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RWTH-Themen Verfahrenstechnik - Kreative Lösungen für Morgen

Date post: 21-Mar-2016
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Berichte aus der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen
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Page 3: RWTH-Themen Verfahrenstechnik - Kreative Lösungen für Morgen

ImpressumHerausgegeben

im Auftrag des Rektors:

Dezernat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

der RWTH Aachen Templergraben 55

52056 AachenTelefon 0241/80-94327Telefax 0241/80-92324

[email protected]

Verantwortlich:Toni Wimmer

Redaktion:Sabine Busse

Angelika Hamacher

Fotos:Peter Winandy

Titel:Probenahme an einer

Rektifikationsanlage im Technikum

der AVT-Thermischen Verfahrenstechnik.

Foto: Peter Winandy

Rücktitel:Wissenschaftler

des Exzellenzclusters „Maßgeschneiderte Kraftstoffe

aus Biomasse“ entwickeln Prozesse zur nachhaltigen

Herstellung von Biokraftstoffen. Die großen Herausforderungen sind die verfahrenstechnischenSchnittstellen, damit hinterher

alles – wie im anschaulichen Lego-Modell – zusammenpasst.

Foto: Peter Winandy

Anzeigen:print´n´press, Aachen

[email protected]

Anzeigenberatung:Elisabeth Mörs

Telefon 06131/58 04 [email protected]

Art direction:Klaus Endrikat

DTP:ZAHRENDesign,

Aachen

Druck: Emhart

Druck und Medien GmbHAachen

Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier

Das Wissenschaftsmagazin „RWTH-Themen”

erscheint einmal pro Semester. Nachdruck einzelner Artikel,

auch auszugsweise, nur mit Genehmigung der Redaktion.

Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren verantwortlich.

Wintersemester 2009/2010

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AUS DEM INHALT

Globale Herausforderungen meistern 6Wir gehen´s an – Die Aachener Verfahrenstechnik 8Vom Mikroliter zum Kubikmeter 10Membranen als Schlüsseltechnologie von morgen 14Öfen, Kohle und Bakterien –Energieverfahrenstechnik für die Zukunft 18Verfahrenstechnik mit System 22Flüssig-Flüssig-Extraktion 26Kraftstoffe der Zukunft 30Blut ist dicker als Wasser 34 Vom Labor- zum Produktionsmaßstab mit Blick aufs Detail 38Biokatalyse in unkonventionellen Medien 42Zeit für den Rohstoffwandel 44Der „sPRINTEr“ will den Titel 48Namen und Nachrichten 50

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Vorw

ort

Die RWTH befindet sich derzeit in einer Phasegroßer Veränderungen. Der Erfolg in der Exzel-lenzinitiative und die Entwicklung des RWTHAachen Campus sind zwei wesentliche Moto-ren einer gewaltigen Wachstumsdynamik, die inder Hochschule überall spürbar ist.

Sichtbar wird diese Wachstumsdynamikvor allem an den zahlreichen Baumaßnahmen.An der RWTH herrscht gerade ein großer Bau-boom: Bis 2015 sollen 33 größere Baumaßnah-men mit einem Gesamtvolumen von 300 Mil-lionen Euro verwirklicht werden. Etwa 200 Mil-lionen Euro davon dienen allein der Sanierungbestehender Gebäude. Das von der Landesre-gierung angestoßene Hochschulmodernisie-rungsprogramm HMOP erlaubt endlich, denauf insgesamt 1,2 Milliarden Euro geschätztenModernisierungsstau der RWTH offensiv anzu-gehen. Obwohl die HMOP-Mittel nicht sohoch ausfallen wie erwünscht, können dochendlich substanzielle Verbesserungen an denGebäuden eingeleitet werden. Daneben ist dieRWTH auch immer wieder erfolgreich bei derEinwerbung neuer Forschungsbauten aus der„Bund-Länder-Kofinanzierung“. So wird sichdas Gesicht der Hochschule in den nächstenJahren nachhaltig verändern: Die neuen Hör-saalkomplexe, die Sammelbauten für Physik,Elektrotechnik und Maschinenwesen, die Insti-tutsgebäude für Energieforschung, Textiltech-nik, Motorentwicklung werden die Qualität inLehre und Forschung weiter steigern helfen.

Im Rahmen von städtebaulichen Wettbe-werben achten der Bau- und Liegenschaftsbe-trieb (BLB) als Bauherr und das Dezernat fürBau und Betriebstechnik der Hochschule darü-ber hinaus auch auf die Steigerung der Verweil-qualität in öffentlichen Bereichen. Der CampusTemplergraben wird als shared space – ver-kehrsberuhigte Zone bei Gleichberechtigung al-ler Verkehrsteilnehmer – den Anfang machen.Der RWTH Aachen Campus in Melaten und derCampus West auf dem Bahngelände am West-bahnhof werden ebenfalls unter diesen An-sprüchen geplant und verwirklicht werden. Undschließlich achten wir als RWTH darauf, in vor-bildlicher Weise nach den modernsten Stan-dards zu bauen: nachhaltig, umweltgerecht undreell, auch was die Baukosten angeht. So wer-den wir einen Beitrag dazu liefern, die Städte-Region Aachen als einen Ort der Wissenschaftweiter zu profilieren.

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Ernst SchmachtenbergRektor

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Andreas Pfennig

Energieträger und -speicherungFür die Primärenergieträger las-sen sich mit den verfügbarenAngaben zu heutigen Reserven,dem aktuellem Verbrauch sowieden Prognosen zu Bevölkerungs-zunahme und Steigerung desLebensstandards die verbleiben-den Reserven für die nächstenJahre mit guter Sicherheit vor-hersagen. Es ist absehbar, dassgerade Erdöl, das heute dengrößten Anteil zur globalen Energieversorgung beiträgt, innur wenigen Jahrzehnten aufge-braucht wird. Erdöl muss danninsbesondere für den mobilenEinsatz wie in Verbrennungsmo-toren oder Flugzeugtriebwerkenvorrangig durch Produkte ausKohle und gegebenenfalls Bio-masse substituiert werden.

Für die Energiebereitstellungwerden zunehmend nachhaltigeQuellen Bedeutung gewinnen.Es lässt sich anhand von Lern-kurven vorhersagen, dass auf-grund der starken Preissteige-rung der fossilen Energieträgerselbst die Fotovoltaik bis etwa2020 rentabel wird. Für die kon-ventionellen Silizium-Solarzellenmuss die Verfahrenstechnik ent-sprechend effizientere Prozessezur Herstellung von Reinst-Silizi-um weiterentwickeln und insbe-sondere dazu beitragen die Pro-duktionskapazitäten wesentlichzu steigern. Für die flexiblen unduniverseller einsetzbaren Polymer-Solarzellen der neuen Generati-on, die durch den Einsatz vonNanopartikeln prinzipiell einenhöheren Wirkungsgrad aufwei-sen können als die konventio-nellen Zellen, muss die Verfah-renstechnik die Technologie zurHerstellung der Nanopartikelund der dotierten Polymerfilmebereitstellen.

Da sowohl Sonnenenergieals auch Windenergie, die eben-falls einen wesentlichen Beitragfür die zukünftige Energieversor-gung leisten werden, volatilsind, das heißt tageszeitlich be-ziehungsweise wetterbedingtstark schwanken, sind effizienteSpeichertechnologien zu ent-wickeln. Zwei Möglichkeiten,die heute verfolgt werden, sinddie Wasserstofftechnologie unddie Speicherung in Batterien. DieVerfahrenstechnik muss bei der

Wasserstofftechnologie die ge-samten stofflichen Wandlungs-und Reinigungsschritte effizientbereitstellen. Dies schließt dieEntwicklung geeigneter Mem-branen und deren Herstellpro-zesse für Brennstoffzellen mitein. Batterien mit besondersguten Eigenschaften bezüglichKapazität und Schnellladefähig-keit können durch den Einsatzvon kleinsten Partikeln geeigne-ter Materialien gebaut werden.Auch hier ist HighTech-Verfah-renstechnik zur Herstellung die-ser Partikel gefragt.

Es lässt sich zusammenfas-sen, dass es eine herausragendeAufgabe der Verfahrenstechnikin der allernächsten Zukunft ist,effiziente Prozesse zu entwickeln,welche die stoffliche Vorausset-zung für eine optimale Energie-wirtschaft schaffen. So werdendie großen Prozesse, die heutezur Wandlung der Primärener-gieträger in die vom Endnutzereingesetzten Sekundärenergie-träger betrieben werden – zumBeispiel zur Herstellung vonBenzin, Kerosin, und so weiter –durch völlig andere Prozesse er-setzt, wie sie beispielsweise füreine Wasserstoffwirtschaft nötigsind sowie zur Produktion vonFotovoltaikmodulen unterschied-licher Bauart und von Batterien.

Produkte der chemischen IndustrieGleichzeitig werden die Produk-te der chemischen Industrie derSparten Polymere, Pharmazeuti-ka, Fein- und Spezialchemikali-en, Petrochemikalien sowieWasch- und Körperpflegemittelzu etwa 90 Prozent aus den Roh-stoffen Erdöl und Erdgas ge-wonnen. Der stofflich genutzteAnteil des gesamten gefördertenErdöls liegt bei unter 10 Prozent,der Rest wird energetisch einge-setzt, das heißt letztendlich ver-brannt. Wenn die Reserven fürErdöl und Erdgas zunehmendaufgebraucht werden, muss da-mit auch die chemische Industriedies einerseits durch Kohle, an-dererseits durch Biomasse erset-zen. In jüngster Vergangenheitwurden bei vielen Firmen um-fangreiche Forschungsprogram-me zur Entwicklung entspre-chender Prozesse angestoßen.

Beispielhaft sei hier das Science-to-Business-Center Bio derEvonik-Degussa genannt, mitdem bereits einige AVT-Koope-rationen erfolgreich abgeschlos-sen wurden.

Eine besondere Herausforde-rung und Chance ist es, die Syn-theseleistung der Natur in derBiomasse gezielt zu nutzen, umneue Stoffe und Materialienherzustellen. Während bei Erdölals Ausgangsstoff jede Funktio-nalität der Zielmoleküle durchentsprechende Reaktionsschritteaufwändig eingebracht werdenmuss, zeichnet sich Biomassedurch eine Vielzahl funktionellerGruppen aus, deren Zahl eherzu verringern ist. Für diese Re-aktionsschritte, die sich grundle-gend von den bei Erdöl relevan-ten unterscheiden, werden be-sonders von der Bioverfahrens-technik wertvolle Beiträge er-wartet, da mit Hilfe von Mikro-organismen und Enzymen sehrgezielte Reaktionen möglichsind. Heute wird davon ausge-gangen, dass effiziente Prozesseder Zukunft klassisch-katalyti-sche und bioverfahrenstechni-sche Reaktionsschritte in geeig-neter Kombination so enthalten,dass der Gesamtprozess optimalabläuft. Hier ist also eine engeinterdisziplinäre Kooperationzwischen Chemie, Biotechnolo-gie und Verfahrenstechnik we-sentlich.

Wird Biomasse als Rohstoffso effizient eingesetzt, bedingtdies, dass eine Vielzahl der Pro-zessschritte anders als bisher inFlüssigkeiten ablaufen muss, diesich zudem tendenziell durchvergleichsweise hohe Viskositätauszeichnen. Grund sind ebendie funktionellen Gruppen derBiomoleküle, die auch zu sehrgeringen Dampfdrücken führen.Häufig liegen die Reaktionsme-dien als möglicherweise eben-falls höherviskose wässrige Lö-sungen vor. Trennverfahren undReaktionsschritte für solche Me-dien sind heute bei Weitemnicht ausreichend entwickelt.

Als Trennschritte kommenhierfür Flüssig-Flüssig-Extraktionund Membranverfahren beson-ders in Betracht; für beide be-sitzt die AVT international aner-kannte Expertise. Die AVT be-

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Globale Herausforderungen meistern Beiträge der Verfahrenstechnik zur Sicherung nachhaltigen WohlergehensVVerfahrensingenieure gestalten

und betreiben Prozesse, in de-nen gezielte stoffliche Verände-rungen stattfinden. Damit tragensie ganz wesentlich zur Lösungder großen globalen Herausfor-derungen der Zukunft bei.

Die Weltbevölkerung wirdin den kommenden Jahrzehn-ten weiter wachsen und vor-aussichtlich bis 2050 um etwadie Hälfte zugenommen haben.Gleichzeitig wird der Lebens-standard in großen Teilen derWelt – insbesondere in so be-völkerungsreichen Nationen wieChina und Indien – deutlichsteigen. Der Bedarf an Energie,Nahrung, Wasser und sonstigenProdukten des täglichen Lebenswird entsprechend nachdrück-lich zunehmen. Der Pro-Kopf-Primärenergieverbrauch in Chi-na steigt beispielsweise um 8bis 10 Prozent jedes Jahr. Glo-bal wird mit einer jährlichen Zu-nahme des Primärenergiever-brauchs um 1,6 Prozent gerech-net. Die Menschheit verbrauchtin den kommenden Jahren dieglobalen Ressourcen also immerschneller.

Aufgrund der Begrenztheitder Ressourcen stehen wir voreinem Rohstoffwandel in unter-schiedlichsten Bereichen, der in-nerhalb weniger Jahrzehnte ab-geschlossen sein muss, um denMenschen akzeptable Lebens-grundlagen nachhaltig sicherzu-stellen. Da der größte Anteil derRohstoffe durch verfahrenstech-nische Prozesse stofflich in diegenutzten Endprodukte umge-wandelt wird, kommt der Ver-fahrenstechnik eine zentraleRolle bei diesem Rohstoffwan-del zu. Dieser Herausforderungstellt sich die Aachener Verfah-renstechnik, kurz AVT, in grund-lagenorientierter Forschung undindustrienaher Entwicklung, umvon einer neuen Rohstoffbasisausgehend effiziente Prozessezu schaffen, die es erlauben,nicht nur die bisherigen Produktesondern auch Stoffe und Mate-rialien mit neuen und besseren Ei-genschaften herzustellen. In die-ser Ausgabe der „RWTH-Themen“werden einige der AVT-Forschungs-projekte vorgestellt, die Basis fürdie erfolgreiche Meisterung dieserHerausforderungen sind.

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forscht genau diese Fragestel-lungen in der Kopplung mit den(bio-)chemischen Reaktionenzum Beispiel auch im Exzellenz-cluster „MaßgeschneiderteKraftstoffe aus Biomasse“.

Dieser Rohstoffwandel so-wohl in der chemischen Indus-trie als auch für die stofflichenAspekte der Energiewirtschaftmuss in wenigen Jahrzehntenabgeschlossen sein. Diese Ent-wicklung wird damit wesentlichschneller vonstattengehen alsbeispielsweise beim letzten Roh-stoffwandel von Kohle hin zumErdöl, der etwa Anfang des letz-ten Jahrhunderts eingeläutetwurde. Um die Basis für dieneuartigen effizienten Prozessefür Biomassenutzung zu schaf-fen, sind einerseits Grundlagen-untersuchungen zu den einzel-nen Prozessschritten erforder-lich, welche die besonderen Be-dingungen zum Beispiel auf-grund der Eigenschaften vonBiomasse explizit berücksichti-gen. Andererseits gelingt eine sozügige Entwicklung neuer Pro-zesse nur, wenn auch solide Ex-pertise zur Optimierung derAuswahl und Verschaltung derProzessschritte zu einem Ge-samtprozess verfügbar ist, wiesie in der Prozesstechnik in derAVT vorhanden ist.

Wasser und ErnährungAufgrund des Bevölkerungs-wachstums wird es zunehmendschwieriger, eine ausreichendeVersorgung mit Trinkwasser undNahrungsmitteln sicherzustellen.Zur Nahrungsmittelsituation seivergegenwärtigt, dass heute je-dem Menschen global gemittelteine nutzbare Bodenfläche von15.500 m2 zur Verfügung steht,von der ebenfalls im globalen

Mittel 7.650 m2 für die land-wirtschaftliche Erzeugung vonNahrungsmitteln eingesetzt wer-den. Alleine aufgrund des Bevöl-kerungswachstums wird die2050 jedem Menschen zur Ver-fügung stehende nutzbareLandfläche auf 11.000 m2

zurückgehen. Dies bedeutet,dass die Landwirtschaft entwe-der neue Regionen landwirt-schaftlich nutzbar machen oderdeutlich flächeneffizienter wer-den muss, wenn nachhaltig eineausreichende Ernährung derMenschheit sichergestellt wer-den soll. Beide Ziele sind nur er-reichbar, wenn genügend Was-ser für landwirtschaftliche Zweckezur Verfügung steht. Die weit-aus größte Wassermenge wirddabei landwirtschaftlich einge-setzt; industriell und im Haushaltbenötigtes Wasser macht nuretwa 30 Prozent des gesamtenWasserkonsums aus. Landwirt-schaftlich genutztes Wassermuss aber auch hier besonderenReinheitsanforderungen genü-gen, um einer Versalzung derBöden entgegenzuwirken. Auchhier stellt die AVT zum Beispielmit der Membrantechnik Me-thoden bereit, die zukünftig ins-besondere für den Einsatz klein-und mittelskaliger Anlagen inEntwicklungs- und Schwellen-ländern weiterentwickelt werdenmüssen.

Schließlich muss Nahrungs-mittelpflanzen eine ausreichendeNährstoffzufuhr bereitgestelltwerden. Aufgrund der absehbarintensiveren Nutzung der Bio-masse zur Ernährung, aber auchfür energetische und stofflicheVerwendung wird bedingt, dassdie dem Boden mit dem Abern-ten der Biomasse entzogenenNährstoffe diesem wieder zuge-

führt werden müssen. Da auchdie fossilen Düngemittelvorrätebegrenzt sind, beispielsweisebeträgt bei Phosphor die statis-tische Reichweite lediglich noch30 bis 100 Jahre, müssen hierdie Nährstoffe aus den Abfall-strömen, zum Beispiel dem Abwasser effizient zurückge-wonnen werden. Auch hier leis-tet die AVT den wesentlichenBeitrag dazu, die stofflichenKreisläufe zu schließen, indemProzesse beforscht werden, indenen Klärschlammasche in we-nigen Schritten zu Dünger um-gewandelt wird.

Autor:Univ.-Prof. Dr.-Ing. AndreasPfennig ist Inhaber des Lehr-stuhls AVT-Thermische Verfahrenstechnik.

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Foto: Peter Winandy

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U

Anna Besler, Andreas Harwardt,

Wolfgang Marquardt

Verfahrenstechnik an der RWTH AachenDie Geschichte der Verfahrens-technik in Aachen beginnt inden 1950er Jahren. Zur Verbes-serung von Forschung undAusbildung wurde 1952 die„Gesellschaft für Verfahrens-technik“ als Zusammenschlussvon 125 Firmen gegründet, dienoch im selben Jahr das „For-schungsinstitut für Verfahrens-technik“ in Aachen ins Lebenrief. Zeitgleich wurde auch dieStudienrichtung Verfahrens-technik im Rahmen des Ma-schinenbaustudiums an derRWTH eingeführt. Fachliche Er-gänzungen und die Verände-rung der verfahrenstechnischenForschungsbereiche führten inden kommenden Jahrzehntenzu Umstrukturierungen inner-halb des Fächerkanons der Ver-fahrenstechnik. Dies mündete1992 in fünf Forschungsbereiche:

Die Bioverfahrenstechnik(Univ.-Prof. Dr.-Ing. JochenBüchs) beschäftigt sich mit derAuslegung von Bioreaktionspro-zessen und hier insbesonderemit dem Scale-Up.

Die Chemische Verfah-renstechnik (Univ.-Prof. Dr.-Ing. Thomas Melin) forscht schwer-punktmäßig im Bereich der Mem-branprozesse mit Anwendungenin der Wasseraufbereitung undin der Chemischen Technologie.

Die Mechanische Verfah-renstechnik (Univ.-Prof. Dr.-Ing.Michael Modigell) untersuchtFragestellungen der Hochtempe-ratur- und Energie-Verfahrens-technik und in der Rheologie.

Die Prozesstechnik (Univ.-Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Mar-quardt) beschäftigt sich mit derEntwicklung modellbasierterMethoden zur Auslegung undSteuerung von Prozessen, dermodellgestützten experimentel-len Analyse und der dazu erforderlichen numerischen Lösungsverfahren.

Die Thermische Verfah-renstechnik (Univ.-Prof. Dr.-Ing.Andreas Pfennig) richtet ihrenFokus auf die Untersuchungvon Flüssig-Flüssig-Extraktionenund auf die Thermodynamikkomplexer Gemische.

Die zahlreichen Kooperations-projekte zeigen, dass schon im-mer Wert auf eine enge Zu-sammenarbeit zwischen denLehrstühlen gelegt wurde. Alsprominente Beispiele könnender Sonderforschungsbereich540 „Modellgestützte experi-mentelle Analyse kinetischerPhänomene in mehrphasigenReaktionssystemen“ und derExzellenzcluster „Maßgeschnei-derte Kraftstoffe aus Biomasse“genannt werden. Um die Zu-sammenarbeit weitergehend zustärken, wurde 2007 die Aa-chener Verfahrenstechnik, kurzAVT, gegründet. Auch wenndie einzelnen Lehrstühle inner-halb der AVT juristisch ihreSelbstständigkeit behalten, sowerden die Aktivitäten in For-schung und Lehre koordiniert,um die Ressourcen besser zunutzen und eine größereSchlagkraft zu erreichen. DieZiele des AVT-Verbunds lassensich wie folgt zusammen-fassen:

Konsolidierung des Kom-petenzportfolios und die Aus-gestaltung eines gemeinsamenlangfristig ausgelegten For-schungsprogramms,

gemeinsame Akquise undBearbeitung von größeren For-schungsvorhaben,

Abstimmung und kontinu-ierliche Verbesserung des AVT-Lehrangebotes,

Abstimmung und kontinu-ierliche Verbesserung der Qua-lifizierung junger Wissenschaft-ler,

effektive Nutzung der ver-fügbaren technischen und per-sonellen Ressourcen,

Integration mit anderenVerbünden innerhalb undaußerhalb der RWTH Aachen.

Es wird deutlich, dass die Moti-vation für die Gründung derAVT in den neuen Herausforde-rungen der Universitätsland-schaft liegt: durch den Zusam-menschluss kann eine für dieBearbeitung von interdiszi-plinären Forschungsprojektennotwendige kritische Masseleichter erreicht und die Sicht-barkeit erhöht werden. Immer-hin beschäftigt die AVT etwa140 Mitarbeiter, davon 100 imwissenschaftlichen Bereich.8

Unter dem Begriff Verfahrens-technik können sich viele wenigvorstellen, obwohl fast alle Ver-brauchsgüter wie Lebensmittel,Kraftstoffe, Kunststoffe und Ze-ment durch verfahrenstechni-sche Prozesse hergestellt wer-den. Verfahrenstechnik ist eineProduktionstechnik. Sie wirdallgemein als die ingenieurwis-senschaftliche Disziplin be-schrieben, die sich mit der tech-nisch-wirtschaftlichen Durch-führung von Prozessen befasst,in denen Stoffe nach Art, Ei-genschaft oder Zusammenset-zung verändert werden. Auchdiese wenig anschauliche Defi-nition lässt sich schnell mit Le-ben füllen. Die „Umwandlungder Stoffart“ beinhaltet unteranderem jegliche Reaktion, sowerden zum Beispiel Traubendurch Gärung zu Wein umge-setzt. Eine typische Stoffeigen-schaft bei Feststoffen ist dieKorngröße und das Zerkleinernsomit ein typischer verfahrens-technischer Prozess. Auch jederWechsel des Aggregatzustan-des wie Schmelzen und Erstar-ren oder Verdampfen und Kon-densieren bedeutet eine Ände-rung der Stoffeigenschaften.Die Zusammensetzung einesStoffgemisches ändert sich bei-spielsweise bei der Destillation:die leichter flüchtige Kompo-nente wird verdampft, währendsich der Schwersieder in derFlüssigphase anreichert. DiesesBeispiel macht deutlich, dassdie verschiedenen Umwand-lungsarten oft eng zusammen-hängen und eine eindeutigeZuordnung nicht immer mög-lich ist. Um auch komplexeHerstellungsprozesse beschrei-ben zu können, werden diesein wiederkehrende Aufgaben –so genannte Grundoperationen– zerlegt. Grundoperationenumfassen etwa Misch- undZerkleinerungsvorgänge, Erhit-zen und Kühlen oder auch För-dern, Trennen und Lagern. Inden letzten Jahren haben ne-ben Entwicklung, Betrieb undOptimierung von verfahrens-technischen Herstellungspro-zessen auch Aspekte der Pro-duktentwicklung an Bedeutunggewonnen, weil sich die Produkt-eigenschaften direkt aus derGestaltung und der Betriebs-weise des Prozesses ergeben.

Wir gehen´s an

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Außerdem können so Kern-kompetenzen durch die Nut-zung von Synergien in For-schung, Lehre und Ausbildungverbessert werden.

Ein solcher Ansatz ist erfor-derlich, weil zukünftige For-schungsthemen im Bereich derVerfahrenstechnik vor allemdurch globale Herausforderun-gen bestimmt werden: einewachsende Weltbevölkerungund das steigende Konsumver-halten in Entwicklungs- undSchwellenländern werden zu ei-nem erhöhten Bedarf an Indus-trie- und Verbrauchsgütern wieNahrungsmitteln, Wasser, Roh-stoffen und Energie führen.Diese Probleme können nurdurch ein weitsichtiges strate-gisch positioniertes Vorgehengelöst werden, wie es die For-schungsstrategie der AVT imBereich Verfahrenstechnik vor-sieht.

Viele dieser Fragestellungenkönnen auf verschiedenen Zeit-und Größenskalen betrachtetwerden. In der AVT wird einMultiskalenansatz verfolgt: dieklassischen Konzepte der Ver-fahrenstechnik – Messen, Mo-dellieren, Auslegen, Betreibenund Regeln – werden sowohlauf den verschiedenen Zeit- alsauch Größenskalen eingesetzt.Der Betrachtungshorizont reichtvon Sekundenbruchteilen bis zuJahren und von Molekülen bis

zu ganzen Produktionsstraßen.Diese methodenorientierte For-schung beinhaltet die Entwick-lung hochauflösender Mess-technik und Methoden für dieAuswertung von experimentel-len Messdaten zur Charakteri-sierung von Transport- und Re-aktionskinetiken. Außerdemwerden ausgewählte Grundo-perationen wie Membran- undExtraktionsprozesse, sowie dieVorgänge in Bioreaktoren undSuspensionen untersucht.

Die entwickelten Methodenund Techniken werden dann ineiner Vielzahl von Anwen-dungsgebieten eingesetzt. Be-sonderer Fokus liegt auf Pro-zessen zur Verarbeitung nach-wachsender Rohstoffe zu Kraft-stoffen oder anderen Chemika-lien. Außerdem spielen Aufbe-reitungstechniken für Frisch-und Abwasser eine große Rolle.Neue verfahrenstechnische Fra-gestellungen treten in der Ener-gietechnik auf, wo die Stoff-wandlung immer enger mit derEnergiewandlung verknüpftwird, sei es zur Aufbereitungvon Energierohstoffen und Ab-gasen oder auch in den ener-giewandelnden Prozessenselbst. Neben der fast klassi-schen Aufgabenstellung der en-ergiesparenden Produktionspro-zesse gewinnen neue Fragender Speicherung insbesonderevon erneuerbaren Energienkünftig an Bedeutung.

Die RWTH Aachen hat sichmit Ihrem Zukunftskonzept„RWTH Aachen 2020: MeetingGlobal Challenges“ den globa-len Herausforderung des 21.Jahrhunderts gestellt. Die Be-wältigung dieser Herausforde-

rungen erfordert eine enge Ko-operation zwischen Ingenieur-und Naturwissenschaften, umim Sinne eines push-pull Ver-hältnisses komplementäre For-schung zu Erkenntnisgewinneinerseits und zur Umsetzungneuer naturwissenschaftlicheKonzepte und Entdeckungen inProdukte und Prozesse ande-rerseits im Verbund durch-führen zu können. UnserePartner sehen wir insbesonderein der Chemie, Biologie undPhysik, aber auch in Mathema-tik und Informatik. Wir sindüberzeugt, dass die AachenerVerfahrenstechnik als Verbundund in Kooperation mit denNaturwissenschaften nicht nureinen wichtigen Beitrag zumZukunftskonzept der RWTHleisten kann, sondern insbe-sondere auch herausragendeinternational beachtete For-schungsergebnisse hervorbrin-gen kann.

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Die Aachener Verfahrenstechnik

Autoren:Dipl.-Ing. Anna Besler und Dipl.-Ing. Andreas Harwardtsind Wissenschaftliche Mitarbeiter des Lehrstuhls AVT-Prozesstechnik. Univ.-Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Marquardt ist Inhaber des Lehrstuhls AVT-Prozesstechnik.

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I

Jochen Büchs, Matthias Funke, Tobias Klement

Vom Mikroliter zum Kubikmeter

ten Anwendungen bio(techno)-logischer Synthesen sind zumBeispiel die Umwandlung vonZucker in Alkohol und von Al-kohol in Essig, die Menschenschon seit tausenden von Jahrenbekannt sind. Heute erstrecktsich das Spektrum biologischherstellbarer Stoffe von Massen-chemikalien wie Zitronensäureüber Enzyme für Waschmittelbis hin zu Pharmazeutika wieImpfstoffen oder Antibiotika.

Auch wenn die Produktionin Größenordnungen von eini-gen dutzend Kubikmetern ab-laufen kann, findet doch einwesentlicher Teil der Forschung

und Entwicklung in kleinen undkleinsten Maßstäben statt. Zieldes so genannten Screenings istes, den geeignetsten Organis-mus und die besten Bedingun-gen für die Produktion zu iden-tifizieren und diese dann in dengrößeren Maßstab zu übertra-gen. Zwei Anforderungen wer-den hier gestellt: Einerseits solltendie besten Organismen und Be-dingungen gewählt werden.Fehler in dieser frühen Phaseder Prozessentwicklung kosteneine Menge Geld und könnenden Erfolg des gesamten Pro-zesses gefährden. Zum anderenmuss gewährleistet sein, dassdie Bedingungen zwischen Scree-ning und Produktion vergleich-bar sind. Ansonsten kann dieseMaßstabsübertragung, auchScale-Up genannt, zu einergroßen Hürde werden, über die

nicht wenige Unternehmenstolpern.

Probleme bei Maßstabs-übertragungen sind nichts Neu-es in der Geschichte. EinerAnekdote zufolge nutzten diesdie Einwohner der Insel Rhodosaus, als sie mit dem Koloss vonRhodos eines der Sieben Welt-wunder errichteten. Dazuließen sie den Architekten, ei-nen gewissen Chares von Lin-dos, zuerst ein kleineres Stand-bild errichten. Für das doppeltso große Original veranschlagteder antike Baumeister dannschlicht den doppelten Preis,dabei betrugen die Kostennatürlich das Achtfache, da sichdas Volumen für die benötigteBronze nun einmal als drittePotenz der Größe ergibt. Solltediese Geschichte wahr sein,hatte Chares von Lindos offen-

In der Industrie werden nichtmehr nur chemische Reaktio-nen, sondern vermehrt Mikro-organismen oder höhere Zellenzur Produktsynthese eingesetzt.Ein Grund liegt im Wandel derAusgangsstoffe: Hier ersetzenin Zukunft nachwachsendeRohstoffe mehr und mehr dasfossile Erdöl. Ein zweiter Grundsind die Produkte: Die enormenFortschritte gentechnischer undmolekularbiologischer For-schung machen die Herstellungkomplexer Moleküle möglich,die für Pharma- und chemischeIndustrie völlig neue Möglich-keiten eröffnen. Einige der ältes-

Bild 1: In der Aachener Verfah-renstechnik wird die Größen-verteilung einer mikrobiellenKultur vermessen, um so früh-

zeitig geeignete Bedingungenfür den späteren Prozess identi-fizieren zu können. Foto: Peter Winandy

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Der Aachener Weg zum intelligenten Screening in der Bioprozessentwicklung

bar ein Scale-Up-Problem!Die Geschichte ging für denantiken Baumeister nicht gutaus, auf einem Großteil der Ko-sten sitzen geblieben, nahm ersich das Leben. Über das„Doppelte-Größe-achtfacher-Preis“-Problem können Verfah-renstechniker heute nur müdelächeln: Moderne Bioprozesseüberbrücken in ihrer Entwick-lung Volumina von Mikroliter-zum Kubikmetermaßstab, alsovon neun Zehnerpotenzen!

Das Ziel einer Bioprozess-entwicklung, im Regelfall eingroßer Rührkesselreaktor, istvergleichsweise gut erforscht

und beschrieben. Mess- undRegeltechnik erlauben dort, diegewünschten Bedingungen vonTemperatur, pH-Wert und Sau-erstoffversorgung optimal ein-zustellen und zu kontrollieren.Die Vorversuche und das Scree-ning allerdings werden aus Kos-tengründen meist in geschüttel-ten Erlenmeyerkolben mit Volu-mina von 100 Milliliter bis 1 Li-ter durchgeführt. Wie leicht zuerkennen ist, besitzt ein Erlen-meyerkolben nicht die besteGeometrie, komplizierte Mess-und Regeltechnik zu befesti-gen. Daher überlassen viele Fir-men die Kulturen dort sichselbst und ziehen allenfalls ge-legentlich eine Probe. Wastatsächlich dort passiert? Ob inden Kolben letztlich doch etwasanderes als im Bioreaktor ab-läuft? Häufig bleiben diese

wichtigen Fragen unbeantwortet. Mit innovativen Messtech-

niken ist es heute möglich, dieAktivität und das Wachstumvon mikrobiellen Kulturen auchim Erlenmeyerkolben zu verfol-gen. Zur Online-Überwachungist in der Aachener Verfahrens-technik dazu die RAMOS-Anla-ge entwickelt worden, RAMOSsteht für Respiration ActivityMOnitoring System. Es ist inder Lage, bei einer mikrobiellenKultur die Atmungsaktivität zumessen. Am Sauerstoffver-brauch und der CO2-Produkti-on kann man den aktuellen Zu-stand der Kultur ablesen. Neben der ausreichenden Sau-erstoffversorgung wirkt sichinsbesondere die Prozess-führung entscheidend auf dieVergleichbarkeit zum späterenProduktionsreaktor aus. So

werden Industrieprozesse häu-fig im Fed-Batch gefahren, demOrganismus wird also sein Subs-trat – zum Beispiel Zucker – imLaufe der Zeit erst nach undnach zugefüttert. So soll ver-hindert werden, dass sich dieOrganismen aus dem Überan-gebot an Zucker zu Beginn derKultivierung „überfressen“, unerwünschte Nebenprodukteherstellen und sich so selbstschädigen. Um dies im kleinenMaßstab abzubilden, ist dieseFed-Batch-Betriebsweise auchfür den Schüttelkolben realisiertworden. Dazu werden ins Me-dium so genannte Feed-Beadsgegeben. In ihnen ist derZucker in eine Silikonmatrixeingebettet, die ihn nach undnach ins Medium freisetzt. Eineähnliche Technik kann auch ge-nutzt werden, um den pH-Wert

Bild 2: Mikroliterplatte als Miniaturreaktor für das Screening.

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Bild 3: 50 Liter-Druckreaktorder Aachener Verfahrenstechnik

für den Labormaßstab, der imwesentlichen dem späteren

großtechnischen Produktionsre-aktor entspricht.

in den Kolben konstant zu hal-ten, hier wird statt des ZuckersNatriumcarbonat (Soda) in dieMatrix eingebracht.

Eine Randbemerkung:Während der Koloss von Rho-dos schon nach 66 Jahrendurch ein Erdbeben umstürzte,wird der Erlenmeyerkolbenschon seit mehr als 100 Jahrenim Labor eingesetzt. Aberdurch den Trend zur Automati-sierung und Miniaturisierungfindet auch hier ein Wandelstatt. Nutzte man früher nocheinen ganzen Schrank mit dut-zenden oder hunderten vonSchüttelkolben, ist heute dieMikrotiterplatte das Mittel derWahl. Auf der rechteckigenGrundfläche ist dabei eine Viel-zahl von Vertiefungen – auchKavitäten genannt – unterge-bracht, die als Kultivierungsge-fäße dienen. Mikrotiterplattenmit 48 oder 96 Vertiefungenund entsprechenden Arbeitsvo-lumina von etwa 100 bis 600Mikrolitern werden zur Kultivie-rung von Organismen einge-setzt. Vereinfacht gesagt: Manbringt einen Schrank voll minia-turisierter Schüttelkolben aufeiner Fläche eines DIN A6 –Blattes unter.

Ein Orakel soll den Bewoh-nern von Rhodos von der Res-taurierung des gestürzten Ko-losses abgeraten haben: „Wasgut liegt, soll man nicht von derStelle bewegen.“ Für die Kulti-vierung von Mikroorganismensollte man diesem Orakelspruchallerdings nicht vertrauen. Hiergilt: Bewegung ist zwingendnotwendig! Genau wie Erlen-meyerkolben müssen auch Mi-krotiterplatten ständig geschüt-telt werden. Hauptgrund ist dieerforderliche Durchmischungund die kontinuierliche Versor-gung der Organismen mit Sau-erstoff. Um diese Anforderun-gen zu erfüllen, war eine ge-naue Charakterisierung derFlüssigkeitsbewegung der ersteSchritt. Hierdurch wurde esmöglich, Probleme und Hürdenbei der späteren Übertragungder Kultivierung in den Maß-stab eines Rührkessels zu er-kennen und auch zu beheben.Ergebnis dieser Verbesserung istdie „Flowerplate“ mit einem völ-lig neuartigen, rationalen Design

für die Kavitäten einer Mikroti-terplatte. Die neue Form, derenQuerschnittsfläche an eine Blu-me erinnert, sieht allerdings nichtnur gut aus, sie bietet den ent-scheidenden Vorteil, dass dieBlütenblätter als Stromstörer wir-ken und durch die erhöhte Tur-bulenz der Sauerstofftransfer zuden Mikroorganismen deutlichverbessert wird.

Der Ehrgeiz der AachenerVerfahrenstechniker war esnun, auch für den Maßstab derMikrotiterplatte Online-Mess-techniken zu entwickeln. DieHerausforderung waren hierbeidie hohe Parallelität der Kulti-vierungen und das Flüssigkeits-volumen von wenigen 100 Mi-krolitern. Zudem war eine wie-derverwertbare und nicht invasiveMesstechnik nötig. Die Lösungheißt heute „BioLector“ undsteht seit 2006 durch ein Spin-Off-Unternehmen Kunden in al-ler Welt zur Verfügung, sieheauch www.m2p-labs.com.

Das Medium zur einfachenund störungsfreien Messung imBioLector heißt Licht. Im ein-fachsten Fall wird Licht an Teil-chen gestreut. Die Intensitätdes zurückgestreuten Lichtesdient dabei als Maß für die An-

zahl der Organismen in derKultur. Zusätzlich kann dieMessung der Fluoreszenzeigen-schaften einer Kultur Auskunftgeben über die Produktion vonEiweißen oder den physiologi-schen Zustand der Mikroben.Durch die Zugabe speziellerFluorophore ist außerdem dieErfassung des pH-Wertes oderdes gelösten Sauerstoffgehaltesder Kulturflüssigkeit möglich.

Der technische Clou desBioLector-Systems liegt in zweiwesentlichen Neuerungen: EineVerfahreinheit bewegt den miteinem Spektrometer verbunde-nen Lichtleiter unterhalb derMikrotiterplatte nacheinanderzu jeder einzelnen Kavität. Soist die automatisierte Analysealler Kulturen möglich. Diezweite Neuerung ist die Mes-sung während des laufendenSchüttelvorganges. Eine Unter-brechung der Bewegung unddamit der Sauerstoffversorgungwerden vermieden und eineBeeinflussung der Mikroorga-nismen ist so praktisch nichtvorhanden. Jede einzelne Ka-vität einer handelsüblichen Mi-krotiterplatte – oder bessernoch der neue Flowerplate –kann mit diesem System eine

große Menge Online-Informa-tionen liefern.

Was noch fehlt, um in derMikrotiterplatte einen industri-ellen Bioprozess nachzubilden,ist eine Prozessregulierung. ImRührkessel kommen routinemäßigpH-Regulation und Zufütterungvon Nährstoffen zum Einsatz.Um dies auch in Mikrotiterplat-ten umzusetzen, arbeiten dieRWTH-Verfahrenstechniker ne-ben der gezielten Freisetzungvon pH-Stellmitteln und Nähr-stoffen aus Polymeren – analogdem beschriebenen System fürSchüttelkolben – aktuell an mi-krofluidischen Bauteilen für Mi-krotiterplatten. Diese werdenam Boden der Mikrotiterplatteangebracht und sorgen mitihren Kanälen von nur 100 bis200 Mikrometern Breite für ei-ne Verbindung zwischen denKavitäten. Durch Ventile undeinfache Pumpen wird die Do-sierung von wenigen Nanoli-tern von einer Kavität zur an-deren möglich.

Die Rhodier vertrauten da-mals dem Orakel – was natür-lich auch eine Menge Kostenund einen neuen Baumeisterersparte – und stellten dieTrümmer des gestürzten Kolos-

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Bild 4: Die Aachener Biover-fahrenstechniker haben es sichzur Aufgabe gemacht, denSchüttelkolben detailliert zucharakterisieren. Hierdurchwerden Schüttelkolben-Experimente im Milliliter-Maßstab auf den späteren

ses neun Jahrhunderte aus, be-vor die Araber sie als Altmetallabtransportierten. So langemöchte heute natürlich nie-mand mehr warten. Die neuenMess- und Regeltechniken fürKleinkultursysteme versetzenVerfahrenstechniker daher indie Lage, schon von Beginn anein intelligentes Screeningkon-zept zu verfolgen, dessen Er-gebnisse sich auf den Produkti-onsmaßstab übertragen lassen.Der Vergleich von Daten ausRAMOS und BioLector mitRührkesselfermentern zeigt,dass in Screening und Scale-Upbeträchtliche Verbesserungenerzielt worden sind und dassdafür nur ein wenig Köpfchenund kein achtes Weltwundernötig ist.

Autoren:Univ.-Prof. Dr.-Ing. JochenBüchs leitet den LehrstuhlAVT-Bioverfahrenstechnik. Dipl.-Biotechnol. Matthias Fun-ke und M.Sc. Tobias Klementsind Wissenschaftliche Mitar-beiter am Lehrstuhl AVT-Bio-verfahrenstechnik.

Produktionsprozess im Kubik-meter-Maßstab übertragbar.Auf diese Weise können dieEntwicklungskosten für bio-technologische Prozesse deutlich reduziert werden.Foto: Peter Winandy

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MThomas Melin

Membranen als Schlüsseltechnologie

von morgen

Energietechnik

Brennstoffzellen:Was Membranen mit Energie-technik zu tun haben, lässt sichan der Brennstoffzelle verdeutli-chen. Im Gegensatz zur Wär-mekraftmaschine, deren Wir-kungsgrad grundsätzlich ther-misch limitiert ist, könnenBrennstoffzellen theoretisch diegesamte chemisch gebundeneEnergie nutzen. Nur Wenigewissen aber, dass das Herzstückder Brennstoffzelle – zumindestbei dem gängigsten Typ PEM –eine Membran ist. Zur Bereit-stellung von elektrischem Stromtrennt die Membran selektivzwei Räume: Kathode und An-ode. Nur Ionen wandern durchdie Membran, die Elektronenwerden über einen externenStromkreis geführt und speisenden Elektromotor. Membranenkönnen auch in der Peripherievon Brennstoffzellen zum Ein-satz kommen, beispielsweise inMembrankontaktoren zur Be-feuchtung der Zuströme. Mem-branen können aber auch inKombination mit konventionel-ler Energieerzeugung nützlicheDienste leisten: Bestimmte ke-ramische Membranen werdenbei Temperaturen über 800°Cfür Sauerstoff permeabel undermöglichen so die Abtrennungdes für Verbrennungsprozessebenötigten Sauerstoffs aus Luft.Bei der Verbrennung von Koh-lenstoff oder Kohlenwasserstof-fen fällt dann nur Wasserdampfund Kohlendioxid an und dasTreibhausgas CO2 kann ohnedie Anwesenheit von stören-dem Luftstickstoff effektiver ab-getrennt und gelagert werden.

In Brennstoffzellen und ke-ramischen Membranen zurLuftzerlegung findet jeweils ei-ne ideale Trennung statt, dieMembran lässt also nur eineKomponente hindurch, die an-deren überhaupt nicht. In denmeisten Fällen ist dies jedochnicht so, Membranen lassenvielmehr alle Stoffe eines Gemi-sches passieren, einige jedochbesser als andere. Wenn es denMaterialwissenschaftlern nichtgelingt, für eine Trennaufgabeausreichend selektive Membra-nen zu entwickeln, bestehtgrundsätzlich die Möglichkeit

einer mehrstufigen Anlage. ImFalle der direkten CO2-Ab-scheidung aus Rauchgas wärendie Kosten dafür aber zu hoch.

Biogas, Erdgas, Synthesegas:Methanhaltige Gase sind wich-tige Energieträger. Methan ver-brennt schadstoffarm und rück-standsfrei, jedoch sind seinefossilen Bestände begrenzt. Ei-ne Alternative für die Zukunftstellen Biogase wie Klär- oderDeponiegas dar, die jedoch vorder energetischen Verwendungvon unerwünschten Begleitstof-fen befreit werden müssen. Oftist eine Methananreicherungsinnvoll, um das Biogas in Gas-versorgungsnetze einspeisen zukönnen. Das Rohgas enthältneben dem Zielprodukt Methanvor allem Kohlendioxid, Luftbe-standteile, Schwefelwasserstoff,Wasserdampf und häufig Spu-renschadgase wie Siloxane.Diese Stoffe müssen abgetrenntwerden, einerseits um einenausreichenden Heizwert zu ge-währleisten, andererseits, umKorrosion in den Rohrleitungenzu verhindern und Sicherheits-aspekten zu genügen. Da mannicht für jeden abzutrennendenStoff eine eigene Anlage bauenkann, ist es wichtig, Membra-nen zu entwickeln, die mög-lichst viele der störenden Kom-poneneten möglichst komplettdurchlassen und nur das wert-volle Methan ebenso komplettzurückhalten. Durch neue Ma-terialien und Fertigungsmetho-den konnten die Flüsse in denletzten zehn Jahren um denFaktor 10 gesteigert werden,was entsprechend geringereMembranflächen und niedrigereInvestkosten bedeutet. Dagleichzeitig der Methanverlustdurch verbesserte CO2/CH4-Selektivität sank, konkurriertdie Membrantechnik heute er-

folgreich mit etablierten Techni-ken. Auch die Nutzung von Abfällenwie Altreifen als Energiequellekann mittels der Membrantech-nik effektiver gestaltet werden.Zum einen können die in Altrei-fen gebundenen hochwertigenRessourcen genutzt, zum ande-ren aber auch das Deponievo-lumen reduziert werden. DieAltreifen werden durch Verga-sung unter anderem in Synthe-segas umgewandelt, welcheshauptsächlich aus Wasserstoff,Kohlenmonoxid, Methan undKohlendioxid besteht. Durchden Einsatz von Membranenkann das Gasgemisch gemäßden Anforderungen nachge-schalteter Energiewandlungspro-zesse dann aufbereitet werden.

Prozessintegrierter UmweltschutzUnter prozessintegriertem Um-weltschutz versteht man denEinsatz von Verfahren, dieEmissionen in Abwasser, Abga-sen oder Abfall vermeiden odervermindern, etwa indem Pro-zessströme zurückgeführt oderzu Wertstoffen aufgearbeitetoder Reaktion und Trennung sogeführt werden, dass Nebenre-aktionen ausbleiben oder dieVerwendung problematischerHilfsstoffe entfällt. Als rein phy-sikalisch wirkende, bei modera-ten Bedingungen betriebeneVerfahren sind Membranpro-zesse hierzu besonders geeig-net. Elektrodialyse und Reaktiv-extraktion mit einem Mem-brankontaktor werden als Bei-spiele vorgestellt.

Elektrodialyse Die Elektrodialyse ist eines derältesten technisch eingesetztenMembranverfahren. Hierbeiwird ausgenutzt, dass bestimm-te Membranmaterialien nurAnionen, andere nur Kationentransportieren. Durch Anlegeneines elektrischen Feldes undgeeignete Anordnung derMembranen lassen sich vollent-salztes Wasser und konzentrier-te Salzströme, aber auch kon-zentrierte Säuren und Laugenherstellen. Die Eigenschaftender Elektrodialyse sichern ihr ei-nen Platz in Zukunftsmärktenwie der Gewinnung von Trink-

Membranen trennen Räumeund lassen bevorzugt bestimm-te Komponenten passieren. Mitdieser Eigenschaft stellen Zell-membranen einen der wichtig-sten Bestandteile jeder Zelle: sieermöglichen Konzentrationsun-terschiede zwischen innen undaußen, lassen benötigte Stoffeselektiv hindurch und befördernSchadstoffe nach außen. Fürdie technischen Membranensind die biologischen Membra-nen ein in vielen Punkten uner-reichtes Vorbild. Aber auchtechnische Membranen lassenselektiv bestimmte Stoffe hin-durch und halten anderezurück. Sie werden zunehmendzum Reinigen und zur Konzen-trierung von Stoffströmen ver-wendet.

Die Forschungsgruppe„Molekulare Membrantrenn-verfahren und Reaktionstech-nik” beschäftigt sich mit derTrennung von Stoffgemischenmittels Membranen, basierendauf den unterschiedlichen Dif-fusions- und Löslichkeitskoeffi-zienten der zu trennenden Stof-fe. Das Hauptaugenmerk liegtauf der Entwicklung neuerGeräte und Methoden, die Res-sourcenverbrauch senken, da-mit Kosten sparen und die Um-welt entlasten. Wichtige Aufga-ben sind neben der experimen-tellen Charakterisierung derMembranmaterialien auch dieSimulation und Konstruktion in-novativer Membranmodule füretablierte und neue Trennan-wendungen. Darüber hinauswerden Anlagen für membran-gestützte Verfahren ausgelegtund im Pilotmaßstab erprobtoder eigens entwickelte Mem-branmodule eingesetzt.

Die Wissenschaftler derAVT arbeiten an Einsatzgebie-ten in der Energietechnik, demprozessintegrierten Umwelt-schutz und Anwendungenaußerhalb der klassischen Ver-fahrenstechnik.

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Neue Entwicklungen kommen im Umweltschutz und in der Medizintechnik zum Einsatz

schaften am Beispiel der Ab-trennung von Itakonsäure imRahmen des Exzellenzclus-ters„Maßgeschneiderte Kraftstoffeaus Biomasse“ermittelt. Nebenden Trenneigenschaften wer-den auch Störeffekte wie dasAusfallen von Salzen (Scaling),die Deckschichtbildung (Fou-ling) oder die Membranvergif-tung (Poisoning), die durchVerunreinigungen ausgelöstwerden, untersucht. Entspre-chend der Ergebnisse wirddann die gegebenenfalls nötigeVorbehandlung und die besteStelle und Fahrweise der Elek-trodialyseanlage im Gesamt-prozess festgelegt. Die dritteEbene, die technische und wirt-schaftliche Optimierung desGesamtprozesses, erfolgt lehr-stuhlübergreifend und erfordertModelle des Trennprozessesunter Einbezug von Vorbe-handlung und Folgeschritten.

Reaktivextraktion mit Membrankontaktoren In einem Membrankontaktorfindet ein Stoffaustausch zwi-schen Fluidströmen statt, diedurch eine Membran getrenntsind. Aus Sicht des über dieMembran transportierten Stof-fes spricht man von Abgeber-und Aufnehmerphase. Manunterscheidet Fälle, in denendie Membran nur der Einstel-lung des Phasengleichgewichtszwischen den Strömen dient,und solche, in denen sie selek-tiv wirkt. Durch Verwendungeiner dichten, selektiven Mem-bran ist auch eine Extraktionzwischen zwei ineinander lösli-chen Flüssigkeiten, etwa zweiwässrigen Lösungen möglich.Zur Erzeugung der Triebkraftfür den Transport wird dann ei-ne chemische Reaktion in derAufnehmerphase eingesetzt,zum Beispiel eine Neutralisationmit deren Hilfe Stoffe in derAufnehmerphase stark angerei-chert werden können. Entschei-dend für die Einsetzbarkeit desVerfahrens sind einerseits die

Bild 1: Blutoxygenator: Ein sehr kompaktes künstlichesOrgan.Quelle: Kashefi-Khorasani, A.(2005): Untersuchungen zuStofftransport und Fluid-dynamik bei extrakorporalenMembranoxygenatoren. RWTH Aachen, Dissertation,ISBN: 3-86130-764-2

wasser aus Brackwasser, derProduktion von organischenSäuren aus nachwachsendenRohstoffen und im prozessinte-grierten Umweltschutz. Hierzugehören die Rückführung vonSäuren und Laugen oder vonSchwermetallsalzen aus ver-dünnten Prozesswässern unddie Entsalzung von Produkten.Bei herkömmlichen Umsalzun-gen oder Fällungsprozessen fal-len große Mengen an Schläm-men und Abwässern an, beider Elektrodialyse nicht.

Die AVT forscht auf dreiEbenen an Elektrodialysepro-zessen: der Ebene der physika-lischen Grundlagen, an Anwen-dungen für reale Stoffsystemeund an der optimalen Einbin-dung der Elektrodialyse in Ge-samtprozesse.

Auf der Grundlagenebenewerden mit internationalenPartnern neuartige, bipolareElektrodialysemembrane mitverbesserten Eigenschaftenentwickelt und untersucht. Inder Anwendungsforschungwerden die realen Trenneigen-

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Anwendungen außerhalb derklassischen Verfahrenstechnik

Medizintechnik:Als künstliche Niere (Dialysa-tor) und künstliche Lunge (Blut-oxygenator) haben sich dieMembrankontaktoren in derMedizintechnik als Stand derTechnik etabliert. Mehr als10.000 Hohlfasern pro Dialysa-tor mit Innendurchmessern von0,2 mm realisieren eine Mem-branfläche von 1 bis 2 m². Le-diglich 60 bis 100 ml Blut sindnötig, um den Dialysator zufüllen. Die offenporigen Fasernwerden vom Blut durchströmt,während eine isotonische Salz-lösung im Modulmantelraumgeführt wird. Die Porengrößeist so eingestellt, dass höher-molekulare Bestandteile wie Ei-weiße im Blut verbleiben undnur die kleinen Moleküle, dar-unter auch toxische Stoffwech-selprodukte wie Harnstoff, aus-geschleust werden.

Blutoxygenatoren werdenzur Sauerstoffversorgung desBlutes bei Herzoperationenbenötigt, bei denen die norma-le Lungenfunktion des Patien-ten aussetzt. Der erstmals1980 eingesetzte Membran-oxygenator eroberte schnellden Markt und stellt heute deneinzigen als künstliche Lungeverwendeten Apparatetyp dar.Bild 1 zeigt die Strömungswe-ge innerhalb eines aufgeschnit-tenen Blutoxygenators. DasModul fungiert gleichzeitig alsWärmetauscher, um währendder Operation die Körpertem-peratur des Patienten zu sen-ken.

Klimatechnik: Entwicklung eines simultanenWärme- und FeuchtetauschersDie Klimatisierung von Gebäu-den ist in zahlreichen Bereichenunerlässlich und in anderen zurVerbesserung der Arbeits- undWohnbedingungen erwünscht.Mit wachsendem Bedarf stei-gen die Anforderungen an dieeingesetzte Technik. In Reinst-räumen, Museen und Kranken-häusern sind strenge Auflagenbei Belüftungsraten und Raum-feuchte einzuhalten. Dies er-fordert große Mengen Primär-energie zur Konditionierungder Luft hinsichtlich Tempera-tur und Feuchte. Gelingt es imWinter, die Wärme und Feuch-te möglichst verlustfrei aus derAbluft an den kalten, trocke-nen Frischluftstrom zu übertra-gen, so lässt sich die Klimatisie-rung wesentlich energieeffizi-enter gestalten. Hierzu ent-wickelt die AVT in Kooperationmit dem DWI sowie zahlreichenIndustriepartnern einen so ge-nannten Enthalpietauscher.

Die Idee des Enthalpietau-schers ist nicht neu. BisherigeTechnologien sind jedoch ent-weder hygienisch bedenklichoder zu teuer um eine breiteAkzeptanz zu erfahren. Dasneue Konzept sieht den Einsatzeines Membranmoduls vor, in

Permeabilität der Membran fürdie zu transportierende Kom-ponente und die Sperrwirkungfür die anderen Reaktionsteil-nehmer und die Reaktionspro-dukte. In dem neuen Verfahrenwird eine Silikonmembran alsTransportmedium für toxischePhenole verwendet, welcheaus verdünnten wässrigen Lö-sungen in Natronlauge extra-hiert werden. Dort reagierendie Phenole mit Hydroxylionenzu Phenolaten, für welche dieMembran ebenso wie für dieHydroxylionen undurchlässigist. Es findet keine Kontamina-tion des zu reinigenden Stoff-stroms mit Lösemitteln statt.Aus den Prozessabwässernentstehen Produktströme: dasvon Phenolen befreite Wasserlässt sich zurückführen, die inhoher Konzentration abge-trennten Phenolate könnenaufgearbeitet und wieder ver-wendet werden.

Bild 2: Das Prinzip der Modulfertigung.

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dem Zu- und Fortluftströmedurch eine weniger als 50 µmdicke, symmetrische, poren-freie Membran getrennt sind.Die Membran als selektive Bar-riere überträgt Wasserdampfund Wärme, während Staub,Bakterien und flüchtige organi-sche Verbindungen nicht in dasGebäude zurückgeführt wer-den. Zur wirtschaftlichen Reali-sierung ist ein innovatives Mo-dul-Design notwendig. Einepatentierte und im Labormaß-stab erprobte selbsttragendeMembranstruktur basiert aufeinem Leichtbauprinzip, wel-ches in der Luft- und Raum-fahrt für tragende Bauteile be-reits angewandt wird. Flach-membranen werden hierbeimit Hilfe eines alternierendenKlebemusters derart verbun-den, dass sich nach dem Ent-falten des Membranstapels diecharakteristische hexagonaleModulstruktur einstellt, sieheBild 2.

Der Fokus aktueller For-schungsarbeiten liegt auf derOptimierung der Modulgeo-metrie hinsichtlich des Wärme-und Stofftransportes sowie desDruckverlustes. Hierzu werdenexperimentelle Untersuchun-gen durchgeführt, welche imAnschluss mit Hilfe von Simu-lationen überprüft werden sol-len. Parallel dazu wird nachneuartigen Membranmateriali-en gesucht, welche über aus-reichende mechanische Stabi-lität verfügen, leicht zu verkle-ben sind und zugleich eine ho-he Permeabilität für Wasser-dampf aufweisen.

Bild 3: In einem porösen kera-mischen Träger immobolisierteIonische Flüssigkeit (blau).

Autor:Univ.-Prof. Dr.-Ing. Thomas Melin ist Inhaber des Lehrstuhls AVT-Chemische Verfahrenstechnik.

zeigt, in welcher eine blau ein-gefärbte ionische Flüssigkeitverwendet wird. Der Träger,hier eine keramische Membran,wird so lange mit der ionischenFlüssigkeit benetzt, bis siedurch Kapillarkräfte bedingt ei-ne definierte Schicht der Porendes Materials ausfüllt. DiesesBenetzungsverfahren erlaubt ei-ne reproduzierbare Membran-herstellung über die Steuerungder Benetzungszeit. Einsatz fin-det die Membran in der Auf-trennung eines Alken–Alkan-Gemisches, wie es beispielswei-se in der Petrochemie vor-kommt. Dabei ist die unter-schiedliche Absorbtion der bei-den Gase in der ionischen Flüs-sigkeit ein maßgebender Faktorfür die Selektivität dieser Mem-bran.

FazitDie Membrantechnik bietet un-zählige aussichtsreiche Lösun-gen für die Zukunft. Membra-nen überzeugen als Schlüssel-technologie von morgen durchihr hohes Potenzial, gleichzeitigÖkobilanzen zu verbessern undökonomische Ziele zu errei-chen. Die rapide Entwicklungder Membrantechnik und viel-versprechende Forschungser-gebnisse lassen spannende For-schung und lohnenswerte Er-gebnisse erwarten.

FlüssigmembranenMembranen müssen nicht im-mer aus festen Materialen wiePolymer-Verbindungen oderkeramischen Bestandteilen be-stehen. Auch Flüssigkeiten kön-nen als Membran eingesetztwerden, wobei es verschiedeneMöglichkeiten gibt, diese so zustabilisieren, dass sie dauerhafteine definierte, dichte Trenn-schicht ausbilden. Eine Metho-de zur Stabilisierung ist dasAufbringen der Flüssigkeit aufeine poröse Trägerschicht, wo-bei sie entweder auf der Ober-fläche haften bleibt (SupportedLiquid Membrane - SLM) oderin deren Poren immobilisiertwird (Immobilized Liquid Mem-brane - ILM). Ein Nachteil beider Anwendung von Flüssig-membranen bestand bisher imVerdunsten der Flüssigkeit indie Atmosphäre: die Membranlöste sich im Laufe der Zeit imwahrsten Sinne des Wortes inLuft auf.

In Zusammenarbeit mit derFriedrich-Alexander-UniversitätErlangen-Nürnberg haben dieWissenschaftler der AVT einKonzept entwickelt, dieses Pro-blem zu beheben: Der Einsatzeiner neuen Klasse von Lö-sungsmitteln, den so genann-ten ionischen Flüssigkeiten, ver-spricht die Langzeitstabilitätvon Flüssigmembranen ent-scheidend zu verbessern. Ioni-sche Flüssigkeiten weisen einenso niedrigen Dampfdruck auf,dass die Verdampfungsratenkaum noch messbar sind. InBild 3 ist eine an der AVT her-gestellte Flüssigmembran ge-

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Franz Beggel, Stefan Engels, Jakub Gebicki, Tobias Ginsberg,

Michael Modigell, Isabella Nowik

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Energieintensive Prozesse effizient gestaltenIn der chemischen und derGrundstoffindustrie werdenFeststoffreaktionen bei hohenTemperaturen oft in so genann-ten Drehrohröfen durchgeführt.Zement und Kalk werden bei-spielsweise in solchen Anlagenhergestellt. Ein Drehrohrofenbesteht aus einem Stahlrohr,das innen feuerfest ausgemau-ert und leicht gegen die Hori-zontale geneigt ist. Das Rohrrotiert um seine eigene Achse.Die festen Rohstoffe werdenam oberen Ende aufgegebenund fließen durch Neigung undRotation langsam abwärts. Amunteren Ofenende wird Wärmedurch einen Kohle-, Öl- oderErdgasbrenner zur Verfügunggestellt.

In Drehrohröfen läuft eineVielzahl unterschiedlicher che-mischer und physikalischer Vor-gänge ab. Ausgangsstoffe wer-den getrocknet, Phasenum-wandlungen treten auf, es bil-den sich Schmelzen oder neueKristalle. Alle diese Prozesse be-einflussen sich gegenseitig undbestimmen die Produktqualität.Gegenüber der Komplexitätdieser Vorgänge erfolgt die An-lagensteuerung auf sehr einfa-che Weise, nämlich meist ma-nuell. Vollautomatische Syste-me zum sicheren und effizien-ten Betrieb existieren nicht. Er-schwerend kommt hinzu, dass

Sdem Betriebspersonal nur sehrwenige Messdaten zur Verfü-gung stehen, um den aktuellenAnlagenzustand zu beurteilen.Temperaturen und Mengen vonStoffströmen werden zwar inEchtzeit erfasst, aber schon dieProduktqualität kann in lang-wierigen Analyseverfahren nuretwa im Stundenabstand be-stimmt werden. Die Verhältnis-se im Ofeninnenraum jedoch,die die Produktqualität ja ei-gentlich bestimmen, könnenaufgrund der hohen Tempera-turen praktisch gar nicht ver-messen werden. UngünstigeBetriebszustände werden alsoerst erkannt, wenn minderwer-tiges Produkt den Ofen verlas-sen hat und analysiert wurde.Durch diese lange Totzeit wirdes quasi unmöglich, die Anlagedauerhaft stabil im Bereich derhöchsten Leistung zu betreiben.Stattdessen wird in der Praxisein gewisser „Sicherheitsab-stand“ zur optimalen Fahrweiseeingehalten, um ungünstige Be-triebszustände von vornhereinzu vermeiden. Die damit ver-bundenen Einbußen wurden inder Vergangenheit in Kauf ge-nommen. Heutzutage steigt je-doch die Nachfrage nach Werk-zeugen, mit deren Hilfe dieOfenbetriebsweise effizientergestaltet werden kann.

Solche Werkzeuge werdenbei der AVT entwickelt. Dabeiwird das Ziel verfolgt, die nicht

messbaren Temperaturen undZusammensetzungen im Ofe-ninnenraum zu berechnen.Hierzu werden mathematischeModelle erstellt, die das dyna-mische Verhalten der Ofenanla-gen zuverlässig abbilden. Einsolches Modell soll gleichzeitigmit dem Ofen betrieben wer-den und dem Betriebspersonaleinen Einblick in die Vorgängeim Ofeninnenraum ermögli-chen. Dadurch können ungüns-tige Betriebszustände früher er-kannt und der „Sicherheitsab-stand“ zur energieoptimalenFahrweise verringert werden.

CO2-Emissionsarme KohlekraftwerkeBei der Stromerzeugung kommtzur optimalen Brennstoffnut-zung noch eine weitere Heraus-forderung hinzu: Fossil befeuer-te Kraftwerke, mit denen auchnoch in der weiteren Zukunftein Großteil unseres Strombe-darfs gedeckt wird, verursachenzwei Drittel aller anthropoge-nen CO2-Emissionen. DieseKraftwerke wurden bisher vorallem auf hohe Wirkungsgradehin optimiert, wodurch neben-bei auch der CO2-Ausstoß ver-mindert wurde. Um diesen je-doch mittelfristig noch erheb-lich weiter zu reduzieren, müs-sen vollkommen neue Kraft-werksprozesse entwickelt wer-den. Mit deren Hilfe muss esmöglich sein, das bei der Ver-

Bild 1: Innenansicht eines Drehrohrofens im Betrieb.

Sie liegen den lieben langenTag in der Sonne und sind da-bei doch höchst produktiv! DieRede ist von Purpurbakterien,die den Sommer in speziellenVersuchsreaktoren auf demDach der Aachener Verfahrens-technik, kurz AVT, verbringen.Sie erzeugen Wasserstoff ausden Nebenprodukten andererBioprozesse und brauchen dazuSonnenlicht. Und sie beantwor-ten vielleicht die eine oder an-dere der wichtigen Fragen, andenen die Energieverfahrens-techniker in dem Gebäude un-ter ihnen arbeiten: Woher kom-men in Zukunft Brennstoffeund chemische Rohmaterialien,wenn die fossilen RessourcenKohle, Erdöl und Erdgas nichtmehr im heutigen Umfang ver-fügbar sind? Kann man CO2-Emissionen von Kohlekraftwer-ken mittelfristig wirksam redu-zieren? Wie können fossileRohstoffe heute schon effizientgenutzt werden?

Im Bereich der effizientenRohstoffnutzung werden vorallem industrielle Ofenanlagenbetrachtet, in denen energiein-tensive Prozesse bei hohenTemperaturen durchgeführtwerden. Diese existierendenProzesse werden mathematischbeschrieben und anhand vonModellrechnungen optimiert.Zur Reduktion von CO2-Emis-sionen bei der Stromerzeugungwird im Rahmen des Verbund-projektes OXYCOAL-AC einKraftwerksprozess in Teilen neuentwickelt. Hierbei wird Kohlemit reinem Sauerstoff ver-brannt. Dabei entsteht reinesCO2, das unterirdisch eingela-gert wird. Der Sauerstoff wirdmit Hilfe keramischer Membra-nen aus der Luft abgetrennt.Die eingangs erwähnte Herstel-lung von Wasserstoff aus Bio-masse mit Hilfe von Bakterienund Sonnenlicht ist ein neuarti-ger Ansatz, der im EU-ProjektHYVOLUTION erstmals tech-nisch umgesetzt werden soll.

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Öfen, Kohle und Bakterien – Energieverfahrenstechnik für die Zukunft

brennung unweigerlich entste-hende CO2 aus dem Abgas ab-zutrennen und nicht in die At-mosphäre abzugeben. Dies istumso einfacher zu realisieren, jehöher der CO2-Gehalt im Ab-gas ist. Im einfachsten Fall be-steht das Abgas aus reinemCO2. Dieser Fall tritt dann ein,wenn der Brennstoff nicht mitLuft, sondern mit reinem Sauer-stoff umgesetzt wird. Die dabeientstehenden hohen Tempera-turen können kontrolliert wer-den, indem ein Teil des Rauch-gases zur Kühlung wieder in dieBrennkammer zurückgeführtwird.

Reiner Sauerstoff kann aufzwei verschiedene Arten herge-stellt werden. Im Oxyfuel-Ver-fahren wird dem Kraftwerk einekryogene Luftzerlegungsanlagevorgeschaltet, die den Sauer-stoff mittels Tieftemperaturdes-tillation aus der Luft abtrennt.Dieses Verfahren ist großtech-nisch verfügbar, aber mit ho-hem Energieaufwand verbun-den. Eine innovative, energieef-fizientere Alternative ist dasOXYCOAL-AC-Verfahren, dasbei der AVT mit entwickeltwird. Dabei erfolgt die Sauer-stoffabtrennung mit Hilfe vonMembranen, die aus gemischt-leitenden oxidkeramischenWerkstoffen bestehen. DieseMaterialien sind zwischen 800und 900 °C für Sauerstoff inForm von Oxid-Ionen durchläs-

sig, während andere Gase voll-ständig zurückgehalten werden.Zur Beheizung der Membranenwird das heiße Verbrennungs-gas benutzt. Um zuverlässig ei-nen hohen Sauerstofffluss zuerzielen, müssen die Membra-nen sehr dünn und dabei me-chanisch so stabil sein, dass sieden hohen Temperaturen undDruckunterschieden von bis zu20 bar über lange Zeit stand-halten. Außerdem dürfen dieMembranen nicht durch Schad-stoffe im Verbrennungsgas zer-stört werden.

Bei der AVT werden daherMembranwerkstoffe unterKraftwerksbedingungen getes-tet. Dabei werden in Langzeit-versuchen Temperaturen vonbis zu 1000°C und Druckunter-schiede von bis zu 20 bar reali-siert. Gleichzeitig werden dieMembranen mit typischenSchadgasen wie SO2, CO, NOx beaufschlagt. Bei den Ex-perimenten werden vor allemdie Sauerstoff-Permeabilität so-wie die chemische Beständig-keit der Werkstoffe untersucht.Anhand der Messergebnissewerden die Werkstoffeigen-schaften mathematisch model-liert. Mit Hilfe von Strömungs-simulationen werden dannMembranmodule für den Ein-satz im Kraftwerk entwickeltund optimiert. Diese Modulesollen im Jahr 2010 in einer De-monstrationsanlage zum Einsatz

Bild 3: Untersuchung von Membranwerkstoffen am AVT-Teststand.

Bild 2: Fotobioreaktor im Freilandversuch auf demDach des AVT-Gebäudes.

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Bild 4: Dipl.-Ing. Jakub Gebicki untersucht die fotobiologische Wasserstoffproduktion von Purpurbakterien. Foto: Peter Winandy

kommen, die zurzeit unter Fe-derführung des Lehrstuhls fürWärme- und Stoffübertragungentsteht. Anhand dieser Anlagesoll die Machbarkeit des OXY-COAL-AC-Prozesses im Pilot-maßstab gezeigt werden.

Wasserstoff aus Biomasse und SonnenlichtUm auf lange Sicht unabhängigvon fossilen Brennstoffen zuwerden, sind in den vergange-nen Jahren Verfahren ent-wickelt worden, in denen derEnergieträger Wasserstoff auserneuerbaren Ressourcen her-gestellt wird. Hierbei hat sichgezeigt, dass extrem wasserhal-tige Biomasse, für die eine ther-mische Behandlung nicht inFrage kommt, in biologischenProzessen verwertet werdenkann. Diese Verfahren sind kos-ten- und energiegünstig, da

keine aufwändigen Anlagennötig sind. In biologischen Pro-zessen werden Mikroorganis-men genutzt, die Biomasse un-ter anaeroben Bedingungen inEssigsäure und Wasserstoff zer-legen. Bestimmte Purpurbakte-rien sind darüber hinaus in derLage, mit Hilfe von Sonnenlichtauch den Wasserstoff in der Es-sigsäure noch durch Fotosyn-these freizusetzen. Im ProjektHYVOLUTION arbeiten daherseit Januar 2006 22 internatio-nale Partner daran, diese bei-den mikrobiologischen Prozessemiteinander zu koppeln. In die-sem zweistufigen Verfahrenwird der Wasserstoff in der Bio-masse vollständig freigesetztund damit technisch nutzbar.

Damit eine Demonstrations-anlage in Betrieb gehen kann,müssen die im Labor gewonne-nen Kenntnisse über die Biolo-

gie der Wasserstoffgärung ver-tieft und diejenigen Parameterermittelt werden, die die Was-serstoffproduktionsrate maß-geblich beeinflussen. Währenddiese Aufgabe von Mikrobiolo-gen übernommen wird, arbei-ten gleichzeitig Verfahrenstech-niker daran, den Schritt vomReagenzglas zur technischenAnlage zu ermöglichen. Dazuwerden bei der AVT Reaktorenim vergrößerten Maßstab ent-wickelt und getestet. Diese Re-aktoren müssen einerseits denAnforderungen der Mikroorga-nismen zum Beispiel bezüglichder Lichtversorgung Rechnungtragen und andererseits so kon-zipiert sein, dass sie auch vonLaien bedient werden können.Eine weitere Aufgabe bestehtdarin, das überschüssige undunvermeidlich freigesetzte Koh-lendioxid effizient aus dem Pro-duktgasstrom abzutrennen. Da-her wird gemeinsam mit Che-mikern ein Verfahren ent-wickelt, das wenig energieauf-wändig und unempfindlich ge-gen die starken Schwankungenin der Menge und Zusammen-setzung des Gases ist. Parallelzu den genannten Arbeitenwerden Prozessmodelle derzukünftigen Anlage erstellt undSimulationen durchgeführt, umerstens ökonomisch oder öko-logisch nicht sinnvolle Konzeptefrühzeitig ausschließen zu kön-nen und zweitens kritische Pa-rameter zu identifizieren, diedann entsprechend verbessertwerden können. Es sieht alsodanach aus, dass in der nähe-ren Zukunft Wasserstoff auchumweltfreundlich gewonnenwerden kann.

Autoren:Dipl.-Ing. Franz Beggel, Dipl.-Ing. Stefan Engels, Dipl.-Ing.Jakub Gebicki, Dipl.-Ing. TobiasGinsberg und Dipl.-Ing. IsabellaNowik sind WissenschaftlicheMitarbeiter des Lehr- und For-schungsgebiets AVT-Mechani-sche Verfahrenstechnik.Univ.-Prof. Dr.-Ing. MichaelModigell leitet das Lehr- undForschungsgebiet AVT-Mecha-nische Verfahrenstechnik.

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Claas Michalik, Wolfgang Marquardt

bei den meisten Prozessen einerigorose Beantwortung nichtmöglich ist. Daher hat sich inder Verfahrenstechnik ein Mixaus Heuristiken und einfachen –beispielsweise grafischen – Aus-legungsmethoden etabliert, umeffizient gute Prozessalternati-ven zu finden und die notwen-digen Grundoperationen auszu-legen.

Was unterscheidet nun dieSystemverfahrenstechnik vonder klassischen Verfahrenstech-nik, deren Betätigungsfeldergerade beschrieben wurden?Um diese Frage beantwortenzu können muss man sich dieWurzeln der Systemverfahrens-technik angucken, die mehr inder System- als in der Verfah-renstechnik liegen. Es ist alsozunächst wichtig, die System-technik und deren Wurzeln zuerläutern und zu verstehen. Grundlage der Systemtechnikist die Allgemein Systemtheorie,die in den 1930er Jahren vonLudwig von Bertalanffy, einemBiologen, erfunden und in ihrenGrundzügen formuliert wurde.Sie stellt eine über alle Wissen-schaftsbereiche hinweg glei-chermaßen verwendbare Me-thodik zur Analyse und Synthe-

se komplexer Systeme bereit.Komplexe Systeme bestehenaus einer großen Zahl von mit-einander wechselwirkendenTeilsystemen, die über eine Rei-he von Detaillierungs- oder Ab-straktionsebenen nach Bedarfverfeinert oder vergröbert wer-den können. Bild 1 zeigt denAufbau eines Systems, links ab-strakt und schematisiert, rechtsam Beispiel eines Menschen,der – unter anderem – aus un-terschiedlichen Organen be-steht, welche wiederum ausunterschiedlichen Zellen aufge-baut sind, die selbst wieder ausOrganellen bestehen.

Die Allgemeine System-theorie beschäftigt sich dabeimit der Systemanalyse, alsodem Beschreiben und Verste-hen von Aufbau, Verhalten undFunktion – künstlicher undnatürlicher – Systeme, der Syn-these zur Entwicklung und Um-setzung künstlicher Systeme,die vorgegebenen Anforderun-gen genügen, und der Reprä-sentation von Systemen mitHilfe von (semi-)formalen undmathematischen Modellen.

Offensichtlich muss ein sol-ches Model die Effekte auf allen betrachteten Skalen berücksich-tigen, wenn man zufriedenstel-lende Lösungen erarbeiten will.Bei dieser Mehrskalen-Model-lierung werden nicht nur diebestimmenden Effekte auf einer

Systemebene – und damit aufeiner bestimmten Größen- oderZeitskala – modelltechnisch er-fasst. Vielmehr ist es auch er-forderlich, die direkte Kopplungzwischen den Phänomenen aufden unterschiedlichen Skalen zuberücksichtigen. Dies lässt sichgut an dem schon kurz ange-schnittenen Beispiel „Mensch“diskutieren. Ein verabreichtesMedikament gelangt über denDarm in die Blutbahn und vondort in einzelne Zellen, wo esden Stoffwechsel der Zelle be-einflusst. Die Veränderungen,die es dort bewirkt, beeinflus-sen wiederum den gesamtenOrganismus, so dass zum Bei-spiel die Körpertemperatur ab-nimmt. Es ist direkt klar, dassein Modell, das zur Optimie-rung eines Medikamentes ge-nutzt werden soll, Effekte aufEbene der in den Zellen ablau-fenden biochemischen Stoff-wechsel-Reaktionen genausoberücksichtigen muss wie Ef-fekte auf Ebene ganzer Organeoder des gesamten Menschen.

Diese Mehrskaligkeit zeigtganz deutlich, dass der System-begriff sehr weit gefasst seinmuss. Wie auch Bild 1 zeigt,kann ein System ein einzelnesMolekül, eine einzelne Zelle,ein Organ, ein Mensch, eineGruppe von Menschen oder diegesamte Menschheit sein. DieFokussierung auf eine bestimmte

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PBild 1: Aufbau eines Systemsaus Teilsystemen, links allge-mein und rechts am Beispieldes Menschen.

Produktionsprozesse bestehenaus so genannten Grundopera-tionen. Bei der Herstellung ei-nes Medikaments, dessenWirkstoff aus einer Pflanze ge-wonnen wird, könnte ein starkvereinfachter Herstellungspro-zess aus den folgenden Grund-operationen bestehen:1. Mechanisches Zerkleinerndes Pflanzenmaterials;2. Extrahieren des Wirkstoffsmit einem flüssigen Extraktions-mittel, genau wie das Extrahie-ren der Geschmacks- und Duft-stoffe aus dem Tee mit dem Ex-traktionsmittel Wasser;3. Aufkonzentrieren des Wirk-stoffs, ähnlich dem Aufkonzen-trieren von Alkohol beim Destil-lieren von Schnaps;4. Vermischen mit weiterenWirkstoffen;5. Kristallisieren der Wirkstoffe,ähnlich der Salzgewinnungdurch Verdunstung von Meer-wasser sowie6. Pressen des Wirkstoffpulversin Tablettenform.

Die Aufgabe der Verfah-renstechnik besteht im Wesent-lichen darin, die Abfolge derGrundoperationen festzulegenund diese anschließend im De-tail auszulegen, um so zu ei-nem betriebswirtschaftlich wieökologisch hocheffizienten Her-stellungsprozess zu gelangen.Bei der Medikamentenherstel-lung könnte also die Frage zuklären sein, ob die mechanischeZerkleinerung notwendig istund ob die Beimischung weite-rer Wirkstoffe vor oder nachder Aufkonzentrierung erfolgensoll. Bei realen Prozessen miteiner Vielzahl von Prozessschrit-ten und oftmals gänzlich unter-schiedlichen Herstellungsoptio-nen, entstehen so schnell vieletausend alternative Kombina-tionen von Grundoperationen,die zum gewünschten Produktführen.

Steht die Folge von Grund-operationen fest, müssen dieseim Detail ausgelegt werden. Sowäre im Bespiel unter anderemzu klären, welches Extraktions-mittel, bei welcher Temperaturund welchem Druck im zweitenProzessschritt zum Einsatz kom-men soll. Die Komplexität derFrage „Was ist der optimaleProzess“ ist dabei so hoch, dass

Verfahrenstechnik mit System

Page 23: RWTH-Themen Verfahrenstechnik - Kreative Lösungen für Morgen

Betrachtungstiefe folgt aus demZiel, das mit der Systembe-schreibung verfolgt wird. So in-teressieren sich Molekularbiolo-gen für die Zelle und ihre Be-standteile, Mediziner für dieOrgane und ihr Zusammenspielund Soziologen für eine Gruppevon Menschen und ihr Verhal-ten in einem gesellschaftlichenUmfeld. Der Charme der Allge-meinen Systemtheorie ist, dassihr Instrumentarium unabhän-gig vom Wissenschaftsgebietund von der konkret verfolgtenFragestellung generelle Gültig-keit hat. Diese Allgemeingültig-keit geht zu Lasten der Leis-tungsfähigkeit für die Lösungeiner konkreten Aufgabenstel-lung. Das Rahmenwerk der All-gemeinen Systemtheorie mussdaher für konkret betrachteteSysteme ausgestaltet und ver-feinert werden.

Eine spezielle Klasse vonAufgabenstellungen wird indiesem Sinne in der System-technik betrachtet: ein künstli-ches System optimal zu planen,zu gestalten, zu betreiben undschließlich auch wieder stillzu-legen. Ein künstliches System istdabei nicht – wie man schlecht-hin meinen könnte – auf einetechnische Einrichtung, eineMaschine, ein Fahrzeug odereine Produktionsanlage be-schränkt. Das System kann so-wohl die Auslieferung eines Pa-ketes wie auch eine Raffinerie zurHerstellung von Super-Benzin sein.

Das letzte Beispiel ist spezi-ell aus dem Aufgabengebietder Systemverfahrenstechnik,denn diese ist wiederum nichtsanderes als Systemtechnik, an-gewandt auf Fragestellungenaus dem Gebiet der Verfahrens-technik.

Der Schritt, verfahrenstech-nische Fragestellungen system-technisch anzugehen liegt da-bei sehr nahe, da jeder verfah-renstechnische Prozess direkt

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als ein System betrachtet wer-den kann. Das eingangs er-wähnte Beispiel des Medika-mentenherstellungsprozesseszeigt zum Beispiel deutlich densystematischen Aufbau einesHerstellungsprozesses ausGrundoperationen.

Die Aufgabe der Systemver-fahrenstechnik besteht nundarin, einen verfahrenstechni-schen Prozess während seinerganzen Lebensdauer auf unter-schiedlichen Längen- und Zeit-skalen zu betrachten. Dabeisind im Wesentlichen folgendeAufgaben zu lösen und Anfor-derungen zu erfüllen, die imVerlauf im Detail erklärt werden:

die Planung eines Prozesses; der Entwurf eines Prozesses; die Regelung eines Prozesses;der Betrieb einer Anlage.

Die Frage ist nun, wie sich Pla-nung, Entwurf, Regelung undBetrieb optimal gestalten las-sen. Die Beantwortung dieserFrage ist schwierig, denn derMethodenkasten der System-verfahrenstechnik ist umfang-reich und je nach Problemstel-lung sind unterschiedliche Lö-sungsansätze sinnvoll. In jedemFall wird die Lösungssuche aberdurch gezielte Anwendungmathematischer Modelle desProzesses zur Vorhersage ihresVerhaltens unterstützt, die ab-hängig von der Aufgabenstel-lung mit verschiedenen Detailsausgestattet entwickelt und mitder Realität abgeglichen wer-den müssen.

Systemverfahrenstechnik:Ganzheitlich zum optimalenProduktionsprozessSeit der Einführung der Com-putertechnik in den 1950erJahren besteht zunehmend die

Möglichkeit, immer komplexereSysteme im Computer nachzu-bilden. Gelingt eine realitätsna-he Abbildung eines Prozess-schrittes oder ganzen Prozessesim Computer, so kann diesesProzessmodell genutzt werden,um die oben genannten Aufga-ben systematisch und unterAbwägung aller Einflussgrößenwie Produktqualität, Ressour-cenverbrauch, Wirtschaftlich-keit, Sicherheit oder Umwelt-verträglichkeit zu lösen. Ein sol-cher ganzheitlicher, durch ma-thematische Modellierung, nu-merische Simulation und Opti-mierung unterstützter Lösungs-ansatz macht den Kern der Sys-temverfahrenstechnik aus.

Die erste Aufgabe, Prozess-planung oder Prozesssynthese,ist im Fall des BeispielprozessesMedikamentenherstellung alsodie Bestimmung der optimalenAbfolge von Grundoperatio-nen, um zum gewünschtenProdukt zu kommen. Es ist da-bei unmittelbar klar, dass beigenauer Betrachtung und beikomplexen, aus vielen Grundo-perationen bestehenden Pro-zessen schnell eine sehr hoheAnzahl von alternativen Prozessendenkbar ist. Die systematischeAnalyse und Bewertung dieserAlternativen ist nur mit mäßigdetaillierten mathematischenModellen und mit effizientennumerischen Verfahren mög-lich.

Steht die Abfolge der Grund-operationen fest, so ist dies erstder Startpunkt für den Prozess-entwurf. Jede einzelne Grund-operation muss im Detail aus-gelegt werden.

Eine Aufgabe in Prozessent-wurf und -optimierung wäreetwa die Auslegung der Extrak-tion. Hier müssen zahlreicheFragen beantwortet werden.Zum einen muss ein geeignetesExtraktionsmittel bestimmt wer-den. Ist dieses gefunden, müs-

sen Temperatur und Druck,oder genauer, die Verläufe vonTemperatur und Druck be-stimmt werden, die eine opti-male Extraktion des gewün-schten Wirkstoffs erlauben.

Gelingt es, den Vorgang der Extraktion mit Hilfe einesmathematischen Modells detail-genau nachzubilden, so lassensich diese Fragen prinzipiell mitdessen Hilfe, mit einem Experi-ment im Rechner also, beant-worten. Sind beispielsweise dieWechselwirkungen zwischenExtraktionsmittel, Druck, Tem-peratur und dem Extraktions-prozess hinreichend genau ver-standen und in einem Modellimplementiert, so lassen sichdas optimale Extraktionsmittelsamt optimalem Temperatur-und Druckverlauf rigoros vor-ausberechnen.

Bei beiden bisher betrachte-ten Aufgaben handelt es sichmathematisch betrachtet umOptimierungsprobleme, die mitHilfe von Prozessmodellengelöst werden. Das Ergebnis ei-ner solchen rigorosen Optimie-rung bestimmt die Abfolge unddie Ausgestaltung der Grund-operationen und ist damit ge-wissermaßen der Bauplan fürdie Anlage. Ein Fehler in dieserPhase wirkt sich also auf diegesamte Betriebsdauer der An-lage aus und hat hohe Kostenzur Folge. Dementsprechendmüssen die verwendeten Mo-delle ausreichend genau seinund alle für die Bearbeitung derAufgabenstellung wesentlichenPhänomene berücksichtigen.Leider sind gerade in dieserPhase auch die Unsicherheitenoft sehr hoch, so dass es be-sonders schwierig ist, aussage-kräftige Prozessmodelle zu ent-wickeln. Doch auch dieses Pro-blem kann systematisch be-trachtet und gelöst werden, da-zu muss die Unsicherheit ein-fach im Modell berücksichtigt

Ganzheitlich und modellgestützt die Realität verbessern

Page 24: RWTH-Themen Verfahrenstechnik - Kreative Lösungen für Morgen

werden. So einfach dieser An-satz auch klingt, er führt zusehr komplexen Optimierungs-problemen deren Lösung Ge-genstand der aktuellen For-schung ist.

Ist die Anlage fertig geplantund gebaut, warten weitere sys-temverfahrenstechnische Fra-gestellungen. Die erste Aufga-be, die es dabei zu lösen gilt, istdie so genannte Echtzeit-Opti-mierung. Auch hierbei handeltes sich um ein Optimierungs-problem, das jedoch nicht nureinmal zu Planungszwecken,sondern immer wieder währenddes Betriebs in Echtzeit gelöstwerden muss. Ziel ist es bei-spielsweise, den optimalen Ver-lauf von Druck und Temperaturwährend der Extraktion zu be-stimmen. Hier ändern sich dieoptimalen Werte laufend, zumBeispiel auf Grund einer sichändernden Rohstoffqualität, et-wa je nach Anbaugebiet, Lage-rung und Jahrgang. Das Opti-mierungsproblem muss also im-mer wieder neu gelöst werden,wobei die Frequenz von derGeschwindigkeit der relevantenÄnderungen im Prozess be-stimmt wird. Hier muss also ei-ne optimale Lösung innerhalbeines vom Prozess vorgegebe-nen Zeitfensters gefunden wer-den.

Gelingt dies, ist der optimaleBetrieb noch immer nicht sicher-gestellt. Dazu bedarf es nocheiner funktionierenden Prozess-regelung, die garantiert, dassdie optimalen Betriebsbedin-gungen auch eingehalten wer-den. Hierfür haben sich wieder-um Modelle als hilfreich erwie-sen, da sie es erlauben, dasProzessverhalten vorauszusa-gen. Diese Vorhersage kannnun genutzt werden, um Ände-rungen an den so genanntenRegelgrößen, beispielsweise einKühlmittelstrom, gezielt so vor-zunehmen, dass der Prozess zu

jedem Zeitpunkt optimal betrie-ben wird. Diese Art der Rege-lung bezeichnet man auch alsmodellprädiktive Regelung.Wird der Prozess geregelt, oh-ne ein Modell zur Verfügung zuhaben, so kann die Regelungimmer nur reagieren, mit Hilfeder Modellvorhersage allerdingskönnen störende Einflüsseschon erkannt und eliminiertwerden, bevor sie sich auf denProzess auswirken. Offensicht-lich ist hier eine besondersschnelle Berechnung erforderlich,da das Modell in Echtzeit einezuverlässige Vorhersage des erwarteten Prozesszustands lie-fern muss, bevor sich dieser inder Realität einstellt.

SystemverfahrenstechnikIn der AVT-Prozesstechnik wirdinsbesondere auf den GebietenProzesssynthese, Echtzeitopti-mierung, Regelung und Model-lidentifikation geforscht.

In der Prozesssynthese wer-den unter anderem so genann-te Short-Cut-Methoden zur Be-rechnung von Trennsequenzenentwickelt. Als Short-Cut-Me-thoden bezeichnet man dabeiBerechnungsmethoden, die ef-fizient die Abschätzung rele-vanter Prozessgrößen erlauben.Eine Trennsequenz ist eine Ab-folge von Trennschritten, die esermöglicht, auch aus Vielstoff-gemischen einzelne Reinstoffezu separieren. In jedem Trenn-schritt wird dabei der Gesamt-strom in zwei Teilströme aufge-teilt. Sollen so aus einem flüssi-gen Gemisch aus neun Stoffen,alle Reinstoffe gewonnen wer-den, sind Trennaufgaben zu be-rechnen. Mit in der AVT-Pro-zesstechnik entwickelten Me-thoden ist es möglich, dies auf120 Berechnungen zu reduzie-ren, ohne dabei Informationenzu verlieren. Mit einer solchenumfassenden Betrachtung las-sen sich deutlich energiesparen-

dere Anlagen bei reduziertemInvestitionsbedarf bestimmen.

Auch auf dem Gebiet derEchtzeitoptimierung sind dieAachener Wissenschaftler aktiv.Den Schwerpunkt bildet hierdas Softwarepaket „DyOS“.Dieses ermöglicht es komplexe,so genannte Optimalsteue-rungsprobleme effizient und ro-bust zu lösen. Neben der An-wendung von Modellen, spieltauch deren Entwicklung einewichtige Rolle in der For-schung. Schließlich können dieoben beschriebenen Methodennur angewandt werden, wennein valides Prozessmodell vor-liegt.

Mit nachwachsenden Rohstof-fen vom Produkt zum ProzessAls interdisziplinäre Wissen-schaft an der Schnittstelle zwi-schen Biologie, Chemie, Physik,angewandter Mathematik undInformatik muss die Systemver-fahrenstechnik auch in Zukunftdarauf achten, zum einen dieSchnittstelle zu diesen Profes-sionen zu pflegen und weiter-zuentwickeln, zum anderenaber auch die eigene Identitätzu wahren, weiterzuentwickelnund zu schärfen. Die Kernkom-petenz der Systemverfahrens-technik muss dabei ihre Funkti-on als Methodenintegrator seinund bleiben. Gleichzeitig müs-sen eben diese Methoden aufneue Aufgabenstellungen an-gewandt werden um sie so zuverbessern und weiterzuent-wickeln.

Neue Aufgaben werden da-bei in naher und mittelfristigerZukunft vor allem durch denbevorstehenden Rohstoffwan-del generiert. Die chemische In-dustrie basiert heutzutage imWesentlichen auf Grundchemi-kalien, die aus Erdöl gewonne-nen werden. Mit sinkender Ver-fügbarkeit des Erdöls und dendamit verbundenen steigenden

Preisen, wird sich ein Wandelvollziehen hin zu der Herstel-lung von Grundchemikalien ausnachwachsenden Rohstoffen.Hierfür müssen in kurzer Zeitvöllig neue Prozesse erdachtund umgesetzt werden, dieneuartige und vielfältig gestalt-bare biogene Rohstoffe zu neu-en, an die molekulare Strukturder Rohstoffe angepasste Pro-dukte umsetzen.

Die Bewertung und Ausle-gung dieser Prozesse muss da-bei großteils von der System-verfahrenstechnik geleistet wer-den, so dass hier auf die kom-mende Generation von Wissen-schaftlern spannende und viel-fältige Fragestellungen warten,deren Lösung einen wesentli-chen Einfluss auf die zukünftigeLebens- und Wohlstandssituati-on haben wird. Die AachenerVerfahrenstechnik beschäftigtsich mit diesen Problemen bei-spielsweise im Exzellenzcluster„Maßgeschneiderte Kraftstoffeaus Biomasse“.

Autoren:Dipl.-Ing. Claas Michalik istWissenschaftlicher Mitarbeiteram Lehrstuhl AVT- Prozesstech-nik. Univ.-Prof. Dr.-Ing. Wolf-gang Marquardt ist Inhaber desLehrstuhls für AVT-Prozesstech-nik.

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Murat Kalem, Jan Kröckel, Evangelos Bertakis, Andreas Pfennig

DFlüssig-Flüssig-Extraktion

Eine effiziente Trenntechnik für kostengünstige nachhaltige Prozesse

und dabei geht ein – möglichstgroßer – Teil der Wertkompo-nente (B) in das zweite Lö-sungsmittel (C) über. Wird die-ses Verfahren mit einer überla-gerten Reaktion noch effizien-ter gestaltet, so spricht manvon einer Reaktivextraktion.Dadurch gelingt es, die Trenn-effizienz sogar bei sehr niedrigkonzentrierten Komponentennoch deutlich zu erhöhen. Dieswurde in der Vergangenheitauch dazu genutzt, aus Reakti-onslösungen in der Biotechno-logie, wo Mikroorganismen fürdie Produktion von Verbindun-gen genutzt werden, so ge-nannten Fermentationsbrühen,eine sofortige Abtrennung derProdukte zu erreichen. Dies istbesonders wichtig, weil häufigdie Anwesenheit des Produktesdie Reaktion verzögert oder be-hindert. Deshalb wird die Trieb-kraft der Reaktion durch die so-fortige Entfernung der Produk-te erhöht und die Reaktion be-

schleunigt. Die Herstellung derProdukte kann somit effizienterund damit kostengünstiger er-folgen.

Ziel bei der Reaktivextrakti-on kann es aber auch nicht nursein, chemische Komponenteneffizient herzustellen. Mit Reak-tivextraktion gelingt es auch,manche Gesamtprozesse erstnachhaltig zu gestalten. Wird ingrößerem Maßstab Biomasseals Rohstoff verwendet, werdenmit den Pflanzen auch die mi-neralischen Komponenten demNaturraum entnommen. Diesemüssen dem Boden in Formvon Dünger wieder zugeführtwerden. Um diese stofflichenKreisläufe zu schließen, müssendie Mineralien aus den Abfall-strömen der Biomasse also zuDünger aufgearbeitet werden,der den Feldern wieder zuge-führt werden kann.

Ein Anwendungsbeispielhierfür ist die Gewinnung vonPhosphat als Dünger. Dieser

kann durch ein spezielles Ver-fahren beispielsweise aus Klär-schlamm hergestellt werden,der einen sehr hohen Anteil anPhosphat und anderen Mineral-stoffen enthält. Klärschlammwird deutschlandweit bisher zu30 Prozent direkt als Düngerauf die Felder aufgetragen. Die-ses Vorgehen ist umstritten, daim Klärschlamm nicht nur Phos-phorverbindungen vorliegen,sondern auch diverse anorgani-sche und organische Schadstof-fe, die in den Boden gelangenund sich dort gegebenenfallssogar anreichern. Durch Ver-brennung des Klärschlammeserzeugte Klärschlammascheenthält etwa 7 bis 10 Massen-Prozent Phosphor, gleichzeitigjedoch auch diverse Metalleund Schwermetalle, unter an-derem Eisen, Aluminium, Cad-mium und Blei. Im Rahmen ei-nes vom Bundesministerium fürBildung und Forschung geför-derten Verbundprojektes des

Bild 1: Prinzip der Flüssig-Flüssig-Extraktion (links: vor dem Rühren, rechts: nach dem Rühren).

Die Herstellung von Produktender chemischen Industrie, wieKunst- und Farbstoffen sowiepharmazeutischen Wirkstoffen,erfolgt heute größtenteils aufder Basis von Rohöl. Es ist je-doch absehbar, dass schon innaher Zukunft die vorhandenenRohölquellen nicht mehr ausrei-chen werden, um den steigen-den Bedarf der Menschheit zudecken. Biobasierte Rohstoffesind eine mögliche nachhaltigeAlternative. Eine Herausforde-rung bei biobasierten Rohstof-fen ist allerdings die Trennungder resultierenden komplexenGemische. So sind Vielstoffge-mische aus Komponenten mitverschiedenen chemisch aktivenGruppen in biologischen Syste-men eher Regel als Ausnahmeund zudem fallen die Produktehäufig nur in kleinen Konzen-trationen in Lösung an. DieProduktaufbereitung spielt so-mit eine entscheidende Rollefür den ökonomischen Erfolgeines biobasierten Verfahrens. Hier bietet die Flüssig-Flüssig-Extraktion eine gute Möglich-keit, um eine effiziente Tren-nung von Biokomponenten fürdie chemische Industrie durch-zuführen. Diese Trenntechnikbietet nicht nur optimale Mög-lichkeiten, gezielt Komponen-ten aus Gemischen abzutren-nen, sondern kann normaler-weise auch unter vergleichswei-se milden Bedingungen beiRaumtemperatur durchgeführtwerden. Deshalb ist sie im Ver-gleich mit anderen Verfahrenpotenziell kostengünstiger. Die Extraktion ist dabei ein eta-bliertes Trennverfahren, dassich aus den genannten Grün-den für die Verarbeitung vonnachwachsenden Rohstoffenanbietet. Das Grundprinzip istin Bild 1 dargestellt. Das flüssi-ge Ausgangsgemisch bestehthier aus einem Lösungsmittel(A) und einer Übergangskom-ponente (B), welche abgetrenntwerden soll. Die Übergangs-komponente kann dabei zumBeispiel der gewünschte Wert-stoff sein. Nun wird dieser Pha-se eine weitere Flüssigkeit (C),das Extraktionsmittel, hinzuge-fügt, welche nicht löslich imLösungsmittel (A) ist. Die bei-den Phasen werden vermischt

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Umwelt-Forums der RWTH Aa-chen zur „Rückgewinnung vonPflanzennährstoffen, insbeson-dere Phosphor aus der Aschevon Klärschlamm“ wird amAVT-Thermische Verfahrens-technik ein Prozess im Techni-kum realisiert, bei dem durchReaktivextraktion als zentralemProzessschritt ein pflanzenver-fügbares, von Schadstoffen ab-gereichertes Phosphorproduktals Dünger hergestellt wird.Die Flüssig-Flüssig-Extraktionkann sowohl in so genanntenMixer-Settler-Batterien, sieheBild 2, durchgeführt werden alsauch in Kolonnen. Hier soll aufdas Verhalten von Kolonnennäher eingegangen werden. Ei-ne Skizze einer solchen Kolonneist in Bild 3 gezeigt. In Extrakti-onskolonnen wird eine der bei-den Phasen dispergiert, dasheißt in Tropfen zerteilt zuge-führt. In dem gezeigten Fallwird die disperse Phase am un-teren Ende der Kolonne aufge-

geben und steigt aufgrund ihrergeringeren Dichte in der konti-nuierlichen Phase auf. Währendihrer Verweilzeit in der Kolonnekönnen die Tropfen aus derkontinuierlichen Phase dieWertkomponente(n) extrahie-ren. In der Kolonne befindensich zusätzlich Einbauten, hierso genannte Siebböden, dieden Aufstieg der Tropfen in derKolonne verzögern und größereTropfen zerteilen und dadurchverlangsamen. Die Auslegungsolcher Kolonnen erfolgt heutedurch Experimente im kleinerenTechnikumsmaßstab. Durch Si-mulationen lässt sich die Anzahlder notwendigen Experimentedrastisch reduzieren oder sogarganz ersetzen und somit auchdie Zeit von der Idee bis zumBau einer Extraktionskolonnewesentlich verkürzen.

Die komplexen Vorgänge unddie zahlreichen Wechselwirkun-gen - beispielsweise Tropfenmit Tropfen, Tropfen mit Ein-bauten - in einer Extraktionsko-lonne sind jedoch schwer zu er-fassen. Einfacher wird es, wenneinzelne Tropfen näher betrach-tet werden. So werden bei unsphysikalisch fundierte Modelleentwickelt und auf die realenVerhältnisse in Kolonnen über-tragen. In Kooperation mit derTechnischen Universität Mün-chen und der Technischen Uni-versität Kaiserslautern wurdeerfolgreich gezeigt, dass ausge-hend von Experimenten an ein-zelnen Tropfen, die einfach imLabor durchgeführt werdenkönnen, das Verhalten einer Ex-traktionskolonne sehr genau si-muliert werden kann. Der inden Einzeltropfenexperimentenzu erbringende Aufwand ist im

Bild 2: Halbtechnische Mixer-Settler-Anlage mit vier Stufen im Technikum der AVT-TVT.Foto: Peter Winandy

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Vergleich zu Technikumsexperi-menten deutlich geringer. DieExperimente führen zu Modell-informationen, die als Input inSimulationsprogramme ein-fließen, wie das am AVT-Ther-mische Verfahrenstechnik ent-wickelte Programm ReDrop.ReDrop kann nicht nur für uni-versitäre, also „saubere“ Stoff-systeme Extraktionskolonnensimulieren, es wurde sogar er-folgreich auf industrielle Stoff-systeme angewandt. Grundlageder Simulation mit ReDrop sindModelle, die physikalisch sinn-voll sind. So werden beispiels-weise durch den StofftransportGrenzflächeninstabilitäten, diedie Extraktion beschleunigen,in den Modellen berücksichtigt.Diese Grenzflächeninstabilitä-ten entstehen durch den Stoff-transport der Übergangskom-ponente und führen zu sehrabrupten Strömungen an denTropfen. Der Stofftransportkann durch diese Strömungenum ein Vielfaches beschleunigtwerden.

nen sind. Diese Grenzflächenin-stabilitäten bilden sich aufgrundder Temperaturunterschiede ander Oberfläche des Kaffees.

Bei der Extraktion ist dietreibende Kraft dagegen derKonzentrationsunterschied derKomponente, die extrahiertwerden soll. Da bei der Flüssig-Flüssig-Extraktion beide Phasenflüssig sind, sind die Phänome-ne noch wesentlich ausgepräg-ter, die beim Kaffee aufgrundder geringeren Dampfdichtenur moderat auftreten. Der Ef-fekt dieser Grenzflächen-Insta-bilitäten wird nun genau in un-seren Modellen zur Beschrei-bung des Tropfenverhaltensberücksichtigt. Nur so gelingtes, auch für technische Aufga-benstellungen mit den Simulati-onswerkzeugen hochgenaueVorhersagen durchzuführen, dieeine solide Basis für das zuver-lässige Design technischer Ex-traktions-Apparate bietet.

Autoren:Dipl.-Ing. Murat Kalem,Dr.rer.nat. Jan Kröckel und Dipl.-Ing. Evangelos Bertakissind Wissenschaftliche Mitar-beiter am Lehrstuhl AVT-Ther-mische Verfahrenstechnik.Univ.-Prof. Dr.-Ing. AndreasPfennig ist Inhaber des Lehr-stuhls AVT-Thermische Verfah-renstechnik.

Bild 3: Skizze einer Extraktionskolonne.

Dieses Phänomen derGrenzflächen-Instabilitäten lässtsich dabei sogar an einem ein-fachen täglichen Beispiel de-monstrieren: einer Tasse frischgebrühten schwarzen Kaffeesbei kühler Umgebung, etwa inkühleren Jahreszeiten im Freienoder im Kühlschrank. In Bild 4ist links eine Tasse heißen Kaf-fees dargestellt. Auf der Ober-fläche des Kaffees ist eine dünneSchicht weißer Dampf zu sehen,die sich sehr nah an der Ober-fläche befindet. Aufgrund äuße-rer Einflüsse befinden sich in die-ser Schicht langsam bewegendeWirbel. Beobachtet man dieseweiße Schicht für eine Weile, soerkennt man, dass sich in ihr ab-rupt „Straßen“ bilden in denendie Schicht offensichtlich spon-tan verschwindet. Sie sehen wieRisse in der Dampfschicht aus.Dies ist in Bild 4 rechts gezeigt,wo die gleiche Tasse Kaffee nurwenige Bruchteile von Sekun-den später dargestellt ist. Derrote Pfeil zeigt an den Ort, andem die „Straßen“ zu erken-

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Bild 4: Ein tägliches Beispiel:Grenzflächen-Instabilitäten an Kaffee.

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Anna Besler, Andreas Harwardt,Sven Kossack, Wolfgang Marquardt

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ZKraftstoffe der Zukunft Der Exzellenzcluster „Maßgeschneiderte Kraftstoffe aus Biomasse“

Bild 1: Verfahrensschema des „Tailor-Made Fuels from Biomass“-Prozesses zur Herstellung von Kraftstoffen aus Biomasse.

Zukünftige Mobilitätssicherungmit dem Schwerpunkt ökologi-sche Verträglichkeit erfordertneben der Entwicklung vonbatteriebetriebenen Elektroau-tos, Hybridantrieben und gas-betriebenen Motoren die Nut-zung neuer umweltschonenderflüssiger Kraftstoffe. Diese bie-ten, da sie als chemische Ener-gieträger eine sehr viel höhereEnergiedichte als Batterien auf-weisen, weiterhin eine wichtigeBasis zur Mobilitätssicherung. Die entscheidenden Fragen sinddaher: Wie sieht der Kraftstoffder Zukunft aus? Wie kann sei-ne Effizienz durch eine neueMotorentechnologie weiter ge-steigert werden? Wie kann eraus nachwachsenden Rohstof-fen hergestellt werden? Mitdiesen und ähnlichen Fragestel-lungen beschäftigt sich die Aa-chener Verfahrenstechnik, kurzAVT, im Exzellenzcluster „Maß-geschneiderte Kraftstoffe ausBiomasse“ („Tailor-Made Fuelsfrom Biomass - TMFB“) ge-meinsam mit Partnern aus denNaturwissenschaften und derVerbrennungstechnik.

Der Begriff „Maßgeschnei-derte Kraftstoffe“ bezieht sichdarauf, dass sie speziell für denEinsatz in zukünftigen Motorenmit Niedertemperatur verbren-nung zugeschnitten werden. Eswird also nicht versucht, dieheute verbreiteten Kraftstoffeauf Grundlage biogener Roh-stoffe herzustellen, sonderngänzlich neue Kraftstoffkompo-nenten zu entwickeln. Durcheine genaue Abstimmung zwi-schen Kraftstoff und Motor las-sen sich Schadstoffemissionenverringern und der Wirkungs-grad steigern. Dass diese Her-angehensweise erfolgverspre-chend ist, konnten bereits um-fangreiche Versuche am Lehr-stuhl für Verbrennungskraftma-schinen zeigen: Es wurde eineKraftstoffmischung identifiziert,die zu signifikant niedrigerenSchadstoffemissionen führt. Umdie Anzahl der teuren und zeit-aufwändigen Versuche zu ver-ringern, entwickelt die AVTmodellgestützte Berechnungs-verfahren zur Identifizierungvon geeigneten Kraftstoffkom-ponenten.

Auch für die chemische In-dustrie bedeutet die Umstel-lung auf den Rohstoff Biomasseerhebliche Veränderungen. An-statt, wie in der Petrochemieüblich, komplexe Moleküle auskleinen Bausteinen aufzubauen,wird die vorhandene Komple-xität der Biopolymere in derKraftstoffherstellung genutzt.Das bedeutet, dass komplettneue Synthesewege entwickeltwerden müssen.

Die Hauptaufgabe der AVTist es, die Entwicklung dieserSynthesewege unter verfah-renstechnischen Gesichtspunk-ten zu begleiten und großtech-nische Prozesse zur effizientenund ressourcenschonendenHerstellung der zukünftigenBiokraftstoffe zu entwerfen.Dies umfasst nicht nur die ei-gentliche Reaktion vom Roh-stoff zum Kraftstoffmolekül,

sondern auch alle Vorbehand-lungs- und Aufreinigungsschritte.

Die Konkurrenz zur Nah-rungsmittelerzeugung durch dieNutzung von Biomasse alsKraftstoff soll ausgeschlossenwerden, indem auf Lignocellu-lose als Ausgangsmaterialzurückgegriffen wird. Lignocel-lulose ist als strukturbeständigerBaustein in allen höheren Pflan-zen, wie beispielsweise Holzoder Gras, enthalten und be-steht aus Cellulose, Hemicellu-lose und Lignin. Obwohl dasVerhältnis dieser Bestandteilevon Pflanze zu Pflanzeschwankt, lassen sich zwei Klas-sen unterscheiden: „Grüne“Biomasse mit einem niedrigenLigninanteil und „Holzartige“Biomasse mit einem hohen Li-gninanteil. Im Exzellenzclusterwerden für beide Rohstoffartenangepasste Produktionsverfah-

ren erforscht. Wie in Bild 1 zusehen ist, erfolgt die Kraftstoff-herstellung aus Biomasse stetsüber den Zwischenschritt vonPlattformchemikalien. Als Platt-formchemikalien werden che-mische Verbindungen ausge-wählt, aus denen eine Vielzahlvon Zielprodukten hergestelltwerden kann – neben Kraft-stoffen auch Massenchemikali-en wie Kunststoffe. Die im Ex-zellenzcluster erzielten Ergeb-nisse können also in der chemi-schen Industrie vielseitig einge-setzt werden, denn auch dortist der Rohstoffwandel ein ak-tuelles Thema.

Aus grüner Biomasse solldie Plattformchemikalie Ita-konsäure mit Hilfe des PilzesUstilago maydis fermentativhergestellt werden. Obwohldieser Pilz eigentlich ein Schäd-ling für Maispflanzen ist, kann

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Bild 2: Auflösung von Holz in Ionischer Flüssigkeit.Foto: Peter Winandy

er in Flüssigkulturen unter an-derem Itakonsäure bilden. Einebesondere Herausforderungliegt in der Bestimmung idealerFermentationsbedingungen:Die Wissenschaftler der AVT ermitteln deshalb in systema-tischen Versuchen optimale Wer-te für Temperatur, pH-Wert,Nährstoffkonzentrationen undSauerstoffzufuhr.

Neben der effizienten Pro-duktion von Itakonsäure ist de-ren Abtrennung aus der Fer-mentationsbrühe, die viele wei-tere Komponenten enthält, einentscheidender Schritt. Allegroßen Bestandteile wie Zellenwerden durch eine Filtration im Fermenter gehalten. An-schließend wird aus den gelöstenItakonsäuresalzen durch Elek-trodialyse mit bipolaren Mem-branen eine konzentrierte Ita-konsäurelösung hergestellt. Die

Elektrodialyse ermöglicht durchladungsselektive Membranendie Trennung geladener Teil-chen im elektrischen Feld. Bio-polare Membranen werden zu-sätzlich zur Wasserspaltung ein-gesetzt, um die für die Säure-bildung erforderlichen H+-Io-nen bereitzustellen. Die stetigeProduktabtrennung und Aufbe-reitung der Fermentationsbrühedurch die Elektrodialyse ermög-licht eine kontinuierliche Fer-mentation und verbessert dieEffizienz des späteren Prozessesentscheidend.

Für holzartige Biomasse istder Schritt zur Plattformchemi-kalie bereits deutlich aufwändi-ger. Der hohe Ligninanteil dientin der Natur als Abwehrmecha-nismus, um Holz witterungsbe-ständig und schädlingsresistentzu machen. Leider erschwertdies auch die für die stoffliche

Verwendung grundlegendeAuftrennung von Holz in seineBestandteile.

Zwar ist nachgewiesen, dassIonische Flüssigkeiten einzelneHolzbestandteile, nämlich Cel-lulose-Fasern, auflösen, sieheBild 2, ihre genaue Funktions-weise ist jedoch längst nichtgeklärt. Ionische Flüssigkeitensind neuartige Salzschmelzen,die bereits unter 100°C flüssigwerden, aber anders als organi-sche Lösungsmittel einen ver-nachlässigbaren Dampfdruckaufweisen und damit bei diesenTemperaturen nicht verdunsten. Die AVT untersucht den Auflö-semechanismus von Holz inverschiedenen Ionischen Flüs-sigkeiten. Da diese wie ein Salzaus verschiedenen Kationenund Anionen zusammengesetztsein können, gibt es nahezuunendlich viele Kombinations-

möglichkeiten mit immer ande-ren Eigenschaften. Im Exzel-lenzcluster wird daher eineKombination mit optimalenAuflöseeigenschaften gesucht. Liegen die Holzkomponenteneinmal in Lösung vor, könnenSie in der Ionischen Flüssigkeitzu Plattformchemikalien umge-setzt werden. Natürlich enthältdie Biomasse neben den Haupt-bestanteilen weitere organischeund anorganische Stoffe. Dieseverunreinigen das Lösungsmit-tel, was aufgrund seiner hohenKosten möglichst lange genutztwerden soll. Die Aufreinigungder Ionischen Flüssigkeit ist da-her ein zentraler Forschungs-schwerpunkt. Hier bieten sichMembran- oder Extraktionsver-fahren an, weil diese optimalauf die Eigenschaften IonischerFlüssigkeiten angepasst werdenkönnen.

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32 Bild 3: Wissenschaftler des Exzellenzclusters „Maßgeschneiderte Kraftstoffeaus Biomasse” entwickeln Prozesse zur nachhaltigen Herstellung von Biokraftstoffen.Die große Herausforderung sind die verfahrenstechnischenSchnittstellen, damit hinterheralles – wie im anschaulichen Lego-Modell – zusammenpasst.Foto: Peter Winandy

Die Umwandlung von Lig-nocellulose zu Plattformchemi-kalien kann sowohl nach che-mischen als auch nach bioche-mischen Verfahren erfolgen. Inder biokatalytischen Umsetzungwerden hierbei Enzyme einge-setzt. Dies sind Proteine, die alsBiokatalysatoren Reaktionenhoch selektiv steuern, aber nor-malerweise an wässrige Bedin-gungen angepasst sind. In derAVT wird nun der Einsatz vonbesonders robusten Enzymen inIonischen Flüssigkeiten zur Um-wandlung von Lignocelluloseerforscht.

Die vorgestellten For-schungsbeispiele zeigen, dassmomentan an den unterschied-lichsten Prozessschritten gear-beitet wird. Ein effizienter Ge-samtprozess kann allerdings nurdurch die optimale Abstimmungder einzelnen Schritte erreicht

werden. Hierfür werden einfa-che Modelle entwickelt, mit de-ren Hilfe schon in dieser frühenPhase Aussagen über Kostenund (Energie-) Effizienz des Ge-samtprozesses gemacht werdenkönnen. Mit den Methoden dermathematischen Optimierungwird zudem aus vielen verschie-denen Prozessvarianten die op-timale identifziert.

Im gesamten Exzellenzclu-ster ist eine enge Vernetzungder unterschiedlichen Diszipli-nen – das heißt der Chemie,der Verfahrenstechnik und derVerbrennungstechnik – Voraus-setzung für den Erfolg. Dennnur zusammen lassen sich dievielfältigen Fragestellungenrund um das Ziel, „Maßge-schneiderte Kraftstoffe aus Bio-masse“ zu entwickeln, beant-worten.

Autoren: Dipl.-Ing. Anna Besler, Dipl.-Ing. Andreas Harwardtund Dipl.-Ing. Sven Kossacksind Wissenschaftliche Mitarbeiter des Lehrstuhls AVT-Prozesstechnik.Univ.-Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Marquardt ist Inhaber des Lehrstuhls AVT-Prozesstechnik.

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Nils Oliver Kuhlmann, Michael Modigell, Axel Moll

man ihn aber mit einem Messerbelastet, beginnt er zu fließenund lässt sich auf einer Brot-scheibe verstreichen.

Die AVT gehört zu den we-nigen rheologischen Arbeits-gruppen in der Welt, die sichmit ganz speziellen Suspensio-nen befasst, den halbflüssigenMetalllegierungen. Diese habenim Unterschied zu reinen Stof-fen keine einheitliche Schmelz-oder Erstarrungstemperatur, sondern weisen ein Temperatur-intervall auf, in dem flüssigeund feste Metallphasen neben-einander vorliegen. In diesemZustand ist die Legierung alsoeine Suspension. Vollständigflüssige Metalle verhalten sich

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Blut ist dicker als Wasser

rheologisch gesehen wie Was-ser. Die metallischen Suspensio-nen sind aber nicht nur visko-plastisch, sondern auch nochthixotrop. Thixotropie ist einebesondere Form der Struktur-viskosität: Das Material ändertbei einer neuen Belastung nichtsofort seine Fließeigenschaften,sondern nimmt sich dafür Zeit.Bild 1 zeigt den Block einer in-dustriellen Aluminiumlegierung,die bei einer Temperatur von630 °C mit einem einfachenMesser geschnitten wird. DieÄhnlichkeit im Verhalten zuButter ist offensichtlich – einer-seits formstabil, andererseitsfließfähig. Ausgehend von denbesonderen Fließeigenschaften

Eine Suspension ist die Mi-schung von festen Partikelnund einer Flüssigkeit. EineEmulsion ist die Mischung vonzwei Flüssigkeiten, die nicht un-tereinander mischbar sind undbei der eine der beiden alsTröpfchen vorliegt. Höher kon-zentrierte Suspensionen undEmulsionen zeigen eine beson-dere Eigenschaft, die man Vis-koplastiziät nennt: Das Materialkann sich wie ein fester Körperaber auch wie eine Flüssigkeitverhalten. Ein typisches Beispieldafür ist Butter, die eine hoch-konzentrierte Emulsion ist.Wenn keine Kraft auf einenButterklotz wirkt, ist er formsta-bil wie ein fester Körper. Wenn

VViele Beziehungen sind nurdann stark oder in unserem Fal-le zäh, wenn die Belastungklein ist. Treten große Span-nungen auf, verschwindet dieseZähigkeit sehr rasch. Vergleich-bar verhält sich Blut: Ist die Be-lastung, die auf das Blut wirkt,klein und fließt es sehr lang-sam, ist es so zäh wie Honig.Bei großer Belastung wird dasBlut so dünnflüssig wie Wasser.

Die Eigenschaft, die dafürverantwortlich ist, dass dieZähigkeit eines Stoffes mit Zu-nahme der Belastung sinkt,nennt man Strukturviskositätoder auch Scherverdünnung.Nicht nur Blut verhält sich so.Viele Stoffe, mit denen wir täg-lich umgehen, haben diese Ei-genschaft und das ist gut so,weil sie den Gebrauchswert derStoffe erhöht. Dank des struk-turviskosen Verhaltens moder-ner Lacke können beispielswei-se auch handwerkliche Laienglatt lackierte Oberflächen oh-ne Nasen und Tropfen herstel-len: Beim Aufnehmen des Lacksauf den Pinsel ist er sehr zähund fließt nicht vom Pinsel ab.Sobald jedoch das Werkzeugüber die zu lackierende Flächestreicht, wird der Lack mecha-nisch belastet und dünnflüssig,wodurch er sich gleichmäßigverteilt. Hinter dem Pinsel wirdder Lack wieder zäh; das ver-hindert das Abfließen des Lacksin Form von Nasen.

Die Wissenschaft, die sichmit diesen Phänomenen be-schäftigt, ist die Rheologie. DerName stammt vom griechi-schen Verb „ρειν“ – „fließen“;er wurde in den zwanziger Jah-ren des letzten Jahrhundertsvon Eugene Bingham einge-führt, der sich intensiv mit denFließeigenschaften von Kunst-stoffen beschäftigt hat. In die-sem Sinn meint Rheologie dieUntersuchung, Beschreibungund Deutung von Materialei-genschaften, die Fließen undVerformen betreffen. Die rheo-logische Gruppe der AachenerVerfahrenstechnik, kurz AVT,befasst sich im Wesentlichenmit den Eigenschaften einer be-sonderen Stoffklasse: den Sus-pensionen und Emulsionen, zudenen man auch das Blutzählen kann.

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Suspensionsrheologie bei der Aachener Verfahrenstechnik

des Materials wird weltweit ander Realisierung eines Formge-bungsverfahrens gearbeitet, dassich „Thixoforming“ nennt. Ge-genüber klassischem Schmiedenoder Gießen weist dieses Ver-fahren einige technologischeVorteile auf. Unter anderem las-sen sich damit sehr filigraneaber mechanisch hochstabileBauteile herstellen, was zumBeispiel für Produkte in der Au-tomobilindustrie vorteilhaft ist.Zum Thema „Thixoforming“gab es bis vor kurzem an derRWTH einen Sonderforschungs-bereich, der über 12 Jahre vonder DFG gefördert wurde undan dem die AVT beteiligt war.

Die Aufgaben, mit denen

sich ein Rheologe auf diesemGebiet beschäftigt, sind die ex-perimentelle Untersuchung derFließeigenschaften der Stoffe,die Formulierung von mathe-matischen Beziehungen, mitdenen sich diese rheologischenEigenschaften berechnen lassenund, falls es möglich ist, dieDeutung der Eigenschaftendurch Analyse der innerenStruktur des Stoffes. Dabei istder Rheologe außerordentlichstark auf Zusammenarbeit mitden Wissenschaftlern und Inge-nieuren der anderen beteiligtenDisziplinen angewiesen. Dazugehören Materialwissenschaft-ler, Metallurgen und Prozess-techniker. Andererseits sind die

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Ergebnisse, die der Rheologebereitstellt, lebenswichtigeGrundlagen für die Entwicklungsowohl von Thixolegierungenals auch des Formgebungspro-zesses selbst, der sich von denklassischen Prozessen stark un-terscheidet. Dies zeigt, dass dieRheologie eine interdisziplinäreWissenschaft ist.

Die AVT hat zusätzlich ei-nen weiteren Aspekt in Koope-ration mit einem befreundetenWissenschaftler der Techni-schen Universität Lodz, Polen,bearbeitet, der über das ur-sprüngliche Feld der Rheologiehinausgeht: Die numerische Be-rechnung der Füllung einerForm im Thixoprozess. Bei die-

ser anspruchsvollen Aufgaben-stellung müssen nicht nur diekomplexen rheologischen Ei-genschaften des Metalls, son-dern auch die sehr diffizilenRandbedingungen des Prozes-ses berücksichtigt werden.

Die experimentelle Untersu-chung der rheologischen Eigen-schaften erfolgt in besonderenMessinstrumenten, den Rheo-metern. Das Grundprinzip allerRheometer ist, die Kraft zumessen, die erforderlich ist, umeine bestimmte Verformungoder Verformungsgeschwindig-keit zu erreichen. Weit verbrei-tet sind die Rotationsrheome-ter. In einem zylindrischen Be-cher befindet sich die Probe,

Bild 1: Viskoplastischer Aluminiumbolzen bei 630° C.

Bild 2: Dieses Hochtempera-turrheometer erlaubt

die Untersuchung flüssiger Metalllegierungen

bis 1000°C.

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von Geräteherstellern kommer-ziell umgesetzt worden, sieheBild 2. Zwei typische Ergebnissedieser Untersuchungen sind inden Bildern 3 und 4 dargestellt.Bild 3 zeigt den Viskositätsver-lauf einer Al-Legierung bei ei-ner Temperatur von 590 °Cwährend eines so genanntenSchersprungexperiments. Zu-nächst wird dem Probenmateri-al eine konstante Verformungs-geschwindigkeit aufgeprägt, beider sich ein konstanter, zu die-ser Verformungsgeschwindig-keit gehörender Viskositätswerteinstellt.

Dann wird die Verformungs-geschwindigkeit sprunghaft er-höht und wieder konstant ge-halten. Das Metall reagiert da-bei anfänglich mit einer unmit-telbaren Erhöhung der Visko-sität. Dieses Phänomen nenntman „Overshoot“. Danach fälltdie Viskosität allmählich auf ei-nen niedrigeren, zur neuen Ver-formungsgeschwindigkeit ge-hörenden, Wert. Dies entsprichtdem thixotropen Verhalten desMaterials. Bild 4 zeigt das Er-gebnis einer Simulation derFormfüllung im Vergleich zum

Experiment. Der Moment, derhier beobachtet wurde, ist derÜbergang zwischen einer senk-recht aufsteigenden Strömungund einer horizontal verlaufen-den. Rechts ist die Simulation,links das Experiment dargestellt.Die gute Übereinstimmungzwischen beiden ist offensicht-lich. Im linken Bildteil sind dieFließfronten durch blaue unddie Formgrenzen mit roten Lini-en hervorgehoben.

Nun stellt sich die Frage:Was haben die Metalle mit Blutgemein? Blut ist zwar „ein be-sonderer Saft“, aber rheolo-gisch gesehen nichts anderesals eine Suspension oder Emul-sion. Blut besteht aus dem Plas-ma als Trägerflüssigkeit und zuetwa 45 Prozent aus den Blut-körperchen. Das heißt, vielePhänomene, die man bei denmetallischen Suspensionen be-obachtet, treten auch bei Strö-mungen des Blutes auf. DieVerfahrenstechniker interessiertdabei besonders die Schädi-gung, die im Blut auftritt, wennes beispielsweise mit künstli-chen Pumpen gefördert wird.Das menschliche Herz geht sehr

schonend mit dem Blut um.Künstliche Pumpen dagegenführen bei dauerndem Einsatzzu einer Schädigung der Blut-körperchen, wodurch das Blutseine Funktion einbüßt. In Zu-sammenarbeit mit der Techni-schen Universität Hannover ar-beitet die AVT daher an derEntwicklung eines „Schädigungs-modells“, das es erlauben wird,zusammen mit der Strömung ineiner Blutpumpe auch derenSchädigungspotenzial zu bere-chen.

Autoren:Dipl.-Phys.Nils Oliver Kuhlmannund Dipl.-Phys. Axel Moll sindWissenschaftliche Mitarbeiterdes Lehr- und Forschungsge-biets AVT-Mechanische Ver-fahrenstechnik. Univ.-Prof. Dr.-Ing. Michael Modigell leitet das Lehr- und ForschungsgebietAVT-Mechanische Verfahrens-technik.

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die untersucht werden soll. Inden Becher taucht ein zylindri-scher Rotationskörper ein, dersich mit einer einstellbaren Ge-schwindigkeit in dem Materialdreht. Die von dem Rotations-körper über das Material aufden Becher übertragene Kraftwird gemessen. Da diese Kräftesehr klein sind, müssen Rheo-meter hochpräzise konstruiertund gebaut werden.

Von großer Bedeutung fürtechnische Anwendungen sindzum Beispiel Aluminiumlegie-rungen mit typischen Verarbei-tungstemperaturen von 600 bis700 °C und Stahl mit einer Pro-zesstemperatur bis zu 1400 °C.In diesem Temperaturbereichsind Metalllegierungen außer-dem chemisch aggressiv. DasMaterial, aus dem das Rheome-ter gebaut ist, muss darauf an-gepasst werden wie auch dieZusammensetzung der Gasat-mosphäre, die im Kontakt mitder Probe ist. Rheometer, diediesen Bedingungen gerechtwerden, sind bei der AVT ent-wickelt und gebaut worden,beziehungsweise basierend aufden Erfahrungen bei der AVT

Bild 3: Viskositätsverlauf einer Aluminiumlegierung bei 590° C während eines Schersprungversuchs.

Bild 5:Dipl.-Phys. Axel Moll

überprüft vor der Messung mit einer Lupe eine Probe

von einer Aluminiumlegierung,die unter anderem in

der Automobilfertigung verwendet wird. Anschließend

wird diese Probe in einemHochtemperaturrheometer bei

Temperaturen von 600°Cteilflüssig gemacht und in der

Anlage vermessen.Foto: Peter Winandy

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Bild 4: Füllung einer T-förmigenGießform mit einer Thixole-gierung bei unterschiedlichenFüllgeschwindigkeiten. Vergleich der experimentellbeobachteten Fließfront(links) und berechneten Geschwindigkeitsvektoren(rechts).

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Evangelos Bertakis, Wolfgang Marquardt, Claas Michalik, Andreas Pfennig

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Bild 1: Vom Laborgerät zur Produktionsanlage mit Hilfe von Modellen.

Vom Labor- zum Produktionsmaßstab mit Blick aufs DetailWie exakte Modelle neue Produktionsanlagen ermöglichen DDie chemische Industrie erwirt-

schaftete im Jahr 2006 weltweiteinen Umsatz von gut 150 Mil-liarden Euro und zählt damit zuden wichtigsten und umsatz-stärksten Wirtschaftszweigen.Es ist offensichtlich, dass einsolcher Umsatz im Wesentli-chen in großtechnischen Anla-gen erzielt wird, die mehrereHundert Tonnen chemischeProdukte, wie Kraftstoffe,Kunststoffe oder Medikamenteam Tag herstellen. Doch bevoreine Produktionsanlage in Be-trieb gehen kann, fangen dieUntersuchungen der neuenVerfahren im deutlich kleinerenLabormaßstab an.

Die hier erlangten Erkennt-nisse dienen in der Regel alsGrundlage für die Auslegungund das Design des gesamtenProduktionsprozesses. Falscheoder ungenaue Schlüsse kön-nen teuer werden, wenn diefertige Anlage nicht wie ge-plant funktioniert und Nach-besserungen vorgenommenwerden müssen. Für den wirt-

schaftlichen Erfolg eines Pro-zesses und damit eventuell ei-nes ganzen Unternehmens istes also essenziell, dass die Aus-legung der Produktionsanlageauf der Grundlage von Unter-suchungen im deutlich kleine-ren Maßstab sicher und erfolg-reich gelingt.

Um Anlagen anhand vonUntersuchungen im Labormaß-stab exakt planen zu können,werden mathematische Model-le angewendet, die die ablau-fenden physikalischen Phä-nomene in Gleichungsform re-präsentieren. Die entscheidendeFrage ist also: Welche Eigen-schaften muss ein Modell auf-weisen, damit es zur Prozess-auslegung verwendet werdenkann?

Die zentrale Anforderungfür den Einsatz eines Modellsfür den so genannten Scale-up,bei dem Phänomene vom La-bormaßstab auf den Produkti-onsmaßstab übertragen werden,ist eine mechanistisch korrekteBeschreibung des Prozesses.

Potenzielle Probleme beim Sca-le-up lassen sich leicht am Bei-spiel von Spielzeugautos er-klären. Die kleinen, ungefähr 5bis 10 cm großen Modelle sindunverwüstbar, selbst wenn siemit voller Wucht vor die Wandfahren. Würde man nun Er-kenntnisse aus diesen kleinenModellen direkt als Grundlagefür ein Scale-up verwenden, sowären die Rückschlüssewomöglich falsch. Betrachtetman die Geschwindigkeit relativzur Größe also beispielsweise inder Form Wagenlängen pro Se-kunde statt Kilometer pro Stun-de, wäre die Schlussfolgerung,dass auch ein normaler PKWeinen Frontalcrash mit Maxi-malgeschwindigkeit völlig un-beschadet übersteht. Dieserfalsche Rückschluss liegt daran,dass viele Phänomene sichnicht im gleichen Maße ändern,wie die Abmessungen einesAutos oder auch die einer Anla-ge der chemischen Industrie.

Für die Prozessauslegungbedeutet dies, dass das Modell

nicht nur die im Labor gemes-senen Werte korrekt wiederge-ben muss, sondern alle relevan-ten, im Prozess ablaufendenPhänomene richtig beschreibenund mechanistisch korrekt seinmuss. In Bild 1 wird das Kon-zept des Scale-up Verfahrensfür das Beispiel der Destillationdargestellt. Dabei werden Mo-delle angewandt, um die indu-strielle Anlage basierend aufLaborversuchen auszulegen. Eine Auslegung kann aber nurdann erfolgreich und ökono-misch sinnvoll durchgeführtwerden, wenn die Voruntersu-chungen optimal verlaufen. DieUntersuchungen im Labormaß-stab müssen aussagekräftigeErgebnisse liefern und zwar beimöglichst geringem Aufwand.Nur so ist es möglich, ein Mo-dell zu finden (man spricht hier

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Bild 2: Probenahme an einer Rektifikationsanlage im Technikum der AVT-Thermischen Verfahrenstechnik.Foto: Peter Winandy

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von der Modellidentifizierung),das zum Scale-up eingesetztwerden kann.

Ein neuer Ansatz zur effizi-enten Modellidentifikation wirdim Sonderforschungsbereich540 „Modellgestützte Experi-mentelle Analyse kinetischerPhänomene in mehrphasigenfluiden Reaktionssystemen,kurz MEXA, seit 1998 verfolgtund weiterentwickelt. In diesemSonderforschungsbereich (SFB)ist, neben anderen RWTH-Lehrstühlen, die Aachener Ver-fahrenstechnik (AVT) stark ver-treten und auch die Leitungliegt hier. Der MEXA-Ansatzbeinhaltet unter anderem dieoptimale Durchführung von Ex-perimenten. Ziel ist es, das je-weils optimale Experiment mitmathematischen Methoden zubestimmen. Was das optimaleExperiment ist, hängt dabei vonder Aufgabenstellung ab. Exis-tieren mehrere Modellkandida-ten, so muss der beste ausge-wählt werden; hier spricht manvon Modelldiskriminierung. Istdas richtige Modell gefunden,so bleibt noch das Ziel, die Pa-rameterwerte des Modells mög-lichst genau zu bestimmen.

Es ist dabei wichtig zu er-wähnen, dass ein Modell nichtdann als gut bewertet wird,wenn es die Messdaten gut be-schreibt, sondern wenn es denProzess mechanistisch korrektabbildet. Hier unterscheidet sichder MEXA-Ansatz von der klas-sischen Modellidentifikation, beider in der Regel lediglich über-prüft wird, ob das Modell dieMessdaten gut wiedergibt. Einsolches Modell führt dann beimScale-up häufig zu falschenRückschlüssen. Neben der en-gen Verzahnung von Experi-ment und Modell unterscheidetsich vor allem die Zielsetzungdes MEXA-Ansatzes von derklassischen Methodik, wie sieheute noch in weiten Teilen derBiologie, Chemie und Verfah-renstechnik üblich ist. Bisherwurde das Wissen nur in eineRichtung transferiert: Das durchdie Interpretation der Messer-gebnisse gewonnene Wissenwird in Form eines mathemati-schen Modells repräsentiert. Die Untersuchungen im SFB540 haben aber gezeigt, dassder Wissensgewinn und derModellierungsfortschritt engmiteinander verbunden sind.Durch die systematische Inter-pretation der Messergebnissekann ein detailliertes Modell er-stellt werden, welches wieder-um neue Einblicke in das Pro-

zessverhalten erlaubt. Mithilfedieser Methode wird das erlang-te Wissen durch die Modelle alsonicht nur konserviert und reprä-sentiert, sondern auch erweitert.

Bevor diese Punkte an ei-nem Beispiel demonstriert wer-den, folgt zunächst eine grobeDefinition der MEXA-Methodikzur Modellidentifikation. Im er-sten Schritt ist dabei stets die sogenannte Identifizierbarkeit zuprüfen, die aussagt, ob dasModell mit den messtechnischerfassbaren Größen prinzipiellidentifiziert werden kann. Istdies nicht gewährleistet, mussentweder weitere Messtechnikzum Einsatz kommen, und ge-gebenenfalls neu entwickeltwerden, oder das Modell modi-fiziert werden. Ist die prinzipiel-le Eignung der Messtechnik si-chergestellt, werden so ge-nannte optimale Versuchspla-nungsmethoden eingesetzt, umgenau die experimentellen Be-dingungen zu bestimmen, dieeine effiziente Modellidentifika-tion erlauben. Hier wird in ei-nem ersten Schritt – wie obenbeschrieben – eine geeigneteModellstruktur gesucht und ineinem zweiten werden die Para-meter dieses Modells möglichstexakt bestimmt. Es kann dabeidurchaus vorkommen, dass einepassende Modellstruktur nicht un-mittelbar gefunden wird, sondern

mehrere Durchläufe der Model-lanpassung, Versuchsplanungund -durchführung erforderlichsind.

Identifikation der Reaktionski-netik immobilisierter EnzymeEines der Themengebiete, de-nen sich der SFB 540 widmet,ist die Identifikation von mehr-phasigen Reaktionssystemen. Indiesem Rahmen werden auchdie Reaktionskinetiken von im-mobilisierten Enzymen unter-sucht. Im menschlichen Körper– wie in allen Organismen –spielen Enzyme eine zentraleRolle beim Stoffwechsel, ohnesie wäre beispielsweise keineVerdauung möglich. Chemischbetrachtet sind Enzyme sehrgroße Moleküle, in der Regelaus mehr als 10.000 Atomenbestehend, die eine spezifischeund hocheffiziente Beschleuni-gung (Katalyse) bestimmterbiochemischer Reaktionen er-lauben. Diese Eigenschaftmacht Enzyme auch für diechemische und pharmazeuti-sche Industrie interessant. Denguten Eigenschaften als Kataly-sator stehen aber die hohenKosten und die hohe Empfind-lichkeit gegenüber anderen, ausProzesssicht oft besser geeigne-ten Lösungsmitteln als Wasserentgegen. Eine Möglichkeit, die-se Probleme zu umgehen ist es,

Bild 3: System aus im Hydrogel im-mobilisierten Enzymen undorganischem Lösungsmittel.

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Enzyme in so genannten Hy-drogelen einzuschließen. Aufdiese Weise sind die Enzymeimmer in einer wässrigen Um-gebung und gehen im Verlaufdes Prozesses nicht verloren,was wegen der hohen Kostenvorteilhaft ist.

Für die Modellidentifikationwird dabei das in Bild 3 gezeig-te System verwendet, beste-hend aus einer Hydrogel-Kugel(mit eingeschlossenem Enzym)und einem umgebenden, orga-nischen Lösungsmittel, das gutgeeignet ist, die Ausgangsstoffe(Substrate) der Reaktion zu lösen.Die bei einer solchen Reaktionablaufenden Prozesse sind sehrkomplex, da viele sich überla-gernde Effekte auftreten. Zu-nächst müssen die Substratevon der organischen Phase indie Hydrogel-Kugel übergehen,man spricht hier vom Stoff-transport über die Phasengren-ze. Sind die Substrate im Hy-drogel, so bleiben sie dort nichtan einer festen Position, da sichsonst alle Substrate am Kugel-rand ansammeln würden, son-dern bewegen sich innerhalbdes Hydrogels. Man spricht hiervon Diffusion. Treffen so meh-rere Substrate auf ein Enzym,erfolgt in einer Reihe von Teil-schritten die Reaktion, die dasProdukt bildet. Das Produkt be-wegt sich dann ebenso wie die

Substrate durch das Hydrogelund geht schließlich in die or-ganische Phase über.

Es ist offensichtlich, dass dieVielzahl von parallel ablaufen-den und sich überlagerndenPhänomenen eine detaillierteModellierung des Prozessesstark erschwert. Umso erstaun-licher ist es, dass die Modelli-dentifikationen dieser Prozessebisher in der Literatur fast aus-schließlich auf Messungen inder organischen Phase beru-hen. Die komplexen Vorgängeim Inneren der Hydrogel-Kugelsollen dabei anhand von Mes-sungen in der homogenen, or-ganischen Phase identifiziertwerden. Mit dem oben be-schriebenen MEXA-Ansatzkonnte in einem ersten Schrittgezeigt werden, dass eine sol-che Modellidentifikation prinzi-piell nicht möglich ist, die Mes-sungen in der organischen Pha-se also für eine Modellidentifika-tion nicht ausreichend sind. Imweiteren Verlauf der Untersu-chungen konnte gezeigt werden,dass Konzentrationsmessungeninnerhalb der Hydrogel-Kugel er-forderlich sind, am besten ent-lang des Radius der Hydrogel-Kugel. Diese Messungen wurdenmittels einer neu entwickeltenLasermesstechnik ermöglicht unddurchgeführt. Anhand der Datenkonnte ein exaktes Modell der

im Hydrogel ablaufenden Reak-tion identifiziert werden. DiesesModell berücksichtigt dabei alleTeilschritte der Reaktion, die wiefolgt abläuft:

Im ersten Teilschritt bindetdas erste Substrat an das so ge-nannte aktive Zentrum des En-zyms. Im zweiten Teilschritt bin-det das zweite Substrat an dasaktive Zentrum. Sind beide Sub-strate an das Enzym gebunden,findet die Reaktion statt und ausden zwei Substraten wird ein Pro-duktmolekül gebildet. Im letztenTeilschritt verlässt dieses Produkt-molekül das aktive Zentrum.

Aufgrund der detailliertenModellierung kann nun allenTeilschritten eine Geschwindig-keit zugeordnet werden. Dabeihat sich gezeigt, dass die Pro-duktfreisetzung, also der Schritt,bei dem das Produkt das aktiveZentrum des Enzyms verlässt,der mit Abstand langsamste ist.Eine insgesamt höhere Reakti-onsgeschwindigkeit, die auswirtschaftlicher Sicht hochinter-essant ist, ließe sich also in ersterLinie durch eine Beschleunigungder Produktfreisetzung erreichen. Weitere Analysen haben gezeigt,dass das Enzym einen sehr en-gen „Gang“ hin zum aktivenZentrum besitzt. Das relativgroße Produktmolekül kommtnur langsam durch diesen engenGang. Eine verbesserte Variante

des Enzyms müsste also einenbreiteren Gang zum aktivenZentrum besitzen. In diesemFall hat das durch die detaillier-te Modellierung gesteigerteProzessverständnis demnach di-rekt den Weg zu einer wirt-schaftlichen Optimierung geeb-net. Eine Enzymvariante, dieden identifizierten Flaschenhalsnicht aufweist, wird bereits ent-wickelt. Mit dieser Enzymvari-ante und dem detaillierten Pro-zessmodell steht dann auch derEntwicklung einer hochwirt-schaftlichen Produktionsanlagenichts mehr im Weg.

Autoren:Univ.-Prof. Dr.-Ing. WolfgangMarquardt ist Inhaber des Lehr-stuhls AVT-Prozesstechnik.Dipl.-Ing. Claas Michalik istWissenschaftlicher Mitarbeiteram Lehrstuhl AVT-Prozess-technik. Univ.-Prof. Dr.-Ing. Andreas Pfennig ist Inhaber des Lehrstuhls AVT-ThermischeVerfahrenstechnik. Dipl.-Ing.Evangelos Bertakis ist Wissen-schaftlicher Mitarbeiter amLehrstuhl AVT-Thermische Verfahrenstechnik.

a k a d e m i e

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den, wird bei der AVT im Zugedes Exzellenzclusters „Maßge-schneiderte Kraftstoffe aus Bio-masse” als auch dem Graduier-tenkolleg „Biokatalyse in un-konventionellen Medien“ (Bio-NoCo) daran geforscht. DasGraduiertenkolleg wurde 2005gegründet. Es ist eine interdiszi-plinäre Gruppe aus hochqualifi-zierten Akademikern unter-schiedlicher Fachrichtungen.Biologen, Chemiker und Biover-fahrenstechniker forschen ge-meinsam auf dem Gebiet derBiokatalyse in unkonventionellenReaktionsmedien. Das wissen-schaftliche Team arbeitet an derSchnittstelle von Natur- und In-genieurwissenschaften und de-monstriert so die erfolgreiche Zu-sammenarbeit zwischen RWTHAachen und Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf sowiedem Forschungszentrum Jülich.

Einer der Forschungs-schwerpunkte sind ionischeFlüssigkeiten als neuartiges Lö-sungsmittel. Die ionischen Flüs-sigkeiten sind organische Salzemit einem Schmelzpunkt unter100 °C. Eigenschaften wieMischbarkeit mit Lösungsmit-

teln, Hydrophobizität und Pola-rität können durch den Ionen-aufbau beeinflusst werden. Diemeisten ionischen Flüssigkeitenbesitzen einen sehr geringenDampfdruck, leiten den elektri-schen Strom, sind schwer ent-zündlich und haben selektive Lö-seeigenschaften. Dieses machtionische Flüssigkeiten zu einerviel versprechenden Alternativezu den herkömmlichen organi-schen Lösungsmitteln. Kern desProjektes ist es, die enzymati-sche Hydrolyse von Cellulosemechanistisch zu charakterisie-ren. Damit kann ein entschei-dender Beitrag für neue Pro-duktionsverfahren zur Herstel-lung von Biokraftstoffen geleis-tet werden. Dabei werden ioni-sche Flüssigkeiten als neuartigeLösungsmittel zum Auflösender Cellulose und Hemicelluloseeingesetzt. Durch die ionischeFlüssigkeit wird die Cellulose,die in Wasser und den meistenorganischen Lösungsmitteln un-löslich ist, gelöst und kann mitWasser wieder ausgefällt wer-den. Dadurch wird die hochor-ganisierte Struktur der Celluloseaufgebrochen und das Biopoly-

mer für die Angriffe der Enzy-me zugänglich gemacht. Aucheine direkte Hydrolyse der inionischen Flüssigkeiten gelöstenCellulose mit Enzymen wird un-tersucht. Dies erfordert die Op-timierung der Enzyme für dieseneuen Reaktionsbedingungenund wird in enger Kooperationmit dem RWTH-Lehrstuhl fürmolekulare Biotechnologiedurchgeführt. Allerdings warenbis zuletzt keine zeitlich hochaufgelösten Messverfahren vor-handen. Mit Hilfe der amLehrstuhl AVT-Bioverfahrens-technik entwickelten BioLector-Technik kann nun die Cellulose-auflösung in ionischen Flüssig-keiten und ihr Abbau durch hy-drolytische Enzyme online ver-folgt werden. Dieses Gerät er-möglicht eine Messung derLichtstreuung und Fluoreszenzim Mikrotiterplatten-Formatunter geschüttelten Bedingun-gen und kann mit einer vollau-tomatischen Roboter-Pipettier-einheit kombiniert werden.Durch das online-Monitoringder Auflösungskinetik ergebensich völlig neue Möglichkeitenfür den direkten Vergleich un-

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BBiokatalysatoren, auch Enzymegenannt, sind Proteine, die un-zählige Stoffumwandlungspro-zesse beschleunigen. Enzymesteuern nicht nur den Stoff-wechsel in unserem Körper,sondern stehen auch im Mittel-punkt vieler umweltfreundlicherProduktionsverfahren. Sie fin-den ihre Anwendung in so un-terschiedlichen Industriezwei-gen wie der Lebensmittel-, Kos-metik-, Textil- oder Papierindus-trie. Enzyme bieten ein enor-mes Potenzial für unsere indus-trielle Gesellschaft und sind ausunserem Alltag nicht mehrwegzudenken. Ob Joghurt, ef-fektive Waschmittel, Gesichts-creme oder lebenswichtigeschmerzlindernde Medikamen-te, alle diese Produkte werdenmit Hilfe von Enzymen herge-stellt. Die Anzahl der industriellnutzbaren Biokatalysatorensteigt von Jahr zu Jahr.

Viele der enzymatischenReaktionen finden in wässrigerLösung statt, da das Wasser ei-ne essenzielle Komponente fürEnzymreaktionen ist. Schwieri-ger wird es, wenn das Substrateine niedrige Wasserlöslichkeitbesitzt, wie zum Beispiel bei derHydrolyse von Cellulose zurBiokraftstoffsynthese. Um dieLöslichkeit der Substrate zu er-höhen, werden organische Lö-sungsmittel, ionische Flüssigkei-ten, überkritische Fluide undGase als Reaktionsmedien ein-gesetzt. Die enzymatische Re-aktion kann sowohl in einemEin- als auch im Zwei-Phasen-System stattfinden. Das ist ab-hängig von der Mischbarkeitdes Lösungsmittels mit Wasser.Oft führt der Einsatz dieser sogenannten unkonventionellenReaktionsmedien jedoch zu ei-ner erheblichen Verringerungder Effizienz der Enzyme. Damitdie Enzyme auch in den unkon-ventionellen Reaktionsmedienmit einer vergleichbaren Akti-vität und Selektivität funktio-nieren, ist es notwendig, diegeeigneten maßgeschneidertenBiokatalysatoren sowie die ge-eigneten neuen Lösungsmittelzu finden.

Um für die schnell steigen-de Zahl der Enzymanwendun-gen in unkonventionellen Me-dien optimale Lösungen zu fin-

Biokatalyse in unkonventionellen Medien

Ionische Flüssigkeiten, organische Lösungsmittel, überkritische Fluide und Gase als Reaktionsphasen für biokatalysierte Synthesen

Antje Spieß,Helene Wulfhorst

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terschiedlicher ionischer Flüssig-keiten und die Identifizierungvon leistungsfähigen Lösungs-mitteln im Hoch-Durchsatz.

Ein anderer Aspekt für dietechnische Nutzung von Enzy-men ist der Einsatz von organi-schen Lösungsmitteln. Mit denwachsenden Anforderungen andie Enzymeigenschaften für dietechnischen Anwendungensteigt auch die Bedeutung derProzessoptimierung in der Bio-katalyse, die eine kostengünsti-ge und zeiteffektive Durch-führung der enzymatischen Re-aktionen ermöglichen.

Ein weiteres Forschungsfeldauf dem Gebiet der unkonven-tionellen Lösungsmittel ist dieGasphasenkatalyse. In der Gas-phasenkatalyse werden gasför-mige Substrate durch trockeneEnzyme in gasförmige Produkteumgesetzt. Verschiedene Enzy-me und Reaktionen, die durchisolierte Enzyme oder ganzeZellen katalysiert werden, sindbereits im Gasphasenreaktoruntersucht. Die prominentestenuntersuchten Enzymtypen inder Gasphasenkatalyse sind Al-koholdehydrogenasen und Li-

pasen. Der Vorteil der Gaspha-senkatalyse ist die höhere Be-triebsstabilität der Enzyme beigleichzeitigen hohen Raum-ZeitAusbeuten im Vergleich zuwässrigen Systemen. Die For-schungsschwerpunkte sind hierdie Entwicklung und Durch-führung neuer Reaktionen imkontinuierlichen Gasphasenre-aktor. Die Enzyme werden aufgeeigneten Trägern immobili-siert und auf ihre Aktivität un-tersucht. Durch Variation un-terschiedlicher Prozessparame-ter und anschließende Produkt-analyse werden die Reaktionenoptimiert. So konnte für dieProduktion von 1-(R)-Phenyl-ethanol aus Acetophenondurch eine Alkoholdehydrogen-ase aus Lactobacillus brevis dieWirtschaftlichkeit erheblich er-höht werden.

Die hauptsächliche For-schung unkonventioneller Lö-sungsmittel erfolgt jedoch un-ter Verwendung von Hydrola-se-Enzymen, wie zum BeispielCellulasen und Lipasen. Diesliegt vor allem an ihrer bekann-ten hohen Aktivität und Stabi-lität. Die gewonnenen Ergeb-

nisse können nicht ohne weite-res auf andere Enzyme übertra-gen werden. Um die Einsatzbe-reiche und –grenzen unkonven-tioneller Reaktionsmedien fürdie Biokatalyse in synthetischenAnwendungen abzuschätzen,müssen thermodynamische undkinetische Phänomene in kom-plexen Reaktionssystemen ver-standen werden und spezifischeWechselwirkungen zwischenBiokatalysatoren, Reaktionsme-dien und Reaktoren identifiziertund zu Designkriterien ent-wickelt werden. Daher wirdauch zukünftig der Bereich derBiokatalyse in unkonventionel-len Medien ein zentraler Be-standteil unserer Forschung seinund in dem GraduiertenkollegBioNoCo und weiteren Projek-ten intensiv untersucht werden.

Autoren:Dr.-Ing. Antje Spieß ist Wissen-schaftliche Assistentin und Dipl.-Ing. Helene Wulfhorst arbeitet als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am LehrstuhlAVT-Bioverfahrenstechnik.

Bild 1: Die BioLector-Techno-logie ermöglicht erstmalig dieonline-Detektion verschiedens-ter Analyten im Mikrotiterplat-ten-Format unter geschütteltenBedingungen. Durch eine onli-ne Verfolgung von Streulicht-und Fluorescence-Signal kön-nen verschiedene Prozesspara-meter wie Wachstum von (mi-krobiellen) Kulturen oder En-zymkinetiken im Hochdurch-satz analysiert werden. HeleneWulfhorst bereitet ein Hoch-durchsatz Experiment zur Un-tersuchung der Cellulosdepoly-merisation im BioLector vor. Foto: Peter Winandy

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S

José Ayesterán, Sara Fayyaz,

Philipp Frenzel, Bettina Kollmeier,

Nicole Kopriwa,

Zeit für den Rohstoffwandel

BiomasseDie Energieversorgung basie-rend auf Biomasse stellt einevielseitige Alternative dar undweckt zudem die Hoffnung,die Abhängigkeit von den fos-silen Rohstoffen zu reduzierenund den CO2-Ausstoß zu ver-ringern. Biomasse kann, imGegensatz zur Fotovoltaik, füralle Energieanwendungsgebie-te wie Strom, Wärme undKraft eingesetzt werden. Insbe-sondere im Verkehrssektorwerden die Biokraftstoffe be-reits heute als eine möglichenachhaltige Alternative zu fos-silen Kraftstoffen betrachtet.Biokraftstoffe der ersten Gene-ration wie Biodiesel oder Bio-ethanol werden lediglich ausTeilen der Energiepflanze wieder Frucht oder den Samenhergestellt. Damit stehen Bio-kraftstoffe der ersten Generati-on in direkter Konkurrenz zurNutzung der Pflanzen für dieErnährung, sie können allerdingsden heutigen Kraftstoffen bis zueinem gewissen Prozentsatzproblemlos beigemischt werden.

Biokraftstoffe der zweitenGeneration zeichnen sich da-durch aus, dass für ihre Her-stellung nahrungstechnisch ir-relevante Pflanzen wie Holz,Gras oder Abfall als Rohstoffedienen können. Durch die Nut-zung der gesamten Pflanze

sind die Energieerträge proHektar entsprechend größer.Allerdings ist die Herstellungdieser Biokraftstoffe noch zuteuer. Die Aachener Verfah-renstechnik ist mit 14 Teilpro-jekten am Exzellenzcluster„Maßgeschneiderte Kraftstoffeaus Biomasse“ beteiligt, indem Biokraftstoffe der drittenGeneration entwickelt werden.Ziel ist es, aus Bioabfällen opti-male Kraftstoffe herzustellen,sodass eine Konkurrenz zurNahrungsmittelherstellung nichtgegeben ist.

Schon heute reichen diehergestellten Lebensmittelnicht aus, um die Weltbevölke-rung zu sättigen. Hinzukommt, dass die Weltbevölke-rung stetig wächst; ausgehendvon aktuell etwa 6,5 MilliardenMenschen wird bis 2050 mit ei-nem Wachstum auf deutlichüber 9 Milliarden gerechnet.Damit wächst der Bedarf anLebensmitteln und Energie.Diese Trends kombiniert mitsteigenden Energiepreisen ha-ben im letzten Jahr auch zu ei-ner Explosion der Lebensmit-telpreise geführt. Die Verwen-dung der Biomasse zur Ener-giegewinnung ist zwar nichtder einzige Grund für die Preis-steigerung, da temporäre Ursa-chen wie Missernten oder diesteigende Nachfrage nach

Bild 1: Reserven an fossilen Primär-energieträgern unter Berücksich-tigung des Bevölkerungswachs-tums und eines realistischen An-stiegs des weltmittleren Lebens-standards.

Schlagwörter wie „erneuerbareEnergien“, „Klimawandel“oder „Nachhaltigkeit“ tauchenderzeit oft in den Medien auf.Die diskutierten Zahlen undMeinungen werden dabei sehrunterschiedlich dargestellt undsind für einen Laien oftmalsschwer nachzuvollziehen. Da-her wurden im Rahmen einerLehrveranstaltung der Aache-ner Verfahrenstechnik Faktenzusammengetragen, um einGesamtbild über die Möglich-keiten und Potenziale verschie-dener regenerativer Technolo-gien quantitativ zu bewerten,die zur zukünftigen Energiever-sorgung beitragen können. DieVorlesung wurde in Kooperati-on mit dem Lehrstuhl fürDeutsche Philologie durchge-führt, um die Kommunikationin interdisziplinären Kontextenzu untersuchen und insbeson-dere auch die Ingenieure darinzu unterstützen, die Sachver-halte allgemein verständlich zuformulieren. Dieser Beitraggehört zu den Ergebnissen derVeranstaltung.

Die Notwendigkeit für denEinsatz erneuerbarer Energienergibt sich, weil die Vorräte derfossilen Energieträger, wie inBild 1 dargestellt, bereits in ab-sehbarer Zukunft aufgebrauchtsein werden. Aus der Prognoseergibt sich, dass die Reservenvon Erdöl und Erdgas zuerst zurNeige gehen, aber auch Kohlehat nur eine vergleichsweise kur-ze Reichweite. Würden nun allediese Reserven fossiler Energie-träger verbrannt, so würde daszur weiteren globalen Erwär-mung deutlich über das als nochunkritisch angesehene +2°C-Ni-veau hinaus führen. Für einenachhaltige Entwicklung dürfenalso nicht einmal alle Reservengenutzt werden. Oftmals wirddie Kernenergie als mögliche Al-ternative angeführt; hierbei sindallerdings die Nachteile wie bei-spielsweise die Gefahr eines ato-maren Unfalls und die sichereEntsorgung der langfristig riskan-ten Abfälle zu bedenken. Auf-grund dieser Risiken und daauch die Kernenergie nicht voll-ständig CO2-neutral ist, konzen-trieren wir uns hier auf die er-neuerbaren Energien.

Die wichtigsten regenerati-ven Quellen zur Energiebereit-stellung sind Wasser, Wind,Sonne, Biomasse und Geother-mie. Es ist sinnvoll, eine zu-künftige Energieversorgungaus einem Mix dieser regene-rativen Quellen zu gestalten,um Schwankungen besser aus-gleichen und die Energiever-sorgung den regionalen Gege-benheiten anpassen zu kön-nen. Da die Technologien zurenergetischen Nutzung vonWasser und Wind bereits weit-gehend entwickelt sind, ist die-ser Artikel auf die Energiebe-reitstellung aus Biomasse undFotovoltaik sowie eine Spei-cherung mit Hilfe von Wasser-stoff fokussiert. Für diese Tech-nologien sollen die zukünftigenPotenziale abgeschätzt und so-wohl die Chancen als auch dieRisiken aufgezeigt werden.

Martin Köster, John McIntyre, Kristina Meier, Marius Müller,

Andreas Pfennig,

Julia Schmidt, Patrick Schmidt,

Irene Somoza, Nikolai Weber,

Till Weinert

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höherwertiger Nahrung in denSchwellenländern auch zu die-ser Entwicklung beitragen. Eskann aber nachgewiesen wer-den, dass die Preise der Lebens-mittel proportional zur Biokraft-stoff-Produktion gestiegen sind.

Wie viel Energie können wirglobal betrachtet aus Biomassegewinnen? Zurzeit gibt es15,5 Millionen km2 ungenutzteAckerfläche weltweit. Das ent-spricht etwa der Fläche vonSüdamerika. Diese Fläche ver-ringert sich von Jahr zu Jahr, dadurch Versiegelung und Um-weltkatastrophen ein Teil un-nutzbar wird. Unter der Annah-me einer Flächeneffizienz fürBiomasse von 1,5 kWh/m²könnten mit der ungenutztenAckerfläche etwa 55 Prozentdes heutigen Erdölbedarfs be-ziehungsweise 20 Prozent desgesamten Primärenergiebedarfsgedeckt werden. Berücksichtigtman aber die stetig wachsendeWeltbevölkerung und den An-stieg des globalen Primärener-gieverbrauchs, so ist der maxi-male Anteil der Biomasse ander Energiebereitstellung zu-künftig deutlich geringer.

Dies lässt den Schluss zu,dass die Effizienz der Bioenergienicht besonders hoch ist. Wirddie Fotosynthese mitberück-sichtigt, liegt der Gesamtwir-kungsgrad unter einem Prozentfür die Umwandlung der amErdboden einfallenden Sonnen-strahlung in Nutzenergie. Foto-voltaik erreicht dagegen selbstunter Berücksichtigung der Ver-luste für die Herstellung der So-larmodule und aller Abschrei-bungen Wirkungsgrade vonüber zehn Prozent.

Trotzdem macht die energe-tische Nutzung von Biomassedurchaus Sinn, wenn nicht ei-gens Energiepflanzen angebautwerden, sondern organischeAbfallprodukte für Biokraftstof-fe der zweiten und dritten Ge-neration verwendet werden.Damit können allerdings nurwenige Prozent des Energieum-satzes bereitgestellt werden.Biomasse wird zukünftig einenoch stärkere Bedeutung beider stofflichen Nutzung haben,insbesondere als chemischerRohstoff. Außerdem können

schon heute die biogenenKraftstoffe bei Verknappungder Ressource Erdöl als Ersatzdienen, bis sich der Verkehrs-sektor zum Beispiel auf Brenn-stoffzellen und Elektrofahrzeu-ge umgestellt hat.

Bereits heute dient Biomas-se also als Ergänzung zu erdöl-basierten Treibstoffen. Vor Au-gen halten sollte man sich da-bei, dass aus 100 kg Weizen 25 l Biosprit oder 100 kg Brothergestellt werden können. Dasist etwas mehr, als jeder Bun-desbürger im Durchschnitt jähr-lich verzehrt (etwa 87 kg) undwas vom Energieinhalt fürknappe 100 Tage eine ausrei-chende Ernährung sicherstellenkann. Es sollte sich also jederdie Frage stellen: Ist es wichti-ger, dass ein Mensch für fast100 Tage genug zu essen hat,oder dass mein Wagen einmalhalb voll getankt wird? Solcheund verwandte Themen wer-den im Programm „Ethics forEnergy Technologies“ im Pro-jekthaus HUMTEC (HumanTechnology Centre) beforscht,das im Rahmen der Exzellenzi-nitiative gefördert wird. An die-sem Programm sind neben Ver-fahrensingenieuren auch Elek-trotechniker und Philosophenbeteiligt. Ziel ist es dabei, einenRahmen für ethisch vertretbareTechnologiepfade modellbasiertabzuleiten.

FotovoltaikDas theoretische Potenzial derFotovoltaik, die die Energie derSonnenstrahlen effizienter alsdie Biomasse umsetzt, ist sehrhoch, da die Sonnenenergie,die auf die Erde trifft, den welt-weiten Primärenergiebedarf umein Vielfaches übersteigt. Zwarist das technisch nutzbare Po-tenzial wesentlich geringer,aber für die Deckung des glo-balen Energiebedarfs wird nurein noch kleinerer Teil benötigt.Gerade die Wüstenregionenund Gebiete in Äquatornähesind prädestiniert für den Ein-satz der Fotovoltaik. Durch dieNutzung der Wüsten wird auchdie Konkurrenz zur Nahrungs-mittelproduktion ausgeschlossen. Zurzeit liegen die Kosten beiFotovoltaik-Strom allerdings

Strategien und ethische Implikationen

noch bei dem Zehnfachen de-rer für konventionell erzeugtenStrom. Um einen signifikantenAnteil an der Stromerzeugungzu erreichen, müssten also dieKosten erheblich reduziert wer-den. Forscher versuchen durchandere Materialien oder neueKonzepte die Wirkungsgradevon Solarzellen zu verbessern,um sie preiswerter zu machen.Lässt sich diese Preisentwick-lung als Basis für Prognosennun vorhersagen? Dazu kenntdie Betriebswirtschaftslehre dieempirische Methode der „Lern-kurven“. Hierbei geht man da-von aus, dass der Preis pro An-lage bei einer Verdopplung derproduzierten Anlagen, um ei-nen bestimmten Faktor, demLernfaktor, reduziert wird. Mit-

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verflüssigt. So lässt sich Was-serstoff wie Benzin einfach ander Zapfsäule tanken.

Wasserstoff kann in einerBrennstoffzelle zu Strom undWärme umgewandelt oder ineinem leicht modifizierten Ver-brennungsmotor eingesetztwerden. Der Wirkungsgrad ei-ner Brennstoffzelle liegt heutebereits im Bereich von her-kömmlichen Verbrennungsmo-toren. Doch an der Brennstoff-zelle wird erst seit Kurzem in-tensiv geforscht, hier ist also ei-ne große Steigerung zu erwar-ten, vor allem da der theoreti-sche Wirkungsgrad deutlichhöher ist als bei Verbrennungs-motoren. Der Transport vonWasserstoff zum Verbraucherkann dabei in Tanks erfolgen oderüber ein Netzwerk von Pipe-lines.

Wasserstoff bietet also dasPotenzial, uns weiterhin mobilzu halten und die regenerati-ven Energien jederzeit verfüg-bar zu machen. Durch intensiveForschung wird es in Zukunftnoch deutliche Fortschritte inallen Bereichen der Produkti-ons- und Nutzungskette ge-ben, sodass die heute nochvorhandenen Verluste absehbarreduziert werden können.

Bild 2: Zukünftige Preisentwicklung von fotovoltaisch und konventionell erzeugtem Strom basierend auf eigenen Berechnungen mittels Lernkurven.

hilfe eines Modells, in dem ne-ben dem Lernfaktor auch zu-sätzliche Parameter berücksich-tigt werden, wurde die Preis-entwicklung für verschiedeneSzenarien berechnet. Bild 2zeigt die Ergebnisse dieser pro-gnostizierten Szenarien für dieKostenentwicklung der Foto-voltaik in Abhängigkeit vonden heutigen deutschen undinternationalen Stromgeste-hungskosten der Fotovoltaik. InLändern wie beispielsweise Ja-pan können heutzutage bereitsFotovoltaikzellen mit einem umdie Hälfte niedrigeren Preis alsin Deutschland erworben wer-den – ein Resultat des deut-schen Energie-Einspeise-Geset-zes. Zudem sind die Stromge-stehungskosten der fossilen En-ergieträger in der Grafik darge-stellt, wobei ausgehend vonden heutigen Teuerungsratenangenommen wurde, dass derjährliche Preisanstieg der fossi-len Energieträger zwischenzehn und 30 Prozent betragenwird. Dieser Anstieg lag in denletzten zehn Jahren trotz allerPreisausschläge um 20 Prozent.Es wird deutlich, dass etwa umdas Jahr 2020 – spätestens2030 – fotovoltaisch erzeugterStrom günstiger wird als derkonventionell erzeugte.

WasserstoffEine weitere Herausforderungfür die Forscher stellt die Ener-giespeicherung dar. Konventio-nelle Akkus in Autos sind zur-zeit groß und damit schwer. Ih-re langen Ladezeiten sind zu-dem für den Verbraucher lästigund die Materialien sind teuerund meist selten. In moderne-ren Lithium-Ionen-Akkus kannzwar pro Kilogramm Akku vielEnergie gespeichert werden, al-lerdings gibt es auf der Erdenicht ausreichend Lithium, umalle Autos damit auszustatten.Eine weitere Möglichkeit Stromzu speichern bietet Wasser-stoff. Dieser kann beispielswei-se mit fotovoltaisch erzeugtemStrom aus Wasser hergestelltwerden. Der Wasserstoff wirddann für stationäre Anwendun-gen in Metallverbindungenoder Drucktanks gespeichertoder für den mobilen Einsatz

KonsequenzenDie Bedürfnisse nach ausrei-chend Nahrung, Energie undMobilität werden offensichtlichden Mix der zukünftigen Ener-giequellen bestimmen. Einebreite Nutzung aller zur Verfü-gung stehenden Möglichkeitenzur Bereitstellung von Energieist schon allein deswegen not-wendig, um nicht wieder vonnur wenigen Rohstoffen undderen Verteilung auf der Weltabhängig zu sein.

Forscher und Ingenieure ar-beiten an immer neuen undbesseren Technologien, dieRessourcen gut auszunutzen,sparsam damit umzugehen undneue Quellen zu erschließen.Doch nicht nur Technologiensollten vorangetrieben werden.Die neuen Techniken müssen inder Bevölkerung auch akzep-tiert werden und für alle Natio-nen wirtschaftlich und einsetz-bar sein, um den steigendenEnergie- und Nahrungsbedarfglobal nachhaltig befriedigenzu können. Auch ein Abbrem-sen des Bevölkerungswachs-tums, zum Beispiel durch För-derung der Bildung für diebreite Bevölkerung, kann einerVerschärfung des Hungers nachNahrung und Energie entgegen-wirken.

Außerdem kann auch durcheine Umstellung der Ernährungs-gewohnheiten der Welthungerbekämpft werden. So gäbe esweltweit genügend Nahrungs-mittel, wenn weniger Fleischgegessen würde. Insgesamtkönnen wir die globalen Her-ausforderungen also meistern,wenn sowohl das Verhalten derMenschen auf mehr Nachhal-tigkeit gerichtet wird, da dieseinen massiven Einfluss hat, alsauch durch die konsequenteNutzung der heute bereits ver-fügbaren Technologien.

Autoren:Univ.-Prof. Dr.-Ing. AndreasPfennig ist Inhaber des Lehr-stuhls AVT-Thermische Verfah-renstechnik. M.Sc. José ManuelAyesterán, M.Sc. Sara Fayyazund Dipl.-Ing. Nicole Kopriwasind Wissenschaftliche Mitar-beiter des Lehrstuhls AVT-Thermische Verfahrenstechnik.Philip Frenzel, Bettina Kollmeier,John McIntyre, Kristina Meier,Marius Müller, Patrick Schmidt,Irene Somoza und Nicolai Webersind Studierende der AVT-Ther-mische Verfahrenstechnik.Martin Köster, Julia Schmidtund Till Weinert sind Studieren-de am Institut für Kommuni-kationswissenschaften.

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Flüssig-Flüssig-Extraktion im Mixer-Settler zur Abtrennung von Biokomponenten.Foto: Peter Winandy

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Wilfried Herdin, Nils Kuhlmann, John Linkhorst,

Timo Mittag, Christoph Rube,

Marco Scholz, Florian Weber,

Matthias Wengerter

studenten der FachrichtungenEnergie-, Fahrzeug- und Verfah-renstechnik. Das Projekt bietetden Studenten die Möglichkeit,im Team zu arbeiten und dastheoretische Wissen aus denVorlesungen in ein Produkt zuüberführen. Der Wettbewerbwird genutzt, um das eigeneKönnen unter Beweis zu stellenund sich mit Studierenden ande-rer Universitäten auszutauschen.Das Konzept zum Bau desRWTH-ChemCars basiert aufdem Produktentwicklungspro-

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D

zess. Zunächst wurden die An-forderungen an das ChemCarberücksichtigt, die durch dasRegelwerk der Wettbewerbs-veranstalter vorgegeben sind.Weitere Anforderungen legtedas Team fest. In einem weite-ren Schritt wurden Ideen ge-sammelt und hinsichtlich ihrerRealisierbarkeit bewertet. Nacheiner anschließenden Untersu-chung der verbliebenen Vor-schläge, wählte das Team dasim nächsten Abschnitt vorge-stellte Konzept aus. Die Berech-

nung der notwendigen An-triebsleistung und die experi-mentelle Untersuchung der che-mischen Reaktion standen hierim Vordergrund. Den letztenSchritt schließlich stellte dieKonstruktion des ChemCar undder Test unter Wettkampfbedin-gungen dar.

Das „sPRINTEr“-Fahrzeugwird angetrieben durch eineTurbine, die über ein Getriebemit der Antriebswelle desChemCars verbunden ist. DieTurbine wird von Wasser durch-

Der „sPRINTEr“ will den Titel

Der ChemCar-Wettbewerb fin-det in diesem Jahr zum viertenMal statt. Dabei messen sichacht studentische Teams siebendeutscher und einer polnischenUniversität in Mannheim mit ihrenFahrzeugen. Der Wettbewerbwird im Rahmen der ProcessNetJahrestagung ausgetragen.

Ein ChemCar ist ein selbstkonstruiertes, schuhkarton-großes Fahrzeug, das mit einem(bio-)chemischen Antrieb aus-gestattet ist und nicht fernge-steuert werden darf. Zum An-trieb dürfen nur ungefährlicheStoffe verwendet werden undeine kritische Prüfung muss densicheren Betrieb des Fahrzeugsnachweisen. Auch darf dasChemCar nur geringe Mengenan Kohlenstoffdioxid, Wasser-dampf, Stickstoff und Sauer-stoff emittieren. Der Austrittvon Flüssigkeiten ist durch dasChemCar-Regelwerk untersagt.Ziel des Wettbewerbs ist, eineam Wettkampftag ausgelosteStrecke zwischen zehn und 20Metern mit dem ChemCarmöglichst exakt zurückzulegen.Zudem muss eine Zuladungvon bis zu 500 ml Wassertransportiert werden. Andersals in den Jahren zuvor, ist dieNutzung eines Elektromotorsnicht gestattet, um die Entwick-lung neuer Antriebskonzepte zuforcieren. Eine zusätzlicheSchwierigkeit stellt das Verboteiner mechanischen Bremse so-wie Zeit- und Wegmessern dar.Die Herausforderung ist somitnicht nur der Antrieb des Chem-Cars, sondern vielmehr das ex-akte Stoppen auf der Zielgera-den.

In die Bewertung durch ei-ne Jury von Industrievertreternfließen neben der präzise er-reichten Entfernung sowohl einoriginelles und innovativesKonzept als auch eine hervorra-gende Präsentation des Projektsein. Als Anreiz winken dem Ge-winnerteam der begehrteChemCar Pokal und 2000 EuroPreisgeld.

Nach den positiven Erfah-rungen der letzten Jahre nimmtauch in diesem Jahr ein moti-viertes Team der RWTH Aachenmit Namen "sPRINTEr" amWettbewerb teil. Das Team be-steht aus sechs Maschinenbau-

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Bild 1: Nils Kuhlmann (links) und Marco Scholz (rechts)unterstützten in diesem Jahr die Studierenden Wilfried Herdin, Florian Weber, Timo Mittag, Christoph Rube, John Linkhorst und Matthias Wengerter (von links) beim ChemCar-Wettbewerb.Foto: Peter Winandy

strömt, das durch eine chemi-sche Reaktion auf den nötigenDruck gebracht wird. Dazu wirddie chemische Reaktion vonBackpulver und Zitronensäureverwendet. Hierbei entsteht ne-ben Natriumcitrat und Wasserauch Kohlenstoffdioxid. DasGas drückt das Wasser durchdie Turbine und wird anschlie-ßend in einem Auffangbehältergespeichert. Um die zurückzule-gende Strecke einzustellen, wirdein vorgegebenes Wasservolu-men über der Turbine ent-

spannt. Ist das gesamte Wasserdurch die Turbine geströmt,wird das Fahrzeug nicht weiterangetrieben. Das ChemCarwird somit an der vorgegebe-nen Stelle stoppen.

Die Karosserie des Chem-Cars besteht aus einer einfa-chen Holzplatte als Träger, dieüber Wälzlager mit den Achsenverbunden sind. Das Konzeptüberzeugte die Veranstalter desWettbewerbs und das RWTH-Team ist für die Endausschei-dung nominiert.

Nach dem Bau des Chem-Cars werden erste Versuche un-ter Wettkampfbedingungendurchgeführt. Die Versuchedienen der Ermittlung des Ver-haltens des Fahrzeugs. Die sogesammelten Daten sollendann in ein Simulationsmodelleinfließen, das das Verhaltenabhängig von den ParameternStrecke und Zuladung voraus-sagen soll. Das ChemCar-Teamfreut sich auf einen spannen-den Wettkampf.

Autoren: Dipl.-Phys. Nils Kuhlmann istWissen-schaftlicher Mitarbeiterdes Lehr und Forschungsge-biets AVT-Mechanische Ver-fahrenstechnik. Dipl.-Ing. Marco Scholz ist Wissenschaft-licher Mitarbeiter des LehrstuhlsAVT–Chemische Verfahrens-technik. Wilfried Herdin, John Linkhorst, Timo Mittag,Christoph Rube, Florian Weberund Matthias Wengerter sindStudenten der AVT.

Neue Antriebskonzepte messen sich auf der Rennstrecke

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Professsor Walter Leitner erhält Forschungspreis

Für seine innovativen For-schungsarbeiten zur Entwick-lung nachhaltiger chemischerProzesse wurde Univ.-Prof. Dr.Walter Leitner vom Institut fürTechnische und Makromoleku-lare Chemie mit dem Wöhler-Preis für RessourcenschonendeProzesse ausgezeichnet. Profes-sor Leitner ist externes wissen-schaftliches Mitglied des Max-Planck-Instituts für Kohlenfor-schung in Mülheim und Wis-senschaftlicher Direktor des ge-meinsam von der RWTH undder Bayer AG gegründeten„CAT – Catalytic Center“. ImZentrum seiner Arbeiten stehtdie Katalyseforschung von denmolekularen Grundlagen bis zureaktionstechnischen Ansätzen.Leitner erforscht neue Katalysa-toren und katalytisch aktiveMaterialien und versucht, neueMethoden der Stoffumwand-lung zu etablieren. Auf der Su-che nach neuartigen Lösungs-mitteln für katalytische Prozes-se befasst er sich mit dem viel-fältigen Potenzial von überkriti-schem Kohlendioxid als „GreenSolvent“. Ziel dieser Forschungist es, chemische Prozesse si-cherer, sauberer, und energieef-fizienter – und damit auch wirt-schaftlich erfolgreicher – zu ge-stalten.

Humboldt-Professur geht an die RWTH

Als neuer Humboldt-Professorwird Matthias Wessling die Aachener Verfahrenstechnikverstärken. Der 46-jährige In-genieurwissenschaftler von der niederländischen UniversitätTwente wird aktuelle Forschungs-themen der Membrantechnikeinbringen, dabei liegt einSchwerpunkt seiner Arbeit beider Entwicklung von Membra-nen zur Unterstützung nachhal-tiger Prozesse, wie sie beispiels-weise bei der CO2-Abschei-dung oder Wasseraufbereitungzum Einsatz kommen. Wesslingnutzt neue Materialien mit spe-zifischen Eigenschaften für sei-ne grundlagenorientierte For-schung. Dabei hat er gleichzei-tig Anwendungen aus der Che-mie- und Energiewirtschaft imBlick sowie medizintechnischeLösungen. Für die RWTH stelltdie Auszeichnung von Wesslingund die Ansiedlung der Hum-boldt-Professur eine besondereAuszeichnung dar. Der mit fünfMillionen Euro dotierte For-schungspreis sichert die Finan-zierung der Arbeit dieses her-ausragenden Wissenschaftlersfür die nächsten fünf Jahre.

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RWTH Aachen an der Spitze im Förder-Ranking

Mit 257 Millionen Euro nimmtdie RWTH Aachen den erstenPlatz beim Förder-Ranking derDeutschen Forschungsgemein-schaft ein. Damit löst die Aa-chener Hochschule die Lud-wigs-Maximilians-UniversitätMünchen ab, die 249 MillionenEuro einwerben konnte. „Wirfreuen uns außerordentlichüber dieses Ergebnis“, soRWTH-Rektor Univ.-Prof. Dr.-Ing. Ernst Schmachtenberg.„Für uns ist das Auszeichnungund Ansporn zugleich, die Ar-beit in der eingeschlagenenRichtung fortzusetzen. MeinDank gilt allen Beschäftigten,die in den letzten Jahren mit soviel Engagement daran gearbei-tet haben.“ Allein in den Inge-nieurwissenschaften warb dieRWTH Aachen im Zeitraumvon 2005 bis 2007 insgesamt155,7 Millionen Euro ein. Auchin der Betrachtung „DFG-Be-willigungsvolumen je Profes-sor“ kann die RWTH in den In-genieurwissenschaften mit über1,2 Millionen Euro je Professorweiterhin den ersten Rang be-haupten. Bei der Anzahl derGastaufenthalte der Alexander-von-Humboldt-Stiftung zwi-schen 2003 bis 2007 sowie denGastaufenthalten des Deut-schen Akademischen Aus-tauschdienstes (DAAD) zwi-schen 2005 und 2007 belegtdie RWTH in den Ingenieurwis-senschaften den dritten, bezie-hungsweise den zweiten Platz.In den Naturwissenschaftenliegt sie dabei jeweils auf Rang2. Dieses Ergebnis wird nochdadurch unterstrichen, dass dieABC-Region Aachen-Bonn-Kölneinschließlich des Forschungs-zentrums Jülich mit insgesamt550 Millionen eingeworbenerDFG-Mitteln die forschungs-stärkste Region der Bundesre-publik Deutschland darstellt.Die Regionen Berlin und Mün-chen folgen mit je 520 Millio-nen Euro.

75 Jahre Institut für Textiltechnik

Das Institut für Textiltechnikunter der Leitung von Univ.-Prof. Dr.-Ing. Thomas Gries fei-erte sein 75-Jähriges Jubiläum.Schwerpunkt der Forschungs-tätigkeit ist die Entwicklungvon Textilmaschinen und -kom-ponenten, neuen Werkstoffen,neuen Verfahren zur Herstel-lung von Textilien, neuen tex-tilen Strukturen und neuen Pro-dukten wie zum Beispiel Faser-verbundwerkstoffe und Medi-zintextilien. Mit den Feierlich-keiten zum Jubiläum wurdeauch das neue InstitutsgebäudeINNOTEX eingeweht. Das Ge-bäude in der Otto-Blumenthal-Straße wurde aus textilbewehr-tem Beton gebaut. Zur Eröff-nung konnten Rektor Schmach-tenberg und Professor Griesauch Staatssekretär Dr. ThomasRachel begrüßen.

Namen

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35 Millionen Euro für ein neues Forschungszentrum

Groß ist die Freude an derRWTH Aachen: Im Erweite-rungsgebiet Melaten kann einneues Forschungsgebäude er-richtet werden. Die Gemeinsa-me Wissenschaftskonferenz ge-nehmigte jetzt 35 Millionen Eu-ro für den Neubau des "Zen-trums für mobile Antriebe"oder auch "Center for mobilepropulsion". Der Spatenstich ist bereits am13.Oktober erfolgt. RWTH-Institute der Fakultäten für Ma-schinenwesen, Elektrotechnikund Naturwissenschaften wol-len dort gemeinsam mit demForschungszentrum Jülich emis-sionsarme und energieeffizienteAntriebe für nachhaltige Mobi-lität erforschen.

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RWTH im Spitzentechnologie-wettbewerb erfolgreich

Gleich mit mehreren Anträgenwar die RWTH im Spitzentech-nologiewettbewerb „High-tech.NRW" erfolgreich. Für denWettbewerb wurden 149 An-trägen eingereicht, neun Vor-haben werden in den nächstendrei Jahren aus Landes- undEU-Mitteln finanziert. Erfolg-reich waren die RWTH-Anträ-ge: „Beschleunigte Umsetzungneuer Tumorbehandlungskon-zepte", „Karosseriebauteile ausCFK für die Großserienferti-gung" sowie „Entwicklung vonelektroaktiven Polymeren zurSchwingungsbeeinflussung".Darüber hinaus sind RWTH-In-stitute beteiligt am Projekt„Ressourceneffiziente Herstel-lung von Carbonfasern" (Dral-on, Dormagen) sowie „Res-sourceneffizienz durch stofflicheNutzung von CO2 und regene-rative Erzeugung von Wasser-stoff" (Evonik, Marl).

NRW fördert Solarzellen-projekt mit 1,85 Millionen Euro

Dr. Jens Baganz, Staatssekretärdes Ministeriums für Wirtschaft,Mittelstand und Energie desLandes Nordrhein-Westfalen,überreichte jetzt eine Bewilli-gung für das mit 1,85 MillionenEuro dotierte Projekt ADMITTER.Im Forschungsverbund ADMIT-TER arbeitet das Institut fürHalbleitertechnik mit den Part-nern Solland Solar Cells GmbHund der AMO GmbH zusam-men. Die Wissenschaftler ent-wicken dabei die Grundlagenund Technologien zur Herstel-lung eines selektiven Emitters,der bisherige Konflikte bei derHerstellung von Solarzellen auf-hebt. Der Emitter bildet die licht-seitige, hochsensitive Ober-fläche einer Solarzelle und be-stimmt maßgeblich den Wir-kungsgrad sowie ihre Wirt-schaftlichkeit. Das Konzept des selektivenEmitters umgeht das bislangbestehende grundlegende Di-lemma der gegensätzlichen An-forderungen an den Emitter.Für seine hohe elektronischeQualität ist einerseits eine mög-lichst niedrige Zahl von Dotier-atomen, welche für die Erzeu-gung von elektrischer Span-nung bei SonneneinstrahlungVoraussetzung sind, anzustre-ben. Andererseits erfordern ho-cheffiziente elektronische Kon-takte zwischen dem Silizium derSolarzelle und den Metallfin-gern auf der Vorderseite derSolarzelle einen stark dotiertenEmitter. Der selektive Emitterwird beiden Anforderungen ge-recht, indem er zwei unter-schiedlich dotierte Gebiete auf-weist. Unterhalb des Kontakt-fingers wird eine hohe Dotie-rung zur Optimierung des elek-trischen Kontaktes eingestellt;in den Bereichen, die vom Son-nenlicht getroffen werden, wirddie Dotierung hingegen niedriggehalten. Diese Selektivität lässteine weitere Effizienzsteigerun-gen erwarten, die in der Weltder Solarzellen eine überragen-de Bedeutung hat.

Ehrungen für Professor Manfred Nagl

Anlässlich der Emeritierung von Prof. Dr.-Ing. Manfred Nagl lud die Fachgruppe Infor-matik zu einem Festakt ein.Nach seinem Studium an derUniversität Erlangen und derHabilitation im Jahr 1978 istNagl an verschiedenen Hoch-schulen erfolgreich tätig gewe-sen. Im Jahr 1986 folgte erdem Ruf an die RWTH Aachenund war seitdem am Lehrstuhlfür Informatik 3 (Softwaretech-nik) der Aachener Hochschuletätig. Seit 1995 hatte er zusätz-lich einen Zweitsitz an der Fakul-tät für Elektrotechnik und Infor-mationstechnik der RWTH Aa-chen.

Im Rahmen der INFORMA-TIK 2009, der größten Fach-konferenz im deutschsprachi-gen Raum, hat die Gesellschaftfür Informatik e.V. (GI) Pro-fessor Nagl zum GI-Fellow er-nannt. GI-Fellows zeichnen sichdurch herausragende Beiträgetechnisch-wissenschaftlicher Artzur Informatik aus. Es könnenaber auch Personen gewürdigtwerden, die sich um die Gesell-schaft für Informatik oder umdie Informatik im Allgemeinenverdient gemacht haben.

Nachrichten

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Neuer Siemens-Pate der RWTH Aachen

Dr.-Ing. Siegfried Russwurm istneuer Siemens-Pate der RWTHAachen und tritt damit dieNachfolge von Professor KlausWucherer an. Institution derPatenschaft ist das SiemensCenter of Knowledge Inter-change (CKI) der RWTH Aa-chen. Im CKI führen die Sie-mens AG und die RWTH Aa-chen ihre technischen und wirt-schaftswissenschaftlichen Kom-petenzen zusammen. Dr. Russ-wurm ist seit 2008 Mitglied des Vorstands der Siemens AGund dort zuständig für Perso-nal. Seit über 15 Jahren ist derArbeitsdirektor in unterschiedli-chen Funktionen und Spartenfür die Siemens AG tätig, zu-letzt unter anderem als Be-reichsvorstand bei Siemens Me-dizintechnik. Die von Univ.-Prof.em. Dr. Dr. Walter Evers-heim geleitete Kooperationzwischen Siemens und derRWTH hat zum Ziel, gemeinsa-me Aktivitäten in Forschungund Entwicklung zu initiieren,talentierten Nachwuchs zu för-dern und auf diese Weise dasNetzwerk zwischen Siemens-Bereichen und Wissenschaftle-rinnen und Wissenschaftlernder RWTH zu stärken.

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Das BMBF fördert drei Projekte

Thomas Rachel, Parlamentari-sche Staatssekretär im Bundes-ministerium für Bildung undForschung, überbrachte zweiWissenschaftlern der RWTHAachen einen Bewilligungsbe-scheid für drei Forschungspro-jekte im Rahmen der Innovati-onsallianz „Lithium Ionen Bat-terie LIB 2015“ über insgesamt1,6 Millionen Euro. Univ.-Prof.Dr.rer.nat. Dirk Uwe Sauer, Ju-niorprofessor für Elektrochemi-sche Energiewandlung undSpeichersystemtechnik, will inseinem Projekt „Li-Five“, zu-sammen mit sieben Partnernaus Industrie und Forschung,neue Fünf-Volt-Lithium-Ionen-Zellen mit hoher Lebensdauerfür Hybrid- und Elektrofahrzeu-ge entwickeln, die wesentlichdazu beitragen werden, dieReichweite von Straßenfahrzeu-gen zu vergrößern und Kostenzu reduzieren.

Univ.-Prof. Dr.-Ing. KarlBernhard Friedrich, Leiter desInstituts für Metallurgische Pro-zesstechnik und Metallrecycling,war gleich mit zwei Anträgenerfolgreich. Sie werden gemein-sam mit dem mittelständigenUnternehmen Accurec, Mülheim,die „Rückgewinnung der Wert-stoffe aus zukünftigen Li-Ion-basierten Automobil-Batterien“zum Thema haben. Dabei gehtes darum, entsprechende Pro-zesstechniken und wirtschaftlicheRecyclingverfahren zu ent-wickeln, um die wertvollen Be-standteile zurückzugewinnen.Im Verbundprojekt „LiVe Lithi-umbatterie-Verbundstrukturen“wird das Institut für Maschi-nenelementee und Maschinen-gestaltung gemeinsam mit universitären Partnern in Braun-schweig, Duisburg-Essen, Erlan-gen, Hannover, Gießen undMünster arbeiten. Thema derAachener Wissenschaftler dabeiist die „Performancesteigerungdurch gezielte Elektrodenarchi-tektur mit Nanokompositenund Core-Shell-Materialien“.

Neues Studentenlabor

Das Studentenlabor „Faszinati-on Umwelt“ des Instituts fürUmweltforschung und derFachgruppe Biologie wurdejetzt offiziell eingeweiht. DasLabor wurde von Univ.-Prof.Dr. Henner Hollert im Zuge sei-ner Berufung an das Lehr- undForschungsgebiet Ökosystem-analyse der RWTH Aachenkonzipiert und umgesetzt. DieKosten lagen bei 650.000 Euro.Diese wurden teilweise aus Stu-diengebühren, aus Geldern derExzellenzinitiative und aus Be-rufungsmitteln finanziert. Erstdie großzügige Unterstützungverschiedener Industrieunter-nehmen machte das Labormöglich: So konnten Geräteund Ausstattung im Wert vonüber 500.000 Euro als Spendeneingeworben werden. Haupt-sponsor ist die Firma Nikon, dieim Rahmen der eigens hierfüreingerichteten Kooperation„Environmental Imaging“ eineumfangreiche moderne opti-sche Ausstattung stellt. Beson-ders die Biostation, ein speziel-les Mikroskop mit integriertemZellbrutschrank, versprichtspannende Projekte für die Stu-dierenden. Weitere Sponsorensind Abimed (Pipetten), AgilentTechnologies (HPLC), BFi Opti-las (Bildauswertesoftware), In-tegra Bioscience (Sterilbank),Labomedic (Kleingeräte), Mett-ler Toledo (Feinwaage) sowieTECAN Deutschland (Fluores-zenzphotometer).

Zwei neue Mitglieder im Hochschulrat

Der Senat der RWTH Aachenhat zwei neue Mitglieder desHochschulrates bestätigt: Pro-fessor Dr. Gudrun Gersmannfür den Bereich der Geistes-und Kulturwissenschaften sowieDr. Fiona Williams aus dem Be-reich der Industrie. Beide ken-nen die RWTH Aachen aus ei-gener Anschauung und aus Ko-operationen.

Gersmann ist Direktorin desDeutschen Historischen Institutsin Paris. Von 2002 bis 2004hatte sie die RWTH-Professurfür Geschichte der Frühen Neu-zeit inne. Williams ist seit 1991bei Ericsson und am StandortAachen im Bereich der Informa-tionstechnologie tätig; sie istdort Forschungsdirektorin miteinem Schwerpunkt in interna-tionalen Projekten.

Der Hochschulrat derRWTH Aachen besteht auszehn Mitgliedern. Gersmannund Williams übernehmen dieÄmter von Professor Dr. LondaSchiebinger von der StanfordUniversity sowie Heinrich Weiss,Vorsitzender der Geschäfts-führung der SMS GmbH undVorsitzender des Aufsichtsratsder SMS Demag AG, die ausberuflichen Gründen ausge-schieden sind.

Namen

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Auszeichnung für Juniorprofes-sorin Rafaela Hillerbrand

Dr.rer.nat. Dr.phil. Rafaela Hil-lerbrand, Juniorprofessorin fürAngewandte Technikethik,wurde jetzt in die Junge Akade-mie der Berlin-Brandenburgi-schen Akademie der Wissen-schaften und der DeutschenAkademie der NaturforscherLeopoldina aufgenommen. InBerlin erhielt sie gemeinsam mitneun weiteren Nachwuchswis-senschaftlern im Rahmen einerFestveranstaltung ihre Mitglied-surkunde.

Hillerbrand leitet am Hu-man Technology Center, kurzHumTec, die Forschungsgruppe„Ethics for Energy Technolo-gy“. Ziel der Forschungsgruppeist es, eine Brücke zu schaffenzwischen dem empirischenWissen über unterschiedlicheEnergietechnologien und einerwissenschaftstheoretisch reflek-tierten sowie ethisch fundiertenAnalyse der angemessenenVerwendung solcher Technolo-gien.

Für ihre mit summa cumlaude bewertete Promotion inPhysik an der Universität Mün-ster erhielt Hillerbrand 2008den Naturwissenschaftspreisder Ingrid zu Solms-Stiftung.Auch im Fachbereich Philoso-phie promovierte sie an derUniversität Erlangen-Nürnbergmit summa cum laude und er-hielt für ihre Doktorarbeit denLilli-Bechmann Rahn-Preis2004. Bevor die 32-Jährige imJanuar 2009 nach Aachen kam,forschte sie zuletzt an der Uni-versity of Oxford über Hand-lungen unter Risiko und Unsi-cherheit.

Festkolloquium für Professor Günther Friedrich

Anlässlich des 80. Geburtstagesvon Professor Dr. Günther Frie-drich luden das Institut für Mi-neralogie und Lagerstättenlehresowie die Klockmann-Stiftungzu einem Festkolloquium ein.Günther Friedrich war von1975 bis 1994 Inhaber desLehrstuhls für Mineralogie undLagerstättenlehre. 1929 inStuttgart geboren studierte erzunächst dort, später in Heidel-berg. Nach seiner Promotionkam er als WissenschaftlicherAssistent an die RWTH und ha-bilitierte 1962. Anschließendfolgte ein Forschungsaufenthaltin den USA und Kanada. Schließ-lich wurde Friedrich Leiter derAbteilung Angewandte Lager-stättenlehre und 1975 ordentli-cher Professor für Mineralogieund Lagerstättenlehre. Fried-rich waren die internationaleBeziehungen seines Institutesbesonders wichtig. Auch dieNachwuchsförderung hatte erstets im Blick, so initiierte er alsVorsitzender der Deutschen Mi-neralogischen Gesellschaft den„Paul-Ramdohr-Preis“, der anherausragende Nachwuchswis-senschaftler vergeben wird. Fürsein Engagement wurde ihm1995 die „Abraham-Gottlob-Werner-Medaille in Gold“ vonder Deutschen MineralogischenGesellschaft verliehen.

RWTH Aachen im Wettbewerb „exzellente Lehre“ ausgezeichnet

Die RWTH Aachen wird mitihrem Zukunftskonzept „Stu-dierende im Fokus der Exzel-lenz“ im Wettbewerb „exzel-lente Lehre“ ausgezeichnet. Siegehört damit zu den sechs Uni-versitäten, deren Konzepte zurVerbesserung der grundständi-gen Lehre in der deutschenHochschulentwicklung durchden Stifterverband für dieDeutsche Wissenschaft und dieKultusministerkonferenz derLänder mit einem Preisgeld voneiner Million Euro gefördertwerden. Mit diesen Mitteln sollin erster Linie für die Optimie-rung der studienvorbereitendenInformationen, für eine bessereBetreuung in der Studienan-fangsphase und für die Ent-wicklung innovativer Projektein der Lehre gesorgt werden.

Der Wettbewerb würdigtvor allem solche Konzepte alsexzellent, in denen die grund-ständige Lehre regelmäßig Ge-genstand der Entwicklungspla-nung, Qualitätssicherung undstrategischen Steuerung einerHochschule ist. Die sechs Ge-winner aus 108 Antragsskizzenund 24 Finalisten, die zur Ab-gabe eines Langantrages auf-gefordert wurden, sind unterden Universitäten neben derRWTH Aachen, die Universitä-ten Bielefeld, Freiburg undPotsdam sowie die TUs Kaisers-lautern und München.

Das Maßnahmenbündel istdurch vier strategisch breit an-gelegte Kernbereiche und de-ren Fokussierung auf die Be-dürfnisse der Studierenden ge-kennzeichnet. So werden dieStudierenden bei ihrem Start indas anspruchsvolle Studiumdurch bessere studienvorberei-tende Informationen, verpflich-tende Self Assessments und einindividuelles Mentoringsystemunterstützt. Die Qualifizierungaller Lehrenden steht im Vor-dergrund. Im Kernbereich Lehr-und Lernkonzepte sind nebenden Vorkursen und Einführungs-veranstaltungen Blended Lear-ning Konzepte sowie verstärkteGruppen- und Projektarbeit.Die Einrichtung eines Explora-tory Teaching Space ist als Frei-raum zur Entwicklung innova-tiver Lehrkonzepte vorgesehen.Das vierte Maßnamenpaket sichert die Struktur und die Or-ganisation aller Qualitätsmaß-nahmen in der Lehre. Dies um-fasst ein weiterentwickeltes An-reizsystem, klar umrissene Zu-ständigkeiten des Prorektoratsfür Lehre beziehungsweise derStudiendekanate sowie Instru-mente zur Erfassung von Lehr-qualität.

Auszeichnung für Matthias Wuttig

Die Chinese Academy of Scien-ces hat Univ.-Prof. Dr. MatthiasWuttig für ihr Einstein Profes-soren-Programm ausgewählt.Jährlich werden maximal 20 an-erkannte Wissenschaftler nachChina eingeladen, um dort ihreArbeiten und aktuelle For-schungsergebnisse vorzustellen.Wuttig ist Inhaber des Lehr-stuhls für Experimentalphysik Iund Leiter des I. PhysikalischenInstituts. 1960 in Mettmanngeboren studierte Wuttig Phy-sik an der Universität zu Köln.Anschließend arbeitete er amForschungszentrum Jülich undpromovierte an der RWTH.Zunächst war er weiter als Wis-senschaftlicher Mitarbeiter amForschungszentrum Jülich tätig,bis er im Oktober 1997 denRWTH-Lehrstuhl übernahm.Wuttig war im Laufe seinerwissenschaftlichen Karriere be-reits mehrfach im Ausland tätig,so als Gastwissenschaftler amLawrence Berkeley Laboratorysowie bei den Bell Labs in denUSA, an der Zhejiang Universityin China, der Kenyatta Univer-sity in Kenia, dem Almaden Re-search Center von IBM in SanJose oder auch am Data Stora-ge Institute in Singapur. Er er-hielt vom Bundesministeriumfür Bildung und Wissenschaftden Heinz-Maier-Leibnitz Preis,wurde mit dem Gaede-Preis derDeutschen Vakuum Gesell-schaft und mit dem Stanford R.Ovshinsky Preis ausgezeichnet.

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Nachrichten

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In der nächsten Ausgabe:

Erste Ergebnisse der Exzellenz-initiative

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