+ All Categories
Home > Documents > S Dornröschen- am Brenner - alpenverein.de · jährige einen weiteren geologischen Plan hervor,...

S Dornröschen- am Brenner - alpenverein.de · jährige einen weiteren geologischen Plan hervor,...

Date post: 13-Aug-2019
Category:
Upload: dinhdien
View: 213 times
Download: 0 times
Share this document with a friend
5
S ie zerren an meinen Armen, an der Jacke – sogar am Haar. Hundert Hände aus blauen Uniform-Ärmeln halten mich zu- rück. „Lasst ihn nicht über die Gleise“, schallt es hinten. „Nehmt ihn fest!“ Ein dumpfer Schlag an der Schläfe. Ich zucke zusammen und wache auf. Gegen den Fensterrahmen des Zug- abteils ist mein Kopf gerutscht. Seltsamer Traum; unter den mich greifenden Händen schien ich zu schrumpfen. Geologische Trennlinie „Die Kleinen werden immer geschluckt.“ Bernd Lammerer, Geologie-Professor in Mün- chen, grinst, während er das sagt. Mit seinem Zeigefinger fährt er auf der geologischen Kar- te Südtirols, die er quer über Briefe, Skripten und Schreibutensilien gebreitet hat, das Wipp- tal bzw. den Brenner entlang. „Sehen Sie: Die- ses hellblaue Band ist alles, was hier noch vom penninischen Ozeanboden übrig ist.“ Östlich die Zillertaler, westlich die geologisch ganz verschiedenen Stubaier und dazwischen Reste eines längst verschwundenen Meeresgrun- des. Für den Brenner als Trennlinie zwischen geo- logischen Welten interessiert sich Lammerer, seit er dort Daten und Steine für eine Forschungsar- beit sammelte, um sein Diplom an der Univer- sität München zu erwerben, vor 34 Jahren. Da- mals war der Autobahnbau in vollem Gang. Bahngleise führten zu diesem Zeitpunkt schon seit einem ganzen Jahrhundert über den Brenner. Ausgangspunkt Brennerpass Benommen schaue ich auf die Uhr: kurz vor zehn morgens. Wenige Minuten bleiben, bis Eurocity 81 „Garda“, der schwerfällig den kurvigen Schienenstrang hinaufächzt, in den Bren- ner-Bahnhof einfährt. In meinem Traum wollte ich mich verbotenerweise di- rekt vom Bahnsteig 9 über die Gleise stehlen, über die dort in einen Tunnel ver- bannte Autobahn hinweg; wollte auf die andere, östliche Talseite, um den kürzesten und schöns- ten Weg hinauf zum alpinistisch und geologisch so interessanten Wolfendorn zu wandern. Wer am Brenner aussteigt, denkt nicht ge- rade an Wandern. Unwirtlich ist es. Straßen, Schienen und Shops sind auf Durchzug pro- grammiert. Im Frühjahr und Herbst schafft es die Sonne erst spät vormittags, die triste Sze- nerie aufzuhellen. Und dann dieses dauernd an- und abschwellende Brummen, Rauschen, bis- weilen Hupen und Quietschen. „Seismisch aktiv ist die Gegend immer noch“, erklärt Lammerer ernsten Blicks. An der Bürowand hinter seinem Stuhl zieht eine Großaufnahme der Ziller- taler Gletscher mit Scha- fen im Vordergrund den Blick des Besuchers ma- gisch an. Nicht über den unter der Last der Sat- telzüge vibrierenden As- phalt spottet der Geologe: Noch immer tauchen an der Brennerstörung die östlich gelegenen Kalkschiefer des alten Ozeans Millimeter um Millimeter unter den Stubaier Gesteinen ab. Aufstieg in die Einsamkeit Auf Meeresgrund sozusagen lasse ich das Orts- schild „Brennero“ hinter mir und folge der leicht abschüssigen Brennerstraße gen Süden. DAV Panorama 4/2003 42 Dornröschen- am Brenner Dornröschen- am Brenner Just auf der Passhöhe, die ein abschreckendes Beispiel für Verkehrswahn und Alpen- Ungemütlichkeit abgibt, wartet ein vergessener Weg auf seine Wiederbelebung. Versuch eines Zugangs, aus der Perspektive des Wanderers sowie des Erdkundlers. VON MARTIN ROOS Auf dem Weg zum Wolfendorn tun sich beeindruckende Weit- blicke auf: Im Norden blendet der Olperer mit seinen Fernern (o.); Ausgangspunkt für die Wanderung auf vergessenen Wegen ist der Brennerpass mit seiner dem modernen Massenverkehr geweih- ten Infrastruktur (r.). Wer am Brenner aus- steigt denkt nicht gerade an Wandern
Transcript
Page 1: S Dornröschen- am Brenner - alpenverein.de · jährige einen weiteren geologischen Plan hervor, breitet ihn über den anderen und umkreist darauf mit dem Finger in etwa die sich

Sie zerren an meinen Armen, an der Jacke– sogar am Haar. Hundert Hände ausblauen Uniform-Ärmeln halten mich zu-

rück. „Lasst ihn nicht über die Gleise“, schalltes hinten. „Nehmt ihn fest!“ Ein dumpferSchlag an der Schläfe. Ich zucke zusammen undwache auf. Gegen den Fensterrahmen des Zug-abteils ist mein Kopf gerutscht. SeltsamerTraum; unter den mich greifenden Händenschien ich zu schrumpfen.

Geologische Trennlinie„Die Kleinen werden immer geschluckt.“Bernd Lammerer, Geologie-Professor in Mün-chen, grinst, während er das sagt. Mit seinemZeigefinger fährt er auf der geologischen Kar-te Südtirols, die er quer über Briefe, Skriptenund Schreibutensilien gebreitet hat, das Wipp-tal bzw. den Brenner entlang. „Sehen Sie: Die-ses hellblaue Band ist alles, was hier noch vompenninischen Ozeanboden übrig ist.“

Östlich die Zillertaler, westlich die geologischganz verschiedenen Stubaier und dazwischenReste eines längst verschwundenen Meeresgrun-des. Für den Brenner als Trennlinie zwischen geo-logischen Welten interessiert sich Lammerer, seiter dort Daten und Steine für eine Forschungsar-beit sammelte, um sein Diplom an der Univer-sität München zu erwerben, vor 34 Jahren. Da-mals war der Autobahnbau in vollem Gang.Bahngleise führten zu diesem Zeitpunkt schonseit einem ganzen Jahrhundert über den Brenner.

Ausgangspunkt BrennerpassBenommen schaue ich auf die Uhr: kurz vorzehn morgens. Wenige Minuten bleiben, bis Eurocity 81 „Garda“, der schwerfällig den kurvigen Schienenstranghinaufächzt, in den Bren-ner-Bahnhof einfährt. Inmeinem Traum wollte ichmich verbotenerweise di-rekt vom Bahnsteig 9 überdie Gleise stehlen, über diedort in einen Tunnel ver-bannte Autobahn hinweg; wollte auf die andere,östliche Talseite, um den kürzesten und schöns-ten Weg hinauf zum alpinistisch und geologischso interessanten Wolfendorn zu wandern.

Wer am Brenner aussteigt, denkt nicht ge-rade an Wandern. Unwirtlich ist es. Straßen,Schienen und Shops sind auf Durchzug pro-grammiert. Im Frühjahr und Herbst schafft esdie Sonne erst spät vormittags, die triste Sze-

nerie aufzuhellen. Und dann dieses dauernd an-und abschwellende Brummen, Rauschen, bis-weilen Hupen und Quietschen.

„Seismisch aktiv ist die Gegend immernoch“, erklärt Lammerer ernsten Blicks. Ander Bürowand hinter seinem Stuhl zieht eine

Großaufnahme der Ziller-taler Gletscher mit Scha-fen im Vordergrund denBlick des Besuchers ma-gisch an. Nicht über denunter der Last der Sat-telzüge vibrierenden As-phalt spottet der Geologe:

Noch immer tauchen an der Brennerstörungdie östlich gelegenen Kalkschiefer des altenOzeans Millimeter um Millimeter unter denStubaier Gesteinen ab.

Aufstieg in die EinsamkeitAuf Meeresgrund sozusagen lasse ich das Orts-schild „Brennero“ hinter mir und folge derleicht abschüssigen Brennerstraße gen Süden.

DAV Panorama 4/200342

Dornröschen-am Brenner

Dornröschen-am Brenner

Just auf der Passhöhe, die ein abschreckendes

Beispiel für Verkehrswahn und Alpen-

Ungemütlichkeit abgibt, wartet ein vergessener

Weg auf seine Wiederbelebung. Versuch eines

Zugangs, aus der Perspektive des Wanderers

sowie des Erdkundlers.

� VON MARTIN ROOS

Auf dem Weg zumWolfendorn tun sich

beeindruckende Weit-blicke auf: Im Norden

blendet der Olperermit seinen Fernern

(o.); Ausgangspunktfür die Wanderung aufvergessenen Wegen ist

der Brennerpass mit seiner dem modernen

Massenverkehr geweih-ten Infrastruktur (r.).

Wer am Brenner aus-steigt denkt nicht

gerade an Wandern

Page 2: S Dornröschen- am Brenner - alpenverein.de · jährige einen weiteren geologischen Plan hervor, breitet ihn über den anderen und umkreist darauf mit dem Finger in etwa die sich

mals, vor 34 Jahren, als nicht nur die Kapelle, son-dern auch das Gasthaus mitsamt der denkmalge-schützten Stube dem Autobahnbau weichen muss-te. Vierzig Meter über dem Talgrund fanden beideGebäude ihren neuen Standort. Und Orgler scheint’szufrieden.

Es ist Mittag; der „Brennerwolf“ liegt untermir. Tief atme ich die Sonnenstrahlen ein, welchedie noch feuchte, erste Almwiese des Wegs imGegenlicht gleißen lässt: Lueger Alm – und die letz-ten Menschen, denen ich an diesem Tag begegnenwerde. Der Anstieg in Richtung Flatschjoch bleibtrechts liegen, breit führt der Ziroger Höhenwegnach Norden weiter. Nach einer Viertelstunde bah-ne ich mir einen Weg durch die Kuhherde, die dasHaus der Postalm umzingelt. Bis zum Karwendelreicht der Blick.

Ein Jammer, dass der alte Weg zur Postalm amBrenner von der Autobahn, ein Stück weiter hang-aufwärts von der Vegetation geschluckt wurde. Inder Hälfte der Zeit ließen sich die 300 Höhenmeterüberwinden, könnte man der Abgaswolke entkom-men! Gerade das landschaftlich reizvollste der vierfast parallel zueinander verlaufenden Täler, die inRichtung Wolfendorn führen, bleibt so eine Artverkehrstechnisches Sperrgebiet.

Noch in den 1960er Jahren gab es unmittelbarnördlich des Brenner-Bahnhofs einen Übergang.Heute dient das großflächig versiegelte Areal derBrummi-Abfertigung. Nicht dass für die Wandereram Brenner gar nichts getan worden wäre! Schließ-lich quert dort der vor einigen Jahren eingeweihteTiroler Höhenweg. Der ist vom Bahnhof in halb-stündiger Rinnstein-Balance zu erreichen, aber fris-tet am Brenner ein beton- und stahlgesäumtes Da-sein.

„Ur-Europa“„Das gehört schon zu Ur-Europa.“ Bernd Lamme-rer steht geräuschlos auf. Aus dem mit Fotos, Ta-bellen und Karten beklebten Schrank fischt der 61-jährige einen weiteren geologischen Plan hervor,breitet ihn über den anderen und umkreist daraufmit dem Finger in etwa die sich oberhalb der Post-alm heraufziehenden Hänge. Der gebürtigeMünchner kennt die Gegend wie seine Westen-tasche. Davon zeugt allein das Kapitel über Ur-Europa in seinem vom DAV preisgekrönten Buch„Wege durch Jahrmillionen“.

Der Anstieg von der Postalm führt mich vomOzean zum Kontinent, nach Ur-Europa. Aber nichtnur deswegen fühle ich mich wie ein Schlamm-springer, der es im Meer wie auch zu Land aushält.Braunes Wasser spritzt an meinem Schuhschaft

DAV Panorama 4/2003 43

BRENNER REPORTAGE

Schlaf Schlaf

Rechts die Polizeikaserne, links ein verlassenerMilitärstützpunkt. Entgegen kommende Raser,die unmöglich bis „Brennero“ das Tempolimiteinhalten werden. Aber es hilft nichts: Der der-zeit einzig legale Weg zur „Direttissima“ überdie Postalm zum Wolfendorn führt erst einmalzwanzig ungastliche Minuten entlang der Stra-ße, bevor eine Landstraße in Richtung Gast-haus Brennerwolf abzweigt.

„Dem Herrgott sind die Haare gewachsen,das sagt die Legende.“ Hansjörg Orgler deutet

auf das große Kruzifixder Wolfenkapelle.Der Bund mit denschweren Schlüsselnklirrt noch leise an derHolztür, die der Wirtextra aus dem Gast-haus geholt hat, ummir das Innere der Ka-pelle zu zeigen. DieHaare gerauft habenmag sich Orgler da-

Foto

s: M

arti

n R

oo

s

Page 3: S Dornröschen- am Brenner - alpenverein.de · jährige einen weiteren geologischen Plan hervor, breitet ihn über den anderen und umkreist darauf mit dem Finger in etwa die sich

DAV Panorama 4/200344

empor. Immer wieder ist der aufgelassene Wegabgerutscht oder sumpfig verwachsen.

Verkehrslärm aus dem Tal weht nur nochmild herauf, ist zum entfernt rauschenden Flussmutiert. In weiten Kehren schiebt sich der Wegnach oben, die gesamte Breite des engen Talsausnutzend. Die Vegetation wird lichter, dasAusschreiten weniger brisant. Ungläubig stau-ne ich über den Reiz der Landschaft: grün ingrün, dazwischen bunte Blütentupfer; Alpen-rosen, Büsche und Lärchen, zwischen denenhelle Felsvorsprünge hervorlugen. Das mussder Hochstegen-Marmor sein, von dem mirLammerer erzählte.

„Typisch für die Wolfendorn-Gegend“, er-klärt der Professor knapp und ruhig. „Der Hoch-stegen-Marmor gehört zum Schelfgebiet nördlich

des kurzlebigen Ozeans. Oberer Jura, etwa 140Millionen Jahre jung.“ Ohne zu überlegen, rücktLammerer mit solchen Fakten heraus. Aber erbeschäftigt sich längst nicht ausschließlich mitden Brennerbergen. Strukturgeologie und Geo-dynamik lehrt er; außerdem bildet er die Studen-ten im Gelände aus. „Früher war ich gefürchtetwegen meiner Kondition“, fügt er beiläufig, abermit anschwellender Stimme hinzu.

Außer Atem komme ich auf dem serpenti-nenreichen Weg jenseits der Baumgrenze. Aufrund 2200 Meter Höhe haben ihn mehrere Lawinenrutsche für hundert Meter in einemunwegsamen Geröllfeld aufgehen lassen. Abergerade hier oben, im felsigen Gelände, muss ichmich kopfschüttelnd wundern, wie breit undstark befestigt er einst angelegt wurde. Wannnur? Und von wem?

Unterwegs auf alten Militärwegen„Das muss in den 1920ern gewesen sein“, wirdmir Helmut Holzer am nächsten Tag erklären,während er den Apfelsaft mit einem Schuss

Der beschriebene Aufstieg vomBrenner über die Postalm zumWolfendorn ist momentan größ-tenteils unmarkiert. Weil der Wegabschnittsweise verfallen undüberwachsen ist, bedarf es nebenguten Schuhwerks und Trittsi-cherheit auch ein wenig Orientie-rungsvermögen. Bei Nebel nichtempfehlenswert! Oberhalb derPostalm muss mit zu querendemStacheldraht gerechnet werden.

An- und Abreise:

Die Eurocity-Linien der Bahn ma-chen zweistündig in beiden Rich-tungen am Brenner Halt. Außer-dem verkehren zahlreicheLokalbahnen.

Übernachtung:

Nahe liegend ist eine Übernach-tung auf der Landshuter Europa-hütte, die natürlich auch über die„klassischen“, landschaftlichaber nicht ganz so reizvollen Auf-stiege vom Brennersee über dasVenntal bzw. über die Griesalm zuerreichen ist:

• Brenner – Brennerwolf – Post-alm – Wolfendorn (2776 m) –Landshuter Europahütte (2693m): 1730 Höhenmeter, 5-6Stunden (ohne Wolfendorn-Gip-fel ca. 150 Höhenmeter bzw. 40Minuten weniger).

• Brennersee – Vennhöfe –Landshuter Europahütte: 1370Höhenmeter, 4-4,5 Stunden.

• Brennersee – Griesbergalm –Mäuerlscharte – Wolfendorn –Landshuter Europahütte: 5-6Stunden.

Tourenvarianten:

1-Tages-Tour: Brenner – Brenner-wolf – Postalm – Mäuerlscharte –Griesbergalm – Brenner: 5,5-6 Stunden (auf einer Höhe vonetwa 2560 m bzw. nach rund 3Stunden reiner Gehzeit trifft manauf den neuen Tiroler Höhenweg,

der über die Mäuerlscharte zu-rück zum Brenner leitet).2- und Mehr-Tages-Touren, ausge-hend von der Landshuter Europa-hütte (Tag 1, s.o.):2 Tage:a) zurück zum Brenner über das

Venntal.b) weiter über die Sumpfschartl

zur Touristenrast im Valser Talund nach Stafflach im Wipptal(Bahn-Anschluss).

3+ Tage:a) über das Pfitscher Joch zur

Geraer Hütte; weiter zurTouristenrast (s. 2b).

b) über das Pfitscher Joch aufdem Tiroler Höhenweg zumSchlegeisspeicher und weiternach Mayrhofen im Zillertal.

c) über das Pfitscher Joch zurHochfeilerhütte (ev. Hochfeiler;3510 m).

Karten:

Tabacco 037 „GranPilastro/Hochfeiler“ (1:25.000)sehr, AV 31/3 „Brennerberge“(1:50.000) bedingt empfehlens-wert. Für Neben- und Anschluss-Touren: s. a. Kompass „TirolerHöhenweg“.

Literatur für geologisch Interessierte:

Bernd Lammerer: Wege durchJahrmillionen. J. Berg, Bozen1990. Im deutschen Buchhandelnicht mehr regulär erhältlich; nachAuskunft des Autors in Bozen zubekommen. Andere Quellen: Anti-quariate und DAV-Bibliothek.Näheres zu Forschung und Per-son auf den Internetseiten desGeo-Instituts der UniversitätMünchen: www.iaag.geo.uni-muenchen.de,speziell zu Professor Lammerer.../einrichtungen/asa/lammerer.htmlbzw. zur Erdgeschichte .../einrichtungen/asa/asa_alpen.html

:info: Urlaub am Brenner

Page 4: S Dornröschen- am Brenner - alpenverein.de · jährige einen weiteren geologischen Plan hervor, breitet ihn über den anderen und umkreist darauf mit dem Finger in etwa die sich

BRENNER REPORTAGE

Wege zu den GötternTraumtrekking in Nepal

50 Jahre nach der Erstbesteigungdes Mt. Everest präsentiert sichNepal mit gewohntem Lächeln undherzlicher Gastlichkeit. Der Friedenim Land hat Bestand. DröhnendeTempelglocken unter goldenenDächern. Reisterrassen als Him-melsleitern. Und die Götter woh-nen unter den Menschen.

Everest SummitLodges: Trekking mitHotelkomfortDas Khumbu ist das spektakulärsteWander- und Bergsteigergebiet derWelt. Die besten Lodges hat derDAV Summit Club. Komfort am Fußdes Mt. Everest. Fantastisches Trek-king mit leichtem Tagesrucksack biszum Sherpakloster Tengpoche.Gute Akklimatisation, wenig Quar-tierwechsel, Reiseleitung durchdeutschsprechende Sherpaguides.

HILKE Termine: 15/16 TageSeptember bis Mai, jede WochePreis ab Deutschland ab € 2195,–

LodgetrekkingMt. Everestmit 6000er-BesteigungMaximaler Trekkingkomfort zu sen-sationell günstigem Preis. Bestmög-licher Service am Berg. Die alpineAusrüstung wird gestellt. Wem derIsland Peak, 6189 m, zu schwer bzw.zu hoch ist, hat Freude an ChukhungRi, 5546 m, oder Kala Pattar, 5545 m.

HIHHE Termine: 23 Tage25.9./2.+ 9.+ 16. + 23. + 30.10.200318.+25.3./1.+8.+15.4.2004Preis ab Deutschland ab € 2690,–

Zelttrekking Acht Achttausender auf einen BlickKunst und Kultur der Königstädte imKathmandutal. UrsprünglichesTrekkingerlebnis im Solu. Terrassen-felder und Rhododendron. Der Pike-Gipfel, 4065 m, nicht einmal halbso hoch wie der Mt. Everest. Aber erbietet den einzigartigen Blick aufacht Achttausender. Genießen Sieeine herrliche Himalayawanderung,ohne Schwierigkeiten, bei der diehöchste Schlafhöhe 4100 m nichtübersteigt.

HIAAC Termine: 16 Tage2. + 16.10.2003/1.4.2004Preis ab Deutschland ab € 2270,–

Informationen aus der weiten Welt des DAV Summit Club

Am Perlacher Forst 186, 81545 MünchenTelefon 089/642 40-0, Telefax 089/642 40-100E-mail: [email protected]

Der Weg ist das Ziel

Alle Reisen sind ausführlich im Gesamtkatalog 2003 beschrieben.Sie erhalten ihn auf Anforderung gratis.Oder Sie schauen ins Internetwww.dav-summit-club.de

DAV Panorama 4/2003

Wasser zu einem Schorle aufspritzt. Die ganzeGegend, so der Wirt der Landshuter Europa-hütte weiter, sei mit den alten Militärwegen derItaliener vollgepflastert.

Kein Wunder: Eine Landesgrenze verläuft„erst“ seit kurz nach Ende des Ersten Welt-kriegs durch die Brennerregion. Quasi als Belohnung sagten die Alliierten 1919 in St.Germain-en-Laye Ja zu Italien, das Südtirol fürsich beanspruchte. Denn 1915 hatte das Drei-bund-Mitglied seine Neutralität aufgekündigt,Österreich den Krieg erklärt und sich damit aufdie Seite der Entente geschlagen.

Österreichs Tirol wurde um einiges schmä-ler und insgeheim fürchteten die südlichenNachbarn wohl revanchistische Tendenzen;auch noch in den 1930er Jahren, als Italien be-

reits mit Deutschland paktierte. Also rüsteteItalien unter anderem die Grenzgegend mächtigauf. Richtig grün waren sich Hitler und Mus-solini wohl nicht.

Die grünen Moosstellen allein sind es, diedem verfallenen Haus eine Spur von Leben ein-hauchen. Mich schaudert leicht, als ich vor-sichtig durch die Pfützen und über zerborstenesGlas schreite. Da ein einzelner, modriger Stie-fel; dort die rot-rostigen Gerippe der verwais-ten Dreistockbetten. Ob diese Leitern hier alsNotausstieg dienten für den Fall, der Militär-stützpunkt würde überfallen?

Neugierig ziehe ich AV- und Tabacco-Karteaus der Beintasche. Ich wundere mich nichtdarüber, dass keine das auf etwa 2460 Metergelegene Gebäude verzeichnet – ebenso wenig

Die Landshuter Europahütte (2693 m) eignet sich hervorragendals Stützpunkt für Touren im Brennergebiet (l.); der Weg zumGipfel des Wolfendorns ist für Geologie-Fans hochinteressant:Die Felsblöcke aus Hochstegen-Marmor zeigen außergewöhn-liche Strukturen (o.).

Page 5: S Dornröschen- am Brenner - alpenverein.de · jährige einen weiteren geologischen Plan hervor, breitet ihn über den anderen und umkreist darauf mit dem Finger in etwa die sich

wie wohl Dutzende anderer solcher Stützpunk-te, durch welche der „Duce“ die frische Gren-ze bewachen ließ.

Schon ein schöner Fleck, den sich die Alpi-ni für ihren Stützpunkt ausgesucht haben: Tief-und Weitblicke in die Tal-einschnitte; im Nordostenblendet der Olperer mitseinen Fernern. Und zumersten Mal präsentiertsich der Wolfendorn invollem Umfang von seinerzahmen Westseite. DerWeg vor mir ist gesäumt von großen Blöcken,die wie die Mittelteile einer Ziehharmonikaaussehen.

„Das ist nichts Außergewöhnliches“, sagtLammerer, sich gemächlich im Sessel zurück-lehnend. „Alles ist Hochstegen-Marmor; aberwenn Anteile mit unterschiedlicher Korngröße

verschieden schnell rausgewaschen werden,entstehen solche Strukturen.“

So simpel die Erklärung des Professors auchwar – ich komme aus dem Staunen nicht her-aus: Hier sehen die Felsen aus wie mit einemKamm aufgeritzt; dort wie umgekippte Stapelaus gewaltigen Tellern. Über dem Schauen ver-geht die Zeit im Flug. Immer schärfer schleiftdie tief stehende Sonne die Kanten der Marmorblöcke. Ich beschleunige den Schritt.Schließlich will ich noch vor Einbruch der Dun-kelheit die fehlenden 200 Höhenmeter über-winden, um mich an der vielgerühmten Rund-um-Aussicht des Wolfendorns zu ergötzen.

„Weit hab ich’s nicht gebracht“, sagt Lam-merer verschmitzt lächelnd. Er wendet denKopf nach links zum einzigen Fenster des Büros in der Luisenstraße, gleich neben demLenbachhaus. „Da drüben“, mit der Handwinkt er in Richtung eines schmucken Altbaus,nur einen Steinwurf weg vom Geologischen In-stitut, „das war meine Gebärklinik.“ Wie vieleMale er schon am Wolfendorn unterwegs war,vermag er nicht zu rekonstruieren. Sehr oft aufjeden Fall. „Ich kenn‘ da fast jeden Stein.“

Traum oder Wirklichkeit?Flache Stellen sind um den felsigen Gipfelaufbaudes Wolfendorns kaum zu finden. Aber in einerKehre des breit angelegten Aufstiegs, auf etwa2700 Meter Höhe, finde ich einen halbwegsbrauchbaren Biwakplatz. Trotz frischer Abend-brise und mehr als 180gradiger Hang-Expositiongeben mir steinerne Rückwand, dampfende Sup-pe und zwei Kilogramm Daunen ein wohligesGefühl. Während sich auf dem Schlafsack einehauchdünne Eisschicht bildet, schwirren im Kopfdie kontrastreichen Bilder der einsamen Fels-landschaft herum. Schlaf ist nah und Traum...

Ausgeruht steige ich ausund verlasse den Bahnhof;steige auf steilem Pfad inRichtung Postalm auf.Schon nach einer halbenStunde habe ich Lärm undMief des Brennerpasseshinter mir gelassen. – Wo-

her kommt plötzlich dieses Licht? Ich öffne dieAugen und blicke aus der Schlafsack-Kapuzenach oben. Vollmond. Schade, denke ich, michwieder einmummelnd; das mit dem verführe-risch einfachem Wanderweg vom Brenner zumWolfendorn: wieder einmal, vorerst, nur einTraum. �

DAV Panorama 4/200346

BRENNERREPORTAGE

Hier sehen die Felsenaus wie mit einemKamm aufgeritzt

Oberhalb der Postalmführt der Aufstiegdurch lichten Lärchen-wald (o.), vorbei analten Militärbefesti-gungen, die einst italienische Alpini-Einheiten nutzten (u.);hier zeigt der Wolfen-dorn erstmals seinemit Felsblöcken übersäte zahme Westseite (M.).


Recommended