugendlichen durch das spielerische Crossing interethnisch annähern und es somit eben nicht zur erwarteten Diskriminierung kommt (vgl. Rampton 1995, 21; vgl. Androutsopoulos 2003, 10).

Page 62: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

61

Dazu haben Forscher, die sich mit Sprachmischungsphänomenen beschäftigen, einige

funktionale Punkte („conversational loci“, Auer 1995, 120) in bilingualen Konversatio-

nen ausfindig gemacht, an denen konversationelles CS häufig vorkommt; daneben wur-

den auch Motivationen und Funktionen für das CS gesammelt. Auers Liste von Fakto-

ren, die für das Auftreten von Sprachmischungen verantwortlich sind, wurde ursprüng-

lich im Zusammenhang mit der mündlichen Face-to-Face-Kommunikation ausgearbeitet

und ist, ihm zufolge, noch nicht vollendet, da es theoretisch unzählig viele verschiedene

Kontexte und damit verbundene interaktionale Bedeutungen des CS gibt (vgl. Auer

1995, 121; vgl. Auer 1999, 312).

Für die schriftbasierte CVK hingegen – wie z. B. über SMS, IM oder WhatsApp –

wurde noch keine generell akzeptierte Methodik zur Analyse der Funktionen des

schriftlichen CS entwickelt (vgl. Androutsopoulos 2013, 667; 668). Daher greifen For-

scher, die sich mit CS in schriftbasierter CVK befassen, immer noch auf die klassischen

funktionalen Kategorien des CS, die ursprünglich für die Analyse von mündlich getätig-

tem CS entwickelt wurden, zurück (vgl. Androutsopoulos 2013, 668; vgl. Morel et al.

2012, 262; vgl. Siebenhaar 2006a, 487). Somit steht also eine Ausarbeitung der

Funktionen und Motivationen des schriftbasierten CS noch an. Androutsopoulos machte

einen ersten Schritt in diese Richtung und listete in seinem Artikel (2013) einige weitere

Diskursfunktionen des CS in schriftbasierter CVK auf. Diese enthalten – da sich CS im

dialogischen Kontext schriftlich ähnlich niederschlägt wie in der Face-to-Face-

Kommunikation – auch einige Punkte, die bereits Auer für die mündliche Kommunika-

tion aufgeführt hat (vgl. Androutsopoulos 2013, 681; 684; vgl. Androutsopoulos 2006,

185-188; vgl. Paolillo/ Zelenkauskaite 2013, 122; vgl. Siebenhaar 2005, 18). Die

nachfolgende Liste stellt eine Sammlung der Motivationen und Funktionen, die für das

mündliche wie auch schriftliche CS verantwortlich sind; sie basiert auf mehreren

Forschungsaufsätzen.106 Switching kann diesen wissenschaftlichen Untersuchungen zu-

folge vorkommen:

1) um die indirekte oder erzählte Rede sowie originalgetreue Zitate zu markieren

2) nach einem Wechsel in der Konstellation der Gesprächsteilnehmer (v. a. bei der

Adressaten-Wahl): Nutzung von CS mit der direktiven Funktion andere Teilneh-

106 Zur Zusammenstellung dieser Liste wurden folgende Publikationen benutzt: vgl. Auer 1995, 120, 123, 126f., 131f.; vgl. Auer 1998, 7; vgl. Cougnon 2011, 54, 56; vgl. Schlund 2003, 13-14; vgl. Müller et al. 2011, 193; vgl. Siebenhaar 2005, 14, 58, 67; vgl. Bussmann 2008, 107; vgl. Androutsopoulos/Hinnenkamp 2001, 372, 374; vgl. Androutsopoulos 2013, 681; vgl. Grosjean 1998, 134; vgl. Grosjean 2001, 5; vgl. Hinnenkamp 2005, 72, 75.

Page 63: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

62

mer oder Umstehende einzubeziehen, auszuschliessen oder zu marginalisieren (z.

B. Monolinguale) (‚we-code’ / ‚they-code’)107

3) um Konsens und Anpassung anzuzeigen, indem in die vom Gesprächspartner

verwendete Sprache gewechselt wird; oder um Dissens und Distanzierung zu

markieren, indem die jeweils andere Sprache gewählt wird

4) bei Parenthesen, Nachträgen, Interjektionen oder beim Hinzufügen phatischer

Elemente

5) bei Wiederholungen und Quasi-Übersetzungen oder Reformulierungen in der

anderen Sprache (‚false start repair’)

6) bei der lexikalischen Wiederaufnahme (Retraktion) von bereits vom Gegenüber

geäusserter Wörter (zur Herstellung textueller Kohärenz)

7) zur Emphase von bestimmten Nachrichtenteilen, wie Fragen, Bitten,

Gefühlsäusserungen; auch in Situationen starker Emotionalität (Wut, Trauer,

Enttäuschung, Überraschung, Freude etc.)108

8) zur Verdeutlichung bestimmter Äusserungsteile

9) bei Hervorhebungen bestimmter Teile der Äusserung (Topikalisierung)(z. B. ei-

ner Konjunktionalphrase)

10) um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen (z. B. bei der Turn-Taking-Organisa-

tion)

11) um einen Themenwechsel zu markieren

12) zwischen Fakten und Kommentierungen oder Evaluierungen derselben

13) um einen Perspektivenwechsel zu markieren, z. B. zwischen objektivem und

persönlichem Standpunkt

14) beim Wechsel im Aktivitätstypus (auch ‚Modus-Wechsel’ oder ‚Rollen-Wech-

sel’ genannt): z. B. Wechsel in ein informatives oder evaluatives Gespräch, ei-

nen Imperativsatz, einen Interrogativsatz etc.

15) um Wort-, Sprach- oder Buchstabenspiele zu kreieren

107 Diese beiden Begriffe werden in der Forschung verwendet, um die eigene ethnische Identität, die mit diesem Code verbunden ist (we-code), abgrenzend zu anderen ethnischen Identitäten und ihren Codes (they-code) zu markieren. Allerdings soll nicht in jedem Fall von einem Ausschluss Anderssprechender ausgegangen werden; dies muss in Einzelfällen zuerst belegt werden (vgl. Androutsopoulos 2006, 191). 108 In solchen Situationen kommt es erstens häufiger zu CS in die erste Muttersprache und zweitens geschieht dies oft auch unbewusst, da die erste Muttersprache auch mit den ersten erlebten Emotionen verbunden ist (vgl. Siebenhaar 2005, 14; vgl. Hinnenkamp 2005, 72); dies wurde auch in meinem WhatsApp-Korpus festgestellt.

Page 64: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

63

16) bei formelhafter Verwendung der Herkunftssprache (wie Begrüssungs- und

Verabschiedungsformeln, Glückwünsche, Danksagungen, Entschuldigungen,

Liebesbekundungen)

17) um Kulturspezifisches auszudrücken, wie z. B. muttersprachliche Poesie,

Sprichwörter, Slogans oder Witze, die in der anderen Sprache in dieser Form

nicht existieren

18) um Humor oder Ironie zu markieren, oder potentiell gesichtsbedrohende verbale

Akte (z. B. Aufforderungen, Absagen, Frage nach einem Gefallen, Ablehnung

eines Vorschlags etc.) durch humorvolles CS wieder abzuschwächen (evtl. in

Kombination mit einem Emoticon oder Emoji)

19) bei Wortfindungsschwierigkeiten, bei Domänen-abhängigem fehlendem Wort-

schatz oder gar mangelnder Sprachkompetenz109

20) um sich in schriftbasierter CVK aus zeitökonomischen Gründen durch CS in die

andere Sprache kürzer und mit weniger Tippaufwand auszudrücken110 Der Punkt 2), der Adressatenwahl und Änderungen in der Teilnehmerkonstellation

beinhaltet, ist situationsbedingt und kann in der vorliegenden Untersuchung aufgrund

der konstanten Konstellation der Gesprächspartner im WhatsApp-Chat ‚Girls’ und der

Bilingualität aller Teilnehmerinnen nicht als Grund für CS betrachtet werden.111 Alle

anderen genannten Motivation und Situationen des Code-Switchings – auch diejenigen

des mündlichen CS – haben eine diskursstrategische Funktion und lassen sich auch in

der schriftbasierten CVK auffinden.

Viele Code-Switches haben in der schriftbasierten CVK (wie auch in der mündlichen

direkten Kommunikation) die Funktion, durch die beiden Muttersprachen Affektivität,

Intimität und Solidarität zwischen den Gesprächsteilnehmern zu verstärken, sowie die

expressive Funktion, den Gesprächsteilnehmern ihre Gruppenzugehörigkeit zu beteuern

oder ihre gemeinsame bi-kulturelle Identität auszudrücken (vgl. Morel et al. 2012,

265f.; 268; vgl. Androutsopoulos/Hinnenkamp 2001, 374; vgl. Bussmann 2008, 107; 109 Solche Defizite in der Sprachkompetenz sind meines Erachtens jedoch eher schwierig festzustellen, da man die Gesprächsteilnehmer nachträglich explizit zu praktisch jedem getätigten CS danach fragen müsste, ob sie die entsprechende Äusserung auch in der anderen Sprache kennen oder sie lediglich Wortfindungsschwierigkeiten hatten; zudem handelt die vorliegende Arbeit nicht explizit von den Sprachkompetenzen der Gesprächsteilnehmerinnen. 110 So können Bilinguale die Länge ihres Beitrags durch die Wahl kürzerer Lexeme aus der anderen Sprache verkürzen und sich somit schneller schriftlich ausdrücken; natürlich trifft dies aber nicht in allen Fällen zu (vgl. Pekarek-Doehler 2011; vgl. Cougnon 2011, 47; 56; vgl. Ueberwasser 2013). 111 In Beat Siebenhaars Untersuchungen verschiedener Schweizer IRC-Chats hingegen, wo die Chatteilnehmer-Konstellation dauernd, durch das Ein- und Ausloggen bestimmter Chatter, variiert, spielt die Adressatenwahl im Zusammenhang mit CS jedoch eine wichtige Rolle (vgl. 2006a, 498f.).

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64

vgl. Pekarek-Doehler 2011; vgl. Scheuplein 2010, 41). Wie oben bereits erwähnt,

dienen die meisten Funktionen diskursstrategischen Zwecken; sie tragen also oft zur

Organisation des Diskurses in bestimmten Gesprächssequenzen bei (vgl. Auer 1995,

125; vgl. Androutsopoulos 2013, 669).

Um die Funktion bestimmter Code-Switches in schriftbasierter CVK korrekt analysie-

ren zu können, reichen einzelne Turns, in denen CS vorkommt, jedoch oft nicht aus; es

müssen dafür grössere Gesprächssequenzen verfügbar sein, in denen der Kontext

verständlich wird (vgl. Androutsopoulos 2013, 683). Zudem kann aus interpretativer

post hoc-Sicht „immer nur ungefähr eingeschätzt werden, was welcher Switch zu

bedeuten hat“ (Stanisavljević 2010, 285). Andererseits gibt es auch Fälle, in denen

bestimmten Sprachmischungen in Gesprächssequenzen keine Funktion zugewiesen wer-

den kann: So können einige Sprachwechsel in einer Sequenz eine diskursstrategische

Funktion erfüllen und einige darauffolgende gar nicht. Einen solchen Fall bezeichnet

Hinnenkamp mit dem passenden Begriff ‚Code-Oszillieren’: Damit ist eine variable

Dichte der Sprachmischungen und ein häufiger Wechsel zwischen Code-Switching und

Code Mixing gemeint; diesen Fall trifft man vor allem bei thematisch bedingter,

emotionaler Involviertheit der Sender und der Empfänger an (vgl. Hinnenkamp 2005,

72; vgl. Stanisavljević 2010, 285). Mit diesem Kapitel endet die Übersicht über die

verschiedenen möglichen Sprachmischungsarten und ihren Motivationen und

Funktionen. Im Folgenden fokussiert sich die Autorin konkreter auf die aufgefundenen

Sprachmischungen im WhatsApp-Chat ‚Girls’; zunächst sollen jedoch grundlegende

Informationen zum Migrationshintergrund der drei Chatterinnen gegeben werden.

5. Serbisch-schweizerdeutsche Sprachmischungen im WhatsApp-Chat ‚Girls’

5.1. Migrationshintergrund und Charakterisierung der Chatterinnen

In den folgenden drei Unterkapiteln sollen die Chatteilnehmerinnen und ihr

Migrationshintergrund vorgestellt werden. Da die Lebensgeschichte und die Umstände

des Erwerbs der beiden Muttersprachen Serbisch und Schweizerdeutsch sowie die

Dominanz einer der beiden Sprachen für die getätigten Code-Switches der

Page 66: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

65

Chatteilnehmerinnen von Bedeutung sein könnten, wurden mit ihnen Interviews zu die-

sen Themen geführt. Ihnen wurden Fragen zu

ihrem Migrationshintergrund

den Umständen des Erwerbs der beiden Sprachen

der serbischen Ergänzungsschule in der Schweiz

frühen Deutsch-Förderkursen im Kindesalter

der daheim, im Freundeskreis und bei der Arbeit gesprochenen Varietät

der Bewusstheit ihrer Switches in mündlichen Sprachmischungssituationen

der eigenen Beurteilung ihrer Bilingualität (Sprachkompetenz und -dominanz)

ihren Kommunikationspraktiken über das Smartphone

ihren Switches in WhatsApp-Nachrichten und ihrer Bewusstheit darüber gestellt, welche sich im Anhang in genauer Formulierung befinden. Je nach

Gesprächspartnerin kamen aber auch weitere, spontane Fragen im Verlauf der Inter-

views auf, die in den entsprechenden Unterkapiteln behandelt werden.

Die Interviews fanden bei den beiden Befragten zu Hause in einer entspannten Situation

statt, dauerten bei Dragana 33 und bei Snežana 37 Minuten und wurden mit der

Diktiergerät-Funktion meines Smartphones (Samsung Galaxy S4) aufgezeichnet; die

Mitschnitte befinden sich auf der mitgelieferten CD. 112 Die Gespräche mit den

Probandinnen fanden hauptsächlich auf Schweizerdeutsch statt, wobei ich in meinen

Fragen einige Code-Switches ins Serbische unternahm, um zu testen, ob meine

Gesprächspartnerinnen auf den Sprachwechsel eingehen würden. Dabei tätigte ich in

meinen Äusserungen zwei Arten von Code-Switches: solche, die ich im Voraus für die

Interviewfragen eingeplant und vorformuliert hatte und solche, die unbewusst während

dem Gespräch geäussert wurden. Für die Interviewfragen analysierte ich im Voraus

genau, welches Muster meine Code-Switches normalerweise aufweisen und an welchen

Stellen im Satz sie hauptsächlich stattfinden, damit mein Sprachverhalten in der

konkreten Interviewsituation den Probandinnen nicht anders erschien als in unseren

alltäglichen Gesprächssituationen. Zu diesem Einfall bin ich durch die folgende Ansicht

Grosjeans gekommen: Er ist der Meinung, dass durch eine natürliche, entspannte

Interviewsituation, in der sich die Probanden wohl fühlen, bei ihnen beide Sprachen und

somit der bilinguale Sprachmodus mit vielen Code-Switches aktiviert werden könnte; 112 Genannte Namen der eigenen Person, wie auch anderen Personen wurden aus Anonymitätsgründen durch einen Piepton ersetzt.

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66

dies könne man damit erreichen, dass man als Interviewer einen sehr guten, ebenfalls

bilingualen Freund einsetzt.113

Meine Erwartung, dass die Interviewten aufgrund meiner Code-Switches auch in den

bilingualen Sprachmodus umschalten würden, hat sich jedoch grösstenteils nicht bestä-

tigt. Nur Dragana hat für vier Ausdrücke ins Serbische geswitcht: Sie begann ihre

Äusserung auf Serbisch mit na poslu (‚bei der Arbeit’), setzte sie danach jedoch auf

Schweizerdeutsch fort. Dies geschah bei der Interviewfrage Nummer 13:

Jelena: Und weli Sproche redsch alles na poslu? ‚Und welche Sprachen sprichst du alles bei der Arbeit?’ Dragana: Na poslu Englisch…und Dütsch…und Schwizerdütsch. ‚Bei der Arbeit Englisch…und Deutsch…und Schweizerdeutsch.’

Hierbei handelt es sich also in beiden Fällen um eine intrasentenzielle Alternation, die

in Draganas Fall jedoch durch die lexikalische Wiederaufnahme meines zuvor geäusser-

ten Code-Switches na poslu zustande kam. Draganas zweiter Switch fand im

Zusammenhang mit der fünften und sechsten Interviewfrage nach dem Lernen des

Serbischen statt, als sie erklärte, dass ihr die serbische Ergänzungsschule rückblickend

nichts gebracht hat, „ussert ćirilicu lerne“ (‚ausser Kyrillisch zu lernen’). Dieser

intrasentenziell-insertional getätigte Switch hat hierbei die Funktion, Kulturspezifisches

zu markieren, da uns das serbische Wort ‚ćirilica’ (Nom. Sg.) aufgrund des Besuchs der

serbischen Ergänzungsschule geläufiger ist als das deutsche Wort ‚Kyrillisch’.

Der dritte Switch beinhaltete zwei serbische Ausdrücke und fand bei der Beantwortung

der achten Frage statt: Dragana erklärte, dass sie mit ihrem jüngeren Bruder vor allem

auf Schweizerdeutsch kommuniziere, wobei sie lediglich für bestimmte Floskeln ins

Serbische switchen würden, welche sie auch gleich auf Serbisch nannte: wie gohts?,

kako si?, šta ima? (‚Wie geht’s?, Wie geht’s dir?, Was gibt’s (Neues)?’); diese

intersentenzielle Alternation hat hierbei die diskursstrategische Funktion einer

Verdeutlichung. Leider konnten im Interview mit Snežana keine Code-Switches gefun-

den werden. Draganas seltenes Code-Switching und Snežanas fehlende Switches könn-

ten aber auch mit der Tatsache zusammenhängen, dass sie dieses Interview als Teil mei-

ner Masterarbeit als seriös ansahen und somit eher dazu neigten, Schweizerdeutsch zu

sprechen.

113 Dies hatte bereits Treffers-Daller (1997) bei Interviews mit verschiedenen Interviewern (unbekannter Bilinguale, bekannter Bilingualer, Monolingualer) getestet und bestätigen können (vgl. Grosjean 1998, 138; 140). Dabei würden Treffers-Daller zufolge in solchen natürlichen Situationen viel mehr unbewusste Code-Switches ohne stockenden Redefluss produziert als im Gespräch mit einem unbekannten Bilingualen (vgl. Grosjean 1998, 138).

Page 68: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

67

An dieser Stelle möchte ich noch die Gemeinsamkeiten meiner Freundinnen und mir

zusammenfassen, um Wiederholungen in den einzelnen Unterkapiteln, die jeder von uns

gewidmet sind, zu vermeiden: Snežanas, Draganas und meine Wurzeln liegen verteilt

über die südslawischen Staaten Serbien, die Republik Mazedonien, Montenegro, Kroa-

tien und Slowenien, jedoch wuchsen alle in der Schweiz mit der ersten Muttersprache

Serbisch und der zweiten Schweizerdeutsch auf, besitzen die schweizerische, wie auch

die serbische Staatsbürgerschaft und gehören zum serbisch-orthodoxen Glauben. Bei

allen drei Chatterinnen kann von einer sukzessiven, jedoch natürlich erworbenen

Zweisprachigkeit gesprochen werden (vgl. Müller et al. 2011, 15): Snežana, Dragana

und ich kamen neben der zuerst erlernten Familiensprache bereits früh mit dem

Schweizerdeutschen in Kontakt (jeweils im Alter von ca. 3,5 bis 7 Jahren), welches wir

seit dem Kindergarten in natürlichen Gesprächssituationen sukzessive erlernten. Das

Verständnis des Schweizerdeutschen entwickelte sich bei uns allen relativ schnell, doch

hatten wir zu Beginn, grössere Hemmungen es zu sprechen. Diese Hemmungen wurden

uns allen schliesslich durch den Besuch von Deutsch-Förderkursen für fremdsprachige

Kinder in Lektionen nach dem regulären Unterricht des Kindergartens und der 1. Klasse

der Primarschule genommen; den grössten Lernzuwachs hatten wird also vor allem in

dieser Zeit. Wir alle empfanden das Lernen des Schweizerdeutschen jedoch als einen

natürlichen, unproblematischen Lernprozess, da wir durchs Zuhören und Spielen mit

Schweizern die Sprache sukzessive und relativ schnell erlernten.

Da unsere Familien ab 1993 alle in der gleichen Stadt im Kanton St. Gallen lebten und

alle Elternpaare sich entschlossen hatten, uns zur Weiterbildung in die serbische

Ergänzungsschule zu schicken, begegneten wir uns das erste Mal dort. Der Unterricht

fand klassenübergreifend von der 1. bis zur 4. und der 5. bis zur 8. Klasse immer

Donnerstagabends von 18 bis 20 Uhr statt, sodass Dragana und ich – die erst sieben

Jahre alt waren – die bereits drei Jahre ältere Snežana kennenlernen konnten. Während

Dragana und ich auch in der Sekundarschule in dieselbe Klasse gingen, dort beste

Freundinnen wurden und bis heute eine konstant starke Freundschaft pflegen, entwi-

ckelte sich unsere Freundschaft zu Snežana erst seit dem Sommer 2010 so eng, dass wir

drei praktisch jeden zweiten Tag etwas miteinander unternahmen und seit dem

23.6.2011 – der Gründung des WhatsApp-Chats ‚Girls’ – beinahe jeden Tag

miteinander über WhatsApp kommunizierten.

Aus den Interviews ging hervor, dass sich das Schweizerdeutsche bei allen drei

Teilnehmerinnen (nach selbstständiger Beurteilung) durch die ganze auf (Schweizer-)

Page 69: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

68

Deutsch erhaltene Schulbildung und die stetige Wohnsituation in der Schweiz zur

dominanteren Sprache entwickelte. Das Serbische hingegen gilt bei allen drei als nicht-

dominante, resp. ein wenig schwächere Sprache. Für die vorliegende Arbeit wurden zur

Sprachkompetenz keine Tests durchgeführt. Doch im Laufe der langjährigen Freund-

schaft zu Dragana und Snežana kamen mehrere – nicht mehr konkret nennbare –

Situationen auf, in denen alle Probandinnen an ihre Sprachgrenzen im Serbischen

stiessen, was im Schweizerdeutschen niemals der Fall war. Die ausgeprägte Dominanz

des Schweizerdeutschen ist folgendermassen zu erklären: Das Serbische wird von allen

drei Chatterinnen eigentlich nur zu Hause (hier v. a. mit den Eltern) oder bei Besuchen

Verwandter in Serbien durchgehend monolingual gesprochen. Daher deckt unser Ser-

bisch nur wenige Domänen ab und führt daher zu einem kleineren Wortschatz in gewis-

sen Domänen (Politik, Beruf, Schule etc.); das Schweizerdeutsche hingegen wird von

uns Dreien in allen anderen Lebenssituationen gesprochen.

5.1.1 Dragana

Das erste Interview führte ich mit Dragana (Jahrgang: 1986), die in Požarevac (Serbien)

geboren wurde. Ihre Mutter ist Serbin – mit walachisch-dakorumänischen Wurzeln –

aus Požarevac, einer Stadt in dem nordöstlich in Serbien gelegenen Bezirk Braničevo.

Draganas Vater ist ein in Požarevac geborener Montenegriner. Während Draganas Mut-

ter und ihre Verwandten ihr von klein auf auch die dakorumänische Varietät beibrachten,

sprach ihr Vater nie die montenegrinische Varietät. So wuchs sie bis zum sechsten

Lebensjahr also hauptsächlich mit Serbisch und wenigen Einflüssen der dakorumäni-

schen Sprache auf. 1992 wanderte die Familie in die Schweiz aus, wo Dragana im ers-

ten Jahr durchs Fernsehen vor allem mit dem Standarddeutschen in Kontakt kam. Den

Erzählungen ihrer Eltern zufolge hatte sie bereits durchs Fernsehen gut Standarddeutsch

gelernt. Anfangs sprach sie auch nur Standarddeutsch, bis dieses durch den Umgang mit

Schweizer Kindern – ihren Empfindungen zufolge – fliessend ins Schweizerdeutsche

überging.

Auch ihre Eltern beherrschten (Schweizer-)Deutsch noch nicht so gut, daher wurde zu

Hause und mit Verwandten immer Serbisch gesprochen. Das Serbische hatte sie vor

allem im engen Familienkreis auf natürlichem Wege erlernt, welches sie zu dem Zeit-

punkt, als sie von den Eltern in die serbische Ergänzungsschule geschickt wurde, bereits

weitgehend beherrschte. Sie bezweifelt jedoch, dass sie von den eher unmotivierten

Page 70: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

69

Lehrern dort noch Vieles dazugelernt habe, „ussert ćirilicu lerne“ (ausser Kyrillisch zu

lernen). Ihren Erzählungen zufolge kam jedoch irgendwann der Zeitpunkt, an dem

Deutsch und Schweizerdeutsch aufgrund des verhältnismässig grösser gewordenen

Wortschatzes die stärkere und dominantere Sprache wurde. Daher kam es zu Hause zu

Situationen, in denen sie aufgrund ihres kleineren serbischen Wortschatzes für be-

stimmte Ausdrücke ins Standarddeutsche auswich, wenn sie den Eltern etwas erzählte.

Sie berichtete, dass es sich in Fällen, in denen es im Gespräch mit den Eltern zu

Sprachmischungen kam, immer um eine Mischung aus Standarddeutsch und Serbisch

handelte, da ihre Eltern das Deutsche immer noch besser als das Schweizerdeutsche

beherrschten. Mit ihrem jüngeren, in der Schweiz geborenen Bruder (Jahrgang: 1996)

finde die Kommunikation hingegen mehrheitlich auf Schweizerdeutsch statt. Sie berich-

tete, dass es jedoch auch zu Ausnahmefällen kommt, in denen eher auf serbische Flos-

keln zurückgegriffen wird, die sie auch nannte (siehe Kapitel 5.1). Nachdem ich Dra-

gana von meiner Beobachtung erzählt habe, dass ich meinen eigenen jüngeren

Geschwistern Befehle, wie „räum die Spülmaschine aus“ oder „füll sie“ vor allem auf

Serbisch erteile, konnte sie dies lachend „au vollkomme bestätige“.

Dragana berichtet, dass sie mit ihren Arbeitskollegen in der Freizeit auch Englisch spre-

che, da diese kein (Schweizer-)Deutsch beherrschen und das Englische bei der Arbeit

ohnehin überwiegen würde. Die Zusatzfrage, ob dieser starke Englisch-Gebrauch auch

auf ihre Freizeit und ihr Privatleben abgefärbt habe, bestätigte sie ohne zu Zögern: Sie

habe gemerkt, dass ihr öfters auch ausserhalb des Geschäfts gewisse Wörter zuerst nur

auf Englisch in den Sinn kämen und dass sie aufgrund der Tatsache, dass während dem

ganzen Arbeitstag alles auf Englisch stattfände, auch begonnen habe, manchmal in die-

ser Sprache zu denken. Dies hänge aber auch mit englischen Fachausdrücken in ihrem

Job zusammen, die es im (Schweizer-)Deutschen in dieser Form nicht gebe und welche

sie bei Erzählungen über ihren Arbeitstag nur mit Mühe ins Deutsche übertragen könne.

Ihr häufiger Englisch-Gebrauch fällt zudem auch in ihren WhatsApp-Beiträgen ins

Auge.

Zur Kommunikation mit bilingualen Freunden, die ebenfalls Serbisch und Schweizer-

deutsch beherrschen, erklärte sie, dass Code-Switches immer wieder und sehr häufig

vorkommen würden und dass dies vollkommen natürlich sei. Auf die Frage, ob diese

Switches denn eher bewusst oder unbewusst von ihr getätigt werden, antwortete sie,

dass es ihr im Gespräch mit Bilingualen selbst meist überhaupt nicht auffalle. Jedoch

falle es ihr auf, wenn sie mit Freunden spreche, die später in die Schweiz gekommen

Page 71: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

70

sind und Schweizerdeutsch zwar als Zweitsprache beherrschen, es sich aber noch nicht

um ein „reines Schwiizerdütsch“ handle, wie dieses „vo üs, wo do ufgwachse

sind“ (‚von uns, die hier aufgewachsen sind’). Sie habe bei Code-Switches ins

Schweizerdeutsche dann immer das Gefühl, dass diese Freunde sie vielleicht doch nicht

ganz verstehen würden. Falls es aber aufgrund längerer Wortfindungsschwierigkeiten

dazu komme, dass sie switchen müsse, geschehe das immer bewusst, wobei sie das

Gegenüber genau beobachte, um festzustellen, ob sie verstanden wurde.

Auf die Frage, ob sie eine ihrer beiden Muttersprachen besser beherrsche und diese als

dominanter bezeichnen würde, sagte sie: „Ganz klar Schwiizerdütsch“. Dies habe ihrer

Meinung nach vor allem mit der ganzen Ausbildung, die wir in Deutsch erhielten, zu

tun und dass sie Serbisch in monolingualer Form nur zu Hause oder mit Verwandten

spreche. Sie merke zudem, dass ihr im Serbischen ganz klar der Wortschatz für

beispielsweise Diskussionen über Politik oder Wirtschaft fehlten – was im (Schweizer-)

Deutschen nicht der Fall sei. Dies habe ihrer Meinung nach damit zu tun, dass man zu

Hause eher über Alltägliches spreche und dass ihr das serbische, politische oder

wirtschaftliche Vokabular nicht beigebracht wurde. Zudem lese sie keine serbischen

Zeitungen, durch welche sie sich den Wortschatz selbst erarbeiten könnte, wie es ihr

Freund – der erst im Alter von 12 Jahren aus Bosnien in die Schweiz gezogen ist – noch

regelmässig tue.

Auf die spontane Zusatzfrage hin, ob sie einmal beobachtet hätte, dass sie nach einem

längeren Aufenthalt in Serbien (z. B. Ferien) nach der Rückkehr besser und vermehrt

Serbisch spreche, bestätigte sie dies. Das hätte ihrer Meinung nach vor allem damit zu

tun, dass sie dort gezwungen ist, monolingual Serbisch zu sprechen und dies somit

generell noch eine Weile nach der Rückkehr anhalten würde. Sie sei auch von Freunden

und der Familie darauf aufmerksam gemacht worden, dass sie den Dialekt aus Novi Sad

angenommen habe, wenn sie von einem Besuch von Freunden aus dieser Stadt zurück-

kehrte; dies war ihr selbst oft nicht bewusst. Sie könne sich jedoch nicht vorstellen, dass

sie jemals die bosnische Varietät und die Sprachmelodie ihres Freundes annehmen

würde, sodass sie eines Tages zum serbischen Wort für ‚Milch’ mleko, Bosnisch mlijeko

sagen würde.

Dies hängt vor allem mit der serbischen ekavischen Aussprache (BKS: ekavski izgovor

oder ekavica)114 zusammen – mit welcher sie (auch ich und teilweise auch Snežana)

114 Beispiele zur ekavischen Aussprache: mleko (‚Milch’); lepo (‚hübsch’); belo (‚weiss’); lepa devojka peva pesmu (‚die hübsche junge Frau singt ein Lied’). Die ekavische Aussprache wird im grössten Teil

Page 72: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

71

aufgewachsen ist. Diese unterscheidet sich in phonetisch-phonologischer wie auch

graphischer Hinsicht von der kroatischen, bosnischen und montenegrinischen ijekavi-

schen Aussprache (BKS: ijekavski izgovor oder ijekavica)115 bestimmter Wörter. Die

Grundregel beinhaltet – mit Ausnahmen – folgendes: Ein langes akzentuiertes [ɛ] resp.

<e> im Ekavischen entspricht stets dem langen ijekavischen Diphthong [iɛ] resp. <ije>,

während ein kurzes betontes ekavisches [ě] resp. <e> im Ijekavischen kurz als <je>

ausgesprochen und geschrieben wird (vgl. Wonisch 2008, 2).

Was sie, wie auch ihre Familie, jedoch bemerkt haben, ist, dass sie begonnen hat, be-

stimmte, von ihrem Freund getätigte, bosnische Äusserungen, wie „hoćeš jest?“ (‚Willst

du essen?’) übernommen habe; im Serbischen würden wir dazu eher ‚hoćeš da jedeš?’

sagen. Sehr selten hört man im Serbischen aber auch die eher gemiedene

Infinitivkonstruktion ‚hoćeš jesti?’. Sie denke jedoch, dass sie diese ursprünglich

spasseshalber übernommen habe.

Auf die Frage hin, wie sie ihren Beherrschungsgrad des Serbischen in einer Schulnoten-

Skala von eins bis sechs einschätzen würde, sagte sie, sie würde sich die ‚Note’ 4,5 für

ihre gesamte Sprachkompetenz geben. Sie erklärte, dass sie im Serbischen eher über

Allgemeines sprechen würde, dass sie aber bezweifelt, dass sie z. B. bei einem Arztbe-

such die serbischen Wörter für bestimmte Innereien (wie z. B. Leber, Nieren etc.) abru-

fen könne. Ebenso hätte sie beispielsweise Probleme, wenn sie etwas in der Gemeinde

in Serbien erledigen müsse, da sie – in Gegensatz zum (Schweizer-)Deutschen – die

entsprechenden serbischen Wörter für bestimmte Formulare nicht kenne. Für ihr

Schweizerdeutsch würde sie, wie auch ich, ihr eine 6 geben, da sie praktisch ihr ganzes

Leben in der Schweiz verbracht hat, deshalb akzentfreies und grammatikalisch korrek-

tes Schweizerdeutsch spricht und einen äusserst grossen Wortschatz verfügt. Dies hängt

zudem auch mit ihrer hohen Bildung zusammen: Sie hat nach der Sekundarschule, die

Wirtschaftsmittelschule absolviert und hat im Jahr 2010 an einer Fachhochschule den

Bachelor in Betriebswirtschaft (‚Bachelor of Science ZFH in Betriebsökonomie’) er-

langt; momentan arbeitet sie als Brand Designer in der Luftfahrtbranche.

Serbiens aufgefunden; daneben findet man in wenigen und kleineren Gebieten Südwestserbiens (in Užice und Sandžak) auch die ijekavische Aussprache auf (vgl. Wonisch 2008, 1f.). 115 In Kontrast zur ekavischen, hier noch die entsprechenden Beispiele zur ijekavischen Aussprache: mlijeko; lijepo; bijelo; lijepa djevojka pjeva pjesmu. Diese Aussprache wird in den meisten Teilen Kroatiens, ganz Montenegro und in grössten Teilen Bosnien-Herzegowinas benutzt. Neben der ekavischen und ijekavischen, gibt es noch die ikavische Aussprache, die hauptsächlich im nördlichen und mittleren Gebiet Dalmatiens, im südlichen Istrien, in Teilen West- und Zentralbosniens und in der westlichen Herzegowina benutzt wird; Beispiele: mliko; lipo; bilo; lipa divojka piva pismu (vgl. Wonisch 2008, 2).

Page 73: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

72

Was ihre Kommunikation über das Smartphone betrifft, gab sie an, zu ca. 90% über

WhatsApp zu interagieren. Der Hauptgrund dafür sei ihr zufolge, dass das Multi-

Tasking während der schriftlichen Kommunikation weniger eingeschränkt sei, wogegen

sie beim Telefonieren nur auf die eine Sache konzentriert sein könne. Telefonieren

würde sie deshalb fast nur mit ihren Eltern – die WhatsApp noch nicht rege nutzen –

und ihrem Freund. SMS schreibe sie nur aus dem Ausland oder an Personen, die entwe-

der kein WhatsApp haben oder dieses lediglich sehr selten benutzen würden. Im

Berufsleben kommuniziere sie hauptsächlich über E-Mails; auch in der Freizeit ver-

kehre sie gelegentlich über E-Mails, jedoch bei Weitem nicht so viel wie über What-

sApp.

Sie ist der Meinung, dass ihre Switches bei der schriftlichen Kommunikation über

WhatsApp und SMS genauso unbewusst, fliessend und schnell stattfinden würden, wie

sie auch in der mündlichen Kommunikation zustande kommen. Dies hänge ihrer Mei-

nung nach vor allem damit zusammen, dass sie vor dem Verfassen einer WhatsApp-

Nachricht nicht länger an der Formulierung überlege, als wenn sie etwas in einem

mündlichen Gespräch ausdrücken würde; und in ebendiesem mündlichen Stil schreibe

sie demzufolge auch. Es sei nicht so, wie wenn man etwas Offizielles, wie einen Brief,

ein Gesuch etc. schreiben würde und sich dabei zuerst etwas überlegen müsse. Dennoch

gibt es Dragana zufolge Situationen, in denen sie bewusst schriftlich switche. Dazu

erklärte sie: „Es git natürlich Wörter, wo im Serbische drü (3) Wörter brucht zums

beschriebe und ich weiss im Schwiizerdütsch isches nur [eis], also denn, denn tuen ich

bewusst nur das einte Wort [benutze], oder au umgekehrt natürlich.“ Sie bestätigt somit

die These, dass Code-Switching in der schriftbasierten CVK auch aus zeitökonomischen

Gründen unternommen wird, wie ich es auch in Snežanas und meinem Schreibverhalten

beobachten konnte.

5.1.2 Snežana

Das zweite Interview fand mit der drei Jahre älteren Snežana statt, deren Mutter Kroatin

aus der Hauptstadt Zagreb und deren Vater Serbe aus Vranje, einer Stadt im südöstlich

in Serbien gelegenen Bezirk Pčinja, ist. Ihre Mutter sei ihren Berichten zufolge bereits

um 1979/1980 und ihr Vater um 1980/1981 in die Schweiz ausgewandert; sie hätten das

(Schweizer-)Deutsche jedoch erst hierzulande gelernt. Snežanas Eltern arbeiten mit

meinem Vater im selben Unternehmen und sind langjährige Freunde unserer Familie.

Page 74: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

73

Snežana wurde 1983 in der Schweiz geboren, wuchs zu Hause jedoch nur mit Serbisch

und Kroatisch auf. Sie habe in der Kindheit zwar ihre Mutter mit anderen Personen

Schweizerdeutsch sprechen hören, diese habe aber bis zu einem bestimmten Alter nie

mit ihr in dieser Varietät gesprochen; ihr Vater habe niemals Schweizerdeutsch zu

Hause gesprochen. Sie selbst berichtet, sie habe als Kind lange Zeit einen „Misch-

masch“ aus Serbisch und Kroatisch gesprochen; dies hänge wohl damit zusammen, dass

ihre, bei ihnen wohnende, Urgrossmutter den Grossteil des Tages mit ihr verbrachte und

in dieser Zeit Kroatisch mit ihr sprach, während ihr Vater abends mit ihr Serbisch

sprach. Somit ergab sich bei ihr auch eine zwischen ekavischer und ijekavischer

oszillierende Aussprache, welche sich irgendwann im Verlauf des Besuchs der serbi-

schen Ergänzungsschule (1.- 8. Klasse) zu einer reinen serbisch-ekavischen Aussprache

wandelte, sodass sie heute kein kroatisches Ijekavisch mehr benutzt. Ihre Mutter jedoch

switcht heute noch zwischen beiden Sprachen und somit auch den beiden Aussprachear-

ten; zudem benutzt sie in Gesprächen verhältnismässig viele Ad-hoc-Entlehnungen, die

sie sehr oft spontan erfindet und welche meine Familie und mich immer wieder zum

Schmunzeln bringen. Snežanas eigenen häufigen Gebrauch solcher Ad-hoc-

Entlehnungen setze ich somit direkt mit dem Einfluss ihrer Mutter in Bezug.

Während des Interviews kam meinerseits die Zusatzfrage auf, ob sie heute auch noch so

viele kroatische Regionalismen benütze wie in der Kindheit: Sie verneinte dies. Sie tat

dies nur, solange sie noch oft nach Kroatien gingen, um Verwandte zu besuchen und

ihre Urgrossmutter noch lebte. Nachdem auch die Kroatien-Besuche weniger wurden,

benutzte sie das Kroatische immer weniger, sodass sie sagt, heute würde sie nur noch

Serbisch sprechen. Allenfalls komme es ab und zu vor, dass sie in Gegenwart ihrer

kroatischen Verwandten in der Schweiz einige Regionalismen benutze, dies aber

wirklich nur selten. Einige Monate nach dem Interview wurde Snežana – wie sie mir

gleich berichtete – jedoch von ihrem (serbischen) Ehemann darauf aufmerksam gemacht,

dass sie ab und an kroatische Ausdrücke benutze, was ihr selbst bis zu diesem Zeitpunkt

nicht aufgefallen sei. Mir selbst war es jedoch auch beim Auswerten ihrer WhatsApp-

Nachrichten aus dem Jahr 2011/2012 aufgefallen, was mich auch dazu veranlasste sie

im Interview danach zu fragen. So lassen sich also auch in unserem WhatsApp-Chat

einige kroatische, aber auch südserbische Dialekt-Ausdrücke in Snežanas Turns auffin-

den, wie bereits im Kapitel 4.2.1 unter den Beispielen (5) und (6) dargestellt.

Snežana kam, ihrer Erzählung zufolge, wahrscheinlich schon kurz vor dem Eintritt in

den Kindergarten, also ca. im Alter von vier oder fünf Jahren, beim Spielen mit den

Page 75: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

74

Nachbarskindern das erste Mal in Kontakt mit dem Schweizerdeutschen, welches sie

noch nicht wirklich beherrschte. Sie erinnert sich, dass sie im ersten

Kindergartensemester die Lehrerin zwar verstand, aber aus Scham und aufgrund von

sprachlichen Barrieren noch kein Wort (Schweizer-)Deutsch sprach. Zum schnelleren

Spracherwerb verhalf ihr schliesslich der bereits im Kindergarten erhaltene Deutsch-

Förderkurs für fremdsprachige Kinder, den sie bis zum Ende der 1. Klasse besuchte.

Auf die Frage hin, wie sie das Schweizerdeutsch-Lernen empfand, sagte sie, sie könne

sich nur daran erinnern, dass sie nicht grosse Mühe damit gehabt hätte, da sie es relativ

schnell verstand und erlernte.

Ebenso wie Dragana, beherrschte Snežana das Serbische (in ihrem Fall auch das Kroati-

sche) bereits beim Eintritt in die serbische Ergänzungsschule im Alter von sieben Jahren

gut und konnte es auch schon lesen. In der Schule habe sie schliesslich auch das kor-

rekte Schreiben in lateinischem und kyrillischem Alphabet erlernt. Sie habe von der

serbischen Ergänzungsschule in vielerlei Hinsicht profitiert: Noch mehr als der

Sprachunterricht habe ihr jedoch die Behandlung der Geschichte und Geographie Ser-

biens gebracht. Am meisten hätte ihr aber – wie auch mir selbst – der Grammatikunter-

richt insofern das Leben erleichtert, dass sie später in der Sekundarschule und im

Gymnasium im Vergleich zu den anderen Mitschülern die lateinischen Fälle besser und

schneller verstand. Dies hängt damit zusammen, dass das Serbische im Gegensatz zum

(Schweizer-)Deutschen sieben Fälle hat; neben den ersten vier gehören auch der Loka-

tiv, der Vokativ und der Instrumental – die man aus dem Lateinischen kennt – dazu.

Auf die Frage, welche Sprachen man zu Hause sprach, antwortete sie, „mit em Vater

nur Serbisch…mit de Grossmuetter, solang sie glebt het, halt nur Serbisch/Kroatisch,

mer nennt’s wie mer’s wött, isch jo s’glieche schlussendlich 116 …mit de Muet-

ter…beides, Schwiizerdütsch und…und Serbisch…und mit em Brüeder vorwiegend

Schwiizerdütsch“.

Snežana erklärte, dass sie mit Freunden und Bekannten in ihrer Freizeit verschiedene

Sprachen spreche. Mit ihrem vor mehreren Monaten in die Schweiz eingewanderten

Ehemann spreche sie meist monolingual Serbisch, ausser sie übersetze ihm bestimmte

(Schweizer-)Deutsche Wörter oder erkläre ihm die Grammatik. Was ihren Freundes-

kreis betrifft, spreche sie mit gewissen Personen nur Schweizerdeutsch, mit anderen

116 Man entnimmt dieser Aussage, wie bereits erwähnt, dass Serbisch und Kroatisch von Snežana – wie auch von Dragana und mir – nicht als verschiedene Sprachen aufgefasst werden, da beide gleichermassen verstanden werden.

Page 76: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

75

„Mischmasch“ und mit Dritten nur Serbisch; sie könne aus dem Stegreif jedoch nicht

erklären, weshalb sie mit wem sie in welcher Sprache spreche. Was sie jedoch bemerkt

hat, ist, dass sie vermehrt Serbisch spreche, wenn wir (Dragana, sie und ich) zu dritt

unterwegs sind und auch mehr Code-Switches in dieser Gesprächspartner-Konstellation

stattfinden würden. Sie glaubt zudem, dass man dies auch bei ihren geschriebenen

Nachrichten bemerken würde, da sie in WhatsApp eigentlich so schreibe, wie sie auch

in mündlicher Kommunikation spreche und alles in dieser Form niederschreibe, wie es

ihr gerade in den Sinn komme; also vertritt sie hier dieselbe Meinung wie Dragana.

Wenn jedoch nur eine von uns anwesend sei, würde sie mehr Schweizerdeutsch spre-

chen und weniger Switches vornehmen; dies lässt sich genau in dieser Interviewsitua-

tion ebenfalls feststellen.

Sie kann sich zudem noch erinnern, dass ihr vermehrtes Code-Switching vor allem

durch ein solches Sprechverhalten im, von ihr seit 1998 besuchten, serbischen

Volkstanzverein ausgelöst wurde. Vor dem Eintritt in den Tanzverein habe sie bis zum

Teenager-Alter zu Hause, mit Verwandten und in der serbischen Ergänzungsschule vor

allem monolingual Serbisch und in allen anderen Situationen Schweizerdeutsch und in

der Schule obligatorisch Standarddeutsch gesprochen.

Auf die Frage hin, ob es auch im Gespräch mit anderen bilingualen Freunden zu Code-

Switching komme, antwortete sie, dass dies ganz verschieden sei: Mit bestimmten

Personen mehr, mit anderen weniger und mit einigen trotz beidseitiger Bilingualität gar

nicht. Daraufhin stellte ich ihr die Zusatzfrage, ob dies eventuell daran liegen könne,

dass sie mit diesen Freunden oder Bekannten weniger oft Umgang hätte, mit ihnen

weniger oft kommuniziere oder mit ihnen vielleicht nicht so vertraut sei. Darauf antwor-

tete sie, dass dies in ihrem Fall definitiv einen Zusammenhang habe: Denn mit Leuten,

die sie nicht oder nur wenig kenne und die sie nur auf Schweizerdeutsch oder nur auf

Serbisch ansprechen, rede sie nur in der einen Sprache, weil man nicht abschätzen

könne, wie gut sie die jeweils andere Sprache beherrschen. Mit Personen, die sie jedoch

sehr gut kenne, würde sie sehr rege Codes switchen und zwar in beide Richtungen.

Ob ihre Switches ihrer Meinung nach eher bewusst oder unbewusst getätigt werden,

beantwortete sie damit, dass dies ganz von der Situation abhänge. Die meisten ihrer

Switches würden Snežana zufolge unbewusst stattfinden. Dies vor allem wenn sie sich

in direkter Kommunikation gerade in einem schnellen Redefluss befinde und dann rela-

tiv schnell zwischen den Sprachen hin und her switche (vgl. Poplack 1990, 37:

sogenanntes ‚smoothed switching’). Jedoch wisse sie auch, dass sie ab und zu in Lagen

Page 77: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

76

komme, in denen sie dies bewusst mache, weil es ihr leichter fallen würde: z. B. im

Zusammenhang mit Redewendungen, die je nach Situation besser passen würden und in

der einen Sprache in dieser Form entweder nicht existieren würden oder sie das entspre-

chende Sprichwort gerade nicht abrufen könne. In solchen Fällen würde sie dazu be-

wusst und absichtlich auf die andere Sprache zurückgreifen; sie würde dann meist plötz-

lich langsamer sprechen und erst dann wechseln (vgl. Poplack 1990, 37: sogenanntes

‚flagged switching’).

Snežana erklärte, dass sie bei der Arbeit neben (Schweizer-)Deutsch vor allem auch

Englisch spreche; das Französische meide sie, wenn möglich, und bitte die Kunden

generell ins Englische zu wechseln. Ihr sei zudem aufgefallen, dass sie auch mit den

Arbeitskollegen angefangen habe von (Schweizer-)Deutsch ins Englische, Französische

oder Spanische zu switchen; vor allem im Gespräch mit denjenigen, die auch mehrere

Muttersprachen haben.

Die Frage nach der Dominanz einer ihrer beiden Muttersprachen empfand sie als recht

schwierig, da sie finde, dass es sehr situationsbedingt sei; damit meinte sie – wie ich im

Verlauf ihrer Erzählung bemerkte – eher, dass es von verschiedenen Lebensphasen ab-

hänge (vgl. dazu auch die These Grosjeans 1998, S. 132; 134). Denn momentan – seit

sie mit ihrem serbischen Freund (heutigem Ehemann) zusammen ist (Januar 2012) – sei

Serbisch sicher ihre dominantere Sprache. Ihre ganze Schulzeit hindurch war jedoch das

Schweizerdeutsche die dominantere Sprache, da sie auch mehrheitlich in dieser Sprache

reflektierte. Jetzt denke sie jedoch vermehrt auf Serbisch nach und zwischendurch ein

wenig auf Schweizerdeutsch. Was hingegen ihren Wortschatz in den beiden Sprachen

betrifft, würde sie ihr (schweizer-)deutsches Vokabular grösser als dasjenige des Serbi-

schen bezeichnen, denn es komme doch noch oft vor, dass ihr gewisse Wörter im Serbi-

schen entfallen oder sie sie gar nicht kenne. Daher würde sie sich auf einer Skala von

eins bis sechs eine vier oder eine fünf geben. Sie hatte zudem immer das Gefühl, dass

sie das Serbische ein wenig besser beherrschte als viele andere bilinguale Bekannte, da

sie es akzentfrei und fliessend sprach. Doch nach der Heirat musste sie, wenn sie mit

den Verwandten ihres Ehemannes sprach, feststellen, dass diese sie manchmal aufgrund

ihrer etwaigen falsch betonten Wörter oder falschen Wortstellungen im Satz

belächelten; erst da habe sie gemerkt, dass sie doch noch viele Fehler mache. Ihr

Schweizerdeutsch hingegen würde sie – wie auch ich – mit einer sechs bewerten. Sie

kann sich noch sehr gut erinnern, dass sie in der Schule sogar oft viel besser im

Standarddeutsch war als Schweizer Kinder. Erst in der Kantonsschule verschlechterten

Page 78: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

77

sich ihre Deutschnoten in Aufsätzen, was wahrscheinlich aber eher mit der Stilistik als

mit der Grammatik zusammenhing. Zudem muss man betonen, dass auch sie eine hohe

Bildung genossen hat und heute in der Bankbranche tätig ist.

Zur Smartphone-Nutzung zu Kommunikationszwecken äusserte sie, dass sie fast

ausschliesslich und bevorzugt WhatsApp nutze. Sehr selten komme es vor, dass sie mal

eine SMS schreibe; sie könne sich zudem gar nicht erinnern, wann sie dies zuletzt getan

habe. Im Gegensatz zu Dragana telefoniere sie öfters mit denjenigen Personen, die kein

WhatsApp haben, schreibe ihnen jedoch höchst selten eine SMS. Was das Code-Swit-

ching in der schriftlichen Kommunikation betrifft, würde sie etwa gleich viel wie in der

Face-to-Face-Kommunikation switchen. Mit der Mehrheit ihrer bilingualen Freunde

schreibe sie in „Mischmasch“, mit anderen, ihr weniger nahestehenden Zweisprachigen

jedoch eher monolingual in der einen oder anderen Sprache. Ob ihr das Code-Switching

während dem Schreibprozess eher unbewusst oder bewusst unterlaufe, beantwortete sie

gleich wie Dragana und ich es taten: Nämlich, dass sie genau gleich wie in mündlicher

Kommunikation switche, also in einigen wenigen Situationen bewusst, jedoch im

Normalfall eher unbewusst. Auch sie ist der Überzeugung, dass dies damit zusammen-

hänge, dass man in WhatsApp eigentlich so schreibt, wie man auch mündlich miteinan-

der spricht. Beim Schreiben von SMS war dies – ihr zufolge – jedoch nicht der Fall, da

man sich aufgrund der damalig hohen Kosten eher darauf konzentrierte, einen

einheitlichen Text auszuformulieren, der in eine SMS passte. Ihr zufolge sei dies heute

mit WhatsApp ganz anders, da dieser Nachrichtenaustausch oft die von ihr

folgendermassen erläuterte Form aufweist: erste Nachricht: „’hoi’, zweiti Nochricht:

‚wa machsch?’, dritti Nochricht: ‚so und so…’, also mer konzentriert sich eigentlich

nüme uf en voll [ähm]…einheitliche Text, sondern mer schriebt eigentlich grad da, was

so eim in Sinn chunt, halt so brockewies“; damit umschreibt sie auch sehr schön das im

WhatsApp typische ‚Chunking’.

5.1.3 Jelena

Auch ich besitze vielfältige Wurzeln, wie meine beiden Freundinnen Dragana und

Snežana. Meine Mutter ist eine in Niš (im südöstlichen Bezirk Nišava) geborene Serbin,

deren Vater Mazedonier und deren Mutter Serbin war. Mein Vater ist ein in Ruma (im

nordwestlichen Bezirk Srem) geborener Serbe, dessen Mutter aus Serbien und dessen

Vater aus Slowenien stammte – daher auch unser slowenischer Familienname Zagorič-

Page 79: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

78

nik. Meine Mutter erlernte ihre zweite Muttersprache, das Mazedonische, bereits früh

von ihrem Vater und seiner Verwandtschaft und beherrscht es auch heute noch. Mein

Vater hingegen hatte das Slowenische niemals von seinem Vater erlernt, da dieser selbst

noch vor dem 2. Weltkrieg im Alter von 4 Jahren mit seiner Familie nach Serbien zog,

wo seine Eltern beschlossen, die Kinder ausschliesslich auf Serbisch aufzuziehen. Daher

beherrschte mein Grossvater väterlicherseits nur slowenische Kinderlieder, welche er

meinem Vater beibringen konnte und somit erlernten auch meine Geschwister und ich

das Slowenische nie. Das Mazedonische wurde uns zwar ebenfalls nie wirklich beige-

bracht, dennoch treffen wir diese Verwandtschaft – im Gegensatz zur slowenischen – in

Intervallen von ca. zwei bis fünf Jahren immer wieder, sodass wir zumindest ab und an

in Kontakt mit dem Mazedonischen kommen.117

Ich selbst wurde 1986 in Novi Sad (Serbien) geboren und lebte die ersten dreieinhalb

Jahre mit meiner Familie in Ruma, bis meine Mutter – die ihre physiotherapeutische

Ausbildung in Serbien beendet hatte – anfangs 1990 die Chance erhielt, in der Schweiz

eine Stelle als Physiotherapeutin anzutreten. Sie hatte bereits in Serbien Deutsch-Kurse

besucht, sodass sie nach dem Umzug in die Schweiz weniger Verständigungsprobleme

hatte als manch andere migrierte Bekannten. Da mein Vater und ich zu Beginn aber

noch keine Aufenthaltsbewilligung hatten, konnten wir meine Mutter in ihrem ersten in

der Schweiz verbrachten Jahr jeweils nur alle drei Monate besuchen. Ich kam bereits im

Alter von dreieinhalb Jahren mit dem Schweizerdeutschen in Kontakt, als ich die

Schweizer Arbeitskollegen, deren Kinder und Bekannte meiner Mutter kennenlernte.

Ende 1990 erhielten mein Vater und ich schliesslich auch eine Aufenthaltsbewilligung,

sodass ich im Alter von vier Jahren mit meinem Vater in die Schweiz zuzog. Ich

kommunizierte zu dieser Zeit beim Spiel mit den Schweizer Kindern wahrscheinlich

nicht auf Schweizerdeutsch, sondern auf Standarddeutsch, welches ich wie Dragana

durch das Fernsehen passiv erlernte. Richtig angefangen, es zu lernen, habe ich wohl

erst im Alter von ca. viereinhalb Jahren, als ich begann in die Kinderkrippe zu gehen

und mehr Kontakt mit Schweizer Kindern hatte. Auch ich empfand es, wie Dragana, als

einen fliessenden Übergang vom Standarddeutschen zu Schweizerdeutschen. So stellten

117 Während diese Verwandten bei solchen Treffen Mazedonisch sprechen, antworten wir ihnen auf Serbisch. Doch oft müssen sie uns die uns unbekannten und vom Serbischen nicht ableitbaren mazedonischen Ausdrücke umschreiben, wenn unsere Mutter gerade nicht da ist, um zu übersetzen. Das Mazedonische und das Slowenische unterscheiden sich lexikalisch, wie grammatikalisch vom Serbischen viel stärker, als es das Kroatische und Bosnische tun.

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79

bereits im zweiten Semester der ersten Klasse meine neue Klassenlehrerin und

Klassenkameraden fest, dass ich das Schweizerdeutsche bereits fliessend spreche.

Das Serbische habe ich hauptsächlich von meinen Eltern und meiner Grossmutter, mit

welcher wir in Serbien bis Ende 1990 noch lebten, erlernt. Das Schreiben des Serbi-

schen in beiden Alphabeten jedoch habe ich erst in der serbischen Ergänzungsschule

gelernt. Das Serbische beherrschte ich beim Eintritt in die Ergänzungsschule aber schon

sehr gut. Der Besuch dieser Schule vergrösserte zudem mein Wissen über die serbische

Geschichte, Geographie und die Grammatik, sodass ich – wie auch Snežana – im später

gelernten Latein und seinen Kasus vor allem von der bereits davor erlernten serbischen

Fällen profitieren konnte.

Zu Hause sprachen wir, bis mein Bruder (Jahrgang: 1992) und meine Schwester (Jahr-

gang: 1995) geboren wurden und sprechen lernten, nur monolinguales Serbisch, ausser

meine Mutter wollte uns Schweizerdeutsch sprechen und Gedichte rezitieren hören. Erst

etwa im Teenager-Alter begann ich meine Geschwister auch auf Schweizerdeutsch

anzusprechen und im Gespräch mit meinen Eltern einzelne schweizerdeutsche Wörter

zu benutzen, um bei Wortfindungsschwierigkeiten das im Moment fehlende serbische

Vokabular zu ersetzen, sodass ich begann, Codes zu switchen. Dasselbe Phänomen liess

(und lässt) sich auch mit zunehmendem Alter und Bildung meiner Geschwister

beobachten, sodass schliesslich auch meine Mutter dadurch beeinflusst wurde und be-

gann, mit uns Codes zu switchen. Interessant finde ich immer wieder, wenn meine Mut-

ter durchgehend auf Serbisch zu mir (oder uns) spricht, ihr Redefluss dann an einer

Stelle zu stocken beginnt, woraufhin sie für den Rest des Satzes ins Schweizerdeutsche

switcht, obwohl wir diesen Teilsatz ebenso auf Serbisch verstanden hätten. Nachdem

wir sie einige Male darauf angesprochen haben, behauptete sie jedes Mal, dass sie nicht

wusste, ob wir dies auch auf Serbisch verstanden hätten, was uns öfters zum Lachen

brachte.

Während ich mir heute immer noch Mühe gebe, mit meinen Eltern reines monolingua-

les Serbisch zu sprechen, kommuniziere ich mit meinen Geschwistern hauptsächlich auf

Schweizerdeutsch. Dennoch sind mir Situationen aufgefallen, in denen ich sozusagen

automatisch und unbewusst ins Serbische switche: Nämlich fast jedes Mal, wenn ich

ihnen Befehle bezüglich bestimmter Haushalt-Aufgaben erteile; dem stimmte, wie be-

reits erwähnt, auch Dragana zu. Meiner Meinung nach tun wir dies als ältere Geschwis-

ter wohl immer auf Serbisch, weil wir solche Befehle schon wörtlich von unseren Eltern

übernommen haben und diese in unserer Vorbildfunktion deshalb auch im selben Wort-

Page 81: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

80

laut zu äussern tendieren. Meine Geschwister hingegen, die beide in der Schweiz gebo-

ren sind, sprechen die Eltern in beiden Sprachen an, wobei sie von unserem Vater gene-

rell nur auf Serbisch und von unserer Mutter auf Serbisch und Schweizerdeutsch Ant-

wort erhalten.

Mit meinen bilingualen Freunden spreche ich in der Freizeit beide Sprachen, sei es nun

monolingual Serbisch oder Schweizerdeutsch oder im bilingualen Sprachmodus mit CS

durchzogen. Dies geschieht in den häufigsten Fällen – vor allem bei schnellem Rede-

fluss – unbewusst. Bewusst switche ich in mündlichen Unterhaltungen – wie Snežana –

vor allem, wenn ich auf serbische oder (schweizer-)deutsche Sprichwörter, Witze und

Phraseologismen zurückgreife, oder um mich kürzer durch die jeweils andere Sprache

auszudrücken, aber auch ab und zu aufgrund von Wortfindungsschwierigkeiten im

Serbischen, wie dies bei Dragana und Snežana auch der Fall ist.

An der Universität spreche ich, wie nicht anders erwartet, während den Vorlesungen

und Seminaren Standarddeutsch, und ausserhalb davon Schweizerdeutsch, wie es in der

Schweiz üblich ist. Mein Schweizerdeutsch ist aufgrund der durchgehenden Bildung in

der Schweiz auch zur dominanteren Sprache geworden, welches ich in einer

Schulnotenskala von eins bis sechs der sechs zuordnen würde. Das Serbische

beherrsche ich gut genug, um mich im Alltag zu verständigen, wobei ich denke, dass

mein gesprochenes und geschriebenes Serbisch grammatikalisch mehrheitlich korrekt

ist. Das Hauptproblem ist in meinem Fall der um einiges kleinere serbische Wortschatz

im Vergleich zu demjenigen des (Schweizer-)Deutschen. Bestimmte Wörter aus nicht

alltäglichen Domänen kenne ich gar nicht, einige andere Wörter kommen mir öfters

nicht auf Anhieb in den Sinn, da sie nicht zu meinem aktiven Wortschatz gehören,

wiederum andere verstehe ich, da sie zu meinem passiven Wortschatz gehören aber

höchst selten von mir benutzt werden. Zudem habe ich bemerkt, dass ich manchmal,

wenn ich schon längere Zeit kein monolinguales Serbisch gesprochen habe, etwas

länger brauche, um gewisse Wörter aus dem Gedächtnis abzurufen; daher würde ich mir

nach der Schulnotenskala etwa eine 4,5 für mein Serbisch geben. In grammatikalischer

Hinsicht hingegen bin ich davon überzeugt, neu gelernte oder erstmals gehörte serbische

Wörter ohne langes Zögern richtig in allen Tempora konjugieren und in allen Kasus

deklinieren, wie auch ihre Genera korrekt bestimmen zu können.

Was meine Smartphone-Nutzung betrifft, schliesse ich mich Draganas und Snežanas

Behauptungen an, denn auch ich nutze hauptsächlich (zu ca. 95%) den WhatsApp-

Messenger zur Kommunikation mit Freunden, Bekannten, Verwandten und

Page 82: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

81

Familienmitgliedern. Die gesamten Telefonate würde ich etwa auf 3 % schätzen und

meine Versendung von SMS auf ca. 1 %. Per E-Mail kommuniziere ich lediglich mit

Dozenten und Studienkollegen und würde meine Nutzung dieser Kommunikationsform

auf ca. 1 % schätzen. Zudem verschicke ich SMS nur an Freunde, die auch heute noch

kein WhatsApp nutzen, oder falls ich mich im Ausland befinde und die hohen

Roamingkosten für mobile Daten umgehen will.

Zum schriftlichen Code-Switching in WhatsApp kann ich, wie bereits Dragana und

Snežana behaupteten, sagen, dass ich dies nicht nur mit ihnen beiden, sondern auch mit

weiteren Freunden und Familienmitgliedern tue und dass dies aufgrund der

konzeptionellen Mündlichkeit dieser Kommunikationsform genauso oft unbewusst ge-

schieht wie in direkter mündlicher Kommunikation. Meine Switches bei Sprichwörtern,

Witzen und Redewendungen werden – wie in der Face-to-Face-Kommunikation – auch

auf schriftlicher Ebene eher bewusst getätigt. Zudem switche ich in WhatsApp, genauso

wie Dragana, ganz bewusst in die jeweils andere Sprache, um mich mit weniger

Tippaufwand und Zeichen schneller und kürzer ausdrücken zu können.

5.2 Mundartverwendung und Verschriftung des Schweizerdeutschen

Bei einem Blick in informelle SMS, E-Mails, IRC-Chats, computerbasierte IM-Chats,

Foren, Smartphone-basierten WhatsApp-Messenger-Chats und Facebook-Seiten von

Menschen aus der Deutschschweiz erkennt man eindeutig das Schweizerdeutsche – also

Mundart – als Matrixsprache (vgl. Siebenhaar 2006b, 1; 3; vgl. ders. 2005, 10; vgl.

Dürscheid/Stark 2013, 194).118 Dies ist besonders augenfällig, da in der Deutschschweiz

eine sogenannte ‚mediale Diglossiesituation’ 119 vorliegt. Dies beinhaltet, dass

„normalerweise alle Mundart sprechen120 und Standardsprache schreiben“ (Siebenhaar

2006b, 2). Doch Standarddeutsch wird eigentlich nur im Unterricht, in höchst formalen

Situationen und im Gespräch mit Menschen, die kein Schweizerdeutsch verstehen,

gesprochen (vgl. Siebenhaar 2006a, 482; vgl. Dürscheid/Wagner/Brommer 2010, 51;

118 Auch in nicht-elektronischen schriftlichen Medien, wie Zeitungen, wird Schweizerdeutsch „auffällig häufig verwendet […]: Gratulationen, Kontaktanzeigen, Werbung, oder auch Todesanzeigen. Auffällig ist dabei, dass es vor allem Bereiche sind, die durch Emotionalität bzw. ‚Kundennähe’ bestimmt sind.“ (Siebenhaar 2005, 10). 119 Dieser Terminus geht zurück auf Kolde (1981) und ist „bis heute weitgehend anerkannt“ (Siebenhaar 2005, 9). 120 Auch in formalen Situationen – beispielsweise mit dem Vorgesetzten, bei Vorstellungsgesprächen, bei politischen Diskussionen, in Wetterberichten im Schweizer Fernsehen – wird in der Schweiz Mundart gesprochen (vgl. Siebenhaar 2006a, 482; vgl. Dürscheid/Wagner/Brommer 2010, 52).

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82

vgl. Ueberwasser 2013). Die Mundart finden wir in schriftbasierter Kommunikation –

wie persönlichen informellen Briefen und Notizen – vor allem seit den frühen 80er-

Jahren (vgl. Siebenhaar 2006a, 483). Dies steigerte sich mit dem Aufkommen der

informellen schriftbasierten CVK zunehmend, sodass man die Mundart in diesen

Kommunikationsformen heute als meistverwendete, unmarkierte sprachliche Varietät

identifizieren kann (vgl. Siebenhaar 2005, 10). Das lässt sich damit erklären, dass

hierzulande „die Mündlichkeit mit der Mundart gekoppelt ist“ und dass im Rahmen der

oben genannten Kommunikationsformen „mündliche Sprachmuster [d.h. Schweizer

Mundart] in die Schriftlichkeit“ übertragen werden, um die Kommunikationsnähe und -

intimität in privaten Unterhaltungen zu vergrössern (Siebenhaar 2006b, 2; vgl. ders.

2005, 65; vgl. Ueberwasser 2013).

Aufgrund des vorliegenden informellen Rahmens und dem Fehlen einer „kodifizierten

Norm“ im Schweizerdeutschen wenden Chatter meist eine individuelle

Verschriftungsstrategie des jeweiligen gesprochenen Dialekts an (Siebenhaar 2003, 127;

vgl. ders. 2005, 16; vgl. ders. 2006a, 483). Die informelle schriftbasierte CVK in der

Schweiz zeichnet sich also nach dem Modell von Koch/Oesterreicher (1994) durch ihre

mediale Schriftlichkeit und konzeptionelle Mündlichkeit am Nähepol aus (vgl. Sieben-

haar 2006b, 3; vgl. Dürscheid/Wagner/Brommer 2010, 52). Von grosser Bedeutung ist

hierbei erstens das Alter der Gesprächsteilnehmer, da, wie bisher festgestellt wurde, vor

allem Jugendliche, junge Erwachsene und ältere Chatter – im Gegensatz zu solchen im

mittleren Alter – Mundart schreiben (vgl. Siebenhaar 2003, 129; vgl. ders. 2006a, 492;

vgl. Ueberwasser 2013). Zweitens ist auch das Ausmass der

Kommunikationssynchronität von hoher Wichtigkeit: Das Schweizerdeutsche ist in den

„konzeptionell näher bei der Mündlichkeit“ stehenden Kommunikationsformen – wie

im quasi-synchronen IRC-Chat, computerbasierten IM-Chat und WhatsApp-Chat –

frequenter zu erwarten als in asynchronen Kommunikationsformen, wie SMS, E-Mail,

Foren- und Blog-Einträgen, bei welchen mehr Zeit in das Verfassen von Beiträgen

investiert wird und folglich auch mehr standarddeutsche Phrasen erwartet werden kön-

nen (Siebenhaar 2003, 126; vgl. ders. 2005, 16; vgl. ders. 2006a, 482; vgl. ders. 2006b,

3; vgl. Dürscheid/Wagner/Brommer 2010, 52).

Wie Siebenhaar zeigen konnte, lassen sich in interregionalen, wie auch regionalen,

Deutschschweizer IRC-Chaträumen erstens ein grosser Reichtum an Dialekten und de-

ren Verschriftungsmethoden, zweitens eine grosse Variantenbreite in „mundartlichen

Schreibroutinen“ innerhalb desselben Dialekts und drittens eine Fülle an Code-Swit-

Page 84: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

83

ching feststellen (2006b, 4; vgl. ders. 2003; vgl. ders. 2005; vgl. ders. 2006a, 483; 488f.).

Diese Inkonsistenz in der Verschriftung des Schweizerdeutschen hängt nicht nur vom

lokalen Dialekt und den regionalen lautnahen Verschriftungstraditionen ab, sondern

auch vom Einfluss des Standarddeutschen, der individuellen Interpretation der Regeln

der „Phonem-Graphemkorrespondenzen“, der individuellen Interpretation der

orthographischen Regeln und den in CVK relativ häufig vorkommenden Tippfehlern

(Dürscheid/Frick 2014, 194; vgl. Siebenhaar 2006a, 483). Bei der Verschriftung des Schweizerdeutschen lassen sich zusammengefasst folgende

Beobachtungen bezüglich des Vokalismus machen: Die Verschriftung der Vokale in

schweizerdeutschen Dialekten variiert viel stärker unter den Mundart-Schreibern als

diejenige der Konsonanten. Während im Berndeutschen beispielsweise das finite Kurz-

verb ‚gewesen’ oft mit <y> (‚gsy’) geschrieben wird, benutzt man in ostschweizerdeut-

schen Dialekten dafür stets den Endungsvokal <i> (vgl. Siebenhaar 2003, 130); die

durchgehende i-Schreibung wurde auch im untersuchten WhatsApp-Korpus beobachtet,

da es sich bei allen Chatteilnehmerinnen um im Kanton St. Gallen aufgewachsene und

lebende junge Frauen handelt.

Viele Vollverben, wie ‚machen’ oder der Neologismus ‚chatten’ werden Siebenhaars

Untersuchungen zufolge in den IRC-Chats #bern und #zuerich vor allem mit dem

Endungsvokal <e> (‚mache’ / ‚chatte’) – welches dem Schwa-Laut [ɘ] entsprechen

würde – ausgeschrieben, wobei ferner auch die <ä>-Graphie bei gewissen Chattern

konstatiert wurde (vgl. 2003, 132f.; vgl. ders. 2006b, 26-28). Im untersuchten

WhatsApp-Korpus lässt sich im von uns verschrifteten St. Galler-Dialekt jedoch

durchgehend die <e>-Graphie bei Endungsvokalen in Vollverben verzeichnen; kein

einziges Mal wurde hierbei eine <ä>-Schreibung aufgefunden. Lediglich bei der

Untersuchung von Snežanas Turns wurde festgestellt, dass sie zur Verschriftung des

Schwa-Lauts im adverbialen Adjektiv ‚nie’ immer das <ä> benutzt (niä), während Dra-

gana und ich dafür fast immer „nie“ verwendeten; zur niä-Verschriftung wurden wir

erst durch Snežanas Methode verlockt.

Bei Stammvokalen hingegen variiert nicht nur die dialekt-spezifische Schreibung. Es

kommt in unserem WhatsApp-Chat durchaus vor, dass ein und dieselbe Person mehrere

Verschriftungsarten benutzt.121 Zunächst kann man beobachten, dass Snežana die finiten

Verben ‚hast’, ‚hat’ und ‚ habt’ durchgehend mit <e> (hesch/ het/ hend) schreibt, wäh-

121 Dieselbe Beobachtung machten Dürscheid und Stark bei der Untersuchung von SMS (vgl. 2013, 194f.).

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rend Dragana dies konstant mit dem Graphem <ä> (häsch/ hät/ händ) tut.122 An ihren

Verschriftungsmethoden sieht man also, dass das „normferne Schreiben [in WhatsApp-

Chats] durchaus regelgesteuert“ sein kann (Dürscheid/Stark 2013, 195). In meinen

Turns herrscht Konstanz bei der Verschriftung der finiten Verben ‚hat’ und ‚habt’, wel-

che ich immer durch das Graphem <e> realisiere. Bezüglich des finiten Verbs ‚hast’

hingegen lässt sich bei mir feststellen, dass ich gelegentlich zwischen den beiden

Verschriftungsvarianten schwanke, sodass in meinen Turns zwar vor allem häsch, in

drei Turns jedoch hesch konstatiert wurden. Auffällig war in meinen Beiträgen vor al-

lem, dass ich jedoch ausnahmslos die Variante hend benutzte. Erklären kann ich mir

dies lediglich auf eine Weise: Wahrscheinlich schreibe ich dieses finite Verb durchge-

hend mit der <e>-Graphie, um es vom Nominativ Plural von ‚Hände’ (‚händ’) zu

unterscheiden, wo für mich der Stammvokal eher als [ɛ], denn als [e] vernehmbar ist.

Ähnlich sieht es bei der Wortform ‚zu/nach Hause’ aus: Während Snežana immer hai

oder dihai dafür verwendet, benutzen Dragana und ich immer den Diphthong <ei> in

diesem Wort.

Weiterhin ist die Markierung langer Vokale in unserem WhatsApp-Chat interessant:

Während Dragana das Substantiv ‚Zeit’ immer mit einem einfachen <i> verschriftet

(zit), verdoppelt Snežana dieses <i> zu ziit, um eine Dehnung anzuzeigen. Ich hingegen

benutze beide Verschriftungsvarianten etwa gleich oft; im schweizerdeutschen Diminu-

tiv markiere ich die Dehnung jedoch immer durch ein <ie> - also ein angehängtes Deh-

nungs-e – zu zietli. Ähnlich sieht es mit dem Wort ‚weitere’ aus: Analog zu ‚Zeit’

verschriftet Snežana dies immer mit einem Doppelvokal (wiitere), Dragana mit einem

einfachen <i> (witere) und ich mit einem Dehnungs-e (wietere).123

In Fällen hingegen, wo man ein Dehnungs-h für die Markierung der Vokallänge im

Schweizerdeutschen benutzen könnte, herrscht eine starke Variabilität in unserer

Verschriftung vor. Dies wird vor allem beim Adjektiv ‚früher’ augenscheinlich, wo

Snežana immer früener schreibt, Dragana dies immer mit Dehnungs-h (früehner) tut,

und ich sehr oft zwischen den beiden Verschriftungsmethoden schwanke, da zumindest

mir nicht ganz klar ist, ob das <e> bereits als Dehnungsvokal zu betrachten ist oder es

dazu ein standardsprachliches Dehnungs-h braucht. Hierzu schreibt aber auch Sieben-

haar: „Wo ein qualitativer lautlicher Unterschied zur Standardsprache markiert wird, 122 Ähnliche Beobachtungen machten Dürscheid und Stark bei der Untersuchung von SMS (vgl. 2013, 195). 123 Im Zürcher IRC-Chat fand Siebenhaar zudem öfter die Markierung durch ein Dehnungs-e als durch einen Doppelvokal vor (vgl. Siebenhaar 2006b, 23f.).

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also schon eine graphematische Distanz zur Schriftsprache besteht, ist die Tendenz stär-

ker, auch eine zusätzliche Markierung der Vokallänge zu setzen“ (2006b, 29f.).

Was jedoch das finite Verb ‚gehst’ betrifft, herrscht unter uns Dreien die Konvention

vor, die Vokallänge des /o/ in gohsch mit einem aus der schriftsprachlichen Graphie

übernommenen Dehnungs-h zu markieren, wie es auch Siebenhaar in seinen

Untersuchungen in eindeutiger Mehrzahl auffand (vgl. 2006b, 21f.). Was den Konsonantismus betrifft, lassen sich bei der Mundartschreibung folgende

Beobachtungen machen: Die Konsonantengemination, die man in den IRC-Chats von

Siebenhaar, wie auch im WhatsApp-Chat ‚Girls’ beobachten kann, beruht allem

Anschein nach auf einer Anlehnung der Chatter an die deutsche Standardschreibung,

welche aufgrund der Schulbildung auch auf uns Schweizer Einfluss ausübt (vgl.

Siebenhaar 2003, 136). Abweichungen von der Konsonantengeminationssregel könnte

man hingegen durch die Schreibkonvention, einen Laut mit einem Graphem wieder-

zugeben, erklären (vgl. Siebenhaar 2003, 136; vgl. Dürscheid/Stark 2013, 197). Dies

kann man sehr gut am folgenden Beispiel veranschaulichen:

(28) 30.6.11./09:15:08 Snezana Super! Du hesch de rege [in Stadt X] verpasst...

Weltuntergangsmässig... I bi vo de stege zu tür klitsch-nass worde.. Hor gad nomol gwäsche i 5 laufschriit

‚Super! Du hast den Regen [in Stadt X] verpasst… Weltuntergangsmässig…Ich bin von der Treppe zur Tür klitschnass geworden.. Die Haare gerade noch einmal gewaschen in 5 Laufschritten’

Hier sieht man nicht nur die von Snežana bevorzugte Schreibweise des finiten Verbs

‚hast’ (hesch), sondern auch ihre nach der Standardschreibung korrekte

Konsonantengemination des <s>. Im Substantiv laufschriit hingegen tut sie dies nicht

beim <t>. Nun könnte man dies zwar mit dem ‚Ein Laut – ein Graphem-Prinzip’ erklä-

ren, was jedoch nicht fruchten würde, da sie in einem anderen Turn – 4.10.11./11:56:44:

Snezana: Hmm? Isch en fortschritt für mi – die Doppelschreibung des <t> im Morphem

-schritt einhält. Im oberen Beispiel handelt es sich folglich nur um einen klassischen

Tippfehler.

Bestimmte Konventionen lassen sich auch bei den Wörtern ‚jemand’, ‚etwas’, ‚ungefäh-

r’ und ‚zusammen’ feststellen, wo jedoch bestimmte Chatteilnehmerinnen eine gewisse

Schreibvariante bevorzugen. Während Snežana und Dragana immer die Varianten öper,

öpis und öpe benutzen, verschrifte ich diese Wörter immer mit einem Doppel-p, da mir

diese Plosive schärfer vorkommen als solche in anderen Wörtern. Was jedoch das Wort

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‚zusammen’ betrifft, herrscht unter uns eine starke Variabilität vor: Dragana schreibt

zämme, Snežana tut dies ohne einen Doppelkonsonanten (zäme) und ich zwar mit einem

Doppel-m, jedoch mit einer <e>-Graphie (zemme).

Weiter lässt sich beobachten, dass wir die Konvention haben, ‚gewesen’ mit der

Konsonantenkombination <gs> (gsi) zu schreiben, während heutige Jugendliche dies oft

durch die <x>-Graphie (‚xi’) tun (vgl. Dürscheid/Stark 2013, 189), was meines Erach-

ten aufgrund der Lautung durchaus berechtigt ist. Ansonsten lässt sich mehrheitlich eine

Anlehnung an die standardsprachliche Graphie beobachten, wie beispielsweise bei der

mundartlichen Verschriftung des standarddeutschen Wortes ‚beste/r’, bei der Dragana

und ich immer die <st>-Schreibung benutzen (de best). Snežana hingegen benutzt in

solchen Wörtern immer die lautnähere <scht>-Graphie (de bescht), obwohl diese mit

einem grösseren Tippaufwand verbunden ist. Bei der Verschriftung des Schweizerdeutschen lässt sich bezüglich der Morphologie

folgendes beobachten: Die Chatterinnen halten sich bei ihrer „spontanen Mundartschrei-

bung“ nicht an „äussere Regeln“ (Siebenhaar 2003, 127), wie beispielsweise die

naheliegende Auseinander-Schreibung von ‚habt ihr’ (händ er/ihr), „haben wir’ (händ

mir), ‚geht ihr’ (gönd er/ihr), ‚gehen wir’ (gönd mir) etc.. Sehr oft findet man in unse-

rem ‚Girls’-Chat Enklisen, wie händer/hender, hämer/hemer 124 , gönder und göme-

r/gömmer vor, welche als individuelle Verschriftung des gesprochenen und gehörten

Dialekts zu interpretieren sind. Solche schriftlich realisierte Enklisen haben also „die

Funktion haben, Mündlichkeit zu simulieren“ (Dürscheid/Wagner/Brommer 2010, 131).

Aber auch dieses Phänomen kann zeitökonomische Gründe haben, denn durch das

Weglassen des Leerzeichens zwischen den Wörtern lässt sich der Tippaufwand verrin-

gern und somit schneller schreiben (vgl. Dürscheid/Wagner/Brommer 2010, 131).

5.3 Schriftsystem des Serbischen und seine Realisierung in WhatsApp

In Serbien finden wir das eher seltene Phänomen der offiziellen Digraphie vor, d. h. die

aktive Nutzung zweier Schriftsysteme für ein und dieselbe Sprache einer Sprachgemein-

schaft (vgl. Ivković 2013, 335). Das serbische Alphabet – das ebenfalls wie das deut-

sche dreissig Buchstaben besitzt – existiert in einem lateinischen (‚Latinica’ oder ‚Abe-

ceda’) und einem kyrillischen Schriftsystem (‚Ćirilica’ oder ‚Azbuka’). Das Serbische

124 Zum Teil taucht auch der Doppelkonsonant <mm> auf: hämmer oder hemmer.

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unterscheidet sich vom Deutschen jedoch dadurch, dass es für die Verschriftung der

einzelnen Phoneme tatsächlich einzelne Grapheme benötigt. Auf den ersten Blick bilden

die in lateinischer Schrift realisierten Ligaturen lj125 und nj126, und der Digraph dž127

eine kleine Ausnahmegruppe, die jedoch im Kyrillischen (љ, њ, џ) buchstäblich als ein-

zelne Grapheme gezählt werden. Des Weiteren unterscheidet sich das serbische Alpha-

bet vom lateinischen durch die Sondergrapheme č128, ć129, đ130, š131, ž132 und dž, welche

durch die lateinischen Äquivalente (c, d, s, z, dz) mit den Diakritika Hatschek ( ˇ ), Akut

( ´ ) und Querstrich ( - ) verschriftet werden (vgl. Ivković 2013, 337f.).

Bereits in der ersten Klasse der Primarschule in Serbien, wie auch in serbischen

Ergänzungsschulen in der Diaspora, lernen die SchülerInnen, dass das serbische Alpha-

bet auf den serbischen Philologen und wichtigsten serbischen Sprachreformer Vuk

Stefanović Karadžić (1787–1864) zurückgeht. Dieser hat das serbische Alphabet und

seine Orthographie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch Reformen verein-

facht und das Serbische zur Schriftsprache erhoben (vgl. Gutschmidt/Hopf 1999, 816).

So schreiben seit Vuk Stefanović Karadžić’s Reform die Serben, Kroaten und Bosnier

heute immer noch nach seiner Maxime ‚Schreibe, wie du sprichst und lies, wie es

geschrieben steht!’ (BKS: „Piši kao što govoriš i čitaj kako je napisano!“).133 Dies

bedeutet, dass es keine Doppelkonsonanten, keine Dehnungszeichen und keine Di-

phthonge134 im BKS gibt; sogar ausländische Namen werden offiziell basierend auf

ihrer Aussprache verschriftet.135 Somit stellt die serbische Orthographie aufgrund des

einfachen Alphabets, in welchem jedes Graphem exakt für ein Phonem steht, auch für

Kinder keine grosse Hürde dar.

Während die serbische Orthographie (beider Alphabete) im handschriftlichen Bereich

und den Printmedien konsequent normgerecht umgesetzt wird, finden wir – wie Ivković

in seiner Forschungsarbeit feststellte – in der schriftbasierten CVK von der Norm

abweichende Schreibweisen (vgl. 2013). Dies ist auf unser digitales Zeitalter, die

technologischen Möglichkeiten, wie auch Limitationen der neuen Medien und vor allem

125 stimmhafter lateraler palataler Approximant /ʎ/. 126 stimmhafter palataler Nasal /ɲ/. 127 stimmhafte postalveolare Affrikate /dʒ/. 128 stimmlose postalveolare Affrikate /tʃ/. 129 stimmlose alveolopalatale Affrikate /tɕ/. 130 stimmhafte alveolopalatale Affrikate /dʑ/. 131 stimmloser postalveolarer Frikativ /ʃ/. 132 stimmhafter postalveolarer Frikativ /ʒ/. 133 Auch Snežana, Dragana und mir wurde diese Maxime in der serbischen Ergänzungsschule beigebracht. 134 Ausser im Ijekavischen der Diphthong -ije- (/iɛ/). 135 Z. B. für engl. <Angelina Jolie>, serb. <Anđelina Žoli>.

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auf die Kommunikation über das Internet – in welchem das lateinische Alphabet klar

dominiert – zurückzuführen. Des Weiteren ist auch der heutzutage immer stärker wer-

dende globale Einfluss des Englischen – und des von ihm benutzten lateinischen Alpha-

bets – in den neuen Medien als ein wichtiger Grund zu nennen (vgl. Ivković 2013, 339;

346).

So betont Ivković in seiner Arbeit als Erstes, dass man das lateinische Schriftsystem in

schriftbasierter CVK heute viel öfters antrifft als das kyrillische, da man durch die

Benutzung des erstgenannten viel weniger Zeit und Aufwand braucht, um sich

auszudrücken (vgl. 2013, 336; 341f.; 344); darin stimme ich ihm vollkommen zu. Wie

oben bereits erwähnt, kann dabei aber nicht nur der permanente visuelle Einfluss und

die Dominanz der westlichen, lateinisch-verschrifteten Sprachen als Grund fungieren,

sondern auch das Fehlen von bindenden sprachlichen Regeln, welche die Alphabet-

Wahl in der Öffentlichkeit regulieren und sanktionieren (vgl. Ivković 2013, 339-340).136

Eine weitere Beobachtung ist diejenige, dass heute immer mehr Serben – nicht nur

diejenigen in der Diaspora, sondern auch die in Serbien lebenden – in der CVK die

normativen Diakritika weglassen, sodass diese Verschriftungsmethode quasi zum

inoffiziellen Standard und zur „Internet version of ‚our’ languages’“ wurde (Ivković

2013, 348; vgl. ders. 352).137 Ein konkretes Beispiel wäre, wenn das Hatschek im Na-

men ‚Snežana’ einfach getilgt wird und somit als <Snezana> verschriftet wird. Inkor-

rekt ist dies deshalb, weil der Name nach dieser Schreibung folglich /snezana/ und nicht

als der eigentliche Name /sneʒana/ ausgesprochen werden würde; und dennoch erken-

nen Serben auf den ersten Blick, welcher Name gemeint ist. Die ersten Beobachtungen

diesbezüglich machten bereits Hentschel (1998) und Magner (2001) (vgl. Ivković 2013,

338). Im Falle slawischer Sprachen ist folglich das sogenannte „Internet

Slavic“ (Magner 2001, 24) resp. eine „De-Diacritization“ (Ivković 2013, 342)

entstanden, welche sich darin äussert, dass die eher umständlich zu verschriftenden

Diakritika in CVK von vielen Schreibern getilgt werden.138

136 Jedoch werden heute auch (die meisten) Strassen- und Ortsschaftstafeln, kommerzielle und unterhaltende Inhalte, wie Ingredienzen in Lebensmitteln, immer mehr Bücher, Magazine und Zeitungen in Serbien (monoalphabetisch) im lateinischen Alphabet gehalten; dies gilt auch für die Nachrichten-Webseite B92. Autobahntafeln und Webseiten der Regierung, wie auch die Nachrichten-Webseite von Politika online werden jedoch offiziell digraphisch gehalten (vgl. Ivković 2013, 339-341). 137 Ivković untersuchte dies anhand von gesammelten Nutzer-Kommentaren auf den Webseiten Politika Online und B92 (vgl. 2013); dies trifft jedoch auch auf weitere Formen der informellen schriftbasierten CVK, wie z. B. WhatsApp oder Facebook, zu. 138 Dies kann jedoch auch bei der Verschriftung romanischer Sprachen in informeller privater CVK, wie z. B. Französisch oder Portugiesisch beobachtet werden, wo die Diakritika Zirkumflex, Gravis und Akut des

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Während Ivković bei seinen Untersuchungen vier von der Standard-Orthographie des

Serbischen abweichende Subsysteme fand (vgl. 2013, 342-344), traf ich in unserem

WhatsApp-Chat ‚Girls’ drei verschiedene Verschriftungsmethoden vor:

1. Das normgerechte Schreiben im lateinischen Alphabet (inklusive diakritische

Zeichen)(LV1)139,

2. Die ‚vereinfachte’, jedoch von der Norm abweichende Verschriftung der

Sondergrapheme ohne Diakritika (z. B. < s > anstatt < š >, für den eigentlichen

Laut /ʃ/ oder die Transkription des Graphems < đ > zu < dj >, wie z. B. im Na-

men des Tennisspielers Ɖoković (zu < Djokovic >)(LV2), und

3. Die normgerechte Verschriftung im kyrillischen Schriftsystem (KV)(vgl. Ivko-

vić 2013, 342f.).

Die Verschriftungsmethode LV1 wurde lediglich in 26 Turns meines WhatsApp-Korpus

aufgefunden: Diese beinhalten insgesamt 38 Diakritika in 36 Worten und wurden nur

von Snežana (in 2 Turns) und mir (in 24 Turns) gesetzt; Dragana benutzte die auf dem

Smartphone verfügbaren diakritischen Zeichen kein einziges Mal. Am 31.12.11 fragte

ich Dragana um 15:12:08 Uhr auf Schweizerdeutsch Wenn fahred mir hütobig eigentli

los? (‚Wann fahren wir heute Abend eigentlich los?’) und tippte gleich daran anschlies-

send den folgenden komplett auf Serbisch formulierten Turn, in dem beinahe alle

erforderlichen Diakritika gesetzt wurden (LV1); nur im Wort vec (‚schon’) habe ich den

Akut vergessen (‚već’), da ich es schlicht und einfach gewohnt bin die LV2-Methode zu

benutzen:

(29) 31.12.11. / 15:12:33 Jelena Razmišljam dal da sada počnem vec sa loknama.. ‚Ich überlege (gerade), ob ich jetzt schon beginnen soll,

Locken zu machen.. Man findet vom einen zum anderen Turn also ein intersentenzielles CS in Form einer

Alternation (ohne Sprecherwechsel) vor, welches die Funktion einer Verdeutlichung

meiner Gedankengänge hat; ich will also wissen, wann wir zur Silvesterparty aufbre-

chen, damit ich planen kann, wann ich mich frisieren soll. Aus der heutigen Perspektive

würde ich behaupten, dass ich diese Methode lediglich deshalb benutzt habe, da ich Zeit

(aufgrund der Semesterferien) und im Moment gerade Lust hatte, korrekt zu schreiben.

Öfteren aufgrund technologischen, zeitökonomischen wie auch sozialen Gründen weggelassen werden (vgl. Ivković 2013, 338). 139 LV1, LV2 und KV wurden in Anlehnung an Ivković (vgl. 2013, 342) als Kürzel für die Verschriftungsmethoden übernommen; das <L> steht immer für das lateinische Alphabet, während das <K> fürs kyrillische steht.

Page 91: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

90

Im folgenden Beispiel hingegen finden wir eine andere Situation vor: Ich verfasste fast

den gesamten Turn auf Schweizerdeutsch, switchte jedoch intrasentenziell für das Wort

šalvare (‚Pumphosen’) ins Serbische, da wir dafür ein eigenes – aus der Zeit der

osmanischen Herrschaft über Serbien, von den Osmanen entlehntes – Substantiv besit-

zen.

(30) 1.12.11. / 10:56:57 Jelena Bi dem letschte bild gseht mer sehr schön d šalvare unte-

rem rock ‚Im letzten Bild sieht man sehr schön die [typisch

osmanischen] Pumphosen unter dem Rock’ Dieser Switch hat also die Funktion Kulturspezifisches – wie dieses Kleidungsstück der

Osmanen, das in den 1870er-Jahren in Serbien von einigen Frauen immer noch gerne

getragen wurde140 – zu markieren. Da dieses traditionelle Kleidungsstück in den heute

auf speziellen Anlässen aufgeführten serbischen Volkstänzen südöstlicher Regionen

immer noch getragen wird, und Snežana und ich eine Zeit lang selbst im serbischen

Volkstanzverein mittanzten, verwenden wir dafür ausschliesslich den serbischen Termi-

nus, der im Verein dafür gebraucht wird; anschliessend wurde weiterhin auf Schweizer-

deutsch kommuniziert, wobei lediglich šalvare lexikalisch wiederaufgegriffen wurde.

Dieses Wort wurde im WhatsApp-Chat ausserdem niemals in der deutschen Überset-

zung aufgefunden. Auffallend ist zudem, dass die aufgefundenen diakritischen Zeichen

nur vereinzelt in der Kommunikation an elf Tagen benutzt wurden; lediglich an drei

Tagen benutzte ich sie in mehreren Turns hintereinander, nämlich am 31.12.11 (2 mal),

am 20.1.12 (10 mal) und am 27.2.12 (2 mal).

Die Methode KV hingegen wurde nur in drei von Snežana getippten Beiträgen verwen-

det; Dragana und ich benutzten das Kyrillische – das in Serbien in den Domänen Schule,

Beruf und Politik als das prestigeträchtigere Schriftsystem gilt – nie im WhatsApp-Chat

‚Girls’. Zur Veranschaulichung folgendes Beispiel:

(31) 15.1.12. / 19:08:58 Snezana Ајд одмах да сте се нацртале (‚Ajd, odmah da ste se

nacrtale’) ‚Also los, kommt sofort her’; Wörtlich: ‚Also los, dass

ihr euch sofort hier aufzeichnet’

140 In diesem Gebiet kenne ich mich erstens aufgrund der früheren Mitgliedschaft im serbischen Volkstanzverein aus, wo wir auch Vieles über unsere Kultur gelernt haben und zweitens aufgrund einer im Rahmen meines Geschichtsstudiums besuchten Seminars („Islam in Osteuropa“) und der dazu von mir verfassten Seminararbeit „Osmanische Einflüsse auf die Kleidung der Serben und deren Bekleidungswandel im Verlauf des 19. Jahrhunderts“; vgl. auch Vucinich 1963, 113.

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91

Snežana unternimmt in diesem Turn einen sogenannten Skript-Switch (vgl. Ivković

2013, 348), d.h. sie switcht vom zuvor von Dragana und mir benutzten lateinischen zum

kyrillischen Schriftsystem. Ich vermute, dass der Grund dieses Switches darin liegt,

dass Snežana beim Turn-Taking die Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollte, indem sie

nicht nur eine intersentenzielle Alternation (mit Sprecherwechsel) ins Serbische tätigt,

sondern zusätzlich einen Skript-Switch ins Kyrillische verwendet, um den Imperativ

noch deutlicher hervorzuheben. Für alle restlichen Nachrichten, die serbisches

Sprachmaterial beinhalten – die absolute Mehrzahl –, wurde die Verschriftungsmethode

LV2 verwendet und resultierte folglich in einem Schreiben ohne Diakritika, wie es im

folgenden Beispiel ersichtlich wird:

(32) 21.12.11. / 09:46:09 Dragana jo sta da ti kazem...weisch jo wies gsi isch kad su bili

misa & jagoda (LV1: ‚jo šta da ti kažem…weisch jo wies gsi isch kad su bili misa & jagoda)

‚Ja, was soll ich dir sagen…du weisst ja, wie es war, als Miša & Jagoda hier waren’

Zudem kann ich an dieser Stelle hinzufügen, dass meine Verwandten, die in Serbien

leben, in WhatsApp-Chats – wie auch auf Facebook – genauso die LV2-Methode

verwenden, obwohl man von ihnen wohl am ehesten die LV1-Methode erwartet hätte

und ihnen seit längerer Zeit die Diakritika und das kyrillische Alphabet auf den

Smartphones zur Verfügung stehen; und dies unabhängig vom Alter meiner Verwand-

ten. Man kann folglich durchaus davon ausgehen, dass die Verschriftungsmethode LV2

– wie Ivković (2013) bereits feststellte – in der CVK zu dominieren begonnen hat.

Nun stellt sich jedoch die Frage: Welche Gründe hat die Wahl eines bestimmten

Schriftsystems oder einer bestimmten Verschriftungsmethode? Wieso wird das Kyrilli-

sche – das nach der Verfassung eigentlich als das primäre Alphabet Serbiens deklariert

wurde (vgl. Ivković 2013, 346) – seltener in CVK benutzt? Weshalb lässt man heutzu-

tage die Diakritika gerne weg? Wie oben bereits erwähnt, lässt es sich erstens, sowohl

auf der PC- 141 , als auch der Smartphone-Tastatur, mit dem lateinischen Alphabet

schneller und mit weniger Aufwand tippen als mit dem kyrillischen (vgl. Ivković 2013,

345f.). Zweitens sind wir – Snežana, Dragana und ich – es alle nicht gewohnt, Kyril-

lisch auf technischen Geräten zu tippen, da wir aufgrund unserer Immigration in die

Schweiz niemals oder nur sehr selten einen Anlass dazu gehabt haben und uns somit

141 In Serbien muss man auf der PC-Tastatur, um Diakritika auszuwählen oder Kyrillisch zu schreiben zum gebrauchten Buchstaben zusätzlich Tastenkombinationen, wie Alt + Shift drücken, z. B. Alt + Shift + < s > = < š >.

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92

auch die Übung darin fehlt. Und drittens muss man betonen, dass wir viel früher mit

dem lateinischen Alphabet in Kontakt kamen und dieses aufgrund der hiesigen Ausbil-

dung auch mehr benutzen; dennoch ist zu betonen, dass wir das Kyrillische alle korrekt

lesen und schreiben können. Daher denke ich, dass Snežana lediglich die damals neu

auf dem Smartphone erschienene Funktion ausprobieren wollte, welche sie jedoch nicht

sehr stark ansprach, da dies nicht mit dem WhatsApp-Prinzip des Schnell-Antwortens

vereinbar ist.

Dies gilt analog auch für die bevorzugte Benutzung der LV2-Methode, durch welche

man nicht jedes Mal den entsprechenden Buchstaben auf der Smartphone-Tastatur län-

ger gedrückt halten muss, um das Sondergraphem auszuwählen und somit vermehrt die

entsprechenden Buchstaben ohne die diakritischen Zeichen antippt. Der Schreibprozess

und -aufwand ist somit also geringer und das Code-Switching dadurch nahtloser (vgl.

Ivković 2013, 346).142 Bei einer nachträglichen Befragung gab Dragana an, dass sie

bereits die umständliche Eingabe von deutschen Umlauten aufrege und dass sie daher

auch keine Lust habe, jedes Mal bei einem serbischen Sonderbuchstaben länger auf den

entsprechenden Buchstaben zu drücken, um normgerecht zu schreiben. In diesem Punkt

stimmen Snežana und ich ihr zu, da wir alle der Meinung sind, dass die Methode LV1

nicht unerlässlich ist, um das Verständnis aufrecht zu erhalten, denn generell erkennt

man entweder das entsprechende Wort auf den ersten Blick, und falls nicht, 143

rekonstruiert man das entsprechende Wort aus dem Kontext heraus meistens automa-

tisch korrekt (vgl. Ivković 2013, 348). Dasselbe gilt meines Erachtens übrigens auch für

die in allen Sprachen frequent auftauchenden und typischen Smartphone-Tippfehler,

welche die Kommunikation heutzutage nicht mehr derart behindern.

5.4 Unterscheidung verschiedener Sprachmischungsarten im Korpus

In den folgenden beiden Unterkapiteln sollen die verschiedenen Vorkommen von

Sprachmischungen im WhatsApp-Chat ‚Girls’ vorgestellt und analysiert werden. Dabei

soll nicht nur auf die Häufigkeit der Sprachmischungsarten und ihrer jeweiligen

Funktionen, sondern auch auf ihre Beschaffenheit eingegangen werden, welche mit

142 Dieses Anwählen von Diakritika funktioniert auf Smartphones genau gleich, wie das Anwählen der deutschen Umlaute, jedoch nur wenn man vorhin bei den Smartphone-Optionen die Eingabesprache ‚Serbisch’ aktiviert hat. 143 Falls also eine mögliche Verwechslungsgefahr mit einem ähnlich geschriebenen Wort (ohne Diakritika) besteht, wie zum Beispiel in ‚koza’ (‚Ziege’) und ‚koža’ (‚Haut’).

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93

konkreten Beispielen illustriert werden sollen. Aufgrund der grossen Anzahl an

aufgefundenen Sprachmischungsarten und Funktionen können im Rahmen dieser Arbeit

leider nicht alle eigens thematisiert werden; daher wurden im Anhang Tabellen, welche

die Häufigkeit aller Sprachmischungen und ihrer Funktionen illustrieren, bereitgestellt

und einige weitere Beispiele aus dem Korpus aufgelistet.

Was den Sprachmodus in unserem WhatsApp-Gruppenchat betrifft, kann man davon

ausgehen, dass sich keine der drei Chatteilnehmerinnen jemals im monolingualen

Sprachmodus befand, da es sich um eine feste Kommunikationssituation unter etwa

gleich kompetenten Bilingualen ohne anwesende monolinguale Chatteilnehmer handelt.

Aufgrund der konstanten bilingualen Gesprächsteilnehmerkonstellation befanden sich

Snežana, Dragana und ich immer zumindest im intermediären Sprachmodus. So waren

wir – auch wenn wir gerade nicht Codes switchten, sondern durchgehend in einer Spra-

che (oder jede eine andere Sprache wählte) kommunizierten – jederzeit bereit, auf die

anderssprachige Äusserung des Senders einzugehen. Schon nur die Erwartung, dass

jederzeit ein gemischt-sprachlicher Turn von einer der beiden anderen Chat-

Teilnehmerinnen veröffentlicht werden könnte, schliesst für die beiden anderen den

monolingualen Sprachmodus gänzlich aus. Sobald jedoch Sprachmischungen in Turns

bestimmter Chatterinnen auftauchten, kann man davon ausgehen, dass sich nicht nur die

Senderin, sondern auch die Rezipientinnen gerade im bilingualen Sprachmodus befan-

den. Ich stellte während der Untersuchung des WhatsApp-Korpus ausserdem fest, dass

der ganze Gesprächsverlauf immer wieder zwischen dem intermediären und bilingualen

Sprachmodus oszillierte: Manchmal waren die Chatterinnen mehr, manchmal weniger

gewillt, zwischen Serbisch und Schweizerdeutsch zu switchen, was auch stark von den

jeweiligen Domänen abhing, über welche gerade gesprochen wurde.

Für den Grossteil des Gesprächsverlaufs wurde als Matrixsprache das Schweizerdeut-

sche ermittelt, welches, wie auch aus den Interviews ersichtlich (siehe Kapitel 5.1), die

dominantere Sprache der Chatterinnen darstellt. In dieser Matrixsprache wurden – je

nach Situation – öfter oder weniger oft, grössere oder kleinere serbische Phrasen

eingebettet vorgefunden; in diesem Fall befanden sich die Chatterinnen also in einem

‚schweizerdeutschen bilingualen Sprachmodus’. Das Serbische diente jedoch weniger

oft als die Matrixsprache, in der über längere Zeit monolingual oder mit eingebetteten

schweizerdeutschen Ausdrücken und Satzteilen kommuniziert wurde; am häufigsten

geschah dies in Snežanas Turns, an zweiter Stelle in Draganas und an letzter Stelle erst

in meinen Turns, was mit meinen langjährigen Sprachverhaltensbeobachtungen korre-

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94

liert, nämlich dass von Snežana in direkter wie schriftbasierter Kommunikation immer

die längsten serbischen Äusserungen stammen und von mir die kürzesten, während Dra-

gana sich in der Mitte befindet. In solchen, weniger frequenten Turns diente das

Schweizerdeutsche als die ins Serbische eingebettet Sprache (‚Gastsprache’) und die

Chatterinnen befanden sich dabei folglich in einem ‚serbischen bilingualen Sprachmo-

dus’. Als eingebettete Varietäten tauchten daneben weitere auf, die hierauf nach

abnehmenden Frequenz geordnet sind: Englisch, Standarddeutsch, Kroatisch, Franzö-

sisch, Bosnisch und Spanisch.

5.4.1 Häufigkeit der Sprachmischungen

Wie bereits erwähnt, wurden im Gesamtkorpus aus 20’288 untersuchten Turns unseres

Chats 2'124 Beiträge mit Sprachmischungen und schriftlichen Auffälligkeiten aller

möglicher Arten aufgefunden, was 10,47 % des Gesamtkorpus ausmacht. Die Tabelle 1

im Anhang veranschaulicht das totale Vorkommen der einzelnen

Sprachmischungsphänomene im Chat. Hieraus wird ersichtlich, dass zunächst einmal

die Sprachmischungsart Code-Switching, nämlich inter-, intra- und extrasentenzielles

CS, alternationaler, sowie insertionaler Art (rosa hinterlegt) die am häufigsten

vorkommenden Sprachmischungstypen sind, wie von mir bereits im Vorfeld erwartet.

Zudem fällt auf, dass die Kategorie der intersentenziellen Alternationen innerhalb eines

veröffentlichten Turns (ein und derselben Person) mit 602 Belegen (28,34%) die abso-

lute Mehrzahl der aufgefundenen Sprachmischungsarten darstellt und somit das von uns

Dreien präferierte Code-Switching-Muster ist. Im Vergleich hierzu hat Pekarek-Doehler

hingegen nur in ca. 12 % aller französischen SMS des sms4science-Korpus 144

intersentenzielles CS alternationaler Art gefunden, was sie damit erklärt, dass diese

wenigen SMS zwar klar von Bilingualen stammen würden, die geringe Zahl jedoch

wahrscheinlich damit zusammenhänge, dass sie im Vergleich eher wenige SMS von

dieser Zielgruppe zugeschickt bekommen hätten (vgl. Pekarek-Doehler 2011). Im

Gegensatz dazu ist dieses CS-Muster bei uns serbisch-schweizerdeutsch Bilingualen

also das meist verwendete, womit sich meine anfangs gestellte These bestätigt. Meines

Erachtens ist diese Art zu switchen aus grammatikalischer Sicht die unproblematischste,

da in diesen Fällen immer peripher, also an Satz- oder Teilsatz-Grenzen, die Sprache

gewechselt wird und somit keine der beiden Grammatiken durch den auf diese Weise 144 Mehr Informationen zum sms4science-Korpus unter Netlink 24 <13.11.2014>-

Page 96: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

95

organisierten Sprachwechsel gestört werden. Zudem neigt man während dem

Schreibprozess eher dazu, seine Äusserungen geordneter zu gestalten, als bei direkter

Kommunikation, wo dieses CS-Muster meiner Meinung nach nicht zwingend das am

häufigsten vertretene darstellen muss, wie es bei der schriftbasierten CVK ist.

Die intrasentenzielle Insertion folgt auf dem zweiten Platz mit 468 Turns. Hierzu mach-

ten auch Androutsopoulos/Hinnenkamp in ihren Untersuchungen zur bilingualen Chat-

Kommunikation die Beobachtung, dass intrasentenzielle Switches „im Chat seltener

vorkommen als in Daten direkter Interaktion“ (Androutsopoulos/Hinnenkamp 2001,

371). Obwohl ich keine vergleichende Analyse unternommen habe, würde ich dieser

Beobachtung auch zustimmen, da ich weiss, dass die Face-to-Face-Kommunikation

zwischen meinen Freundinnen und mir nicht derart geregelt ist wie in der schriftbasier-

ten, wo sich dies durch intersentenzielles CS zeigt. Am dritthäufigsten kamen

intersentenzielle Alternationen mit Sprecherwechseln vor, die sich dadurch ergaben,

dass jede Chatterin im intermediären Sprachmodus bei ihrer eigenen Sprachwahl blieb.

Auffallend ist hierbei auch, dass das Code Mixing und die echten Entlehnungen mit den

je aufgefundenen 31 Turns (1,46% aller Sprachmischungen) eher selten im Chat benutzt

wurden und dass sogar Crossing (58 Turns / 2,73%) häufiger vorkam. Auch dies ist

wahrscheinlich auf die im Vergleich zur direkten Kommunikation geordneteren

Sprachäusserungen zurückzuführen. Denn ich bin mir sicher, dass in mündlichen

Gesprächen von Snežana, Dragana und mir Code Mixing – welches keine offensichtli-

che kommunikative Funktion hat – viel häufiger anzutreffen ist; dies müsste jedoch

noch in einer weiteren vergleichenden Untersuchung zwischen schriftbasierter und

mündlicher Kommunikation bestätigt werden.

Unter den echten Entlehnungen wurden insgesamt 5 Germanismen (spiglo 145 (3x) /

gastarbeiteri 146 (1x) / perika 147 (1x)), 25 Turzismen (taman 148 (9x) / jok 149 (4x) /

145 Zu Deutsch ‚Spiegel’. 146 Zu Deutsch ‚Gastarbeiter’ (hier im Plural). 147 Zu Deutsch ‚Perücke’: Da man im Fall des Serbischen davon ausgeht, dass keine Entlehnungen direkt aus dem Französischen übernommen wurden, gilt hier Perücke als ein Germanismus, der seinerseits eine französische Entlehnung im Deutschen darstellt. 148 Türkisch: ‚tamam’ (‚abgemacht, fertig, einverstanden’); Serbischen ‚genau, gerade (eben), passend’. 149 Während das Wort jok im Türkischen neutral „nein“ bedeutet, wird es im Serbischen zwar auch als ‚nein’ benutzt, dies jedoch meistens bei Aussagen die Ironie enthalten. Dieses jok hat in den meisten Turns also die Funktion, dem Empfänger von Anfang an die Ironie der Aussage klarzumachen.

Page 97: Serbisch-schweizerdeutsches Code-Switching in der WhatsApp ...

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čizme150 (1x) / šalvare151 (4x) / čekić152 (1x) / baksuziraj153 (2x) / baksuz154 (4x)) und ein

Anglizismus (fensi155) aufgefunden.

Wenn man nun alle Turns aller Sprachmischungs-Subkorpora zusammenzählt, kommt

man auf ein Total von 2'442 Turns. Da nun aber in den 2'124 Beiträgen des Sprachmi-

schungskorpus 272 Turns mehr als ein CS-Muster enthielten, wurden diese auch in die

entsprechenden Subkorpora kopiert. Hierzu einige Beispiel für solche vielfältige Turns:

(33) 25.6.11. / 13:09:14 Dragana kindeeer,veceras albanifescht??????:-) znaaam, ihr sind

im training…ljuuubim ‚Kindeeer, heute Abend Albanifest??????:-) ich weiss,

ihr seid im Training…kuuuss’

(34) 3.9.11. / 09:45:23 Snezana Sehr schön, ja se javim cim dodjem iz sg oder mir treffed

üd ide stadt? Kako god vi javite ‚Sehr schön, ich melde mich, sobald ich von [St. Gallen]

zurückkomme oder wir treffen uns in der Stadt? Wie auch immer ihr Bescheid gebt’

(35) 8.9.11. / 14:19:06 Jelena So.. Ich goh jez na usduur und goh sache für vecera

chaufe..cujemo se kasnije! ‚So.. Ich gehe jetzt zum Ausdauer[-training] und Sachen

fürs Abendessen kaufen..wir hören uns später!’ Im Beispiel (33) finden wir im ersten Satz eine intersentenzielle Insertion von veceras

vor, während im zweiten Satz eine intersentenzielle Alternation und zum Schluss ein

extrasentenzielles CS mit ljuuubim vorliegt; somit wurde dieser Turn zu allen drei

Subkorpora gezählt. Das Beispiel (34) enthält im ersten Satz eine intersentenzielle

Insertion, während für den zweiten Satz eine intersentenzielle Alternation, von der Mat-

rix-Sprache Schweizerdeutsch zum reinen Serbisch vorgenommen wurde. Und im Bei-

spiel (35) lassen sich in meinem Turn zuerst zwei intrasentenzielle Insertionen (na /

vecera) und anschliessend eine intersentenzielle Alternation auffinden, da der erste Satz 150 Das Substantiv čizme bedeutet zu Deutsch ‚Stiefel’ (Plural). Meines Wissens haben wir im Serbischen kein eigenes Äquivalent dafür, was wahrscheinlich damit zusammenhängt, dass wir solches Schuhwerk in Serbien nicht besassen, bevor die Osmanen im Mittelalter kamen und es bei uns beheimateten. 151 Das Wort šalvare bedeutet ‚Pumphosen’ und kam physisch, wie auch lexikalisch erst mit der osmanischen Besetzung Serbiens in Mode; daher haben wir ebenfalls kein serbisches Äquivalent dafür. 152 Das Substantiv čekić bedeutet ‚Hammer’. Dieses Werkzeug kam physisch, wie auch lexikalisch ebenfalls erst durch die Osmanen nach Serbien. 153 Dieses Verb (im Infinitiv ‚baksuzirati’) bedeutet zu Deutsch ‚verschreien’ oder ‚Pech anziehen’. 154 Entsprechend bedeutet baksuz zu Deutsch ‚Pech’, aber auch ‚Pechvogel’. 155 Mit der, nach serbischen Orthographieregeln üblichen, lautnahen Schreibung von engl. ‚fancy’ ist ‚schick, modisch’ gemeint; diese Entlehnung ist meines Wissens noch nicht sehr alt. Das Phänomen der lautnahen oder ‚phonetischen Schreibung’ (vgl. Dürscheid/Wagner/Brommer 2010, 130) nennt Androutsopoulos ‚Orthographiewechsel’: Damit ist die Schreibung z. B. eines englischen Wortes nach deutschen Orthographieregeln gemeint (vgl. Androutsopoulos 2001, 380).

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die Matrix-Sprache Schweizerdeutsch aufweist, von welcher in einen komplett Serbi-

schen Satz gewechselt wird; somit wurde dieser Turn zum Subkorpus der

intrasentenziellen Insertionen und zu demjenigen der intersentenziellen Alternationen

gezählt. Zusammengefasst fällt auf, dass solche Turns immer aus mehr als einem Satz

bestehen, welche Raum für mehrere CS-Muster bieten.

Da die Zahlen der Tabelle 1 für sich sprechen und die im folgenden Unterkapitel

unternommene Funktionsanalyse viel Raum in Anspruch nimmt, soll auf die Häufigkeit

der verschiedenen Sprachmischungsphänomene an dieser Stelle nicht detaillierter

eingegangen werden.

5.4.2 Funktionen der Sprachmischungen

Bei der Bestimmung der Funktionen der verschiedenen Sprachmischungsphänomene

stellte ich zunächst fest, dass es in unserem WhatsApp-Chat niemals zu Sprachmischun-

gen aufgrund eines Wechsels der Konstellation der Gesprächsteilnehmer (Funktion 2)

kam, da die Gesprächssituation konstant unter uns Dreien blieb; aber alle anderen

Funktionen der Liste im Kapitel 4.6 wurden im Korpus aufgefunden. Des Weiteren

stellte ich bei einigen Turns mehrere mögliche Funktionen fest, da ich – trotz

sequenzieller Analysen der jeweiligen Gesprächssequenzen – aufgrund der zeitlich weit

zurückliegenden Produktion nicht immer mit Sicherheit sagen konnte, welches die

spezifisch für den jeweiligen Fall gültige Funktion ist. Diese wurden alle von mir ausge-

zählt und in der Tabelle 2 im Anhang dargestellt; davon wurde zur Veranschaulichung

auch das Kreisdiagramm 1 angefertigt, das sich ebenfalls im Anhang befindet. Des

Weiteren wurden im Anhang tabellarische Darstellungen zur CS-Funktionsverteilung in

den einzelnen Subkorpora platziert (Tabellen 3-14). Beim Durchsehen des Anhangs

wird dem Leser klar werden, dass nicht zu allen Funktionen aller Sprachmischungs-

Muster ein Beispiel dargestellt werden kann, weil dies den Rahmen dieser umfänglichen

überschreiten würde. Daher werden in diesem Kapitel lediglich die am häufigsten

ermittelten Funktionen und Motivationen von Sprachmischungen anhand von

ausgewählten Beispielen aus meinem WhatsApp-Korpus illustriert und erläutert. Die

Nummerierung der Sprachmischungsfunktionen folgt der Auflistung, wie sie im Kapitel

4.6 vorgenommen wurde.

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9) Hervorhebungen bestimmter Teile der Äusserung: Wie aus der Tabelle 1 ersichtlich

wird, herrscht beim Code-Switching die Funktion der Hervorhebung bestimmter Teile

einer Äusserung vor, welche in 523 Beiträgen (21,14%) des Sprachmischungskorpus

ermittelt wurde. Zudem wurden am meisten Hervorhebungen (in 314 Turns, 46,52%)

innerhalb des Subkorpus der intersentenziellen Alternationen (innerhalb ein und dessel-

ben Turns) aufgefunden. Prozentual betrachtet folgt diese Funktion an zweiter Stelle in

34 Turns (23,61%) des Subkorpus der intrasentenziellen Alternationen und an dritter

Stelle im Subkorpus der intrasentenziellen Insertionen (97 Turns; 18,16%). Dieses CS-

Muster dient vor allem der Strukturierung eines Turns, wie es bereits Siebenhaar in sei-

ner Untersuchung der schweizerdeutschen IRC-Chats festgestellt hat (vgl. Siebenhaar

2005, 27; vgl. ders. 2006, 499). Hierbei ist mir aufgefallen, dass meist an der Grenze

zwischen Haupt- und Nebensatz in die andere Sprache geswitcht wurde und dabei vor

allem Konjunktionalsätze – wie Konditional-, Konzessiv-, Kausal-, Konsekutivsätze –

und Pronominalsätze in der jeweils anderen Sprache gebildet wurden. Aber auch zwi-

schen zwei gleichwertigen Hauptsätzen kam es oft zu CS, wobei nicht nur der zweite

Hauptsatz komplett in der anderen Sprache verfasst war, sondern meist auch schon die

nebenordnende Konjunktion. Die konkrete Funktion der Switches ist in solchen Fällen

also die Hervorhebung eines Gegensatzes, eines Grundes, eines Zwecks, einer Bedin-

gung, einer Folge, eines Einwandes, eines Begleitumstandes, einer Zeitangabe, einer

Alternative, eines Widerspruchs, einer Aufzählung etc. Hierzu ein Beispiel aus unserem

WhatsApp-Chat, das zwei mögliche Funktionen haben könnte:

(36) 19.8.11. / 15:02:17 Snezana 5 usm büro 5.22 zug? Ha hüt kei luscht zum schaffe. kao

nesto novo... ‚Um 17 Uhr aus dem Büro [raus,] 17.22 Uhr-Zug? Hab

heute keine Lust zu arbeiten. Als ob das was Neues sei…’

Im obigen Turn antwortet Snežana auf Draganas auf Schweizerdeutsch formulierte

Frage (19.8.11./15:00:11: Dragana: zug?), wann sie nach der Arbeit auf den Zug gehen

könnten. Diesem intersentenziell-alternationalen CS habe ich einerseits die Funktion

‚Switching zwischen Fakten und Kommentierungen’ (12) zugewiesen, da Snežana ihre

faktische Äusserung Ha hüt kei luscht zum schaffe durch den nachgestellten serbischen

Modalsatz kao nešto novo... kommentiert und durch den Switch somit Fakt und

Kommentar im Turn unterscheidet. Dennoch kann man den alternationalen Switch mei-

nes Erachtens auch als die Hervorhebung des zweiten Satzes ihrer Äusserung

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99

interpretieren, da sie mit dem anschliessenden serbischen Satz noch mehr Gewicht in

ihre Aussage (keine Lust zu arbeiten) legt. Wie oben bereits erwähnt, finden sich

Hervorhebungen an zweithäufigster Stelle im Subkorpus der intrasentenziellen

Alternationen auf; hierzu ebenfalls ein Beispiel:

(37) 7.1.12. / 20:30:09 Dragana a ona isch an geburtstag ‚Und sie (Snežana) ist an den Geburtstag [gegangen]’

Nachdem ich mich erkundigte, was Dragana und Snežana gerade unternehmen, antwor-

tete mir Dragana in einem vorangehenden schweizerdeutschen Turn, dass sie und ihr

Freund gerade seine Eltern besuchen gehen und daran anschiessend, dass Snežana an

einen Geburtstag gegangen ist. Dabei hebt sie – indem sie auf Serbisch beginnt (a ona)

– kontrastiv hervor, dass auch Snežana beschäftigt sei und wechselt dann mitten im Satz,

um zu erklären womit. Die Funktion der Hervorhebung taucht zusammengefasst also

vor allem bei inter- oder intrasentenziellem CS, sei es nun alternationaler oder

insertionaler Art, auf und hat einen strukturierenden Effekt auf die Äusserung. 20) Kürzere Formulierungen: An zweithäufigster Stelle des gesamten

Sprachmischungskorpus folgen in insgesamt 311 Beiträgen (12,57%) solche Switches,

welche es den Chatterinnen ermöglichen sich kürzer auszudrücken und meines Erach-

tens aus zeitökonomischen Gründen somit vor allem in der schriftbasierten CVK

unternommen wird. Am meisten findet man kürzere Formulierungen in der jeweils

anderen Sprache im Subkorpus der intrasentenziellen Insertionen vor (183 Turns;

34,27%), wo mitten im Satzgefüge ein oder mehrere, kürzere Wörter der anderen Spra-

che eingefügt werden. Diese Funktion stellt in diesem Subkorpus sogar die am häufigs-

ten ermittelte dar, was in WhatsApp somit als triftige Motivation fürs Switching

betrachtet werden kann.

Im umgangssprachlichen Schweizerdeutsch haben wir die Angewohnheit bestimmte

Substantive zu kürzen und daran den Diminutivsuffix –i anzuhängen (z. B. ‚Zigi’156

oder ‚Husi’157). Im Serbischen hingegen kenne ich diese oder eine äquivalente Art zu

kürzen nicht und habe sie auch niemals bei meinen Verwandten in Serbien gehört (oder

gelesen). Natürlich besitzt das Serbische Diminutive, jedoch funktioniert ihre Bildung

ähnlich wie im Italienischen, nämlich indem Diminutivsuffixe, wie –ica oder –ić an den

Wortstamm angehängt werden und somit eigentlich ein längeres Wort zustande kommt.

156 Für ‚Zigarette’. 157 Für ‚Hausaufgabe(n)’.

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100

Daher greifen Dragana, Snežana und ich bei Substantiven eher auf schweizerdeutsche

verkürzte Wörter zurück, falls wir uns damit kürzer als im Serbischen ausdrücken kön-

nen; denn, wie bereits erwähnt: Je kürzer man sich auf WhatsApp ausdrückt, desto

besser. Analog zum Beispiel ‚Zigi’ oder ‚Husi’ benutze ich also im folgenden Beitrag

das komprimierte Substantiv geburi (‚Geburtstag’) in einem ansonsten auf Serbisch

begonnenen Satz; im Serbischen besteht das Substantiv nämlich aus mehr Graphemen

(‚rođendan’).

(38) 26.6.11. / 19:12:16 Jelena Ich bin mit de marija am film luege! Ohne limit! Geile

film! :) du? Kako bio geburi? ‚Ich schaue mit Marija gerade einen Film! Ohne Limit!

Geiler Film! :) du? Wie war der Geburtstag?’ Natürlich gibt es aber auch sehr viele schweizerdeutsche Wörter die auch in ungekürzter

Form immer noch weniger Grapheme enthalten als die serbischen Äquivalente und da-

her in solchen Situationen genutzt werden, wie z. B. mönet (Monate) anstatt ‚meseci’

oder stück (Pl.) anstatt ‚komadi’. Doch auch ins Serbische wird geswitcht, um sich kür-

zer oder kompakter auszudrücken: So fiel mir ins Auge, dass Dragana bevorzugt ins

Serbische switcht, um das schweizerdeutschen Wort ‚hüt obig’ – bei welchem man eine

Leerstelle tippen müsste – zu umgehen; sie verschriftet dies folglich mit dem serbischen

Ausdruck ‚večeras’. Ich sprach sie, nachdem mir dies während der Analyse aufgefallen

war, einmal darauf an, woraufhin sie bestätigte, dass sie es aus zeitökonomischen Grün-

den tue. Analog dazu kann man Leerstellen beim Benutzen serbischer finiter Verben

sparen, da das Serbische eine sogenannte ‚Null-Subjekt-Sprache’, wie das Italienische,

ist; d.h. das pronominale Subjekt wird nur bei kontrastiven Betonungen desselben reali-

siert (vgl. Müller et al. 2011, 34), während man im (Schweizer-)Deutschen das Subjekt

immer setzen sollte: z. B. možemo anstatt ‚mir chönd’/’chömmer’ (‚wir können’). Des

Weiteren werden vor allem sehr kurze serbische Wörter, wie die Konjunktionen a

(‚aber’/’und’/’denn’), i (‚und’), sowie das Adverb što (‚wieso’) bevorzugt. Zudem

wurde aber auch oft ins Englische geswitcht, um sich mit weniger Buchstaben

auszudrücken, wie beispielsweise welcome anstatt ‚willkomme’, nice anstatt ‚schön’, or

not statt ‚oder nöd’, done anstatt ‚erledigt’ etc.

Prozentual betrachtet tauchen kürzere Formulierungen am zweithäufigsten im Subkor-

pus der intrasentenziellen Alternationen auf (41 Turns; 28,47%). Am dritthäufigstem

kamen kürzere Formulierungen im Subkorpus des extrasentenziellen CS vor, wo in 46

Turns (19,49%) geswitcht wurde, meist um solche Interjektionen und Diskursmarker zu

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101

verschriften, die weniger Buchstaben enthalten. Hierbei dominierten die serbische

Interjektion (h)ajde (‚also dann’ / ‚los (komm)’ / ‚komm schon’), die Empfindungswör-

ter lele / ju (‚huch’ / ‚oha’), bože (‚Gott!’), pobogu (‚bei Gott!’) und joj (‚oh nein’), die

Interjektion ma (‚ach’), der Ausruf der Intensivierung bre (‚Mann’ / ‚Mensch’), die

Partikeln der Bejahung dobro (‚gut’), važi (‚abgemacht’), eto (‚na also’), das Partikel

der Verneinung ne (‚nein’), der Verzögerungslaut pa (gedehntes ‚ja’) und die

emotionsbetonten Exklamationen jebo te (‚(Ach du) Scheisse!’), sowie jebi ga (‚scheiss

drauf’ / ‚egal’ / ‚das ist halt so’) 158 . Bei schweizerdeutschen Interjektionen und

Diskursmarkern hingegen herrschten die ebenfalls sehr kurzen Ausdrücke guet, voll

(‚total’ / ‚genau’), geil, egal, ebe (‚eben’), genau, so, jo, nei, hä und äh vor, während es

im Englischen die folgenden waren: ok, easy, jap / jep / jup, die Akronyme wtf (‚Was

zum Teufel’) und omg (‚Oh mein Gott’) und very nice. Zusammenfassend kann man

also sagen, dass am meisten intrasentenziell und extrasentenziell geswitcht wird, um

sich durch ein Wort oder eine Phrase der anderen Sprache kürzer auszudrücken. 14) Wechsel im Aktivitätstypus (‚Modus-Wechsel’): Auch die CS-Funktion des

sogenannten Modus-Wechsels, beispielsweise zwischen einem Deklarativsatz und ei-

nem Interrogativsatz, ist mit seinen insgesamt 288 Belegen (11,64%) relativ stark

vertreten. Dies ist aufgrund der Tatsache, dass es sich um (geschriebene) Gespräche

handelt, natürlich am häufigsten bei Sprecherwechseln und folglich im Subkorpus der

intersentenziellen Alternationen mit Sprecherwechsel zwischen den Turns zu beobach-

ten (176 Turns; 70,97%). Jedoch findet man diese Funktion auch beim CS-Muster der

intersentenziellen Alternationen ohne Sprecherwechsel zwischen den Turns auf, d.h.

zwischen zwei schnell aufeinanderfolgend produzierten Beiträgen eines ‚chunks’ dersel-

ben Person (57 Beiträge; 27,14%); und ebenso im Subkorpus der intersentenziellen

Alternationen innerhalb eines einzelnen Turns (45 Turns; 6,67%). Dies sieht man an

den Beispielen (39), (40) und (41):

(39) 10.9.11./ 19:49:44 Dragana was machet ihr? ‚Was macht ihr?’ 10.9.11. / 19:50:04 Snezana Susim kosu ‚Ich trockne mir die Haare’

158 Diese beiden letztgenannten emotionsgeladenen Exklamationen gehören aufgrund ihrer derben Bedeutung zur Vulgärsprache. Jebo te bedeutet wörtlich ‚dich hat gefickt’ und jebi ga ‚fick ihn’. Dennoch muss man hervorheben, dass diese beiden Exklamationen in Serbien und von Serben, die in der Diaspora leben, derart häufig in alltäglichen Konversationen verwendet werden, dass sie mittlerweile nicht mehr als derart derb angesehen werden wie ursprünglich einmal. Besonders die heutigen Belgrader benutzten diese beiden Exklamationen äusserst häufig an der satzinitialen und –finalen Position (vgl. Diklić 2014, 176).

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102

In diesem ersten Beispiel aus dem Subkorpus der intersentenziellen Alternationen mit

Sprecherwechseln zwischen den Turns sticht der gesprächsbedingte Modus-Wechsel

vom Interrogativsatz zu einem Deklarativsatz (Frage – Antwort) sofort ins Auge. Der

Sprachwechsel von Schweizerdeutsch zu Serbisch hingegen ist nicht unbedingt zu

erwarten. Der von Snežana unternommene Wechsel hängt lediglich von ihrer eigenen,

momentan präferierten Sprachwahl ab, hat meines Erachtens aber nicht zu bedeuten,

dass sie Draganas vorherige Sprachwahl nicht akzeptierte. Die Wahl der Varietät ist in

solchen Gesprächssituationen folglich eine individuelle Entscheidung, die grundsätzlich

nicht eine Abgrenzung oder Distanzierung zum Ziel hat. Zu betonen ist hierbei ausser-

dem, dass sich beide Chatterinnen im intermediären Sprachmodus befinden, da beide

wissen, dass das Gegenüber jederzeit in die andere Sprache wechseln könnte.

Wie bereits erwähnt, taucht die Funktion des Modus-Wechsels ebenfalls häufig in den

intersentenziellen Alternationen ohne Sprecherwechsel zwischen den Turns (ein und

derselben Person) auf. Dies lässt sich auch im Beispiel (40) beobachten:

(40) 10.3.12. / 15:07:31 Dragana Wieso zum tüfel hät manor kei netz??! ‚Wieso zum Teufel hat Manor kein Netz??!’ 10.3.12. / 15:07:42 Dragana Kao da je ispod zemlje ‚Als ob er unter der Erde liegen würde’ 10.3.12. / 15:08:04 Dragana Muess immer usse zum telefoniere ‚Muss immer raus, um zu telefonieren’

In ihrem ersten Beitrag benutzt Dragana das Schweizerdeutsche für einen

emotionsgeladenen Exklamativsatz, wechselt anschliessend zur Hervorhebung ins

Serbische und markiert damit gleichzeitig den Modus-Wechsel in eine evaluative

Äusserung. Für ihren letzten Turn switcht sie zur Verdeutlichung ihres Problems wieder

ins Schweizerdeutsche zurück und macht somit einen erneuten Modus-Wechsel von

einer evaluativen zur informativen Äusserung kenntlich.

Das Beispiel (41) stammt aus dem Subkorpus der intersentenziellen Alternationen

(innerhalb eines Turns) und zeigt dieselbe Funktion auf:

(41) 11.6.12. / 18:29:39 Dragana Pricaj bre...mir händs super ‚Erzähl [endlich], Mann… Uns geht’s super’

Vor diesem Turn fragte die gerade aus den Ferien zurückgekommene Snežana, wie es

uns geht (Wiä henders?), doch Dragana wollte endlich von ihren spannenden Ferien

hören und forderte sie daher zuerst auf, davon zu erzählen. Danach unternahm sie einen

Modus-Wechsel vom Imperativ- zum Deklarativsatz, um sie nachträglich über unser

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103

Befinden in Kenntnis zu setzen. Zusammengefasst kann man sagen, dass alle

aufgefundenen Belege folgendes gemeinsam haben: Die Sprache wird bei der Funktion

des Modus-Wechsels immer intersentenziell – also kein einziges Mal mitten im Satz –

gewechselt, und es handelt sich dabei meistens um Alternationen, welche den Modus-

Wechsel noch klarer anzeigen. 8) Verdeutlichungen: Die Funktion der Verdeutlichung habe ich im

Sprachmischungskorpus in insgesamt 195 Turns (7,88%) ermittelt; auch sie ist mit 146

Belegen (21,63%) im Subkorpus der intersentenziellen Alternationen (innerhalb eines

Turns) am meisten vertreten. An zweiter Stelle folgten die 27 Belege (100%) im

Subkorpus der gesetzten Diakritika, welche alle gesetzt wurden, um sich mit der LV1-

Methode korrekt und deutlich auf Serbisch auszudrücken. Diese Funktion dient dazu,

weitere Erläuterungen zum zuvor Geäusserten anzubringen oder um sich allgemein

deutlicher auszudrücken. Das Beispiel (42) stammt aus dem Subkorpus der

intersentenziellen Alternationen (innerhalb eines Turns):

(42) 24.8.11. / 12:42:52 Jelena Nemogu.. Isch riskant in sache zspoot cho ‚Ich kann nicht.. Es ist zu riskant in Sachen zu spät kom-

men’ Während wir in unserem Chat schrieben, wartete ich meinen Termin für eine mündliche

Prüfung an der Universität ab, war jedoch viel zu früh dran. Da ich recht nervös war,

fragte mich Dragana, ob ich nicht zu ihr ins Geschäft auf einen Kaffee kommen möchte,

damit sie mich ein wenig ablenken könnte. Darauf antwortete ich ihr zuerst auf Serbisch,

dass ich nicht könne (nemogu), switchte anschliessend intersentenziell-alternierend ins

Schweizerdeutsche, um zu erläutern, dass es zu riskant wäre, da ich zu spät an die Prü-

fung kommen könnte. Das folgende Beispiel aus dem Subkorpus der gesetzten Diakri-

tika, kann als Paradebeispiel für eine Verdeutlichung durch korrektes Schreiben auf

Serbisch – also durch benutzen der LV1-Methode – dienen:

(43) 27.12.11. / 10:07:08 Snezana Kad kanis ti na poso? ‚Wann hast du vor zur Arbeit [zu gehen]?’ 27.12.11. / 10:07:35 Dragana was willsch ‚Was willst [du]?’ 27.12.11. / 10:08:06 Snezana wenn du vorhesch go schaffe zgo ‚Wann du vor hast arbeiten zu gehen’ 27.12.11. / 10:08:36 Snezana Kaniš=nameravaš ‚Du hast vor/du planst = du beabsichtigst’

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104

Wie aus dieser kleinen Gesprächssequenz deutlich hervorkommt, versteht Dragana nicht,

was Snežana mit kanis meint.159 Daraufhin switcht Snežana in einem ersten Schritt ins

Schweizerdeutsche, um eine ‚Quasi-Übersetzung’ (Funktion 5) zu unternehmen. In dem

darauffolgenden Turn switcht sie zurück ins Serbische, um mit der LV1-Methode, das

zuvor als kanis verschriftete Wort nun korrekt auf Serbisch auszuschreiben, indem sie

die benötigten Diakritika setzt; damit verdeutlicht sie das gemeinte finite Verb (kaniš)

und setzt zur weiteren Verdeutlichung noch das serbische Synonym nameravaš nach

dem Gleichheitszeichen hinten an, welches sie ebenfalls bewusst nach der LV1-Me-

thode verschriftet.

5.5 Fazit

Aus den Interviews mit den Chatteilnehmerinnen des WhatsApp-Chats ‚Girls’ konnte

entnommen werden, dass die damals 25-jährigen Dragana und Jelena, sowie die 28-jäh-

rige Snežana für die informelle schriftbasierte Kommunikation zu ca. 90% WhatsApp

nutzen und nur noch selten auf die SMS-Funktion des Smartphones zurückgreifen wür-

den. Dies entspricht auch den Resultaten der genannten Studien und Zeitungsnachrich-

ten, welche von einer baldigen Ablösung der SMS durch WhatsApp berichten. Des

Weiteren telefonieren wir alle auch sehr viel weniger als schriftlich zu kommunizieren,

da die schriftbasierte Interaktion die Multi-Tasking-Fähigkeit viel weniger einschränkt.

Den Kommunikationsstil auf WhatsApp kann man, wie es bereits Dürscheid, Wagner

und Brommer für alle anderen schriftbasierten computer-vermittelten

Kommunikationsformen geltend gemacht haben, ebenfalls als ‚Freizeitstil’ bezeichnen

(vgl. 2010, 128).

Als Matrixsprache des Chats wurde das Schweizerdeutsche ausgemacht, welche die

dominantere und besser beherrschte Sprache aller drei Chatterinnen darstellt, wie aus

den einzelnen Interviews ersichtlich wurde. Das Serbische diente verhältnismässig

seltener als Matrixsprache, in welche schweizerdeutsche oder anderssprachige

Ausdrücke und Satzteile eingebettet wurden; am häufigsten handelte es sich in solchen

Situationen um humorvolle oder emotional stark geladene Äusserungen mit

kulturspezifischem Charakter. Die seltenere Nutzung des Serbischen hängt mit der

Tatsache zusammen, dass es von allen drei Chatterinnen vor allem zu Hause oder bei

159 Leider konnte ich nicht mehr rekonstruieren, ob Dragana dieses finite Verb aufgrund der Verschriftung ohne Diakritika nicht erkannte, oder ob sie es zu diesem Zeitpunkt gar nicht auf Serbisch kannte.

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105

Besuchen Verwandter in Serbien durchgehend monolingual gesprochen wird und somit

im Alltag weniger oft in reiner Form benutzt wird. Zudem haben die Chatterinnen

aufgrund dieser unausgeglichenen Nutzung einen kleineren Wortschatz im Serbischen,

welcher gewisse Domänen, wie Beruf, Schule und Politik, im Gegensatz zum

Schweizerdeutschen nicht gänzlich abdeckt. Grammatikalisch betrachtet beherrschen

die Chat-Teilnehmerinnen das Serbische jedoch genauso gut wie das (Schweizer-

)Deutsche; daher ist der Grund zum Code-Switching eher im lexikalischen Bereich zu

suchen. Bei der Untersuchung der einzelnen Turns liessen sich neben dem

Schweizerdeutschen und Serbischen in geringerem Masse Englisch, Standarddeutsch,

Kroatisch, Französisch, Bosnisch und Spanisch als eingebettete Varietäten auffinden.

Aufgrund der konstanten Chatsituation unter Bilingualen – ohne zugeschaltete

Monolinguale – befand sich keine der Chatterinnen im WhatsApp-Chat ‚Girls’ jemals

im monolingualen, sondern immer mindestens in einem intermediären Sprachmodus, da

ihnen bewusst war, dass jederzeit ein gemischt-sprachlicher Turn eines sich im

bilingualen Sprachmodus befindlichen Gegenübers veröffentlicht werden konnte. So-

bald dies geschah, wechselten folglich auch die beiden Rezipientinnen in den bilingua-

len Sprachmodus über. Sie wechselten jedoch meistens ins dominantere Schweizer-

deutsch, als Matrixsprache, zurück, wenn bestimmte Domänen, wie Beruf und Schule,

zur Sprache kamen, da diese entsprechendes Vokabular verlangten, das sie im Serbi-

schen eventuell nicht abrufbereit hatten, oder sie es sich schlicht und einfach gewohnt

waren, über solche Domänen auf Schweizerdeutsch zu kommunizieren.

Was die Verschriftung des Schweizerdeutschen in unserem WhatsApp-Chat betrifft,

konnten etwa dieselben Beobachtungen gemacht werden, wie sie bereits Siebenhaar

registriert hat. Es kamen bei bestimmten mundartlichen Wörtern unter allen Chatterin-

nen dieselben Verschriftungen des St. Galler-Dialekts vor, wie z. B. beim Endungsvokal

/i/ in finiten Kurzverben und /e/ in Vollverben; aber auch unterschiedliche Dialekt-

Verschriftungen, bei gewissen Wörtern, wo eine Variabilität in der Stammvokal-Schrei-

bung mit <e> oder <ä>, Markierung langer Vokale und der Konsonantengemination

unter den drei Chat-Teilnehmerinnen vorherrschte. Zudem halten sich die Chatterinnen

– morphologisch betrachtet – nicht an die im Standarddeutschen naheliegende

Auseinander-Schreibung von ‚habt ihr’ (‚hend er’/’ihr’), sondern benutzen in ihrer

Mundart Mündlichkeit simulierende Enklisen, wie z. B. händer/hender, welche zudem

den Tippaufwand verringern.

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106

Es liessen sich in unserem WhatsApp-Chat aber auch in den serbischen Sequenzen von

der Norm abweichende Schreibweisen auffinden. Während die orthographisch korrekte

Verschriftungsmethode LV1 (mit Diakritika) nur in 26 Turns und die Methode KV (im

kyrillischen Schriftsystem) nur in 3 Beiträgen angewendet wurden, wurden alle restli-

chen serbischen Teilsequenzen – also die klare Mehrzahl – mit der Methode LV2 (ohne

Setzung der Diakritika) verschriftet. Zudem schreiben unsere in Serbien wohnhaften

Verwandten auf WhatsApp und Facebook mit derselben LV2-Methode, welche vor al-

lem aus zeitökonomischen Gründen und dem damit verbundenen geringeren techni-

schen Aufwand benutzt wird. Dies bestätigt somit auch Ivkovićs These, dass diese

Verschriftungsmethode in der informellen, schriftbasierten CVK zu dominieren begon-

nen hat.

Bezüglich der Sprachmischungen stellte ich erstens fest, dass in 2'124 Turns des

Gesamtkorpus aus 20'288 Beiträgen – also in 10,47% aller Turns – Sprachmischungen

und weitere schriftliche Besonderheiten enthalten waren; hätte ich auch explizit alle

fremdsprachlichen Einbettungen mitgezählt, wäre der Prozentanteil aller

Sprachmischungen deutlich höher ausgefallen. Zweitens beobachtete ich, dass in 272

längeren Turns, die aus mehr als einem Satz bestehen, ein ‚Code-Oszillieren’ zwischen

mehreren Sprachmischungsarten herrschte. So findet man innerhalb eines Turns z. B.

extrasentenzielles CS und eine intersentenzielle Alternation oder eine intersentenzielle

Insertion und im nächsten Satz desselben Turns eine intrasentenzielle Alternation vor.

Was die Sprachmischungsarten betrifft, habe ich beobachtet, dass alle Arten, die in der

direkten Kommunikation üblich sind, auch in der schriftbasierten CVK in WhatsApp

auftauchten. Aufgrund des uneinsehbaren Produktionsprozesses von WhatsApp-

Nachrichten konnte in dieser Arbeit jedoch keine Unterscheidung zwischen stockendem

(„flagged“) oder flüssigem („smoothed“) Code-Switching gemacht werden; dazu

bedürfte es einer Videoaufnahme des Produktionsprozesses. Am häufigsten war Code-

Switching in all seinen Formen vertreten, woraufhin mit abnehmender Frequenz erst

Crossing, Entlehnungen, Code-Mixing und Ad-hoc-Entlehnungen folgten, wie ich es

bereits vor dem Beginn der Analyse in Etwa erwartet hatte.

Als häufigstes CS-Muster wurden intersentenzielle Alternationen innerhalb eines Turns

ein und derselben Person ausgemacht, welches somit als das beliebteste Muster unter

uns Dreien gilt und meine im Vorfeld gestellte These bestätigt. Ich tendiere zudem dazu

zu behaupten, dass dieses CS-Muster sogar öfter in der schriftbasierten CVK vertreten

ist als in der mündlichen Kommunikation, da in der Letzteren die Äusserungen meist

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107

weniger geordnet erscheinen und wahrscheinlich mehr intrasentenzielles CS aufweisen.

Zudem ist mir aufgefallen, dass bei intersentenziellen Switches meistens Konjunktional-

und Pronominalsätze in der jeweils anderen Sprache gebildet wurden. Dadurch, dass die

Nachrichten in der CVK geordneter sind, lässt sich auch das relativ selten auftauchende

Code Mixing im WhatsApp-Chat ‚Girls’ erklären; dies stellten bereits Androutsopoulos

und Hinnenkamp in ihren Untersuchungen deutsch-türkischer und deutsch-griechischer

IRC-Chats fest. Interessant war hierbei, dass vor allem Dragana dieses Muster benutzte,

während Snežana und ich es im Vergleich viel seltener taten; dies lässt sich nur durch

die persönlichen Gewohnheiten und Wortfindungsschwierigkeiten eines Bilingualen

erklären. Bezüglich intrasentenzieller Insertionen fiel mir auf, dass diese sehr häufig bei

Wortfindungsschwierigkeiten und fehlendem Wortschatz zum Tragen kamen, wobei in

diesen Fällen vor allem Nominalphrasen der anderen Sprache eingebettet wurden; doch

auch Präpositional- und Verbalphrasen kamen bei diesem Muster häufig vor. Bei

extrasentenziellem CS wurden, wie nicht anders erwartet, Diskursmarker, wie

Interjektionen und Satzfüller der jeweils anderen Sprache verwendet. Unter den echten

Entlehnungen wurden 25 Turzismen, 5 Germanismen und ein Anglizismus gefunden;

dies waren allesamt Autosemantika, nämlich 11 Substantive und 13 Verben. Ausserdem

kann ich Rothes These, dass Ad-hoc-Entlehnungen „mit einer Häufigkeit von weniger

als fünf Prozent auftreten“ (2012, 19), durch die Analyse unseres WhatsApp-Chats

ebenfalls bestätigen, da dieses Subkorpus nur 1,13% aller Turns mit Sprachmischungen

ausmachte. Sie tauchen in meinem Korpus vor allem bei Wortfindungsschwierigkeiten

und in humorvollen Situationen auf. Was das Language Crossing in unserem

WhatsApp-Chat betrifft, wurde nicht nur das Wechseln in einen balkan-schweizerischen

ethnolektalen Sprechstil mit Fokus auf albanische Prosodie, sondern auch ins

Gastarbeiterdeutsch und in ein sogenanntes ‚Mock English’ ausfindig gemacht; hierbei

wurden alle ethnolektal gefärbten Crossings als humorvoll und scherzhaft eingestuft.

Bei einzelnen Crossings handelte es sich des Weiteren nicht um real geäusserte, sondern

um medial stilisierte, balkan-schweizerisch gefärbte Sprechakte; die Merkmale dieser

beiden Varietäten habe ich anhand diverser YouTube-Clips ausfindig gemacht.

Bezüglich der Funktionen der einzelnen Switches stellte ich erstens fest, dass alle ausser

die Funktion 2), Sprachwechsel aufgrund eines Wechsels der Konstellation der Ge-

sprächsteilnehmer, vertreten waren, was mit der konstanten Chat-Konstellation unter

uns Dreien zusammenhängt. Zweitens fand ich heraus, dass alle Funktionen, die für

mündlich getätigtes CS gesammelt wurden, auch für dasjenige in schriftbasierter CVK

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108

gültig sind, da sich CS im dialogischen Kontext schriftlich ähnlich niederschlägt wie in

der direkten Kommunikation; zu ergänzen ist hierbei lediglich, dass schriftliches CS

auch dazu benutzt werden kann, um sich in der jeweils anderen Sprache kürzer

auszudrücken, was beispielsweise in WhatsApp als äussert wichtig empfunden wird.

Die meisten aufgefundenen Funktionen dienten hierbei diskursstrategischen Zwecken;

sie trugen also oft zur Organisation des Diskurses in bestimmten Gesprächssequenzen

bei. Aber auch die emotionale Ebene kam stark zu Vorschein, da die Chatterinnen durch

die Switches zwischen ihren beiden Muttersprachen die Affektivität, Intimität und

Solidarität zwischen den Gesprächsteilnehmerinnen zu verstärken wussten.

Die vier am häufigsten ermittelten CS-Funktionen in unserem WhatsApp-Chat sind 9)

Hervorhebungen bestimmter Teile der Äusserung, 20) kürzere Formulierungen, 14)

Wechsel im Aktivitätstypus (‚Modus-Wechsel’) und 8) Verdeutlichungen, welche je-

weils in bestimmten Subkorpora am meisten vertreten waren. Die Funktion 9) tauchte

vor allem bei inter- oder intrasentenziellem CS, sei es nun alternationaler oder

insertionaler Art, auf und hat einen strukturierenden Effekt auf die Äusserung. Die

Funktion 20) fand ich hauptsächlich in intra- und extrasentenziellen Switches auf, wel-

che dazu dienten sich kürzer auszudrücken. Die Funktion 14) tauchte, wie bei Modus-

Wechseln nicht anders zu erwarten war, ausschliesslich bei intersentenziellem CS auf,

und die Funktion 8) vor allem im Subkorpus der intersentenziellen Alternationen (inner-

halb eines Turns) und bei gesetzten Diakritika, welche nicht nur der Norm entsprechen,

sondern auch klar der Verdeutlichung in schriftbasierter CVK dienen können.

Was die Bewusstheit des Code-Switchens betrifft, waren die Chatterinnen alle einer

Meinung: In der WhatsApp-Kommunikation finden unsere Sprachwechsel erstens etwa

gleich häufig wie in direkter Kommunikation und zweitens im Normalfall vollkommen

natürlich, fliessend, unbewusst und schnell statt. Als Ausnahmen, in denen bewusst

geswitcht wird, sind die folgenden zwei Situationen zu nennen: Wenn wir eine

Redewendung oder ein Sprichwort der jeweils anderen Sprache brauchen, was uns in

der direkten wie auch schriftbasierten Kommunikation meist ins Stocken bringt, oder

wenn wir uns in einer beliebigen Sprache kürzer ausdrücken möchten. All dies hängt

wiederum damit zusammen, dass die WhatsApp-Kommunikation stark an die

Mündlichkeit der direkten Kommunikation angelehnt ist.

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109

6. Schlusswort

Es lässt sich festhalten, dass heute erstens in mehr alltäglichen Lebenssituationen

geschrieben wird als zuvor, zweitens, dass dadurch neuere Konversationsroutinen

entstehen und dass es dabei drittens auch häufig zu Sprachmischungen zwischen zwei

oder mehreren Sprachen und zu humorvollen Sprachspielen (inkl. Emojis)

verschiedener Arten kommt, welche die schriftbasierte computervermittelte

Kommunikation bereichern. Dabei wurde die intersentenzielle Alternation als das

häufigste und am meisten bevorzugte CS-Muster zwischen den Sprachen Serbisch und

Schweizerdeutsch erkannt. Dies muss jedoch nicht für die ganze serbisch-

schweizerdeutschen Sprachgemeinschaft gültig sein, wie es sich in der vorliegenden

Arbeit zu diesem Thema in einer Gruppe von drei jungen, bilingualen Frauen

herausgestellt hat. So könnten bei Analysen demografisch stärker gestreuter Daten und

Nachrichten durchaus andere CS-Muster häufiger vertreten sein; dasselbe gilt natürlich

auch für andere Sprachkombinationen, wie z. B. Schweizerdeutsch und Italienisch. Dies

müsste in nachfolgenden Forschungsarbeiten zu schriftlich realisierten

Sprachmischungen in WhatsApp noch weiter untersucht werden, sei es nun im Rahmen

des Sprachpaars Serbisch-Schweizerdeutsch – welches aufgrund seiner beidseitig

starken Nähe zur Mündlichkeit und der lautlichen Verschriftung äussert interessant zu

untersuchen war – oder mit einem Fokus auf eine andere Sprachkombination. In diesem

Rahmen wären auch Untersuchungen mit einem grammatischem Ansatz interessant, um

bestimmte grammatische Restriktionen in der schriftbasierten CVK ausfindig zu

machen und somit zu klären, an welchen Stellen im Satz Code-Switching nicht erlaubt

ist. Meines Erachtens fänden in diesem Zusammenhang auch Untersuchungen mit

psycholinguistischem Ansatz und solche, die auf verfilmten Produktionsprozessen von

WhatsApp-Nachrichten basieren, grossen Anklang bei einer für Sprachmischungen

interessierten Leserschaft. Aufgrund der neuen WhatsApp-Erweiterung vom 22.1.2015,

welche es nun auch erlaubt, Nachrichten vom PC zu verschicken, ergibt sich zudem

noch ein weiteres Forschungsgebiet für (Computer-)Linguisten; dieser Prozess müsste

jedoch – wie erwähnt – mit Videoaufnahmen dokumentiert werden, um die

Unterschiede in der Textproduktion zu dem üblichen mobilen WhatsApp Messenger zu

analysieren. Wie sich weiter herausgestellt hat, ist es wichtig, ganze

Gesprächssequenzen (mit dem enthaltenen Kontext) zu untersuchen, damit die

Funktionen einzelner Code-Switches mit Sicherheit festgestellt werden können. Eine

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weitere Möglichkeit wäre der direkte Vergleich von mündlich und schriftlich getätigtem

Code-Switching, -Mixing, Ad-hoc-Entlehnungen und Language Crossing, um weitere

Informationen zu den einzelnen Kommunikationsformen und den darin enthaltenen

Sprachmischungen zu erhalten.

Wie man sieht, stehen den linguistischen Forschungen mit Fokus auf WhatsApp und

Code-Switching sehr viele Wege offen, welche vor allem in unserer Zeit des Bi- oder

Plurilinguismus – oder zumindest eines graduell zunehmenden Sprachkontakts

zwischen mehreren Sprachen – Beachtung finden sollten. Denn auch sie tragen

essentiell zu weiteren Erkenntnissen im Bereich unterschiedlicher plurilingualer

Kommunikationspraktiken und -formen bei, welche sich wahrscheinlich über

Jahrzehnte und Jahrhunderte hinweg weiterentwickeln werden und – um dieses

kulturelle und sprachliche Erbe nicht in Vergessenheit geraten zu lassen – auch weiter

untersucht und festgehalten werden sollten. Ich hoffe, dass bald weitere

Forschungsarbeiten mit einem ähnlichen Schwerpunkt folgen werden, was in naher Zu-

kunft sicher durch das Korpus des Projekts What’s up, Switzerland? ermöglicht werden

wird, welches erstens einen grösseren Umfang als mein einzelner untersuchter

WhatsApp-Chat und zweitens durch die starke demografische Streuung aussagekräftige

Belege aufweisen wird.

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Bibliographie

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Anhang

Interviewfragen an die Chatteilnehmerinnen

1. Wann sind du und deine Familie in die Schweiz gezogen? Wie alt warst du da-mals?160

2. Kannst du dich noch erinnern, wie alt du etwa warst als du begonnen hast Deutsch oder Schweizerdeutsch zu lernen?161

3. Wo und wie hast du denn Schweizerdeutsch gelernt?162 4. Und wie hast du das Schweizerdeutsch-Lernen empfunden? Kannst du dich erinnern,

ob es dir eher leicht oder schwer gefallen ist – ob es eher schnell oder langsam vor-wärts ging? Kannst du dich an irgendwelche bestimmte Erfahrungen beim Schweizerdeutsch-Lernen erinnern? Gab es da auch Probleme?163

5. Und wie sieht es mit dem Serbischen aus? Hast du das zu Hause von den Eltern ge-lernt? Oder hast du noch die serbische Ergänzungsschule besucht?164

6. Glaubst du, dass dir die Serbischschule beim Serbisch-Lernen geholfen hat? Oder hast du das Gefühl, dass du zu Hause – von den Eltern – das meiste gelernt hast?165

7. Gut, gehen wir wieder zurück zum Schweizerdeutschen…Hattest du in der Primar-schule irgendeinen speziellen Deutschunterricht für Fremdsprachige – so als Zusatz-fach? Und hat dir das beim Deutsch-Lernen geholfen?166

8. Ok, dann gehen wir jetzt weiter… Welche Sprachen habt ihr zu Hause gesprochen? Nur Serbisch oder auch Schweizerdeutsch oder Hochdeutsch?167

9. Gibt es bestimmte Familienmitglieder mit welchen du mehr auf Serbisch oder mehr auf Schweizerdeutsch sprichst?168

10. Und wie sieht es im Freundeskreis aus? Welche Sprachen sprichst du alles mit Kollegen in der Freizeit?169

11. In der Freizeit sprichst du ja mit Kollegen, die auch zweisprachig aufgewachsen sind, in beiden Sprachen. Kommt es da auch zu Mischungen, also so, dass du in ei-nem schweizerdeutschen Satz ein paar serbische Wörter oder Satzteile einfügst?170

12. Und machst du das bewusst oder mischst du die beiden Sprachen eher unbewusst, wenn du an solche Situationen zurückdenkst?171

160 Wenn sind du und dini Familie id Schwiz zoche? Koliko si tada imala godina? 161 Jel’ se sećaš još, koliko si imala godina, wo du afange häsch Dütsch oder Schwizerdütsch lerne? 162 Wo und wie häsch denn Schwizerdütsch glernt? 163 Und wie häsch s’Schwizerdütsch-Lerne empfunde? Jel’ se sećaš, öb’s dir eher liecht oder schwer gfalle isch – öb’s eher schnell oder langsam gange isch? Jel možeš da se setiš na irgendwelchi bestimmti Erfahrige bim Schwizerdütsch-Lerne? Het’s do au Problem geh? 164 Und wie gseht’s mitem Serbische us? Häsch das nur dihei vo de Eltere glernt? Oder häsch no di serbisch Ergänzigsschuel bsuecht? 165 Jel’ misliš, da ti je pomogla srpska škola bim Serbisch-Lerne? Oder häsch s’Gfühl du häsch dihei – vo de Eltere – s’meiste glernt? 166 Guet, gömer wieder zrugg zum Schwizerdütsche… Jel si imala i de Primar neki spezijalan Dütschunterricht für Fremdsprochigi – so als Zuesatzfach? Und het dir das gholfe bim Dütsch-Lerne? 167 Ok, denn gömer jez wieter… Weli Sproche hend ihr dihei gredet? Samo srpski oder au Schwizerdütsch oder Hochdütsch? 168 Het’s bestimmti Familiemitglieder mit welne du meh Serbisch oder meh Schwizerdütsch redisch? 169 Und wie gseht’s im Fründeskreis us? Weli Sproche redsch do alles mit Kollege i de Freiziit? 170 I de Freiziit redsch ja mit Kollege, wo au zweisprochig ufgwachse sind, in beidne Sproche. Chunts do au zu Mischige, also so, dass du i nem ne schwizerdütsche Satz e paar serbischi Wörter oder Satzteil ifüegsch?

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13. Und welche Sprachen sprichst du alles bei der Arbeit?172 14. Gut, und wie beurteilst du deine Zweisprachigkeit? Meinst du, dass du eine deiner

zwei Muttersprachen besser beherrschst als die andere? Welche Sprache würdest du in diesem Fall als „dominanter“ bezeichnen: Serbisch oder Schweizerdeutsch?173

15. Ok, und wenn du jetzt eine Skala von 1 bis 6 hättest, und eins die Schlechteste und sechs den besten Beherrschungsgrad ausmachen würde: Wo würdest du dann deine Beherrschung des Serbischen und die des Schweizerdeutschen einordnen?174

16. Gut, denn gehen wir jetzt zu ein paar anderen Fragen über. Jetzt würde ich gerne über deine Handy-Nutzung zur Kommunikation mit anderen sprechen…175

a. Wenn du in deiner Freizeit mit Kollegen, Familie oder Bekannten kommuni-zierst, machst du das mehr über Telefonate, SMS, WhatsApp oder über andere Apps?176

b. Gut, und wenn wir gleich bei der schriftlichen Kommunikation bleiben: Schreibst du mehr SMS, WhatsApp-Nachrichten oder über etwas anderes? Was bevorzugst du am meisten?177

c. Gut, und wie wir ja beide wissen, schreibst du – wie auch ich – in unserem Girls-Chat immer wieder mal in beiden Sprachen. Da kommt es ja dann auch zu Mischungen von Serbisch und Schweizerdeutsch. Schreibst du auch mit anderen zweisprachigen Kollegen oder Bekannten auf diese Misch-Art?178

d. Und wie verhält es sich hierbei? Passiert das schriftliche Mischen eher be-wusst oder unbewusst?179

171 Und machsch du das bewusst oder mischisch di beide Sproche eher unbewusst, wenn a so Situatione zruggdenksch? 172 Und weli Sproche redsch alles na poslu? 173 Guet, und wie beurteilsch du dini Zweisprochigkeit? Jel’ misliš, dass eini vo dine zwei Muettersproche besser beherrschisch als di ander? Weli Sproch würdsch i dem Fall als „dominanter“ bezeichne: srpski ili švajcarski? 174 Ok, und wenn jez e Skala vo 1 bis 6 hetsch, und s’eis de schlechtischt und s’sechsi de best Beherrschigsgrad isch: Wo würdsch denn dis Serbisch und dis Schwizerdütsch iordne? 175 Guet, denn gömmer jez zu paar andere Froge über. Jetzt würi gern über dini Handy-Nutzig zum Kommuniziere mit anderne rede… 176 Wenn du i dinere Freiziit mit Kollege, Familie oder Bekannte kommuniziersch, machsch das meh über Telefonat, SMS, WhatsApp oder über e anderi App? 177 Guet, und wenn mer jetzt grad bi de schriftliche Kommunikation bliebed: Schriebsch meh SMS, meh Nochrichte über WhatsApp oder über was anders? Was bevorzugsch do am meiste? 178 Guet, und wie mir ja beidi wüssed, schriebsch du – wie au ich – i üsem Girls-Chat immer wieder mal in beidne Sproche. Do chunts ja denn au zu Mischige vo Serbisch und Schwizerdütsch. Schriebsch au mit anderne zweisprochige Kollege oder Bekannte uf die Misch-Art? 179 Und wie verhaltet’s sich do? Passiert s’Mische schriftlich eher bewusst oder unbewusst?

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Statistiken zu den Sprachmischungstypen und ihren Funktionen

Korpora In Anzahl Turns Anteil in % Alle Turns mit Sprachmischungen: 2’124 100 % Davon intersentenzielle Alternationen (innerhalb eines Turns):

602 (S: 204 / D: 187 / J: 211)180 28,34 %

Davon intrasentenzielle Insertionen: 468 (S: 102 / D: 185 / J: 181) 22,03 % Davon intersentenzielle Alternationen (mit Sprecherwechsel zwischen den Turns):

417 (S: 147 / D: 136 / J: 134) 19,63 %

Davon intersentenzielle Insertionen: 237 (S: 61 / D: 93 / J: 83) 11,16 % Davon intersentenzielle Alternationen (ohne Sprecherwechsel zwischen den Turns):

220 (S: 47 / D: 100 / J: 73) 10,36 %

Davon intrasentenzielle Alternationen: 127 (S: 23 / D: 72 / J: 32) 5,98% Davon extrasentenzielles CS: 120 (S: 37 / D: 26 / J: 57) 5,65 % Davon Crossing: 58 (S: 40 / D: 4 / J: 14) 2,73 % Davon echte Entlehnungen: 31 (S: 18 / D: 4 / J: 9) 1,46 % Davon Code Mixing (kongr. Lexikal.) 31 (S: 7 / D: 21 / J: 3) 1,46 % Davon Diakritika (LV1-Methode) 26 (S: 2 / D: 0 / J: 24) 1,22 % Davon Ad-hoc-Entlehnungen: 24 (S: 17 / D: 1 / J: 6) 1,13 % Davon Kyrillisch: 3 (S: 3 / D: 0 / J: 0) 0,14 %

Tabelle 1: Häufigkeit aller Sprachmischungsphänomene und schriftlicher Auffälligkeiten im Sprachmischungskorpus.

Funktionen aller Sprachmischungen Anzahl Turns Anteil in % 9) Hervorhebungen bestimmter Teile der Äusserung 523 21,14% 20) kürzere Formulierungen 311 12,57% 14) Wechsel im Aktivitätstypus (‚Modus-Wechsel’) 288 11,64% 8) Verdeutlichungen 195 7,88% 17) Kulturspezifisches ausdrücken 193 7,80% 4) Nachträge / Parenthesen 134 5,42% 6) lexikalische Wiederaufnahmen (Retraktionen) 128 5,17% 18) Humor / Ironie markieren 120 4,85% 7) Emphase (von Fragen, Bitten, Gefühlsäusserungen) 115 4,65% 4) Interjektionen 104 4,20% 12) CS zwischen Fakten und Kommentierungen 74 2,99% 19) Wortfindungsschwierigkeit / fehlender Wortschatz 73 2,95% 16) formelhafte Verwendung der Herkunftssprache 56 2,26% 15) Wort-, Sprach-, Buchstabenspiele 49 1,98% 11) Themenwechsel 31 1,25% 1) Zitate, indirekte Rede, erzählte Rede 27 1,09% 5) Wiederholungen, (Quasi-)Übersetzungen 16 0,65% 13) Perspektivenwechsel 12 0,49% 4) Hinzufügen phatischer Elemente 11 0,44% 10) Aufmerksamkeit auf sich ziehen (Turn-Taking) 5 0,20% 3) Konsens 4 0,16% 5) false start repair 3 0,12% 3) Distanzierung 2 0,08%

Tabelle 2: Häufigkeit der Funktionen aller funktionaler Sprachmischungen im Sprachmischungskorpus.

180 Die Kürzel S, D und J stehen für Snežana, Dragana und Jelena und die Anzahl von ihnen getätigter Turns, die Sprachmischungen enthielten.

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21,14%

12,57%

11,64%

7,88%7,80%

5,42%

5,17%

4,85%

4,65%

4,20%

2,99%

2,95%

2,26%

1,98%

1,25%

1,09%

2,14%

9) Hervorhebungen

20) kürz. Formul.

14) Modus-Wechsel

8)Verdeutlichung

17) Kultur

4) Nachtr./Paren.

6) lex. Wiederaufn.

18) Humor

7) Emphase

4) Interjektion

12) Fakt - Komm.

19) Wortschatz

16) Formeln

15) Wortspiele

11) Themenwechsel

1) Zitate

*Rest (je < 1%)

*Der Rest der gefundenen CS-Funktionen, die jeweils weniger als 1% der ermittelten Funktionen des Gesamtkorpus ausmachten (alle zusammen 2,77%), sind folgende acht: 5) Wiederholungen in Form von Quasi-Übersetzungen (16 Turns / ca. 0,65%) 13) Perspektivenwechsel (12 Turns / ca. 0,49%) 4) Hinzufügen phatischer Elemente (11 Turns / ca. 0,44%) 10) Aufmerksamkeit auf sich ziehen beim Turn-Taking (5 Turns / ca. 0,20%) 3) Konsens anzeigen (4 Turns / ca. 0,16%) 5) false start repair (3 Turns / ca. 0,12%) 3) Distanzierung anzeigen (2 Turns / ca. 0,08%)

Kreisdiagramm 1: Darstellung der Häufigkeit der Funktionen aller Sprachmischungen im Sprachmischungskorpus.

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Intersentenzielle Alternationen (Funktionen): Anzahl Turns Anteil in % 9) Hervorhebungen bestimmter Teile der Äusserung 314 46,52% 8) Verdeutlichungen 146 21,63% 14) Wechsel im Aktivitätstypus (Modus) 45 6,67% 7) Emphase (von Fragen, Bitten, Gefühlsäusserungen) 31 4,60% 16) formelhafte Verwendung der Herkunftssprache 24 3,56% 17) Kulturspezifisches ausdrücken 23 3,41% 20) kürzere Formulierungen 17 2,52% 18) Humor / Ironie markieren 17 2,52% 12) CS zwischen Fakten und Kommentierungen 16 2,37% 4) Nachträge / Parenthesen 14 2,07% 1) Zitate, indirekte Rede, erzählte Rede 11 1,63% 6) lexikalische Wiederaufnahmen (Retraktionen) 7 1,04% 11) Themenwechsel 6 0,89% 5) Wiederholungen, (Quasi-)Übersetzungen 2 0,30% 15) Wort-, Sprach-, Buchstabenspiele 1 0,15% 4) Hinzufügen phatischer Elemente 1 0,15%

Tabelle 3: Alle ermittelten Funktionen im Subkorpus der intersentenziellen Alternationen. Intrasentenzielle Insertionen (Funktionen): Anzahl Turns Anteil in % 20) kürzere Formulierungen 183 34,27% 9) Hervorhebungen bestimmter Teile der Äusserung 97 18,16% 6) lexikalische Wiederaufnahmen (Retraktionen) 91 17,04% 17) Kulturspezifisches ausdrücken 51 9,55% 19) Wortfindungsschwierigkeit / fehlender Wortschatz 37 6,93% 18) Humor/Ironie markieren 16 3,00% 15) Wort-, Sprach-, Buchstabenspiele 11 2,06% 8) Verdeutlichungen 10 1,87% 4) Nachträge / Parenthesen 10 1,87% 16) formelhafte Verwendung der Herkunftssprache 7 1,31% 12) CS zwischen Fakten und Kommentierungen 5 0,94% 4) Hinzufügen phatischer Elemente 4 0,75% 7) Emphase (von Fragen, Bitten, Gefühlsäusserungen) 3 0,56% 5) false start repair 3 0,56% 5) Wiederholungen, (Quasi-)Übersetzungen 2 0,37% 4) Interjektionen 2 0,37% 11) Themenwechsel 1 0,19% 3) Konsens 1 0,19%

Tabelle 4: Alle ermittelten Funktionen im Subkorpus der intrasentenziellen Insertionen.

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Intersentenzielle Alternationen (mit Sprecherwech-sel zwischen den Turns)(Funktionen): Anzahl Turns

Anteil in %

14) Wechsel im Aktivitätstypus (Modus) 176 70,97% 9) Hervorhebungen bestimmter Teile der Äusserung 33 13,31% 8) Verdeutlichungen 15 6,05% 7) Emphase (von Fragen, Bitten, Gefühlsäusserungen) 5 2,02% 12) CS zwischen Fakten und Kommentierungen 3 1,21% 3) Konsens 3 1,21% 20) kürzere Formulierungen 2 0,81% 6) lexikalische Wiederaufnahmen (Retraktionen) 2 0,81% 10) Aufmerksamkeit auf sich ziehen (Turn-Taking) 2 0,81% 5) Wiederholungen, (Quasi-)Übersetzungen 2 0,81% 18) Humor /Ironie markieren 1 0,40% 3) Distanzierung 1 0,40% 16) formelhafte Verwendung der Herkunftssprache 1 0,40% 11) Themenwechsel 1 0,40% 17) Kulturspezifisches ausdrücken 1 0,40%

Tabelle 5: Alle ermittelten Funktionen im Subkorpus der intersentenziellen Alternationen (mit Sprecherwechsel zwischen den Turns). Intersentenzielle Insertionen (Funktionen): Anzahl Turns Anteil in % 4) Nachträge / Parenthesen 63 25,61% 17) Kulturspezifisches ausdrücken 28 11,38% 12) CS zwischen Fakten und Kommentierungen 27 10,98% 20) kürzere Formulierungen 19 7,72% 1) Zitate, indirekte Rede, erzählte Rede 16 6,50% 9) Hervorhebungen bestimmter Teile der Äusserung 15 6,10% 16) formelhafte Verwendung der Herkunftssprache 12 4,88% 13) Perspektivenwechsel 12 4,88% 7) Emphase (von Fragen, Bitten, Gefühlsäusserungen) 11 4,47% 11) Themenwechsel: 10 4,07% 14) Wechsel im Aktivitätstypus (Modus) 9 3,66% 18) Humor / Ironie markieren 7 2,85% 5) Wiederholungen, (Quasi-)Übersetzungen 6 2,44% 19) Wortfindungsschwierigkeit / fehlender Wortschatz 6 2,44% 4) Hinzufügen phatischer Elemente 2 0,81% 15) Wort-, Sprach-, Buchstabenspiele 2 0,81% 6) lexikalische Wiederaufnahmen (Retraktionen) 1 0,41%

Tabelle 6: Alle ermittelten Funktionen im Subkorpus der intersentenziellen Insertionen.

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Intersentenzielle Alternationen (ohne Sprecherwechsel zwischen den Turns)(Funktionen): Anzahl Turns

Anteil in %

14) Wechsel im Aktivitätstypus (Modus) 57 27,14% 4) Nachträge / Parenthesen 46 21,90% 7) Emphase (von Fragen, Bitten, Gefühlsäusserungen) 27 12,86% 12) CS zwischen Fakten und Kommentierungen 21 10,00% 9) Hervorhebungen bestimmter Teile der Äusserung 19 9,05% 8) Verdeutlichungen 17 8,10% 11) Themenwechsel 12 5,71% 4) Hinzufügen phatischer Elemente 3 1,43% 20) kürzere Formulierungen 3 1,43% 5) Wiederholungen, (Quasi-)Übersetzungen 3 1,43% 16) formelhafte Verwendung der Herkunftssprache 1 0,48% 6) lexikalische Wiederaufnahmen (Retraktionen) 1 0,48%

Tabelle 7: Alle ermittelten Funktionen im Subkorpus der intersentenziellen Alternationen (ohne Sprecherwechsel zwischen den Turns). Intrasentenzielle Alternationen (Funktionen): Anzahl Turns Anteil in % 20) Kürzere Formulierungen 41 28,47% 9) Hervorhebungen bestimmter Teile der Äusserung 34 23,61% 19) Wortfindungsschwierigkeit / fehlender Wortschatz 28 19,44% 6) lexikalische Wiederaufnahmen (Retraktionen) 20 13,89% 17) Kulturspezifisches ausdrücken 11 7,64% 18) Humor / Ironie markieren 7 4,86% 4) Nachträge / Parenthesen 1 0,69% 5) Wiederholungen, (Quasi-)Übersetzungen 1 0,69% 16) formelhafte Verwendung der Herkunftssprache 1 0,69%

Tabelle 8: Alle ermittelten Funktionen im Subkorpus der intrasentenziellen Alternationen. Extrasentenzielles CS (Funktionen): Anzahl Turns Anteil in % 4) Interjektionen 102 43,22% 20) Kürzere Formulierungen 46 19,49% 17) Kulturspezifisches ausdrücken 40 16,95% 7) Emphase (von Fragen, Bitten, Gefühlsäusserungen) 34 14,41% 16) formelhafte Verwendung der Herkunftssprache 10 4,24% 4) Hinzufügen phatischer Elemente 3 1,27% 15) Wort-, Sprach-, Buchstabenspiele 1 0,42%

Tabelle 9: Alle ermittelten Funktionen im Subkorpus der extrasentenziellen Code-Switches. Language Crossing (Funktionen): Anzahl Turns Anteil in % 18) Humor / Ironie markieren 49 56,32% 15) Wort-, Sprach-, Buchstabenspiele 21 24,14% 17) Kulturspezifisches ausdrücken 13 14,94% 7) Emphase (von Fragen, Bitten, Gefühlsäusserungen) 4 4,60%

Tabelle 10: Alle ermittelten Funktionen im Subkorpus des Language Crossing.

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Echte Entlehnungen (Funktionen): Anzahl Turns Anteil in % 17) Kulturspezifisches ausdrücken 25 65,79% 18) Humor / Ironie markieren 7 18,42% 6) lexikalische Wiederaufnahmen (Retraktionen) 2 5,26% 5) Wiederholungen, (Quasi-)Übersetzungen 2 5,26% 3) Distanzierung 1 2,63% 9) Hervorhebungen 1 2,63%

Tabelle 11: Alle ermittelten Funktionen im Subkorpus der echten Entlehnungen. Diakritika (LV1-Methode) (Funktionen): Anzahl Turns Anteil in % 8) Verdeutlichung bestimmter Wörter (bei vorhandener Zeit, korrekt (LV1) zu schreiben) 27

100%

Tabelle 12: Alle ermittelten Funktionen im Subkorpus der Diakritika-Setzung (LV1-Methode). Ad-hoc-Entlehnungen (Funktionen): Anzahl Turns Anteil in % 18) Humor / Ironie markieren 16 44,44% 15) Wort-, Sprach-, Buchstabenspiele 13 36,11% 6) lexikalische Wiederaufnahmen (Retraktionen) 4 11,11% 19) Wortfindungsschwierigkeit / fehlender Wortschatz 2 5,56% 17) Kulturspezifisches ausdrücken 1 2,78%

Tabelle 13: Alle ermittelten Funktionen im Subkorpus der Ad-hoc-Entlehnungen. Kyrillisch (Funktionen): Anzahl Turns Anteil in % 10) Aufmerksamkeit auf sich ziehen (Turn-Taking) 3 100%

Tabelle 14: Alle ermittelten Funktionen im Subkorpus des Skript-Switching.

Beispiele aus dem Korpus zu den übrigen ermittelten CS- Funktionen

Im Folgenden werden weitere Beispiele zu den übrigen ermittelten Code-Switching-Funktionen dargestellt, welche aufgrund von Platzmangel in der Arbeit nicht mehr eigens besprochen werden konnten; die Funktionen sind hierbei ihrer Frequenz – von häufigster zur niedrigsten Ermittlung - im Korpus nach aufgelistet.

17) Kulturspezifisches ausdrücken: Die folgenden Beispiele lassen sich – da sie Kulturspezifisches ausdrücken – jeweils nicht wört-lich in die andere Sprache übersetzen, daher wurde einfach im sinngemäss übersetzt:

27.6.11. / 16:24:51 Jelena Easy.. Ajd bis spöter! ‚Ok.. Also dann, bis später!’

8.12.11. / 14:58:53 Jelena Leleeee.. Jeli isch grad im nespresso shop i de [Strasse X].. 20 lüt

am astoh ‚Ach du meine Güte.. Jeli ist gerade im Nespresso Shop an der

[Strasse X]..20 Leute am anstehen’

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16.1.12. / 20:17:47 Snezana Bezi ba181 kakvo hürote ‚Hau ab, Mann! Was heiraten?’

30.6.11. / 14:29:35 Snezana Ne, mein name is haze und i weiss vo nix ‚Nein, mein Name ist Hase und ich weiss von nichts’182

5.10.11. / 19.:32:13 Snezana A Jelena bre sestro kad ti mislis ic u taj solarium? Bisch jo usbuecht

bis next week ‚Hey Jelena, Mann, Schwester, wann gedenkst du [endlich] in die-

ses Solarium zu gehen? Du bist ja bis nächste Woche ausgebucht’

27.8.11. / 22:50:55 Snezana I säg jo... Ma ko ga sisa183, hüt wirds nüm guet egal wa i mache... ‚Ich sag’s ja…Egal, heute wird es nicht mehr gut, egal was ich ma-

che…’ 18) Humor / Ironie markieren:

13.1.12. / 21:42:38 Snezana Tzzzz cek cek kad uzmem cekic pa kad te weichklopfam ce vidis ti ‚Tzzzz, warte nur, wenn ich einen Hammer nehme und dich damit

weichklopfe, dann siehst du schon’

30.11.11. / 17:45:41 Dragana if you want me to entfüehre you we will be am 19:15 dihei ‘Wenn du von mir entführt warden willst, wären wir um 19:15 zu

Hause.’ 30.11.11. / 17:48:00 Snezana Moze, jel ako me ne entführasch prenocicu ovde ozbiljno.. ‘Geht in Ordnung, denn, wenn du mich nicht entführst, werde ich

hier [im Büro] wirklich übernachten müssen’

27.8.11. / 22:30:23 Snezana Jok , Dragana, mir bliibed, dok ne svane il nas ne izbace :-D ‚Nein, Dragana, wir bleiben, bis es dämmert oder sie uns

rausschmeissen :-D’( Ironie) 4) Nachträge / Parenthesen:

2.7.11. / 20:24:46 Dragana sehr schön,nego girl,bis veceras dabi? ‚Sehr schön, aber [andere Frage] Girl, bist du heute Abend dabei?’

5.7.11. / 10:45:25 Snezana Uj nei, svaka ti cast mi chönsch jagge mit jogge... ‚Oh nein, Respekt, mich könntest du [ver]jagen mit Joggen….’

4.9.11. / 14:34:01 Dragana Snezo, die schwarzi schuhe, sto si kupila, sind en volltreffer

gsi...sinds bequem gsi? ‚Snezo, die schwarzen Schuhe, die du gekauft hast, waren ein

Volltreffer…waren sie bequem?’

181 Das bosnische ‚ba’ entspricht dem serbischen ‚bre’ und kann zu Deutsch nur mit der Interjektion ‚Mann’ übersetzt werden; leider liess sich dazu keine echte wörtliche Übersetzung auffinden. 182 Solch eine Redewendung gibt es im Serbischen nicht. 183 ‚Koga šiša, kad nije iz Niša’ ist ein serbisches Sprichwort und bedeutet wörtlich übersetzt ‚Wer schneidet ihm schon die Haare, wenn er nicht aus Niš kommt.’ Es wird in Kontexten benutzt, wenn man von jemandem redet, der einem egal ist, oder im obigen Beispiel, wenn man ‚egal’ sagen will.

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15) Wort-, Sprach-, Buchstabenspiele:

29.6.11. / 17:28:52 Snezana Izzy pizzy i mach hängerica184 in oerlike ;) ‚Easy peasy, ich häng ein wenig in Oerlikon rum ;)’

22.11.11. / 22:00:50 Snezana Lakas nocas185 mucaca bis morschen ‚Gute nacht, Mucaca, bis morgen’

27.12.11. / 11:22:06 Snezana nou aj anderstend186 ‚[No, I understand] Nein, ich verstehe’

6.1.12. / 11:35:32 Jelena Jutring!!187 Sit am 6i!! ‚[Morn-]ing!! Seit 6 Uhr!! Guten Morgen!! Seit 6 Uhr!!’

6) lexikalische Wiederaufnahmen (Retraktionen):

27.6.11. / 16:23:47 Dragana Nei (‚Nein’) 27.6.11. / 16:24:03 Jelena Dacu ja tebi nei ‚Ich geb’ dir [gleich] „nein“’

11.8.11. / 16:46:25 Jelena Ok, gucken wir morgen! 11.8.11. / 16:51:17 Snezana Ju, gde je morgen ja neznam kako cu danas preziveti... ‚Ach, wo ist „morgen“, ich weiss nicht [einmal] wie ich heute

überleben soll’

12.8.11. / 14:25:09 Snezana Good luck gäll! uj de cupcake bewürkt wunder jetzt goht au english wieder

‚’Viel Glück, gelle! Hui, der Cupcake bewirkt Wunder, jetzt geht auch Englisch wieder’

12.8.11. / 14:55:49 Jelena Ja vo mir au good luck!! ‚Ja, von mir auch ‚Viel Glück’!!’

7) Emphase (von Fragen, Bitten, Gefühlsäusserungen): 31.8.11. / 14:12:23 Snezana Juuuu pssst verschreis nöd!! Lob de tag nöd vorm obig... Ne

baksuziraj! uvaliceti nesta pet min pre nego sto krenes ‚Huuuuch pssst, verschrei es nicht!! Lob den Tag nicht vor dem

Abend… Zieh das Pech nicht an! [Sonst] werden sie dir 5 Min bevor du losgehst noch etwas [mehr Arbeit] aufzwingen’

26.11.11. / 21:59:05 Dragana mit sind nöd anenand gwachse pobogu ‚Bei Gott! Wir sind nicht aneinander gewachsen’ 29.11.11. / 11:53:42 Snezana U jebote sit wenn gits denn diä zucht? Da isch jo richtig traditional ‚Ach du Scheisse! Seit wann gibt’s denn diese Zucht? Das ist ja

richtig traditionell’ 184 Im obigen Turn handelt es sich beim Substantiv „hängerica“ sowohl um eine Ad-hoc-Entlehnung als auch um eine kreative Wortneuschöpfung, die Snežana aus dem umgangssprachlichen schweizerdeutschen Grundverb „hänge“ (‚rumhängen’ / ‚Zeit verbringen’), dem Bindekonsonant –r– und dem weiblichen serbischen Diminutivsuffix –ica gebildet hat. 185 Bei dieser Ad-hoc-Entlehnung wird das serbische ‚Laku noc’ (‚Gute Nacht’) durch Snežana zu Lakas nocas hispaniolisiert. 186 Hierbei handelt es sich um eine serbische, lautnahe Verschriftung des englischen Satzes „No, I understand“ (‚Orthographiewechsel’ von Englisch zu Serbisch). 187 Bei dieser Ad-hoc-Entlehnung wurde das serbische ‚(Dobro) jutro’ (‚Guten Morgen’) mit dem englischen ‚(Good) morning’ zu jutr-ing gebildet.

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12.8.11. / 12:58:28 Snezana Wtf??? Wa lauft mi eu??? I mag nöd mol ei sproch hüt benutze.... ‚Was zum Teufel??? Was läuft [denn] mit euch??? Ich mag heute

nicht einmal eine Sprache benutzen….’ 4) Interjektionen: 1.5.12. 17.31.12 Jelena Ok.. Ajd bin in 10 min bi eu ‚Ok.. Also, bin in 10 Min bei euch’ 10.3.12. 14.17.09 Jelena Hahahhaha.. Bozeee.. Es isch e lampeee..! Nüt weltbewegends ‚Hahahhaha.. Mein Gooott..Es ist eine Lampeee..! Nichts

Weltbewegendes’ 27.6.11. / 16:19:06 Jelena Ou ja.. Ich au..! Jooooj! ‚Oh ja.. Ich auch..! Aaaach!’ 12) CS zwischen Fakten und Kommentierungen: 3.9.11. / 19:32:17 Jelena Söllemer am halbi 11i bereit sii? Oder wenn? Ich muess Marija no

uf [Ort X] fahre so am 9i.. Da znam, wenn ich afange söll mit dusche etc

‚Sollen wir um halb 11 bereit sein? Oder wann? Ich muss Marija noch nach [Ort X] fahren, so um 9.. Damit ich weiss, wann ich anfangen soll mit Duschen etc’

12.12.11. / 16:33:42 Snezana kenn i nema tih para da se ja dobrovoljno maskiram. vorallem

wil is nöd chan und dgugge bescheuert finde ‚Kenn ich, habe kein Geld, um mich freiwillig zu maskieren. Vor

allem weil ich’s nicht kann und die Guggen[musik] bescheuert finde’

15.2.12. / 12:51:49 Snezana Bin hüt obig debi posto mi je bolje ☺ jeli ti javi kad pokret und so ‚Bin heute Abend mit dabei, weil es mir besser geht Jeli, gib

Bescheid, wann wir aufbrechen und so’ 19) Wortfindungsschwierigkeit / fehlender Wortschatz: 8.12.11. / 10:14:37 Jelena Ok.. Ou jaaa! Moze en vollkorngipfel! ‚Ok.. Oh jaaa! Ein Vollkorngipfel wäre gut!’ 27.9.11. / 20:59:24 Jelena Oh bozeee!! pa luegsch chli uf di! Odkud sad de tüf bluetdruck?? ‚Oh Gooott!! Ja, schau besser auf dich! Woher jetzt dieser tiefe

Blutdruck??’ 31.12.11. / 21:37:03 Dragana Snezana imas uflade ding für auto ‚Snezana, hast du ein Auflade-Ding für’s Auto[?]’ 3.7.11. / 16:17:27 Dragana Isa und ich sind im hirschy,if you have lust to join,ajd ‘Isa und ich sind im [Café] Hirschy, falls ihr Lust habt, dazuzustos-

sen, los

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16) formelhafte Verwendung der Herkunftssprache: 29.9.11. / 22:33:02 Jelena Ich weiss..easy kinder, ich bin au scho lang if de fresse und im

bettli! Ajde laku nooooc! ‚Ich weiss..Easy Kinder, ich bin auch schon lange auf der Fresse

und im Bettchen! Also, Gute Naaaacht!’ 26.12.11. / 23:22:35 Dragana ljubim vas und bis morgen ‚ich küsse euch und bis Morgen’ 6.1.12. / 10:39:42 Snezana Ou... Jo uf das abe sretan vam badnji dan ‚Oh…Ja, apropos, [ich wünsche] euch [einen] frohen Heiligabend’ 15.3.12. / 10:13:04 Snezana Cu umrem... alles tuets mer weh! ps guete morge ‚Ich sterbe [gleich]… Alles tut mit weh! P.S. Guten Morgen’ 11) Themenwechsel: 12.12.11. / 21:09:55 Snezana Hehe neka hvala :) seisch de jungs en gruess ‚Hehe, nein danke :) Richte den Jungs einen Gruss aus’ 1.2.12. / 19:13:59 Jelena Kazem ja, ich han mich id brille verliebt! Dragana wie gsehts us

mit robohead? ‚Ich sag’s ja, ich hab mich in die Brille verliebt! Dragana, wie

sieht’s aus mit [dem] Robohead?’ 1.2.12. / 20:54:40 Snezana Da isch normal jeli. Dragana a dieta? ‚Das ist normal, Jeli. Dragana, und [was ist mit der] Diät?’ 1) Zitate, indirekte Rede, erzählte Rede: 3.10.11. / 13:57:13 Dragana wil Snezana gschriebe gha hät da mi nismo mogle i ja sada kazem:

i han jetz doch ‚Weil Snezana geschrieben hatte, dass wir nicht [hin] könnten,

und ich sage jetzt: ich kann jetzt doch’ 10.10.11. / 21:35:25 Snezana Ladies zwei suuuper ussagene vo minere ma vo gad vorher: 1.

Snezo,brat ti je poludeo nacisto, 2. Smuvaj se sa Milosem.. Nisam znala da zna sta je muvanje188. und di zwei sätz gad nochenand mached wenig sinn..

‚Ladies, zwei suuuper Aussagen meiner Mutter von vorhin: 1. Snezo, dein Bruder ist total verrückt geworden, 2. ‚Komm’ mit Milos ‚zusammen’. Ich wusste nicht [einmal], dass sie weiss was ‚zusammenkommen’ heisst. Und diese zwei Sätze gleich nacheinander machen wenig Sinn.’

188 Dies ist ein modernes jugendsprachliches, serbisches Wort für ‚mit einem Mann/einer Frau zusammenkommen’/’eine Liebesbeziehung beginnen’. Snežana wundert sich hier, dass ihre Mutter dieses serbische Wort überhaupt kennt.

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15.2.12. / 17:03:16 Jelena Und ich glaub sie lügt mich grad a.. Sie meint es isch ihri erst arbet pa je nesigurna189 und vlablabla

‚Und ich glaube, sie lügt mich gerade an.. Sie sagt, es sei ihre erste Arbeit und sie sei unsicher und blablabla’

5) Wiederholungen, (Quasi-)Übersetzungen: 25.8.11. / 15:44:56 Snezana Spell check? Meinsch rechtschriibigsprüefig ;) ‚Spell check? Du meinst Rechtschreibprüfung ;) 7.9.11. / 22:12:16 Dragana ti si se odlucila, wahl getroffen ‚Du hast dich entschieden, Wahl getroffen’ 13) Perspektivenwechsel: 14.6.12. / 19:50:01 Jelena Cool! Pa moze sto se mene tice. Snezana, bisch au debi? ‚Cool! Ja, geht klar, was mich anbetrifft. Snezana, bist du auch

dabei?’ 4) Hinzufügen phatischer Elemente: 13.8.11. / 12:51:33 Jelena Hello mädels! Na sinder fit und wach? ‚Hallo Mädels! Na, seid ihr fit und wach?’ 14.9.11. / 21:06:05 Dragana zelim nice week pa se cujemo die tage preko poruka,ljubim vas

puno puno ‚Ich wünsch euch eine schöne Woche, und dann hört man sich die

Tage über Nachrichten, ich küsse euch sehr sehr’ 3.10.11. / 13:21:04 Snezana Ladies mir gönd as rihanna konzert am 7.11. ‚Ladies, wir gehen ans Rihanna Konzert am 7.11.’190 10) Aufmerksamkeit auf sich ziehen (beim Turn-Taking): 6.12.11. / 12:28:29 Dragana al treba danas jos da se odradi ‚Aber heute muss noch gearbeitet werden’ 6.12.11. / 12:28:33 Dragana i sutra ‘Und morgen’ 6.12.11. / 12:31:21 Snezana И прекосутра бар ја... (‘I prekosutra bar ja’) ‘Und übermorgen, zumindest ich…’ 6.12.11. / 12:31:39 Snezana А мрзи ме невидјено... (‘A mrzi me neviđeno’) ‘Und ich habe überhaupt keine Lust darauf’ 6.12.11. / 18:27:49 Dragana jaooooo spassvaaaa miiii seeeeeeeeee ‚Ooooooh, ich möchteee schlaaafeeeen’

189 Bei dieser indirekten Rede handelt es sich um die Nacherzählung einer Äusserung einer ebenfalls serbisch-schweizerdeutschen Bilingualen. Es ist leider nicht mehr feststellbar, ob diese selbst einen Switch in ihrer Äusserung machte; dennoch muss man betonen, dass solche Switches innerhalb von Zitaten oder indirekten Reden durchaus auch vom Nacherzähler getätigt werden können, und die eigene Äusserung besser zu strukturieren (vgl. Auer 1995, 199f.). 190 Auffallend ist, dass beim Hinzufügen phatischer Elemente praktisch nie schweizerdeutsche Ausdrücke benutzt wurden; es waren immer serbische oder fremdsprachige Wörter.

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3) Konsens: 12.8.11. / 12:44:29 Dragana I would appreciate to meet you at 9 o'clock if you don't mind ‘Ich wäre dankbar, wenn wir uns um 9 Uhr treffen könnten, wenn

dir das nichts ausmacht’ 12.8.11. / 12:47:03 Jelena

Ok my dear! And I would appreciate if you could drive, because igor has a party in saint city tonight.

‘Ok meine Liebe! Und ich wäre dankbar, wenn du fahren könn-test, weil Igor eine Party in St. Gallen hat heute Abend [und das Auto braucht]’

27.8.11. / 22:01:20 Dragana hating liiife h-h-hatiing liiife

‘Hasse das Leeeben h-h-hassee das Leeeben’ 27.8.11. / 22:01:40 Jelena Aber andersch hating life

‘Und wie [ich das] Leben hasse’ 5) false start repair: 5.12.11. / 14:54:45 Snezana I immer uvek ono sto trazim nema... I sve sto sam kupila tamo e

otisli u pm... definitivno to nije mon lade nevolimo se baksuzi... ‚Und immer immer gibt’s, das was ich suche nicht… Und alles was

ich dort gekauft habe, ist kaputt gegangen… das ist definitiv nicht mein Laden, wir Pechvögel mögen uns nicht…191

3) Distanzierung: 12.8.11. / 12 :52 :30 Dragana mais oui je vais conduir?? haha ‘Na klar, ich werde fahren ?? haha’ 12.8.11. / 12 :57 :10 Jelena Ooohh là là! Mademoiselle est en pleine forme aujourd'hui! Elle est

une polyglotte!! ‘Ooohh là là ! Das Fräulein ist heute in Bestform ! Sie ist eine

Polyglotte!!’ 12.8.11. / 12:58:05 Dragana da da [(Serbisch)] ‚Ja ja’ 12.8.11. / 12:58:28 Snezana Wtf??? Wa lauft mi eu??? I mag nöd mol ei sproch hüt be-

nutze.... ‚Was zum Teufel??? Was läuft [denn] mit euch??? Ich mag

heute nicht einmal eine Sprache benutzen….’192

191 Einen ‚false start repair’ hatte ich beim Beginnen der Analyse zuerst gänzlich ausgeschlossen, da dies beim Verfassen einer WhatsApp-Nachricht nicht zu erwarten wäre und dennoch habe ich diesen einen gefunden; im Normalfall verbessert der Sender seine Sprachwahl-Fehler bereits während dem Verfassen und verschickt erst das Endprodukt. 192 Dies ist eins meiner Lieblingsbeispiele: Während Dragana und ich bereits eine längere Zeit zwischen allen von uns beherrschten Fremdsprachen intersentenziell switchten und dies unseren Kommunikationsstil definierte, war Snežana gar nicht zum Code-Switching im breiten Rahmen motiviert, obwohl auch sie all diese Sprachen beherrscht.


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