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Ruswil, auf den Zuschauern Rossmärt z Ru smu€¦ · Bauern vom Ross auf den Traktor umstellten,...

Date post: 30-Apr-2020
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SCHWEIZER ILLUSTRIERTE SCHWEIZER ILLUSTRIERTE 46 47 Rossmärt z Ru smu Der letzte seiner Art: Seit 67 Jahren gibt es den Pferdemarkt in Ruswil LU. Züchter und ROSSHÄNDLER zeigen ihre schönsten Tiere. Und hoffen auf gute Geschäfte. Das Dorf Mitten in Ruswil, auf dem Marktplatz neben dem Altersheim (l.), findet der Rossmärt statt. Die Show Jungstuten wer- den Zuschauern und Jury präsentiert. Hier: Dominik Portmann mit Dolce Vita. Der Jö-Faktor Die Kinder begeistern sich vor allem für die Ponys. Nebst Pferden werden auch Esel verkauft. Die Tiere 1950 fand der erste Markt mit ein paar hun- dert Pferden statt. Heute sind 31 Tiere angemeldet.
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SCHWEIZER ILLUSTRIERTE SCHWEIZER ILLUSTRIERTE46 47

Rossmärt z Ru smu Der letzte seiner Art: Seit 67 Jahren gibt es den Pferdemarkt in Ruswil LU. Züchter

und ROSSHÄNDLER zeigen ihre schönsten Tiere. Und hoffen auf gute Geschäfte.

Das Dorf Mitten in Ruswil, auf dem Marktplatz neben dem Altersheim (l.), findet der Rossmärt statt.

Die Show Jungstuten wer-den Zuschauern und Jury präsentiert. Hier: Dominik Portmann mit Dolce Vita.

Der Jö-Faktor Die Kinder begeistern sich vor allem für die Ponys. Nebst Pferden werden auch Esel verkauft.

Die Tiere 1950 fand der erste Markt mit ein paar hun-dert Pferden statt. Heute sind 31 Tiere angemeldet.

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Ein Prost auf die Rössli! Das

Showlaufender Jungstuten freut die

Festbesucher

Mit Bier und Fachwissen Gäste beobach-ten die Pferde-schau vom Festzelt aus. Hier ein Ross mit geschertem Fell.

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Schattenspiel In der Abend-sonne werden zwei Pferde und ein Fohlen von der Weide heim zum Gestüt geführt.

Otti Otto Portmann, 52, Chef auf dem Meierhof. Markenzeichen: Stumpen im Mund – ausser am Wochenende.

Neue Schuhe Stute Dolce Vita bekommt vor dem Markttag frische Hufeisen. Ottis Sohn Dominik (l.) ist Hufschmied.

Vorfreude auf dem

MeierhofMorgen besuchen Ross und

Rösseler den Märt

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Parat für den Märt. Wer schön sein will, muss stillhalten. So ein Rossleben ist kein Ponyhof

Anziehend Viele Werkzeu-ge von Huf-schmied Domi-nik, 23, sind ma-gnetisch. «Es fällt dann nichts zu Boden.»

Salon Otti Die dreijährige Delia wird für den Markt auf-gehübscht. Otti mit Schere, sein Sohn Dominik (l.) hilft mit.

Waschanlage Delia unter der Kärcher-Dusche auf dem Meier-hof. Dominik schamponiert die Stute ein und spritzt sie ab.

Heisses Eisen Dominik setzt ein erhitztes Hufeisen auf Dolce Vitas Huf. Das raucht und stinkt. Und tut nicht weh.

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TEXT MARCEL HUWYLER FOTOS KURT REICHENBACH

Ausgerechnet heute gibt es für Otti kei-nen Stumpen. Im-mer an den Wo-chenenden, das hat

er sich mal vorgenommen, ver-zichtet er aufs Rauchen. Dabei wäre seine werktägliche Villiger rund gerade heute Samstag Bal-sam für die Nerven. Otto «Otti» Portmann, 52, gelernter Bauer, ge-lernter Fleischfachmann («da-mals hiess das noch Metzger») und Pferdezüchter, ist nervös. Heute findet der Rossmärt in Rus-wil statt; Rusmu sagen die Lozär-ner. Ottis Unruhe überträgt sich auch auf seine zwei Freiberger Jungstuten, Delia und Dolce Vita: Sie schnauben, tänzeln und sind zappelig. Es ist drum das erste Mal, dass die zwei Rössli in den Ausgang dürfen.

Otti und seine Familie haben die Stuten gestern Freitag schön gemacht: haben sie herausgeputzt, gestriegelt, gebürstet, geschert, frisiert, gewaschen, schamponiert, ja gar frisch behuft. Heute sollen sie am Rossmärt präsentiert wer-den und an der Jungstuten-Show samt Prämierung mitmachen. Otti liebäugelt mit einer Spitzen-Rangierung.

Familie Portmann lebt auf dem Meierhof. Das Gestüt liegt in Sigigen, einem Ortsteil von Ruswil. Schon Ottis Vater hatte vier Freiberger Zuchtstuten, sein Sohn tut es ihm heute, ein paar Nummern grösser, gleich. Die Portmanns betreiben eine Zucht, führen einen Pensionsstall und bilden Reit- und Zugpferde aus. Rund 40 Rösser stehen in ihren Ställen, eigene und fremde.

Es ist jetzt neun Uhr. Zeit auf-zubrechen. Nach Ruswil hinunter

Mr. President? Viele Pferde-Anhänger tra-gen das Logo JFK. Was hat das mit dem ehemaligen US-Präsidenten John F. Kenne-dy (JFK ge-nannt) zu tun? Nichts! Es ist das Kürzel des Herstellers der Anhänger: Junior Fritz Krähenbühl aus Wiedlisbach BE.

sinds keine zehn Minuten. Port-mann dirigiert Delia und Dolce Vita in den Pferdeanhänger. Ges-tern Nacht, es war nach elf, stie-felte Otti nochmals in den Stall und schaufelte die dampffrischen Rossbollen aus den Pferdeboxen, «damit sich meine zwei Schönen nicht mehr dreckig machen».

Er verriegelt die Tür des Pfer-deanhängers, setzt sich ins Auto. «Auso, gömmer! Uf Rusmu abe.» Viele Rösseler – Pferdehändler, Züchter, Reiter, Kutscher, Bauern und Pferdeliebhaber – pilgern heute nach Ruswil. Je nachdem, wo sie wohnen, sagen sie: Mir gönd uf Rusmu … ufe, abe, hinde-re oder vöre.

Das Dorf – ein einziger grosser Bauernhof. Ruswil, die Ortschaft im Rottal, im Wahlkreis Sursee, gilt als grösste Bauerngemeinde der Schweiz. Über 200 Landwirt-schaftsbetriebe stehen im Dorf, ein Fünftel der 6800 Einwohner arbeitet im Agrarsektor. Ruswil hat – mit über 7000 Stück Rind-vieh, 33 000 Schweinen und 64 000 Hühnern – den grössten Nutztierbestand des Landes.

Und einen schweizweit einma-ligen Rossmarkt.

Der Märt z Rusmu ist der letz-te seiner Art: vielerlei Waren, allerlei Rösser, 50 Stände und Dutzende Pferde, Festwirtschaft, Musik, Pommes frites mit Brat-wurst, suure Moscht, tausend Be-sucher. Und alles zmitzt im Dorf, auf dem grossen Parkplatz.

«Ruswil – am Sonnenhang» preist sich die Gemeinde im Internet an. Und hält ihr Werbe-wort: Es ist an diesem Samstag-morgen schweinekalt, aber sau-schön. Das freut Rösseler, Markt-fahrer – und die Bauern. Besagt doch eine alte Bauernregel: Im Märzen kalt und Sonnenschein, wirds eine gute Ernte sein.

Die ersten Rossbollen pflapflapflatschen kurz nach neun Uhr auf den Asphalt des Marktplatzes. Allerhand Huftiere trotten heran, von ihren Besitzern am Zügel geführt, und werden an einer langen, über den ganzen Platz gespannten Eisenkette fest-gebunden. In Reih und Glied ste-hen sie da: Pferde mit Klasse der Rassen Freiberger, Burgdorfer, Haflinger, Edelbluthaflinger. Aber auch Esel stehen zum Verkauf, und Shetlandponys, diese Hy-drant-hohen, stämmigen Mini-pferde mit übergrossen Grinden, quadratischen Mäulern und den strähnigen Wischmobfrisuren, wie sie auch die Popper-Jugend in den 1980er-Jahren trug.

«Willkommen zum 57. Ruswi-ler Pferde- und Warenmarkt», hallt die Stimme des Platzspea-kers durchs Dorf. 1950 fand der erste Märt statt. Nach dem Zwei-ten Weltkrieg herrschte in der Schweiz ein Mangel an Arbeits-pferden für die Höfe. Also schuf man den Rossmärt Ruswil. Aus dem ganzen Luzern- und angren-zenden Bernbiet kamen Bauern und Rosshändler angeritten, bis zu hundert Tiere wechselten ih-ren Besitzer. Und die Knechte deckten sich am Märt auch noch grad mit neuen Kleidern ein.

Als dann in den 70er-Jahren die Bauern vom Ross auf den Traktor umstellten, verlor der Rusmu-Märt an Bedeutung und wäre fast eingegangen. «1998 hatten wir noch gerade mal zwei Pferde am Märt», erinnert sich Otti Port-mann. «Dann rauften wir Rösse-ler uns zusammen, halfen einan-der, und seither gehts aufwärts.» Er bindet seine Stuten Delia und Dolce Vita an die lange Kette auf dem Marktplatz, die Rössli sind unruhig, freudig erregt, schauen schmuck aus, stolz und selbst-

Für alle Sinne «Fan»-Artikel für Rösseler: Tabakpfeifen für Züchter, Plüschrössli für Kinder, Rosswurst für Geniesser.

Die Prüfung Dominik Portmann und Freundin Salome Bannwart präsentieren der Jury die trabende Delia.

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bewusst. «Hat sich gelohnt», strahlt Otti, «dass wir die zwei gestern so herausgeputzt haben.»

Delia und Dolce Vita. Zwei Prachtsrössli. Mit Stammbaum.

Delia vom Meierhof, geboren am 12. 3. 2014. Abstammung: Don Ovan – Norway – Elysée II.

Dolce Vita du Clos Virat, ge-boren am 18. 3. 2014. Abstammung: Don Ovan – Libero – Havane. Doch auch Jungstuten müssen lernen: Wer morgen am Märt ge-winnen will, muss allerlei Ver-schönerung über sich ergehen lassen. So ein Rossleben ist schliesslich kein Ponyhof.

Am Freitag vor dem Märt fährt Ottis Sohn Dominik, 23, von Beruf Hufschmied, mit seiner mobilen Schmitte vor die Stallun-gen. Dolce Vita bekommt frische Hufeisen. Dominiks Freundin Sa-lome Bannwart, 23, und Otti hal-ten das Tier fest und reden ihm zu, während es behuft wird. Die neu-en Eisen werden in einem Gas-ofen im Kofferraum der mobilen Werkstatt bis zur Rotglut erhitzt und dann – mit Rauch, Zischen und Gestank – am Huf angepasst. Dolce Vita zickt, Otti spricht wie ein strenger, aber verständnisvol-ler Vater zu ihr: «Muesch doch nid so dumm tue, isch jo grad ver-bii.» Dabei kaut er auf seinem er-loschenen Stumpen herum. Heu-te darf er ja noch …

Zum Schluss werden Delia und Dolce Vita gewaschen; Schweif, Mähne, Fesselhaar bringt Otti mit Trimmer und Schere in Form. Er hat nicht vor, seine Rössli morgen zu verkaufen. Noch nicht. Es sei aber gut, vor Ort zu sein, Präsenz zu markieren. Ein Sieg wäre bes-te Werbung für den Meierhof. Auf je 8000 bis 25 000 Franken schätzt Otti den Preis für seine Stuten. Am Rusmu-Märt morgen testet er den Marktwert seiner Tiere.

Ruswil, Samstag, es ist mitt-lerweile 10.30 Uhr. Der Speaker kündigt die Jungstuten-Show an. Die Marktbesucher strömen her-bei, umsäumen eine abgesperrte 50-Meter-Laufbahn, den Catwalk der Rössli. Grosses Gedränge: Rentner mit Bratwürsten, alte Fraueli mit Poschti-Täsche, Bur-schen mit Eichhof-Bierflaschen, Bauern mit einer Krummen im Mundwinkel, Kinder auf den Schultern ihrer Väter, in der Hand ein Luftballon in Form eines rosa Pferdes oder mit «CVP» drauf.

Gegenüber vom Rossmärt steht das Altersheim, dessen Bewohner durch die Glasfassade eine gran-diose Aussicht auf das Geschehen haben. So viel Dramatik erleben die Senioren nur selten. Und als wäre der Rossmärt nicht Aufre-gung genug, steigt im Altersheim heute auch noch ein zweites Fest: Bewohnerin Agnes Heinzer feiert ihren 93. Geburtstag.

Die Jungstuten trotten zum Wettbewerb an. Auch Delia und Dolce Vita haben ihren Auftritt, erst im Schritt, dann im Trab, ge-führt von Dominik und seiner Freundin Salome. Drei Jurymit-glieder taxieren die Rössli mit Kennerblick: beschauen sich Körperbau, Rassenmerkmale, Be-wegungen, Ausdruck, Harmonie, Hals, Rist, Lenden, Kopf, Beinstel-lung und kritzeln Notizen und Noten auf ihre Prüfungsblätter. «Isch guet, de Nöchscht!»

Dann: Rangverkündigung. Es scheint, als hätten wir bei die-ser Reportage mit Otti Portmann

aufs richtige Pferd gesetzt: Platz 1: Delia. Platz 2: Dolce Vita.Otti und seine Familie strahlen.

Die Kollegen und Kenner nicken anerkennend. Schulterklopfen, Händeschütteln, Glückwünsche rundherum. «Gratuliere gell», «prima gmacht» und «cheibe guet!». Der Speaker witzelt: «Die besten zwei Jungstuten kommen aus der Firma Portmann.» Otti küsst seine Frau Luzia, Dominik herzt seine Freundin Salome. Den Siegerrössli wird eine Gewinner-Rosette ans Kopfhalfter geheftet, Portmanns stossen mit Bierfla-schen auf ihren Doppelsieg an.

An diesem Markttag wech-seln zwei Esel ihren Besitzer, zu-dem wird ein Halbblut verkauft und ein Pony. Die meisten Ge-schäfte werden mittlerweile nicht mehr direkt auf dem Platz getä-tigt. Der Märt ist heutzutage mehr kultureller Anlass, man sieht sich, schaut sich um, merkt sich Tiere, die man möchte. Gehandelt und gekauft wird Tage später direkt beim Besitzer daheim oder beim Rosshändler.

Otti ist happy. Seine Anspan-nung weicht jetzt ausgelassener Feststimmung. Was für ein erfolg-reicher Tag für den Meierhof ! «So ein Stumpen wär jetzt halt schon schön …» Er jammert theatralisch, grinst, zwinkert, fummelt am Schnauz, nippt am Bier und lacht tapfer über seine selbst auferleg-te Stumpen-Abstinenz.

Dieser Otti … Ein Typ zum Pferdestehlen.

Streicheleien für die

RössliEin Bier für die Gewinner

Kraul den Gaul Die Pferde, Esel und Ponys locken an die-sem Samstag gut tausend Marktbesucher nach Ruswil.

Feiern den Sieg Von links: Otti Portmann, 52, Ehefrau Luzia, 49, Dominiks Freundin Salome Bannwart, 23, und Dominik, 23.

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