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Script - niere-hochdruck.at · 3 NEPHRO Script I n Österreich führen derzeit 8–9 % der...

Date post: 06-Jun-2018
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1 Interdisziplinäre Fortbildungsreihe der Österreichischen Gesellschaft für Nephrologie P.b.b. GZ 02Z031654 M, Benachrichtigungspostamt 1070 Wien Falls unzustellbar, bitte retour an: MEDMEDIA Verlag, Seidengasse 9/Top 1.1, 1070 Wien 16. JAHRGANG/NR. 3/2013 Script ISSN 1605-881X Wichtige Aspekte der Peritonealdialyse ÖGN
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Interdisziplinäre Fortbildungsreihe der Österreichischen Gesellschaft für Nephrologie

P.b.b. GZ 02Z031654 M, Benachrichtigungspostamt 1070 Wien Falls unzustellbar, bitte retour an: MEDMEDIA Verlag, Seidengasse 9/Top 1.1, 1070 Wien

16. JAHRGANG/NR. 3/2013

Script

ISSN 1605-881X

Wichtige Aspekte der Peritonealdialyse

ÖGN

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NEPHRO Script

In Österreich führen derzeit 8–9 % der dialysepflichtigen PatientInnen eine Peritonealdialysebehandlung durch. Verschiedene internationale Studien zeigen allerdings, dass

sich bei rechtzeitiger und umfassender Information über die verschiedenen Nierenersatztherapien deutlich mehr Patien-tInnen für eine Peritonealdialyse entscheiden würden als dies derzeit der Fall ist.Eine adäquate PatientInneninformation erfordert eine mög-lichst frühzeitige Zuweisung der PatientInnen zur Nephro-login oder zum Nephrologen. Neben medizinischen As-pekten beeinflussen auch mehrere nichtmedizinische Fak-toren den PatientInnenfluss zu den Dialyseverfahren. Beispielsweise führt die inadäquate Refundierung der Be-handlungskosten zu einem Rückgang der Peritonealdialyse in vielen Ländern. Auch die Hämodialysekapazität in den einzelnen Zentren spielt eine Rolle. Hat ein Zentrum ge-nügend freie Hämodialyseplätze, ist es aus ökonomischer Sicht günstiger, diese Plätze zu belegen und optimal auszu-nutzen, als ein neues Verfahren zu beginnen, das andere Ressourcen erfordert und bei dem zu Beginn natürlich auch weniger Erfahrung vorhanden ist. Hier spielt auch die Aus-bildung der NephrologInnen eine Rolle.Laut Österreichischem Dialyse- und Transplantregister bie-tet etwa ein Drittel der nephrologischen Zentren, die er-wachsene DialysepatientInnen betreuen, keine Peritoneal-dialyse an. Viele Zentren, die ein Peritonealdialyseprogramm haben, betreuen weniger als 10 Patienten mit diesem Ver-fahren. NephrologInnen, die ein großes Hämodialysepro-gramm, aber nur wenige oder gar keine Peritonealdialyse-patientInnen betreuen, fällt es leichter, zukünftigen Patien-tInnen die Hämodialyse umfassend darzustellen. Auch PatientInnen haben in solchen großen Dialysezentren mit nur kleinem Peritonealdialyseanteil eher den Eindruck, dass die Hämodialyse der goldene Standard ist. Im April 2012 wurde von der Österreichischen Gesellschaft für Nephrologie (ÖGN) die Arbeitsgruppe „Peritonealdia-lyse“ gegründet*. Diese hat die Aufgabe, die aktuelle Situ-

ation der Peritonealdialyse in Österreich darzustellen und Faktoren zu identifizieren, die einer Optimierung bedürfen. In einem rezenten Konsensuspapier (zugänglich über die ÖGN-Homepage www.niere-hochdruck.at) sind alle dies-bezüglich wichtigen Aspekte zusammengefasst.Ein Ziel wäre, die Schulung über die theoretischen und praktischen Aspekte der Peritonealdialyse ausreichend in die nephrologische Ausbildung zu integrieren. Als Ergän-zung der theoretischen Ausbildung haben wir im März 2013 erstmals einen Peritonealdialyse-Basiskurs veranstaltet, der allen NephrologInnen in Ausbildung, aber auch interessier-ten FachärztInnen, einen Überblick über wichtige Aspekte der Peritonealdialyse geboten hat. Die Vorträge umfassten die Themen PatientInnenauswahl, physiologische Grund-lagen und Prinzip der Peritonealdialyse, Dialysequalität, Dialyselösungen sowie infektiöse und nichtinfektiöse Kom-plikationen. Da immer wieder nach aktuellen deutschspra-chigen Unterlagen zur Peritonealdialyse gefragt wird, haben wir uns entschlossen, alle im Rahmen des Basiskurses ge-haltenen Vorträge als Artikel in dieser Ausgabe von NE-PHRO Script zu publizieren. Wir hoffen, dass wir unseren Kolleginnen und Kollegen damit einen aktualisierten und nicht zu umfangreichen Leitfaden zur Peritonealdialyse in die Hand geben, dessen Lektüre auch Spaß macht.

Andreas Vychytil

* Mitglieder der Arbeitsgruppe Peritonealdialyse der Österreichischen Gesellschaft für Nephrologie (in alphabetischer Reihenfolge): Univ.-Prof. Dr. Christoph Aufricht (Universitätsklinik für Kinder und Jugendheilkunde, Wien), Dr. Petra Günther (A. ö. KH Oberwart), Univ.-Prof. Dr. Paul König (Medizinische Universität Innsbruck), Prim. Univ.-Doz. Dr. Karl Lhotta (LKH Feldkirch), Univ.-Prof. Dr. Johannes Roob (Medizinische Universität Graz), Dr. Thomas Sailer (A. ö. KH der Elisabethinen Linz), Dr. Hermann Salmhofer (LKH Salzburg, Universitätsklinikum), Univ.-Prof. Dr. Andreas Vychytil (Leiter der Arbeitsgruppe, Medizinische Universität Wien), Dr. Clemens Wieser (Klinikum Klagenfurt am Wörthersee), Dr. Martin Wiesholzer (Landesklinikum St. Pölten)

Sehr geehrte Nephrologinnen und Nephrologen!

EDITORIAL

Univ.-Prof. Dr. Andreas Vychytil

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SEITE DER GESELLSCHAFTNEPHRO Script

Neuer Vorsitzender der ÖGN In der Generalversammlung der Österreichischen Gesell-schaft für Nephrologie am 21. September 2013 in Linz wurde Herr Professor Dr. Alexander Rosenkranz für die kommenden zwei Jahre zum neuen Vorsitzenden der ÖGN gewählt. Er folgt damit Prof. Dr. Erich Pohanka nach, der diese Funktion in den vergan-genen zwei Jahren innehatte und uns mit viel Engagement und Freude als Vorsitzender zur Ver-fügung stand.

Prof. Rosenkranz war nach seinem Medizinstu-dium in Wien Vertragsassistent am Institut für Immunologie an der Universität Wien und wech-selte 1993 als Universitätsassistent an die Klinische Abtei-lung für Nephrologie und Dialyse, wo er 2000 seine Fach-arztausbildung abschloss. Im Jahr 2000 wechselte Prof. Ro-senkranz an die Universitätsklinik Innsbruck, 2001 wurde ihm die Lehrbefugnis als ao. Universitätsprofessor für Innere Medizin verliehen, erlangte 2002 das Additivfach für Ne-phrologie und erhielt 2006 das Diplom der Deutschen Hoch-druckliga als Hypertensiologe DHL. Im Februar 2011 wurde Herr Prof. Rosenkranz als Leiter der Abteilung für Nephro-logie an die Medizinische Universität in Graz berufen.

Wissenschaftlich verfügt Prof. Rosenkranz über eine breite Expertise, war von 1996 bis 1998 wissenschaftlich in Boston tätig (Erwin-Schrödinger-Stipendium) und leitete in Inns-bruck die Arbeitsgruppe für Experimentelle Nephrologie. Gemeinsam mit seiner Arbeitsgruppe wurden ihm zahlreiche nationale und internationale wissenschaftliche Forschungs-preise zuerkannt. Uns allen ist er bekannt als exzellenter Vortagender und Veranstalter von wissenschaftlichen Fort-bildungen.

Wichtig für seine neue Funktion bei der ÖGN ist die breite Vernetzung, so ist Prof. Rosenkranz Mitglied in vielen re-nommierten medizinischen Fachgesellschaften, Vorstands-

mitglied von Austrotransplant und Board Member bei Eu-rotransplant. Er ist seit 2005 Vorstandsmitglied der ÖGN und hatte in den Jahren 2005 bis 2009 die Funktion des

Sekretärs inne.

Das Hauptaugenmerk von Prof. Rosenkranz als Vorsitzendem der ÖGN liegt, wie bereits in den vergangenen Jahren begonnen, auf der Positio-nierung des Faches Nephrologie innerhalb der Fachrichtung Innere Medizin, wie es seiner kli-nischen und wissenschaftlichen Bedeutung zu-kommt. So ist bereits im heurigen Jahr vor allem unter der Ägide von Prof. Rosenkranz und Prof.

Pohanka ein Dossier der ÖGN verfasst worden, dass sich den Anforderungen der neuen Gesundheitsreform stellt und einerseits die Prävention der Nierenerkrankungen in den Vordergrund stellt, und andererseits ein neues patienten-orientiertes Konzept zur Einleitung der Nierenersatzthera-pie beinhaltet. Durch Erstellung von Arbeitsgruppen sollen neue Bereiche wie geriatrische Nephrologie, die zu erwar-tende neue Ausbildungsordnungen für den Facharzt oder auch die Sicherung und Förderung des nephrologischen Nachwuchses erschlossen werden. Daneben ist es ein Ziel, die intramuralen Strukturen in den nächsten Jahren zu stär-ken, um eine umfassendere nephrologische Versorgung in Österreich zu sichern und den Anforderungen der Zukunft (z. B. die erwartete deutliche Zunahme von Adipositas und Niereninsuffizienz bis zum Jahre 2030).

Wir freuen uns, dass Herr Prof. Rosenkranz die Funktion als Vorsitzender der ÖGN übernommen hat und wünschen ihm für seine Tätigkeit viel Erfolg.

Sabine Schmaldienst, im Namen der ÖGN

Prof. Dr. Alexander Rosenkranz

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NEPHRO ScriptFOCUS

03 Editorial

04 Seite der Gesellschaft

FOCUS

06 Physiologische Grundlagen der Peritonealdialyse

und Prinzipien der PD-VerfahrenAo. Univ.-Prof. Dr. Johannes Roob

11 Nichtinfektiöse Komplikationen der Peritoneal-dialyseOA Dr. Hermann Salmhofer

16 Dialyselösungen – Grundlagen, Indikationen, ErgebnisseOA Dr. Clemens O. Wieser

20 Infektiöse Komplikationen bei der Peritoneal-dialyseDr. Martin Wiesholzer

24 Die Peritonealdialyse intensivieren, die Dialyse-qualität verbessernUniv.-Prof. Dr. Andreas Vychytil

28 Patientenauswahl für PD: Wer ist geeignet?Univ.-Prof. Dr. Paul König

34 Harnsäure und Niere

Prim. Univ.-Doz. Dr. Karl Lhotta

NACHLESE ÖGHN-JAHRESTAGUNG 2013, LINZ 37 Ausgezeichnete Forschung, neue Perspektiven

Prim. Univ.-Doz. Dr. Hans-Joachim Nesser, Prim. Univ.-Prof. Dr. Rainer Oberbauer

FREIE THEMEN(entgeltliche Einschaltungen)

40 Nephrologie 2020: Blicke in die Glaskugel Fa. Amgen®

42 Phosphatbindung mit Zusatznutzen Fa. Mitsubishi

44 Anämie und Eisenmangel nach Nierentransplantation

Fa. Vifor

45 Eisen als neues Therapietarget beim kardiorenalen Anämiesyndrom

Fa. Vifor

MEINUNGSFORUM(entgeltliche Einschaltung)

Der Stellenwert von Aranesp® (Darbepoetin alfa) im Anämiemanagement

IMPRESSUMVerlag: MEDMEDIA Verlag und Mediaservice Ges.m.b.H. Herausgeber: Österreichische Gesellschaft für Nephrologie, Prof. Dr. Alexander Rosenkranz, Leiter der Abteilung für Nephrologie, Medizinische Universität, Graz und Priv.-Doz. Dr. Kathrin Eller, Klinische Abteilung für Nephrologie, Universitätsklinik für Innere Medizin, Graz. Chefredakteur: Univ.-Prof. Dr. Andreas Vychytil, Abteilung für Nephrologie und Dialyse, Klinik für Innere Medizin III, Medizinische Universität Wien. Anzeigen/Organisation: MEDMEDIA Verlag und Mediaservice Ges.m.b.H., Seidengasse 9/Top 1.1, 1070 Wien, Tel.: 01/407 31 11. Projekt leitung/Produktion: Friederike Maierhofer. Redaktion: Dr. Claudia Uhlir. Layout/DTP: Patrick Kloepfer. Cover : F1Online/picturedesk.com. Lektorat: [email protected]. Druck: Donau Forum Druck, 1230 Wien. Druckauflage: 7.625 Stück im 1. Halbjahr 2013, geprüft von der Österreichischen Auflagenkontrolle. Bezugsbedingungen: Die Zeitschrift ist zum Einzelpreis von 9,50 Euro plus MwSt. zu be ziehen. Grund-sätze und Ziele von NEPHRO Script: Information für nephrologisch interessierte Krankenhaus- und niedergelassene Ärzte. Angaben über Dosierungen, Applikationsformen und Indikationen von pharmazeutischen Spezialitäten müssen vom jeweiligen Anwender auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Herausgeber und Medieninhaber übernehmen dafür keine Gewähr. Literatur zu den Fachbeiträgen bei den jeweiligen Autoren. Allgemeine Hinweise: Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die persönliche und/oder wissenschaftliche Meinung des jeweiligen Autors wieder und fallen somit in den persönlichen Verantwortungs bereich des Verfassers. Mit „Freies Thema“ gekennzeichnete Beiträge sind entgeltliche Einschaltungen gem. § 26 Mediengesetz und fallen in den Verantwortungsbereich des jeweiligen Auftraggebers; sie müssen nicht die Meinung von Herausgeber, Reviewer oder Redaktion wiedergeben. Angaben über Dosierungen, Applikationsformen und Indikationen von pharmazeutischen Spezialitäten müssen vom jeweiligen Anwender auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Trotz sorgfältiger Prüfung über nehmen Medieninhaber und Herausgeber kei nerlei Haftung für drucktechnische und inhaltliche Fehler. Ausgewählte Artikel dieser Ausgabe finden Sie auch unter www.medmedia.at zum Download. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt, verwertet oder verbreitet werden. Die gesetzliche Offenlegung gemäß § 25 MedienG finden Sie unter www.medmedia.at/home/impressum.

INHALT

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NEPHRO Script FOCUS

Physiologische Grundlagen der Peritoneal-dialyse und Prinzipien der PD-Verfahren

Bei der Peritonealdialyse (PD) erfolgt die Eli-mination von harnpflichtigen Stoffen, der Ausgleich des Elektrolyt- und Säure-Basen-

Haushaltes und der Flüssigkeitsentzug über das Peritoneum. Über einen permanent implantierten Katheter wird regelmäßig eine Peritonealdialy-selösung in die Abdominalhöhle eingebracht und nach einer gewissen Verweilzeit, in der der Stoff-austausch stattfindet, über den Katheter abgelas-sen und durch eine frische Lösung für die nächste Verweilzeit ersetzt.

Peritoneum und peritonealer Transport

Das Peritoneum hat eine anatomische Oberfläche von 1,5 bis 2 m2, wovon rund 0,5 bis 1 m2 überwiegend parietales und mesenteriales Peritoneum für die PD funktionell sind. Die „peritoneale Membran“, über die der Stoffaustausch erfolgt, besteht aus dem Mesothel, einer einlagigen Schicht von polygonalen Zellen, und dem darunter gelegenen, un-terschiedlich breiten Interstitium aus Bindegewebsfasern, Mucopolysacchariden und Bindegewebszellen (Fibroblasten, Mastzellen, Makrophagen). Die Kapillaren des reich vasku-larisierten Peritoneums, die überwiegend Kapillaren des kontinuierlichen Typs darstellen, sind wesentlich für den Stoffaustausch.

Drei-Poren-Modell: Den Transport durch die Ka-pillarwand beschreibt das anhand kinetischer Mo-dellierungen erstellte Drei-Poren-Modell. Dem-nach gibt es viele „kleine Poren“ mit einem Durch-messer von ca. 4,7 nm, relativ wenige „große Poren“ mit einem Durchmesser von ca. 25 nm und sehr viele transzelluläre „ultrakleine Poren“ mit einem Durchmesser von ca. 0,4 nm, die den Aquaporinen entsprechen. Diese ermöglichen zu-sammen mit transzellulären Wasserkanälen einen selektiven Transport von Wasser durch die Zell-membran und sind für Protonen und Elektrolyte, wie z. B. Natrium, nicht durchgängig. Die kleinen Poren, die wahrscheinlich interendotheliale Spal-

ten darstellen, sind für Wasser, Elektrolyte, kleinmolekulare Stoffe und Mittelmoleküle durchgängig. Die großen Poren entsprechen wahrscheinlich endothelialen Lücken der post-kapillaren Venolen und sind auch für Makromoleküle (Pro-teine) durchgängig.

Peritonealer Stofftransport: Der peritoneale Stofftransport wird neben den Kapillareigenschaften auch durch die An-zahl der Kapillaren und – in geringem Ausmaß – durch den peritonealen Blutfluss sowie durch die Dicke des Interstiti-ums bzw. die Transportstrecke beeinflusst. Das Peritoneum stellt eine „nicht ideale“ semipermeable Membran dar, da

uu Die Peritonealdialyse (PD) nutzt das Peritoneum als „nicht ideale“ semipermeable Membran, die für Wasser und für gelöste Stoffe permeabel ist.uu Das Peritoneum hat individuell unterschiedliche Transporteigenschaften, die anhand des peritonealen Äquilibrationstests evaluiert werden (Differenzierung zwischen „low“, „low average“, „high average“ und „high transportern“).uu Die Transporteigenschaften des Peritoneums können sich im Laufe der Behandlung verän-dern.uu Um die erforderliche Ultrafiltration zu erreichen, stehen Peritonealdialyselösungen mit unter-schiedlichen osmotischen Eigenschaften zur Verfügung.uu Die meisten Patienten können das ihren Wünschen und Bedürfnissen am ehesten entspre-chende PD-Verfahren wählen. Rund zwei Drittel werden daher mit APD behandelt.

Ao. Univ.-Prof. Dr. Johannes Roob

Klinische Abteilung für Nephrologie, Universi-

tätsklinik für Innere Medizin, Graz

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NEPHRO ScriptFOCUS

sie außer für Wasser auch für gelöste Stoffe permeabel ist. Der Stofftransport beruht auf den physikalischen Prinzipien von Diffusion und Konvektion, der Flüssigkeitsentzug er-folgt durch Osmose. Bei der Diffusion wandern gelöste Stoffe von der Seite mit höherer Konzentration auf die Seite mit niedriger Konzentration. Harnpflichtige Stoffe treten somit entsprechend dem Konzentrationsgefälle in die Peritoneal-dialyselösung über, während hochprozentige Glukose aus der Lösung resorbiert wird, ebenso wie der zum Azidoseaus-gleich enthaltene Puffer. Im Dialysat steigt die Konzentra-tion harnpflichtiger Stoffe in Abhängigkeit von der Ver-weilzeit und der Molekülgröße an, wobei die Diffusionsrate mit dem Rückgang des Konzentrationsgefälles abnimmt (Abb. 1).

Ultrafiltration und Resorption: Die Elimination von Flüssig-keit (Ultrafiltration) erfolgt durch einen osmotischen Druck-gradienten, der durch eine osmotisch aktive Substanz in der Dialyselösung an der Peritonealmembran aufgebaut wird. Meist wird dafür höherprozentige Glukose verwendet. Bei der Konvektion bewegen sich gelöste Stoffe entsprechend ihrer Durchgängigkeit durch die Peritonealmembran mit der ultrafiltierten Flüssigkeit mit.Über das lymphatische System wird während der Verweil-zeit Flüssigkeit aus der Peritonealhöhle resorbiert. Dies er-folgt über subdiaphragmal gelegene Lakunen in die Lymph-gefäße sowie über das Lymphsystem des viszeralen und pa-rietalen Peritoneums. Diese Resorption ist auch vom intraperitonealen Druck abhängig und kann bis zu 500 ml in 6 Stunden betragen. Zusätzlich diffundiert Glukose aus der Dialyselösung ins Blut, wodurch der osmotische Gra-dient und damit die Ultrafiltration abnehmen. Bei langen Verweilzeiten kann sogar eine negative Ultrafiltration ent-stehen (Abb. 2).

Transporteigenschaften des Peritoneums: Die Transportei-genschaften des Peritoneums sind individuell unterschied-lich und werden anhand des standardisierten peritonealen Äquilibrationstests (PET) evaluiert. Auf Basis der Abnahme der Glukosekonzentration und der Zunahme der Dialysat-Plasma-Quotienten von Kreatinin und Harnstoff während einer Verweilzeit von 4 Stunden werden Patienten mit einem Peritoneum mit niedrigen, niedrig durchschnittlichen, hoch durchschnittlichen und hohen Transporteigenschaften un-terschieden und entsprechend als „low transporter“, „low average transporter“, „high average transporter“ und „high

transporter“ bezeichnet. „Low transporter“ zeigen eine lang-same Resorption von Glukose und weisen daher auch bei längeren Verweilzeiten eine sehr gute Ultrafiltration, zugleich aber auch eine geringe Elimination von klein- und mittel-molekularen Stoffen auf. „High transporter“ resorbieren Glukose schnell und haben daher bei langen Verweilzeiten eine schlechte Ultrafiltration, aber eine gute Elimination von klein- und mittelmolekularen Stoffen.Die Transporteigenschaften des Peritoneums können sich im Laufe der Behandlung verändern. Deshalb sollte der erste PET erst 4 bis 6 Wochen nach Beginn der Peritonealdialy-sebehandlung durchgeführt werden, um ein optimales Be-handlungsregime erstellen zu können.Nach langer Peritonealdialysebehandlung kann es – oft nach Jahren – zu Veränderungen der peritonealen Membran kom-men, die meist durch hochprozentige Glukoselösungen ver-ursacht werden. Eine Vermehrung der Kapillaren ist

Abb. 1: Konzentration-Zeit-Profil

Nach: Popovich et al. Ann Intern Med1978; 78:449–56

480120 160 200 240 300 360 42020 60 900

1,0

0,8

0,6

0,4

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Verweilzeit in Minuten

Urea

Insulin

Kreatinin

Protein

Abb. 2: Nettoultrafiltration (NU)

Nach: Mactier und Khanna, Textbook of Peritoneal Dialysis, 2. Auflage, Kluwer Academic Publishers, 2000, p186

432

NU-Spitze

Verweilzeit in Stunden

1

800

600

400

200

0

–200

–400

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ebenso beschrieben wie eine Verdickung der Peritoneal-membran, sodass der Patient zu einem „high transporter“ werden kann. Probleme mit der Ultrafiltration und der aus-reichenden Stoffelimination können die Folge sein. Auch im Rahmen einer Peritonitis erhöht sich, meist reversibel, die Transportrate. Anhand der alle 6 bis 12 Monate durch-geführten PET-Untersuchungen werden Veränderungen erfasst und die Behandlung entsprechend angepasst.

DialyselösungenUm die erforderliche Ultrafiltration zu erreichen, stehen Dialyselösungen mit unterschiedlichen osmotischen Eigen-schaften zur Verfügung. Die Basis bilden glukosehältige Lö-sungen, die in drei unterschiedlichen Konzentrationen an-geboten werden und eine Osmolarität von 344, 395 und

483 mosmol aufweisen. Alternativ stehen eine Lösung mit Aminosäuren als osmotisches Agens mit einer Osmolarität von 365 mosmol und eine Lösung mit Polyglukose zur Ver-fügung, die mit 284 mosmol isoosmolar ist.Polyglukose, mit einem durchschnittlichen Molekulargewicht von 16.000 Dalton, diffundiert praktisch nicht durch die Peritonealmembran, sondern wird ausschließlich lymphatisch resorbiert. Die Ultrafiltration erfolgt durch kolloidosmotischen Druck über die kleinen und die großen Poren; sie ist langsam und bleibt bei Verweilzeiten über 8 Stunden erhalten.Glukose induziert die Ultrafiltration zur Hälfte über die kleinen Poren und zur Hälfte transzellulär (elektrolytfrei) über Aquaporine. Vor allem bei kurzen Verweilzeiten und bei hochprozentigen Glukoselösungen kann es daher zu einer ungenügenden Natriumelimination kommen.

PD-Verfahren

Die PD wird mit wenigen Ausnahmen als Heimdialyse an-gewendet, wobei die Patienten die Behandlung selbständig oder mit Hilfe von Angehörigen nach ausreichender Ein-schulung durchführen. Üblicherweise wird die PD täglich durchgeführt.Mit unterschiedlichen PD-Verfahren, den zur Verfügung stehenden Dialyselösungen und bei bekannten peritonealen Transporteigenschaften lassen sich verschiedene Behand-lungsregime verwirklichen. Einen wesentlichen Beitrag zur Gesamt-Clearance stellt die Nierenrestfunktion dar, die bei der Regimeerstellung mitberücksichtigt werden muss.

Kontinuierliche ambulante Peritonealdialyse (CAPD): Bei der CAPD werden 1,5 bis 2,5 Liter Dialyselösung über den PD-Katheter eingebracht. Nach einer Verweilzeit von zu-meist 4 bis 8 Stunden wird das Dialysat abgelassen und durch eine frische Lösung ersetzt. Der Patient führt die Konnektion eines Dialysebeutelsystems mit dem PD-Ka-theter unter streng hygienischen Bedingungen durch. Das System besteht aus einem leeren Kunststoffbeutel, in den das gebrauchte Dialysat zuerst entsprechend der Schwer-kraft abgelassen wird, einem mit frischer Dialyselösung ge-füllten Beutel, aus dem die vorgewärmte Lösung – wieder der Schwerkraft folgend – in die Peritonealhöhle eingefüllt wird, und einem y-förmigen Verbindungsschlauch für die Konnektion am Katheter. Am Ende des Dialysatwechsels, der ca. 30 Minuten dauert, wird das System mit der

Abb. 3: PD-Verfahren

Aus: Vichytil und Haag-Weber, Dialyseverfahren in Klinik und Praxis, 6. Auflage, Georg Thieme Verlag, 2004, p99

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Tag Nacht Tag Nacht

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IPD

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gebrauchten Lösung dekonnektiert und verworfen. Bei der CAPD werden meist 4 Dialysatwechsel pro Tag durchge-führt (Abb. 3). Der Zeitpunkt ist flexibel, es sollen jedoch die entsprechenden Verweilzeiten eingehalten werden.

Automatisierte Peritonealdialyse (APD): Die APD wird mit einem netzbetriebenen computergesteuerten Gerät („Cycler“) durchgeführt. Dieser muss vor Behandlungsbeginn „aufge-baut“ werden, d. h., die Dialysebeutel werden am Gerät mit einem Schlauchsystem verbunden. Nach der Konnektion mit dem Katheter, die wie bei der CAPD erfolgt, führt das Gerät je nach Programmierung pumpengesteuert zyklische Dialysat-Ein- und -Ausläufe durch. Die Behandlung dauert ca. 8 bis 10 Stunden, danach schließt sich der Patient ab. Üblicher-weise wird diese Behandlung in der Nacht durchgeführt. Da die APD im Liegen durchgeführt wird, werden höhere Dia-lysatfüllvolumina als bei der CAPD toleriert. Bei der Standard-APD erfolgt nach jeder Verweilzeit ein Ablauf des gesamten Dialysates, bei der Tidal-APD wird während der Behandlung nur ein Teil des Dialysates (50–90 %) abgelassen.Mit der APD sind verschiedene PD-Verfahren möglich (Abb. 3). Bei der kontinuierlichen zyklischen Peritonealdia-lyse (CCPD) ist die Peritonealhöhle auch tagsüber mit Dia-lysat gefüllt. Zur Intensivierung der Therapie ist es möglich, einen zusätzlichen Dialysatwechsel am Tag – wie bei der CAPD beschrieben – durchzuführen. Bei der nächtlichen intermittierenden Peritonealdialyse (NIPD) erfolgt die Be-handlung mit dem Cycler in der Regel in der Nacht, wobei die Peritonealhöhle am Tag leer bleibt. Bei der intermittie-renden Peritonealdialyse (IPD) erfolgt die Behandlung im Zentrum, wobei die Patienten bis zu 4-mal/Woche meist 12 bis 14 Stunden behandelt werden.

Anwendung der PD-Verfahren

CAPD: Bei der CAPD ist es aufgrund der längeren Verweil-zeiten möglich, für niedermolekulare Substanzen wie Harn-stoff ein Äquilibrium zwischen Plasma und Dialysat zu er-reichen. Als kontinuierliches Verfahren erlaubt die CAPD die bestmögliche Elimination von Mittelmolekülen. Durch die langen Verweilzeiten wird mehr Glukose in Relation zur Ultrafiltration resorbiert als bei der APD, im langen Intervall kann es dadurch zu einer negativen Ultrafiltration kommen. Abhilfe schafft die Anwendung von Polyglukose über Nacht in der langen Verweilzeit mit Verbesserung der Ultrafiltration und Einsparung von Glukose. Die CAPD ist die Methode der Wahl für Patienten mit niedrigen Trans-portraten.

APD: Bei der APD sind die Verweilzeiten kürzer. Um eine ausreichende Clearance zu erreichen, ist ein höherer Dia-lysatumsatz durch meist 5 bis 10 Dialysatwechsel nötig. Durch die häufigen und kurzen Verweilzeiten und dem dadurch höheren Dialysat-Plasma-Gradienten der Glu-kose kann bei der APD eine höhere Ultrafiltration als bei der CAPD erreicht werden. Zu beachten ist jedoch, dass durch die glukoseinduzierte Ultrafiltration mit kurzen Verweilzeiten Natrium nicht ausreichend eliminiert wird. Deshalb, aber auch um eine gute Mittelmolekül-Clearance zu erzielen, soll die APD, wenn möglich als CCPD, d. h. als kontinuierliches Verfahren angewendet werden. Tags-über, in der langen Verweilzeit wird in diesem Fall meist Polyglukose verwendet. Wird tagsüber dabei ein übliches Füllvolumen von 2 l nicht toleriert, ist es auch sinnvoll, geringere Füllvolumina von z. B. nur einem Liter tagsüber anzuwenden.Die APD ist die Methode der Wahl für Patienten mit hohen Transportraten sowie für anurische Patienten, die mit der CAPD nicht mehr ausreichend behandelt werden können und, wegen des niedrigeren intraabdominellen Druckes, auch für Patienten mit Hernien und Dialysatleckagen. Die Mehrzahl der Patienten weist eine durchschnittliche Trans-portrate auf und ist sowohl für CAPD als auch für APD geeignet.Die NIPD soll Patienten mit guter Nierenrestfunktion vor-behalten bleiben.Die IPD im Zentrum wird durchgeführt, wenn andere PD-Verfahren und eine Hämodialysebehandlung nicht möglich sind. Sie ist weiters eine Option, wenn der Patient die Be-handlung nicht selbst durchführt und die zu Hause behan-delnde Person vorübergehend verhindert ist. Eine ausrei-chende Clearance wird mit der IPD meist nicht erreicht.Die APD wird häufig im Tidalverfahren bei Patienten an-gewendet, die im Schlaf durch vollständige Dialysatausläufe gestört werden. Dies kann durch Gerätealarme bei Auslauf-problemen oder durch Auslaufschmerzen unterschiedlicher Intensität der Fall sein. Eine Reduktion des Tidalvolumens auf 80 % ist hierfür meist ausreichend.

Fazit

Mit Ausnahme der Patienten mit hoher Transportrate und Patienten mit niedriger Transportrate und Anurie können die meisten Patienten jenes PD-Verfahren wählen, das ihren Bedürfnissen am ehesten entspricht. Die meisten Patienten wünschen die APD. Rund zwei Drittel der Patienten wer-den daher mit APD behandelt. ■

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NEPHRO ScriptFOCUS

Nichtinfektiöse Komplikationen der Peritonealdialyse

Nichtinfektiöse Komplikationen der Peritone-aldialyse (PD) umfassen weite Problemfelder unterschiedlichster Art. Neben mechanischen

Problemen, bedingt z. B. durch das Katheter-fremdmaterial, die Reaktion des Körpers darauf oder auf den neugeschaffenen Durchtritt durch die Bauchwand sowie alle Folgeprobleme des er-höhten intraabdominalen Drucks gibt es eine Vielzahl von Problemen bei der technischen Durchführung, der Behandlungsqualität, in me-tabolischer Hinsicht, in Bezug auf die Selbstver-antwortung des Patienten, bei der praktischen Durchführung und Dokumentation sowie im sozialen Umfeld und in psychologischen Aspekten.

Katheterassoziierte Probleme

Voraussetzung für das PD-Verfahren ist ein funktionierender Zugang zur Bauchhöhle. Die erste Problemkonstellation in der Initialphase ergibt sich aus allen chirurgischen Kompli-kationen der Katheterimplantation, der Wundheilung und -abdichtung sowie der korrekten Katheterpositionierung.Auch in der Dauerbehandlung können Katheterprobleme durch Materialdefekte (Bruch, Riss), Dislokation, Verkle-bungen und Verwachsungen der drainierenden Katheter-anteile oder Verstopfung des Lumens (z. B. durch Fibrin-fäden), eventuell auch durch Entstehung eines Ventilme-chanismus mit der Gefahr der Überinfusion resultieren. Ausflussprobleme treten bei 5–20 % der Patienten zumeist im ersten Behandlungsmonat auf. Obstipation, Katheter-

dislokation, intraluminale Okklusion, Adhäsi-onen, Verklebungen oder Katheterknickung müs-sen als Ursachen abgeklärt werden. Differenzial-diagnostisch sind bei Auslaufinsuffizienz Leckagen abzugrenzen.Nicht ganz selten spüren Patienten kurzfristige Ein- oder Auslaufschmerzen beim Beutelwechsel. Die Kathetermuffe (Kunststoffmanschette an um-schriebener Stelle der Katheteraußenseite, die so-wohl der Katheterfixierung als auch dem Schutz vor Tunnelinfektion entlang der Katheteraußen-seite dienen soll) kann aufgrund unzureichender bindegewebiger Einheilung im Lauf der Zeit in Richtung Hautaustritt wandern und ausgestoßen

werden. Da das Kunststoffgeflecht eine Gewebeirritation auslöst, kann es an der Hautdurchtrittsstelle eine erhebliche Entzündung mit Gefahr der sekundären Infektion verursa-chen (Häufigkeit der Muffenextrusion ca. 3,5–17 %). Eine chirurgische Externalisierung der Muffe (Proximalverlage-rung des Hautaustritts) kann erwogen werden. Ansonsten ist eine Katheterneuanlage erforderlich.

Probleme der Bauchwand

Der Druck in der Bauchhöhle steigt aufgrund der Instilla-tion der Dialysatflüssigkeit an. Das Ausmaß der Druckstei-gerung ist unter anderem abhängig vom Füllvolumen im Vergleich zur Größe des Peritonealraumes und von der Kör-perposition. Der Druck ist im Sitzen höher als im Stehen und ist im Liegen am geringsten.

uu Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die diagnostische Abklärung und das the-rapeutische Vorgehen bei nichtinfektiösen Komplikationen der Peritonealdialyse.uu Häufige Probleme sind unter anderem Völlegefühl, Appetitlosigkeit und Übelkeit (bis 20 %), katheterassoziierte Ausflussprobleme (5–20 %), Muffenextrusion (3,5–17 %), Leckagen (2–40 %), Hernien (ca. 9 %) oder auch Hämoperitoneum (ca. 6 %).uu Neben den medizinischen Problemen kann die PD auch eine soziale und psychologische Herausforderung darstellen.

OA Dr. Hermann Salmhofer

Universitätsklinik für Innere Medizin I, Para-

celsus Medizinische Privatuniversität

Salzburg

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Drucksteigerungen können daher sowohl Hernienbildungen an Prädilektionsstellen (umbilikal, inguinal, femoral, an den Katheterdurchtrittsstellen, im Bereich vom Bauchwandnar-ben und am Zwerchfell) als auch einen Uterovaginal- oder einen Rektalprolaps begünstigen (Häufigkeit der Hernien-bildungen: ca. 0,06–0,08/Patient/Jahr; ca 9 % der PD-Pa-tienten). Grundsätzlich können Hernien, insbesondere bei kleiner Bruchpforte (z. B. umbilikal), zur Inkarzeration füh-ren.Es können frühe oder späte Leckagen entlang des Katheter-verlaufes in die Subkutis, durch den Hautaustritt nach außen oder entlang eines offen Processus vaginalis in Richtung Subkutis des äußeren Genitale entstehen (Häufigkeit ca. 1–40 %).Für die Diagnostik eignen sich Computertomografie (CT) mit intraperitonealer Kontrastmittelfüllung oder Magne-tresonanztomografie (MRT). Bei Leckagen sollte zunächst eine PD-Pause mit körperlicher Schonung, dann ein Wie-derbeginn mit niedrigeren Füllvolumina, eventuell auch eine

Umstellung auf automatisierte Therapie durchgeführt wer-den. Vorteil der automatisierten Therapie ist der niedrigere intraabdominale Druck im Liegen. Infolge meist anlagebedingter Lücken im Zwerchfell kann sich ein „Hydrothorax“ im Sinne eines Auslaufens der Dia-lysatflüssigkeit in den Pleuraraum entwickeln und zu Atem-not führen (Häufigkeit ca. 1,6 %; häufiger rechtsseitig). Der Nachweis einer hohen Glukosekonzentration im Pleura-punktat beweist das pleuroperitoneale Leck.Bei der Evaluation zur PD müssen im Vorfeld die Bruch-pforten und die Festigkeit der Narben von Voroperationen geprüft werden. Vor Initiierung der PD sollen alle beste-henden Hernien idealerweise minimalinvasiv, häufig mit Netzimplantation saniert werden. Dies ist in einem Teil der Fälle simultan mit der Katheterimplantation möglich. Glei-chermaßen sollte bei voroperiertem Bauch eine Laparosko-pie zum Ausschluss ausgedehnter Verwachsungen, die nach Initiierung der PD zu Problemen und Komplikationen füh-ren könnten, durchgeführt werden. Auch das kann meist

Tab. 1: Häufige nichtinfektiöse Probleme der Peritonealdialyse

Problem Diagnostik Therapie

Katheterprobleme

Katheterfehlpositionierung, -dislokation, -knickung Röntgen in 2 Ebenen, CT forciertes Abführen, Draht-Reposition,

laparoskopische Korrektur, Neuanlage

Verklebungen, Verwachsungen (intraabdo-minal) CT, Laparoskopie Adhäsiolyse

Katheterokklusion Spülversuch forcierte Spülung, lokale Fibrinolyse, Heparin-Zusatz ins Dialysat

Katheterleck (Materialeinriss, -bruch) Inspektion Katheterkürzung, Neuanlage

Bauchwandprobleme (Hernien und Lecks)

Inguinalhernie

klinische Untersuchung Sonografie CT mit Kontrastmittelfüllung, MRT

chirurgische Sanierung mit Netz, günstigen-falls minimalinvasiv/laparoskopisch

Umbilikalhernie

Narbenhernie

Femoralhernie

Zwerchfellhernie

Uterovaginal- und Rektalprolaps gynäkologische, urologische Abklärung chirurgische Sanierung

Offener Processus vaginalis, Genitalödem CT mit Kontrastmittelfüllung laparoskopischer Verschluss

Pleuroperitoneales Leck, Hydrothorax Glukosebestimmung im Pleurapunktat, Röntgen, CT

PD-Pause, laparoskopischer Verschluss, Verfahrenswechsel

Peritoneales Leck mit Durchtritt von Dialysat nach subkutan oder via Exit nach außen CT (mit i. p. Kontrastmittel) oder MRT nativ PD-Pause, erneute Umnähung des peritone-

alen Katheterdurchtritts, Neuanlage

CT = Computertomografie; MRT = Magnetresonanztomografie; i. p. = intraperitoneal

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zum Zeitpunkt der Katheterimplantation erfolgen. Im Rah-men dieses Eingriffs ist gegebenenfalls eine laparoskopische Adhäsiolyse möglich. Durch peritoneale Verklebungen und Verwachsungen kann es zu Ein- und Auslaufproblemen (auch mit massiver Zeitverzögerung und erheblicher Re-duktion der Verweildauern), zu Sequestrierung von Flüs-sigkeit in abgekapselten Kompartimenten, zu Schmerzen, unzureichender Dialysedosis und zum Versagen des Ver-fahrens kommen.

Funktionelle Störungen und gastrointestinale Probleme

Das erhöhte intraabdominale Volumen kann Völlegefühl, Appetitlosigkeit und Übelkeit (Häufigkeit bis 20 %), gas-troösophagealen Reflux oder lumbale Schmerzen (durch Zug an der Bauchwand und Gewichtsumverteilung) auslösen. Magenentleerungsstörungen und Obstipation sind weitere häufige Probleme.

Hautprobleme

Neben den unmittelbar katheteraustrittassoziierten Proble-men (inklusive mechanischer Reizung durch den Kleider-bund) können Komplikationen der umgebenden Haut auf-grund von präexistenten Hauterkrankungen (Psoriasis, ato-pische Dermatitis etc.) oder Unverträglichkeitsreaktionen auf Pflaster, Salben oder Desinfektionsmittel im Sinne to-xischer oder allergischer Reaktionen resultieren.

Viszerale Probleme und Verfärbungen des Dialysats

Neben den im engeren Sinne katheterassoziierten Proble-men (Dislokation mit Schmerzen oder Dysfunktion, pe-ritoneales Leck, Verwachsung etc.) kann es – potenziell

mechanisch durch den Katheter begünstigt – eventuell durch Verletzung kleinerer Gefäße auch zu Hämo- oder Chyloperitoneum kommen (Häufigkeit des Hämoperito-neums ca. 6 %). Eine Reihe anderer auslösender Erkran-kungen (Peritonitis, Malignom, Ischämie …) ist jeweils auszuschließen.Bei Frauen können zyklisch geringgradige blutige Tingie-rungen des Dialysats auftreten (Menstruation, Ovulation, Endometriose). Zur Vermeidung von Koagelbildungen und Katheterverstopfung ist ein Heparin-Zusatz zum Dialysat sinnvoll.Stärkere peritoneale Blutbeimengung mit „Dialysat-Häma-tokrit“ > 2 % weist auf eine schwerwiegende Ursache hin und muss umgehend abgeklärt werden. Differenzialdiagnos-tisch auszuschließen sind rupturierte Zysten (Adnexe, even-tuell Zystenniere, Leberzyste), Traumata, Antikoagulation, Darmischämie, Pankreatitis, Karzinome (Kolon-, Nieren- oder Urogenitalkarzinom), Milzruptur, -infarkt, retroperi-toneales Hämatom oder enkapsulierende Peritonitis.Die Diagnose Chyloperitoneum wird durch Nachweis hoher Triglyzeride im Dialysat bei normaler Zellzahl gestellt. Neben Abklärung der Ursache und, wo möglich, kausaler Therapie werden kurz- und mittelkettige Triglyzeride sowie Orlistat p. o. oder Octreotid s. c. empfohlen. Ein Bilioperitoneum (gallige Verfärbung des Dialysats) weist auf eine Perforation oder eine Fistelbildung im Gallenbla-sen-, Gallenweg- oder Pankreasbereich hin und ist umge-hend abzuklären. Selten (< 1 %) können durch den Katheter Darmperfora-tionen verursacht werden.Die gesamte abdominelle Differenzialdiagnostik muss beim PD-Patienten mit abdominellen Problemen, analog zu jedem anderen Patienten, systematisch abgearbeitet werden (gas-troduodenales Ulkus inklusive Perforation, Refluxösopha-gitis, Pankreatitis, Cholezystitis, Appendizitis, Adnexitis, Divertikulitis, Divertikelperforation, mesenteriale Ischämie,

Tab. 2: Primär nichtinfektiöse Verfärbungen des Dialysats

Problem Diagnostik Therapie

Hämoperitoneum Inspektion, Hb-/Hkt-Bestimmung im Dialysat, abdominelle Bildgebung

ursachenspezifisch, evtl. Laparotomie, Heparinzusatz ins Dialysat

Chyloperitoneum Inspektion, Leuko, Triglyzeride im Dialysat, abdominelle Bildgebung

ursachenspezifisch, evtl. Laparotomie, evtl. Orlistat, Octreotid, mittelkettige Triglyzeride

Bilioperitoneum Inspektion, Bili im Dialysat, abdominelle Bildgebung ursachenspezifisch, evtl. Laparotomie

Labor-Diagnostik im Dialysat bei Verfärbungen der Auslaufflüssigkeit: Leukozytenzahl, Differenzierung (Durchflusszytometrie, evtl. Zytopathologie), Hb/Hkt, Eiweißgehalt, Cholesterin, Triglyzeride, Lipase, Bilirubin, LDH, Glukose; Mikrobiologie: Gramfärbung, Kultur (Bakterien, Pilze, evtl. TB).Hb = Hämoglobin; Hkt = Hämatokrit; Leuko = Leukozyten; Bili = Bilirubin; TB = Tuberkulose; LDH = Laktatdehydrogenase

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Tumor etc.; siehe Beitrag „Infektiöse Probleme der PD“). Zu beachten ist, dass durch die präformierte Füllung des Abdominalraumes mit Flüssigkeit die Klinik abdomineller Erkrankungen larviert verlaufen oder fehlinterpretiert wer-den kann.

Probleme des Peritoneums

Nach längerer Durchführung der PD kommt es regelhaft zu Veränderungen der peritonealen „Membran“ mit Fibro-sierung und Gefäßvermehrung. Dies kann die Austauschei-genschaften erheblich verändern und schließlich zum Ver-sagen der PD betreffend Ultrafiltrations- und/oder Entgif-tungsleistung führen. Häufig kommt es nach 2–3 Jahren zur Verschlechterung der peritonealen Eigenschaften.Eine systematische Überwachung der peritonealen und re-nalen Clearance-Leistung ist im Sinne der Qualitätssiche-rung erforderlich. Mit einem peritonealen Äquilibrierungs-tests können die Eigenschaften des Peritoneums (Trans-porttyp etc.) weiter charakterisiert und Veränderungen im Verlauf, die Modifikationen des Verfahrens erfordern, er-kannt werden.Eine seltene Komplikation der PD, die sich in der Regel erst nach mehreren Jahren und eventuell sogar erst nach Beendigung der PD, z. B. nach erfolgreicher Nierentrans-plantation manifestieren kann, ist die enkapsulierende skle-rosierende Peritonitis. Im Rahmen einer ätiologisch noch unklaren abakteriellen Entzündung kommt es zu massiven fibrösen, plattenartigen Verwachsungen, „Einmauerung“ der Darmschlingen und Ileuszuständen. Oft ist der Beginn schleichend, eventuell von Bauchschmerzen, Appetitlosig-keit, Übelkeit, Gewichtsverlust, Ultrafiltrationsverlust mit Ödembildung, Durchfall oder Obstipation bis Ileus beglei-tet. In der Bildgebung zeigen sich peritoneale Verdickungen und Verkalkungen sowie Darmwandverdickungen und Schlingendilatationen. Therapeutisch wurden von verschie-denen Zentren kurzfristig Kortikosteroide eingesetzt, zum Teil in Kombination mit Azathioprin oder Mycophenolat mofetil. Generell empfohlen werden Tamoxifen, parenterale Ernährung und eventuell die chirurgische Therapie mit aku-ter Enterolyse (Häufigkeit der enkapsulierenden peritonealen Sklerose bis 4,2/1.000 Patientenjahre. Die Prognose ist kri-tisch [Letalität 50 %]).

Metabolische Probleme

Da es unter PD regelhaft zu peritonealen Verlusten von Aminosäuren, Proteinen und Vitaminen kommt, muss der

Entwicklung von Mangelzuständen vorgebeugt werden. Weiters kann die Glukosebelastung, insbesondere bei Pati-enten mit veränderter Glukosetoleranz oder Diabetes, zu einer Gewichtszunahme oder einer Verschlechterung der Stoffwechseleigenschaften führen. Hier kann durch Auswahl spezieller Dialysatlösungen gegengesteuert werden.Manche PD-Patienten entwickeln eine Hypokaliämienei-gung, die bisweilen eine Kaliumsubstitution erfordert.Auch die peritoneale Ultrafiltration muss besonders bei ab-nehmender Eigennierenfunktion überwacht und gegebe-nenfalls durch Polyglukoselösung (Icodextrin) verbessert werden.

Niereninsuffizienzassoziierte Probleme

Neben den verfahrenstypischen Komplikationen bestehen bei der PD im Wesentlichen gleichartige therapeutische Pro-bleme wie bei der Hämodialyse (HD). Dazu zählen Dysba-lancen des Knochen- und Phosphatstoffwechsels, Hyper-parathyreoidismus, Anämie, Blutdruck-, Elektrolyt- und Volumenprobleme, Komorbiditäten etc. Besonderes Au-genmerk ist auf die Erhaltung der Eigennierenrestfunktion zu richten.

Soziale und psychologische Probleme

Sowohl am Arbeitsplatz als auch in Partnerschaft und Fa-milie, in der Freizeit und beim Sport können durch die PD Probleme und Konflikte auftreten. Die Abhängigkeit von der Therapie kann zu Überforderung, sozialer Isolation, Depression und Burn-out bei Patienten und Angehörigen führen. Manche Patienten oder deren Angehörige sind durch den „Schlauch aus dem Bauch“ in ihrem ästhetischen Empfin-den und Körperbewusstsein gestört. Bei der automatisierten PD (Cycler-Behandlung) können technische Probleme (nächtliche Schlauchknickung, Alarme) zu erheblichen Schlafstörungen und psychologischen Bela-stungen führen.Viele Ursachen können zur Non-Compliance beitragen. Letztlich muss das auf Selbstverantwortung und Verläss-lichkeit bauende Verfahren bei fehlender Compliance schei-tern. Typische Anzeichen und Folgen der eingeschränkten Compliance sind: schlampige oder fehlende Protokollierung, Wäge- und/oder Bilanzfehler (cave: Hyperinfusion), Chip-karte wiederholt „vergessen“, verschlechterte Laborparame-ter und Unterdialyse (DD: Versagen der peritonealen Mem-bran) oder auch die zu geringe Zahl bestellter Beutel. ■

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Dialyselösungen – Grundlagen, Indikationen, Ergebnisse

Die Grundvoraussetzung für eine Dialysebe-handlung ist eine semipermeable Membran, da nur über sie selektiv Substanzen von Trä-

gerlösungen getrennt werden. Der Begriff der se-mipermeablen Membran wurde erstmals 1861 von Thomas Graham geprägt. 1877 wurde erst-mals tierexperimentell der Beweis erbracht, dass Ultrafiltration über das Peritoneum möglich ist und dass dafür einerseits die physiologische Ei-genschaft des Peritoneums als hoch vaskularisierte Membran, andererseits aber ein Dialysat als ent-ziehendes Substrat notwendig ist. Erste Versuche bei Menschen erfolgten ab 1927, als sicheres Routinever-fahren konnte die Peritonealdialyse erst viel später mit Ein-führung des Tenckhoff-Katheters 1968, der Kunststoffbeu-tel 1978 oder der Doppelbeutelsysteme in den 1990er-Jah-ren angeboten werden.

Anforderungen an die Dialyselösung

Die Peritonealdialyselösung erfüllt im Idealfall eine Reihe wichtiger Eigenschaften: Sie soll Urämietoxine in zumindest ausreichendem Ausmaß aus dem Körper entfernen, Flüs-sigkeit ultrafiltrieren, Störungen des Elektrolyt-Säure-Basen-Haushaltes ausgleichen und Knochenstoffwechsel und Blut-bildung günstig beeinflussen. Dabei sollte sie metabolisch inert sein oder sogar einen positiven Einfluss auf den Stoff-wechsel haben, die Verabreichung von Medikamenten, wie z. B. Insulin oder Antibiotika, ermöglichen und das Perito-neum über viele Jahre – am besten lebenslang – funktions-

tüchtig erhalten. Klinische Studien zeigen aller-dings, dass diese Idealvorstellung nur partiell er-füllt werden kann.In der Realität unterliegt das Peritoneum einem multikausalen Alterungsprozess, der zu einer sta-tistisch signifikanten Verschlechterung der Über-lebensrate der Peritonealdialysepatienten nach durchschnittlich 2–4 Behandlungsjahren führt. Dafür werden unterschiedliche Einflüsse auf das Peritoneum verantwortlich gemacht (Zusammen-setzung der Dialyselösung, rezidivierende, teils auch subklinische Peritonitiden, die Urämie per

se, individuelle Konstitution etc.), die letztendlich über Fi-brose, Hypervaskularisation (Neoangiogenese, peritoneale Vaskulopathie) und Desorganisation der Mesothelzellen zu so schweren Alterationen der Peritonealmembran führen, dass keine ausreichende Dialyse mehr möglich ist. Der End-zustand dieser Entwicklung zeigt sich im Bild der enkapsu-lierenden peritonealen Sklerose, die bisher zwar selten be-obachtet wird, mit zunehmenden Dialysezahlen und längeren Behandlungszeiten aber immer öfter beschrieben wird.

Zusammensetzung der Dialyselösungen

In der Tabelle findet sich eine Zusammenstellung der gän-gigen zugelassenen Dialyselösungen. Die Grundidee besteht in der Schaffung einer biokompatiblen Lösung, die eine gewisse Individualisierung ermöglicht und beispielsweise durch unterschiedliche Glukosekonzentrationen unterschied-liche Osmolaritäten zulässt, wodurch die Ultrafiltration

uu Biokompatible Dialyselösungen sollen über viele Jahre eine effiziente Peritoneal-dialyse ermöglichen.uu Die Zusammensetzung der Dialyselösung und das Dialyseregime können direkt oder indirekt zu einer irreversiblen Schädigung der peritonealen Dialyseeigenschaft führen.uu Verbesserungen von Biokompatibilität und Dialyseeffizienz werden durch Modifikation des osmotischen Agens und durch Einsatz isoosmolarer Wirkstoffe oder glukosehältiger Lösungen mit geringer GDP-Konzentration angestrebt.uu Harte Endpunktdaten zum Effekt moderner, biokompatibler Dialyselösungen auf das Langzeit-überleben oder das technisches Überleben der Peritonealdialysepatienten fehlen noch.

OA Dr. Clemens O. Wieser

Klinikum Klagenfurt am Wörthersee

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beeinflusst werden kann. Allerdings scheinen Glukose und ihre bei der Hitzesterilisation entstehenden Abbauprodukte Guanosine 5’-diphosphoglucose (GDP-Glukose) und spä-ter „advanced glycation end-product“ (AGE) eine Schlüs-selposition bei der chronischen Veränderung des Peritone-ums zu haben. Ursächlich werden sowohl ein direkt toxischer Einfluss als auch indirekte Schädigungsmechanismen durch die bei der Glukose-Eiweiß-Interaktion an der Peritoneal-membran entstehenden AGE vermutet, die sich bei Anwe-senheit von GDP verstärkt bilden. Therapeutische Konse-quenzen sind ein möglichst zurückhaltender Einsatz hoch-prozentiger Glukoselösungen, die Verwendung von Icodextrin oder Aminosäuren als alternatives osmotisches Agens und die Herstellung von Lösungen mit niedrigem GDP-Gehalt.So konnte gezeigt werden, dass GDP in den Standardlö-sungen absorbiert werden und den Verlust der Nierenrest-funktion, die eine prognostisch entscheidende Bedeutung hat, beschleunigen, indem sie die proinflammatorischen, proapoptotischen und oxidativen Effekte der AGE verstär-ken. Der Einsatz von Mehrkammerbeutelsystemen, bei denen es erst nach der Hitzesterilisation zur Vermischung der Glukoselösung kommt, kann die GDP-Konzentration signifikant reduzieren.Biokompatible Lösungen erfordern auch eine zunehmend pH-neutrale Lösung mit Bicarbonat/Laktat („neutral pH low GDP biocompatible fluids“), wobei die Studienlage allerdings noch nicht ganz überzeugend ist.Die Industrie ist inzwischen in der Lage, unterschiedliche Lösungen herzustellen, die eine bessere Biokompatibilität, eine höhere Dialyseeffizienz und ein verbessertes physiolo-gisches Überleben des Peritoneums ermöglichen sollen.Aber nicht nur die Zusammensetzung, sondern auch Expo-sitionsdauer und Volumen des Dialysats könnten eine Rolle

spielen. So ist die Dialyseeffizienz beim Umstieg von der CAPD („con-tinuously ambulatory peritoneal di-alysis“, kontinuierliche ambulante Peritonealdialyse) auf die APD (ap-parative Peritonealdialyse) durch Steigerung des Dialysatvolumens und/oder der Dialysatglukosekon-zentration optimierbar. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass der intensivere Kontakt mit der potenziell inkompatiblen Lösung das Fortschreiten der oben beschrie-benen Veränderungen des Perito-neums beschleunigen kann.

Aminosäurelösungen

Aminosäurelösungen haben einen höheren pH-Wert als konventionelle glukosehältige Lösungen und enthalten keine GDP. So findet man in verschiedenen tierexperimentellen Studien auffallende Vorteile gegenüber dem Einsatz von Glukoselösungen: deutlich weniger Mesothelzellschädigung, weniger ausgeprägtes submesotheliales Ödem, geringere Ab-lagerung von AGE und weniger Neoangiogenese. Die Er-wartung, mit dem Einsatz von Aminosäurelösungen die metabolische Situation bei malnutrierten Dialysepatienten zu verbessern, wurde nur teilweise erfüllt. Zwar haben einige klinische Studien eine Verbesserung der Ernährungspara-meter malnutrierter Dialysepatienten gezeigt, doch ist ein entscheidender Kosten-Nutzen-Effekt derzeit fraglich. Den-noch empfehlen die European Best Practice Guidelines, Aminosäurelösungen bei mangelernährten Patienten zumin-dest versuchsweise anzuwenden. Eine Empfehlung, diese Lösung zur Schonung der Peritonealmembran einzusetzen, findet sich aufgrund der noch geringen Datenlage jedoch nicht.

Icodextrin

Das isoosmolare Glukosepolymer, das in einer 7,5%igen Lösung sehr langsam resorbiert wird, führt bei allen perito-nealen Transporttypen, besonders bei „high transportern“, zu einer suffizienten und schonenden Ultrafiltration. In-vitro-Biokompatibilitätsuntersuchungen an der Mesothel-zelle zeigen vergleichbare Veränderungen unter Exposition mit 1,5%iger Glukoselösung. Eine Subgruppenanalyse der European Automated Peritonealdialysis-(APD-)Outcome Study zeigt bei anurischen APD-Patienten mit Icodextrin in der Tagesverweilzeit eine konstante Funktion des Peri-

Tab.: Dialyselösungen

konventionell biokompatibel Glukosepolymer Aminosäuren

Na (mmol/l) 132–134 131–133 133 132

Ca (mmol/l) 1,25–1,75 1,25–1,75 1,75 1,75

Mg (mmol/l) 0,25–0,75 0,24–0,5 0,25 0,25

Cl (mmol/l) 95–102 95–105 96 105

Laktat (mmol/l) 35–40 0–41 40 40

HCO3 (mmol/l) 0 0–34 0 0

Glukose (g/dl) 1,36–4,25 1,36–4,25 0 0

AS (mmol/l) 0 0 0 1,1

Glukosepolymer 0 0 7,5 0

pH-Wert 5,5 6,5–7,4 5,8 6,7

Osmolarität 344–486 344–511 284 365

AS = Aminosäuren

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toneums, während es bei Patienten, die ausschließlich glu-kosehältige Lösungen verwendeten, zu einem Anstieg der peritonealen Transportraten und zu einem Rückgang der Ultrafiltrationsleistung kam.Als Nebenwirkung werden allergische Hautveränderungen beschrieben. Außerdem sind die klinischen Konsequenzen einer möglichen Maltoseakkumulation noch unklar, sodass ein maximal 1-mal täglicher Einsatz der Icodextrin-Lösung empfohlen wird. Bei mit Icodextrin behandelten Patienten muss auf falsch hohe Ergebnisse von Blutzuckermessungen bei bestimmten Messmethoden wie der Glukosedehydro-genasemethode geachtet werden.

Schlussfolgerungen

Biokompatible Dialyselösungen sollen eine effiziente Peri-tonealdialyse als Bridging zur Transplantation oder als Nie-renersatztherapie über viele Jahre ermöglichen. Die Zusam-mensetzung (Glukose, Icodextrin, Aminosäure, GDP, AGE) und das Sterilisationsverfahren, Osmolalität, pH-Wert, Art

des Puffers), aber auch das Dialyseregime (CAPD, APD, Verweilzeiten, Behandlungsvolumen) beeinflussen poten-ziell die Biokompatibilität und können direkt oder indirekt über Induktion der Inflammation zu Mesothelzellalteration, interstitieller Fibrose und Neoangiogenese des Peritoneums und damit zu einer irreversiblen Schädigung der peritone-alen Dialyseeigenschaft führen. Zahlreiche Studien versu-chen zu zeigen, dass durch Modifikation des osmotischen Agens (Icodextrin oder Aminosäuren statt Glukose), durch Einsatz isoosmolarer Wirkstoffe oder durch Einsatz gluko-sehältiger Lösungen mit geringer GDP-Konzentration so-wohl Biokompatibilität als auch Dialyseeffizienz verbessert werden. Allerdings müssen die vorliegenden Daten noch durch kontrollierte, randomisierte Studien mit größeren Patientenkollektiven abgesichert werden, um zu beweisen, dass die neueren Lösungen einen günstigen Einfluss auf harte Endpunktdaten wie Langzeitüberleben oder technisches Überleben der Peritonealdialysepatienten haben. ■

Literatur beim Verfasser

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Infektionen im Rahmen der Peritonealdialyse (PD) gelten trotz laufender Fortschritte bei Pro-phylaxe und Behandlung als wichtigste verfah-

rensspezifische Komplikationen. Bei nahezu 5 % aller US-amerikanischen PD-Patienten wird Pe-ritonitis als Todesursache angegeben, bei 16 % der Todesfälle dieser Patienten ist Peritonitis ein weiterer ursächlicher Faktor, wie Daten des USRD-Systems belegen. Darüber hinaus gelten infektiöse Komplikationen als die häufigste Ur-sache von dialyseassoziierten Hospitalisationen und von technischem Versagen der PD.Diagnose, Therapie und Prophylaxe von Katheterinfekti-onen und PD-assoziierter Peritonitis sind Thema dieses Bei-trags.

Katheterinfekt

Als Katheterinfekte werden in der Regel Infektionen der Katheteraustrittstelle (KAST) und des subkutanen Tunnels im Verlauf des PD-Katheters zusammengefasst. Nicht be-

herrschte Infektionen in diesem Bereich bergen die Gefahr einer fortgeleiteten Peritonitis und/oder eines Katheterverlusts.

Diagnose: Das diagnostische Vorgehen beinhaltet neben der klinischen Begutachtung die bakterio-logische Untersuchung eines Abstrichs, wobei das Kulturmedium für Anaerobier und Aerobier aus-gelegt werden sollte. Die Gramfärbung liefert zeit-nah erste Rückschlüsse über Art und Herkunft des Erregers.Als sicheres Infektionszeichen an der KAST gilt

lediglich eitriges Exsudat. Erythem, Schwellung und Schmerzhaftigkeit werden als unsichere Zeichen angesehen. Gleiches gilt für simultan oder isoliert ablaufende Tunnel-infekte, wobei diese oftmals klinisch oligosymptomatisch verlaufen. In diesen Fällen bietet die Tunnelsonografie eine diagnostische Hilfe.Differenzialdiagnostisch sind vor allem Irritationen bei Zu-stand nach Trauma, aber auch Kontaktallergien (Desinfek-tionsmittel, Verbandsmaterial etc.) in Betracht zu ziehen.

uu Die PD-assoziierte Peritonitis stellt hinsichtlich Morbidität und Mortalität die wichtigste Komplikation der Peritonealdialyse dar.uu Nicht beherrschbare Katheterinfekte sind ein wesentlicher Risikofaktor für die Ent-wicklung einer Peritonitis.uu Das regional sehr unterschiedliche Keimspektrum bei PD-assoziierter Peritonitis lässt eine generelle Empfehlung für die antibiotische Peritonitistherapie nicht zu.uu Ein zentrumsspezifisches Infektionsmonitoring trägt entscheidend zur Entwicklung therapeu-tischer Strategien und zur Optimierung einer effizienten Infektionsprophylaxe bei.

Dr. Martin Wiesholzer1. Medizinische Ab-

teilung, Landesklinikum St. Pölten-Lilienfeld

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Infektiöse Komplikationen bei der Peritonealdialyse

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Diagnostische Herausforderungen in der Praxis treten auch nach rezenten Katheterimplantationen (Infektion vs. Trauma) oder positivem Kulturergebnis ohne sichere In-fektionszeichen auf (Kolonisation vs. Infektion). Als diagnostisches Hilfsmittel dienen Scoring-Systeme qua-litativ und quantitativ erfasster Parameter an der KAST:• Ein 1996 von Twardowski publizierter Score erfasst die

Parameter Schorf, Sekret, Sinus, Granulationsgewebe, Kruste, Schmerz, Schwellung sowie Beschaffenheit der Umgebungshaut und unterscheidet jeweils 4 Schwere-grade.

• Eine vereinfachte Aufstellung bietet ein von Schäfer 1999 publizierter Score, der die KAST hinsichtlich Schwel-lung, Kruste, Rötung, Schmerz und Sekret erfasst, jeweils graduiert in 2 Schweregrade.

• Eine wichtige Hilfestellung hinsichtlich Diagnose und Therapieverlauf bietet die bildliche Erfassung der KAST und deren Beurteilung im zeitlichen Verlauf.

Therapie: Die antibiotische Therapie von gesicherten Ka-theterinfekten beginnt empirisch, deckt routinemäßig Sta-phylokokken-Infektionen ab und wird je nach Kulturer-gebnis modifiziert. Zur Therapie unkomplizierter Infekte können initial orale Cephalosporine der 1. Generation oder Breitspektrumpenicilline eingesetzt werden. Die Gabe von intraperitoneal applizierten Glykopeptiden sollte nur bei entsprechender Resistenzlage erfolgen (MRSA). Bei der initialen Therapie werden auch spezielle Risikositua-tionen, wie eine anamnestisch erhebbare Pseudomonas-Infektion, berücksichtigt. Die Therapiedauer beträgt zu-mindest 2 Wochen, in jedem Fall jedoch 7 Tage über die klinische Symptomatik hinaus. Bei durch Staphylococcus aureus und Pseudomonas ausgelösten Infekten wird gene-rell eine Mindesttherapiedauer von 3 Wochen empfohlen. Bei verzögertem Ansprechen sollte die Therapie nach An-tibiogramm modifiziert werden, bei protrahierten Staphy-lokokken-Infektionen ist die Zugabe von Rifampicin zu erwägen.Bei Therapieversagen ist ein Katheterwechsel unter antibio-tischer Abschirmung anzustreben. Prinzipiell ist auch eine isolierte Revision des subkutanen Tunnels möglich, die je-doch aufgrund der hohen Rezidivgefahr nur in Ausnahme-fällen durchgeführt wird.Die Prognose von Katheterinfekten verschlechtert sich bei verzögertem Therapieansprechen, bei Auftreten einer simul-tanen Peritonitis und bei Mitbeteiligung des subkutanen

Tunnels. Vor allem die Mitbeteiligung eines Katheter-Cuffs gilt als schlechtes prognostisches Zeichen, diese kann sono-grafisch diagnostiziert und im Verlauf beurteilt werden.

Infektprophylaxe an der KAST: Eine lokale antimikrobielle Prophylaxe an der KAST ist eine anerkannte prophylaktische Maßnahme. Üblicherweise wird Mupirocin empfohlen, al-ternativ ist auch die Gabe von Gentamycin möglich. Eine zusätzliche Desinfektion mit Natriumhypochlorit trägt mög-licherweise zu einer weiteren Reduktion von Kathetherin-fektionen bei und ist insbesondere bei hohen Infektionsra-ten zu erwägen.

Peritonealdialyseassoziierte Peritonitis

Auf die Bedeutung der Peritonitis hinsichtlich Morbidität, Mortalität und technischem Überleben wurde eingangs be-reits hingewiesen. Diagnose: Die klinische Symptomatik der Peritonitis bein-haltet in Abhängigkeit vom auslösenden Keim und der Aus-prägung der Infektion abdominelle Schmerzen in unter-schiedlichem Ausmaß sowie einen trüben Dialysatauslauf bedingt durch Leukozyten.Als Grenzwert für die Leukozytenzahl im Dialysat gilt: WBC („white blood cells“) > 100/µl mit 50 % polymorph-kernigen neutrophilen Granulozyten. Die Verweilzeit zum Bestimmungszeitpunkt sollte zumindest 2 Stunden betra-gen. Bei kurzer Verweilzeit gewinnt der prozentuelle An-teil polymorphkerniger neutrophiler Granulozyten

Tab.: Häufige Differenzialdiagnosen

Häufige Differenzialdiagnosen der PD-assoziierten Peritonitis• Nephrolithiasis und andere Ursachen einer Nierenkolik• Cholzystolithiasis, Cholezystitis, Cholangitis• peptische Ulzera• akute Pankreatitis• infektiöse Darmerkrankungen• gynäkologische Ursachen

Häufige Differenzialdiagnosen des trüben Peritonealauslaufs• infektiöse Peritonitis mit oder ohne Keimnachweis• chemisch induzierte Peritonitis• eosinophile Peritonitis• Hämoperitoneum• Kontamination mit Tumorzellen• Chylus• Fehlabnahme (z. B. trockenes Abdomen)

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gegenüber der Gesamtzahl an Leukozyten an Bedeutung. Bei fehlender Füllung des Abdomens ist eine Füllung der Bauchhöhle mit zumindest einem Liter Dialysat für min-destens 2 Stunden mit anschließender Diagnostik anzu-streben. Häufige Differenzialdiagnosen der PD-assoziierten Perito-nitis und des trüben Peritonealauslaufs finden sich in der Tabelle.Das weitere diagnostische Vorgehen beinhaltet die Suche nach möglichen Infektursachen und den Nachweis von ae-roben und anaeroben Kulturen im Dialysat. Das Ergebnis der Gramfärbung des Präzipitates gibt vorab Aufschlüsse über die Genese der Infektion und bietet Hilfestellung bei der Auswahl der antibiotischen Therapie. Bei Verdacht auf eine enterogene Infektionsquelle, Perforation oder Ileus empfehlen sich eine unmittelbare Bildgebung und gegebe-nenfalls eine chirurgische Intervention.Blutkulturen werden bei septischem Zustandsbild angelegt, bei starker Fibrinbildung ist die Gabe von Heparin zu er-wägen.Von entscheidender Bedeutung für den Therapieerfolg ist ein zeitnaher Keimnachweis im Dialysat: Internationalen Richtlinien zufolge sollte in mehr als 80 % der Peritoni-tisfälle ein Keimnachweis gelingen, wobei folgende Vor-gangsweise empfohlen wird: möglichst zeitnahe Zentrifu-gation von zumindest 50 ml Dialysat, Resuspension des Sedimentes und Aufbringen auf solide Nährböden und konventionelle Blutkulturmedien. Die alleinige Verwen-dung konventioneller Blutkulturmedien sollte auf Fälle beschränkt bleiben, in denen andere Methoden nicht zur Verfügung stehen.

Therapie: Die regionale Heterogenität ursächlicher Keime und unterschiedliche Resistenzlagen lassen eine generelle Empfehlung für die antibiotische Peritonitistherapie nicht zu. Die initiale Therapie vor Einlangen der Kulturergebnisse erfolgt empirisch und richtet sich nach lokalen, zentrums- und patientenspezifischen Gegebenheiten. Die Applikation erfolgt intraperitoneal.Gängige Therapieschemata sind die Kombination aus Cef-tazidim und Cefazolin oder eine Monotherapie mit Cefe-pim. Bei grampositiven Erregern gelten je nach lokaler Re-sistenzlage Vancomycin oder Cephalosporine als Therapie der 1. Wahl. Zur Therapie von Infektionen mit gramnega-tiven Keimen eignen sich Cephalosporine der 3. und 4. Generation oder Carbapeneme. Aztreonam gilt als Reser-veantibiotikum, Chinolone sollten nur bei günstiger Resis-tenzlage eingesetzt werden.

Für Aminoglykoside gilt: Eine Therapiedauer bis zu einer Woche hat kaum Auswirkungen auf die Nierenrestfunktion, längere Applikationen beinhalten hingegen die Gefahr von toxischen Nebenwirkungen. Die Einmalgabe pro Tag ist bei entsprechender Verweildauer erwiesenermaßen gleich effektiv wie eine kontinuierliche Verabreichung, die Dosie-rung erfolgt Serumspiegel-monitiert.Generell ist eine intraperitoneale Verabreichung der Anti-biotika zu bevorzugen, wobei bei intermittierender Gabe eine Mindestverweildauer von 6 Stunden anzustreben ist. Bei der Dosierung wasserlöslicher Antibiotika ist die Nie-renrestfunktion einzuberechnen, bei täglichen Harnmengen über 1.000 ml oder einer Kreatinin-Clearance > 5 ml/min wird bei nierengängigen Antibiotika eine Dosissteigerung um 25 % gegenüber den Empfehlungen für anurische Pa-tienten vorgenommen.Für die händisch durchgeführte Form der PD (continuous ambulatory peritoneal dialysis – CAPD) als eine vergleichs-weise uniforme Therapie mit langen, vorab definierten Ver-weilzeiten liegen ausreichend pharmakokinetische Daten hinsichtlich Applikationsform und Dosierung vor. Die in-termittierende Verabreichung zahlreicher Antibiotika im Rahmen der automatisierten PD (automated peritoneal di-alysis – APD) erfolgt vor dem Hintergrund großer Dialy-satvolumina und kurzer Verweilzeit oft empirisch. Indivi-duell unterschiedliche Diffusionseigenschaften des Perito-neums gewinnen unter diesen Bedingungen große Bedeutung und machen das Erreichen adäquater intraperitonealer Wirk-stoffkonzentrationen während der Cycler-Behandlung un-sicher.Vor diesem Hintergrund ist ein Wechsel auf ein APD-Re-gime mit längeren Verweilzeiten während einer antibio-tischen Therapie in jedem Fall zu erwägen.

Spezielle Peritonitisformen

Kulturnegative Peritonitis: Die Ursachen eines fehlenden Keimnachweises bei nachgewiesener Peritonitis können tech-nisch begründet sein, aber auch im klinischen Bereich liegen. Antibiotisch vortherapierte Patienten einerseits oder erre-gerspezifische Ursachen (Mykobakterien, Legionellen, My-koplasmen, Uroplasmen, Pilze oder Enteroviren) andererseits können einen fehlenden Keimnachweis verursachen.Zentrumsintern sollte der Prozentsatz kulturnegativer Pe-ritonitiden unter 20 % liegen. Bei Therapieversagen ist in jedem Fall nach 5 Tagen die Katheterentfernung unter Fort-setzung einer empirischen antibiotischen Therapie anzu-streben.

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Polymikrobielle Peritonitis: Eine polymikrobielle Peritonitis mit mehreren kulturell nachgewiesenen Erregern im gram-positiven Bereich ist häufig durch eine Kontamination ver-ursacht und spricht in der Regel gut auf die antibiotische Therapie an.Gramnegativen polymikrobiellen Peritonitiden liegt hin-gegen häufig ein intraabdomineller Prozess zugrunde, der neben einer adäquaten antibiotischen Therapie weiterfüh-render diagnostischer Maßnahmen bedarf. Bei fehlendem Ansprechen sollte frühzeitig an eine Katheterentfernung und an eine detaillierte abdominelle Exploration gedacht werden. Fungale Peritonitis: Die fungale Peritonitis ist mit einer hohen Mortalität behaftet. Neben einer systemischen antimyko-tischen Therapie wird die Entfernung des PD-Katheters empfohlen. Möglichkeiten der antimykotischen Therapie umfassen Amphotericin B (geringe intraperitoneale Pene-tration nach i. v. Gabe, peritoneale Reizung bei intraperi-tonealer Gabe), Fluconazol (gute intraperitoneale Penetra-tion, jedoch hohe Resistenzraten) sowie vor allem Echino-candine (Aspergillus- und Non-Candida-Infekte) und Voriconazol.

Protrahierte Peritonitis: Bei protrahierter Peritonitis, definiert als Peritonitis ohne Besserung innerhalb von 48 Stunden nach Therapiebeginn, sollte neuerlich Material für eine mi-krobielle Kultur gewonnen (Resuspensionstechnik) und die antibiotische Therapie gewechselt werden. Bei ausblei-bendem Therapieerfolg ist nach 5 Tagen die Entfernung des Katheters indiziert, um eine erhöhte Morbidität, Mor-talität und dauerhafte Schädigung des Peritoneums zu ver-hindern. Häufige Indikationen zur Katheterentfernung sind• refraktäre Peritonitis • relapsierende Peritonitis • refraktäre KAST- und Tunnelinfekte• fungale Peritonitis• polymikrobielle gramnegative Peritonitis und• mykobakteriell bedingte Peritonitis

Dokumentation

Jedes Zentrum sollte ein detailliertes Infektionsmonitoring betreiben. Erhoben werden sollten unter anderem:• Inzidenz von Katheterinfekten und Peritonitiden• Katheterverlustraten• Keimnachweis aller Katheterinfekte und Peritonitiden

• Empfindlichkeit auslösender Keime und – davon abge-leitet –

• die vorliegende Resistenzlage• mögliche Infektionswege und Ursachen und die• individuelle Infektanalyse einzelner Patienten im Bedarfs-

fall

Eine lückenlose Dokumentation trägt entscheidend zur Ent-wicklung diagnostischer und therapeutischer Strategien und zur Optimierung der Infektprophylaxe bei. Patientenspezi-fische individuelle Analysen helfen bei der Prophylaxe rezi-divierender Infekte.Die Höhe der Peritonitisrate eines Zentrums hängt nicht nur von der Qualität der Schulung und deren Umsetzung ab, sondern auch vom Alter, den kognitiven und körper-lichen Fähigkeiten der Patienten oder der assistierenden Angehörigen.Peritonitisraten eignen sich nur bedingt zum Zentrumsver-gleich und sollten vielmehr als Qualitätsparameter im zeit-lichen Verlauf innerhalb eines Zentrums herangezogen wer-den.

Peritonitisprophylaxe

Prophylaktische Strategien beinhalten zu allererst optimierte Schulungsprogramme für Patienten. Ein strukturiertes, auf die individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten des Patienten und seiner betreuenden Angehörigen abgestimmtes Erlernen der PD-Technik bildet die Grundlage jeder erfolgreichen Infektionsprophylaxe.Darüber hinaus sind prophylaktische Maßnahmen in spe-ziellen Situationen von Nutzen: Vor Katheterimplantation verringert die einmalige intravenöse Gabe eines Antibioti-kums die Zahl perioperativer Infekte signifikant. Vor Ma-nipulationen im Gastrointestinal- oder Urogenitaltrakt, wie z. B. Koloskopien und Hysterektomien, ist eine antibiotische Prophylaxe ebenso erfolgreich wie vor Eingriffen im Kiefer- und Mundbereich.

Zusammenfassend stellen Prophylaxe, Diagnostik und The-rapie infektiöser Komplikationen aufgrund ihrer Auswir-kungen auf Morbidität, Mortalität und die technische Ver-sagensrate der Methode Kernfaktoren eines erfolgreichen PD-Programms dar und bedürfen innerhalb jedes PD-Zen-trums intensiver kontinuierlicher Aufmerksamkeit und Wei-terentwicklung. ■

Literatur beim Verfasser

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Die Peritonealdialyse intensivieren, die Dialysequalität verbessern

E ine adäquate Peritonealdialyse (PD) ist ein wichtiger Baustein zur Versorgung terminal niereninsuffizienter Patienten. Wenn der Be-

griff „adäquate Dialyse“ im weiteren Sinn auch die Kontrolle von Anämie, Kalzium-Phosphat-Stoffwechsel und Säure-Basen-Haushalt ein-schließt, bezieht sich dieser Artikel im Wesent-lichen auf die Elimination von Urämietoxinen und die Optimierung des Salz- und Wasserhaus-haltes. Auch der Erhalt der Nierenrestfunktion, obwohl eminent wichtig, ist nicht Gegenstand des Beitrags und wird nur am Rande gestreift.

Clearance kleinmolekularer Urämietoxine

Über viele Jahre wurden bei der Beurteilung der PD dem wöchentlichen Faktor Kt/V (Harnstoff-Clearance dividiert durch Verteilungsvolumen, in diesem Fall das Körperwas-ser) und der wöchentlichen Kreatinin-Clearance viel Ge-wicht beigemessen. In den im Jahre 2000 publizierten NKF-DOQI-Guidelines wurde noch empfohlen, bei Patienten an der kontinuierlichen ambulanten Peritonealdialyse (CAPD) ein wöchentliches Kt/V von ≥ 2,0 zu erreichen. Diese Richtlinien basierten auf verschiedenen prospektiven Kohortenstudien, die einen signifikanten Zusammenhang zwischen Clearance zunächst kleinmolekularer Substanzen und Patientenüberleben beschrieben haben. Allerdings waren diese Studien nicht randomisiert. Außerdem wurden renale und peritoneale Clearance nicht getrennt analysiert. Eine

Nachanalyse der CANUSA-Studie (der größten der erwähnten Arbeiten) zeigte, dass diese Arbeit eher einen Zusammenhang zwischen Rückgang der residualen renalen Clearance und einer erhöh-ten Mortalität beschreibt. Über die Bedeutung der peritonealen Clearance konnte aber keine Aus-sage gemacht werden. Es blieb unklar, ob bei Rückgang der renalen Clearance eine entspre-chende Intensivierung der peritonealen Clearance um dieselbe Größenordnung eine prognostische Bedeutung hat. Die NKF-DOQI-Guidelines 2000 empfahlen außerdem, bei Patienten an der auto-matisierten Peritonealdialyse (APD) geringfügig höhere kleinmolekulare Clearances anzustreben (z. B. Gesamt-Kreatinin-Clearance ≥ 63–66 l/

Woche/1,73 m2). Diese Empfehlung war eine Expertenmei-nung ohne klare Evidenz und basierte auf der Vorstellung, dass wie bei Hämodialysepatienten die Spitzenkonzentrati-onen der Urämietoxine zwischen den Cycler-Behandlungen besonders toxisch sind und daher im Unterschied zur CAPD eine intensivierte Elimination dieser Toxine erfordern. Al-lerdings waren in die meisten der erwähnten Kohortenstu-dien keine oder kaum Patienten an der APD eingeschlossen.Die Ergebnisse zweier randomisierter Studien relativierten später die Bedeutung der peritonealen Clearance. In der ADEMEX-Studie unterschied sich das 2-Jahres-Überleben mexikanischer CAPD-Patienten nach Therapieintensivie-rung (peritoneales Kt/V 2,1/Woche) nicht von dem einer Kontrollgruppe unter konventioneller CAPD (4-mal 2 l, peritoneales Kt/V 1,6/Woche). Die Nierenrestfunktion hatte

uu Nationale und internationale Guidelines empfehlen sowohl für die kontinuierliche ambulante Peritonealdialyse (CAPD) als auch für die automatisierte Peritonealdia-lyse (APD) einen Kt/V-Zielbereich ≥ 1,7/Woche.uu Die Kreatinin-Clearance sollte vor allem bei APD-Patienten bestimmt werden.uu Zur Verbesserung der peritonealen Mittelmolekül-Clearance muss die Peritonealhöhle ständig mit Dialysat gefüllt sein (CAPD oder kontinuierliche zyklische PD).uu Natrium und Wasserhaushalt sind immer in Zusammenhang mit dem Ernährungsstatus zu beurteilen. Klare Empfehlungen fehlen weitgehend.uu Eine vermehrte Glukosebelastung schädigt Struktur und Funktion der Peritonealmembran.

Univ.-Prof. Dr. Andreas Vychytil

Abteilung für Nephrolo-gie und Dialyse, Klinik für Innere Medizin III,

Medizinische Universität Wien

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aber einen signifikanten Einfluss auf das Patientenüberleben. Auffällig war auch, dass trotz vergleichbarem Überleben in den Gesamtkohorten in der Kontrollgruppe (peritoneales Kt/V 1,6/Woche) mehr Todesfälle aufgrund von Hyperka-liämie, Azidose und kardialer Dekompensation (möglicher-weise durch Überwässerung) beschrieben wurden. In einer anderen randomisierten Studie aus Hongkong hatte das wöchentliche Gesamt-Kt/V keinen Einfluss auf das Patien-tenüberleben, das Drop-out wegen inadäquater Dialyse und auch der Erythropoetinverbrauch waren aber bei Patienten mit einem Kt/V von < 1,7/Woche höher. Schließlich fand sich in einer Analyse der Daten von anurischen PD-Patienten der NECOSAD-Studie, einer prospektiven Kohortenstudie, erst bei einem wöchentlichen Kt/V von < 1,5 und einer Kreatinin-Clearance von < 40 l/Woche/1,73 m2 ein signi-fikanter Mortalitätsanstieg. In der vor zehn Jahren publi-zierte European APD Outcome Study (EAPOS) konnten bei anurischen APD-Patienten durch optimierte Behandlung zu > 80 % wöchentliche Kreatinin-Clearance-Werte von ≥ 60 l/Woche/1,73 m2 und ein 2-Jahres-Überleben von 78 % erreicht werden. In der Studie fehlte leider eine Kontroll-gruppe. Das Überleben bei diesen zuvor nicht als PD-Kan-didaten eingestuften Patienten war aber mit jenem in Stu-dien vergleichbar, in die Dialysepatienten mit Nierenrest-funktion eingeschlossen waren. EAPOS erbrachte keinen Unterschied im Überleben zwischen Patienten, die das Ziel einer wöchentlichen Kreatinin-Clearance von ≥ 60 ml/min/1,73 m2 erreicht haben, und jenen, die unter dem Ziel-bereich lagen. Dies stellt die ursprünglichen Empfehlungen der NKF-DOQI-Guidelines aus dem Jahre 2000 in Frage, die für APD-Patienten noch höhere Kreatinin-Clearances und Kt/V-Werte empfahlen.Basierend auf den erwähnten rezenteren Studien haben ver-schiedene internationale und nationale Guidelines bezüglich Clearance kleinmolekularer Urämietoxine folgende Emp-fehlungen publiziert:• Sowohl für CAPD- als auch für APD-Patienten wurde

der Kt/V-Zielbereich auf ≥ 1,7/Woche gesenkt. Diese auf Basis der genannten Studien sinnvolle Empfehlung wurde auch durch neuere Studien bestätigt, die ebenfalls eine erhöhte Mortalität und eine kürzere Zeit bis zur ers-ten Hospitalisierung bei anurischen PD-Patienten mit einem Kt/V von < 1,7/Woche im Vergleich zu besser di-alysierten Patienten beschreiben.

• Die NKF-DOQI-Guidelines empfehlen in ihrem letz-ten Update, die Kreatinin-Clearance nicht mehr zu be-stimmen. Die europäischen und ISPD-Guidelines emp-fehlen hingegen, diese zumindest bei APD-Patienten (vor allem bei jenen mit unterdurchschnittlichen peritone-alen Transportraten) zu messen. Ein Argument für die Bestimmung der Kreatinin-Clearance ist, dass durch das im Vergleich zu Harnstoff höhere Molekulargewicht die Diffusion aus der Peritonealmembran in die Peritoneal-

höhle langsamer stattfindet und somit die Kreatinin-Clea-rance enger als die Harnstoff-Clearance mit der Elimi-nation höhermolekularer Urämietoxine und auch mit der peritonealen Phosphat-Clearance korreliert. Unsere Strategie ist daher, bei allen PD-Patienten sowohl Kt/V als auch Kreatinin-Clearance zu bestimmen.

Clearance von größeren Urämietoxinen („Mittelmoleküle“)

Mittelmoleküle werden besonders gut über die Niere aus-geschieden, die renale Clearance ist daher der peritonealen Clearance diesbezüglich deutlich überlegen. Mit Rückgang der Nierenrestfunktion muss aber die peritoneale Mittel-molekül-Clearance optimiert werden. Je größer das Mole-kulargewicht eines Urämietoxins ist, desto langsamer dif-fundiert es in die Peritonealhöhle und desto weniger ist das Dialysat auch nach langen Dialysatverweilzeiten mit diesem Toxin gesättigt. Bereits vor mehr als 20 Jahren beschrieben Keshaviah et al., dass eine Erhöhung der Zahl der CAPD-Wechsel zwar die peritoneale Clearance kleinmolekularer Substanzen, nicht jedoch jene größerer Moleküle steigert. Wir konnten in verschiedenen klinischen Studien zeigen, dass Patienten, deren Peritonealhöhle rund um die Uhr mit Dialysat gefüllt ist, immer dieselbe Beta-2-Mikroglobulin-Clearance haben, unabhängig davon, wie hoch der Dialy-satumsatz bei der nächtlichen Cycler-Therapie ist oder ob zusätzlich manuelle Tageswechsel durchgeführt werden. Auch eine Tidal-Peritonealdialyse (unvollständige Entlee-rung der Bauchhöhle bei jedem Zyklus, Gesamtauslauf erst am Ende der Behandlung) beeinflusste die Beta-2-Mikro-globulin-Clearance im Vergleich zur konventionellen APD nicht. Hingegen führt eine nächtliche Cycler-Therapie ohne Füllung der Peritonealhöhle während des Tages zu deutlich niedrigeren Clearance-Raten als bei einem Regime mit Ta-gesverweilzeit. Um die peritoneale Mittelmolekül-Clearance zu optimieren, muss daher ein PD-Verfahren gewählt wer-den, bei dem die Peritonealhöhle ständig mit Dialysat gefüllt ist (also CAPD oder kontinuierliche zyklische PD [CCPD]). Dies wird auch von internationalen Guidelines empfohlen. Darüber hinaus werden Mittelmoleküle durch konvektiven Stofftransport peritoneal eliminiert. Eine Steigerung der Ul-trafiltration, vor allem durch Icodextrin, erhöht daher die Mittelmolekül-Clearance.

Salz- und Wasserhaushalt

Das Erreichen eines stabilen Salz- und Wasserhaushaltes ist besonders bei Rückgang der Nierenrestfunktion schwierig. Je höher die peritonealen Transportraten, desto eher profi-tiert der Patient von kürzeren Dialysatverweilzeiten. Aktu-ellere Studien zeigen, dass Patienten mit hohen peritonealen Transportraten („high transporter“) im Vergleich zu ˘

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anderen Transporttypen an der CAPD ein schlechteres, an der APD aber vergleichbares Überleben haben. Für die Be-trachtung des Wasserhaushaltes spielt die Salzbilanz eine Rolle. Ein Training bezüglich Salzrestriktion sollte eigentlich bereits in der Prädialysephase erfolgen. Klinische Studien zeigen an der PD eine signifikante Korrelation zwischen Salz-elimination und Patientenüberleben. Ein ähnlicher Zusam-menhang wurde auch für den Flüssigkeitsentzug beschrieben. Günal et al. konnten zeigen, dass an der CAPD eine Natri-umrestriktion, und bei einem Teil der Patienten eine zusätz-liche intensivierte Ultrafiltration zu einer signifikanten Blut-drucksenkung und einer eindrucksvollen Reduktion des An-tihypertensivabedarfs führen. Der stärkste Faktor für eine optimierte Salzelimination ist die erhaltene Nierenrestfunk-tion. Die peritoneale Natrium-Clearance ist an der CAPD besser als an der APD. Dies kann durch das „sodium sieving“ erklärt werden. Bei Verwendung von Glukoselösungen ver-laufen etwa 40–50 % der peritonealen Ultrafiltration über Aquaporine. Da diese nur für Wasser, aber nicht für Natrium permeabel sind, kommt es in den ersten 1–2 Stunden der Dialysatverweilzeit zu einem „freien Wassertransport“ (ohne Natrium) in die Peritonealhöhle. Erst bei längeren Verweil-zeiten diffundiert Natrium durch den steiler werdenden Kon-zentrationsgradienten (das Dialysat wird zunächst durch den freien Wassertransport verdünnt) vermehrt in die Peritone-alhöhle. Will man an der APD die peritoneale Natriumeli-mination erhöhen, müssen möglichst lange Dialysatverweil-zeiten gewählt werden. Icodextrin erhöht die peritoneale Natriumelimination aus zwei Gründen: Erstens findet in diesem Fall die peritoneale Ultrafiltration nur zu einem ge-ringen Anteil über die Aquaporine statt (kein „sodium sie-ving“). Zweitens wird vermehrt Natrium konvektiv trans-

portiert. Daher optimiert die Verwendung von Icodextrin-hältigen Lösungen in den langen Dialysatverweilzeiten, also bei CAPD-Patienten über Nacht und bei APD-Patienten tagsüber, die peritoneale Salzelimination. Die Verwendung dieser Lösung ist daher vor allem bei anurischen Patienten wichtig. Eine Erhöhung des peritonealen Füllvolumens stei-gert bis zu einem gewissen Ausmaß die peritoneale Ultrafil-tration und auch die Natriumelimination. Allerdings wird durch ein höheres Füllvolumen auch der intraperitoneale Druck erhöht. Dies steigert den lymphatischen Abfluss aus der Peritonealhöhle und kann der Ultrafiltration entgegen-wirken. Es kann aber kein einheitliches Füllvolumen definiert werden, ab dem die Flüssigkeitsresorption signifikant ansteigt. Auf einen möglichen Rückgang der peritonealen Ultrafiltra-tion bei sehr hohen Füllvolumina ist jedenfalls zu achten. Klare Empfehlungen bezüglich des Natrium- und Wasser-haushalts sind bisher kaum publiziert worden. Nur die Eu-ropean Best Practice Guidelines empfehlen, bei PD-Patienten einen Flüssigkeitsentzug von zumindest 1.000 ml/Tag an-zustreben (bei Nierenrestfunktion können Harnausscheidung und peritoneale Ultrafiltration addiert werden). Eine rezente Studie mit anurischen PD-Patienten hat die Richtigkeit die-ser Empfehlungen bestätigt. Patienten mit einer peritonealen Ultrafiltration von < 1 l hatten ein schlechteres Überleben als solche mit höherer Ultrafiltration. In der multivariaten Analyse hatte die peritoneale Ultrafiltration einen signifi-kanten Einfluss auf die Mortalität. Allerdings muss bei der Betrachtung des Salz- und Flüssigkeitshaushaltes immer auch die Aufnahme beachtet werden. Eine Natriumrestriktion korreliert nicht immer mit besseren klinischen Ergebnissen. Niedrige Natriumzufuhr kann auch Ausdruck einer Man-gelernährung/Appetitlosigkeit sein und ist in diesem Fall mit einer erhöhten Mortalität assoziiert. Weitere Natriumrestrik-tion kann den Appetit verschlechtern und die Situation wei-ter verschlimmern. Natrium und Wasserhaushalt sind deshalb immer in Zusammenhang mit dem Ernährungsstatus zu be-urteilen.

Peritoneale Glukosezufuhr

Im Gegensatz zur Hämodialyse wird an der PD ein allzu starkes Anheben der peritonealen Clearance um den Preis einer erhöhten Glukosebelastung erkauft. Zahlreiche Stu-dien zeigen, dass eine vermehrte Glukosebelastung (inklusive der Glukosespaltprodukte) zu verstärkten morphologischen Schäden an der Peritonealmembran, verbunden mit einer eingeschränkten peritonealen Funktion führen kann. Ver-mehrte Glukosebelastung wurde auch als Risikofaktor für das Entstehen einer enkapsulierenden peritonealen Sklerose beschrieben. Die absorbierte Glukose führt auch zu meta-bolischen Effekten. Beispielsweise beschreiben klinische

Abb. 1: CAPD-Behandlungsschema zu Beginn und Optimierungsmöglichkeiten

CAPD4-mal 1,5 l mit 1,36 % (1,5 %) Glukose

Clearance/Ultrafiltration inadäquat

bei raschen peritonealen Transportraten:

APD

unzureichende Clearance: APD, (HD)

alle anderen peritonealen Transporttypen:

Füllvolumen pro Wechsel �Icodextrin in der Nacht(v. a. bei Flüssigkeits-

absorption )

unzureichende Ultrafiltration:Glukosekonzentration im

Dialysat �

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Studien eine erhöhte Inzidenz des metabolischen Syndroms bei PD-Patienten mit vermehrter peritonealer Glukosezu-fuhr. Dieses ist mit einer signifikanten Reduktion des Pati-entenüberlebens assoziiert. Ein unnötig hoher Umsatz von Dialyselösungen ist daher bei PD-Patienten zu vermeiden. Die Reduktion der Glukosezufuhr kann auch durch die Verwendung von glukosefreien Dialyselösungen unterstützt werden (siehe Beitrag über PD-Lösungen).

Zusammenfassung – praktische Aspekte

Die Abbildungen 1 und 2 fassen praktische Schritte zusam-men, die zu einer adäquaten PD führen. Zur Optimierung der Mittelmolekül-Clearance und der Natriumelimination wählen wir praktisch ausschließlich Verfahren, bei denen die Peritonealhöhle durchgehend mit Dialysat gefüllt ist, also CAPD oder CCPD. An der CAPD beginnen wir in unserem Zentrum bei vorhandener Nierenrestfunktion mit 4 Dialysatwechseln mit einem Füllvolumen von jeweils 1,5 l und niedriger Glukosekonzentration. Ist die Dialyse inad-äquat, kann das Füllvolumen erhöht werden. Vor allem bei Flüssigkeitsresorption in der langen Verweilzeit (üblicher-weise in der Nacht) kann anstelle der Glukoselösung Icod-extrin-hältige Lösung verwendet werden. Dies steigert die Ultrafiltration und dadurch auch zusätzlich die Clearance (Kreatinin-Clearance, Kt/V) und optimiert die Natriume-limination. Nur in Ausnahmefällen erhöhen wir die Zahl der Dialysatwechsel auf über 4/Tag, da in diesem Fall die Lebensqualität beeinträchtigt und die Patientenkooperation entsprechend schlecht ist. Ist die Ultrafiltration auch nach Zugabe von Icodextrin-hältiger Lösung unzureichend, kann die Glukosekonzentration im Dialysat erhöht werden. Bleibt die Clearance auch bei Optimierung des Füllvolumens und Zugabe von Icodextrin unzureichend, sollte auf APD um-gestellt werden. Bei niedrigen peritonealen Transportraten muss auch ein Transfer an die Hämodialyse in Erwägung gezogen werden, dies vor allem bei hohem Körpergewicht und Anurie. Bei Patienten mit hohen peritonealen Trans-portraten sollte frühzeitig auf APD umgestellt werden.An der APD beginnen wir bei vorhandener Nierenrestfunk-tion zunächst mit einem nächtlichen Cycler-Behandlungs-volumen von 10 l (z. B. 5 Zyklen à 2 l oder 4 Zyklen à 2,5 l je nach Körpergewicht, nur niedrige Glukosekonzentration, Behandlungszeit 9 Stunden) und einer Tagesfüllung („last bag“) mit 1 l Icodextrin-hältiger Lösung. Eine Tidal-Peri-tonealdialyse (z. B. initiale Füllung mit 2,5 l, 5 Zyklen mit 1.750 ml) vergrößert zwar nicht die Effektivität der Behand-lung, wohl aber den Patientenkomfort (z. B. weniger nächt-liche Alarme). Ist die Dialysequalität inadäquat, werden zu-nächst die Füllvolumina optimiert. Der Vorteil einer Erhö-hung des Füllvolumens bei konstant bleibendem

Behandlungsvolumen (z. B. 4-mal 2,5 l anstelle von 5-mal 2 l) ist die längere Dialysatverweilzeit pro Zyklus und damit eine bessere Natriumelimination. Als nächster Schritt wird das nächtliche Behandlungsvolumen auf 15 l erhöht. Sollte dies nicht ausreichen, führt der Patient tagsüber einen ma-nuellen Dialysatwechsel („CCPD + CAPD“) durch, hat also in diesem Fall 2 Tagesverweilzeiten (z. B. 11 h Icodextrin-hältige Lösung, 4 Stunden Glukoselösung). Nur in Ausnah-mefällen erhöhen wir das nächtliche Cycler-Behandlungs-volumen über 15 l. Bei weiterhin inadäquater Ultrafiltration kann die Glukosekonzentration während der Cycler-Be-handlung erhöht werden. Bei massiver Erhöhung der peri-tonealen Glukosezufuhr, z. B. mehr als 50 % hochprozen-tige Glukosekonzentration trotz optimiertem PD-Regime, sollte allerdings je nach klinischer Situation auch die Mög-lichkeit einer Transferierung an die HD in Erwägung ge-zogen werden.Abschließend muss erwähnt werden, dass natürlich Allge-meinmaßnahmen (z. B. diätetische Natriumrestriktion) zu einer Optimierung der Dialysequalität essenziell wichtig sind und dass je nach klinischer Situation auch einmal ein oder mehrere der in den Abbildungen erwähnten Schritte übersprungen werden müssen, so z. B. bei massiver Über-wässerung initiale Verwendung hochprozentiger Gluko-selösungen. ■

Literatur beim Verfasser

APDin der Nacht Behandlungsvolumen 10 l, 1,36 % (1,5 %) Glukose, Füllvolumen pro Zyklus 2–2,5 l, Behandlungszeit 9 h; Tagesver-

weilzeit („letzter Beutel“) mit 1 l Icodextrin-hältiger Lösung

Clearance/Ultrafiltration inadäquat

unzureichend:nächtliches Behandlungsvolumen � (bis 15 l)

Optimierung der Füllvolumina2,5–3 l/Zyklus in der Nacht, bis 2,5 l tagsüber

unzureichend:manueller Tageswechsel

unzureichende Clearance:(nächtliches Behandlungsvo-

lumen 20 l), HD

unzureichende Ultrafiltration: Glukosekonzentration im Dialysat in der Nacht �

Abb. 2: APD-Behandlungsschema zu Beginn und Optimierungsmöglichkeiten

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Patientenauswahl für PD: Wer ist geeignet?

Für die Patientenauswahl zur Durchführung der PD als Form der Nierenersatztherapie (NETH) sind nicht alleine medizinische Indikation und

Kontraindikationen ausschlaggebend. Die letzt-lich entscheidenden Kriterien stellen Patienten-charakteristika und das psychosoziale Umfeld dar.

Historie

Mit Hilfe der PD wurde von Professor Gantner in Würzburg erstmals im Jahr 1923 eine Patien-tin mit postpartalem akutem Nierenversagen er-folgreich dialysiert. Die PD war also die erste NETH zur Behandlung des akuten Nierenversa-gens und in der Folge auch der terminalen Nie-reninsuffizienz. Im Jahr 1943 baute Willem Kolff die Trom-melniere, mit der erstmals eine extrakorporale Blutreinigung bei einer Patientin mit akutem Nierenversagen erfolgreich durchgeführt werden konnte. Die rasche technische Ent-wicklung der Hämodialyse (HD), die damals eine wesentlich besser steuerbare und effizientere Therapieform darstellte, verdrängte die PD. Erst in den 1970er-Jahren wurde die PD aufgrund der besseren Biokompatibilität der verwende-ten Materialien (Tenckhoff-Katheter aus Silikon) von Pop-ovich und Moncrief in Form der kontinuierlichen ambu-lanten Peritonealdialyse (continuously ambulatory peritoneal dialysis – CAPD) in Kanada wieder als NETH eingesetzt. Während der 1970er-Jahre wurde die PD in Europa vor allem bei Patienten mit vielen Komorbiditäten als quasi letztmögliche Therapie option zur Lebensverlängerung

Schwerstkranker eingesetzt. Entsprechend schlecht waren die Behandlungsergebnisse. B.H. Scribner kommentierte die PD damals als „second class treatment for second class patients done by second class doctors“. Scribners Aussage ist bei gezieltem Einsatz der PD schon lange nicht mehr gültig, zumal mehrere klinische Studien gezeigt haben, dass Patienten, die die NETH mit PD beginnen, während der ersten drei Jahre einen Überlebens-vorteil gegenüber HD-Patienten haben. Dieser Überlebensvorteil bleibt bei zeitgerechter Um-stellung auf HD erhalten.

Medizinische Kriterien: Indikationen und Kontraindikationen

Eine zwingende medizinische Indikation zur PD besteht bei Patienten mit prärenalem Nierenversagen infolge einer terminalen kongestiven Kardiomyopathie (kardiorenales Syndrom), die zur Herztransplantation gelistet sind und auf diese Weise ambulant bis zum Eintreffen eines geeigneten Spenderorgans überbrückt werden können. Patienten, deren Gefäßstatus die Anlage eines Shunts oder eines Zentralve-nenkatheters (ZVK) unmöglich macht, oder Patienten, die häufig rezidivierende Shuntthrombosen oder rezidivierende PermCath-Infektionen mit septischem Zustandsbild ent-wickeln, haben oft keine andere Wahl und müssen der PD zugeführt werden. Für Diabetiker (allen voran Typ-2-Diabetiker) ergeben sich mehrere Aspekte, die es gegeneinander abzuwägen gilt.

uu Peritonealdialyse (PD) als Ersttherapie kann zu einem langfristigen Überlebens-vorteil gegenüber der Hämodialyse (HD) führen.uu Neben klaren medizinischen Indikationen und Kontraindikationen bestimmen Persönlichkeitsstruktur und soziales Umfeld die Eignung eines Patienten für die PD.uu Für die PD eignen sich nur Patienten, die Selbstverantwortung übernehmen können und wollen und die erkrankungsbedingte Freiheitseinschränkung akzeptieren.uu Für Kinder ist die APD eine gute Option, da sie einen nahezu ungestörten Tagesablauf ermöglicht.

Univ.-Prof. Dr. Paul König

Universitätsklinik für In-nere Medizin IV, Medizi-

nische Universität Innsbruck

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In den meisten Fällen bestehen kardiozerebrovaskuläre Ko-morbiditäten, die durch ausgewogene Flüssigkeitsbilanzen, wie sie bei der PD möglich sind, günstig beeinflusst werden können. Der Krankheitsverlauf wird auch durch den län-gerfristigen Erhalt der Restdiurese positiv beeinflusst. An-dererseits führt die Verwendung hochprozentiger Gluko-selösungen in den meisten Fällen zu Gewichtszunahme und die Blutzuckereinstellung ist erschwert. Diesem Umstand kann durch den Einsatz von Icodextrin und/oder amino-säurehältigen Lösungen entgegengewirkt werden. Wichtig ist die Verwendung pH-neutraler Glukoselösungen, um die Bildung von „advanced glycation end-products“ (AGE) möglichst gering zu halten und so die Transportcharakte-ristik des Peritoneums so wenig wie möglich zu verändern.Bei Patienten mit ausgeprägter kardiovaskulärer Instabilität im Rahmen einer primären terminalen Niereninsuffizienz (renokardiales Syndrom) ist der PD aus medizinischer Sicht ebenfalls der Vorzug zu geben. Dadurch können eine zu-sätzliche Volumenbelastung durch einen Dialyse-Shunt ver-mieden und eine kontinuierliche Ultrafiltration sichergestellt werden, um große Volumenschwankungen zu verhindern.Bei therapieresistentem Aszites bedingt durch ein hepato-renales Syndrom mit terminaler Niereninsuffizienz kann es – nach Wiederherstellung stabiler Kreislaufverhältnisse und einer Harmonisierung des Wasser- und Elektrolythaushaltes – durchaus zur Stabilisierung der Nieren- und Leberfunk-tion kommen. In diesem Fall kann die Nierenersatztherapie abgebrochen oder zumindest für einen längeren Zeitraum pausiert werden. Der Albuminmangel durch verminderte Synthese und peritonealen Verlust kann parenteral oder durch entsprechende Ernährung korrigiert werden.Auch bei Kindern ist die PD der HD als NETH vorzuzie-hen. Die Therapie kann zu Hause durchgeführt und durch den Einsatz der APD der Tag für Schulbesuch und andere Alltagsaktivitäten freigehalten werden. Dies ermöglicht einen nahezu ungestörten Tagesablauf. Darüber hinaus bleiben den Kindern die schmerzhaften Shunt-Punktionen erspart, und durch geringere diätetische Restriktionen kann die Er-nährung abwechslungsreicher gestaltet werden. Auch die Einschränkung der Flüssigkeitszufuhr bewegt sich in tole-rablen Grenzen. Das Wachstum der Kinder wird durch die PD weniger beeinträchtigt und die Chance einer normalen Entwicklung steigt.

Medizinische Kontraindikationen (KI)

Absolute medizinische KI sind aktive, chronisch-entzünd-liche Darmerkrankungen, geistige Retardierung, Psychosen, Schwangerschaft und hoher Querschnitt mit Tetraplegie.Relative KI sind Zystennieren, die durch ihre Größe zu viel Raum einnehmen, sodass für die Dialyseflüssigkeit zu wenig Platz bleibt.

Bei einem Body-Mass-Index über 30 kann bei fehlender Restdiurese eine adäquate Dialysebehandlung nicht garan-tiert werden. Darüber hinaus treten bei Adipositas Kompli-kationen wie „leakage“, Katheterdislokation und verzögerte Wundheilung häufiger auf. Die klinische Praxis zeigt auch immer wieder, dass übergewichtige Patienten nach PD-Be-ginn noch weiter an Gewicht zunehmen. Dazu tragen die Entgiftung, die zu einem besseren Appetit führt, und die zusätzliche Kalorienzufuhr in Form von Glukose, die aus dem Dialysat aufgenommen wird, bei. Auch der Ersatz von Glukose durch Icodextrin oder Aminosäurelösungen min-destens 1-mal täglich ist kein Garant für stabile Gewichts-verhältnisse.Abdominelle Verwachsungen können zu mechanischen Komplikationen führen und bei Reduktion der peritonealen Oberfläche auf unter 50 % die Dialyseeffizienz gefährden.Bei bestehenden abdominellen Hernien ist eine PD nur nach erfolgreicher chirurgischer Sanierung im Vorfeld oder simultan im Rahmen der Tenckhoff-Katheter-Implantation möglich, wenn bis zum Behandlungsbeginn mindestens drei Wochen Zeit bleiben.

Wohnverhältnisse: Beengte und/oder hygienisch ungeeignete Wohnverhältnisse können den Ablauf der Behandlung durch schwere Belastung der familiären Situation wesentlich be-einträchtigen bzw. zu infektiösen Komplikationen führen. Andererseits ist die Annahme, unhygienische Verhältnisse steigern die Immunkompetenz, zwar weder wissenschaftlich haltbar noch erstrebenswert, bestätigt sich aber in Einzel-fällen in der Behandlungspraxis.Single-Dasein in hohem Alter drängt die Betroffenen in soziale Isolation, die bei der Behandlung an einem Hämo-dialysezentrum, das in vielen Fällen zur Gestaltung eines neuen sozialen Netzwerkes beiträgt, verhindert werden kann.

Patientencharakteristika und psychosoziales Umfeld

Persönlichkeitsstruktur: Wie schon eingangs erwähnt, ist nicht jeder Patient, auch wenn er die physischen und intel-lektuellen Voraussetzungen erfüllt, zur Durchführung der Peritonealdialyse fähig. Geeignet sind Patienten, die in ihrer Krankheitsverarbeitung weit fortgeschritten sind und sich als „Selbst-Behandler“ bestmöglich einbringen. Ein Patient, der immer noch mit dem Schicksal hadert und nicht bereit ist, seine krankheitsbedingten Einschränkungen zu akzep-tieren, bringt in der Regel nicht die notwendige Disziplin für die konsequente Durchführung der PD mit. Diese Pa-tienten neigen dazu, sich durch Fehlhandlungen momentane Erleichterung zu verschaffen, die zu unvermeidbaren Lang-zeitkomplikationen führen. Dazu gehört der Verzicht auf den einen oder anderen Dialysatwechsel oder ein in- ˘

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konsequenter Umgang mit den Diätvorschriften, der dann mit der Dialyse wieder ausgeglichen werden soll.Wir erleben immer wieder Patienten, die sich bei der mo-natlichen Kontrolle für bestimmte Parameter speziell inte-ressieren und im Gegenzug selbstgewählte Therapiemodi-fikationen eingestehen. Wobei es schon positiv zu vermerken ist, wenn ihre Offenheit eine diesbezüglich ehrliche Diskus-sion möglich macht.

Krankheitsverarbeitung: In Anlehnung an das 5-Phasen-Mo-dell der Krankheitsbewältigung nach Kübler-Ross sollten die Stadien Verdrängung, Aggression, Verhandeln und De-pression überwunden sein, um im Stadium der Annahme eine konsequente Durchführung der PD sicherzustellen. Vor allem in den Stadien 3–4 der chronischen Nierenin-suffizienz spielt die Verdrängung eine große Rolle. Die Dis-krepanz zwischen fühlbarer Beeinträchtigung der Gesund-heit und bereits messbaren pathologischen Befunden, die sich negativ auf den weiteren Krankheitsverlauf auswirken, ist sehr groß, und ärztliche „Warnrufe“ werden oft nicht wirklich ernst genommen. Schließlich machen sich Effekte der eingeforderten Maßnahmen wie Diät, körperliche Be-tätigung oder Einnahme der Medikamente nicht unmittel-bar bemerkbar. Sie sind zu diesem Zeitpunkt vielmehr eine zusätzliche Belastung. Der Nutzen liegt in der Zukunft. Andererseits kann Non-Adhärenz plötzliche gravierende Folgen haben, wie im Fall der Kaliumentgleisung, die zu schweren Herzrhythmusstörungen mit möglicherweise fa-talem Ausgang führen kann.Oft durchbricht erst das Auftreten der ersten Symptome die Verdrängung und ärztlicher Rat kann angenommen und befolgt werden. Immer wieder reagieren Patienten aber auch aggressiv und machen verschiedenste Personen zu Sündenböcken für ihr Fehlverhalten. Unwesentliche An-lässe können völlig unangepasste, übertriebene Reaktionen auslösen, mit denen sich die Patienten abreagieren. Wenn auch diese Strategie nicht zielführend ist, versuchen Pati-enten zu verhandeln. Vielleicht könnten doch diätetische Restriktionen gelockert oder die Anzahl der Medikamente reduziert werden. Erst wenn solche Verhaltensweisen nicht mehr beobachtet werden können, ist von Seiten des Pati-enten mit optimaler Kooperation zu rechnen und die Ad-härenz sichergestellt. Eigenverantwortlichkeit: Ein weiteres Kriterium stellt die Fähigkeit zur Eigenverantwortlichkeit dar, die sich erst im Stadium der Krankheitsakzeptanz entfalten kann. Erst ab diesem Punkt basieren alle persönlichen Entscheidungen auf sinnvollen therapeutischen Überlegungen, gemeinsam erarbeitete Therapieregime werden mit hoher Wahrschein-lichkeit eingehalten und alle Fehler ohne Schuldzuweisungen

sich selbst zugeschrieben. Bei Kindern muss diese Verant-wortung primär von den Eltern übernommen werden und kann erst schrittweise – je nach emotionaler Reife – mit gezielter Unterstützung auf die Kinder übertragen werden.Mit diesem Schritt in die Eigenverantwortung steigt zu-gleich das Selbstwertgefühl, das per se für das Gelingen der PD von erheblicher Bedeutung ist. Es kann aber auch bei Patienten, die nicht über die physischen und intellektuellen Fähigkeiten verfügen, zu einer Überforderung führen. Da-raus können rezidivierende Komplikationen resultieren, die schließlich zum Wechsel in die Hämodialyse zwingen. Wir haben auch schon die umgekehrte Entwicklung erlebt und Patienten, die diesbezüglich primär unterschätzt wur-den, durch intensive Schulung auf eine langjährige kom-plikationslose Peritonealdialysebehandlung vorbereiten können.

Faktor Freiheit: Ein weiterer Aspekt, der immer angesprochen werden sollte, da er für die Entscheidungsfindung für den einzelnen Patienten bedeutsam ist, ist die Definition von Freiheit. Patienten, die ihre Freiheit in Form von Selbstbestimmung und damit verbundener Verantwortung definieren, sind gut für die PD geeignet. Wenn hingegen nur die Entbindung von Eigenverantwortung und die Zeiträume, die eine Kon-frontation mit der Erkrankung aussparen, als Freiheit erlebt werden, sollte dem Patienten diese therapeutische Verant-wortung keinesfalls übertragen werden. Für diese Patienten ist eine HD weit geeigneter, die sie an den 4 dialysefreien Tagen pro Woche von einer eigenverantwortlichen appara-tiven Behandlung entlastet.

Psychosoziales Umfeld

Auch die Bedeutung des psychosozialen Umfeldes darf nicht vernachlässigt werden. Vor allem Ehepartner sollten bei den Gesprächen zur Therapiewahl mit eingebunden sein. Frei-zeitgestaltung, sportliche Aktivitäten und Sexualität sollten unbedingt angesprochen werden. Der Arbeitsplatz und die Möglichkeit eines Dialysatwechsels während der Arbeitszeit sind zu thematisieren, wenn die Wahl nicht auf die APD fällt.

Arzt-Patient-Beziehung

Als betreuende Ärzte sollten wir uns immer vor Augen hal-ten, dass wir es mit Patienten zu tun haben, denen die Ver-wirklichung ersehnter Lebensziele versagt bleibt, wodurch es zur Verzerrung des Selbstbildes und zum Verlust der Authentizität kommen kann. Haltgebende Strukturen wie Partnerschaft, Familie, Freundeskreis und Beruf können an

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Festigkeit verlieren und gehen als Kraftquelle verloren. Das bedeutet, dass eine stützende Arzt-Patient-Beziehung für den Selbstwert des Patienten von großem Wert ist. Dazu trägt neben zahlreichen Gesprächen – auch über die Wahl der geeigneten NETH – die uneingeschränkte Unterstüt-zung bei Komplikationen bei, auch wenn sich der Patient gegen unsere Empfehlung zur Durchführung der PD ent-schieden hat. Aussagen wie „Genau das hab ich Ihnen ja schon damals prophezeit!“ sind nicht nur kontraproduktiv, sondern sehr verletzend und für die Arzt-Patient-Beziehung störend. Vor dem Hintergrund von naturwissenschaftlichem Wissen, psychosozialer Kompetenz und Empathie sollte die Patientenbetreuung in allen Phasen von Respekt vor seiner Haltung, Geduld für seine persönliche Entwicklung und Vertrauen in seine persönlichen Entscheidungen, die auf unserer Beratung basieren, getragen werden. So gelingt es, auch einem „nervigen“ Patienten immer wieder die ganze Aufmerksamkeit zu schenken, ohne abwertend oder gar zy-nisch zu agieren.

PD in Österreich

Obwohl es nur wenige absolute medizinische Kontraindi-kationen für CAPD oder APD gibt, ist der Anteil der PD-Patienten in Österreich sehr gering. Derzeit werden ca. 10 % der Patienten mit NETH mit PD behandelt, wobei große regionale Unterschiede bestehen. Der Grund für die geringe Zahl der Patienten, die sich für eine PD-Behand-lung entscheiden, liegt zum Teil bei den Behandlern, die die PD als Variante der NETH nur erwähnen und die PD nicht objektiv darstellen bzw. empfehlen. Viele Patienten sind aber auch trotz fehlender medizinischer Kontraindi-kationen aus den erwähnten Gründen für eine PD nicht geeignet.Die Komplexität der Behandlungssituation macht somit deutlich, dass die PD, um erfolgreich zu sein, einem streng selektionierten Patientengut vorbehalten bleiben wird, und ökonomische Aspekte dabei keine entscheidende Rolle spie-len dürfen. ■

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Enge Beziehung

Harnsäure und Niere

Bei keinem anderen Lebewesen spielt die Niere eine so zentrale Rolle in der Harnsäurebilanz wie beim Menschen. Ursache dafür ist die

genetisch bedingte Inaktivierung der humanen Urikase. Dieses Enzym wandelt bei den Säuge-tieren Harnsäure in Allantoin um. Der Mensch hat daher einen etwa 10-fach höheren Harnsäu-respiegel im Blut als andere Säugetiere. Die Harn-säure selbst entsteht als Endprodukt des Purin-stoffwechsels.

Harnsäuremetabolismus

Die Harnsäure wird glomerulär filtriert und un-terliegt nur unvollständig verstandenen Rückresorptions- und Sekretionsprozessen im proximalen Tubulus. Letztend-lich werden etwa 10 % der filtrierten Menge im Harn aus-geschieden. Störungen des Harnsäuremetabolismus können sowohl Ursache als auch Folge akuter und chronischer Nie-renerkrankungen sein.Für die Harnsäurerückresorption im proximalen Tubulus scheinen vor allem 2 Transporter von Bedeutung zu sein: der Urat-Anion-Exchanger URAT1 und der Glukosetrans-porter 9 (GLUT9). Loss-of-Function-Mutationen beider Transporter führen zur autosomalen familiären renalen Hy-pourikämie mit deutlich erhöhter renaler Harnsäureaus-scheidung. Die häufigste Komplikation dieser seltenen Er-krankung ist das belastungsinduzierte akute Nierenversagen. Ursächlich dafür ist wahrscheinlich eine durch oxidativen Stress bedingte renale Vasokonstriktion bei fehlender anti-oxidativer Wirkung der Harnsäure. Vermehrte Harnsäure-freisetzung mit Ausfall von Zylindern in den Tubuli dürfte von untergeordneter Bedeutung sein. Daneben entwickeln die Betroffenen häufig Harnsäuresteine.

Akute Harnsäurenephropathie

Eine massiv erhöhte Harnsäureausscheidung kann zum Ausfallen der Harnsäure in den Tubuli mit deren Obstruktion und akutem Nierenversagen führen. Die häufigste Ursache der akuten Harn-säurenephropathie ist das Tumorlysesyndrom. Dabei werden im Rahmen eines massiven Zellun-tergangs bei der Therapie vor allem hämatologischer Neoplasien große Mengen an Kalium, Phosphat und Nukleinsäuren freigesetzt. Hochrisikopatienten sollten daher eine Prophylaxe mit ausreichender Hydrierung und Gabe der rekombinanten Urikase (Rasb urikase) sowie eventuell Allopurinol zur Hem-

mung der Harnsäureneubildung erhalten.

Chronische Uratnephropathie

Dieser Erkrankung sollen Uratkristallablagerungen im me-dullären Interstitium der Niere mit konsekutiver Inflam-mation zugrunde liegen. Es bestehen aber berechtigte Zwei-fel, ob dieser Pathomechanismus einer chronischen Nieren-schädigung tatsächlich existiert.

Familiäre juvenile hyperurikämische Nephropathie Typ 1

Patienten mit dieser autosomal dominanten Erbkrankheit entwickeln im jugendlichen Alter eine Hyperurikämie mit Gicht durch verminderte renale Harnsäureexkretion. Letzt-endlich führt die Erkrankung im Erwachsenenalter zur ter-minalen Niereninsuffizienz. Ursächlich liegen Mutationen im Uromodulin-Gen zugrunde. Diese führen dazu, dass das mutierte Uromodulin-Molekül in den Zellen des auf-

uu Störungen des Harnsäurestoffwechsels können sowohl Ursache als auch Folge von Nierenerkrankungen sein.uu Die Hyperurikämie ist ein etablierter Risikofaktor in der Entstehung von Hypertonie und chronischer Nierenerkrankung.uu Die Behandlung einer Hyperurikämie mit dem Ziel, die Progression einer chronischen Nie-renerkrankung zu bremsen, wird aktuell nicht empfohlen.

Prim. Univ.-Doz. Dr. Karl Lhotta

Abteilung für Nephro-logie und Dialyse,

Akademisches Lehr-krankenhaus Feldkirch

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steigenden Schenkels der Henle’schen Schleife akkumuliert. Die Zellen werden dadurch geschädigt, der Harnkonzen-trationsmechanismus gestört. Durch den konsekutiven Flüs-sigkeitsverlust kommt es zur vermehrten proximal tubulären Resorption von Natrium und Harnsäure.

Hyperurikämie und chronische Nierenerkrankungen

Da die Harnsäureausscheidung vorwiegend renal erfolgt, ist es nicht verwunderlich, dass bei eingeschränkter Nieren-funktion häufiger eine Hyperurikämie (definiert als Harn-säurespiegel > 7 mg/dl bei Männern und > 6 mg/dl bei Frauen) auftritt. Die Tabelle zeigt die Prävalenz der Hyper-urikämie in der Normalbevölkerung, bei älteren Probanden und bei verschiedenen Erkrankungen.

Ursache und Folge: Von entscheidender Bedeutung ist na-türlich die Frage, ob es sich dabei lediglich um eine Folge der eingeschränkten Nierenfunktion handelt, oder ob die Hyperurikämie an der Entstehung und Progression der chro-nischen Nierenerkrankung (CKD) als pathogenetischer Fak-tor beteiligt ist. Mehrere Studien zeigen, dass eine erhöhte Harnsäure mit dem späteren Auftreten einer CKD und auch terminaler Niereninsuffizienz assoziiert ist. So fand eine Stu-die mit mehr als 21.000 Probanden aus Wien mit einem Verlauf über 7 Jahre, dass Harnsäurewerte von 7–8,9 mg/dl das Risiko für die Entstehung einer CKD (definiert als GFR < 60 ml/min) verdoppeln und Werte über 9 mg/dl dieses sogar verdreif achen. Im Tiermodell führt eine Erhö-hung der Harnsäurespiegel durch Hemmung der Urikase zu Glomerulosklerose, Tubulusatrophie, interstitieller Fi-brose und Arteriolosklerose. Als mögliche Pathomechanis-men werden Hypertonie, Stimulation des Renin-Angioten-sin-Aldosteron-Systems, endotheliale Dysfunktion, Proli-feration glatter Muskelzellen, Aktivierung von Makrophagen und oxidativer Stress angeführt. Auch beim Menschen scheint eine Hyperurikämie vor allem in der Frühphase der Hypertonie eine Rolle zu spielen. So konnte bei adoleszenten Patienten mit neu diagnostizierter Hypertonie und Harnsäurewerten > 6 mg/dl durch die Gabe von Allopu-rinol der systolische 24-Stunden-Blutdruck um 6 mmHg und der diastolische RR um 5 mmHg gesenkt werden. Bei Patienten mit Diabetes scheint eine erhöhte Harnsäure die Entstehung einer diabetischen Nephropathie zu begünstigen.

Asymptomatische Hyperurikämie: Ob eine Hyperurikämie mit einer rascheren Progression der CKD einhergeht, wird kontrovers diskutiert. Damit unmittelbar verknüpft ist na-türlich die Frage, ob eine medikamentöse Therapie der Hy-perurikämie die Progression verzögern kann. Dazu gibt es nur kleine Studien. Diese zeigen eine Reduktion des Ver-lustes der GFR, eine Verbesserung der Entzündungspara-

meter (CRP) und des Blutdruckes und eine Reduktion der Proteinurie bei diabetischer Nephropathie. Dennoch wird derzeit aufgrund der sehr eingeschränkten Datenlage eine medikamentöse Senkung der Harnsäure bei asymptoma-tischen Patienten mit dem Ziel, die Progression einer CKD zu verzögern, nicht generell empfohlen.

Therapie der Hyperurikämie bei eingeschränkter Nierenfunktion

Urikostatischer Ansatz: Zur Therapie der symptomatischen Hyperurikämie stehen die beiden Xanthinoxidasehemmer Allopurinol und Febuxostat zur Verfügung. Während Al-lopurinol bei eingeschränkter Nierenfunktion dosisreduziert werden muss, ist eine Anpassung bei Febuxostat nicht not-wendig. Allerdings wird Febuxostat bei einer GFR < 30 ml/min nicht empfohlen, da entsprechende Erfahrungen fehlen. Unter Allopurinol kann es zu schweren allergischen Reak-tionen kommen. Diese Reaktionen sind assoziiert mit dem HLA-B*5801-Antigen, das in der europäischen Bevölkerung in 2 % der Individuen vorkommt, in asiatischen Populati-onen aber wesentlich häufiger ist. Mittlerweile wurden auch unter Febuxostat schwere allergische Zwischenfälle berich-tet. Für Patienten mit koronarer Herzerkrankung und Herz-insuffizienz wird Febuxostat nicht empfohlen, da über eine erhöhte kardiovaskuläre Ereignisrate berichtet wurde. Fe-buxostat scheint etwas effektiver in der Harnsäuresenkung zu sein. Beide Substanzen sollten, insbesondere bei CKD, einschleichend dosiert und bis zum Erreichen des Thera-piezieles (Harnsäure < 6 mg/dl) langsam gesteigert werden.

Urikosurischer Ansatz: Der Angiotensinrezeptorblocker Lo-sartan blockiert URAT1 im proximalen Tubulus und hat dadurch einen urikos urischen Effekt. Eine retrospektive Auswertung der RENAAL-Studie bei diabetischer Nephro-pathie ergab, dass eine Senkung der Harnsäure durch Lo-sartan um 0,5 mg/dl die renalen Endpunkte (Verdoppelung des Serumkreatinins und dialysepflichtige Niereninsuffizi-enz) um 6 % senkt. Etwa 20 % des renoprotektiven Effekts von Losartan sind durch seine harnsäuresenkende Wirkung bedingt. Auch der in der LIFE-Studie bei Patienten mit Hypertonie und Linksherzhypertrophie nachgewiesene po-sitive Effekt von Losartan auf kardiovaskuläre Ereignisse gegenüber Atenolol scheint zu 30 % auf die urikosurische Wirkung der Substanz zurückzuführen zu sein. ■

Tab.: Prävalenz der Hyperurikämie in unterschiedlichen Kollektiven

Nierengesunde 5–8 %

Alter über 65 Jahre 20 %

Hypertonie 25–60 %

Koronare Herzerkrankung 25 %

Chronische Nierenerkrankung, Stadien 3–4 30 %

Inzidente Dialysepatienten 50 %

Nierentransplantierte 50 %

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NEPHRO ScriptNACHLESE | ÖGHN-TAGUNG 2013, LINZ

Ausgezeichnete Forschung, neue PerspektivenNachlese der gemeinsamen Jahrestagung der österreichischen Gesellschaften für Hypertensiolo-gie und Nephrologie vom 19. 9. bis 21. 9. 2013

Der diesjährige gemeinsame Kongress der österreichi-schen Gesellschaften für

Hypertensiologie und Ne-phrologie mit 298 regis-trierten Teilnehmern fand in den beindru-ckenden Stahlwelten der Voestalpine Linz eine sehr inspirierende In-frastruktur. In zwei Sälen wurden parallele, im Hauptsaal auch gemeinsame Veranstal-tungen zu überschneidenden The-men der beiden Fachrichtungen abgehalten. Neben dem Fokus auf Weiterbildung für junge und nieder-gelassene Kollegen wurde besonderes Augenmerk auf zukünftige Entwicklungen auf diesen beiden Gebieten ge-legt.

Zukunftstrends

Zukunftstrends in der Hypertensiologie sind vor allem vas-kuläres Remodeling und die Behandlung der Hypertonien durch Devices, zum Beispiel durch renale Sympathikusde-nervation. Von nephrolo-gischer Seite wurde vor allem über richtungsweisende per-sonalisierte Medizin disku-tiert. Außerdem wurde beson-ders durch den Festredner, Herrn Prof. Jens Titze, die faszinierende Geschichte des Paradigmenwechsels von der Kopplung der Salz-, Osmo- und Volumenregulation bzw. Blutdrucksteuerung vorge-stellt. Seine molekularen wie auch klinischen Untersu-chungen, unter anderem bei

Astronauten des russischen „Mars 500“-Projektes, be-legen beim Menschen ein-deutig eine physiologische

Kochsalzausscheidung im 28-Tage-Rhythmus. Weiters

konnte er erstmals zeigen, dass Kochsalz sehr wesentlich in Mus-

keln und Haut gespeichert werden kann. Dieser Prozess wird durch Immunzellen,

vor allem Makrophagen, wesentlich reguliert. Die Elektrolyt- und Volumenregulation ist eine erst rezent erkannte grundlegende Domäne des Immun-systems, die bisher nur mit angeborener und adap-tiver Immunabwehr in Verbindung gebracht wor-

den war.

Auszeichnungen

Neben diesen faszinierenden und bahnbrechenden For-schungsergebnissen konnten auch neue und qualitativ hoch-wertige Studienergebnisse österreichischer Nachwuchshoff-nungen präsentiert werden. Die Gesellschaften honorierten diese Aktivität durch die Verleihung eines Posterpreises, des EDTA-Preises, sowie des Publikumspreises (Hans-Krister-

Stummvoll-Preis) und des ÖGN-Forschungspreises. Die Preisträger dieser Auszeich-nungen waren Alexander Kirsch aus Graz, Michael Hai-dinger aus Wien, Emanuel Zitt aus Feldkirch, Kathrin Eller aus Graz und Julia Wil-flingseder aus Linz. Die exzel-lenten und teilweise in hoch-rangigen Journalen publi-zierten Arbeiten zeugen von einer lebhaften wissenschaft-lichen Aktivität der österrei-chischen JungforscherInnen, auf die die Gesellschaften be-sonders stolz sind.

Preisverleihungsfoto (v. l.): Kathrin Eller, Julia Wilflingseder, Erich Pohanka, Hans-Joachim Nesser, Rainer Oberbauer und Bruno WatschingerFo

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NEPHRO Script NACHLESE | ÖGHN-TAGUNG 2013, LINZ

Ein weiteres Highlight dieses Kongresses bildeten die Hands-on-Seminare zu den Themen Herzecho, Nieren- und Shunt-Ultraschall in Kleingruppen. Dieses Angebot wurde sehr gut angenommen. Besonders die ausreichende Zeit und die individuelle praktische Anleitung ermöglichten einen ra-schen Lernerfolg. Wie die Einreichung der Präsentationen und die Registrie-rung zum Kongress erfolgte die Anmeldung zu diesen Se-minaren erstmals online über die dafür eingerichtete Kon-gress-Website http://oeghn-2013.at/. Hier sind das Pro-gramm sowie weitere Informationen auch noch in den nächsten Monaten abrufbar.In Summe war dies ein ausgesprochen gelungener Kongress, der viele Fragen beantwortet und auch neue Perspektiven eröffnet hat. Somit stimulierte der Kongress weitere Akti-vitäten in den Bereichen Klinik, Wissenschaft und Forschung in den Spezialgebieten Hypertensiologie und Nephrologie.

Die Kongresspräsidenten bedanken sich bei allen Referenten, Vorsitzenden und Sponsoren, ohne deren Unterstützung diese einzigartige Jahrestagung nicht hätte durchgeführt wer-den können.

Hochachtungsvoll

Prim. Univ.-Doz. Dr. Hans-Joachim NesserLeiter der II. Internen Abteilung, Kardiologie, Angiologie, Interne Intensivmedizin, Krankenhaus der Elisabethinen, Linz

Prim. Univ.-Prof. Dr. Rainer OberbauerLeiter der III. Internen Abteilung, Nieren- und Hochdruck-erkrankungen, Transplantationsmedizin, Rheumatologie, Department für Akutgeriatrie, Krankenhaus der Elisabe-thinen Linz


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