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Schuhversorgung beim Diabetiker

Date post: 01-Jan-2017
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Fuß & Sprunggelenk 10 (2012) 227—234 Online verfügbar unter www.sciencedirect.com Beitrag zum Themenschwerpunkt Schuhversorgung beim Diabetiker Orthopaedic shoe treatment for diabetic patients Jürgen Stumpf Orthopädieschuhmachermeister, Fulda Eingegangen am 31. Juli 2012; akzeptiert am 9. September 2012 SCHLÜSSELWÖRTER Diabetisches Fußsyndrom; Ulzerationen; Orthopädieschuh- technik; stadienadaptierte Versorgung KEY WORDS Diabetic foot syndrome; ulceration; orthopaedic shoe technology; stage-adapted therapy Zusammenfassung Orthopädieschuhtechnik ist eine unabdingbare Behandlungsoption in der inter- disziplinären Behandlung des Diabetischen Fußsyndromes. Die stadienadaptierte Behandlung ist dabei von besonderer Bedeutung für eine qualitätsgesicherte und kosteneffektive Versorgung der Betroffenen. Ziel ist die Vermeidung von Ulzeratio- nen am Fuß, sekundär dadurch die Vermeidung von Amputationen. Summary Orthopaedic shoe technology is considered essential when it comes to the interdis- ciplinary treatment of the diabetic foot. In terms of quality and cost effectiveness, an adaptation to the different stages of diabetes is of particular interest for the treatment. The overall aim is to avoid foot ulcerations and thus to reduce the risk of amputation in the long term. Ziel orthopädieschuhtechnischer Versorgungen ist die Vermeidung von Ulzera am betroffenen Fuß. Dazu ist eine stadienadaptiert korrekt verwendete Schuhversorgung erforderlich. In der St.-Vincent- Deklaration wurde gefordert und gemutmaßt, dass durch korrektes und frühzeitiges Anpassen entspre- chend adaptierten Schuhwerkes auch die Hälfte Korrespondenzadresse: Jürgen Stumpf, Bahnhofstraße 21, D-36037 Fulda. E-Mail: [email protected] aller Amputationen vermieden werden können. Um einerseits eine Über- bzw. Unterversorgung zu vermeiden, andererseits eine qualitätsgesi- cherte Versorgung der Patienten zu garantie- ren, wurde von einer interdisziplinären Arbeits- gruppe, bestehend aus Fachärzten für Diabetologie bzw. Orthopädie und Orthopädieschuhtechnikern [11], eine Risikoklassifizierung mit entsprechen- den Richtlinien zur Schuhversorgung erarbeitet. Mit der Verabschiedung dieses risikogruppenge- rechten Versorgungskonzeptes wurde die Basis für eine strukturierte Versorgung des diabetischen http://dx.doi.org/10.1016/j.fuspru.2012.09.002
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rthopädieschuhmachermeister, Fulda

ingegangen am 31. Juli 2012; akzeptiert am 9. September 2012

SCHLÜSSELWÖRTERDiabetischesFußsyndrom;Ulzerationen;Orthopädieschuh-technik;stadienadaptierteVersorgung

KEY WORDSDiabetic footsyndrome;

ZusammenfassungOrthopädieschuhtechnik ist eine unabdingbare Behandlungsoption in der inter-disziplinären Behandlung des Diabetischen Fußsyndromes. Die stadienadaptierteBehandlung ist dabei von besonderer Bedeutung für eine qualitätsgesicherte undkosteneffektive Versorgung der Betroffenen. Ziel ist die Vermeidung von Ulzeratio-nen am Fuß, sekundär dadurch die Vermeidung von Amputationen.

SummaryOrthopaedic shoe technology is considered essential when it comes to the interdis-ciplinary treatment of the diabetic foot. In terms of quality and cost effectiveness,

ulceration;orthopaedic shoetechnology;stage-adaptedtherapy

an adaptation to the different stages of diabetes is of particular interest for thetreatment.The overall aim is to avoid foot ulcerations and thus to reduce the risk of amputationin the long term.

iel orthopädieschuhtechnischer Versorgungen istie Vermeidung von Ulzera am betroffenen Fuß.azu ist eine stadienadaptiert korrekt verwendetechuhversorgung erforderlich. In der St.-Vincent-

aller Amputationen vermieden werden können.Um einerseits eine Über- bzw. Unterversorgungzu vermeiden, andererseits eine qualitätsgesi-cherte Versorgung der Patienten zu garantie-

eklaration wurde gefordert und gemutmaßt, dassurch korrektes und frühzeitiges Anpassen entspre-hend adaptierten Schuhwerkes auch die Hälfte

∗ Korrespondenzadresse: Jürgen Stumpf, Bahnhofstraße 21,-36037 Fulda.

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en, wurde von einer interdisziplinären Arbeits-ruppe, bestehend aus Fachärzten für Diabetologiezw. Orthopädie und Orthopädieschuhtechnikern11], eine Risikoklassifizierung mit entsprechen-

en Richtlinien zur Schuhversorgung erarbeitet.it der Verabschiedung dieses risikogruppenge-

echten Versorgungskonzeptes wurde die Basis fürine strukturierte Versorgung des diabetischen

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Fußes geschaffen. Diese Versorgungsrichtlinien sindmittlerweile Bestandteil der Nationalen Versor-gungsleitlinien [15,17].

Risikogruppe 0 — Diabetes mellitus ohnePolyneuropathie (PNP)/ArterielleVerschlusskrankheit (pAVK):Fußgerechte Konfektionsschuhe

Die Definition von ,,fußgerecht‘‘ ist zweifellossehr subjektiv und wird z. B. vom Orthopädie-schuhtechniker anders interpretiert als vom Patien-ten selbst. Hier prallt oftmals das von einem Mode-diktat ohne funktionelle Fußkenntnisse geprägteästhetische Empfinden des Patienten auf die Exper-tenmeinung des Behandlungsteams über die fußge-rechte Form des Schuhs. Dabei ist in dieser Risiko-gruppe die Empfehlung für fußgerechtes Schuhwerkin erster Linie als prophylaktische Empfehlung zurVermeidung von schuhbedingten Fußverformungenanzusehen, die im späteren Verlauf der Diabeteser-krankung bei eventueller zusätzlicher Kombinationmit PNP zu einem größeren Fußerkrankungsri-siko führen könnten. Insofern ist das Tragen vonfußgerechten Schuhen nicht zwingend notwendigund kann vom Patienten auch langsam ,,erlernt‘‘werden.

Risikogruppe I — Diabetes mellitus ohnePNP/pAVK mit Fußdeformität:Orthopädieschuhtechnische Versorgungaufgrund orthopädischer Indikation

Die Ursachen für Fußdeformitäten sind genausovielfältig wie deren Ausprägungsformen. Solangenoch keine PNP/pAVK eingetreten ist, kann dieVersorgung nach rein orthopädischen Kriterienerfolgen — allerdings mit der Einschränkung, dassregelmäßige Überprüfungen, ob bereits eine PNPoder pAVK eingetreten ist, die eine entsprechendeHöherversorgung notwendig machen würde, unbe-dingt durchgeführt werden müssen. Die Bandbreiteder zu versorgenden Fußdeformitäten reicht indieser Risikogruppe von eher leicht deformier-ten Füßen wie z. B. Senk-Knick-Spreizfüßenmit entsprechender Schmerzproblematik bis zuschwerstdeformierten Füßen z. B. nach Trauma,Lähmungen oder angeborenen schweren Fußde-formitäten mit der Palette der orthopädieschuh-

technischen Versorgungen über Einlagen, Schuhzu-richtungen, ggf. auch bis zu Maßschuhen, wenndiabetesunabhängige Fußdeformitäten vorhandensind.

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J. Stumpf

isikogruppe II — Diabetes mellitus mitensibilitätsverlust durch PNP/pAVK:iabetesschutzschuh miterausnehmbarer Weichpolstersohle,gf. mit orthopädischer Schuhzurichtung

er an Sensibilitätsverlust bzw. an einer peripherenurchblutungsstörung erkrankte Fuß eines Diabeti-ers sollte möglichst vor erhöhter Druckeinwirkungowohl plantar als auch dorsal geschützt werden.afür bietet die Industrie mittlerweile speziellechuhmodelle an, die bestimmte Mindestanforde-ungen erfüllen müssen:

genügender Raum für die Zehen in Länge undHöhe,ausreichende Breite,Vermeiden von drückenden Nähten,weiches Material über druckgefährdeten, beweg-lichen Fußregionen,keine auf den Fuß einwirkende Vorderkappe,herausnehmbare konfektionierte Polstersohlemit Druckspitzenreduktion im Ballenbereich um>30%,Möglichkeit einer orthopädieschuhtechnischenZurichtung (Abb. 1).

Obwohl sich ein großer Teil der in diese Risiko-ruppe hineinfallenden Füße mit den von der Indus-rie angebotenen Schutzschuhen gut versorgenässt, entstehen bei bestimmten Fußtypen Prob-eme. Unter anderem passen diese Schuhe oftmalsei sehr schmalen Füßen oder bei Füßen mit relativreitem Vorfuß in Verbindung mit einer schmalenerse überhaupt nicht. Entsprechend verantwor-ungsvoll muss das Behandlungsteam, bestehendus verordnendem Arzt und Orthopädieschuhtech-iker, bei der Anpassung von Diabetesschutzschu-en vorgehen. Passen die Fußproportionen nichtu den angebotenen konfektionierten Schuhen,

bbildung 1. Konfektionierte Schutzschuhe mit konfek-ionierter Polstersohle.

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hlsdeDmVmKBeDBasis dieses Modells. Das Design der diabetes-adaptierten Fußbettung folgt dem Anforderungs-profil des Patienten und kann trotz vorgegebener

chuhversorgung beim Diabetiker

chuhs, die gewünschte Passform erreicht wer-en kann. Dabei ist das Weiten des Schuhs anestimmten Stellen z. B. im Bereich von Ham-erzehen eine kleine aber sehr wirkungsvolle

chuhzurichtung. Nicht vergessen werden dürfenurichtungsmaßnahmen, die aufgrund orthopädi-cher Zusatzindikationen (wie Beinverkürzungen,sw.) notwendig sind.

Lassen sich die Ziele der Versorgung, alsoer Schutz der gefährdeten Füße z. B. aufgrundokaler plantarer Druckerhöhung, nicht mit stan-ardisierten Weichpolstersohlen erreichen, sollteine individuelle diabetesadaptierte Fußbettung inrwägung gezogen werden. Die individuelle diabe-esadaptierte Fußbettung kann dann als Ergänzungum konfektionierten Schutzschuh in diesem getra-en werden. Nur in Ausnahmefällen wird dienfertigung eines orthopädischen Maßschuhs not-endig sein. Diese Ausnahmen können z. B.xtreme Fußbreiten durch eine ausgeprägte Adi-ositas, zu schmale Füße, zu schmale Fersen oderhnliche Dysproportionen sein.

Weitere Kriterien für eine höhergradige Ver-orgung sind: [10]

kontralaterale Major-Amputation,Arthropathie Hüfte/Knie/OSG oder Gelenk-implantat mit Funktionsbeeinträchti-gung/Kontraktur,Amputation der Großzehe/Resektion MFK I,Motorische Funktionseinschränkung/Pareseeines oder beider Beine,höhergradige Gang- und Standunsicherheit,Extreme Adipositas (BMI ≥ 35),dialysepflichtige Niereninsuffizienz,Beruf mit überwiegender Steh- und Gehbelas-tung,erhebliche Visuseinschränkung.

isikogruppe III — Zustand nachlantarem Ulcus: Diabetesschutzschuh

.d.R. mit diabetesadaptierterußbettung

as erstmalige Auftreten eines plantaren Ulkustellt nach Ansicht der meisten Experten [2] einntscheidendes Ereignis im Krankheitsverlaufes diabetischen Fußes dar und erfordert einentsprechende Versorgung zur Vermeidung vonezidiven [5,14]. Aus diesem Grund kommt in die-

er Risikogruppe häufig zum Diabetesschutzschuhie diabetesadaptierte Fußbettung zum Einsatz.as Grundprinzip der diabetesadaptierten Fußbet-ung besteht in der Druckreduktion gefährdeter

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egionen durch kleinflächige DruckverteilungMikroentlastung) und großflächiger Druckumver-eilung (Makroentlastung) [8]. Die Mikroentlastungird durch weiches, möglichst dauerelastischesolstermaterial erreicht. Die Makroentlastungswir-ung wird durch die anatomische Anmodellierunger Fußbettung an noch vermehrt belastbare Regio-en des Fußes erzielt. Eine weiche Einlage alleineicht nicht aus. Der Fuß würde ohne ausreichendetabilität ,,schwimmen‘‘, es käme wiederumu Druckstellen. Dementsprechend ist auch derollständige Verzicht auf evtl. Abstützungen iminne von queren Abstützungen oder kleinerenelotten nicht unbedingt sinnvoll, da hierdurchu entlastende Bereiche nicht genügend entlastetürden. Stützende Pelotten oder Abstützungenürfen aber keinesfalls zu Druckstellen führen. Dieruckentlastungswirkung wird zusätzlich durch einifferenziertes Materialsandwich verstärkt (Abb.), dessen Materialeigenschaften sich nach den Zie-en der Versorgung und den persönlichen Lebens-mständen des Patienten richten. Die Anordnunges Materialsandwichs kann sowohl vertikalSchichtaufbau) als auch horizontal (punktartigentlastungszonen) erfolgen [9].

Zur Lokalisation der zu entlastenden Regionenat sich die plantare, elektronische Druckvertei-ungsmessung als hervorragendes Instrument erwie-en [12]. Durch diese Messmethode ist es möglich,ie plantaren Druckspitzen während des Gehensxakt zu quantifizieren und zu lokalisieren. Dieseaten können zusammen mit den zwei- und dreidi-ensionalen Abdrücken der Füße, die im manuellen

erfahren mittels Blaupause und Trittschaum oderit Hilfe spezieller Scanner erfasst wurden, zur

onstruktion der Fußbettung benutzt werden. Aufasis dieser Konstruktionsdaten wird ein individu-lles Fußmodell (ggf. CNC-unterstützt) angefertigt.ie anschließende Sandwichfertigung erfolgt auf

bbildung 2. Explosionsdarstellung einer diabetesadap-ierten Fußbettung in Sandwichbauweise.

230 J. Stumpf

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Abbildung 3. Neutralmessung un

Mindeststandards [16] individuell sehr unterschied-lich ausfallen. Letztendlich muss das Behand-lungsziel der Druckreduktion von gefährdetenFußregionen gewährleistet werden. Der Nach-weis der Druckreduktion am einzelnen Patientenkann nur durch eine Druckverteilungsmessungim Schuh zwischen Fuß und diabetesadaptier-ter Fußbettung mittels elektronischer Druck-messsohle erbracht werden und ist nach heutigemWissensstand die wirkungsvollste Methode zur,,Therapiekontrolle‘‘ von druckentlastenden ortho-pädieschuhtechnischen Maßnahmen (Abb. 3) [3].

Im Gegensatz dazu sind für den Nachweis derDauerelastizitätseigenschaften der diabetesadap-tierten Fußbettungen bzw. der darin verwendetenMaterialien Reihenmessungen mit Simulatoren,z. B. mit einem sog. Impactor (Abb. 4), not-wendig [6]. Als besonders dauerelastisch habensich PU-Schäume [9] erwiesen, die im Gegensatzzu EVA-Schaummaterialien den quasi thermopla-stischen Belastungsbedingungen, wie sie beimGehen entstehen, wesentlich besser standhalten[7]. Besonderes Augenmerk gilt der ehemaligenplantaren Ulkusregion, die zum einen durch eineso genannte zusätzliche Ulkuseinbettung entlastet,zum anderen durch orthopädische Zurichtungsmaß-nahmen wie z. B. punktartige Entlastungszonenim Schuh oder zusätzliche Abrollverstärkung an

der Zwischensohle mit Sohlenversteifung ergänztwerden kann. Diese letztgenannten orthopädischenSchuhzurichtungen bewirken vor allem, dass die

Abbildung 4. Material- und Qualitätsmessungen mit demImpactor.

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rsorgungsmessung im Vergleich.

ruckeinwirkungszeit auf die gefährdete Fußregionm ca. 30% reduziert werden kann [4]. In denon den gesetzlichen Krankenkassen zugelasseneno genannten Diabetesschutzschuhen sind bereitstandardisierte Abrollsohlen und leichte Sohlenver-teifungen eingearbeitet [1,13]. Allerdings muss dieirksamkeit vom Fachmann kontrolliert und ggf.

erbessert werden. Besondere Beachtung sollteier auch die Abrollrichtung der standardisiertenolle finden. Stimmt die Scheitellinie der Abroll-ohle nicht mit der Abrollrichtung der Füße überein,ie dies z. B. bei stark abduzierter Fußstellung derall ist, kann die Abrollsohle nicht ihre Wirkung ent-alten. Eine Modifizierung der Abrollsohle schafftier schnelle Abhilfe.

isikogruppe IV — Wie Risikogruppe IIit Deformitäten bzw. Dysproportionen:rthopädische Maßschuhe mitAF(diabetesadaptierter Fußbettung)

eformitäten und Dysproportionen der Füße stellenin nicht zu unterschätzendes Risiko bei Diabeti-ern mit PNP/pAVK dar. Die Ursachen dafür sindielfältig und reichen von degenerativen Verände-ungen über angeborene Erkrankungen bis hin zuypischen der motorischen Neuropathie zuzuschrei-enden Fußstellungen. Allen diesen Veränderungenemein ist die Tatsache, dass ein Schuh, deriese Veränderungen nicht ausreichend berück-ichtigt, unweigerlich zu Fußwunden führt. Ausiesem Grund muss der Schuh exakt dem Fußn seiner dreidimensionalen Ausprägung folgen.st dies mit den zur Zeit am Markt erhältlichenonfektionierten Schutzschuhen nicht zu errei-hen, müssen orthopädische Maßschuhe angefertigterden. Die Herstellungsverfahren dafür sind imoment stark im Umbruch. Neben scannerbasiertenAD/CAM-Verfahren zur Herstellung orthopädischerchuhleisten (Abb. 5, 6) mit anschließender teil-ndustrieller Fertigung werden Modularsysteme zurchuhfertigung seitens der Zulieferindustrie ange-

oten.

Alle diese Systeme zielen darauf, die erheblichenosten, die bei der Herstellung orthopädischeraßschuhe entstehen, zu reduzieren. Ohne

Schuhversorgung beim Diabetiker 231

Abbildung 5. Individuelle CAD-Leistenkonstruktion.

Abbildung 6. Leisten, Bettung, Gehprobenmodell — dasE

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und fordert vor allem vom Orthopädieschuhmacherviel Kreativität und designerische Fähigkeiten.

Risikogruppe V — DNOAP (Levin III):Knöchelübergreifende orthopädischeMaßschuhe mit DAF, Innenschuhe,Orthesen

Lässt die vorher beschriebene Risikogruppe mit-unter auch eine Versorgung mit Halbschuhen zu,so benötigen Füße nach DNOAP in der Regelzwingend eine knöchelübergreifende Versorgung.Die Stabilisierung des in seiner knöchernen Struk-tur hochgradig gefährdeten Fußes steht absolutim Vordergrund. Gelingt es z. B. nicht mitentsprechenden orthopädischen Einbauelementenwie Fersenführung, Abrollmaßnahmen und exakteAnmodellierung der diabetesadaptierten Fußbet-tung an die Fußwölbungen die starken deformie-renden Kräfte zu mindern, droht ein erneuterKollaps des Fußes. Lokalisationen im Sinne von San-ders II und III erfordern meist eine Stabilisierungdes unteren Sprunggelenks durch knöchelfixierendeHinterkappen. Spätestens ab einer Deformierungmit Lokalisation nach Sanders IV oder V mit ent-sprechender Lotabweichung bleibt in der Regelnur die Möglichkeit einer Versorgung mittels sogenanntem Feststellabrollschuh oder mittels einerUnterschenkelinnenschuhorthese in Ergänzung zumorthopädischen Maßschuh. Aufgrund der knöcher-nen Veränderungen und des damit einhergehendemhöheren Ulkusrisikos sollte in jedem Fall ein sogenannter Sonderleisten nach Gipsabdruck angefer-tigt werden. Besonderes Augenmerk muss auf dieexakte Ausmodellierung des Abdrucks mit entspre-chender Ausarbeitung der knöchernen Vorsprüngeam Leisten gelegt werden. Nur durch eine sol-che extrem gewissenhafte Vorgehensweise könnenansonsten immer wieder beschriebene Komplikatio-nen bei diesen Hochrisikofüßen verhindert werden.(Abb. 7)

rgebnis individueller CAD/CAM-Technologie.

ntsprechende Qualitätssicherungsmaßnahmenann dabei aber der gewünschte Einsparungseffektchnell ins Gegenteil verwandelt werden. Als wich-iges Hilfsmittel zur Überprüfung der zukünftigenassform orthopädischer Schuhe hat sich das soenannte Gehprobenmodell aus Klarsichtfolie oderederähnlichem Material erwiesen. In Verbindungit der plantaren elektronischen Druckverteilungs-essung lässt sich so die Passform des Leistens

nd die Druckreduktionswirkung der diabetes-daptierten Fußbettung noch vor der endgültigenertigstellung des Maßschuhes auch beim Gehenrüfen, was zu einer wesentlichen Minimierungöglicher Passformrisiken führt.Über den durch die Zwischenprobe optimier-

en Leisten wird nun der endgültige orthopädischeaßschuh angefertigt. Aufgrund der individuel-

en Leistengestaltung können die orthopädischeninbauelemente (diabetesadaptierte Fußbettung,brollsohle, Sohlenversteifung, usw.) weitgehender Funktion folgend gestaltet werden. Die einzigeninschränkungen ergeben sich durch die kosme-ischen Ansprüche des Patienten. Diese werdenllerdings oftmals auf eine harte Probe gestellt,a orthopädische Maßschuhe als Medizinprodukteunächst medizinisch wirksam sein müssen undicht den kosmetischen Bekleidungsaspekt in denordergrund stellen dürfen. Die Gratwanderungwischen Stigmatisierung und medizinisch noch ver-

retbarem Kompromiss bleibt für das gesamte inter-isziplinäre Team eine ständige Herausforderung

Abbildung 7. Innenschuhversorgung mit orthopädischemMaßschuh.

J. Stumpf

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Risikogruppe VI — Zustand nachFußteilamputation: Versorgung wie IVplus Prothesen

Durch Fußteilamputationen kommt es einerseitszu einem Funktionsverlust mit einhergehenderStörung der Schrittabwicklung, andererseits zueiner Verringerung der Belastungsfläche des Fußesund dadurch zu einer Druckerhöhung unter denverbleibenden Fußarealen [2,3]. Bei Diabetikernmit PNP/pAVK spielt die Störung der Schrittab-wicklung, die meist zu einer Verringerung derSchrittlänge führt, eine eher untergeordnete Rolle.Therapieentscheidend ist dagegen der Erhalt desnun in der Regel wesentlich geringer belastbarenFußteilstumpfes. Relativ unproblematisch lassensich Amputationen einzelner oder auch mehre-rer Zehen meist mit den Hilfsmitteln, wie siein der Risikogruppe III beschrieben wurden, ver-sorgen. Ab transmetatarsalen Amputationen wirdmeist eine Versorgung mit orthopädischen Maß-schuhen notwendig. Die entscheidende Frage,die hier auch sehr intensiv mit dem Patien-ten besprochen werden muss, ist, wie langder Fußteilersatz gearbeitet werden soll. Grund-sätzlich erfüllt ein Fußteilersatz in erster Liniekosmetische Ansprüche und kann allenfalls inder Statik zur vermehrten Standsicherheit bei-tragen. Beim Gehen wirkt sich der Fußteilersatzdagegen aufgrund der Verlängerung des Hebel-arms in der Abstoßphase negativ aus. Durch dieHebelarmverlängerung kommt es zur vermehrtenKrafteinwirkung auf den Fußstumpf, was sowohl zuDruckstellen an der Stumpfkuppe und Fußsohlenflä-che als auch zu Scheuerstellen am Rückfuß führenkann. Aus diesem Grund ist die Verwendung vonVorfußersatzprothesen mit hervorragendem kosme-tischem Effekt z. B. nach Bellmann oder in sehraufwändiger Silikontechnik nur in Ausnahmefäl-len bei besonders gut belastbaren Fußstümpfenangeraten. In allen anderen Fällen sollte dieVersorgung nach den Richtlinien optimaler Druckre-duktionswirkung und Scherkraftreduktion erfolgen.Dies bedeutet in der Praxis eine hervorragendanmodellierte diabetesadaptierte Fußbettung, einewirkungsvolle Abrollsohle mit weit zurückliegenderScheitellinie sowie ggf. zusätzliche fußfixierendeSchaftversteifungen wie Stützlasche und kurzePeronaeuskappe. Handelt es sich um einen sehrkurzen Fußwurzelstumpf oder ist die Belastbar-keit des Fußstumpfes extrem schlecht, sollteeine Versorgung bis zum Knie z. B. in modifi-

zierter Technik nach Bottha durchgeführt werden(Abb. 8).

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bbildung 8. Innenschuhprothese bis zum Knie in modi-zierter Bottha-Technik.

isikogruppe VII — Akute Läsion/florideNOAP: Entlastungsschuhe,erbandsschuhe, Interimsschuhe,rthesen, Vollkontakt-Gips (TCC) ggf.it DAF und orthopädischen

urichtungen

n den letzten Jahren hat sich eine große Viel-alt verschiedenster Hilfsmittel für die Versorgunger Füße in dieser Risikogruppe entwickelt, soass eine gewissenhafte Auswahl sowohl nachunktionellen aber auch wirtschaftlichen Gesichts-unkten für jeden Einzelfall notwendig ist. Daer so genannte TCC (total-contact-cast) nur inochspezialisierten Behandlungseinrichtungen mitntsprechenden Gipsteams zum Einsatz kommt,erden im folgenden die vielfältigen Alternati-en besprochen. Bei nicht-plantaren Fußwundenerden in der Regel Verbandsschuhe mit leichterbrollsohle eingesetzt. Diese ermöglichen es, dematienten kleinere Gehstrecken zurückzulegen,hne dass der Verband beschädigt wird. Gleichzei-ig wird der Fuß vor äußeren Einflüssen geschützt.ei plantaren Wunden im Vorfuß mit guter Hei-ungsprognose haben sich Vorfußentlastungsschuheervorragend bewährt. Aufgrund der Gefahr vonsteoarthropathischen Komplikationen durch dasängere Tragen dieser Entlastungsschuhe ist dieangsohlige Ausführung der ,,Urform in Kurzausfüh-ung‘‘ vorzuziehen. Zusätzlich sollten Gehstützenur Sturzvermeidung verordnet werden, da mit die-en Schuhen eine erhöhte Stolpergefahr gegebenst. Allerdings ist der Einsatz dieser Schuhe auf-rund der Hackenfußstellung oftmals nicht möglich,

ung im oberen Sprunggelenk aufweisen. Daheraben sich in den letzten Jahren Entlastungsschuhe

Schuhversorgung beim Diabetiker 233

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bbildung 9. Konfektionierte Unterschenkelorthese mitiabetesadaptierter Fußbettung.

n Neutralstellung mit individuell anpassbaren Ent-astungszonen verstärkt durchgesetzt.

Mit Hilfe dieser Entlastungsschuhe könnenuch Wunden außerhalb des Vorfußes gezieltnd punktartig entlastet werden. Bei kleinerenunden im Fersenbereich können auch Fersenent-

astungsschuhe eingesetzt werden. Bei plantarenußwunden, bei denen eine langsame Wundhei-ung vorhersehbar und der Fuß nicht zu starkeformiert ist, kann eine konfektionierte Unter-chenkelorthese oftmals in Verbindung mit eineriabetesadaptierten Fußbettung mit Ulcusentlas-ung eingesetzt werden (Abb. 9). Der Vorteil dieserreislich aufwändigeren Versorgungsart bestehtm Schutz vor Überlastung der Knochen undelenkstrukturen.Deformierte Füße mit plantaren Fußwunden

enötigen entweder einen individuellen Therapie-ntlastungsschuh oder bei entsprechend großflä-higen Wunden eine individuelle Unterschenkel-ntlastungsorthese z. B. in Kunststoffgipstechnik.oll der Fuß großflächig entlastet oder solline Pumpwirkung durch Auf- und Abbewegungn der Orthese verhindert werden, bietet sichie Zweischalenunterschenkelorthese als hervorra-ende Alternative an [8]. Durch die umfassendeassung des Unterschenkels mit möglicher Kompri-ierung der Weichteile kann ein Teil der Belastung

om Fuß auf den Unterschenkel übertragen werden.iese Technik eignet sich auch besonders gut zurntlastung von Wunden im Fersenbereich.

In Ausnahmefällen können bei extremngünstigen Fußstellungen wie z. B. Spitz-lumpfußstellungen Entlastungsorthesen zusätzlichit Kniekondülenfassung gearbeitet werden. Mit

ieser Technik kann eine totale Entlastung desesamten Fußes erreicht werden. Trotzdem sollteie nur unter strengster Vorsicht angewendeterden, da auf keinen Fall die Blutversorgung

bbildung 10. Individuelle Zweischalenorthesen zurharcotfuß-Versorgung.

es Unterschenkels und Fußes beeinträchtigterden darf. Stand bei den oben aufgeführtennwendungsbeispielen die Druckentlastung bzw.ruckumverteilung im Vordergrund, so geht esei der Versorgung von Osteoarthropathien in deregel im Eichenholzstadium II um die Ausschaltunger Fußbeweglichkeit.

Je nach Sanderslokalisation kann hier mitin- bzw. Zweischalentherapie-Entlastungsorthesenearbeitet werden. Die dazugehörige diabetesad-ptierte Fußbettung sollte in einer entsprechendesten Ausführung gefertigt werden. Ist der Fußoch nicht deformiert, kann auch eine konfek-ionierte Unterschenkelorthese in Verbindung mitiner diabetesadaptierten Fußbettung in Erwägungezogen werden. Allerdings zahlen sich allzu wag-alsige Experimente bei diesen Füßen in der Regelicht aus, da es an den durch die Osteoarthropa-hie veränderten Füßen sehr schnell zu Fußwundenommen kann (Abb. 10).

nteressenkonflikt

ls Gegenstand möglicher Interessenkonflikte kön-en angesehen werden: Der Autor ist Geschäftsfüh-er der Firma IETEC Orthopädische Einlagen GmbH,roduktions KG, Künzell.

iteratur

[1] P.R. Cavanagh, J.S. Ulbrecht, W. Zanine, R.L. Wel-ling, D. Leschinsky, C. van Schie, A method for theinvestigation of the effects of outsole modificationsin therapeutic footwear, Foot Ankle Int. 17 (1996)7Q6—707Q.

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[3] P. Cavanagh, J. Ulbrecht, G. Caputo, Biomechani-

sche Aspekte der Versorgung, Sonderheft DiabetesOrthopädieschuhtechnik (1996) S.68—S.77.

[4] B. Drerup, H.H. Wetz, Ch. Kolling, et al., Der Ein-fluss der Fußbettung und Schuhzurichtung auf die

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[

J. Stumpf

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15] http://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/fileadmin/Redakteur/Leitlinien/EvidenzbasierteLeitlinien/EBL Fusssyndrom Update 2008.pdf.

16] http://www.gkv-spitzenverband.de/upload/Hilfs-

17] http://www.versorgungsleitlinien.de/themen/diabetes2/dm2 fuss/nvl dm2fuss/behandlungsstrategie#e56.


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