Postkoloniale Soziologie: Andere Modernitäten, verortetes Wissen, kulturelle Identifizierungen
Julia Reuter
Beinahe jede kultur- und sozialwissenschaftliche Disziplin hat in den vergangenen Jahren ihre >Krise der Repräsentation< erlebt - nicht wenige haben sie auch als eine >postkuloniale Krise der Repräsentation<, als >postcolonial turn< wahrgenommen. Allen voran die Literaturwissenschaften und Ethnologie, die beide (gleichwohl aufunterschiedliche Weise) das Problem literarischer Alteritätsstrategien und folglich auch die Fabrikation ihrer Erkenntnisse über >andere Kultnren< (>Othering<) im Dienste >kolonialistischer Wissenschaften< selbst zum Gegenstand vieler Debatten machten (vgl. exempl. CliffordIMarcus 1986). Aber auch die Geschichtswissenschaften, die Geographie und Politikwissenschaften, die sich seit jeher mit den Grenzen zwischen dem Eigenen und dem Fremden, sei es in Form von historischen Zeittabellen, Regionaleinteilungen, Staats- und Kontinentalgrenzen usw., befassen, werden immer häufiger mit der problematischen (neo-)kolonialen Verfasstheit dieser Konstellationen konfrontiert. (vgl. die Beiträge in diesem Band) Sie erkennen zunehmend, dass es weniger >tatsächliche< zivilisatorische, geographische oder nationale Grenzen sind, die >Nord< von >Süd<, >den Westen< vom >Rest<, >Orient< von >Okzident<, >Zentrum< von >Peripherie< oder >traditionale< von >modernen< Gesellschaften trennen, als vielmehr fachspezifische diskursive politische Strategien, die ein (post-)koloniales Grenzregime aufrechterhalten und damit Hybridisierungs-, Diffusions- oder Verfiechtnngszusammenhänge zwischen Gruppen, Kulturen, Nationen, Gesellschaften ausblenden (vgl. exempl. Randeria/Conrad 2002; Samman 2010).
So erfolgreich der postcolonial turn - und damit die Reflexion der disziplineigenen Wissensordnung in ihrer westlich, eurozentrischen Prägung - um sich greift (vgl. Bachmann-Medick 2006: 184-238), so erstaunlich ist, dass eine soziologische Rezeption postkolonialer Theorien und Konzepte bislang nur recht zögerlich verläuft (vgl. exempl. ReuterNilla 2009) - gleichwohl sich die Soziologie als »Reflexionswissenschaft« (Nassehi 2003: 27) par excellence versteht. Dabei las-
J. Reuter, A. Karentzos (Hrsg.), Schlüsselwerke der Postcolonial Studies,DOI 10.1007/978-3-531-93453-2_22,© VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden 2012
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sen sich durchaus fruchtbare Ansätze in den postkolonialen Studien für eine kritische Soziologie ausmachen, von denen ich im folgenden einige umreißen möchte.'
1. Von der Soziologie der Modemisierung zur postkolonialen Modemitätensoziologie
Gesellschaftliche Modernisierungsprozesse zählen in ihren Dimensionen der Rationalisierung, Domestizierung, Differenzierung und Individualisierung seit Beginn an zu den ureigensten Forschungsgegenständen der Soziologie (vgl. van der Loo/van Reijen 1992). Gleichzeitig verdankt die Soziologie ihre Existenz als akademisches Fach dem >Geist der Modernisierung<. In der Erklärung der charakteristischen Sphären der modernen Welt - Markt, Staat und (Zivil-)Gesellschaft - erhält sie ihre Bestimmung wie disziplinäre Abgrenzung gegenüber anderen Fächern, wie etwa der Ethnologie oder Orientalistik (vgl. Boatcä/Costa 2009: 69). Schließlich sollten diese eher erklären, warum die Vielfalt der Stammesund bäuerlichen Gesellschaften der nicht-industrialisierten Welt Außen-Europas nicht modern waren oder es nicht werden konnten. Auch wenn in der soziologischen Praxis diese disziplinäre Arbeitsteilung keinesfalls eingelöst wurde - viele der Klassiker griffen insbesondere für die Erklärung der Entwicklung moderner Wirtschaftsysteme auf ethnographisches Material zurück - hat sich bis heute ein Modernisierungsverständnis in der Soziologie durchgesetzt, dass nach wie vor von der Entgegensetzung der modernen Gesellschaftsordnung zu einer nicht- oder vormodernen, traditionellen Gesellschaftsordnung lebt bzw. für dessen Deutungen der modernen Industriegesellschaft die Differenz konstitutiv ist. Dabei ist die Unterscheidung von >modern< und >traditionell< mehr als eine bloße Kennzeichnung von sozialen Strukturen; sie ist eine idealtypische diskursive Konstruktion, die für zwei unterschiedliche zu bewertende Differenzierungsgrade steht. Auch wenn die klassischen Vertreter der Soziologie das harte Wort der >Barbaren< oder >Wilden< vermeiden, so erscheinen ihnen diese vormodernen, vorindustriellen Gesellschaften doch als >unzivilisiert< (Eliasf , >irrational< (Weber) oder >einfach< (Durkheim), in denen die Entwicklung einer formalen und materialen Rationalität noch aussteht (vgl. Miller/Soeffner 1996: 4; Reuter 2002: 190f.). Moderne
Der folgende Text greift in Teilen aufmemen mit Paula-Irene Villa verfassten Aufsatz .,Provincializing Soziologie. Postkoloniale Theorie als Herausforderung« aus unserem 2009 herausgegeben Sammelband« Postkoloniale Soziologie« (Bielefeld: transcript) zurück.
2 Wobei Winter (in diesem Band) in Anlehnung an Rojek (2003) zurecht bemerkt, dass nicht nur der Prozess, sondern auch der Diskurs der Zivilisation im gesellschaftlichen Vergleich unterschiedliche Konnotationen erfahren habe und somit keine eindeutige eurozentrische Ideologie des Westens bilde.
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Gesellschaften sind demnach per definitionem Gesellschaften des beständigen, schnellen und permanenten Wandels, traditionelle Gesellschaften zeichnen sich demgegenüber durch ihre Vergangenheitsfixiertheit und ein Raum-Zeit-Kontinuum aus (vgl. Ha1l1999a: 397).
Immer wieder gab es in den letzten zwanzig Jahren innerhalb der Soziologie Versuche, dieses >einfache Modernisierungsdenken< und die damit verbundene systematische diskursive Abwertung des >Anderen< im Kontext der eigenen (hegemonialen) Wissensproduktion aufzuarbeiten (vgl. exernpl. Bauman 1992; Beck/Giddens/Lash 1990)'. Ohne die Erfolge dieser Bemühungen schmälern zu wollen, erscheint es mir doch bemerkenswert, dass dabei postkoloniale Theorien und Perspektiven zunächst keine Rolle spielten, sondern erst viel später Teil des Diskurses einer >reflexiven Modeme< bzw. eines neuen >Kosmopolitismus-Diskurses< in der Soziologie wurden (vgl. exernpl. Beck/Grande 2010; Köhler 2009)'. Dabei zählt die Auseinandersetzung mit der diskursprägenden Gewalt hegemonialer (Wissenschafts-)Kulturen und ihren problematischen Konstruktionen des Anderen zu den klassischen und profiliertesten Forschungsthemen postkolonialer Studien. Neben Edward W. Saids Analyse der jahrhundertelangen diskursiven Konstruktion und Kontinuität der westlichen Stereotypen über den Orient (vgl. Said 1978; Schmitz in diesem Band), hat sich auch Stuart Hall (1992) in seinen Arbeiten intensiv mit der Polarität vom Westen und >dem Rest< als konstitutive Basis wie Konsequenz einer binären Epistemologie der Soziologie beschäftigt. Letztere bezeichnet Hall in Anlehnung an Michel Foucault als Produkt wie Produzent eines machtvollen »Wahrheits- bzw. Wissensregimes«, das sich in den Arbeiten der Klassiker (z. B. Karl Marx, Max Weber) bis heute - in sich wandelnder Form - widerspiegele: »[O]ne ofthe surprising places where its [the discourse of >the West and the Resb] effects can still be seen is in the language, theoretical models and hidden assumptions ofmodem sociology itself.« (Hall 1992: 318)
Eine zentrale Herausforderung postkolonialer Tbeoriebildung liegt nicht nur in der Kritik der Modernisierungsideologie, sondern auch in einer grundsätzlichen Reformulierung der Modernisierungstheorie, die sich nicht in einer einfachen Revision in Form gesellschafts- wie kulturvergleichender Modernisierungsperspektiven erschöpft, wie in der Weltsystemtheorie oder in Theorien Multipler Modemen abgelegt (vgl. Spohn 2010). Ausgehend von der These, dass »die westliche Modeme vom Ursprung her kolonialistisch ist [ ... ]« (de Sousa Santos 2005:
3 Dabei wurden zwar modernistische )Fortschrittsideologien< und KlassifikationsmodeUe dekonstruiert, nicht aber unbedingt gesellschaftliche Phasenmodelle in Frage gestellt.
4 Es scheint sogar so, dass es v. 8. in der deutschsprachigen Soziologie im Zuge der seit den 1990er Jahren intensiv geführten Globalisierungsdiskussion zu einer Revitalisierung >einfacher<, d. h. eurozentrischer Modernisierungstheorien kommt.
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207; vgl. hierzu auch Randeria 2002: 222) wollen postkoloniale Theorien die Einbeziehung divergenter Entwicklungslinien der (post-)kolonialen Moderne leisten - dies kann und soll die Modeme pluralisieren, vor allem aber kontextualisieren. Das Ergebnis ist dann nicht »another modernity«, sondern »other modemities« (Randeria 1999a: 379); viele verwobene, »entangied« Modernitäten mit multiplen Entwicklungslinien und Formen sowie unterschiedlichen - keineswegs linearen - Entwicklungs- und Differenzierungspfaden (vgl. hierzu auch Boatcä/Spohn 2010). Dem postkolonialen Plädoyer für eine Diversität von Modernität(sdenken) liegt dabei eine grundlegende Kritik der (impliziten) Teleologie bzw. dem (impliziten) Universalismus der soziologischen Modemisierungstheorie zugrunde.' Wie Sergio Costa anmerkt: »Die moderne Soziologie nimmt Werte, soziale Maßstäbe und Strukturen der als westlich definierten Gesellschaften als universelle Parameter für die Definition dessen, was eine modeme Gesellschaft ist.« (Costa 2005a: 225) Costa greift hier wesentlich auf die Kritik sozialwissenschaftlicher Modernisierungstheorien von Shalini Randeria zurück, die durch das In-Beziehung-Setzen >westlicher< Modernitätsdebatten mit >indischen< Erfahrungen und Diskorsen zum Thema bereits in den 1990er Jahren auf das Problem einer ethnozentrischen Soziologie der Modernisierung hingewiesen hatte (vgl. exemplarisch Randeria 1999b). Neben der Relativierung wie Präzisierung des Konzepts der >Moderne< Iördere die Auseinandersetzung mit >anderen<, in ihrem Falle >indischen< Modernisierungsperspektiven vor allem die Einsicht, dass Modernisierungsprozesse in den Metropolen und Peripherien voneinander abhängen bzw. ihre Entwicklung nur aus dem konstitutiven Bedingungsverhältnis heraus zu verstehen sind. Zentraler noch aber sei die Bedeutung der Positionalität der Akteure wie Theoretikerlnnen innerhalb dieser Interaktionsbeziehung: Denn während die >indischen< Modernisierungserfahrungen wie -debatten aufgrund der ungleichen Verteilung von Definitions- und Handlungsrnacht von westlichen AutorInnen kaum zur Kenntnis genommen würden, hätte auf Seiten der >indischen< Sozialwissenschaffierlnnen durchaus eine - wenn auch selektive - Rezeption westlicher Theorien und Modelle stattgefunden (vgl. Randeria 2004: 28f.). So genießt die westliche Modeme durchaus den Status einer historischen Präzedenz, eines kulturellen Referenzrahmens (vgl. ebd.: 15), der eine Form von »epistemischer
5 Andreas Reckwitz (2008b: 227f.) zufolge lassen sich die großen soziologischen Erzählungen der Moderne entlang von vier Elementen bestimmen: 1. Struktur-Kultur-Differenz, d.h. die Zuschreibung von Struktur als Primat moderner und Kultur als Primat nichtmoderner Gesellschaften. 2. die TraditionalitätIModeme-Di:fferenz, d. h. die raum-zeitliche Expansion von Modernität auf Kosten von Traditionalität, 3. die Einheit/Linearität der Moderne, d. h. eine strukturbezogene Homogenität der Modeme, 4. die Rationalität moderner Muster, d. h. Geltung eines Rationalitätsnarrativs im weitesten Sinne.
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Gewalt« ausübt, die sich nicht zuletzt in einem generalisierenden Theoriesti! ausdrückt (vgl. Costa 2005a: 243).' Alternative Formen der Moderne in nicht-europäischen wie europäischen Gesellschaften gelte es weniger in ihrer Totalität zu beschreiben bzw. als Totalität zu betrachten. Vielmehr solle man der postkolonialen Losung einer von der Sozialanthropologie angestoßenen )Provinzialisierung< folgen, und verstärkt auf die Artikulationen der (Alltags-)Akteure auf der Ebene lokaler wie regionaler Lebenswelten achten (vgl. Randeria 2004: 17). Dies schließt mit ein, dass Elemente des )Provinziellen<, der )Peripherie<, des )Traditionellen<, des )kolonialen Anderen< immer auch Bestandtei! des )Modernen<, des )Zentrums<, des )Eigenen< sind - schließlich treten Postkoloniale Theorien stärker etwa als Theorien der Reflexiven Modernisierung für eine symmetrische Perspektive ein, in der der Begriff der >Andersheit< auch für die Wahrnehmung des Westens in Anspruch genommen werden kann - oder anders gesagt: Auch der Westen kann als )colonial other< erscheinen (vgl. Köhler 2009: 202). D. h. nicht die nachträglichen Folgen der Modernisierung, sondern die kolonialen Ursprünge rücken eine postkoloniale Perspektive in den Blick. Er ist nicht einfach eine Erweiterung, eine Ergänzung, eine Reflexion der Moderne, er ist eine radikale )Änderung der Erzählperspektive<, ein »entscheidender Bruch mit den gesamten historiographischen Großnarrativen« einer Geschichte der kapitalistischen Moderne, der die Perspektive weg von ihrer eurozentrischen Ausrichtung hin zu ihren weltweit zerstreuten Peripherien verlagert (vgl. Hall 1997: 23If.; Winter in diesem Band). Dipesh Chakrabartys Programm, Europa als Provinz zu beschreiben und damit die europäische Entwicklung und Geschichtsschreibung nicht zum universellen Maßstab anderer, vor allem asiatischer Gesellschaften heranzuziehen, zählt dabei sicherlich zu den bekanntesten Versuchen, eine postkoloniale Geschichtsschreibung auf den Weg zu bringen (vgl. Chakrabarty 2000; vgl. aber auch Kaltrneier in diesem Band). Überhaupt scheinen die Mängel eurozentrischer (Modernisierungs-)Theorien am dentlichsten an asiatischen Gesellschaften sichtbar zu werden, weil Europa allenfalls seit Mitte des 18. Jahrhundert die Stellung eines (Handels-)Zentrums erlangte, die im 20. Jahrhundert aber bereits wieder relativiert wurde und gegenwärtig angesichts des asiatischen Wirtschaftsbooms gänzlich fraglich ist (vgl. Menzel 2010).'
6 Ballre Rehbein kennzeichnet das eurozentrische Theorie-Paradigmamit f'dnfMerkmalen: eine ethnozentrische Geschichtsschreibung, einen unilinearen Evolutionismus, ein Container-Modell der Gesellschaft, eine deduktive Wissenschaftstheorie und die Konstruktion von Totalitäten (vgl. Rohbein 2009: 215).
7 Zudem. sprengt die Vemetzung der Zentren Asiens die Vorstellung gesellschaftlicher ContainerModelle ebenso wie die Vielfalt regionaler Ethnozentrismen das Zentrum-Peripherie-Modell in Frage stellt (vgl. Rehbein 2009: 218fT.).
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2. Vom Wissen über Gesellscbaft zur gesellscbaftlichen Bedingtheit wissenschaftlicher Erkenntnis
Wissen bzw. Wissenschaft ist nie unschuldig oder gar unpolitisch - trotz (oder gerade) weil sie sich der Objektivität verpflichtet sieht. Es ist nach wie vor der Ort der Wissensproduktion, der den Inhalt beeinflusst (vgl. Prokla Redaktion 2010: 2). Edward W. Said spricht von einer problematischen, weil falschen Trennung von sogenanntem »reinen« und »politischen Wissen«, die davon ausgeht, dass wissenschaftlich produziertes Wissen automatisch >rein<, d. h. akademisch, unparteiisch oder überparteilich sei (vgl. Said 1978: 17). Durch die Entkopplung von wissenschaftlicher Kommunikation und Interaktion erscheinen wissenschaftliche Texte häufig als >letzte< objektive Aussagen, die letztlich aber nur die Ergebnisse, nicht aber ihre Genese oder die Position des Autors/der Autorin thematisieren, geschweige denn das Risiko eingehen, >sich selbst zu exponieren< (vgl. Bourdieu: 252f.). Doch wie Said zu bedenken gibt: »Niemand hat jemals eine Methode erfunden, um den Wissenschaftler von seinen Lebensbedingungen zu trennen, von seiner (bewussten wie unbewussten) Zugehörigkeit zu einer Klasse, einer Glaubensrichtung, einer sozialen Position oder der reinen Tatsache, Mitglied einer Gesellschaft zu sein. Dies alles r!ihrt furt auf ihn Einfluss zu nehmen, auf das, was er bernflich tut.« (ebd.: 18)' Zwar ist die gesellschaftliche Bedingtheit menschlichen Deukens im Allgemeinen und wissenschaftlicher Erkenntnis im Besonderen innerhalb der Soziologie immer wieder thematisiert worden (vgl. Elias 2004; Bourdieu/Waquant 2006), doch weniger in ihren postkolonialen Allianzen und Bezügen als in ihrem eigenen >intellektuellen Feld<. Dabei ist es durchaus fruchtbar, sich jenseits des kanonisierten Wissens der Lehrbücher und gültigen Rezeptionskontexte mit den Entstehungs- und Rezeptionskontexten soziologischer Klassiker zu beschäftigen, wie Nirmal Puwar am Beispiel ihrer exemplarischen postkolonialen Re-Lektiire von Pierre Bourdien zeigen kann (vgl. Puwar 2009). Sie kritisiert seine zu >enge< Rezeption im soziologischen Kanon als >Klassentheoretiker<, die die Themen Rassismus, Algerien oder gar Postkolonialismus vernachlässige - gleichwohl Bourdien selbst durchaus über Rassismus in Frankreich geschrieben habe bzw. seine eigene intellektuelle Entwicklung ohne seine Feldforschung in Algerien, seine eigene Migrationserfahrung, seinen freundschaftlichen wie bernflichen Austausch mit postkolonialen Intellektuellen nicht denkbar gewesen
8 In der zeitgenössischen qualitativen Sozialforschung gibt es mittlerweile fruchtbare Versuche, diese Partikularität und Standortgebundenheit der Forscherperspektive als konstitutives Prinzip (an-)zuerkennen und mit abzubilden, z.B. in der performativen Ethnographie nach Denzin (1997).
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sei (vgl. Puwar 2009: 184ff.; Bourdieu 2002).' Puwars Ansicht nach ist es vor allem dem disziplinären Masterstatus des Klassenbegriffs geschuldet, der die den Rassismus und Postkolonialismus betreffenden Bezüge in Bourdieus Werk als Epiphänomen behandeln ließe - gleichwohl postkoloniale TheoretikerInnen ihrerseits auch nicht viel für eine postkoloniale Rezeption Bourdieus getan hätten (vgl. ebd.: 185) bzw. grundsätzlicher selbst eine gewisse Ignoranz gegenüber soziologischen Ansätzen und AutorInnen entwickelt haben (vgl. Costa 2007: 120).
Eine mögliche Ursache für diesen Eurozentrismus der Soziologie liegt in der Geschichte des Fachs selbst begründet, das sich als ein von >westlichen< AutorInnen geprägtes Fach versteht, was sich nicht nur in der Kanonisierung, sondern auch in den Rezeptionsweisen seiner Theorien und Modelle ausdriickt. Dabei bestimmen neben >angestammten< Fachtermini, >einschlägigen< ReferenzautorInnen und >fachtypischen< Publikationsorganen durchaus auch >stilistische< Fragen, ob etwas als >legitimes Forschungsobjekt<, als >legitimer Forschungsbericht< usw. anerkannt, ob und wie es rezipiert wird - ohne dass dies als >Kunst der Interpretation< gewertet würde.1O
Eine postkoloniale Reorientierung der Soziologie bedeutet dann strenggenommen nicht nur, dass wir als LeserInnen soziologischer Texte die AutorInnen der Texte auch als SchriftstellerInnen ernst nehmen", sondern darüber hinaus auch, dass wir als AutorInnen »anderen Wegen der Diskussion und anderen Wegen der Theoriebildung nach[]gehen« - jenseits der europäischen und nordamerikanischen Erfahrungen (vgl. Randeria 2004: 10). Dies kann zu einer Betrachtung neuer Phänomene und Miteinbeziehung vernachlässigter Stimmen führen oder gar zu einem umfassenden >kulturellen Rewriting< von Geschichte und Wirklichkeit ganzer Gesellschaften (vgl. AshcroftiGriffithlTiffin 1989). Es kann sich aber auch in der Erweiterung des Kanons >wertvoller< Literatur um neue Werke ausdrücken, ebenso wie in ihrer Subversion, etwa durch >semiotische Unterwanderung< der Kolonialsprache(n) oder eine >verrückte Mimesis< ihrer zentralen inhaltlichen Figuren (vgl. hierzu auch Ha 1999: 145ff.). Es kann schließlich, wie
9 Gleichwohl es Kritik an Bourdieus Algerienforschung gibt, die auf die fehlende bzw. gleichwertige Einbeziehung der Stimmen der Algerierlnnen abzielt (vgl. Rehbein 2009: 214). Bourdieu betont selbst, wie wichtig die >algerische Erfahrung< f'lir seine Laufbahn, vor allem aber für seine Sicht auf die Welt gewesen sei; sie habe quasi wie eine Art >Augenöffner< auf die Welt gewirkt - auch auf die der Soziologie und der SoziologInnen (vgl. Bourdieu 2002: 46).
10 Es zählt sicherlich zu den Stärken postkolonialer Theorien, diese Fragen zu stellen bzw. sie auch wie Said betont, als politische Fragen zu stellen. So sind es nach wie vor >westliche< AutorInnen, die Saidzufolge nicht nur den Gegenstand und Themen der Expertise bestimmen, sondern auch einen Geschmacks- und Wertekanon etablieren, der Traditionen, Formulierungen, Formen der Rezeption und Beurteilung, Texttypen sowie Sprache der Texte festlegt (vgl. Said 1978: 29).
11 In der Ethnologie hatte ClifIord Geertz 1988 seinerzeit die eigene Zunft als »Schriftsteller« bezeichnet und damit die Diskussion um die »Krise der Repräsentation« angeheizt
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beispielsweise Gayatri C. Spivak in ihren Texten immer wieder deutlich macht, durch den Einsatz ungewohnter narrativer Mittel und Genres - etwa Gedichte -verdentlicht werden, um die konventionelle Vorstellung wissenschaftlicher Texte und ihre rhetorische Konstitution in Frage zu stellen. Denn wie Stuart Hall mit Blick auf das strukturalistische Erbe der Cultural und Postcolonial Studies beschreibt, sind es weniger die bewussten als vielmehr die unbewussten ideologischen Strukturen (der Sprache, des Denkens, der Erfahrung), die unser Wissen und unser Handeln anleiten (vgl. Hall1999b: 30f.).
Das Interesse der postkolonialen Perspektive für die »Geopolitik des Wissens« spiegelt sich in der Frage, wer das Wissen produziert, in welchem Kontext und für wen (vgl. de Sousa Santos 2005: 201). Aus Sicht desIder Soziologln wäre hier sicherlich interessant zu erfurschen, wie sich im globalen Kontext das soziologische Wissen zu unterschiedlichen Themen verteilt - repräsentiert in Fachzeitschriften, Fachbüchern und Datenbanken, Lehrstühlen, Abteilungen und Instituten, Fachtagungen und Vereinigungen - bzw. welche Sprache, Richtung und Zugangsvoraussetzungen der Informationsfiuss besitzt." Spivak (2009: 57ff.) zufolge setzt sich gerade im sprachlichen Austausch im .globalen Dorf< das imperialistische Wissen(schaft)ssystem fort, das etwa englischsprachige Literatur gegenüber Regionalliteraturen, schriftliche gegenüber mündlichen Erzählformen oder epische Erzählungen nordischer Tradition gegenüber episodenhaften ErzähIformen privilegiert. Rademacher sieht hierin eine zentrale Ursache für die systematische Ignoranz postkolonialer Theorien innerhalb der Sozialwissenschaften, die auf der Grundlage der Unterscheidung von wissenschaftlich bzw. diskursiv-logischen und literarisch-künstlerischen Texten (vgl. Rademacher 1999: 261) postkoloniale Literatur allzu schnell als .fiktionale Thematisierung< abtun." Doch ist auch zu fragen, wem diese strikte Trennung der Genres und Schreibstile nützt, welches Wissen damit (un-)sichtbar gemacht wird und warum. Weshalb ist es nach wie vor undenkbar, einen .mainstreamigen< Text in einer soziologischen Fachzeitschrift mit türkischen Passagen oder lyrischen Beispielen zu veröffentlichen? Warum bedeutet auch innerhalb der .globalisierten< Soziologie .international ausgewiesen< nach wie vor die Präsenz im US-amerikanischen, allenfalls britischen und eventuell noch französischen Raum - nicht aber Indien, Namibia, Chile oder Rumäni-
12 Vgl. hierzu auch Arunchalam (2000), der auf das Problem derweltweitungleichen Produktion und Verwendung wissenschaftlichen Wissens anband der Konzentration von Forschungsrorderung und Fachzeitschriften in Europa und Nordamerika aufmerksam macht.
13 Auch McLennon formuliert den Vorwurf einer zu starkenLiterarizität postkolonialer Arbeiten - insbesondere der von Bhabha verfassten Schriften: »Tbe work of Homi Bhabha, generally neglected by sociologists, has been central to recent debatcs within and about postcolonial theory. One problem is the rather opaque and elliptical quality of his keynote collection.« (McLennon 2003: 73)
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en? Hier könnte ein postkoloniale Perspektive auf das Wissen(schaft)sfeld Soziologie eine Reflexion der eigenen Methoden der Repräsentation anstoßen - nicht nur der Erkenntnismodelle, sondern auch der (profanen) Sprach- und Schreibkonventionen, des Umgangs mit visuellen Darstellungen usw. Eine solche »Befremdung der eigenen Kultur« ist nach wie vor keinesfalls üblich (wenn auch präsent vgl. Hirschauer/Amman 1997). Dies liegt nicht nur an der nach wie vor striktenaber zunehmend angefochtenen - Abgrenzung des Fachs gegenüber Sprach- und Medienwissenschaften, sondern auch am fachinternen Habitus: Gerade soziologische Intellektuelle stellen gerne die Welt in Frage, aber selten die eigene (intellektuelle) Welt und seltener noch den eigenen Standpunkt in dieser. Hier kann eine postkoloniale Perspektive auf die »literarische Politik der Erkenntnis«, wie sie vor allem in den Arbeiten von Edward W. Said (z. B. Said 1997: 94f.) perpetuiert wurde, interessante Fragestellungen und neue Forschungsfelder eröffnen. Denn auch soziologische Texte sind nicht bloß Texte - sie vertreten in der Regel bestimmte Werte, verfolgen ein bestimmtes Ziel, gehören einem bestimmten Genre an, sind in einem bestimmten Stil verfasst, unterscheiden zwischen guten und unbedeutenden AutorInnen bzw. ziehen bestimmte Texte anderen vor. Nicht selten bilden sich auf diese Weise zu bestimmten soziologischen Themen Wissensformationen aus, Dispositive, die wissenschaftliche Aussagen von unwissenschaftlichen oder Spezialdiskursen unterscheiden und akzeptable, weil dominante Problematisierungsweisen sozialer Phänomene festlegen. Letzteres zeigt Ingrid Jungwirth (2007) am Beispiel des sozialwissenschaftlichen Identitätsdiskurses, indem sie die >Frage der Identität< weder als typisch modeme noch anthropologische Konstante entlarvt, sondern als eine historisch spezifische (westliche) Erscheinung der Nachkriegszeit, die in der Soziologie in einer ganz bestimmten Art und Weise gestellt wird - im Zusammenhang mit Personenkategorien, nationalen wie geschlechtlichen Differenzen, Entwicklungs- und Phasenmodellen. Das klassisch-moderne Problem der Identität wird in der Frage der Balance zwischen Ich und sozialen Erwartungen bzw. in der Herausbildung einer konstanten Identität gesucht (vgl. Reckwitz 2008a: 57). Kontingenz, ist hier zunächst nicht vorgesehen - weder als Semantik der Selbstinterpretation noch als Beschreibung gesellschaftlicher Verhältuisse und Erwartungen an den Einzelnen.l ' Auch Stuart Hall
14 Dies kommt erst später, in den spät- und postmodernen Theorieansätzen seit den 1980er Jahren auf, die die Frage der Identität nun in erster Linie als )Problem< auffassen, in dem sie Selbstintcrpretation und ihre Bedingungen als kontingent und höchst prekär wahrnehmen (vgl. Reckwitz 2008a: 60). Konsequenterweise pluralisiert sich hier der sozialwissenschaftliehe Identitätsdiskurs in unterschiedliche Debatten, deren einzige Übereinstimmung in der Konstrukthaftigkeit personaler wie kollektiver Identität liegt als auch in der Abgrenzung zur Vorstellung eines konstanten, mit sich selbst dauerhaft identischen Selbst.
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hatte selbst immer wieder auf die >beschränkte< sozialwissenschaftliehe Diskursivierung von Identität als etwas >Zentriertes<, >Authentisches<, >Autonomes<, >Fixiertes<, >Einheitliches< hingewiesen (vgl. exempl. Hal11999a), die meist weniger an der >tatsächlichen< Realität der (Alltags-)Menschen denn an den normgebundenen Logiken der wissenschaftlichen Felder und der zum Teil ganz banalen Probleme einer als positivistisch, unabhängig und formalistisch institutionalisierten Disziplin gebunden waren (vgl. hierzu Jungwirth 2007: 370ff.).
3. Von der knlturellen Herknnft znr disknrsiven Anshandlung von Identität
Die postkoloniale Problematisierung von soziologischen Identitätsdiskursen und -modellen ist dabei in eine umfassende Kritik an einem anthropologischen, homogenisierenden Kulturmodell eingebunden, das Kultur - verobjektiviert in Nationen, Traditionen, Wertvorstellungen und Territorien - einem Kollektiv als Ganzem zuordnet. Statt Kultur in >einzigartigen<, durch mentale, ethnische, territoriale oder nationale Faktoren klar voneinander abgrenzbaren Sinn- und Bedeutungsstrukturen zu verorten, und damit auch kulturellen Gruppen - die Deutschen, die TürkInnen, die Männer, die Fraueo, die >Weißen<, die >Schwarzen< - eine konkrete, repräsentierbare Existenz zu attestieren (vgl. Boatcä/Costa 2009: 81), richtet sich der postkoloniale Blick auf die vielf"liltigen Praktiken inmitten und zwischen Akteuren, Territorien und Orten, in denen kulturelle Ordnungen und Bedeutungen hergestellt, gelebt, repräsentiert und in Beziehung gesetzt werden. Kultur bzw. kulturelle Identität stellt sich aus postkolonialer Sicht als entgrenzter intersubjektiver Zirkulationsprozess dar, der lediglich in Form kultureller Identitätszuschreibungen fixiert bzw. festgestellt wird. Nicht Identität, sondern der Prozess der Identifizierung ist für postkoloniale Studien ausschlaggebend (vgl. Hal11999c: 91). Dabei finden Identifizierungsprozesse im Horizont asymmetrischer Dominanz- und Unterordnungsprozesse statt, weshalb Postcolonial Studies in Überschneidung mit den Cultural Studies auch vom >magischen Dreieck< aus Kultur, Macht und Identität sprechen (vgl. hierzu auch Marchart 2008: 33ff.). Lässt man sich auf eine solche Dezentrierung bzw. Dekonstruktion klassischer, d. h. cartensianisch zentrierter Subjekt- und Identitätstheorien ein, an denen auch die Soziologie nicht arm ist (vgl. Hal11999a: 40Iff.), bedeutet dies, nicht nurneue ideutitätstheoretische Modelle - z. B. aus Poststrukturalismus und Diskurstheorie - zuzulassen, sondern auch neue Fragen: Haben Deutsche eine ethnische Identität, haben >Weiße< eine Hautfarbe, haben Männer ein Geschlecht (vgl. Reuter! Villa 2009: 13)? Der Soziologe Armin Nassehi (1999) hatte bereits vor einigen
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Jahren diese >befremdenden Fragen< als gezielte epistemologische Verunsicherung der Kultursoziologie gestellt und ihre Durchschlagkraft u. a. an der Denkfigur der!des postkolonialen MigrantIn exemplifiziert: Diese!r unterlaufe in ihrer! seiner unbestimmten Zwischen-Existenz klassische nationalstaatliche Konzepte stabiler Kulturen genauso wie die Alternative zwischen einem westlichen Universalismus und dem Partikularismus der Dritten Welt. Nicht die Herkunft, Hautfarbe oder Biographie macht den/die postkoloniale MigrantIn automatisch zur Migrantin/zum Migranten, sondern wir, die wir >schwarz< und >weiß<, >ausländisch< und >inländisch<, >sesshaft< und >beweglich< zu dominanten Kategorien der Wirklichkeitskonstruktion machen, definieren ihn/sie als Migranten/Migrantin. Postkolonial gewendet hieße das, dass sich auch der!die Kultursoziologe!-soziologin als prominente!r wissenschaftlicheIr Beobachterln von Migration und migrantisehen Identitäten weniger auf die Vielfalt und augenscheinliche Exotik des Beobachtungsgegenstandes, als vielmehr auf die Art und Weise der Beobachtung des Gegenstandes konzentrieren sollte. Dies kann etwa im Ralunen der empirischen Erforschung von Migrationsbiographien dazu führen, dass in einer Migrationsbiographie nicht die >eigentliche< Fremdheit, d. h. die (elhnisierte) Identität als isoliertes Einzelphänomen, zu rekonstruieren ist (die typischerweise immer mit der Frage nach der >eigentlichen Herkunft< reifiziert wird), sondern die Prozesse der Enteignung und Fremddefinition vorhandener Identitätsressourcen in den jeweiligen gesellschaftspolitischen und damit auch narrativen Machtgefiigen (vgl. Lutz 2009).1' Denn nach wie vor lässt sich eine >mainstreamige< sozialwissenschaftliehe Diskursivierung des Fremden im Kontext der Migrations- und Minoritätenforschung beobachten. Unter den Begriffen wie >Fremdenfeindlichkeit<, >Rassismus< und >Elhnozentrismus< werden häufig noch Studien versammelt, die das sogenannte Abweichende, Fremde als etwas >ethnisch Spezifisches< identifizieren und damit einen dominanten Begriindungszusarnmenhang für Probleme des Zusammenlebens von Menschen mit unterschiedlichen Lebensstilen und -geschichten geliefert haben (vgl. Lutz 2009: 124). Dabei spiegeln ethnische Grenzziehungen längst nicht immer Gemeinschaftssolidarität, kulturelle Differenz und eine gemeinsame Sicht auf die soziale Welt von MigrantInnen wider. Häufig sind ethnische Grenzziehungen Produkte politischer Kämpfe und können daher ge-
15 Darüber hinaus gilt es in einem ganz grundsätzlichen Sinn nach dem kulturellen Kontext biographischer Erzählungen zu fragen. Denn nicht nur auf der Ebene der AUtagskommunikation, sondern auch auf der Ebene der wissenschaftlichen Abstraktion und Analyse existieren )Normalbiographiekonstruktionen<, an denen sich auch MigrationsforscherInnen orientieren - ohne dass diese mit dem Spektrum an Normalbiographien mit den Herkunftsgesellschaften der MigrantInnen immer abgeglichen würde, geschweige denn, dass Abweichungen davon nicht nur als direkte wie indirekte Folge der Migration zu betrachten seien (vg!. Lutz 2009: 122f.).
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rade nicht als selbstevidente Beobachtungs- und Analyseeinheiten vorausgesetzt werden (vgl. Wimmer 2008). Diese >Ethnisierungsprozesse< auf der Ebene der Beobachtung bzw. dieses >ethnic revival<auf der Gegenstandsebene, also in der zweiten und dritten, zum Teil sogar vierten Generation im Wechselspiel zu der >etablierten< Mehrheitsbevölkerung (die sich nicht selten selbst dadurch ethnisch begrenzt) in the making zu untersuchen, bildet sicherlich eine fruchtbare Schnittstelle zwischen Migrationssoziologie und postkolonialen Studien (vgl. Scherke 2009). Postkoloniale AutorInnen plädieren zudem darUr, dass auch der/die ForseherIn gerade als Migrationsforscherln die eigene Position im Feld problematisiert - denn auch dies kann Einfluss auf die Auswahl und Betrachtungsweise sozialer Probleme haben. I' So verwundert es nicht, dass die Reflexion des eigenen Identifizierungsprozesses bei den postkolonialen AutorInnen einen vergleichsweise großen Raum einnimmt. Stuart Halls eigene Biographie mag hierfür ein eindrückliches Beispiel sein, denn der in Jamaica geborene Sohn einer Mittelklassefamilie mit portugiesischen, indischen, afrikanischen und jüdischen Vorfahren, musste er sich im Zuge seines weiteren (gerade auch wissenschaftlichen) Lebens, immer wieder »[ ... ] in ganz verschiedenen kulturellen Räumen zurecht finden, die in ethnischer und sozialer Hinsicht von Konflikten, Auseinandersetzungen und Hierarchien bestimmt waren« (Winter in diesem Band). Während er im >peripheren< Jamaica noch als >Mitglied einer angesehenen jamaikanischen Familie der Mittelschicht< wahrgenommen wurde, dessen Hautfarbe er allenfalls als >braun< bezeichnete, galt er im (kolonialen) Zentrum des britischen Empire als >schwarzer Westinder mit Migrationserfahrung<. Dies machte ihm laut Winter nicht nur »die Partikularität und Kontingenz von sich als absolut gerierenden kulturellen Einstellungen, Werten und Praktiken bewusst«, sondern gewissermaßen auch die Normalität der Diasporaerfahrung in globalisierten Gesellschaften und damit auch die Normalität »zerrütteter Identität ohne Ursprungspunkt« (vgl. HalI1999c):
»Wenn ich mir überlege, wer ich bin, dann bin ich - in meiner eigenen viel zu langen Erfahrung - verschiedene Identitäten gewesen. Und über die meisten der Identitäten, die ich gewesen bin, habe ich nur aufgrund der Art und Weise Bescheid gewußt, wie andere Menschen mich betitelt haben, und nicht aufgrund von etwas tief in mir - dem wahren Selbst.« (Ha111999c: 91f.)
Das Schicksal >zerrütteter<, weil im Laufe der Geschichte unterschiedlich identifizierter Identitäten teilen viele postkoloniale Intellektuelle. Auch Edward W. Said Identifizierungen reichten vom »akademischen Repräsentant eines neo-liberalen
16 So ist die vergleichweise >ethnozentrischc< Institutionalisierung der deutschen Migrationsforsehung sicherlich kein Zufall-LehrstuhlinhaberInnen sind in der Regel >deutsch<, die Theorien und Modelle stammen vor allem aus angelsächsischen Einwanderungsländern.
Postkoloniale Soziologie 309
Kosmopolitismus«, bis hio zum »palästinensischen (Dritte-Welt)-Nationalist« oder »gekränkten Ex-Kolonialisierten« (vgl. Schmitz in diesem Band). In diesem Sione mahnt Bhabha die Gefahr an, eioer Fixierung oder Fetischisierung von Identität innerhalb der verknöcherten kolonialen Kultur zu erliegen; stattdessen geIte es, die >inneren< Unterschiede, die Grenzlagen und Zwischen-Wirklichkeiten eines >teilweisen< oder >doppelten< Selbst herauszuarbeiten (vgl. Bhabha 2000: 20). Dabei zeigen postkoloniale Studien - vermuIlich besser als es soziologische Studien zum Fremden getan haben - die dialogische Beziehung zum Anderen, die sich bis in die (unbewusste) Struktur des Selbst eingräbt (vgl. Fanon 1984).l'
4. Fazit
Die postkoloniale Problematisierung soziologischer Zugäoge zur Gesellschaft versteht sich nicht als Verwerfung oder gar Abschaffung der Soziologie als Disziplin, sondern als Ergäozung und Erweiterung genau dort, wo sie an ihre Grenzen stößt (vgl. Boatcil/Costa 2009: 84). Sicherlich ließen sich auch aus soziologischer Perspektive postkoloniale Perspektiven kritisieren - und ich habe es in der Vergangenheit auch getan (vgl. ReuterNilla 2009) - dennoch erscheint es mir fruchtbarer, an Stelle der Gegensätze die Gemeinsamkeiten von postkolonialen Theorien und Soziologie zu betonen, etwa den gemeiosarnen erkenntnistheoretischen Anspruch, >hioter die Normalität des So-Seienden zu schauen<. Insbesondere die in der Kultursoziologie intensiv geführten Debatten über Globalisierung, Migration und Identität könnten von eioer >postkolonialen Wende< profitieren: (1) bei der Überwindung eioer lioearen Evolutionsgeschichte moderner Gesellschaften, ohne in den Partikularismus endloser multipler Modernen zu verfallen, (2) bei der Öffnung eines >ortsgebundenen<, >exklusiven< Kulturbegriffs und (3) eines ebenso >differenzierenden< wie >stabilen< Identitätsbegriffs (vgl. hierzu auch Boatcil/Costa 2009: 85). Quer hierzu liegt gleichfalls der oben skizzierte (empiristische) Anspruch, die Soziologie nicht als >naive< Variablen-Soziologie zu betreiben, d. h. die Gesellschaften, Zivilisationen, Nationen, ethnische Gruppen, Männer und Frauen usw. nicht als vorgegebene Auf teilung der sozialen Welt zu akzeptieren und Sprache, Kleidungsstile, Farnilien- und Haushaltsstrukturen, Hautfarbe usw. als Äquivalent zur Summe der >objektiven Unterschiede< zusammenzufassen, die einle BetrachterIn von außen finden mag (vgl. Wimmer 2008: 67). Überhaupt ist der/die Betrachterln
17 So ist Identität immer auch )die Beziehung des Anderem zu einem selbst<, ein Verständnis, das in der soziologischen identitätstheoretischen Tradition im Anschluss an George H. Mead zwar durchaus präsent ist, aber nicht konsequent als permanentes, dauerproblematisches >DifIerenzbewusstsein< zu Ende gedacht wird.
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nie jemand, der/die von außen die Verhältnisse vorurteilslos überschaut. Er/sie ist immer auch ein Akteur in einem sozialen Kräftefeld, dessen Forschungsobjekte sich ihm/ihr dadurch anzeigen, dass sie als Realitäten »ein Problem darstellen« und »auf sich aufmerksam machen«, ohne dass sie als bestimmte Objektkonstruktion des Feldes in den Blick kommen, die alle praktischen Forschungsentscheidungen beeinflusst (vgl. Bourdieu 1996: 262f.). So ist eine postkoloniale Soziologie zuallererst wohl eines: Eine Soziologie der Soziologie!
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