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Semantik - home.uni-leipzig.de · Namen Eine Moglichkeit, sich auf einen Gegenstand im weitesten¨...

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Semantik Pragmatik Anke Himmelreich [email protected] Universit ¨ at Leipzig, Institut f ¨ ur Linguistik 23.06.2016 1 / 82
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SemantikPragmatik

Anke [email protected]

Universitat Leipzig, Institut fur Linguistik

23.06.2016

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Inhaltsverzeichnis

1 Referenz, Deixis undAnaphern

2 Fokus und Topik

3 Implikaturen undPrasuppositionen

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Inhaltsverzeichnis

1 Referenz, Deixis und Anaphern

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Referenz

DefinitionReferenz ist der konkrete Bezug, den ein Ausdruck bei seinemGebrauch durch eine Sprecherin hat.

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Namen

Eine Moglichkeit, sich auf einen Gegenstand im weitestenSinne zu beziehen, ist die Verwendung von (Eigen-)Namen.

Namen sind spezielle Ausdrucke, die unmittelbar furbestimmte Personen, Stadte, Straßen, Flusse, Berge,Staaten, historische Ereignisse etc. stehen.Namen haben normalerweise eine konstante Referenz,d.h. ihr Bezug ist unabhangig vom Kontext. Man sprichtdeshalb von rigiden Designatoren.Es gibt auch Namen, deren Bezug sich verandern kann.So steht Miss Germany jeweils fur diejenige Frau, die dieletzte Miss-Germany-Wahl gewonnen hat.

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Kontexte I

Die meisten referenzfahigen Ausdrucke haben eine variableReferenz, d.h. sie konnen sich in verschiedenen Kontexten aufverschiedene Gegenstande beziehen.

Folgende Arten von Kontext werden unterschieden:Sprachlicher Kontext:

der Kontext oder Diskurskontext einer Außerung, d.h. derText oder Diskurs, in dem der jeweilige Satz geaußert wirdder satzinterne Kontext eines Ausdrucks, d.h. diesyntaktische Konstruktion, in der der Ausdruck im Satzeingebettet ist

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Kontexte II

Außersprachlicher Kontext:der situative Kontext einer Außerung, d.h. dieAußerungssituation des jeweiligen Satzes, die sichihrerseits differenzieren lasst in

die unmittelbare Außerungssituation, d.h. die Sprecherin,die Adressatin, die Zeit und der Ort der Außerung (’werspricht wann wo zu wem’) unddie relevanten Fakten im Außerungsumfeld

der kontextuelle Hintergrund einer Außerung, d.h. vorallem das allgemeine Weltwissen (oder ’enzyklopadischeWissen’), das vorausgesetzt wird, sowie der institutionelleund kulturelle Rahmen, in dem die Außerung erfolgt

Wie die Referenz eines Ausdrucks in einem bestimmtenKontext und damit auf der Ebene der Außerungsbedeutungfestgelegt wird, ist ein Untersuchungsgegenstand derPragmatik.

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Definite und Demonstrative Ausdrucke I

Zu den Ausdrucken, deren Bezug sich von Kontext zu Kontextandern kann, gehoren definite Nominalphrasen.

Definite NPn bestehen aus einem definiten Determinator der,die oder das und einem nominalen Ausdruck, der eineDeskription jener Bedingung liefert, die vom Referenten erfulltwerden muss. Sie werden deshalb auch definiteDeskriptionen (oder Kennzeichnungen) genannt.

(1) a. der Mannb. der blonde Mann, der ein blaues T-Shirt tragt

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Definite und Demonstrative Ausdrucke II

Verwandt damit sind demonstrative NPn, d.h. nominaleAusdrucke zusammen mit einem proximalen oder distalendemonstrativen Determinator dies- bzw. jen- gebildetwerden.

(2) a. diese Fraub. jene schwarzhaarige Frau mit einem weißen Kleid

Definite und demonstrative NPn sind Instanzen von deiktisch(oder indexikalisch) bzw. von anaphorisch gebrauchtenAusdrucken, deren Referenz auf jeweils spezielle Art undWeise festgelegt wird.

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Deixis

DefinitionDeixis (griech. ’zeigen’) oder Indexikalitat liegt vor, wenn dieReferenz von Ausdrucken durch Verweis auf Aspekte derunmittelbaren Außerungssituation bestimmt wird.

Als Arten von Deixis werden Peronaldeixis, Objektdeixis,Lokaldeixis und Temporaldeixis unterschieden.

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Personaldeixis

Personaldeixis ist die Referenz auf die Sprecherin und dieAdressatin, d.h. das ’Personal’ der Außerung.

Ausdrucke der Personaldeixis sind die Personalpronomina ichund wir bzw. du, ihr und Sie (als Distanzform).

Die Ausdrucksbedeutung von ich ist, dass damit derSprecher, und die von du ist, dass damit der Adressat derAußerung angezeigt wird.

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Objektdeixis

Objektdeixis ist die Referenz auf Objekte in der unmittelbarenAußerungssituation.

Ausdrucke der Objektdeixis – zumeist in Verbindung mit einerverdeutlichenden Zeigegeste – sind

das proximale Demonstrativpronomen dies- (einGegenstand in der naheren Umgebung desAußerungsorts),das distale Demonstrativpronomen jen- (einGegenstand in der weiteren Umgebung desAußerungsorts),die demonstrativ gebrauchten und dabei meist betontendefiniten Determinatoren der, die und das,die demonstrativ gebrauchten und dabei meist betontenPersonalpronomen er und sie,demonstrative und demonstrativ gebrauchte definiteNPn.

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Lokaldeixis

Lokaldeixis ist die Referenz auf Orte, die in einem bestimmtenVerhaltnis zum Außerungsort stehen.

Ausdrucke der Lokaldeixis sind lokale Adverbien wiehier : am (enger oder weiter gefassten) Ort der Außerung(kurz: der Sprecherort)da: an einem Ort in der Nahe des Außerungsortesdort : an einem Ort in großerer Distanz zum Außerungsortda vorn: an einem im Gesichtsfeld liegenden Ort in derNahe des Außerungsorteshierher : eine Bewegung hin zum Außerungsort

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Temporaldeixis

Temporaldeixis ist die Referenz auf Zeiten, die in einembestimmten Verhaltnis zur Außerungszeit stehen.

Ausdrucke der Temporaldeixis sind temporale Adverbien wiejetzt : zur (enger oder weiter gefassten) Zeit der Außerung(kurz: die Außerungszeit)vorher : zu einer Zeit vor der Zeit der Außerungheute: am Tag der Außerungmorgen: am Tag nach dem Tag der Außerunggestern: am Tag vor dem Tag der Außerung

Auch die Tempusformen haben einen deiktischen Charakterund zwar insofern, als mit ihnen eine zeitliche Lokalisierung inBezug auf die Außerungszeit erfolgt.

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Modi von Deixis

Die bisher betrachteten Falle sind Standardfalle von Deixis; siegehoren zum Modus der situativen Deixis.

Man unterscheidet weitere Modi der Deixis, bei denen keinBezug auf die unmittelbare Außerungssituation genommenwird:

Imaginative Deixis: Bezug auf eine Vorstellung, Annahmeetc., d.h. eine fiktive AußerungssituationVorwissendeixis: Bezug auf vorhandenes gemeinsamesWeltwissen von Sprecherin und AdressatinTextdeixis (oder Diskursdeixis): Bezug auf einen Aspektdes vorangehenden Textes (oder Diskurses)Anaphorische Deixis: Bezug auf einen im Kontext (oderDiskurskontext) vorerwahnten Gegenstand

Textdeixis und anaphorische Deixis sind Mittel derTextkohasion.

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Anapher

DefinitionEine Anapher (griech. ’zuruckfuhren’) ist ein Ausdruck, dessenReferenz durch Verweis auf etwas im Kontext (oderDiskurskontext) Vorerwahntes bestimmt wird.

Basis der textgebundenen Referenz ist eine anaphorischeBeziehung des Ausdrucks zu einem Antezedens (oderAntezedenten), mit dem die Anapher typischerweise koreferentist, d.h. denselben Referenten hat.

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Arten von Anaphern I

Als Anaphern fungieren

die Personalpronomen er, sie und es

die Demonstrativpronomen dies- und jen-

die definiten Determinatoren der, die und das

die Indefinitpronomen ein-

die Possessivpronomen sein- und ihr -,

Pro-Formen wie dort, hier, damals etc.

das Reflexivpronomen sich

das Reziprokpronomen einander

definite und demonstrative NPn

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Arten von Anaphern II

(3) a. [Max]1 hat [ein Eis]2 gegessen. Das2 hat ihm1 gutgeschmeckt.

b. [[Max]1 hat sich1 [ein Eis]2 gekauft und es2gegessen.]3 Das3 hat insgesamt zehn Minutengedauert.

c. [Max]1 ist in [ein Cafe]2 gegangen. Dort2 hat er1 einEis gegessen.

Manchmal geht die Anapher auch dem Ausdruck voran, derden Referenten liefert. Es wird dann von Katapher gesprochen.

(4) Weil er1 schon viel gegessen hat, ist [Max]1 nichthungrig.

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Anaphern und Koreferenz

Koreferenz zwischen der Anapher und ihrem Antezedens istzwar prototypisch, aber nicht zwingend.

Ausnahmen sind Falle mit quantifizierendem Antezedens.Hier ist die Anapher (ebenso wie das Antezedens)nicht-referenziell.

(5) a. [Jedes Kind]1 hat ein Eis gegessen, das ihm1 (6=jedem Kind) geschmeckt hat.

b. [Kein Kind]1 hat ein Eis gegessen, das ihm1 ( 6=keinem Kind) geschmeckt hat.

Eine nicht-referenzielle Anapher wird also als Variable durchdas Antezedens gebunden. Man spricht deshalb in solchenFallen von einer gebundenen Anapher.

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Festlegung des anaphorischen Bezugs

Kriterien fur die Festlegung des anaphorischen Bezugs sindu.a.:

Ubereinstimmung im GenusDifferenz in der textuellen Distanz

(6) a. Max besuchte Fritz. Er gratulierte ihm zum Sieg.b. Max besuchte Fritz. Dieser gratulierte ihm zum

Sieg.

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Inhaltsverzeichnis

2 Fokus und TopikFokusTopik

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Informationsstrukturierung

Kohasion und Koharenz von Texten sind Ausdruck einergenerellen Tendenz in der Kommunikation: Die ubermittelteInformation wird so sprachlich strukturiert, dass der Transferim Sinne der Sprecherintentionen moglichst optimal erfolgt.

Zwei spezielle Mittel der Informationsstrukturierung mitKonsequenzen fur Intonation, Wortstellung und Textaufbau sinddie Fokus-Hintergrund- und dieTopik-Kommentar-Gliederung von Außerungen.

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Inhaltsverzeichnis

2 Fokus und TopikFokusTopik

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Akzentuierung

Bereits von Hermann Paul (1880) stammt die Beobachtung,dass ein und derselbe Satz als Antwort auf ganzunterschiedliche Fragen verwendet werden kann, wenn manihn jeweils mit einer anderen Akzentuierung versieht.

(7) a. Maria fahrt morgen nach Berlin.b. A: Wohin fahrt Maria morgen?

B: Maria fahrt morgen [nach BerLIN]F .c. A: Wann fahrt Maria nach Berlin?

B: Maria fahrt [MORgen]F nach Berlin.d. A: Wie reist Maria morgen nach Berlin?

B: Maria [FAHRT]F morgen nach Berlin.e. A: Wer fahrt morgen nach Berlin?

B: [MaRIa]F fahrt morgen nach Berlin.

(Die Großbuchstaben markieren jeweils die Silbe, die denSatzakzent tragt.)

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Fokus und Akzent I

Die mit F indizierte syntaktische Konstituente, die mit demFragewort in der jeweils vorangehenden Frage korrespondiert,wird der Fokus, die restlichen Konstituenten der Hintergrundder Außerung genannt.

Fokusmarkierungen durch Akzentuierung sind moglicherweiseambig. Die betreffende Außerung hat dann ein bestimmtesFokuspotential, das durch den Kontext desambiguiertwerden kann.

(8) a. A: Was macht Maria morgen?B: Maria [fahrt] morgen [nach BerLIN]F .

b. A: Was wird geschehen?B: [Maria fahrt morgen nach BerLIN]F .

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Fokus und Akzent II

Wenn der gesamte Satz fokussiert wird, liegt maximalerFokus vor.

Außerungen konnen mehrere Foki haben, z.B. bei Antwortenauf Fragen mit mehreren Fragewortern.

(9) A: Wer fahrt morgen wohin?B: [MaRIa]F fahrt morgen [nach BerLIN]F .

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Funktion von Fokus I

Der Fokus identifiziert in Frage-Antwort-Paaren die (relativ zumKontext) neue Information, der Hintergrund die (relativ zumKontext) alte Information.

(10) A: Was hat Hans gesehen?B: Hans hat [den UNfall]F gesehen.

Alte Information: Hans hat irgendetwas gesehen.Neue Information: Es ist der Unfall, den Hans gesehen hat.

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Funktion von Fokus II

Neben der Herstellung von Frage-Antwort-Korrespondenz isteine weitere Funktion des Fokus, Kontrastivitat auszudrucken.

Dialogischer Kontrast: KorrekturDer Fokus markiert jenen Teil einer Außerung, durch densich die Außerung vom korrigierten Original unterscheidet.

(11) Maria fahrt morgen nach Berlin.B: Nein, Maria fahrt morgen [nach DRESden]F .C: Nein, [PEter]F fahrt morgen [nach KOLN]F .

Monologischer Kontrast: Fokussierende NegationDer Fokus markiert jenen Teil einer Außerung, der von derNegation (= Konstituentennegation) speziell betroffen ist.

(12) Nicht [MaRIa]F fahrt morgen nach Berlins(sondern PEter).

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Funktion von Fokus III

Andere fokussensitive Partikeln, d.h. Partikeln, mit denen einFokus assoziiert ist, sind Worter wie nur, auch oder sogar. Siewerden auch Fokusoperatoren (oder Gradpartikeln) genannt.

(13) a. Maria fahrt morgen nur [nach BerLIN]F .b. Maria fahrt auch [MORgen]F nach Berlin.c. Sogar [MaRIa]F fahrt nur [MORgen]F nach Berlin.

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Fokus und Wahrheitsbedingungen

Meistens hat der Fokus lediglich Einfluss auf dieAngemessenheit von Außerungen (z.B.Frage-Antwort-Korrespondenz, Korrektur, Fokusoperatorenauch und sogar ).

Manchmal werden durch den Fokus auch dieWahrheitsbedingungen beeinflusst (z.B. nur und nicht).

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2 Fokus und TopikFokusTopik

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Topik I

Die Auffassungen zum Begriff des Topiks sind außerstvielgestaltig. Es wird gewohnlich zwischen Satztopik undDiskurstopik unterschieden.

DefinitionDas (Satz-)Topik ist das, woruber mit einem Satz etwasausgesagt wird, d.h. der Satzgegenstand; der Kommentar istdas, was vom Topik ausgesagt wird, d.h. die Satzaussage.

DefinitionMit Diskurstopik wird dasjenige bezeichnet, wovon derbetreffende Diskurs (oder Text) handelt.

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Topik II

(14) Peter ist ein fleißiger und gewissenhafter Student.Seine Studienleistungen sind aber trotzdem nurmittelmaßig.

Satztopik (1. Satz): PeterDiskurstopik: Peters Qualitaten als Student

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Satztopik I

Das Satztopik wird haufig mit jener Konstituente ausgedruckt,die das grammatische Subjekt des Satzes ist.

(15) a. [Peter]T besuchte mit Maria eine Ausstellung.b. [Maria]T besuchte mit Peter eine Ausstellung.

Die Satze unterscheiden sich nur in Bezug auf ihr Topik, nichtaber in Bezug auf ihre Wahrheitsbedingungen.

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Satztopik II

Das Satztopik kann aber auch mit anderen — von Sprache zuSprache unterschiedlichen — morpho-syntaktischen Mittelnausgedruckt werden, z.B. durch

spezielle syntaktische Konstruktionen oder

satzeinleitende Position (in Sprachen mit freierWortstellung wie dem Deutschen)

(16) a. Was [diesen Kuchen]T anbelangt, so wurde er vonMaria gebacken.

b. [Diesen Kuchen]T backte Maria.

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Rahmensetzung

Eng mit dem Topikbegriff verwandt und oft nicht von ihmabgegrenzt, ist die Rahmensetzung.

(17) In Deutschland war Harald Juhnke beruhmt.

Mit dem lokalen Adverbial in Deutschland wird fur die AussageHarald Juhnke war beruhmt ein Rahmen gesetzt, innerhalbdessen sie gelten soll.

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3 Implikaturen und PrasuppositionenKonversationsmaximenKonversationelle ImplikaturenPrasuppositionen als Kontextbedingungen

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3 Implikaturen und PrasuppositionenKonversationsmaximenKonversationelle ImplikaturenPrasuppositionen als Kontextbedingungen

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Kommunikation

Eine grundlegende Eigenschaft der sprachlichenKommunikation ist, dass in der Regel zwischen dem mit einerAußerung explizit ‘Gesagten’ und dem mit ihr Gemeinten, d.h.der tatsachlich ubermittelten Information eine Differenz besteht.

(18) Der Eintrag eines Maats ins Logbuch:Heute, 27. Marz, ist der Kapitan nicht betrunken.

Grundannahme (Grice (1975))Kommunikation funktioniert, weil die an einem GesprachBeteiligten ein gemeinsames Ziel verfolgen und sich zu dessenErreichung kooperativ und rational verhalten.

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Kooperationsprinzip und Konversationsmaximen I

KooperationsprinzipMache deinen Gesprachsbeitrag jeweils so, wie es von demakzeptierten Zweck oder der akzeptierten Richtung desGesprachs, an dem du teilnimmst, gerade verlangt wird.

KonversationsmaximenMaxime der Qualitat:Versuche, einen wahren Gesprachsbeitrag zu machen.

1 Sage nichts, was du fur falsch halst.2 Sage nichts, wofur dir angemessene Grunde fehlen.

Maxime der Quantitat1 Mache deinen Beitrag so informativ wie moglich.2 Mache deinen Beitrag nicht informativer als notig.

Maxime der Relevanz (oder Relation):Sei relevant.

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Kooperationsprinzip und Konversationsmaximen II

Maxime der Modalitat (oder Art und Weise):Drucke dich deutlich aus.

1 Vermeide dunkle Ausdrucke.2 Vermeide mehrdeutige Ausdrucke.3 Fasse dich kurz, vermeide unnotige Weitschweifigkeit.4 Bringe deine Beitrage in der richtigen Reihenfolge.

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Befolgen der Maximen

Grice geht davon aus, dass diesen Maximen in derKonversation grundsatzlich gefolgt wird.

Die Adressatin einer Außerung unterstellt rationalerweise, dassdie Sprecherin

die Wahrheit zu sagen beabsichtigt,zu berucksichtigen versucht, was die Adressatin weiß,und ihre Außerung dementsprechend strukturiert,uber den Kommunikationsgegenstand etwas zu sagen hat,das fur die Adressatin von Belang ist, etc.

Es ware in hohem Maße irrational, alle Außerungen, diejemand macht, zunachst einmal in Zweifel zu ziehen.Umgekehrt kann die Sprecherin darauf zahlen, dass sie vonder Adressatin verstanden wird.

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Verletzen der Maximen

Grice ist sich aber im Klaren, dass die Maximen oft in realenGesprachssituationen verletzt werden: Wir fuhlen unsmanchmal gezwungen zu lugen, wir sind weitschweifig oderdrucken uns unklar aus.

Das KP und die Konversationsmaximen sind keine deskriptivenGeneralisierungen, sondern normative Regeln, mit denenbestimmte Rationalitatsstandards formuliert werden.

Grice hat auch erkannt, dass manchmal Maximen bewusstverletzt werden, um Effekte zu erzielen, die letztlich demubergreifenden Kommunikationszweck dienen.

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3 Implikaturen und PrasuppositionenKonversationsmaximenKonversationelle ImplikaturenPrasuppositionen als Kontextbedingungen

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Konversationelle Implikaturen

Die Konversationsmaximen bilden die Basis furBedeutungskomponenten einer Außerung, die nicht unmittelbaraus der Ausdrucksbedeutung hervorgehen, d.h. nichtkonventionalisiert sind.

Diese Komponenten der Bedeutung werden nur angedeutet,nahegelegt, zu verstehen gegeben. Grice hat dafur denTerminus Implikatur (engl. implicature, im Unterschied zuimplication) eingefuhrt.

DefinitionEine konversationelle Implikatur ist eine Proposition, die auseiner Außerung mit Bezug auf KP und dieKonversationsmaximen erschlossen werden kann.

Konversationelle Implikaturen sind damit keine semantischen(oder logischen), sondern pragmatische Implikationen(Folgerungen) des explizit ‘Gesagten’.

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Ausloser von konversationellen Implikaturen

Grice unterscheidet zwei grundlegende Arten der Entstehungvon Implikaturen, und zwar dadurch, dass

1 Maximen scheinbar oder tatsachlich verletzt werden, aberdem KP weiter gefolgt wird, oder

2 Maximen einfach befolgt werden.Im Fall I wird von Implikaturen durch Ausbeutung der jeweilsverletzten Maxime gesprochen.

Im Fall II, d.h. bei Implikaturen durch Befolgung derKonversationsmaximen spricht man vonStandardimplikaturen.

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KI durch Verletzen der Maximen I

Scheinbare Verletzung der Maxime der Relevanz

(19) [Szenario: Ein Gesprach uber eine Person, diedamit begonnen hat, bei einer Bank zu arbeiten.]A: Wie geht es Paul in seinem neuen Job?B: Oh, ganz gut, nehme ich an. Bislang ist er

noch nicht ins Gefangnis gekommen.+ > Paul ist eine Person, von der man es erwartenkann, dass sie im Gefangnis landet.

Notation: + > gelesen als “implikatiert (konversationell)”

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KI durch Verletzen der Maximen II

Auslosung der Implikatur: Mit dem Außern von Bislangist er noch nicht ins Gefangnis gekommen will B dieGesprachspartnerin A dazu bringen, folgendeUberlegungen anzustellen:

1 B hat offensichtlich die Maxime der Relevanz verletzt;2 ich, A, kann erkennen, dass B sich dennoch kooperativ

verhalt;3 die Irrelevanz der Außerung von B ist nur scheinbar, wenn

man bedenkt, dass Paul in seinem neuen Job insGefangnis kommen kann;

4 B weiß, dass ich, A, diesen Schluss ziehen kann;5 also will B mir zu verstehen geben, dass Paul alle

Voraussetzungen hat, ins Gefangnis zu kommen.

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KI durch Verletzen der Maximen III

Verletzung der Maxime der Qualitat, 1. Submaxime

(20) [Szenario: Es regnet in Stromen.]Schones Wetter heute.+ > Heute ist scheußliches Wetter.

Auslosung der Implikatur (Ironie):1 Die Sprecherin S hat offensichtlich gegen die Maxime der

Qualitat verstoßen;2 die Adressatin A kann annehmen, dass S sich trotzdem

kooperativ verhalt;3 da die Außerung von S offensichtlich falsch ist, muss sie

von A anders als normal interpretiert werden;4 eine Aussage uber das Wetter, die wahr ist und deren

Wahrheit fur S und A offensichtlich ist, ist die Negation derAussage von S;

5 also will S die Negation ihrer Aussage nahelegen und zuerkennen geben, dass das negative Extrem zutreffend ist.

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KI durch Verletzen der Maximen IV

Verletzung der Maxime der Modalitat, 3. Submaxime

(21) [Szenario: Aus der Konzertbeschreibung einesMusikkritikers.]Herr K. erzeugte eine Lautfolge, die in engerUbereinstimmung mit der Partitur der Arie desPapageno stand.+ > Die Ausfuhrung der Arie des Papageno durchHerrn K. war aus irgendeinem Grunde nichtnormal.

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KI durch Verletzen der Maximen V

Verletzung der Maxime der Relevanz

(22) [Szenario: Im Buro. A hat nicht bemerkt, dass derChef gerade in seine Nahe kommt.]A: Der Chef ist heute wieder einmal zum Kotzen!B: Findest du nicht auch, dass heute

phantastisches Wetter ist?+ > Wir sollten besser uber etwas anderes reden.

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KI durch Befolgen der Maximen I

Befolgung der Maxime der Quantitat, 1. Submaxime

(23) Einige Studenten sind klug. (= ψ)+ > Nicht alle Studenten sind klug.

Auslosung der Implikatur:1 Die Sprecherin S hat nicht gesagt: Alle Studenten sind

klug. (=φ );2 da S der Quantitatsmaxime folgt, hatte S φ sagen sollen (φ

ist informativer als ψ, weil φ⇒ ψ), wenn φ mit derQualitatsmaxime vertraglich ist;

3 offensichtlich ist φ aber nicht mit der Qualitatsmaximevertraglich, d.h. S fehlt die Evidenz fur φ , oder S hat sogarEvidenz dagegen;

4 also will S nahelegen, dass ¬φ.

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KI durch Befolgen der Maximen II

Befolgung der Maxime der Qualitat

(24) Maria hat zwei Liebhaber.+ > S weiß, dass Maria zwei Liebhaber hat.

Begrundung:Wenn S sagt, dass Maria zwei Liebhaber hat, dann hat Sauch Evidenz dafur.

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KI durch Befolgen der Maximen III

Befolgung der Maxime der Quantitat, 1. Submaxime

(25) Karl behauptet, dass er die Prufung bestandenhat.+ > S weiß nicht, ob Karl die Prufung bestandenhat oder nicht, d.h. S halt beides fur moglich.

Begrundung:Wenn S Evidenz dafur hatte, dass Karl die Prufungbestanden hat, dann wurde S es auch sagen.

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KI durch Befolgen der Maximen IV

Befolgung der Maxime der Modalitat, 4. Submaxime

(26) Hans ging in die Kneipe und trank ein Bier.+ > Hans ging erst in die Kneipe und trank dannein Bier, d.h. er ging in die Kneipe, um ein Bier zutrinken.

Begrundung:S ordnet die beiden VPn in dieser Reihenfolge an, weil diesdem Nacheinander der betreffenden Ereignisse entspricht.

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Merkmale von konversationellen Implikaturen I

Es gibt eine Reihe von Merkmalen, die konversationelleImplikaturen von anderen Bedeutungskomponenten, darunterinsbesondere von semantischen Implikationen unterscheiden.

Konversationelle Implikaturen sind kalkulierbar, d.h. sielassen sich auf der Basis des KP und derKonversationsmaximen erschließen.Konversationelle Implikaturen sind annullierbar, d.h. sielassen sich aufheben.

(27) a. Fritz hat drei Apfel gegessen, wenn nicht vier.b. Das Wasser ist warm, ja sogar heiß.c. Paul ist ein feiner Freund, und das meine ich

wirklich so.

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Merkmale von konversationellen Implikaturen II

Konversationelle Implikaturen sind unabtrennbar, d.h. siehangen nicht von der gewahlten Ausdrucksweise, alsodavon, wie etwas gesagt wird, sondern vom Inhalt desGesagten. (Eine Ausnahme bilden dabei Implikaturen, dieauf der Maxime der Modalitat basieren.)

(28) a. Gerda versuchte, den Wettbewerb zugewinnen.

b. Gerda hatte vor, den Wettbewerb zugewinnen.

+ > Gerda gewann den Wettbewerb nicht.

Konversationelle Implikaturen sind nicht konventionell,d.h. sie sind nicht Teil der Ausdrucksbedeutung, sondernsetzen lediglich an dieser an.

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Merkmale von konversationellen Implikaturen III

Konversationelle Implikaturen sind nicht eindeutig, d.h. esgibt eventuell mehrere Moglichkeiten, das ‘Gesagte’ mitdem KP in Ubereinstimmung zu bringen.

(29) Hans ist Linguistik- oder Medizinstudent.a. + > Hans ist nicht Linguistik- und

Medizinstudent.b. + > Es ist moglich, dass Hans

Linguistikstudent ist oder auch nicht, und esist moglich, dass Hans Medizinstudent istoder auch nicht.

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Arten von konversationellen Implikaturen I

Grice unterscheidet zwischen partikularisierten undgeneralisierten Implikaturen.

Partikularisierte Implikaturen entstehen, weil dieAußerungskontexte spezielle Merkmale haben.Generalisierte Implikaturen basieren dagegen aufEigenschaften der vorkommenden Ausdrucke. DasGefangnis-, das Wetter -, das Chef - und dasFreund-Beispiel sind Beispiele fur eine partikularisierteImplikatur. Alle anderen Beispiele instanziieren einegeneralisierte Implikatur.

Die meisten konversationellen Implikaturen, die durchAusbeutung entstehen, sind partikularisierte Implikaturen.

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Arten von konversationellen Implikaturen II

Generalisierte Implikaturen, die auf der 1. Submaximeder Quantitat beruhen, werden generalisierteQuantitatsimplikaturen genannt. Man unterscheidetzwischen skalaren und klausalenQuantitatsimplikaturen.

Die meisten generalisierten Implikaturen sindStandardimplikaturen.

(30) Hans ist Linguistik- oder Medizinstudent.a. Skalare Implikatur:

+ > Hans ist nicht Linguistik- undMedizinstudent.

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Arten von konversationellen Implikaturen III

b. Klausale Implikatur:+ > Es ist moglich, dass HansLinguistikstudent ist oder auch nicht, und esist moglich, dass Hans Medizinstudent istoder auch nicht.

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Skalare Implikaturen

Skalare Implikaturen entstehen auf der Basis von Horn-Skalen(nach Horn (1976)). Horn-Skalen sind z.B. die folgendengeordneten Ausdrucksalternativen < α1, α2, ..., αn >, wobeijeweils αi semantisch starker als αi+1 ist:

(31) a. <alle, einige>b. <und, oder>,c. <..., vier, drei, ...> etc.

Eine Außerung mit αi+1 erzeugt die skalare Implikatur, dass die(semantisch starkere) Aussage mit αi nicht gilt.

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Inhaltsverzeichnis

3 Implikaturen und PrasuppositionenKonversationsmaximenKonversationelle ImplikaturenPrasuppositionen als Kontextbedingungen

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Prasuppositionen I

Ein Kennzeichen von Kommunikation ist, dass die daranBeteiligten wechselseitig einen Großteil an Information alsbereits gegeben annehmen.

Dieses Vorwissen bildet den gemeinsamen Hintergrund (engl.common ground) der Konversation. Dazu gehoreninsbesondere jene Wissensanteile, die als Prasuppositionenbezeichnet werden.

DefinitionPrasuppositionen sind Propositionen, die im Kontext erfulltsein mussen, um bestimmte Teile einer Außerung uberhauptsinnvoll verstehen zu konnen.

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Prasuppositionen II

Prasuppositionen stellen also Bedingungen fur dieInterpretierbarkeit und damit fur das Gelingen von Außerungendar. Sie werden von der jeweiligen Sprecherin als garantiertvorausgesetzt.

(32) Ich musste mit meinem Auto zur Werkstatt.>> S hat (genau) ein Auto.

Notation: >> gelesen als “prasupponiert”

Den eigentlichen propositionalen Gehalt einer Außerung, d.h.ihren Gehalt verschieden von den Prasuppositionen, nenntman die Supposition oder die Assertion der Außerung.

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Ausloser und Typen von Prasuppositionen I

Prasuppositionen treten in Verbindung mit speziellen Lexemenoder syntaktischen Konstruktionen – so genanntenPrasuppositionsauslosern (engl. triggers) – auf.Entsprechend unterscheidet man zwischen verschiedenenPrasuppositionstypen.

Prasuppositionsauslosende Elemente sind u.a.:

Definite Deskriptionen (oder Kennzeichnungen):der Bruder von Paul, Pauls Bruder, sein Bruder, ...

(33) Der Bruder von Paul ist Klempner.>> Paul hat (genau) einen Bruder.

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Ausloser und Typen von Prasuppositionen II

Einige quantifizierende Determinatoren:die meisten, viele, beide, alle, kein, ...

(34) Die meisten Liebhaber Annas sind schwarzhaarig.>> Anna hat mindestens zwei Liebhaber.

Spaltsatze (engl. clefts)

(35) Es war Karl, der im Lotto gewonnen hat.>> Jemand hat im Lotto gewonnen.

(In den bisher betrachteten Fallen wird jeweils die Existenzeines oder mehrerer Gegenstande vorausgesetzt. Es wirddeshalb von Existenzprasuppositionen gesprochen.)

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Ausloser und Typen von Prasuppositionen III

Faktive Verben und Adjektive:wissen, bedauern, erkennen, dass, ..., wunderbar, dass, ...

(36) Hans weiß, dass Maria schwanger ist.>> Maria ist schwanger.

(In diesen Fallen spricht man von faktivenPrasuppositionen.)Aspektverben (darunter Zustandsveranderungsverben):anfangen, aufhoren, fortfahren, ...

(37) Peter hat angefangen zu rauchen.>> Peter hat bisher nicht geraucht.

Implikative Verben:schaffen, fertig bringen, ...

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Ausloser und Typen von Prasuppositionen IV

(38) Gerda hat es geschafft zu gewinnen.>> Gerda hat es versucht zu gewinnen.>> Es war nicht leicht fur Gerda zu gewinnen.

Fokuspartikeln:nur, lediglich, ..., auch, noch, ..., sogar, selbst, ...

(39) a. Nur Fritz kommt.>> Fritz kommt.

b. Auch Fritz kommt.>> Jemand anders als Fritz kommt.

c. Sogar Fritz kommt.>> Jemand anders als Fritz kommt.>> Es war nicht zu erwarten, dass Fritzkommt.

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Prasuppositionstests und Prasuppositionsprotest I

Es gibt eine Reihe von Tests, um festzustellen, was jeweils diePrasupposition und entsprechend die Supposition einerAußerung ist.

Generelles Testkriterium ist, dass Prasuppositionen imUnterschied zu Suppositionen bei verschiedenenAbwandlungen eines Satzes erhalten bleiben.

(40) a. Peters Tochter studiert Linguistik.b. Negationstest

Peters Tochter studiert nicht Linguistik.c. Modalitatstest

Es kann sein, dass Peters Tochter Linguistikstudiert.

d. FragetestStudiert Peters Tochter Linguistik?

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Prasuppositionstests und Prasuppositionsprotest II

e. KonditionaltestWenn Peters Tochter Linguistik studiert, dannversteht sie etwas von Prasuppositionen.

Fur (40-a-e) gilt:>> Peter hat (genau) eine Tochter.

Dagegen gilt zwar fur (40-a), aber nicht fur (40-b-e):⇒ Peters Tochter studiert.

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Prasuppositionstests und Prasuppositionsprotest III

Prasuppositionen sind also von einer ’gewohnlichen’ Negationnicht betroffen. Das kann zu Missverstandnissen fuhren oderauch dazu genutzt werden, um etwas zu unterstellen.

(41) Schwiegermutter:Hast du endlich aufgehort, deinenMann zu schlagen?

Schwiegertochter:Nein.Schwiegermutter:Habe ich es doch geahnt! Du hast

meinen Sohn geschlagen und willst ihn weiterschlagen.

Frage: Wie hatte die kluge Ehefrau antworten mussen?

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Prasuppositionstests und Prasuppositionsprotest IV

Soll eine Prasupposition verneint und damit zuruckgewiesenwerden, muss dies ausdrucklich geschehen. SprachlicheIndikatoren fur einen solchen Prasuppositionsprotest sind oftPartikeln wie gar, aber, ja oder doch.

(42) A: Peters Tochter studiert Linguistik.B: Das kann nicht sein. Peter hat doch gar keine

Tochter.

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Der Status von Prasuppositionen I

Prasuppositionen wurden bereits in Frege (1892) alsnotwendige Voraussetzungen fur die Bedeutung vonAusdrucken identifiziert. Dennoch war ihr Status lange Zeitumstritten.

Der Terminus Prasupposition wurde von Strawson (1950) imAnschluss an Frege und in Auseinandersetzung mit BertrandRussells (1905) Analyse von definiten Deskriptionen eingefuhrt.

(43) Der gegenwartige Konig von Frankreich ist kahlkopfig.i. Es gibt mindestens einen Konig von Frankreich.ii. Es gibt hochstens einen Konig von Frankreich.iii. Dieses Individuum ist kahlkopfig.

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Der Status von Prasuppositionen II

Nach Russell ist eine Außerung des Satzes falsch, falls eineder Bedingungen (i) – (iii) zur Außerungszeit nicht zutrifft.

Dagegen betrachtet Strawson (i) und (ii) als Prasuppositionenund (iii) als die Supposition des Satzes. Wenn (i) oder (ii) nichterfullt ist, hat (iii) -– wie auch die Negation von (iii) -– keinenWahrheitswert.

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Theorie uber Prasuppositionen I

Es gibt verschiedene Vorschlage, mit denen Prasuppositionenals ein semantisches, als ein pragmatisches oder als einsemantisches und pragmatisches Phanomen erklart werdensollen.

Semantische Theorien der Prasupposition nehmen ihrenAusgang bei deren Eigenschaft, unter Negation konstantzu bleiben. Prasuppositionen werden auf semantische(bzw. logische) Implikationen zuruckgefuhrt.

Ein Satz φ prasupponiert (semantisch) einen Satz ψ gdwφ⇒ ψ und ¬φ⇒ ψ.Da φ (und ¬φ) weder wahr noch falsch ist, falls diePrasupposition ψ nicht erfullt ist, wird das klassischeBivalenzprinzip verletzt. Die zweiwertige Logik muss durcheine mindestens dreiwertige Logik ersetzt werden.

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Theorie uber Prasuppositionen II

Das semantische Verstandnis ist inadaquat:Prasuppositionen konnen in bestimmten Kontextensuspendiert, d.h. ausgesetzt werden. Kontextabhangigkeitist aber fur eine semantische Relation nicht zulassig.

Pragmatische Theorien der Prasupposition gehen davonaus, dass Prasuppositionen ebenso wie konversationelleImplikaturen nicht zum explizit ’Gesagten’ gehoren,sondern aus der jeweiligen Außerung pragmatischerschlossen werden konnen.

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Prasuppositionen vs. konversationelle Implikaturen I

Aus folgenden Grunden konnen Prasuppositionen nicht aufkonversationelle Implikaturen reduziert werden:

Nur konversationelle Implikaturen, nicht aberPrasuppositionen konnen nachtraglich explizitausgedruckt und dadurch bekraftigt werden. DieBekraftigung von Prasuppositionen fuhrt zu Redundanz.

(44) a. Einige Studenten sind klug. Aber nicht alle.b. Nur einige Studenten sind klug. # Aber einige.

Nur konversationelle Implikaturen, nicht aberPrasuppositionen konnen annulliert, d.h. geloschtwerden. Die Annullierung von Prasuppositionen fuhrt zueiner Kontradiktion.

(45) a. Einige Studenten sind klug, ja sogar alle.

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Prasuppositionen vs. konversationelle Implikaturen II

b. #Nur einige Studenten sind klug, ja sogarkeine.

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Prasuppositionen vs. konversationelle Implikaturen III

Das bisher erfolgreichste pragmatische Herangehen fasstPrasuppositionen als Kontextbedingungen fur dasGelingen von Außerungen auf. Dieses Verstandnis wurdeentscheidend von Robert Stalnaker (1973) gepragt.

Stalnakers Modell der Konversation erlaubt insbesondereauch eine Losung des Projektionsproblems vonPrasuppositionen:

Prasuppositionen von Satzen, die man im Rahmen einesNegations-, Modalitats-, Frage- oder Konditionaltests ineinen komplexeren Satz eingebettet hat, werden vererbt.Bei einigen Einbettungen werden die Prasuppositionen dereingebetteten Satze nicht an die komplexeren Satzevererbt.

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Prasuppositionen vs. konversationelle Implikaturen IV

(46) a. Wenn Peter nur eine Tochter hat, dannstudiert seine Tochter Linguistik.

b. Entweder hat Peter keine Tochter oder aberseine Tochter studiert Linguistik.

c. Es kann nicht sein, dass Peters TochterLinguistik studiert — er hat ja gar keine.> / > Peter hat (genau) eine Tochter.

Das Projektionsproblem besteht darin, zu erklaren, wiesoPrasuppositionen manchmal projizieren, d.h. vererbtwerden und manchmal nicht.

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Referenzen I

Grice, Herbert Paul (1975): Logic and Conversation. In: C. et al,ed., Syntax and Semantics 3: Speech Arts. Elsevier,pp. 41–58.

Horn, Laurence R. (1976): On the semantic properties of logicaloperators in English. Indiana University Linguistics Club.

Meibauer, Jorg (2001): Pragmatik. Eine Einfuhrung.Stauffenberg, Tubingen.

Russell, Bertrand (1905): ‘On Denoting’, Mind 56(479-493).Saeed, John (2002): Semantics. 2 edn, Blackwell.Stalnaker, Robert (1973): ‘Presuppositions’, Journal of Logic,

Language and Information 7, 3–19.Strawson, Peter (1950): ‘On Referring’, Mind 59, 320–344.

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