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Schweizer Revue

Date post: 23-Mar-2016
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Schweizer Revue Ausgabe 01 - 2012
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DIE ZEITSCHRIFT FüR AUSLANDSCHWEIZER JANUAR 2012 / NR.1 Bundesrat Alain Berset und seine steile Karriere Traditionen: Die Liste der Unesco und die Schweiz Iouri Podladtchikov: ein Ausnahmetalent
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Bundesrat Alain Bersetund seine steile Karriere

Traditionen: Die Liste derUnesco und die Schweiz

Iouri Podladtchikov:ein Ausnahmetalent

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Tipp 2

Tipp 3Eine partnerschaftliche Zusammenarbeit von Schweiz Tourismus und derAuslandschweizer-Organisation (ASO)

Der Glacier Express verbin­det die zwei grösstenSchweizer Alpenregionen:das Wallis und Graubünden.Durch 91 Tunnels und über291 Brücken bringt Sie derZug von Zermatt, der Heimatdes Matterhorns, bis in denglamourösen EngadinerWintersportort St. Moritz.Und während das Schauspielder herrlichen Winterland­schaft vor den Panorama­fenstern Sie in seinen Bannzieht, vergehen die siebenStunden Fahrzeit leider wieim Fluge. Hinauf auf den2033 m hohen Oberalppassund hinunter in die Rhein­schlucht führt Sie die Reisedurch tief verschneite Wälder,sanfte Ebenen und typischeBergdörfer.

ZauberhaftesWinterpanorama.Erleben Sie faszinierende Winterlandschaftenan Bord des berühmtesten SchweizerPanoramazugs.

Eine unvergessliche ReiseSeit seiner Jungfernfahrt imJahr 1930 hat der Glacier Ex­press nichts von seinemZauber verloren – besondersim Winter. 50 Jahre dauertees, bis Züge nun auch imWinter den zu dieser Jahres­zeit unpassierbaren Höhen­abschnitt des Furkapassesbefahren können!

Netzwerk SchweizMelden Sie sich bis zum31. März 2012 aufMySwitzerland.com/aso anund gewinnen Sie einenAufenthalt mit 3 Übernach­tungen für 2 Personen imHotel JulenÀ in Zermatt.

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Das Panoramader 4000erSie suchen einen einmali­gen Ausblick auf rund29 Gipfel bis über 4000 mund den höchsten Bergder Schweiz, die Dufour­spitze? Dann ist ein Aus­flug zum Gornergrat einMuss. Und hinauf kommenSie ganz bequem mit derZahnradbahn ab Zermatt.

WinterspieleIm Winter verwandelt sichder Oberalppass in Grau­bünden in einen riesigenFunpark zum Schlitteln,Skifahren, Snowboardenund Wandern. Und diesalles mit einem atemberau­benden Ausblick in dasUrserental und auf dieBerge der Gotthardregion.

Moment der InspirationEine Landschaft, die jedeninspirieren muss: Nichtvon ungefähr trägt der Wegentlang der Hänge vonMuottas Muragl im Ober­engadin den Namen «Philo­sophenweg». Inmittengewaltiger Bergmassiveöffnen sich Geist undSeele.

Glacier Express im Goms, Wallis

Page 3: Schweizer Revue

5Briefkasten

5Gelesen: Schweizer als Kriegsdienstleister

7Gesehen: Pariser Surrealisten in Basel

8Traditionen aus aller Welt: Was die Schweizzur Liste der Unesco beizutragen hat

13Beim Urnengang vom 11. März entscheidetdas Volk über fünf Vorlagen

14Die neue Schweizer Regierung: DidierBurkhalter wird Aussenminister

16Das Wahlverhalten der Auslandschweizer:eine Analyse nach den ersten E-Elections

Regionalseiten

18Interview mit Michael Reiterer, abtretenderBotschafter der Europäischen Union in Bern

20Seine Sendungen haben Kultstatus: «NetzNatur» von Andreas Moser im Schweizer TV

22Iouri Podladtchikov: Der SchweizerSnowboard-Star mit der russischen Seele

24ASO-Informationen

27Aus dem Bundeshaus

30Trouvaillen

31Echo

Das Bemühen um Konkordanz

IMPRESSUM: «Schweizer Revue», die Zeitschrift für die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer, erscheint im 39. Jahrgang in deutscher, französischer, italienischer, englischer undspanischer Sprache in 14 regionalen Ausgaben und einer Gesamtauflage von rund 395 000 Exemplaren (davon Online-Versand: 135 000). Regionalnachrichten erscheinen viermal im Jahr.Die Auftraggeber von Inseraten und Werbebeilagen tragen die volle Verantwortung für deren Inhalte. Diese entsprechen nicht zwingend der Meinung der Redaktion oder der Herausgeberin.n REDAK TION: Barbara Engel (BE), Chefredaktorin; René Lenzin (RL); Alain Wey (AW); Marc Lettau (MUL); Manuel Gnos (MAG); Jean-François Lichtenstern (JFL), AuslandschweizerdienstEDA, CH-3003 Bern, verantwortlich für «Aus dem Bundeshaus». Übersetzung: CLS Communication AG n GES T ALTUNG: Herzog Design, Zürich n POS T ADRESSE: Herausgeber/Sitz derRedaktion/Inseraten-Administration: Auslandschweizer-Organisation, Alpenstrasse 26, CH-3006 Bern, Tel. +41 31 356 61 10, Fax +41 31 356 61 01, PC 30-6768-9. n E-MAIL: [email protected] DRUC K: Swissprinters St. Gallen AG, CH-9001 St. Gallen. n ADRESS ÄNDERUNG: Bitte teilen Sie Ihre neue Adresse Ihrer Botschaft oder Ihrem Konsulat mit und schreiben Sie nicht nachBern. n Alle bei einer Schweizer Vertretung immatrikulierten Auslandschweizer erhalten das Magazin gratis. Nichtauslandschweizer können das Magazin für eine jährliche Gebühr abonnie-ren (CH: CHF 30.–/Ausland: CHF 50.–). Abonnenten wird das Magazin manuell aus Bern zugestellt. n INTERNET: www.revue.ch Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 15.12.11

Titelbild: Christine Lauterburg hat ihre Wurzelnin der alpenländischen Volksmusik. «Techno-Jodlerin» wird die 56-jährige Bernerin auch ge-nannt. Durch ihre eigenwilligen Interpretatio-nen fühlen sich Traditionalisten immer wiederprovoziert. Foto: ZVG

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Ein frisch gewähltes parlament, ein erneuerter Bundesrat, neue Köpfealso und neue Kräfte – ist das auch ein Neuanfang? In den sechs Wochen zwischenden Parlamentswahlen vom 23. Oktober 2011 und der Wahl des Bundesrates wurde

in den verschiedensten Gremien endlos über die richtige Zusammensetzung der Schwei-zer Regierung diskutiert. Im Zentrum stand dabei immer wieder der Begriff Konkor-danz. Er wurde so intensiv bemüht und interpretiert, als hänge die Zukunft der Schweizeinzig und allein von der Konkordanz, auch Zauberformel genannt, ab. Dieser Verteil-schlüssel – die vier grössten Parteien sind nach Wählerstärke im Bundesrat vertreten –,wie ihn die Freisinnig-Liberalen (FDP) und die Schweizerische Volkspartei (SVP) wei-ter praktizieren wollten, wurde von der Bundesversammlung schliesslich nicht berück-sichtigt. (Bericht Seite 14)

Garantie für Konkordanz oder gar für eine erfolgreiche Regierung ist allerding auchder Verteilschlüssel der Zauberformel in keiner Weise. Im Wort Konkordanz sind dielateinischen Begriffe con (mit) und cor (Herz) enthalten. Concordare bedeutet so vielwie «übereinstimmen». In einem in diesem Sinne der Konkordanz verpflichteten Gre-mium braucht es also Leute, die gemeinsam, wenn möglich mit Herz und Verstand, agie-

ren und willens und fähig sind, auch mit ihren politischen Gegnernim Interesse des Gemeinwohls zu kooperieren. Die Suche nachbreit abgestützten Mehrheiten und das Einbinden von Minderhei-ten auf dem Weg der Entscheidfindungen sind die Grundlage fürden Erfolg einer solchen Regierung.

Die grosse Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer wünschtsich zweifellos eine solche Regierung. Ein zerstrittener Bundesrat,wo Misstrauen herrscht und Intrigen gesponnen werden, wie wir

ihn in der Vergangenheit auch schon gesehen haben, wäre angesichts von Finanz- undWirtschaftskrise und den weltpolitischen Herausforderungen der kommenden Jahre einDesaster.

Ob es in dieser Situation ein weiser Entscheid war, der SVP, der immer noch wähler-stärksten Partei, den ihr laut Zauberformel oder arithmetischer Konkordanz zustehen-den zweiten Sitz im Bundesrat zu verweigern, darf bezweifelt werden. Die Zukunft wirdes zeigen. Sicher, die Volkspartei hat mit ihrer missglückten Kandidatenkür und dem vonZorn und teils von Rachegelüsten geleiteten Vorgehen bei der Wahl der Bundesräte am14. Dezember viel dazu beigetragen, dass das Parlament ihr den zweiten Bundesratssitzverweigerte. Setzt die SVP, die nach der Abwahl von Christoph Blocher 2007 ein weite-res Mal gedemütigt wurde, nun auf Opposition und Obstruktion, wird dies das Regierenschwierig machen. Dem Land ist damit sicher nicht gedient, der Neuanfang missglückt.

Beim zweiten Schwerpunkt – nebst der Politik in Bern – geht es in dieser Nummer der«Schweizer Revue» um die «immateriellen Kulturgüter». Diesen sperrigen und nicht aufAnhieb verständlichen Ausdruck hat die Unesco kreiert. Gemeint sind damit weltweitpraktizierte Traditionen: von den mongolischen Volksgesängen mit Zirkularatmung überdas Jodeln und das Fondue bis zu malischen Weisheitsriten. Viel Überraschendes gibt esim Bericht über bekannte und unbekannte Schweizer Traditionen ab Seite 8.

BARBARA ENGEL

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5B R I E F K A S T E N G E L E S E N

das söldnerwesen hat keinen guten ruf. Libyens DiktatorMuammar Ghadhafi versuchte während Monaten, seinen Sturzmit ausländischen Söldnertruppen abzuwenden. Die Unowarnte kürzlich vor einem Besorgnis erregenden Anstieg desSöldnerwesens in Afrika. In der Schweiz ist «fremder Militär-dienst» zwar verboten, doch das war nicht immer so. Währendeines halben Jahrtausends gehörte die Eidgenossenschaft zuden gefragtesten Kriegsdienstleistern. Auf den Schlachtfel-dern Europas kämpften weit über eine Million Schweizer Söld-ner. Sie waren bekannt für ihre Brutalität und ihr Draufgän-gertum und deshalb heiss begehrt und äusserst gefürchtetzugleich. Für fast alle europäischen Mächte standen sie imEinsatz. Zeitweise stammte jeder dritte Infanterist der franzö-sischen Armee aus der Schweiz. Und im 19. Jahrhundert sa-hen sich Befreiungsbewegungen sehr oft Schweizer Söldner-

truppen im Dienste untergehender Fürstenhäuser gegenüber. Mitdem idyllischen Bild der päpstlichen Schweizergarde als histori-schem Relikt hat das Söldnerwesen von einst nichts gemeinsam.

Wohl kein anderes Phänomen hat die vormoderne Eidgenossen-schaft stärker geprägt als das Söldnerwesen. Seltsamerweise, soschreibt der Journalist Jost Auf der Maur, sei diese herausragendehistorische Besonderheit kaum im allgemeinen Bewusstsein veran-kert. Militärhistorisch ist das Söldnerwesen zwar eingehend er-forscht, doch die kulturgeschichtliche und gesellschaftspolitischeDimension ist weitgehend unbeachtet geblieben. In seinem Buch«Söldner für Europa» macht Auf der Maur auf dieses schwarze Lochhelvetischer Geschichtsschreibung aufmerksam. Er ist dazu beru-fen: Viele seiner direkten Vorfahren standen als Offiziere im Soldfremder Mächte.

Ein Drecksgeschäft sei es einerseits gewesen, das eine Sold-dienst-Aristokratie hervorgebracht habe, die auch politisch dasSagen hatte. Im illustrierten Anhang des Buches kann der zu Archi-tektur gewordene finanzielle Erfolg helvetischer Kriegsunterneh-mer bestaunt werden – im wahrsten Sinne des Wortes auf Blut ge-baute Herrschaftshäuser in vielen Teilen der Schweiz. Söldner, dienicht auf dem Schlachtfeld starben, kehrten häufig verwahrlost,verstümmelt und alkoholkrank nach Hause zurück. Der Bevölke-

rungsverlust für die Eidgenossenschaft war massiv.Anderseits führten die langen Auslandsaufent-

halte auch zu einem Wissenstransfer: Wer es zu et-was brachte und gesund und möglicherweise garwohlhabend zurückkehrte, brachte auch Kulturund Kenntnisse auf verschiedensten Gebieten in dieHeimat zurück. Auf der Maur wagt gar die Behaup-tung, dass die Schweiz ohne fremde Kriegsdienstegar nicht überlebt hätte: Die europäischen Höfe

seien derart stark auf Schweizer Truppen angewiesen gewesen, dasssie eine Beisshemmung gegenüber ihrem Söldner-Reservoir entwi-ckelt hätten. Bei Eigenbedarf haben die Eidgenossen ihre Truppennämlich heimgeholt. Da wurde ein Mechanismus eingeübt, der all-mählich ins immer stärkere Bekenntnis zur Neutralität mündete.

Ausgehend von seiner Familiengeschichte bietet Jost Auf derMaur neue, faszinierende und irritierende Einblicke in ein turbu-lentes und unterschätztes Kapitel helvetischer Geschichte.

JÜRG MÜLLER

JOST AUF DER MAUR. Söldner für Europa: Mehr als eine Schwyzer Familien-geschichte. Echtzeit Verlag, Basel 2011. 106 Seiten. CHF 29.–

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terFeinsinnig, aktuell undgut gezeichnetIch möchte zum Beitrag «Ver-letzend» von Frau Zingg ausTaiwan Stellung nehmen. DieKarikatur von Peter Gut «Wegdamit» in Ihrer Ausgabe vomSeptember ist feinsinnig, wit-zig, aktuell und gut gezeichnet.Ich hätte mich nicht mal alsBundesrätin verletzt gefühlt.Möglich, dass für mich in die-sem Fall das Resultat die Mit-tel heiligt. Ich finde aber, esgibt genug frauenfeindlich«Leeres», woran man sich sto-ssen kann, wenn frau will. Ichbin dankbar, dass ich via «Re-vue» etwas vom aktuellenSchweizer Humor mitkriege.

CAROLE DAUBERSCHMIDT,

LUxEMBOURG

Sexistisch und respektlos«Weg damit». Habe ich da wohletwas falsch verstanden oderbin ich total humorlos? Fürmich ist diese Karikatur sehrfrauenfeindlich, sexistisch undrespektlos und gehört nicht ineine «Schweizer Revue»

GABRIELE MÜLLER GLOOR,

CIUDAD COLÓN, COSTA RICA

Von seltener DummheitAls Schweizerin wird mir ganzschlecht vor Enttäuschung,wenn ich in der «SchweizerRevue» eine Karikatur unsererBundesrätinnen finde, die nichtnur geschmacklos, sondernauch von seltener Dummheitist. Ich wundere mich, dass esdie Redaktion erlaubt, so mu-tige Frauen, die bereit sind,sich dort einzusetzen, wo denMännern der Schneid dazufehlt,lächerlich zu machen.

ALExIS WARIDEL, QUEBEC

Nun auf dem iPad, das ist tollWir nehmen mit Freuden da-von Kenntnis, dass wir die«Schweizer Revue» nun auchauf dem iPad lesen können. Esist toll, dass Sie diesen Ent-

scheid gefällt haben, und wirsind sicher, dass sehr viele Le-ser für die App ebenfalls dank-bar sind. Meine Frau und ichleben nun seit sechs Jahren aufAntigua und in Florida und wirlesen die «Schweizer Revue»nach wie vor mit grossem Inte-resse – herzlichen Dank für allIhre Bemühungen.

ROLAND UND SILVIA BACHMANN,

ANTIGUA

Grosse FrustrationAls eifriger Leser der «RevueSuisse» verfolgte ich fleissig dieArtikel zur Entwicklung in derSchweizer Politik und berei-tete mich darauf vor, schrift-lich abzustimmen. Der Frustwar gross, als das Wahlmaterialdann erst am 20. Oktober ein-traf! Wegen eines Streikes beider Post war es zu spät, dasStimmcouvert über das Konsu-lat in São Paulo noch einzusen-den. Es wird langsam Zeit, dassder Bund für alle Länder dieelektronische Stimmabgabe insAuge fasst.

ALExANDRE DEVELEy,

SãO PAULO, BRASILIEN

AbgehobenPhilosophie-Professor GeorgKohler redet unprofessionellüber die Schweizer Armee: «Esgibt sie zwar noch, aber sietaugt, so wie sie heute ist, nichtsmehr. Sie müsste dringend ineinen Verbund gehen, weil dieGegenmächte zu gross gewor-den sind.» Welcher Verbund?Die EU und/oder die NATO?Solches schreiben vom Stimm-volk abgehobene Internationa-listen – tatsachenwidrig, unde-mokratisch und staatspolitischhöchst bedenklich. Die Be-hauptung, die heutige Armeetauge nichts mehr, beleidigtalle, die ihre verfassungsmässigeMilitärdienstpflicht leisten, vorallem die Kader.

HEINRICH L. WIRZ, OBERST A. D.,

BREMGARTEN (SCHWEIZ)

Weitere Leserbriefe Seite 6SC

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6 B R I E F K A S T E N

Goodbye Swissinfo-CDDie letzte Wahl-CD vonswissinfo.ch wird ein Sammler-stück werden, denn es ist dieletzte überhaupt. Welch trau-riger Abschied! Wir werdenständig dazu gedrängt, denMainstream-Trends zu folgen,uns wie Schafe zu verhalten. Eswar daher immer eine gross-artige Informationshilfe, demPro und Kontra der Parteiver-treterinnen und -vertreter sel-ber zuzuhören, wenn Wahlenoder Abstimmungen anstan-den. Jemandes Stimme und Ar-gumente zu hören, ist viel auf-schlussreicher, insbesonderefür Bürgerinnen und Bürger imAusland, die nicht täglich mitpolitischen Debatten «bombar-diert» werden. Ein weiteresBeispiel, wie Technologie dieLeute trennt. Helene lettau,

Grindelwald, tasmanien

Teilnahme an Wahlenund AbstimmungenAuch im Ausland lebendeSchweizerinnen und Schweizersollen sich am politischenLeben der Schweiz beteiligen.Dank Internet und Fernsehenkönnen sie bestens informiertsein. Auslandschweizer habenoft eine Schweiz in Erinnerung,in der es sich gut leben lässt.Wenn die Schweiz allerdingsder EU beitreten würde, ver-löre sie ihre nationale Souverä-nität und würde von Brüsselabhängig. Ich möchte nicht,dass meine Schweiz wird wieFrankreich, Deutschland oderItalien. Wenn die Schweiz derEU-Versuchung nachgebenwürde, wäre dies das Ende derbewunderten und bestimmtauch beneideten Schweiz.

Guy nicolas, dijon,

FrankreicH

Viel praktischerIch möchte Ihnen ein kurzesFeedback zur «Schweizer Re-vue» geben. Ich freue mich dar-über, dass sie wieder in Papier-form versandt wird. Als sie inelektronischer Form erschien,las ich sie nicht mehr. Papier istso viel praktischer.

sandra caFazzo, london

anmerkung der redaktion: alle aus-landschweizer können die «schweizerrevue» über www.swissabroad.ch ingedruckter Form bestellen.

Die grössten KretinsIn der letzten Nummer der«Schweizer Revue» wetterteBernhard Balmer darüber, «wiewir uns in die Knechtschaft derEU begeben». In der jüngerenGeschichte war es allerdingsnicht die EU, es waren vielmehrMuammar Ghadhafi und dieUS-Steuerbehörden vor denensich die Schweiz verbogen und

verbeugt hat, bis ihr alle Würdeund Ehre abhanden gekommenist. (…) Aber Herr Balmer hatRecht: Die Mehrheit desSchweizer Volkes hat «multi-kulti satt». Verschliessen wir unsden Fremden gegenüber – na-türlich nicht ihren Vermögen,sondern nur allem anderen ge-genüber. Und hoffentlich neh-men sie es uns nicht so übel, dasssie ihre Vermögen gleich mitab-ziehen. Vergessen wir alle Tra-ditionen der Gastfreundschaftund Toleranz, die zu uns (?) undzum Gedankengut der Aufklä-rung gehören. Wir waren schonimmer ein kleines Land, bleibenwir es! Es gibt nichts Besseres,als unter sich zu bleiben:Bei Blutsverwandtschaft entste-hen bekanntlich die grösstenKretins.

edouard reicHenbacH,

antony, FrankreicH

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inserat

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Im Rausch der BilderDer Surrealismus, inspiriert von André Breton und Sigmund Freud, war eine der wichtigstenkünstlerischen und literarischen Bewegungen des 20. Jahrhunderts. Die Künstler des Surrealismushaben Türen zu Unbekanntem und Beunruhigendem aufgestossen. In der Fondation Beyeler inBasel ist nun eine einzigartige Ausstellung zum «Surrealismus in Paris» zu sehen: fast 300 Bilder,Manuskripte, Objekte, Schmuckstücke, Fotografien und Filme von rund vierzig Künstlern.

Die Ausstellung in der Fondation Beyeler dauert bis 29. Januar 2012. Anschliessend wird die Ausstellung von denMusées royaux des Beaux-Arts de Bélgique in Brüssel gezeigt (16. März bis 15. Juli 2012)

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«Ma gouvernente – my nurs – mein Kindermädchen»Meret Oppenheim, 1936/1967

«Der grosse Krieg»René Magritte, 1964

«Unzerstörbares Objekt»Man Ray, 1923/1933/1965

«Weiches Konstrukt mit gekochten Bohnen – Vorahnung des Bürgerkriegs»Salvador Dalí, 1936

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Eine Schweiz zwischen Kräutergarten und TöfftreffDie Schweiz erstellt eine Liste ihrer «lebendigen Traditionen». Die Erhebung lässt das Land über sich selberstaunen: Manche Landesgegend wundert sich, was in manch anderer Landesgegend als Tradition verstandenwird. Das führt zur rege debattierten Frage, ob und wie genau denn Tradition Identität schafft. Wie beantwortetein konservativer, schriftstellernder Politiker die Frage? Was sagt der Maler, der nichts ausser Kühen malt?Und warum stolpert eine progressive Jodlerin immer wieder über die Traditionspflege?Von Marc Lettau

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Manchmal sind die Bösen die Guten. Stei-gen in der Schweiz nämlich muskelstrot-zende Schwinger in den Sägemehlring, dannspricht das kundige Publikum nicht von denStarken, sondern von den Bösen. Und wirftein wirklich Böser seinen Gegner mit einemkräftigen Hüftschwung aufs Kreuz, was tuter dann? Er reisst nicht gleich die Arme zurSiegerpose hoch. Nein, er wischt zunächstdem Gegner das Sägemehl von den Schul-tern. Er ist im Moment des Jubels also einganz Guter.

Kampfsportarten, bei denen die roheKraft mehr oder weniger durch Wettkampf-regeln zivilisiert wird, kennen alle Kultur-kreise. Es ist also nicht die Kraft, die dasSchwingen zur typisch schweizerischenSportart macht. Es ist zu einem guten Teildas Selbstverständnis des Siegers, die Tat-sache, dass er im Moment des Triumphesdem Unterlegenen Respekt zollt. Selbstver-ständlich sind all die Bösen nicht von Naturaus Gute. Dem Gegner in der Niederlagedas Sägemehl von den Schultern zu wischen,ist Teil der Tradition, Teil der mit demSchwingen verbundenen Werte, die von Ge-

neration zu Generation weitergegeben wer-den. Das prägt auch ausserhalb des Säge-mehlrings. Nur wenige Schweizer und nurganz wenige Schweizerinnen schwingen sel-ber. Aber alle wissen, dass sie – sollten sie jesiegen – dem unterlegenen Gegenüber denDreck vom Rücken putzen sollen.

Archaisches ist en vogueAm nächsten Eidgenössischen Schwingfestim Jahr 2013 – es findet übrigens nur alle dreiJahre statt – wird das gute Spiel der Bösenwohl noch höhere Wellen werfen als bisher.Die archaischen Reize des Schwingens zie-hen zunehmend auch die urbane Schweiz inihren Bann. Und die Werbeindustrie wirdsich nicht scheuen, noch mehr auf die star-ken, schweren Mannen zu setzen. DennSchwingen dürfte bis zum nächsten Schwing-fest definitiv das wertvolle Prädikat «von derUnesco geprüftes immaterielles Kulturgutder Schweiz» tragen.

Die Schweiz erstellt nämlich gegenwärtigzuhanden der Unesco die Liste ihrer leben-digen Traditionen. Das geschieht in typischföderalistischer Kompliziertheit. In einigen

Kantonen brüteten Expertenteams über dieFrage, welche Ausdrucksformen dennUnesco-würdig sein könnten. In anderenKantonen richtete man die gleiche Frage anjedermann und jederfrau – und hörte sich da-raufhin des Volkes Stimme an. Jetzt ist dasBundesamt für Kultur (BAK) daran, die 387eingegangenen Vorschläge auf weniger alsdie Hälfte zu verdichten und zu dokumen-tieren. Das Endergebnis wird im April 2012der Unesco zur Prüfung vorgelegt.

Verwirrend buntes PotpourriWenn auf der einen Seite Forscher undVolkskundler Brauchtum auflisten und aufder anderen Seite Bürgerinnen und Bürgersagen, was sie als Tradition erachten, kommteine sehr bunte Mischung zusammen. DieRückmeldungen aus den Kantonen ergabenzunächst ein eher verwirrendes Potpourri.Vor der Bereinigung durch die Kulturbeam-ten des Bundes reichten die Vorschläge vonChalet-Architektur bis Bankgeheimnis, von-Bergsteigen bis Kariesprophylaxe, von klös-terlichen Kräutergärten bis zum Musikfesti-val Paléo bei Nyon, von Fahnenschwingen

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Poya-Malerei aus demKanton Freiburg (Bil-der oben) war frühereinzig Darstellungdes Alpaufzugs zurDekoration von Häu-sern, heute ist sieauch bei Kunstlieb-habern gefragt

Zum traditionellenKulturgut der Schweizgehört nebst demSchwingen auch dieZweisprachigkeit, wiesie in Biel, das zeigendie Wegweiser, zumAlltag gehört (Bilderlinks)

über die Bergkristallsuche bis hin zur schwei-zerischen Generaltugend, der Sauberkeit.Die Folge: Die Schweiz staunt seither übersich selber. Manche Landesgegend wundertesich, was in anderen Landesgegenden alsTradition verstanden wird. Mit einem Malwird über praktisch unübersetzbare Begriffegeplaudert: Was um alle Welt steckt hinterGansabhauet, Rabadán, Pschuuri, Troccas,Tschäggättä und Pfingsblüttlern? DasSchwingen, ja, das verstehen alle. Aber nunnehmen durchaus traditionsbewussteSchweizerinnen und Schweizer wahr, dasssie die meisten schweizerischen Traditionennicht wirklich kennen. Es sind zum grossenTeil die Traditionen der anderen.

Ein Ziel ist schon erreichtEin Ziel habe das Erarbeiten der Unesco-Liste somit bereits vor der definitiven Pub-likation erreicht, sagt David Vitali, Leiterder Sektion Kultur und Gesellschaft desBAK: «Wir erhoffen uns, dass überhaupt einbreites Bewusstsein geschaffen wird, dass es

– erstens – Traditionen gibt und dass sie –zweitens – einen grossen Wert haben.»Selbstverständlich erhoffe sich das BAK nun«die Aufwertung» der lebendigen, sprich: ge-lebten Traditionen. Das sei alleine schondurchs Zusammentragen der Vorschläge einStück weit passiert.

Die grosse Resonanz erklären Volkskund-ler und Zeitungskommentatoren in der Re-gel mit der Globalisierung, die die Bedeu-tung von Traditionen verändere. Vitali teiltdiese Ansicht. Die Pflege von Traditionenlasse sich heute keineswegs auf ein «patrioti-

sches Phänomen» reduzieren. Traditionenseien längst ein wichtiger Beitrag zur Iden-tifikationsfindung geworden: «Ein Beitragzur Suche nach einem Platz in einer sehr plu-ralistischen Welt».

Was nützt das Ganze?Kritisch nachgefragt: Dient es denn den Tra-ditionen, wenn das BAK sie auflistet? Vitaliräumt ein, dass die Inventarisierung nicht di-rekt zum Erhalt von Traditionen beitrage:«Traditionen müssen sich ständig erneuern,sonst sterben sie ab.» Das heisse letztlich,dass «die Trägerinnen und Träger einer Tra-dition entscheiden, ob sie diese weitertragenwollen». Deshalb sei klar, dass weder dasBAK noch die Unesco «Brauchtumsvor-schriften» erlassen werden. Ebenso klar sei,dass es nicht darum gehe, Traditionen unterSchutz zu stellen und sie so im schlimmstenFall «zu mumifizieren». Traditionen müss-ten sich aus sich selbst heraus erneuern: «DieInventarisierung wirkt allenfalls indirekt aufdie Traditionen.»

Holzschnitzer, Appenzeller Witze, Köh-lern, Jassen, Maskenschnitzen, Volkstänze,Vereinswesen, Gebetsheilen, Zweisprachig-keit und Töfftreff. Zählt es wirklich zu denlandestypischen Traditionen, wenn Hun-derte von Motorradfahrern in Lederjackenüber kurvige Bergstrassen brettern und sichbei einem Zwischenhalt – beispielsweise aufdem Hauenstein – ein Bier gönnen? Vitaliplädiert für einen offenen, unvoreingenom-menen und umfassenden Traditionsbegriff.Ein Wesenszug von Tradition sei, «dass et-was von Generation zu Generation weiter-

gegeben wird». Ein diffuses Zugehörigkeits-gefühl schaffe keine Tradition. Nötig sei«eine klar auszumachende Trägerschaft».Tradition sei somit, was für eine konkreteGruppe von Menschen Identität schaffe.Das sei beim Töfftreff Hauenstein klar derFall: «Er ist für viele ein Kristallisations-punkt.» Donnerstag für Donnerstag treffensich dort Liebhaber von zweirädrigenBoliden samt ihren Liebhaberinnen. Und dasseit 1964.

Vitali legt den breiten Traditionsbegriffanhand eines anderen, mit Fragezeichen ver-sehenen Beispiels dar. Die Schweiz hat fürdie Unesco-Liste ihren Umgang mit Lawi-nengefahren vorgeschlagen: «Auch dies istdurchaus berechtigt, das Thema steht fürden tief in der Gesellschaft verwurzeltenUmgang mit Risiken und Gefahren.»

Zwischen Tradition und FolkloreDie Verwunderung über einzelne Nomina-tionen rührt laut Vitali auch daher, dass Tra-dition oft mit folkloristischem Brauchtumgleichgesetzt werde. Selbstverständlichwerde das Brauchtum auf der Unesco-Listeviel Raum einnehmen. Dabei sei das «alther-gebrachte» Brauchtum oft viel jünger, als

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Volksmusik: mal mitAlphornbläsern nachden althergebrachtenVorstellungen, malneu interpretiert vonChristine Lauterburgmit Schwyzerörgeli

Darunter die umstrit-tene Marke derSchweizer Post zum100-Jahre-Jubiläumdes EidgenössischenJodlerverbands

Auf der Liste der Kul-turgüter ist auch derTöfftreff vom Hauen-stein — seine Ge-schichte geht zurückbis in die 1960er-Jahre (unten links)

viele Schweizerinnen und Schweizer meinen.In der Tat. Auch völlig unbestrittene Kandi-daten stehen zum Teil erst seit Jahrzehntenund keineswegs seit Jahrhunderten in derBlüte. Selbst das Alphorn war zu Beginn desletzten Jahrhunderts so gut wie vergessen.Erst ab 1930 tauchte es wieder häufiger auf,im Sog des sich entwickelnden Tourismus.Das heisst: Der Wunsch der Fremden nachalpenländischer «Authentizität» liess dieEinheimischen wieder ausgraben, was sie ansich für passé hielten. Dieses symbiotischeVerhältnis zwischen Tradition und Touris-mus ist ziemlich delikat.

Werber wittern WettbewerbsvorteileSchweizer Tourismuswerber zeigen grösstesInteresse an der Unesco-Liste der lebendi-gen Traditionen. Tourismusfachleute disku-tieren angeregt über die Frage, wie die stär-kere Vermarktung von Traditionen zuWettbewerbsvorteilen und besserer Wert-schöpfung führen könnte. Und die Vermark-tungsorganisation «Schweiz Tourismus» willab 2013 stärker mit schweizerischen Tradi-tionen werben. Vitali verweist auf die Chan-cen: «Der Tourismus kann durchaus dazubeitragen, Traditionen zu erhalten – etwaalte Handwerkskünste oder traditionellelandwirtschaftliche Bewirtschaftungsfor-men.» Gleichzeitig gehe vom Tourismus dieGefahr aus, dass Traditionen vereinnahmtund auf einen ökonomischen Faktor redu-ziert werden. Vitali wehrt sich aber gegen dieVerteufelung des Tourismus: «Bis zu einembestimmten Grad sind viele Traditionen erstdurch den Tourismus entstanden. Der Tou-

rismus selbst ist eine Art schweizerischerTradition.»

Wo in etwa die Grenze liegen dürfte, um-riss kürzlich der Dozent und Tourismus-experte Urs Wagenseil: «Wenn auf der Klei-nen Scheidegg eine Alphornformation spieltund dafür noch extra ein Sennenhund ange-karrt wird, der davor sitzt, ist das in unserenAugen Kitsch. Und für einen Chinesen istdas dann die Schweiz live.»

Eine einzige Partei sagte NeinFragen wir im Tourismuskanton Wallis ei-nen Exponenten der Schweizerischen Volks-partei (SVP): Wie haben Sie es denn mit derTradition? Es gibt dazu allen Grund. DieSVP war nämlich die einzige Partei, die sichgegen die Ratifizierung der Unesco-Konven-tion zur Bewahrung des immateriellen Kul-turerbes stellte. Ist die konservative und sichstets auf Traditionen berufende SVP also ge-gen die Stärkung von Traditionen? «Ganzim Gegenteil», sagt der Walliser NationalratOskar Freysinger. Nicht die Unesco-Listesei das Problem, sondern der Umstand, dassdie Schweiz hier einmal mehr im Begriff sei,«das Prinzip der freien Entscheidung» aufzu-geben und sich stattdessen «den Zielen undVorgaben einer supranationalen Institutionunterordnet». Die SVP pocht also auf ihre«Tradition», in jeder Bindung mit internati-onalen Organisationen einen Souveränitäts-verlust zu sehen. Zudem riecht für sie jedesstaatliche Engagement für kulturelle Wertenach bevormundender «Staatskultur».

Selbstverständlich freut sich aber auch dieSVP, dass die Reputation der Schwinger,

Alphornbläser und Jasser aufgewertet wer-den dürfte. Tatsächlich gebe es in der Sacheselbst keinen Grund, das Bundesamt für Kul-tur zu kritisieren, sagt Freysinger: «Die Ziel-richtung stimmt. Was zusammengetragenwurde, ist reich und vielfältig.» Und dieGrundthese, dass die Globalisierung dieWichtigkeit von Traditionen unterstreiche,stimme unbedingt. «Tradition ist essentiell.Denn die Globalisierung gibt vielen das Ge-fühl, das eigene Schicksal nicht mehr in deneigenen Händen zu haben. Da wird diePflege und Rückbesinnung auf Wurzelnwichtig.» Allerdings lasse sich Traditionnicht inszenieren: «Wer nur Indianer spielt,ist kein Indianer. Künstlich präpariertesBrauchtum entfaltet keine Kraft.»

Tradition trägt Werte weiterFreysingers Formel: Aus Traditionen entste-hen Werte, Werte geben Halt. Und Tradi-tionen stehen für Dauer und Tiefe, statt fürdie blosse Aneinanderreihung von Augenbli-cken: «Der moderne Trend hin zu einem im-mer umfassenderen Zustand zeitloser Ge-genwart schafft bloss die Illusion vonEwigkeit.» Die Tradition sei da ehrlicher:«Sie negiert den Tod nicht.» Sie lasse den Le-bensprozess zu – aufkeimen, erblühen, ver-welken, sterben: «Die Menschen vergehen,die Traditionen bleiben.» Worauf stützt erseine Sicht? Beispielsweise auf das Fête-Dieu,die Fronleichnamsprozession, in seinemWohnort Savièse, «ein Riesending von un-glaublicher Dynamik, das für weit mehr stehtalso für Religiosität, nämlich für Gemein-schaft, die um gewisse Werte gebaut ist.»

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EinE WElt vollErtraditionEnchinesische Kalligraphie, spa-nischer Flamenco, balinesi-sche Tempeltänze oder casta-nicoltura, zibelemärit undFondue: Die unesco will, dasssolch «immaterielles Kultur-erbe» in seiner ganzen vielfaltlebendig bleibt. Die Schweizhat nebst 94 weiteren Staatendie resolution der unescozum Schutz und zur Förde-rung der vielfalt kulturellerAusdrucksformen unterzeich-net. Sie muss deshalb bis imApril 2012 der unesco einenBericht zur Lage der kulturel-len vielfalt vorlegen.

um eine breite Diskussionzu ermöglichen, spricht dasBundesamt für Kultur liebervon «lebendigen Traditionen»als von «immateriellen Kul-turgütern». Am ziel ändertdiese Sprachregelung nichts:Auch die Schweiz will zu ei-nem gesellschaftlichen Klimabeitragen, in dem Traditionengewürdigt und gepflegt wer-den. (muL)

Die vollständige Liste aller 167berücksichtigten Traditionen unter:www.bak.admin.ch

Im Frühjahr wird er üb-rigens seinen literarischenBeitrag zur Debatte überTraditionen liefern: AutorFreysinger siedelt seinennächsten Roman in derWelt der Suonen an, jenenkunstvollen Bewässerungs-kanälen, die im Wallis ent-lang der Felswände gebaut werden. Der Bauvon Suonen ist eine bemerkenswerte Tradi-tion. Sie hat aber keinen Eingang auf dieUnesco-Liste gefunden. Das spricht nichtgegen die Suonen, sondern unterstreichtbloss die unübersichtliche Vielfalt derschweizerischen Traditionen.

Kühe, Kühe, nichts als KüheWährend der Walliser Politiker schriftstel-lert, sitzt nördlich der Alpen Francis Ober-son in seinem Atelier und malt mit einemwinzigen Pinsel Kühe auf eine riesige Holz-fläche. Oberson ist Poya-Maler. Er malt aus-schliesslich Kühe. Seine Bilder landen nichtin Galerien. Sie zieren die Fassaden der Bau-ernhäuser im Greyerzerland. Oberson maltKühe, die in Reih und Glied über schmaleSerpentinen den Berg hochklettern, blumi-gen Alpweiden entgegen. Oberson malt eineidealisierte Welt: In der gemalten Szeneriestört keine Maschine, kein Linienflugzeug,keine touristische Infrastruktur. Was wirktwie die idealisierte Wirklichkeit, sind realis-tisch gemalte Bilder des Unrealistischen, ge-malte Erinnerung ans Gute. Was ist an die-sen Bildern Tradition? Die Poya-Malerei seiKunst, aber keine persönliche Kunst. Sie ge-

höre nicht dem Künstler,sondern der Region, in dersie lebendig sei. Oberson:«Wenn du ein Bild für ei-nen Bauern malst, dannlebt dieser mit.» FürOberson ist also nicht dieVermittlung von Wissenund Werten von einer

Generation zur nächsten das Entscheidende,sondern die unbedingte Verbindung mit ei-nem Ort. Poya-Bilder könne nur malen, werhier seine Wurzeln habe. Er selber habe zu-nächst neun Sommer lang Kühe beobachtetund gezeichnet, bevor er sich als Poya-Ma-ler verstand. Seither ist Malen für ihn «wieein Gebet», wie ein Versuch «das Licht desGreyerzerlandes einzufangen», wie eine Auf-forderung zur Langsamkeit.

der Einspruch der JodlerinDas Bundesamt für Kultur will wie bereitserwähnt keine «Mumifizierung» von Tradi-tionen und wirbt für einen offenen Traditi-onsbegriff. Traditionen – das folkloristischeBrauchtum eingeschlossen – stehen prak-tisch unwidersprochen als schöne, farbige,bereichernde und auch bedeutende gesell-schaftliche Klammern da. Das wachsende In-teresse des urbanen Publikums an archai-schen Traditionen wie dem Schwingenuntermauert die These. Dass sich ab und zuauch ein ganz unbäuerischer Banker einPoya-Bild bestellt, ebenso. Allerdings gibt eskritische Stimmen, die das einmütige Bild in-frage stellen. Die Berner Musikerin und Sän-gerin Christine Lauterburg etwa leidet nach

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Die «Horlogerie», dieUhrmacherkunst(Bild rechts), gehörtebenso zu den schüt-zenswerten Traditio-nen der Schweiz wiedas «Fête-Dieu», dieFronleichnamsprozes-sion, in Savièse imKanton Wallis (Bildunten)

eigenem Bekunden schon länger an allzu ver-bissener Traditionspflege: Als Jodlerin, diezwar altes Liedgut pflege, dieses aber immerauch mit moderner Musik verbinde, sei sieständigen Anfeindungen ausgesetzt. Lauter-burg: «Es gibt einen engen Kreis von Tradi-tionshütern, die beinahe in einer abgeschot-teten Parallelwelt leben, im heiligen Gral derVolksmusik. Und dort ist es recht eng undsehr wenig lustig. Das wirkt nicht verbin-dend, sondern ausgrenzend.» Sie vermutet,dass die «reaktionären Tendenzen» und dieVereinnahmung der Volkskultur innerhalbder Traditionen nirgends so ausgeprägt sindwie beim Jodeln.

Lauterburg, dem «Enfant terrible» desVolksgesangs, der «Techno-Jodlerin», liegtallerdings nichts an einem Machtkampf mitdem Schweizerischen Jodlerverband, derüber das «korrekte» Jodeln wacht: «Ich habebloss keine Lust, Volksmusik freudlos zuexerzieren. Ich will einfach aus dem Momentheraus zu einer Volksmusik beitragen, diesich verändert, die lebt, die lacht.» Sie wollebeispielsweise, auch wenn die Traditions-hüter finden, das liege gar nicht drin, «jodelnund mich gleichzeitig mit der Violinebegleiten dürfen». Statisches und unverän-derbares Brauchtum interessiere ChristineLauterburg nicht.

AbgestempeltAber die Berner Jodlerin provoziert selbstdann, wenn sie gar nichts tut. Sie wurdeanlässlich des 100-Jahre-Jubiläums des Eidge-nössischen Jodlerverbands (2010) auf einerJubiläumsbriefmarke der Schweizerischen

Post verewigt – etwa elf Millimeter klein, aberlängstens gross genug für ein lärmiges Skan-dälchen und harsche Reaktionen seitens dertraditionellen Jodler: eine Abtrünnige, geadeltals Briefmarkensujet! Es war «ein Höllenpuff»,sagt Lauterburg. Trotz negativer Erfahrun-gen hofft sie für die Zukunft auf eine Tradi-tionspflege, «die auch wirklich Spass macht,

die Jungen einbezieht, das Verbindende be-tont und das Ausgrenzende ablegt».

Momentbezogenes BildDie Reibungsflächen, die Lauterburgbeschreibt, ändern nichts daran, dass dasJodeln zweifelsfrei zum «immateriellen Kul-turerbe» der Schweiz gehört. Für dieUnesco-Liste taucht diese Ausdrucksweisegleich in zwei Varianten auf: mit dem Juuzaus der Zentralschweiz und dem Naturjodelaus dem Appenzell und dem Toggenburg.Warum sind es genau diese zwei Varianten?David Vitali vom Bundesamt für Kultur sagt,dass mit der Unesco-Liste trotz aller Sorg-falt «ein sehr momentbezogenes Bild» vor-liege: «Sie ist überhaupt nicht in Stein ge-meisselt.» Ziel sei es, sie periodisch zuüberarbeiten und so die Debatte über Tra-ditionen und ihren Wert wach zu halten.

Ob sie es also wollen oder nicht: Die Frage,wie sie es denn mit der Tradition halten,wird die abtrünnige Jodlerin, den Maler, derausschliesslich Kühe malt, und den schrift-stellernden Politiker wohl ein Leben lang be-gleiten.

Marc Lettau ist redaktor der «Schweizer revue»

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Das Volk ist gefordertBuchpreise, Wohneigentum, Landschaftsschutz, Lotterien und mehrFerien: Am 11. März stimmen Volk und Stände über fünf Vorlagen ab.Von René Lenzin

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Während vieler Monate haben die Parla-ments und Bundesratswahlen die politischeDiskussion in der Schweiz dominiert. Nunist wieder Sachpolitik angesagt. Für die Par-lamentarierinnen und Parlamentarier inBern, aber auch für die Stimmberechtigtenim ganzen Land. Am 11. März müssen diesegleich über fünf Vorlagen befinden: dreiVolksinitiativen, ein Gegenentwurf des Par-laments zu einer Volksinitiative und einBundesgesetz, gegen welches das Referen-dum ergriffen worden ist. Für die Annahmender Initiativen und des Gegenvorschlagsbraucht es sowohl das Mehr vom Volk alsauch der Stände, für das Gesetz reicht dasVolksmehr.

«Schluss mit dem uferlosen Bau vonZweitwohnungen»Diese Volksinitiative der Stiftung HelvetiaNostra des Umweltschützers Franz Weberverlangt, dass der Anteil der Zweitwohnun-gen und der für Wohnzwecke benutztenBruttogeschossfläche pro Gemeinde 20 Pro-zent nicht übersteigen darf. Laut Initiantenstehen die Zweitwohnungen meist leer, be-einträchtigen die schönsten Berglandschaf-ten und führten zu einer unkontrolliertenAnstieg der Immobilienpreise. Bundesratund Parlamentsmehrheit lehnen die Initia-tive ab, weil sie die unterschiedlichen Be-dürfnisse von touristischen und nicht touris-tischen Orten nicht berücksichtige. Siewollen das Problem der Zweitwohnungenmit raumplanerischen Massnahmenangehen – ein Prozess, den Bund, Kantoneund viele Gemeinden bereits eingeleitethaben. Der Nationalrat hat die Initiative mit123 zu 61 Stimmen verworfen, der Ständeratmit 29 zu 10.

Bauspar-InitiativeDiese Volksinitiative der SchweizerischenGesellschaft zur Förderung des Bausparensfordert, dass die Kantone steuerliche An-reize für den Erwerb von selbstgenutztemWohneigentum einführen können. Einzel-personen sollen während höchstens zehnJahren je maximal 15 000 Franken als Bau-spareinlage vom steuerbaren Abkommenabziehen können, Ehepaare doppelt so viel.Abzüge von maximal 5000 und 10 000 Fran-ken sollen zudem für bauliche Energiespar-massnahmen möglich sein. Die Initiantenwollen mehr Personen als heute den «Traumvon den eigenen vier Wänden» ermöglichen.Der Bundesrat lehnt die Initiative ab, weildas Wohneigentum steuerlich bereits privi-legiert sei und weil von der Initiative vorallem Personen mit höheren Einkommenprofitieren würden. Da sich National undStänderat weder auf eine Parole zur Initia-tive noch auf einen indirekten Gegenvor-schlag einigen konnten, kommt die Initiativeohne Empfehlung des Parlaments an dieUrne.

«Sechs Wochen Ferien für alle»Diese Volksinitiative des christlichsozialenGewerkschaftsbundes Travailsuisse verlangt,dass alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-mer mindestens sechs Wochen bezahlte Fe-rien pro Jahr haben. Heute schreibt das Ge-setz vier Wochen vor, fünf für unter20Jährige. Linke und Gewerkschaften wol-len mit der Initiative einen besseren Aus-gleich zwischen Arbeit und Erholung schaf-fen. Die Arbeitsbelastung sei stetig gestiegen,mit negativen Folgen für die Gesundheit vie-ler Angestellter, sagen sie. Bundesrat undbürgerliche Parteien sagen, die aktuelle Re-gelung habe sich bewährt. Diese überlasse esden Sozialpartnern, grosszügigere Ferienre-geln auszuhandeln oder Produktivitätsfort-schritte in Form von höheren Löhnen oderkürzeren Arbeitszeiten weiterzugeben. DerNationalrat hat die Initiative mit 122 zu 61 Stim-men abgelehnt, der Ständerat mit 32 zu 10.

Geldspiele für gemeinnützige ZweckeMit der Volksinitiative für «Geldspiele imDienste des Gemeinwohls» wollen die Kan-tone ihre Hoheit über Lotterien sichern unddie Verwendung der Spielgewinne für die Be-reiche Kultur, Soziales und Sport garantie-ren. Mit einem direkten Gegenvorschlagnahmen Bundesrat und Parlament dieses An-liegen auf, worauf die Initiative zurückgezo-gen wurde. Der Nationalrat empfiehlt denGegenvorschlag mit 193 zu 3 Stimmen zurAnnahme, der Ständerat mit 42 zu 0.

BuchpreisbindungDie Buchpreisbindung, das heisst die Ver-marktung von Büchern zu festgelegten Prei-sen, ist ein politischer Dauerbrenner. 1999hat die Wettbewerbskommission eine überhundertjährige Branchenabsprache in derDeutschschweiz als unzulässig erklärt. Umdie Preisbindung zu retten, haben deren Be-fürworter Vorstösse für eine gesetzlicheVerankerung eingereicht. Diese wurden ge-gen den Willen des Bundesrats in beiden Rä-ten angenommen: mit 96 zu 86 Stimmen imNationalrat, mit 23 zu 19 im Ständerat. DiePreisbindung soll nicht nur in den Buch-handlungen, sondern auch für den Online-Handel gelten. Gegen das Gesetz haben dasDeutschschweizer Konsumentenforum unddie Jungfreisinnigen erfolgreich das Referen-dum ergriffen. Sie wollen den Wettbewerbauch im Buchhandel spielen lassen und über-höhte Preise verhindern. Die Befürworterder Preisbindung sagen, es gehe um denSchutz des Kulturguts Buch. Ohne Preisab-sprachen würden zwar Bestseller günstiger,viele Bücher mit kleinen Auflagen würdenjedoch aus den Regalen verschwinden.

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Im Bundesrat bleibt fast alles, wie es warEveline Widmer-Schlumpf ist im Amt bestätigt, und die SVP als wählerstärkste Parteierhält keinen zweiten Sitz. Alain Berset ersetzt Aussenministerin Micheline Calmy-Rey.Von René Lenzin

Die parteipolitische Zusammensetzung derLandesregierung bleibt unverändert: DieSozialdemokraten (SP) und die Freisinnig-Liberalen (FDP) belegen je zwei Sitze, dieChristlichdemokraten (CVP), die Schwei-zerische Volkspartei (SVP) und die Bürger-lich-Demokratische Partei (BDP) je einen.Die Vereinigte Bundesversammlung hat inden Gesamterneuerungswahlen vom 14. De-zember alle wieder kandidierenden Bundes-rätinnen und Bundesräte bestätigt. Es sinddies, in der Reihenfolge ihrer Wahl: DorisLeuthard (CVP), Eveline Widmer-Schlumpf (BDP), Ueli Maurer (SVP), Di-dier Burkhalter (FDP), Simonetta Som-maruga (SP) und Johann Schneider-Ammann(FDP). Der Freiburger Sozialdemokrat AlainBerset ersetzt seine Parteikollegin MichelineCalmy-Rey, die per Ende 2011 zurückgetre-ten ist. Im Amt bestätigt wurde auch die Bun-deskanzlerin, Corina Casanova (CVP).

Die strahlende Siegerin dieser Wahl heisstEveline Widmer-Schlumpf. Sie war vor vierJahren, damals noch als SVP-Politikerin undgegen den Willen ihrer Partei, an Stelle vonChristoph Blocher in die Landesregierunggewählt worden. Von der SVP aus der Par-tei ausgeschlossen, hat sie anschliessend indie neu gegründete BDP gewechselt, die miteinem Wähleranteil von fünf Prozent aller-dings keinen Anspruch auf einen Bundes-ratssitz stellen kann. Mit Hilfe von SP, CVP,Grünen und Grünliberalen hat Widmer-Schlumpf die Wahl aber trotzdem und kom-fortabel im ersten Wahlgang geschafft.

Der zweite Sieger ist Johann Schneider-Ammann. Der Berner Freisinnige, erst voreinem Jahr gewählt, galt als Zitterkandidat,weil seine Partei in den Nationalratswahlenabermals Wähleranteile verloren hatte undkaum mehr Anspruch auf zwei Sitze anmel-den konnte. Zufrieden sein kann schliesslichauch die SP, welche die Nachfolge vonMicheline Calmy-Rey souverän organisierthatte und ihre beiden Sitze problemlos hal-ten konnte.

Geht die SVP in die Opposition?Die grosse Verliererin ist die SVP. Als mitAbstand wählerstärkste Partei ist ihr An-

spruch auf zwei Bundesratssitze bestens aus-gewiesen und wurde im Grundsatz mit Aus-nahme der Grünen auch von niemandembestritten. Trotzdem ist ihr Angriff auf Wid-mer-Schlumpf gescheitert. Ihre Kandida-ten Jean-François Rime und HansjörgWalter blieben gegen die Bündnerin chan-cenlos. Unterstützung erhielt sie einzigvon der FDP, doch die beiden Parteienverfügen in der 246-köpfigen Bundesver-sammlung zusammen nur über rund 100Sitze. Und als die SVP danach mit Rimeauch gegen FDP und SP antrat, blieb sieerneut erfolglos.

Für die Parteileitung kommt dieses Ver-dikt einer klaren Verletzung der Konkor-danz gleich. An einer Delegiertenversamm-lung im Januar will sie ihre Basis fragen, wiedie Partei darauf reagieren soll. MöglicheSzenarien sind ein Rückzug von Ueli Mau-rer aus dem Bundesrat und der Gang in dieOpposition. Oder der Verbleib in der Lan-desregierung, kombiniert mit einer «halb Re-gierungs- und halb Oppositionspolitik», so-lange der Anspruch auf den zweiten Sitzunerfüllt bleibt.

Missglückte KandidatensucheEin Stück weit muss sich die SVP diese Nie-derlage wohl selber zuschreiben. Sie tat sichlange schwer mit der Suche nach geeignetenAnwärtern auf den Bundesratsjob. Kaumhatte sie mit dem Zürcher NationalratBruno Zuppiger ihren Wunschkandidatengekürt, musste sich dieser zurückziehen, weiler in eine undurchsichtige Erbschafts-geschichte verstrickt war. Zudem weigertesich die SVP bis am Wahltag, gegen die FDPanzutreten, obwohl die beiden Parteien miteinem Wähleranteil von 42 Prozent kaumvier von sieben Sitzen in der Regierung be-anspruchen können.

Den Misserfolg der Volkspartei imWesentlichen verursacht hat jedoch dieMitte-links-Koalition, die Widmer-Schlumpf vor vier Jahren gewählt und nunals Bundesrätin bestätigt hat. Obwohl dieseKoalition über eine deutliche Mehrheit inder Bundesversammlung verfügt, machte sieauch keine ernsthaften Anstalten, der SVP

gegen ihren Willen einen zweiten Sitz zulas-ten der FDP zu verschaffen. Letztlich zeigtesich, der Wunsch, Widmer-Schlumpf imAmt zu belassen und die SVP zu schwächen,war stärker als die allseitigen Bekenntnissezur Konkordanz.

Herausgekommen ist dabei eine Regie-rung, deren Mitglieder von ihrem Naturellher gut werden zusammenarbeiten können.Wie das Zusammenspiel mit dem Parlamentund einer zumindest halboppositionellenSVP funktionieren wird, muss sich nochzeigen.

DepartementsverteilungNach ihrer problemlosen Wiederwahl hatdas Parlament Eveline Widmer-Schlumpfauch noch mit einem Glanzresultat zur Bun-despräsidentin für das laufende Jahr gekürt.Vizepräsident ist Ueli Maurer. Neuer Vor-steher des Departements für Auswärtige An-gelegenheiten (EDA) wird Bundesrat DidierBurkhalter. Der Freisinnige aus Neuenburgleitete seit seiner Wahl in den Bundesrat2009 das Departement für Inneres (EDI).Dieses übernimmt nun Alain Berset. Die an-deren fünf Bundesräte führen die gleichenDepartemente wie vor den Wahlen.

Alain Berset bei seinem ersten Auftritt vor den Medien kur

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Ein Jungstar mit steiler KarriereMit 39 Jahren gehört der bisherige Freiburger Ständerat Alain Bersetzu den jüngsten Bundesräten der Schweiz.Von René Lenzin

Alain Berset lässt sich nicht gerne in die Kar­ten schauen. Dieser Eindruck entstand zu­mindest in den Interviews, die er als Bundes­ratskandidat gab. Auch hartnäckigenBefragern wich er häufig mit schwammigenoder allgemeinen Formulierungen aus. Inden ersten Interviews nach der Wahl wollteer sich ebenfalls nicht konkret zu denSchwerpunkten seiner künftigen Regie­rungstätigkeit äussern. Erst müsse er sich insTeam integrieren und wissen, welches De­partement er übernehme, sagte er den Me­dienleuten. Seine Formulierungen kamen ge­schliffen daher, als Person und Politikerblieb er aber irgendwie unfassbar.

Mit dieser Einschätzung konfrontiert,sagte Berset dem «TagesAnzeiger»: «Ich ver­trete mit Überzeugung und Engagement un­sere sozialdemokratischen Positionen.» Tat­sächlich geniesst er in seiner Partei hoheWertschätzung und ist kaum je durch abwei­chende Positionsbezüge aufgefallen. Darü­ber hinaus gilt der Freiburger als Brücken­bauer und konsensorientierter Politiker, derauch von den meisten Vertretern der bür­gerlichen Parteien geschätzt wird. Es sinddies klassische Eigenschaften, wie sie Stände­räten häufig zugeschrieben werden und die

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Nach dem wahltag vom 23. Oktober2011 waren im Ständerat erst 27 von 46Sitzen besetzt. in 13 Kantonen kam esdanach zu zweiten wahlgängen.n Als Sieger stehen die Sozialdemokra-ten (SP) fest. Sie haben gegenüber 2007zwei Sitze zugelegt. rechnet man denzwischenzeitlich verlorenen BernerSitz dazu, sind es gar deren drei. Mit 11Sitzen ist die SP so stark wie noch nie.n Die bisherigen Dominatoren in derKammer der Kantonsvertreter, christ-lichdemokraten (cvP) und Freisinnig-Liberale (FDP), stellen nur noch diehälfte der Ständeräte. Die cvP verlor 3ihrer 15 Mandate, die FDP 1 ihrer 12.n Klar gescheitert ist der Grossangriffder Schweizerischen volkspartei (SvP)auf das Stöckli. Sie belegt einen Sitzweniger als vor vier Jahren. zählt manden nach nur wenigen Monaten wiederverlorenen Berner Sitz dazu, sind esgar 2.n Die Parteienvielfalt im Ständerat hatzugenommen. Grüne und Grünliberalehaben je zwei Sitze, die BDP einen. MitThomas Minder, dem vater der soge-nannten «Abzocker-initiative», ziehtzudem ein Parteiloser in die kleineKammer ein. er hat sich der SvP-Frak-tion angeschlossen, will aber unabhän-gig bleiben. rL

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in der Regel gute Voraussetzungen für einRegierungsamt bilden. Fragezeichen setztenBersets Kritiker denn auch nicht bei seinerKonsensfähigkeit, sondern bei seiner man­gelnden Exekutiverfahrung. Als bisherigenBeruf gibt er unabhängiger Strategie undKommunikationsberater an. Faktisch dürfteer schon vor seinem Eintritt in die Landes­regierung Berufspolitiker gewesen sein.

Der 39jährige Sozialdemokrat gehört zuden jüngsten Bundesräten in der Geschichtedes Bundesstaates. Im aktuellen Regie­rungsteam ist er mit Abstand der Jüngste.Berset hat eine politische Blitzkarriere ab­solviert. Er war drei Jahre lang Gemeinderatin seinem Wohnort Belfaux und vier Jahrelang Mitglied des Freiburger Verfassungs­rats, bevor ihn die Stimmberechtigten seinesKantons 2003 erstmals in den Ständeratwählten. Vier und acht Jahre später schaffteer die Wiederwahl problemlos. 2009 präsi­dierte er die kleine Kammer. Seit 2005 ist erVizepräsident der SPFraktion im Bundes­haus. In dieser Funktion soll er eine mass­gebliche Rolle bei der Abwahl von ChristophBlocher im Dezember 2007 gespielt haben.Der promovierte Politik und Wirtschafts­wissenschafter ist verheiratet und Vater vondrei Kindern im Alter von vier, sechs undacht Jahren. Als Jazzpianist hatte er sich einsteinen Teil einer Lateinamerikareise verdient,und im Mittelstreckenlauf war er West­schweizer Juniorenmeister.

Schwierige Aufgabe im EdiDurchgesetzt hat sich Alain Berset gegenden früheren Nationalrat und aktuellenWaadtländer Regierungsrat PierreYvesMaillard. Bereits im ersten Wahlgang konnteer seinen Rivalen überraschend deutlich di­stanzieren, und im zweiten nahm er dieHürde des absoluten Mehrs. Im Bundesratersetzt er seine Parteikollegin MichelineCalmyRey. Allerdings hat er von ihr nichtdas Amt des Aussenministers übernommen,Er wird Vorsteher des Innendepartements.Dort erwarten ihn schwierige Aufgaben: Ermuss sich um die politisch umstrittenen undseit Jahren blockierten Reformen der Kran­ken und Sozialversicherungen kümmern.

MAndAtSVERtEiLung nAch PARtEiEn 2011in Klammern die veränderung gegenüber2007

der Ständerat (46 Sitze)

der nationalrat (200 Sitze)

or den Medien kurz nach seiner wahl zum Bundesrat

2 (+/–)

11 (+2)

1 (neu)2 (+1)

13 (–2)

11 (–1)

5 (–2)

1 (neu)GPS

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¹ FDP inkl. LPS (2007: 4 Sitze)

15 (–5)

46 (+3)

2 (+/–)

9 (+9) 28 (–3)30 (–5)¹

1 (+1)

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Wie wählen Schweizerinnen und Schweizer im Ausland?Regelmässig wird nach Wahlen und Abstimmungen die Frage gestellt: Stimmen die im Ausland lebendenSchweizerinnen und Schweizer anders als die in der Schweiz lebenden Stimmberechtigten? Und wenn ja, wie?Eine Analyse im Rahmen des Möglichen.

tonen Aargau und Thurgau erfolgreicher als im kantonalen Durch-schnitt, in Genf, der Waadt, Luzern und im Wallis dagegen wenigererfolgreich.n Die CVP erzielte bei den Auslandschweizern in Genf und in derWaadt überdurchschnittliche Resultate, in Luzern, im Aargau, Thur-gau, in St. Gallen und im Wallis hingegen unterdurchschnittliche.

Vergleiche mit früheren UrnengängenGegenüber 2007 haben bei den Auslandschweizern in Genf die Grü-nen, die FDP und die CVP zugelegt, während SP und SVP Stimmen-anteile eingebüsst haben. In der Waadt haben sich die Grünen, CVP,

SVP und SP steigern können, während die FDP zusam-men mit den Liberalen Stimmenanteile verloren hat. InLuzern hat die SVP leicht zugelegt, während CVP undFDP an Terrain verloren haben.

Auffallend ist auch, dass die SVP bei den Ausland-schweizern in vier der sechs untersuchten Kantonestärkste Partei ist (LU, AG, TG, SG). Vor vier Jahrenhatte sie in keinem der drei Kantone, welche damals dieAuslandschweizer Resultate bekanntgaben (GE, VD,LU), den Spitzenplatz belegt. Allerdings schneidetdie SVP in allen Kantonen, in welchen sie nun ander Spitze liegt, bei den Auslandschweizern zwischen 4,4

Die Frage nach dem Wahl- und Abstimmungsverhalten der Ausland-schweizerinnen und Auslandschweizer kann nur punktuell beantwor-tet werden. Grund dafür ist, dass nicht alle Kantone ihr Stimmver-halten separat ausweisen. Aus den wenigen vorhandenen Daten ausden Kantonen Genf, Waadt, Luzern, Aargau, Thurgau, St. Gallenund Wallis geht jedoch hervor, dass die parteipolitischen Präferen-zen der Wählerinnen und Wähler im Ausland von einem Kanton zumandern sehr unterschiedlich sind. Ob die wahlberechtigten Ausland-schweizer in einer bestimmten Weltgegend, beispielsweise in denUSA oder in Südostasien, ähnliche Präferenzen haben, kann über-haupt nicht eruiert werden, da bei den Statistiken zu den Stimmenaus dem Ausland nicht nach deren Herkunft unterschie-den wird.

Überraschende DetailsBei den Parlamentswahlen vom 23. Oktober 2011 lieferndie vorhandenen Daten einige interessante Aspekte:n Die Grünen waren bei den Auslandschweizern in allenKantonen klar – zum Teil sogar massiv – erfolgreicher alsim Kantonsdurchschnitt.n Die SP schnitt bei den Auslandschweizern überallausser im Kanton Waadt überdurchschnittlich gut ab.n Die FDP war bei den Auslandschweizern in den Kan-

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Genf: Kanton gesamt Auslandschweizer Luzern: Kanton gesamt Auslandschweizer

Waadt: Kanton gesamt Auslandschweizer Aargau: Kanton gesamt Auslandschweizer

Legenden zu den untenstehenden Grafiken

SVP

SP

FDP

Liberale

CVP

Grüne

BDP

Grünliberale

Übrige

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und 14,2 Prozentpunkte schwächer ab als im Kantonsdurchschnitt.Einzig im Wallis erzielte die SVP im Ausland mehr Stimmenanteileals im kantonalen Durchschnitt.

Forderungen zu E-VotingDie unten stehenden Grafiken zeigen detailliert die Wähleranteileder einzelnen Parteien bei allen Stimmberechtigten der jeweiligenKantone sowie die Parteistärke, wenn nur die abgegebenen Stimmender Auslandschweizer berücksichtigt werden.

Dem nebenstehenden Aufruf können Sie entnehmen, dass sich dieAuslandschweizer-Organisation (ASO) zum Ziel gesetzt hat, allenStimmberechtigten das Stimmen und Wählen über Internet zu er-möglichen. Dies würde aus Sicht der ASO die politische Partizipa-tion der Auslandschweizer massiv erleichtern und deshalb auch einehöhere Stimmbeteiligung zur Folge haben. Zudem ist E-Voting auchein Anliegen der in der Schweiz lebenden Stimmberechtigten – ins-besondere der jüngeren Generationen. (BE)

Weitere Details zu den Versuchen mit elektronischerStimmabgabe (E-Election) im Text der Bundeskanzlei auf Seite 28

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«E-Voting für alle»Petition der ASO an den Bundesrat

Mit einer Petition appelliert die Ausland-schweizer-Organisation (ASO) an denBundesrat und die zuständigen kantonalenStellen, rasch allen Schweizerinnen undSchweizern, ob im inland oder im Ausland,das Abstimmen per internet – E-Voting undE-Election – zu ermöglichen.

Die Petition können alle Bürgerinnen undBürger unterzeichnen, die dieses Anliegenunterstützen.

Unterschreiben Sie noch heute. Mit jederUnterschrift steigen die Erfolgschancen!

www.petition.aso.ch

St. Gallen: Kanton gesamt Auslandschweizer

Thurgau: Kanton gesamt Auslandschweizer

Wallis: Kanton gesamt Auslandschweizer

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«Die EU nur als Export-Club zu sehen, ist völlig falsch»Michael Reiterer war von Januar 2007 bis Ende 2011 Botschafter der EU in Bern. Er hat viel dazubeigetragen, dass auch in schwierigen Zeiten konstruktive Diskussionen zwischen der EU und derSchweiz möglich waren. Ein Interview zum Abschied.Von Barbara Engel

Aus Schweizer Sicht stellt Brüssel teils uner-füllbare Forderungen. Das hat die Frontenverhärtet.

Ich möchte nicht von Fronten sprechen,wir sind ja nicht in einem Krieg. Klar ist, dieSchweiz will am Binnenmarkt der Europäi-schen Union teilnehmen. Die EU ihrerseitsmuss dafür sorgen, dass die Regeln, die in-nerhalb des Binnenmarktes gelten, überalldie gleichen sind. Darüber wird momentanmit der Schweiz diskutiert. Ich bin zuver-sichtlich, dass wir nun, nach den Parlaments-und Bundesratswahlen in der Schweiz, dieseDiskussion wieder etwas offensiver angehenkönnen.

Es gibt in der Schweiz ein paar sehr heikleThemen, verbunden mit Ängsten bezüglich derPersonenfreizügigkeit und der EU:Schlagworte dazu sind «fremde Richter» oder

«Sozialtourismus». HabenSie dafür Verständnis?

Dazu erst einmal eineAnekdote: Mir hat mal einKantonsvertreter gesagt,die fremden Richter ausLausanne hätten das Frau-enstimmrecht eingeführt.Da sieht man, wie relativ

der Begriff «fremde Richter» ist. DieSchweiz ist Mitglied in einigen internationa-len Organisationen, die eine eigene Ge-richtsbarkeit einschliessen. Bei Handels-streitigkeiten hat die Schweiz zum Beispielkeine Probleme, sich dem WTO-Gericht zuunterstellen. Beim europäischen Gerichts-hof für Menschenrechte hat es auch Schwei-zer Richter, im EFTA-Gericht vertritt einSchweizer Richter sogar das FürstentumLiechtenstein. Fremde Richter zu exportie-ren, ist offenbar kein Problem. Und bezüg-lich «Sozialtourismus»: Das SchweizerStaatssekretariat für Wirtschaft wird Ihnenjederzeit bestätigen, dass die Schweizer So-zialwerke ohne die Einzahlungen der Auslän-der in einem sehr schlechten Zustand wären.Die Ängste entstehen, weil plakativ und mitpopulistischen Ausdrücken gearbeitet wird.

Welche Bereiche stehen auf der Wunschlisteder EU für bilaterale Abkommen mit derSchweiz?

Die EU hat keine Wunschliste. Aber esgibt einige Dossiers, die verhandelt werden,zum Beispiel der Agrarfreihandel. Hier stehteher die Schweiz auf der Bremse. Es gibtauch Gespräche zum Strombinnenmarkt,ein Gebiet, auf dem durchaus gemeinsameInteressen vorhanden sind.

Die Schweiz werde in Brüssel als «Rosinen-pickerin» wahrgenommen, war in der«Schweizer Revue» in einer Analyse ausBrüssel zu lesen. Stimmt das?

Ich habe diese Frage kürzlich auch demPräsidenten des Europäischen Rates Her-man van Rompuy gestellt. Er hat gesagt, dassei sicher nicht seine Terminologie. Dassauch die Schweiz von der politischen Stabi-lität und wirtschaftlichen Prosperität in Eu-ropa profitiert, steht ausser Zweifel. Daswird auch von der Schweizer Regierung undeiner grossen Mehrheit der Bevölkerung sogesehen. Wichtig ist deshalb, dass man dieEU als ein Projekt sieht, in das man sich ein-bringt. Wenn es darum geht, Europa weiter-zuentwickeln, zum Beispiel durch Erweite-rungen, ist aktives Mitmachen wichtig. Esläuft zwischen Staaten wie zwischen Men-schen: Man kommuniziert, man denkt mit,man arbeitet mit, und wenn sich da einer derDiskussion verweigert, wird das von den an-dern wahrgenommen. Das gilt auch für dieEntwicklungen, die noch auf uns zukommenwerden.

Stichwort Entwicklung der EuropäischenUnion: Aus einem Friedensprojekt ist einWirtschaftsverband geworden.

Die EU nur als Export-Club zu sehen, istvöllig falsch. Die Entwicklung ist ja eher an-dersherum gelaufen. Erst gab es die Europä-ische Wirtschaftsgemeinschaft, welche spä-ter in die Europäische Union führte. Dieseschliesst enge Zusammenarbeit und Integra-tion auch in den Bereichen Justiz, Migration,Asyl, Aussen- und Sicherheitspolitik ein. Na-

«schweizer revue»: Sie sind 2007 als ers-ter Botschafter der EU nach Bern gekommen.War Bern damals Ihr Wunschziel?

michael reiterer: Ja, auch im EU-Sys-tem muss man sich um einen Job bewerben,und ich habe mich für die Schweiz bewor-ben. Ich hatte schon davor in der Schweizgelebt, zwei Jahre während des Studiums inGenf und zwei Jahren bei der österreichi-schen Vertretung beim GATT. Nun geheich zurück nach Brüssel mit neun JahrenSchweizerfahrung.

Wieso hat Sie der Posten als EU-Botschafterin der Schweiz interessiert?

Hier konnte ich etwas Neues aufbauen,das hat mich gereizt. Es gab davor keine EU-Vertretung in Bern. Ich habe mit nichts alseinem angemieteten Haus begonnen. Zu-dem schien mir die Vorstellung reizvoll, hierlänger zu arbeiten und zu le-ben. Ich kannte die Schweizund ihre Vorzüge ja bereitsrecht gut.

Die Beziehungen zwischender Schweiz und der EU sindin jüngster Zeit schwieriggeworden, der Umgangstonist manchmal nicht sehr freundlich. Sind Siefroh, nun von Bern weggehen zu können?

Nein. Aus meiner Sicht ist die Beziehungnicht schwieriger geworden. Die Themensind immer etwa die gleichen, seit dieSchweizer 1992 gegen den EWR-Beitritt ge-stimmt haben. Seither suchen wir ständignach einem Modus vivendi. Dieser muss vonZeit zu Zeit angepasst werden, weil sich dieEU verändert hat.

Wie hat sich die EU verändert?Sie ist in erster Linie grösser geworden,

von 12 auf 27 Staaten. Der Binnenmarkt istgewachsen und hat sich vertieft, die Rah-menbedingungen haben sich geändert. Dashat zur Folge, dass wir auch zwischen der EUund der Schweiz neue Formen der Zusam-menarbeit finden müssen.S

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Die EU ist undbleibt ein Frie-densprojekt. Dashat seinen Preis.

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türlich bleibt der Binnenmarkt wichtig undwir haben den Euro als Folge davon. Das be-dingt auch, dass wir unsere Politik aufeinan-der abstimmen. Aber es gibt genauso das po-litische Projekt, bei dem man sagt, Europawill und muss vereint auftreten.

Wie und wo bringt sich die Europäische Unionvereint ein?

Die weltpolitische Lage ist dabei, sichstark zu verändern. Es gibt neue Akteure wiedie G-20, das aufstrebende China, das sei-nen Platz in der Welt wieder zurückfordert.Wir sehen, dass die USA zwar noch diestärkste Militärmacht sind, aber als Wirt-schaftsmacht mit Europa und Asien imWettstreit stehen. Es geht hier auch um ei-nen Wettstreit der Ideen. In diesem Umfeldbraucht es mehr als nur einen Wirtschafts-Club. Da muss Europa sich mit seinen Wer-ten behaupten, denn die EU ist zuallerersteine Wertegemeinschaft.

Welche Werte vertritt die EU?Demokratie, Einhaltung der Menschen-

rechte und Rechtsstaatlichkeit sind dieGrundwerte, auf denen die EU gebaut ist.Diese Ziele haben auch in der Aussenpolitik

der EU und in den Beziehungen zu andernStaaten einen hohen Stellenwert.

Die Institutionen, die in derEU dafür zur Verfügung stehen,sind aber schwach?

Mit dem Vertrag von Lissa-bon haben wir unsere Institu-tionen gestärkt. Die neuenPosten des EU-Präsidentenund des Hohen Vertreters fürAussen- und Sicherheitspolitik, die zurzeitdurch Herman van Rompuy und CatherineAshton besetzt sind, sollen die EU vermehrtin der Weltpolitik einbringen, und das tunsie auch.

Zum Beispiel?Die EU hat die arabische Revolution un-

terstützt. Die Resolution des UNO-Sicher-heitsrats zum Schutz der libyschen Zivilbe-völkerung ist von der EU ausgegangen, unddie EU hat mit der Arabischen Liga zusam-mengearbeitet, um deren Zustimmung zu er-langen. Das ist alles hoch politisch, das sindnicht Aktionen einer reinen Freihandels-organisation. Auch bei Konflikten viel wei-ter weg von Europa, beispielsweise beim

Konflikt in Aceh, hat sich die EU erfolgreichengagiert. Auf Wunsch der indonesischenRegierung, sie wollte nicht einen National-staat als Vermittler, sondern explizit die EU.

Die deutsche Bundeskanzlerin hat kürzlichgesagt, wir bräuchten eine neue EU. Stellt dieEuro-Krise wirklich alles in Frage?

Was Frau Merkel genau damit gemeint hat,weiss ich nicht. Aber natürlich, bei der Be-kämpfung der Schuldenkrise ist klar gewor-den, dass die einzelnen Länder die Politik,insbesondere die Wirtschaftspolitik, stärkeraufeinander abstimmen müssen. Dem Ret-tungsmechanismus haben die Länderschliesslich auch zugestimmt. Das ist etwasvöllig Neues. Vor zwei Jahren hätte niemandsolche Beschlüsse für möglich gehalten.

Ist die EU, wie das immer wieder moniertwird, zu rasch gewachsen?

Es kommt darauf an, was man in denVordergrund stellt. Aus wirtschaftlicherSicht ist die EU möglicherweise zu schnellgewachsen, die Absorptionsfähigkeit ist inder Tat an ihre Grenzen gestossen. Aber dieEU ist, wie bereits gesagt, ein politischesProjekt. Nach 1989 ging es in erster Liniedarum, die vom Joch des Kommunismusbefreiten Staaten in Mittel- und Osteuropazu stabilisieren und sicherzustellen, dass sie

sich demokratischentwickeln. In der EUwar immer der Anspruchvorhanden, einen Raumvon Demokratie undFreiheit zu schaffen undzu erhalten. Das hatfunktioniert, die EU istund bleibt ein Friedens-

projekt. Das hat seinen Preis.

Sie kehren nun nach Brüssel zurück. WelcheAufgaben erwarten Sie dort?

Ich werde mich nach zehn Jahren im Aus-landsdienst wieder in die Zentrale einordnen.

Das tönt nicht sehr begeistert.Sie werden kaum einen Diplomaten fin-

den, ganz gleich aus welchem Land, der vol-ler Begeisterung in die Zentrale zurückkehrt.Aber es ist völlig normal, und nach zwei, dreiJahren geht man wieder hinaus.

Gibt es noch eine Traumdestination?Ich würde sehr gerne nochmals Botschaf-

ter in einem asiatischen Land werden.Sc

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Michael Reiterer,der EU-Botschafterin Bern, ist Ende2011 nach Brüsselzurückgekehrt. Ertrat in den fünf Jah-ren als Botschafteroft öffentlich auf, soauch am Ausland-schweizer-Kongressin Lugano im ver-gangenen Jahr.Reiterers Nachfol-ger in Bern ist derbritische DiplomatRichard Jones

Die EU hatdie arabischeRevolutionunterstützt.

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Ein Biologe als Fernsehstar«Netz Natur» ist eine der beliebtesten Sendungen des Schweizer Fernsehens.Der Biologe Andreas Moser schafft es, acht Mal pro Jahr rund 400 000 Zuschauer an die Bildschirmezu locken, und das seit bald 20 Jahren. Als Star fühlt er sich deswegen nicht, dafür ist erzu gescheit und zu engagiert.Von Heinz Eckert

roven: Affen, Krabben, Krokodile», «DieGehörnten», «Ehre sei den Tieren».

Der Wolf und die SchafeMoser setzt sich engagiert und vernehmlichfür die Interessen der Tiere und der Naturein, ein Missionar ist er aber ganz und garnicht. Naturwissenschaftler durch und durch,analysiert er den Zustand und zieht seineSchlüsse und Folgerungen. Diese erläutert erden Zuschauern leicht verständlich undnachvollziehbar, aber ohne dramatischenoder pädagogischen Unterton. Das war auchso, als die wieder in die Schweiz eingewan-derten Wölfe sogar das Parlament beschäf-tigten. Ein hausgemachtes Problem desMenschen sei es, wenn ein Wolf ein Schafoder eine Ziege reisse, sagte Moser. «DerWolf behandelt unbeaufsichtigte Haustiereals Teil der Natur», erklärte er dem Parla-ment. Etwa 350 Schafe und Ziegen töten dievielleicht zehn in der Schweiz lebendenWölfe pro Jahr. Das sei wenig im Verhältniszu den 4000 bis 10 000 Schafen, «die jähr-lich durch Unfälle und Krankheiten zum Teilqualvoll verrecken, nur weil die Schafhaltersie wochen- oder gar monatelang ohne Auf-sicht und Schutz im Gebirge weiden lassen».

Schafe, erklärt Moser weiter, bräuchtenauf der Alp eine ständige Behirtung und alsHaustier hin und wieder auch Betreuungdurch den Tierarzt. Sie gehörten nachts ge-schützt, am besten durch einen Elektrozaun,zudem brauche es Hirten und Hunde, die zurHerde schauten. «Schafe, die so gehaltenwerden, sind auch durch Wölfe kaum gefähr-det», sagt er und macht darauf aufmerksam,dass der Bund den Bauern jährlich 43 Milli-onen Franken an Subventionen für dieSchafhaltung ausschüttet. Dieses Geld sollteauch dazu verwendet werden, die Tiere nachden Normen des Tierschutzgesetzes zu hal-ten, sagt er.

Dass das Parlament bei der Wolfsdebattedavon nichts habe wissen wollen, findet erdoch ziemlich erstaunlich. Der Wolf sei der

natürliche Gegenspieler von Rehen, Gäm-sen und Hirschen und habe die biologischeAufgabe, hier zu leben. Nur habe er sich bis-her nicht etablieren können, weil er oft ge-wildert werde. Zudem eigne er sich bestens,um von Politikern im Wahlkampf zur Stim-mungsmache missbraucht zu werden.

Der EhrendoktorMoser sieht sich vor allem als Vermittler,weil er beobachtet, wie viel Natur durchmangelnde Sensibilität zerstört wird: «DenMenschen die Zusammenhänge in der Na-tur nahebringen und ihnen immer wiederbildlich, sinnlich und ab und zu auch emoti-onal zeigen, dass es auch andere Blickwinkelgibt als nur den menschlichen, dafür bietet

Das Interesse an Tieren ist bei AndreasMoser durch seine Herkunft und seineFamilie bedingt. In der Nähe des Basler«Zolli» aufgewachsen, verbrachte Moser vielZeit mit seinem Grossvater im ZoologischenGarten, kam mit Tieren und Wärtern inKontakt, half letzteren hin und wieder auchbei der Arbeit und lernte dabei viel überTiere. Diese Erfahrungen prägten seinen Be-rufswunsch und seinen Lebensweg. Tier-wärter wollte er eigentlich werden, dochseine Eltern überzeugten ihn, zuerst dieMatura zu machen und dann auch zu studie-ren. Biologie mit Schwerpunkt Zoologiewählte er. Schon während seines Studiumsan der Universität Basel führte Moser Feld-studien an einheimischen Reptilien durchund wurde bald einmal zum Schlangen-spezialisten.

Nach dem Studium betreute AndreasMoser als wissenschaftlicher Assistent undLaborchef das Gifttier-Labor des Schweize-rischen Tropeninstituts in Basel. Dort warer für die Haltung der Giftschlangen, Spin-nen und Skorpione zuständig.

Nachfolger einer LegendeAnstatt nach Afrika zu reisen, was sich ange-boten hätte, und dort weiter Giftschlangenzu erforschen, wechselte Moser 1987 zumSchweizer Fernsehen. Er wurde Mitarbeiterder Sendung «Karussell» und begann natur-kundliche Fernsehbeiträge zu produzieren.Als die Erfolgssendung «Karussell» einge-stellt wurde, wechselte er in die Redaktionvon «Menschen - Technik - Wissenschaft».Als Nachfolgesendung für die legendärenProduktionen von Hans A. Traber wurdedort das Konzept von «Netz-Reportage ausder Natur» entwickelt. Seit 1989 ist Moserder Moderator, seit 1993 auch verantwortli-cher redaktioneller Leiter der Sendungen.Im vergangenen Jahr standen die folgendenThemen auf den Programm: «Vom Kuhsein», «Kuh-Schweiz?», «Wer stinkt hier?»,«Wilde Natur: Geld oder Leben», «Mang-S

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‹Netz Natur› eine perfekte Plattform.» In ei-ner Zeit, in der immer mehr Natur geopfertwerde – für die Industrie, für Wohn- undStrassenbauten, aber auch für Freizeitakti-vitäten –, habe er im Rahmen der Service-Public-Leistungen des Schweizer Fernse-hens die Aufgabe, nach journalistischenKriterien, wissenschaftlich korrekt, aber

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auch unterhaltend über Chancen und Risi-ken für die Natur zu berichten.

Wie gekonnt er das macht, beweist nebender grossen Fan-Gemeinde auch die Tatsa-che, dass seine unspektakuläre Sendung we-der den Sparübungen zum Opfer gefallen istnoch dem sonst flächendeckenden Trendzum Reisserischen und Boulevardesken beimSchweizer Fernsehen hat folgen müssen.

Für sein Schaffen hat Andreas Moser zahl-reiche Preise bekommen. Ganz besondersgefreut hat ihn die Begründung der Univer-sität Zürich bei der Verleihung des Ehren-doktors: «Die Universität Zürich verleiht dieWürde eines Doktors ehrenhalber an Dr.Andreas Moser in Anerkennung seiner Ver-dienste um die Darstellung von Tieren undihrer Vernetzung mit ihrem Lebensraum.Durch seine Fernsehsendungen hat AndreasMoser massgeblich dazu beigetragen, in derBevölkerung das Verständnis für Tiere in ih-rem Lebensumfeld und für andere wichtigeNaturthemen zu fördern und damit einenwichtigen Beitrag zum Tier- und Natur-schutz zu leisten.» Das war Lob von MosersLeistung von höchster Warte.

Neues Bewusstsein bei der JugendDie Themen für «Netz Natur» werden Mo-ser wohl nie ausgehen – leider. Die biologi-

sche Vielfalt etwa, heute meist Biodiversitätgenannt, sei für die Zukunft extrem wichtig,sagt Andreas Moser. Die vielfältigen Bezie-hungen der verschiedenen Arten unter-einander sei die Voraussetzung, dass Lebe-wesen – auch die Menschen – überhauptexistieren könnten. «Nehmen Sie Milch undFleisch als Beispiel: Ohne die riesige Zahlvon Bodenlebewesen wächst kein Gras undauch keine Kulturpflanze. Gras aber brau-chen die Rinder und Schafe, um Milch undFleisch liefern zu können. So hängt alles zu-sammen.» Er verweist auf weitere Zusam-menhänge: Ohne Biene keine Befruchtungder Ostbäume, ohne Regenwürmer kein Hu-mus auf den Feldern und im Waldboden, derdie Pflanzen nährt, das Wasser zurückhältund so Erosion und Überschwemmungenverhindert.

Die Weltnaturschutz-OrganisationIUCN hat erschreckende Zahlen veröffent-licht: Von 47 677 gefährdeten Tier- undPflanzenarten, die auf der Roten Liste ste-hen, sind 17 291 akut vom Aussterben be-droht. «Die Natur ist das Fundament für un-sere Existenz. Wenn wir sie zerstören, sozerstören wir uns selber», sagt Moser.«Trotzdem werden nach wie vor die tropi-schen Regenwälder – die reichhaltigstenÖkosysteme – abgeholzt, werden gigantische

Mengen Düngstoffe aus der Landwirtschaftin Flüsse und ins Meer geschwemmt, wo siedie Korallenriffe zerstören und wo Fischedurch die in den Gewässern enthaltenenHormone unfruchtbar werden.»

Gibt es eigentlich auch erfreuliche Pers-pektiven? Ja, sagt Andreas Moser. Das Teamvon «Netz Natur» arbeite viel mit jungenMenschen zusammen und stelle immer wie-der fest, dass bei den Jungen das Bewusstseinfür Zusammenhänge und die Einstellung ge-genüber der Natur besser sei als bei den Äl-teren. Sie seien auch bereit, ihren eigenenBeitrag zu leisten. «Die Politik darf bezüg-lich Umwelt und Natur keine Entscheidun-gen mehr treffen, die irreversibel sind. Allesandere ist ethisch nicht vertretbar», sagt Mo-ser. «Das sind wir den kommenden Genera-tionen schuldig.»

Als Sendedaten für « Netz Natur» für 2012 sind vorgese-hen: 15. März, 26. April, 24. Mai, 21. Juni, 20. Septem-ber, 18. Oktober, 15. November, 20. Dezember.

Die Sendung ist auch im Internet zu sehen:www.sendungen.sf.tv/netz-naturSämtliche Folgen sind auch als DVD erhältlich:www.sendungen.sf.tv/netz-natur/Formulare/Kontakt-NETZ-NATUR-SF-1

HEINZ EcKERT ist freier Publizist in Basel, bis 2010war er chefredaktor der «Schweizer Revue»S

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Andreas Moser beiDreharbeiten für eineseiner Sendungen(rechts)

Bilder von Seidenrau-pen und Schmetterlingaus der Sendung «Wieein Schmetterling dieWelt verändert» (untenlinks)

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Der SchneeakrobatIouri Podladtchikov ist mit den amerikanischen Snowboard-Stars auf Du undDu. Der Zürcher Halfpipe-Vizeweltmeister gibt keine Ruhe, bis ihm dieverrücktesten Figuren der ganzen Tour gelingen. Begegnung mit diesemAkrobaten der Snowboard-Manege nach seinem Weltcupsieg in Saas-Fee.Von Alain Wey

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Iouri Podladtchikovauf dem Siegerpodestund in der Halfpipe inSaas-Fee im Novembervergangenen Jahres

Er wirft sich in die Halfpipe, hebt ab undspringt mehr als vier Meter über die sechs-einhalb Meter hohen Schneemauern. Bei sei-nen unfassbaren Drehungen und gewagtenSprüngen bleibt einem die Spucke weg.Nichts scheint Iouri Podladtchikov aufhal-ten zu können. Er gewinnt den Weltcup-Wettbewerb von Saas-Fee mit Bravour undsogar, ohne allzu grosse Risiken einzugehen.Im Zielbereich gibt er den Journalisten mitbreitem Lächeln Auskunft.

Podladtchikov ist einer der wenigen Euro-päer, die es mit Superstars aus den USA wieShaun White, dem unschlagbar scheinendenKönig der Halfpipe, aufnehmen können. Erist nach dem Olympiasieger White derZweite, dem ein Double McTwist 1260 ge-lungen ist, das ist ein Doppelsalto mit drei-einhalb Schrauben. Mit seinem Erfolg anden Olympischen Spielen in Vancouver – erverfehlte das Podest lediglich um 0,4 Punkte

– wurde der Sportler mit dem Übernamen«iPod» in der ganzen Schweiz bekannt. Anden legendären nordamerikanischen Winter-X-Games 2010 gewann er sogar Silber.

Im Hotel du Glacier in Saas-Fee trenntsich der Snowboarder ein paar Augenblickevon seinen Brettern und Gitarren, Zeit für

ein Gespräch, damit wir den 23-jährigenMann besser kennenlernen können.

Der Bruder als VorbildIouri kam 1996 im Alter von acht Jahren indie Schweiz. Sein Vater, Professor für Geo-physik, hatte eine Stelle an der ETH in Zü-rich angenommen. «Erstmals auf dem Snow-board stand ich mit elf, in Flumserberg.Mein älterer Bruder Igor war bereits Snow-boarder, und ich wollte immer sein wie er.Bald drehte sich alles um den Sport. JedesWochenende fuhren wir mit den Eltern indie Berge. Nachdem ich dreizehn gewordenwar, liessen sie mich auch alleine gehen.Meist war ich in Laax oder Davos, wo ich inHalfpipes, Jumps und Rails trainierenkonnte.» Schliesslich konnte Iouri ins Sport-gymnasium in Davos eintreten.

2007 wurde er eingebürgert. Im Jahr da-vor hatte er an den Olympischen Spielen inTurin teilgenommen – für Russland, ob-schon er in Graubünden mit seinen Schwei-zer Freunden und den Coachs Marco Bruniund Pepe Regazzi von Swiss-Ski trainierte.«Aber ich war und blieb ‹der Russe› für sie»,erinnert er sich. Bei der Frage, ob er sichmehr als Schweizer oder mehr als Russe fühle,

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weicht Podladtchikov aus: «Ich hasse dieseFrage. So lautet meine Antwort», sagt er.Und welcher Nationalität entspricht seinCharakter, sein Wesen mehr? «Ich habe invielen Ländern gelebt, ich bin gefühlsmässigein multikultureller Mensch. Aber meine El-tern sind Russen, durch und durch. Mögli-cherweise habe ich manchmal eine etwasandere Einstellung als meine SchweizerFreunde. Ein Russe bin ich aber nicht, jeden-falls in Russland nicht. Da bin ich Schweizer.Und in der Schweiz bin ich kein wirklicherSchweizer. So ist es halt. Ich bin Iouri undder Rest ist mir egal.» Und die Schweiz in sei-nem Herzen? «Sie steht für vieles: für dieBerge, meine Freunde, die Liebe, Zürich»,sagt er und seine Augen leuchten. «DieSchweiz ist mit guten Gefühlen verbunden.»Zürich hat ihn sogar zum Sportler des Jahres2009 gewählt.

Immer ein Ziel vor AugenWie sieht ein Jahr bei Iouri Podladtchikovaus? «Das Erste, das mir einfällt, ist ‹chao-tisch›. Ich reise dauernd in der Welt herum.Mich an einem Ort stillzuhalten, ist nichtmeine Stärke. Auf mehr als vier MonateSchweiz pro Jahr komme ich nie. Im Augustnahm ich beispielsweise an den Wettbewer-ben in Neuseeland teil und im Oktoberkehrte ich schon wieder zum Training dort-hin zurück.» Er folge seinem Instinkt, sagtPodladtchikov, und er verlange viel von sichund daher auch von den andern.

Podladtchikov ist auch ein passionierterFotograf und ein guter Gitarrist. Vorläufigträumt er jedoch nur davon, an Wettbewer-ben wie den Winter-X-Games zu siegen undan den Olympischen Spielen 2014 in Sotschi,in seinem Geburtsland, eine Medaille zu ge-winnen. Gibt es neben seinem Talent undseiner Kreativität auch eine Philosophie?«Nein», sagt er, «meine Philosophie ändertsich ständig. Ich weiss nicht, was ich morgenmachen werde, ich weiss nur, dass ich immerweiter nach oben, nach vorne will, dass ichstets ein Ziel vor Augen haben muss.»

Al Ain Wey ist Redaktor der «Schweizer Revue»

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Sommerlager 2012 für 8- bis 14-JährigeBist du zwischen 8 und 14 Jahre alt? Möchtest du 14 Tage in der Schweiz verbringen unddein Heimatland besser kennenlernen? Dann melde dich an für ein Ferienlager der Stif-tung für junge Auslandschweizer. Wir führen während den Monaten Juli und AugustSommerferienlager in den schönsten Regionen der Schweiz durch.

ProgrammIn unseren Lagern werdenwir Sehenswürdigkeitenbesichtigen, Seen, Berge,Flüsse, Landschaften entde-cken, kleine Wanderungenunternehmen und vielleichtauch Städte besuchen. Eswird auch Tage geben, anwelchen wir beim Lagerhausbleiben. Dann stehen zumBeispiel Spiel und Sportoder verschiedene Work-shops im Vordergrund.

Es wird ausserdem Gele-genheit geben, viel Wissens-wertes über die Schweiz zuerfahren. So werden wir unsbeispielsweise auch mit derSchweizer Sprache, Schwei-zer Liedern, mit SchweizerKochrezepten sowie typi-schen Schweizer Spielen undSportarten beschäftigen.

Den Austausch unter denTeilnehmenden über alleSprach-, Kultur und Landes-grenzen hinweg ist eineChance, Unvergessliches zuerleben und viele neueFreundschaften zu knüpfen!

KostenDie Kosten der Angebote können Sie derunten stehenden Liste entnehmen. DerStiftung für junge Auslandschweizer ist esein Anliegen, dass möglichst alle Ausland-schweizer Kinder wenigstens einmal Gele-genheit haben, Ferien in der Schweiz ver-bringen zu können. Deshalb besteht die

Möglichkeit, den Lagerbeitrag zu reduzie-ren. Das Antragsformular kann zusammenmit der Anmeldung angefordert werden.

Reise/TreffpunktDer Treffpunkt ist jeweils um die Mittags-zeit im Flughafen Zürich.

Die Reise bis Zürich Flughafen und vondort zurück sollte von den Eltern organi-siert und finanziert werden.

SoMMeRlAgeR 2012n Sa, 30.6.–Fr, 13.7.12: Gsteig b. Gstaad (Be)für 40 Kinder von 8–14 Jahren,Preis: chF 900.–n Mi, 11.7.–Fr, 20.7.12: Schweizer reise für24 Kinder von 12–16 Jahren, Preis: chF 950.–n Sa, 14.7.–Fr, 27.7.12: Mümliswil (SO) für36 Kinder von 8–11 Jahren, Preis: chF 900.–n Sa, 14.7.–Fr, 27.7.12: Prêles (Be) für36 Kinder von 11–14 Jahren, Preis: chF 900.–n Sa, 28.7.–Fr, 10.8.12: Obersaxen (Gr)Sportlager für 48 Kinder von 12–14 Jahren,Preis: chF 950.–n Sa, 28.7.–Fr, 10.8.12: Aurigeno (Ti) für36 Kinder von 8–11 Jahren, Preis: chF 900.–n Sa, 4.8.–Fr, 17.8.12: Mariastein (SO),exklusiv: Auslandschweizer Kinder machenradio und entdecken die Schweiz. Für48 Kinder von 8–14 Jahren, Preis: chF 950.–n Sa, 18.8.–Fr, 31.8.12: valbella (Gr) für36 Kinder von 8–14 Jahren, Preis: chF 900.–

leitungMehrsprachige und erfahrene Leiterteamssorgen während der zwei Wochen für einenreibungslosen und abwechslungsreichenAblauf der Ferienlager.

AnmeldungDie genauen Angaben zu den einzelnenFerienlagern und das Anmeldeformularfinden Sie ab Mittwoch, 1. Februar 2012unter www.sjas.ch. Auf Anfrage stellenwir Ihnen unsere Informationsbroschüregerne auch per Post zu. Anmeldeschlussist am 15. März 2012.

Für weitere Auskünfte steht Ihnen dieGeschäftsstelle in Bern gerne zurVerfügung:Stiftung für junge AuslandschweizerAlpenstrasse 26, CH-3006 BernTelefon +41 (0)31 356 61 16Fax +41 (0)31 356 61 01E-Mail: [email protected], Rubrik «Unsere nächsten Lager»

Fröhliches Treiben während eines früheren Sommerlagers derStiftung für junge Auslandschweizer

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Der Auslandschweizerplatz im Jahr 1991 mit dem Botta-Zelt, das zur Feier von 700 JahreEidgenossenschaft aufgestellt wurde

ASO-RatgeberIch möchte in der Schweiz studieren,was bedeutet das in Bezug auf denMilitärdienst?

Jeder Schweizer Mann ist bis zum Ende desJahres, in dem er 30 bzw. – falls er vor demVerlassen der Schweiz die Rekrutenschulebereits absolviert hat – 34 Jahre alt wird,verpflichtet, Militärdienst zu leisten. So-bald ein Schweizer in die Schweiz zurück-kehrt, wird er daher aufgefordert, entspre-chend seinem Alter und seiner Tauglichkeitder Wehrpflicht nachzukommen. Schwei-zer Bürger können bis zum Ende des Jah-res, in dem sie 25 Jahre alt werden, für denMilitärdienst rekrutiert werden. Sie wer-den dann bis zum Ende des Jahres, in demsie 26 Jahre alt werden, zur Rekrutenschuleaufgeboten. Ausgenommen sind Männer,die in der Schweiz bereits Militärdienst ge-leistet, einen militärischen Auslandsurlauberhalten oder sich während mehr als sechsJahren ununterbrochen im Ausland aufge-halten haben und von der Armee nichtmehr benötigt werden. Diejenigen Schwei-zer Staatsbürger, die aus Altersgründen

nicht mehr rekrutiert werden, müssen dieRekrutenschule nicht absolvieren, sie müs-sen aber Wehrpflichtersatz leisten. Aus-landschweizer, die sich länger als drei Mo-nate in der Schweiz aufhalten, müssen sichinnert 14 Tagen nach ihrer Ankunft in derSchweiz beim Sektionschef melden.

Doppelbürger, die in ihrem zweiten Hei-matstaat bereits Militärdienst oder Zivil-dienst geleistet oder – als Ersatz dafür –eine Abgabe bezahlt haben, müssen in derSchweiz keinen Militärdienst mehr leisten.Sie sind aber nicht von der Pflicht befreit,sich beim Sektionschef zu melden undmöglicherweise müssen sie eine Wehr-pflichtersatzabgabe bezahlen. Wer seinenMilitärdienst in Deutschland, Österreich,Frankreich oder Italien absolviert hat, istdank den zwischenstaatlichen Abkommen,welche die Schweiz mit diesen Ländern ge-troffen hat, von der Wehrpflichtersatzab-gabe befreit.

Auslandschweizerinnen und Ausland-schweizer können sich auch entscheiden,freiwillig die Rekrutenschule in derSchweiz zu absolvieren. Ein entsprechen-des Gesuch ist an die folgende Adresse zurichten:

Führungsstab der Armee ,Personelles der Armee (FGG 1)Steuerung und VorgabenRodtmattstr. 110, 3003 BernTel. 031 324 32 56. Fax 031 324 14 92E-Mail: [email protected]: www.vbs.admin.ch

Wer den Militärdienst nicht mit seinemGewissen vereinbaren kann, kann einen Zi-vildienst absolvieren. Der Zivildienst dau-ert anderthalbmal so lang wie der Militär-dienst. Für weitere Informationen:Zivildienst ZentralstelleMalerweg 6, 3600 ThunTel: 033 228 19 99, Fax: 033 228 19 98E-Mail: [email protected]: www.zivi.admin.ch

Sarah MaStantuoni, Leiterin rechtsdienst

Der rechtsdienst der aSo erteilt allgemeine rechtlicheauskünfte zum schweizerischen recht und insbeson-dere in den Bereichen, die auslandschweizer betreffen.Er gibt keine auskünfte über ausländisches recht undinterveniert auch nicht bei Streitigkeiten zwischenprivaten Parteien.

Gesucht werden Ideen für ein prominentes, aussagekräftiges,dauerhaftes Symbol, das die Idee des Auslandschweizerplatzes aufsinnfällige und zeitgemässe Weise zum Ausdruck bringt und alsmarkantes Kennzeichen wahrgenommen wird.

Die Vorschläge für die Gestaltung müssen vereinbar sein mitAuflagen vonNatur-, Land-schafts- und Ufer-schutz sowie mitden Nutzungsbe-dürfnissen der Stif-tung Ausland-schweizerplatz undden Erwartungender lokalen Bevöl-kerung.

Wettbewerbsein-gaben können ausStichworten, aus-formulierten Tex-ten, Skizzen oderanderen Illustratio-nen bestehen. Sie-

müssen sich zur Weiterentwicklung und Realisierung eignen. Teil-nehmerinnen und Teilnehmer sollen so weit möglich Angaben zurUmsetzung ihrer Idee und zum damit verbundenen Aufwand lie-fern. Die Wettbewerbseingaben gehen mit der Einreichung in denBesitz der Stiftung Auslandschweizerplatz über und können von

dieser nach Belieben ver-wendet, weiterentwickeltoder abgewandelt werden.Die komplette Ausschrei-bung des Wettbewerbsfinden Interessierte aufder Homepage der ASO:www.aso.ch

Die Frist für das Einrei-chen von Ideen ist der31. März 2012. Die prä-mierten Ideen werden imJuli/August in Brunnenund anlässlich des Aus-landschweizer-Kongres-ses in Lausanne im August2012 der Öffentlichkeitgezeigt.

Auslandschweizerplatz – neue Ideen gesuchtFür die Gestaltung des Platzes der Auslandschweizer in Brunnen wird vom Stiftungsrat ein weltweiter Ideenwettbewerb ausgeschrieben.

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90. Auslandschweizer-Kongress:17. bis 19. August 2012Am 90. Auslandschweizer-Kongress in Lausanne stehen Mobilitätund Innovation im Mittelpunkt. Die Teilnehmenden werden überdie Schweiz in Zeiten internationaler Herausforderungen debattie-ren. Mehr über das Thema sowie die neusten Informationen rund umden Kongress 2012 finden Sie unter: www.aso.ch/de/angebote/aus-landschweizer-kongress.

Reservieren Sie schon heute die Kongressdaten in Ihrer Agenda.Wir freuen uns auf Sie. Kongressort ist das Palais de Beaulieu inLausanne

Bitte schicken Sie mir im Frühjahr 2012 die Anmeldungsunterlagen für den 90. Auslandschweizer-Kongress (17.–19.8.2012 in Lausanne).

Meine Anschrift lautet:

Name: Vorname:

Adresse:

Land: PLZ/Ort:

E-Mail:

Unbedingt leserlich und in Blockschrift schreiben

Schicken Sie den ausgefüllten Talon an: Auslandschweizer-Organisation, Communications & Marketing, Alpenstrasse 26, CH-3006 Bern,Fax: +41 (0)31 356 61 01 oder schreiben Sie uns eine E-Mail an [email protected].

Auf EntdeckungsreiseEs gibt ein neues Angebot der ASO fürjunge Auslandschweizer. Während zweiWochen können Jugendliche die verschie-densten Aspekte der Schweiz kennenler-nen, dazu Berichte verfassen und diesedann ins Internet stellen.

«Wasser», «Geschichte» und «Architek-tur», das sind drei von zehn Themen, zudenen die ASO Vorschläge für Tagesaus-

flüge zusammengestellt hat. Die Vor-schläge werden den Teilnehmenden zusam-men mit zahlreichen Hintergrundinforma-tionen zur Verfügung gestellt.

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Dann machen sich die Projekt-Teilnehmer auf die Reise: Sie beob-achten, beschreiben, beantwortenFragen und machen daraus ihre Be-richte. Danach können sie diese alsTexte, Bilder oder auch als Videos insInternet hochladen.

Was es für das Projekt nochbraucht: eine Kamera, einen Stift undNotizpapier. Ein Billett für den öf-fentlichen Verkehr in der Schweizwährend des Aufenthalts wird zurVerfügung gestellt.

Untergebracht sind die «jungenEntdeckungsreisenden» aus dem Aus-land bei einer Schweizer Familie,welche sich auch für die Lebensge-schichte des Gastes, seine Kultur undseine Erfahrungen interessiert. DieGastfamilien stellen den Teilnehmendenauch den Internetzugang für die Publika-tionen zur Verfügung.

Wir bei der ASO sind gespannt auf dieBerichte und Beiträge von den Ausland-schweizern, welche die Schweiz dank unse-rem Angebot entdeckt haben. Und natür-lich hoffen wir auf eine grosse Ausbeute.

Die Jugendlichen können dieses Angebotauch vor oder nach einem unserer Ferien-lager nutzen. In der Schneesportwoche inWengen hat es noch einige Plätze für Kurz-entschlossene frei. In Fiesch organisiert dieASO ein Osterlager mit breitem Angebot.Alle Jugendangebote der ASO findet ihrunter www.aso.ch Angebote.

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27A U S D E M B U N D E S H A U S

Hilfe für Reisendeund AuslandschweizerDie Helpline EDA entlastet die Zentralein Bern und das Aussennetz der diplo-matischen und konsularischen Ver-tretungen der Schweiz. Sie wird konti-nuierlich und dynamisch ausgebaut.Begleitet wird der Ausbau mit vierergänzenden Projekten.

Zusätzlich zu den Botschaften und Konsu-laten, welche die erste Anlaufstelle für Aus-künfte an immatrikulierte und durchrei-sende Schweizerinnen und Schweizer imAusland sind, dient die Helpline EDA inder Konsularischen Direktion (KD) seitAnfang 2011 als «Single Point of Contact»für Anfragen rund um die konsularischenDienstleistungen. Dieser Bürgerserviceträgt der wachsenden Bedeutung des kon-sularischen Bereichs Rech-nung und verbessert dieWirkung und Sichtbarkeitdes EDA gegen aussen.Mehr als tausend Anfragenbeantworten die Mitarbei-tenden der Helpline EDAmonatlich, was eindrücklichaufzeigt, welchen Anklangdie neue Dienstleistung beiden Bürgerinnen und Bür-gern findet. Durch die hoheFachkompetenz der Help-line-Mitarbeitenden könnendie meisten Fragen direktdurch diese beantwortetwerden. Dadurch werden imBackoffice Ressourcen frei,die für die Lösung von kom-plexen und aufwändigenSpezialfragen eingesetztwerden können. Ziel ist,dass auch die übrigen Direk-

tionen des EDA und das Aussennetz immerstärker von der Helpline profitieren. Hans-Peter Heiniger, Leiter Helpline EDA,sprach mit der Redaktion über laufendeProjekte.

«schweizer revue»: Die Helpline EDAwird seit Anfang 2011 recht rasant auf- und aus-gebaut. In welcher Phase befindet sie sich?

hans-peter heiniger: Seit Anfang2011 sind wir von Montag bis Freitag von8:00 bis 18:00 Uhr erreichbar. Mit dreiMitarbeiterinnen erfolgte der Start in dieerste Phase. Seit 1. Oktober 2011 haben wiracht Helpline-Mitarbeitende und sind so-mit in der Phase zwei angelangt. Das heisst,wir beantworten täglich von Montag bisSonntag zwischen 8:00 und 18:00 Uhr An-fragen.

Welche Schritte planen Sie für die nächstenMonate?

Wir werden die bestehenden Dienstleis-tungen optimieren, indem wir zum Beispieldie Mitarbeitenden in den verschiedenenkonsularischen Bereichen weiterbilden. Eswar von Anfang an unser Ziel, mindestens80 Prozent der Anfragen an die Helplinedirekt beantworten zu können. Dank derguten Kenntnisse der Helpline-Mitarbei-tenden haben wir dieses Ziel sogar über-troffen: Wir beantworten über 90 Prozentaller Anfragen selbst, ohne diese an andereStellen weiterleiten zu müssen. In Phase

drei werden wir 24 Stunden im Einsatzsein, den Pikettdienst des EDA überneh-men und die Anrufe, welche bei den Aus-landsvertretungen ausserhalb der Arbeits-zeiten eingehen, in Bern entgegennehmen.Damit entlasten wir die Kolleginnen undKollegen in den Vertretungen.

Das wird die Betroffenen sicherlich freuen.Es gibt aber offenbar noch Hindernisse aufdem Weg zum Ziel ...

Unser Ziel heisst – wie gesagt –, für un-sere Kundinnen und Kunden 24 Stundenerreichbar zu sein. Die Einführung hängtvon den technischen und organisatorischenMöglichkeiten sowie den Ressourcen ab.Diese sind, wie überall, auch hier knapp.Wir arbeiten auf Hochtouren, damit wirunserem Ziel trotz der erschwertenRahmenbedingungen möglichst raschnäherkommen. Die Möglichkeit, dass esaufgrund der Ressourcensituation zuzeitlichen Verzögerungen bei der Einfüh-rung des 24-Stunden-Betriebs kommt,kann jedoch im Moment noch nicht ausge-schlossen werden.

Welchen Service bieten Sie zurzeit an?Kundinnen und Kunden aus der Schweiz

und dem Ausland können sich an uns wen-den und ihre Fragen und Anliegen aus demBereich der konsularischen Dienstleistun-gen anbringen. Wir bieten den bestmögli-chen Service, dem unsere Service-Charta

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Hans-Peter Heiniger

Mitarbeiterinnen der Helpline EDA – sie stehen Schweizern im Ausland mit Rat und Tat zur Seite

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zugrunde liegt. Wir wollen kompetentekonsularische Auskünfte erteilen. DieKundenfreundlichkeit steht dabei zuoberstauf unserer Liste.

Wie unterscheiden sich die Helpline und dieHotline EDA, welche im Krisenfall aufgebautwird?

Die Helpline steht der Kundschaft per-manent für alle Fragen im konsularischenBereich zur Verfügung. In Krisensituatio-nen nehmen wir Anfragen ebenfalls überdie Helpline entgegen. Falls jedoch in einergrossen Krise oder Katastrophe im Auslanddie Helpline Unterstützung braucht, kön-nen wir in kürzester Frist unsere Hotline-Operators aufbeiten. Der Kunde wird dannje nach Bedürfnis an die Helpline oder dieHotline (für Such- und Rückmeldungen)geleitet. Die Nummer +41 (0) 800 24-7-365bleibt in jedem Fall dieselbe.

In der Presse war zu lesen, dass dasEDA im Fall der Demonstrationen derRothemden in Thailand im Mai 2010von Bern aus 36 000 SMS und E-Mailsversendet habe. War die Helplinedaran beteiligt?

Damals gab es die Helpline noch nicht.Diese Aufgabe wurde vom Krisenmanage-ment-Zentrum (KMZ) wahrgenommen.In Zukunft werden solche Meldungen abervon der Helpline aus, in enger Zusammen-arbeit mit dem KMZ und den Auslandsver-tretungen, erfolgen.

Die Helpline wird also auch das Krisen-management-Zentrum entlasten. Wie stellenSie die Infrastruktur für solche künftigenGross-aktionen auf die Beine?

Für die Helpline stehen uns acht Linienzur Verfügung. Die Hotline kann bis zu16 Linien freischalten. Helpline und Hot-line befinden sich im selben Haus an derBundesgasse 32 in Bern.

Wie sieht es mit der technischen Infrastrukturvon Help- und Hotline aus? Sind Sie für dennächsten Ernstfall gut gerüstet?

Ja, wir sind gerüstet. Nicht nur in techni-scher Hinsicht, sondern auch im psycho-sozialen Bereich. Unsere Helpline-Mitar-beitenden und die Operators der Hotlinewerden an Grund-, Weiterbildungs- undjährlichen Repetitionskursen anhand vondiversen Szenarien auf solche Ereignissegut vorbereitet.

Was hat es mit dem geplanten «Guichetvirtuel», dem geplanten Online-Schalter,genau auf sich? Und wie ist die Helplinedadurch betroffen?

Was uns dazu noch fehlt, ist die Online-Registrierung für durchreisende Schweize-rinnen und Schweizer im Ausland. Dies isteines der vier Teilprojekte im Bereich Bür-ger-Service, die wir bis Frühling 2012 reali-sieren wollen. Auf die Koordinaten derimmatrikulierten Auslandschweizerge-meinschaft haben wir Zugriff, so dass wir,wie oben im Zusammenhang mit Thailanderwähnt, im Notfall jederzeit E-Mailsund SMS versenden können. Aus diesemGrunde appellieren wir bei jeder Gelegen-heit daran, dass sich die Auslandschweize-rinnen und Auslandschweizer immatriku-lieren und auch dafür besorgt sind, dassihre bei der Botschaft oder beim Konsulathinterlegten Daten immer aktuell sind.

Vier Helpline-Projekte haben Sie am Laufen?Worum handelt es sich genau?

Mit dem Teilprojekt 1 wollen wir die be-stehende Helpline-Applikation weiter er-gänzen und optimieren. Das Teilprojekt 2ist die angesprochene freiwillige Online-Registrierung für durchreisende schweize-rische Staatsangehörige in Drittstaaten,mit der wir uns im Krisenfall einen mög-lichst guten Überblick über alle von derKrise möglicherweise betroffenen Mitbür-gerinnen und Mitbürger im Ausland erhof-fen. Das Teilprojekt 3 soll sowohl demZentrum für Bürgerservice der KD alsauch allen Auslandsvertretungen ermögli-chen, effizienter Massen-SMS zu versen-den. Die aktuelle Lösung hat, wie das Bei-spiel Thailand zeigte, ihre Grenzen. Mitdem Teilprojekt 4 wollen wir die nichtmehr ganz aktuelle Telefonie durch einemoderne und effiziente Call-Center-Tele-fonie ersetzen.Kleinere Projekte wie zumBeispiel die Erreichbarkeit der HelplineEDA via Skype sind bereits realisiert.

Wie sehen Sie die Zukunft der Helpline EDAlängerfristig?

Nach einem erfolgreichen Start Anfang2011 mit dem «Single Point of Contact»haben wir in Sachen Kundennähe und Kun-denfreundlichkeit einen grossen Schritt vor-wärts gemacht. Dank einem umfangreichausgebildeten und hoch motivierten Help-line-Team werden wir einerseits weiterhinder Kundschaft den bestmöglichen Servicebieten und anderseits sowohl die Fachberei-che an der Zentrale als auch unsere Bot-schaften und Konsulate so gut als möglichentlasten.

Interview: Mitarbeiterzeitung EDA,Adaptation: Thomas Kalau

Erster Versuch mitVote électronique beinationalen Wahlen

Anlässlich der Nationalratswahlen 2011haben vier Kantone erfolgreich E-Voting-Versuche durchgeführt. 3562 Ausland-schweizer Stimmberechtigte der KantoneBasel-Stadt, St. Gallen, Graubünden undAargau gaben ihre Stimme elektronisch ab.

Die Versuche mit Vote électronique sindlaut einer Mitteilung der Bundeskanzleiin allen vier Kantonen reibungslos verlau-fen. Die technischen und logistischen Her-ausforderungen wurden von den beteiligtenKantonen ohne Pannen oder Zwischenfällegemeistert. Der Einsatz der elektronischenStimmabgabe bei den Nationalratswahlen2011 könne damit als Erfolg bezeichnetwerden, schreibt die Bundeskanzlei.

Rund 22 000 Auslandschweizerinnenund Auslandschweizer hatten beim erstenVersuch mit E-Voting bei nationalen Wah-len die Möglichkeit, ihre Stimme elektro-nisch abzugeben. Je nach Kanton haben biszu 53,1 Prozent davon vom neuen Stimm-kanal profitiert. (Zum Stimmverhalten derAuslandschweizer siehe Seiten 16 und 17.)

Nach der heutigen Rechtslage könntenrund 90 Prozent der Auslandschweizerin-nen und -schweizer von E-Voting profi-tieren. Es sind dies die Schweizer Bürger,die ihren Wohnsitz entweder in einemEU-Staat oder in einem der 45 Staatenhaben, welche die Vereinbarung von Was-senaar (www.wassenaar.org) unterzeichnetS

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VERANTWORTLICH FÜR DIE AMTLICHEN MITTEILUNGEN DES EDA:JEAN-FRANçOIS LICHTENSTERN, AUSLANDSCHWEIZERBEZIEHUNGENBUNDESGASSE 32, CH-3003 BERNTELEFON: +41 800 24-7-365WWW.EDA.ADMIN.CH, MAIL: [email protected]

Wahlen und abstimmungenDer Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 9. November 2011 beschlos-sen, die folgenden Vorlagen am 11. März 2012 zur Abstimmung zubringen:n Volksinitiative vom 18. Dezember 2007 «Schluss mit uferlosem Bauvon Zweitwohnungen!»;n Volksinitiative vom 29. September 2008 «Für ein steuerlich begüns-tigtes Bausparen zum Erwerb von selbst genutztem Wohneigentumund zur Finanzierung von baulichen Energiespar- und Umweltschutz-massnahmen (Bauspar-Initiative)»;n Volksinitiative vom 26. Juni 2009 «6 Wochen Ferien für alle»;n Bundesbeschluss vom 29. September 2011 über die Regelung derGeldspiele zugunsten gemeinnütziger Zwecke (Gegenentwurf zurVolksinitiative «Für Geldspiele im Dienste des Gemeinwohls») und

haben. Diese Vereinbarung regelt unteranderem die für E-Voting grundlegendeVerschlüsselung der Datenübertragung imInternet.

meilenstein für die einführungvon Vote électroniqueMit dem erstmaligen Einsatz bei nationalenWahlen ist bei E-Voting die zweite Umset-zungsphase erreicht. Das Projekt wurde2000 lanciert; seit 2004 werden Versuchebei eidgenössischen Abstimmungen durch-geführt. 2007 haben Bundesrat und Parla-ment die schrittweise Einführung der elek-tronischen Stimmabgabe beschlossen.Dabei wurden vier Entwicklungsstufenvorgesehen:

1. Vote électronique im Rahmen vonAbstimmungen,

2. Vote électronique im Rahmenvon Wahlen,

3. E-Collecting (elektronische Unterzeich-nung von Initiativen und Referenden)und

4. Elektronische Unterzeichnung vonWahlvorschlägen. Heutzutage sind13 Kantone am Projekt beteiligt.

Die positiven Erfahrungen mit E-Votinganlässlich der Wahlen 2011 bekräftigen denBund in seinen Bestrebungen, bei den Na-tionalratswahlen 2015 einem Grossteil derAuslandschweizer Stimmberechtigten dieStimmabgabe per Internet zu ermöglichen.Die Erfahrungen der letzten Jahre werdenin den kommenden Monaten durch dieBundeskanzlei ausgewertet. Der nächsteBericht des Bundesrates zu Vote électro-nique ist für das Jahr 2013 vorgesehen(siehe auch Seite 17: Petition der Ausland-schweizer-Organisation).

im Zentrum der OsZe-WahlbeobachtungVom 10. bis 28. Oktober 2011 war ein neun-köpfiges Expertenteam der Organisationfür Sicherheit und Zusammenarbeit in Eu-ropa (OSZE) in der Schweiz und hat dieWahlen beobachtet. Die Experten interes-sierten sich insbesondere für die elektroni-sche Stimmabgabe, da diese Technologierelativ neu ist und erst in wenigen Teilneh-merstaaten Pilotversuche am Laufen sind.Der OSZE-Bericht zu den Nationalrats-wahlen 2011 wird rund zwei Monate nachdem Wahltermin erwartet (www.osce.org/odihr/elections/Switzerland/83755).

dank der Konsula-rischen direktionAllen Auslandschweizerinnen und Ausland-schweizern, die an der Nachwahlbefragungder FORS (Swiss foundation for researchin social sciences) der Universität Lausannezum Wahlverhalten der AuslandschweizerStimmberechtigten teilgenommen haben,dankt die Konsularische Direktion desEDA herzlich. Die Resultate dieser Um-frage werden im Frühling 2012 publiziert.Es wird an dieser Stelle darüber informiert.

hinweiseVergessen Sie nicht, Ihre gültige E-Mail-Adresse und die Nummer Ihres Mobil-Telefons bei der für Sie zuständigenBotschaft oder dem Generalkonsulat zumelden.

Um weder die «Schweizer Revue» nochdie Mitteilungen und Newsletter IhrerVertretung zu verpassen, registrieren Siesich bei www.swissabroad.ch.

Die aktuelle Ausgabe der «Schweizer Re-vue» sowie die vorangegangenen Nummernkönnen Sie jederzeit auf www.revue.choder über den Revue-Link auf den Web-seiten der Schweizerischen Botschaftenund Konsulate lesen oder ausdrucken.

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n Bundesgesetz vom 18. März 2011 über die Buchpreisbindung.Details zu den Vorlagen finden Sie auf Seite 13.

Die Abstimmungstermine für das Jahr 2012 sind:11. März; 17. Juni; 23. September; 25. November.

VOlKsinitiatiVenSeit der letzten Ausgabe der «Schweizer Revue» sind folgende eidge-nössischen Volksinitiativen lanciert worden (Ablauffrist der Unter-schriftensammlung in Klammern):n «Für eine Wirtschaft zum Nutzen aller» (1.5.2013)n «Wolf, Bär und Luchs» (11.4.2013)n «Rettet unser Schweizer Gold» (Gold-Initiative) (20.03.2013)n «Für eine neutrale weltoffene und humanitäre Schweiz»(Neutralitätsinitiative) (13.3.2013)Die vollständige Liste findet sich auf der Website der Bundeskanzlei(www.bk.admin.ch) unter: Politische Rechte/Volksinitiativen.

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Einen Rundflug über das Tes-sin bietet Rémy Steinegger imFotoband «Tessin zwischenHimmel und Erde». 126 Bildereines Kantons, der sich in denvergangenen hundert Jahrennachhaltig verändert hat, wodie Agrarwirtschaft von einerTourismus- und Dienstleis-tungsindustrie fast völlig ver-drängt wurde – weil die Schön-heiten jedes Jahr AbertausendeGäste aus dem Norden anzie-

hen. Die Perspektive aus der Luft ergibt ungewohnte Bilder. Denndie Vogelschau ermöglicht einen Blick auf das Miteinander von derüber lange Zeiträume gewachsenen Natur und der schnellen Inva-sion der durch Menschenhand erschaffenen Zivilisation.

Es sind Schönheiten und Zusammenhänge erkennbar, die aus derFroschperspektive des normalen Reisenden nie zu sehen sind, aberes werden auch brutale Eingriffe in und Sünden an der Natur sicht-bar. «Das Buch will weder anklagen noch beschönigen, es ist eineMomentaufnahme (…)» schreibt der Fotograf im Nachwort.

Dem kann man zustimmen und anfügen: Es ist eine wunderbareMomentaufnahme – schön gestaltet und mit knappem, dafür ge-haltvollem Text. BE

«Ticino tra cielo e terra»; Fontana Edizioni, 6963 Pregassona, 264 Seiten, CHF 64.–ohne Versandkosten. Bestellung: [email protected]

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Das Tessin aus der VogelschauHexenjagd imSchlossDie Hexen sind ins SchlossChillon zurückgekehrt. Nichtdie Hexen aus den Märchen,sondern jene Frauen, denenwährend Jahrhunderten nach-gesagt wurde, im Verbund mitdem Teufel Unheil über dieMenschen zu bringen. Frauen,die verfolgt, gejagt, gefoltert,verbrannt wurden. DieSchweiz war bezüglich Hexen-jagd von besonderem Fleissund besonderer Gründlichkeit.Zwischen dem 15. und dem 18.Jahrhundert sind mehr als 3500Hexen und Hexer auf demScheiterhaufen gelandet. Anna

Göldi aus Sumiswald war eineder letzten Hexen, die in Eu-ropa hingerichtet wurde. Daswar 1782 – im Jahr 2008 hat sieder Landrat von Glarus nachlangem Hin und Her rehabili-tiert, weil das Urteil nicht nacheinem rechtmässigen Verfah-ren zustande gekommen sei.

In der Ausstellung werdenzahlreiche Dokumente gezeigt,die der Öffentlichkeit bishernicht zugänglich waren und diezeigen, welche Rollen Politikund Kirche in dem unrühmli-chen Kapitel gespielt haben.Das Schloss Chillon, wo unzäh-lige Hexen in einem Verlies aufihren Prozess und den Tod ge-wartet haben, ist bestens geeig-net als Rahmen für eine solcheAusstellung. BE

Die Ausstellung dauert bis zum 24. Juni2012. www.chillon.ch

Texte statt Bilder

Es ist ein Abenteuer, ein ana-chronistischer Versuch, überden viele den Kopf schüttelnmögen. Klar ist, der Start zudem Abenteuer ist gelungen.«Reportagen» heisst ein neuesMagazin, das seit Oktober 2011in der Schweiz erscheint. DerName ist dabei Programm: 120Seiten, keine Fotos, keine PR,kein Hochglanz. Nichts als inLeinen gebundene Texte – undwas für Texte. Für die ersteAusgabe haben sechs Autorin-nen und Autoren Geschichtengeliefert, die man so schnellnicht vergessen wird. MargritSprecher schreibt über Irland,«wie es reich, wieder arm undgescheiter wurde»; Karin Wen-ger erzählt in «Zwischen Tö-ten und Tanzen» über ihrenBesuch auf den abgeschottetenBasen der US-Soldaten inAfghanistan; Erwin Koch in«Sarah» über den Kampf der17-jährigen Sarah mit demKrebs. Zum Zeitgeist im Jour-nalismus passt «Reportagen»nicht, es ist dafür ein sinnlichesVergnügen der Extraklasse. BE

Vortragsreihe zu «reportagen»in zusammenarbeit mit «Freitag»:16.2.2012 in Hamburg mit Peter Stamm,12.4.2012 in wien mit Sibylle Berg,28.6.2012 in Köln mit ilija Trojanowund 23.8.2012 in Berlin mit Linusreichlin. www.freitag.ch

Abo: www.reprotagen.com/Tel: +41 31 981 11 14, CHF 100.–/Jahr.

MeindünnerFreundAndrej

Liebeserklärung an St. Petersburg undseinen letzten Hungerkünstler.

S.12

Sabine RiedeL

Ist hierEuropa?

26 Südkoreaner schaffen einen Kontinentin acht Tagen. ein durchhaltebericht zwischen

Kimchi und Gucci.

S.44

Hoo nam SeeLmann

EntzückendeTorheit

Seit einem halben Jahrhundert bautJusto Gallego martinez eine Kathdrale ausSchutt und Schrott. Gott weiss warum.

S.28

FLoRian Leu

All BlacksWie die maori dem Rugby neues

Leben einhauchen und neuseeland zumWeltmeistertitel führen.

S.963

Rod acKeRmann

Nordwärtsmit dem Güterzug wollen migranten aus

mittelamerika in die uSa.die endstation kommt meist früher.

S.72

eRWin deTTLinG

Die hiStoriSche reportage:

BiStro infernalGeoRGe oRWeLL

S.62

GefangenimGrünen

Von der Sehnsucht nach einem erfülltenLeben an den Rändern berlins: drei Porträts.

S.84

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REPORTAGEN#2 DezemBer 2011 chf 20 / eUr 15www.reportagen.com

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«Die Schweiz ist ein gezähmtes Land.Ich begegne hier nie dem Teufel. Ichwürde ihn sofort fragen, ob er mireine Story habe.» Dies sagt CatalinDorian Florescu, der für seinen Ro-man «Jacob beschliesst zu lieben»den Schweizer Buchpreis 2011 erhal-ten hat.Florescu wurde 1967 in Temesvar inRumänien geboren und lebt seit 1982in der Schweiz. Er studierte in ZürichPsychologie und Psychopathologie.

Den Beruf als Psychotherapeut hat er2001 aufgegeben und lebt seither alsfreier Schriftsteller. «Mutig» sei derEntscheid der Jury, ihm den Preis zugeben, sagt Florescu. Mutig, weilnach Melinda Nadj Abonji (2010)und Ilma Rakusa (2009) schon zumdritten Mal in Folge ein Schweizermit Wurzeln im Ausland den Buch-preis erhält. Erster Preisträger warim Jahr 2008 ein Auslandschweizer,der in Irland lebende Rolf Lappert.

Kurzmeldungen Zitate

«Die sollte man sowieso auf einen Scheiterhaufen werfen.»SvP-Präsident Toni Brunner über

Bundesrätin eveline widmer-Schlumpf

«In unserem Land darf es ruhig mal drei Bundesräteaus der Romandie geben.»

SvP-Fraktionschef caspar Baader, nach der Nominationder Bundesratskandidaten Jean-François rime und Bruno zuppiger

«Muss ich denn unbedingt Bundespräsident werden?Gibt es keine Möglichkeit, das Amt zu überspringen?»

Bundesrat ueli Maurer, gegenüber einem seiner Mitarbeiter

«Ich bleibe der, der ich bin. Und will das auch dürfen.Das ist nicht immer ganz einfach.» Bundesrat Johann Schneider-Ammann,

am 12. November 2011 auf radio DrS

«Ich bin kein Populist, eher eine Integrationsfigur.»FDP-Präsident Fulvio Pelli im Fernsehen DrS

«Wir gelten bei der eigenen Basis als Partei der Geldsäcke.»Philipp Müller, FDP-Nationalrat

«Die FDP vertritt nur noch die Hochfinanz. Ich habe die Schnauze vollvon dieser Arroganz.» Otto ineichen, FDP-Nationalrat

«No comment, no comment, no comment...»SvP-chefstratege christoph Blocher zu seiner finanziellen Beteiligung

und seinem einfluss bei der «Basler zeitung»

«Wer nicht verlieren kann, soll nicht in die Politik.»Bruno Frick, Ständerat aus dem Kanton Schwyz,

der nach 20 Jahren im Parlament abgewählt wurde

«Fleissige» ParlamentarierDie Zahl der Vorstösse (Moti-onen, Postulate, Interpellatio-nen usw.) hat im SchweizerParlament in der zu Ende ge-gangenen Legislatur massiv zu-genommen, auf total über 5000allein im Nationalrat. Die Zahlder Motionen in National-und Ständerat stieg im Ver-gleich zur Periode 2003 bis2007 von 1290 auf 1952, plus51 %. Bei den Postulaten be-trägt die Zunahme rund 18 % ,bei den Interpellationen 19 %.Viele Parlamentarier «greifenzu Vorstössen, um ihre Auf-merksamkeit gegenüber denSorgen der Bevölkerung zu be-legen», schrieb die «NZZ» zuder Flut von Eingaben.

Federer in illustererGesellschaftDer Schweizer TennisspielerRoger Federer belegt denzweiten Platz auf der Liste der«Personen, die am meisten Re-spekt geniessen», hinter Nel-son Mandela, dem früherenPräsidenten Südafrikas. Diesergab eine Umfrage der Repu-tation Institute bei 51 055 Per-sonen weltweit. Am Ende derListen rangieren George Bush,Silvio Berlusconi, MahmudAhmadinejad und Kim Jong-Il.

Neuer Chef beim IKRKPeter Maurer wird Mitte die-ses Jahres das Amt als Präsi-dent des Internationalen Ko-mitees des Roten Kreuzes(IKRS) übernehmen. Maurerist zurzeit Staatssekretär imEidgenössischen Departementfür Auswärtige Angelegenhei-ten EDA, davor hat er sich alsSchweizer Botschafter bei derUNO einen Namen gemacht.Er löst Jakob Kellenberger ander Spitze des IKRK ab, dersein Amt während zwölf Jah-ren innehatte.

DeutschschweizerübervertretenMitarbeiter aus der französi-schen und der italienischenSchweiz sind in der Bundesver-waltung untervertreten. Dieshaben Recherchen des Nach-richtenmagins «L’Hébdo» er-geben. Im Verteidigungsdepar-tement beispielsweise sind nur10,3 % der Kaderstellen nichtvon Deutschschweizern be-setzt. Im Departement fürAuswärtige Angelegenheiten,das den Spitzenplatz belegt,sind im Kader 29 % aus der Ro-mandie oder aus dem Tessin.Ziel des Bundesrates ist es, bis2015 eine sprachliche Auftei-lung wie folgt zu erreichen:Deutsch 70 % (72,1 % im Jahr2010), Französisch 22 % (21 %),Italienisch 7 % (6,6 %) und 1 %Romanisch (0,3 %).

2000 Stellen verschwindenNovartis streicht weltweitrund 2000 seiner 121 000 Stel-len und will damit 200 Millio-nen Dollar im Jahr sparen. InBasel werden 760 Stellen ge-strichen, 320 in Nyon, die an-deren rund 900 Stellen sollenvor allem in den USA abgebautwerden. Die Abbaupläne ha-ben heftige Proteste und MitteNovember einen Streik beiNovartis in Nyon ausgelöst.

Es wird teuerDer Abbruch der bestehendenSchweizer Atomkraftwerkeund die Entsorgung des radio-aktiven Mülls kosten mindes-tens 20,6 Milliarden Franken –zehn Prozent mehr als bisherkalkuliert. Dies ergeben dieneusten Berechnungen desBundes, der alle fünf Jahre dievoraussichtlichen Kosten be-rechnen lässt. Die SchweizerEnergiestiftung SES geht vonnoch weit höheren Stilllegungs-und Rückbaukosten aus.

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Ursula DeplazesForscherinBündnerin in Rom

«Ein Netzwerk unterAuslandschweizernaufzubauen, spielt einewichtige Rolle – sowohlprivat wie auch beruflich.»

Urs SteinerDirektor Schweizer SchuleBerner in Peru«Andere Auslandschwei-zer kennenlernen, guteAdressen austauschen,mich über die Schweizinformieren – das kannich alles auf SwissCom-munity!»

Daniel KellerManagerZürcher in Hanoi

«Für mich als internati-onalen Berater sind dielokalen Erfahrungenvon Schweizern sehrwertvoll.»


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