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RUDOLF STEINER - TTB 16 - MENSCH UND STERNE

Date post: 22-Oct-2015
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Anthroposophie - Vorträge aus dem Gesamtwerk - Geistige Welt - Kosmos
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Rudolf Steiner – Thementaschenbuch 16 – Mensch und Sterne

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Rudolf Steiner

MENSCH UND STERNEPlaneten- und Tierkreisentsprechungen in Mensch und Erde

Rudolf-Steiner-Thementaschenbuch – TTB Band 16

Ausgewählt und herausgegeben von Heinz Herbert Schöffler

Verlag Freies Geistesleben – 1990

Ob in der medizinischen oder pädagogischen Menschenkunde, ob in Philosophie oderReligion oder gar in der Landwirtschaft und Naturwissenschaft, überall erweist sich derRückbezug auf die kosmischen Gegebenheiten von Planeten und Tierkreis als allseitiganregend und belebend. Gerade weil das ganze Werk Rudolf Steiners für die kosmischenBezüge beispielgebend ist, mußte in einer Auswahl wie der vorliegenden auf dieGrundbegriffe einer erneuerten, der naturwissenschaftlichen Erkenntnishaltungverpflichteten Sternenweisheit einführend hingewiesen werden. Zentrale DarstellungenRudolf Steiners zu diesem Problem sind in die vorliegende Zusammenstellungeingegangen.

Der Sinn des Prophetentums

Wie verhält sich die Theosophie zur Astrologie?

Die Weltenuhr

Das Ich und die Sonne

Die Formung des Menschen aus dem Universum

Der Zusammenhang des Menschen mit dem Kosmos

Der Weg zu einer neuen Geburt durch Planeten und Fixsternwesen

Schicksalsbestimmende und menschenbefreiende Planeten

Zwölf Stimmungen – Eine kosmische Dichtung

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Rudolf Steiner – Thementaschenbuch 16 – Mensch und Sterne

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Inhalt

Inhalt .........................................................................................................................................................5

Einführung ................................................................................................................................................6

Der Sinn des Prophetentums................................................................................................................15

Wie verhält sich die Theosophie zur Astrologie? .............................................................................36

Die Weltenuhr – Der Zusammenhang konkreter Konstellationen....................................................39

von Tierkreis und Planeten mit der Entwickelung des Menschen ..................................................39

Das Ich und die Sonne – Der Mensch innerhalb der Sternenkonstellation.............................................51

Die Formung des Menschen aus dem Universum ............................................................................63

Der Zusammenhang des Menschen mit dem Kosmos......................................................................76

in bezug auf sein Leben ......................................................................................................................76

Der Weg zu einer neuen Geburt durch Planeten und Fixsternwesen.............................................90

Schicksalbestimmende und menschenbefreiende Planeten ...............................................................108

Zwölf Stimmungen ..............................................................................................................................118

Anmerkungen........................................................................................................................................121

Einführung ........................................................................................................................................121

Der Sinn des Prophetentums (9.November 1911) ............................................................................122

Wie verhält sich die Theosophie zur Astrologie? (1905) .................................................................122

Die Weltenuhr (8. Januar 1919)........................................................................................................123

Das Ich und die Sonne (5. Mai 1921) ...............................................................................................123

Der Zusammenhang des Menschen mit dem Kosmos (29. Oktober 1921) ......................................123

Der Weg zu einer neuen Geburt (5. November 1922) ......................................................................124

Quellennachweis ...................................................................................................................................125

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Rudolf Steiner – Thementaschenbuch 16 – Mensch und Sterne

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Einführung

Die Beschäftigung mit Astrologie ist aktuelles Bedürfnis geworden; in ganz anderemMaße als noch zu Beginn unseres Jahrhunderts wird heute Astrologie diskutiert und studiert.Der Philosoph Ernst Cassirer hat schon vor zwei Menschenaltern die Geschlossenheit desastrologischen Weltbildes als einen der «großartigsten Versuche systematisch-konstruktiverWeltbetrachtung» (1) bezeichnet und C.G. Jung meinte gar, die Astrologie stehe vor denToren der Universitäten. Äußerte er doch bereits 1947: «Ich muß gestehen, daß ich sehr oftgefunden habe, daß die astrologischen Daten gewisse Dinge erhellt haben, die mir sonstunverständlich geblieben wären.» (2) Aber auch führende anthroposophische Autoren habenim Gespräch mitgeteilt, daß sie zu bestimmten Menschen erst dann eine wirkliche seelischeVerbindung haben aufbauen können, wenn sie das Horoskop ihres Gegenübers gekannthaben. Und Guenther Wachsmuth hat in seinem großangelegten Werk Kosmische Aspektevon Geburt und Tod – Beiträge zur Karmaforschung in breiter Form und ganzgrundsätzlich positiv zur Astrologie Stellung genommen. (3)

Aber nicht allein die gewandelte Zeitsituation ist Anlaß zu einer anthroposophischenStellungnahme zur Astrologie, sondern auch gewisse Informationsrückstände, die durcheinseitiges Zitieren von Äußerungen Rudolf Steiners entstanden sein mögen. [7] Untersuchtman nämlich diese Äußerungen zur Astrologie, so stellt sich heraus, daß es zwei Klassendavon gibt, die einen warnend bis vernichtend, die anderen hervorhebend, erwartungsvollund die Astrologie als voll zukünftiger Möglichkeiten einstufend. Ist man mit dem WerkRudolf Steiners einigermaßen vertraut, so weiß man von seinem Bestreben, jeweils alleGesichtspunkte zur Sprache zu bringen, auch die gegensinnigen und widersprechenden.So daß schon aus diesem Ansatz klar sein muß, daß wenn es negative Äußerungen gibt,unbedingt die dazugehörigen positiven Feststellungen zu suchen wären. Und es gibtpositive!

Die sehr unterschiedliche Tendenz der Äußerungen Rudolf Steiners erklärt sich aberauch aus der widersprüchlichen Natur des Gegenstandes selbst: Von der wirklichdekadenten Form der Vulgärastrologie (z.B. in den Boulevardblättern) unterscheidet sichdeutlich, was Rudolf Steiner als die «wahre Astrologie» charakterisiert. Nur auf diesetreffen seine fördernden Äußerungen zu. In seinem Buch Die geistige Führung desMenschen und der Menschheit von 1911 lesen wir dazu folgenden Passus:

«Dem Stellen des Horoskops liegt die Wahrheit zum Grunde, daß der Kenner dieserDinge die Kräfte lesen kann, nach denen sich der Mensch in das physische Daseinhereinfindet. Einem Menschen ist ein bestimmtes Horoskop zugeordnet, weil indemselben sich die Kräfte ausdrücken, die ihn ins Dasein geführt haben. Wenn so zumBeispiel im Horoskop der Mars über dem Widder steht, so heißt das, daß gewisseWidderkräfte nicht durch den Mars durchgelassen werden, daß sie abgeschwächt werden.Es wird also der Mensch in das physische Dasein hineingestellt, und das Horoskop istdas, wonach er sich richtet, bevor er sich hineinbegibt in das irdische Dasein.

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Es soll diese Sache, die ja in unserer Gegenwart so gewagt erscheint, nicht berührtwerden, ohne darauf aufmerksam zu machen, daß fast alles, was in dieser Richtung jetztgetrieben wird, der reinste Dilettantismus ist – ein wahrer Aberglaube –, und daß für dieäußere Welt die wahre Wissenschaft von diesen Dingen zum großen Teile ganz verlorengegangen ist. Man soll daher die prinzipiellen Dinge, welche hier gesagt werden, nichtbeurteilen nach dem, was gegenwärtig vielfach als Astrologie ein fragwürdiges Daseinführt. [8]

Was den Menschen hereintreibt in die physische Verkörperung, das sind diewirksamen Kräfte der Sternenwelt.

Wenn das hellseherische Bewußtsein einen Menschen betrachtet, so kann es an seinerOrganisation wahrnehmen, wie diese tatsächlich ein Ergebnis des Zusammenwirkens vonkosmischen Kräften ist. Dies soll nun in hypothetischer, aber völlig den hellseherischenWahrnehmungen entsprechender Form veranschaulicht werden.

Wenn man das physische Gehirn eines Menschen herausnehmen und es hellseherischuntersuchen würde, wie es konstruiert ist, so daß man sehen würde, wie gewisse Teile anbestimmten Stellen sitzen und Fortsätze aussenden, so würde man finden, daß das Gehirnbei jedem Menschen anders ist. Nicht zwei Menschen haben ein gleiches Gehirn. Aberman denke sich nun, man könnte dieses Gehirn mit seiner ganzen Strukturphotographieren, so daß man eine Art Halbkugel hätte und alle Einzelheiten daransichtbar wären, so gäbe dies für jeden Menschen ein anderes Bild. Und wenn man dasGehirn eines Menschen photographierte in dem Moment, in dem er geboren wird, unddann auch den Himmelsraum photographierte, der genau über dem Geburtsort diesesMenschen liegt, so zeigte dieses Bild ganz dasselbe wie das menschliche Gehirn. Wie indiesem gewisse Teile angeordnet sind, so in dem Himmelsbilde die Sterne. Der Menschhat in sich ein Bild des Himmelsraumes, und zwar jeder ein anderes Bild, je nachdem erda oder dort, in dieser oder jener Zeit geboren ist. Das ist ein Hinweis darauf, daß derMensch herausgeboren ist aus der ganzen Welt.» (4)

Eine grundsätzliche Bemerkung findet man weiterhin in dem Vortragszyklus Christusund die geistige Welt. Von der Suche nach dem heiligen Gral am 1. Januar 1914: [9]

«Es zeigte sich mir nun – und das ist ein Forschungsergebnis vieler Jahre – immerklarer und klarer, daß wirklich in unserem Zeitraum sich so etwas herauflebt wie ein vondem Christus-Impuls durchzogenes Auferstehen der Astrologie des drittennachatlantischen Zeitraumes», d.h. der ägyptisch-babylonisch-chaldäischen Zeit. «Inanderer Weise zwar, als man dazumal in den Sternen geforscht hat, müssen wir heute inden Sternen forschen, aber die Sternenschrift muß uns wiederum etwas werden, was unsetwas sagt.» (5)

Und im September 1924 gar weist Rudolf Steiner auf die Astrologie als ambivalenteErscheinung hin, welche einerseits weit in historische Zeitperioden, andererseits weit indie Zukunft hineinweise. In abzusehender Zukunft werde es als trivial gelten, zum BeispielPflanzenkunde nur botanisch zu beherrschen, man müsse vielmehr bei jeder Pflanze zuerkennen wissen, welche Gestirne durch sie wirken.

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In diesem Sinne steht uns also geradezu ein astrologisches Zeitalter bevor und wennman diese zukünftige astrologische Kultur im Auge hat, so kann es nicht im Sinne RudolfSteiners sein, daß Astrologie in der Art triviale Schicksals-Deutungskunst bleibt, als diesie in diesem Jahrhundert mit Alan Leo und seinen zeitgenössischen Mitastrologen wieSepharial, Libra und Franz Hartmann angetreten ist. Schon die nicht von derAnthroposophie berührte Gegenwartsastrologie berücksichtigt heute weniger die Deutungund Vorausschau von Lebensereignissen als die psychische Grundkonstitution ihrerfragenden Auftraggeber. Es scheint hier also ein Wandel in der Zielsetzung im Gange.Aber auch ein Wandel der Methode ist darin zu erkennen, daß seit 1929 der bekanntenicht-anthroposophische Astrologe Walter Koch das ins Leben rief, was er ganz berechtigt«Gestaltastrologie» nannte und was eindeutig imaginative Impulse aufnahm und heutevielfach bei anthroposophischen Autoren ganz unabhängig von Kochs Anregungengepflegt wird. Freilich geht auf anthroposophischem Felde die diagnostische Suche nachder psychischen Grundkonstitution niemals so weit, daß etwa die schulüblichenGegenwartspsychologien bemüht werden. Bekanntlich ist mittlerweile die Astrologieweithin eine Verbindung mit C.G. Jungs psychologischen Theoremen eingegangen. [10]Eine Vermengung hiermit wird auf anthroposophischem Felde schon deswegen kaumeintreten, weil Rudolf Steiner selbst Grundlagen für eine anthroposophische Psychologiegegeben hat, die eindeutige Ansätze in Richtung der Astrologie erkennen lassen. Diesepsychologische Menschenkunde Rudolf Steiners geht bemerkenswerter Weise von einemaristotelischen Grundkonzept in trichotomischer Gliederung aus. Sie wurde unter anderenin charakteristischer Weise formuliert im Heilpädagogischen Kurs 1924, als RudolfSteiner eben daran gehen wollte, zwei Geburtshoroskope von Kindern des damaligenHeilpädagogischen Instituts Lauenstein bei Jena zu analysieren. (6) Auf diese Analyse istbemerkenswerterweise bis heute kaum aufmerksam gemacht worden, geschweige denn,daß sie je gewürdigt worden wäre.

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Damals formulierte Rudolf Steiner folgende Zusammenhänge zwischen den einzelnenWesensgliedern des Menschen und den im astrologischen Sinn verstandenen Planeten:

Geistesmensch Neptun

Lebensgeist Uranus

Geistselbst Saturn

Bewußtseinsseele Jupiter

Gemüts- und Verstandesseele Mars

Empfindungsseele Venus

Empfindungsleib Merkur

Ätherleib Mond

physischer Leib Sonne.

Diese Gliederung und ihre Zuordnung zu den Planeten entspricht dem, was in demgrundlegenden Werk Theosophie (1904) als der neungliedrige Mensch beschrieben ist.Sehr bemerkenswert ist an der Zuordnung der Planeten, daß hier «Uranus» und «Neptun»eine volle Funktion zugewiesen erhalten. Bis dahin hatte Rudolf Steiner immer daraufhingewiesen, daß diese beiden kaum zu berücksichtigen seien, weil sie erst später in unserPlanetensystem eingetreten seien, weil sie eine andere Lage ihrer Achse aufweisen undanderes mehr. [11] Die beiden – geistigen – Wesensglieder, denen sie zugeordnet sind,werden erst in weiter Zukunft voll ausgebildet sein. Man beachte aber, daß dieserpsychologisch-menschenkundliche Aufbau streng trichotomisch gegliedert ist: auf diedrei leiblichen Glieder, physischer Leib, Ätherleib, Empfindungsleib folgen die dreiseelischen Glieder Empfindungsseele, Gemüts- und Verstandesseele, Bewußtseinsseele,schließlich erheben sich darüber das Geistselbst, der Lebensgeist und der Geistesmenschals in zukünftigen Entwicklungen erst auszubildende Wesensglieder. Leib – Seele –Geist ergeben so zusammen den dreigegliederten Menschen.

Das eigentliche Zentrum dieses Konstitutionszusammenhanges stellen die dreiseelischen Glieder Empfindungsseele, Gemüts- oder Verstandesseele undBewußtseinsseele dar. Die Empfindungsseele übernimmt hierbei die Funktion, alleSinneseindrücke, die von außen (auch von dem leiblich-inneren Äußeren) eindringen,mit Empfindungen zu beantworten. «An die Empfindungen schließen sich die Gefühleder Lust und Unlust, die Triebe, Instinkte, Leidenschaften. All das trägt denselbenCharakter des Eigenlebens wie die Empfindungen und ist, wie sie, von der Leiblichkeitabhängig.» (7) Soferne das Seelische nun mit dem Denken in Beziehung tritt, entwickeltsich die Verstandesseele, welche auch als Gemütsseele bezeichnet werden kann. Dereigentliche Seelenkern aber, «die Seele in der Seele, ist hier mit Bewußtseinsseelegemeint». Die Verstandesseele «ist noch in die Empfindungen, in die Triebe, Affekteund so weiter verstrickt».

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«Erst diejenige Wahrheit aber ist die bleibende, die sich losgelöst hat von allemBeigeschmack solcher Sympathien und Antipathien der Empfindungen und so weiter.Die Wahrheit ist wahr, auch wenn sich alle persönlichen Gefühle gegen sie auflehnen.Derjenige Teil der Seele, in dem diese Wahrheit lebt, soll Bewußtseinsseele genanntwerden.» Man studiere zu diesen grundlegenden Gedanken, welche zu einergeisteswissenschaftlichen Menschenkunde führen, Rudolf Steiners Theosophie. [12]

Die ausführlichsten Hinweise zur Gestirnswelt und ihrer Beziehung zumErdenmenschen haben zweifellos die Ärzte in den medizinischen Kursen Rudolf Steinerserhalten, Hinweise, welche vielfach noch künftiger Verarbeitung harren, aber schon jetztden Blick auf diagnostischem und therapeutischem Felde weisen helfen. Namentlich dertherapeutische Umgang mit den Metallprozessen ist erst durch Rudolf Steiner zu einerweiten Zukunftsaufgabe geworden. Auch die Landwirtschaft ist in ihrer Neubefruchtungdurch die Ideen Rudolf Steiners in die Nähe astronomisch-astrologischer Betrachtunggerückt worden. Der entsprechende sechste Vortrag im KoberwitzerLandwirtschaftlichen Kurs (8) will teilweise gelesen werden wie eine Einführung zueiner künftigen spirituellen Astrologie. Breite Eröffnungen und Erläuterungen gabRudolf Steiner den Eurythmisten, als es galt, die eurythmischen Gesten zu denTierkreiszeichen und zu den Planeten einzuführen. Nicht aufzuzählen sind dieSonderhinweise und Sonderbetrachtungen, die Rudolf Steiner verstreut in seinemgesamten Vortragswerk gegeben hat und die jeweils Details erhellen helfen. So wird mannicht fehlgehen mit der Feststellung, daß das ganze Werk Rudolf Steiners durchzogen istmit dem Thema «Mensch und Sterne» und dies in der ganzen Breite, angefangen vondem Einzelhinweis: «Wir treiben, so oft wir nach der Uhr schauen, Astrologie» (Vortragvom 8. Januar 1918 in diesem Band) bis hin zu der späten Formulierung derAnthroposophischen Leitsätze. «Anthroposophie ist ein Erkenntnisweg, der das Geistigeim Menschen zum Geistigen im Weltall führen möchte.» (9)

Grundlage aller Gegenwartsastrologie ist nach wie vor das sogenannte Thema mundi.Thema hieß stets das Horoskop – so wie in der Musik das Thema bestimmend ist fürForm und Ablauf der ganzen Komposition; Thema mundi war aber das Horoskop derWeltentstehung. Formuliert wurde es in den Astrologumena (= astrologischen Büchern)des Nechepso (ca. 700 vor Christus) und Petosiris (ca. 300 vor Christus in Hermopolis,wo sein Grab erhalten ist). [13] Man wird dieses Thema mundi als eine viel ältere –lange Zeit mündlich tradierte ägyptische Tempelurkunde zu betrachten haben. (Es gabauch ein anders gestaltetes babylonisches Thema mundi.) Das Thema mundi formuliertdie Zusammengehörigkeit der Planeten zu den Tierkreiszeichen; also: Mond gehört inden Krebs, Sonne in den Löwen, Merkur in die Jungfrau, Venus in die Waage usf.Rudolf Steiner hat am 8. Januar 1918 das Thema mundi teilweise dargestellt. Ausverstreuten Einzelbemerkungen und aus dem Heilpädagogischen Kurs geht eindeutighervor, daß er das Thema mundi mit all seinen Erhöhungen, Würden, Schwächen undVernichtungen der Planeten im Detail gekannt hat.

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Nun sind die Hinweise Rudolf Steiners für die Eurythmie nicht allein derart, daß denastrologischen Elementen – also den Planeten und Tierkreiszeichen – ausschließlichseelische Ausdrucksgesten zugeordnet werden. Also: Löwe = flammende Begeisterung,oder Jungfrau: Ernüchterung. Vielmehr werden die einfachen eurythmischenLautgebärden der Einzellaute den Tierkreiszeichen und Planeten unterlegt: dabei werdendie Planeten durch Vokale dargestellt: Sonne = AU, Mond = EI, Merkur = I, Venus = A,Mars = E und so fort. Den Tierkreiszeichen werden die Konsonanten zugeordnet: Schützezeigt sich in G und K, Waage etwa in CH, zu Löwe gehört das T das S zu Skorpion. Sowird es prinzipiell möglich, auch Konstellationen eurythmisch darzustellen oderumgekehrt kosmische Konstellationen durch Laute zu «übersetzen». Als im September1913 der Grundstein für das (erste) Goetheanum gelegt wurde, hielt Rudolf Steiner aufder Grundsteinurkunde das Datum fest mit dem Zusatz: «Als Merkurius in der Waagestand». Merkur entspricht real dem Laut I und für das Sternzeichen Waage tritt das CHein, so daß die Konstellation von Merkur in der Waage dem Worte ICH entspricht. (10)Merkur stand an diesem Tage, dem 20. September 1913, mittags auf 0 Grad 9 MinutenWaage – Rudolf Steiner hatte offensichtlich diesen Tag abgewartet, an dem diesekosmische Rune am Himmel stehen würde. [14] Von einer so gearteten realen Beziehungzwischen den Lautgesten einerseits sowie den Planeten und Tierkreiszeichen andererseitsher wird es dann weiterhin denkbar, daß auch Sätze, ganze Verszeilen formuliert werdenkönnten, in denen dann «fast jede Silbe selbst in ihren Tönen darauf stilisiert ist» direktkosmisch zu sein. Von daher wird es verständlich und einsehbar, daß Rudolf Steiner einezwölfstrophige Dichtung «Zwölf Stimmungen» verfaßt hat, deren Strophen eine jedesieben Zeilen umfaßt, die im einzelnen den sieben klassischen «Planeten» Sonne bisSaturn gewidmet sind: Erste Zeile als Sonnenzeile, zweite und dritte Zeile denuntersonnigen Planeten Venus und Merkur gewidmet, die nächste die Mittelzeile alsMarszeile; es folgen die Zeilen von Jupiter und Saturn, am Ende steht die Mondzeile miteiner jeweiligen Textumkehr der ersten Sonnenzeile, damit dokumentierend, daß derMond das Sonnenlicht zurückwirft. In dieses Kunstwerk ist nun das Thema mundihineingearbeitet, es muß dort herausgelesen werden können, wie etwa das stetswiederkehrende Thema einer Orgelfuge. Mit seinen «Zwölf Stimmungen» versuchteRudolf Steiner «in wirklichem inneren Ergreifen» dasjenige festzuhalten, «was kosmischausgeführt worden ist, indem unser Sonnensystem geschaffen worden ist.» (11)

Mit dieser Dichtung Rudolf Steiners und seinen Angaben zur Eurythmie sind wir beidem weiten Thema «Astrologie und Kunst» angekommen. In der Kunst war Astrologiebis weit ins siebzehnte Jahrhundert hinein ein lebendiger und bestimmender Faktor, wirbrauchen nur an die Villa Schifanoia in Ferrara oder den Salone in Padua zu denken oderan die vielen Holzschnitte und malerischen Darstellungen von Tierkreis, Planeten undPlanetenkindern in Gotik, Renaissance und Frühbarock. Erst seit den letzten 25 Jahrenweiß man darüberhinaus von der besonderen Beziehung der Literatur zu Astrologischem,die sich darin ausspricht, daß ganze Literaturpartien unter bestimmte Planeten gestelltwerden, indem die Einzelkapitel von einem Inhalt handeln, der eindeutig einem Planetenzugeteilt werden muß. [15]

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Günter Weydt (12) in Münster hat 1968 mitgeteilt, daß der Simplizissimus desGrimmelshausen ein solcher astrologischer Schlüsselroman sein müsse, und KlausHaberkamm (13) hat für eine breitere Renaissance- und Barockliteratur ein gleichesnachgewiesen. Wie allenthalben versiegten die Ströme astrologischen Lebens kaumdreißig Jahre nach Johannes Keplers Ableben. Mit dem Tode des großen Arzt-Astrologen Morinus 1650 erlischt Aktivität und Einfluß der Astrologie und derRationalismus zieht überall ein.

Einer bedeutsamen Andeutung Rudolf Steiners entnehmen wir, daß dieses Abkommenvon der Astrologie am Beginn der Neuzeit einem aktiven Verzicht, einem Opfer «füreine gewisse Zeit» gleichkomme. Im Ausgleich zu diesem Opfer wurde dasFreiheitsstreben impulsiert. (14)

In welchem Sinne aber das Wiederheraufkommen der Astrologie nun imZusammenhange mit der Anthroposophie Rudolf Steiners zu denken ist, geht aus einerprinzipiellen Formulierung hervor, die ebenfalls schon 1914 ausgesprochen wurde. Seit1910 Rudolf Steiners Geheimwissenschaft im Umriß erschienen war, konnte derZusammenhang der Erdevolution mit der chaldäischen Reihe der Planeten: Saturn –Sonne – Mond – Mars – Merkur – Jupiter – Venus deutlich ins Bewußtsein treten: Der1913 begonnene Goetheanum-Bau in Dornach und seine Vorstufen in Stuttgart undMalsch hatten sieben Säulen, die in der chaldäischen Reihe angeordnet waren, und nunwurde 1914 ausgesprochen: «Versuchen wir, meine lieben Freunde, uns würdig zumachen, diese Sternenschrift in neuer Gestalt wieder lesen zu lernen, wie sie uns jetztgegeben werden muß. Denn im Grunde ist es nichts anderes als ein Lesen derSternenschrift, wenn wir versuchen, uns die menschliche Evolution in Saturn-, Sonnen-,Mond-, Erden- bis zur Vulkanentwicklung auseinanderzulegen. Aber erkennen müssenwir, in welchen Zusammenhängen wir die Sternenschrift in unserer Zeit entziffernwollen. Machen wir uns dessen würdig!» (15)

Geht man mit dieser gewiß richtungsweisenden Maxime längere Zeit um, so kann mandurchaus zu Entdeckungen kommen. [16] Hat man insbesondere dieSternenverbundenheit der Renaissance- und Barockliteratur im Bewußtsein, so stellt mannun bei Rudolf Steiner entsprechende kompositorische Gliederungen fest, die auf einenstrengen Aufbau im Sinne der chaldäischen Reihe schließen lassen. Die Vortragszyklen,die Dramen und später die Hochschulkurse Rudolf Steiners tragen in der Abfolge ihrerVorträge und Szenenbilder die Signaturen der chaldäischen Gestirnsreihe an sich: dererste Vortrag gibt sich jeweils als Saturnvortrag zu erkennen (durch seine historischenBezüge, Saturn wird als Planet der Historie gekennzeichnet, Vortrag vom 27. Juli 1923in diesem Band) der zweite als Sonnenvortrag (durch seine meist sehr deutlichen Bezügezu Licht und Dunkel, die Raumesrichtungen Oben und Unten etc.), der dritte alsMondenvortrag, der vierte als Marsvortrag etc. Diese Beziehungen sind sehr konkret undexakt in die Vortragsinhalte und Dramenbilder hineingearbeitet und erst vor kurzem alsKompositionsprinzipien wahrgenommen worden. (16)

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Wir haben also damit zu rechnen, daß mehr oder weniger das gesamte Werk RudolfSteiners eine Verbindung zur Gestirnswelt erkennen läßt, wie sie durch langeJahrhunderte nicht mehr möglich gewesen ist. Das ganze Werk Rudolf Steiners atmet dieLuft der Verbindung von Erdensein und Sternensein.

Wenn aber dieses Wiederaufleben der Astrologie der ägyptisch-chaldäischen Zeit denChristus-Impuls voll in sich aufnimmt, dann muß diese neue Astrologie ein Kennzeichenan sich tragen, das unbedingt in den Rahmen der modernen Spiritualität gehört, dies istdie Freiheit. Der in die vorliegende Sammlung aufgenommene Vortrag vom 27. Juli1923 läßt das ganz deutlich werden: die untersonnigen Planeten – namentlich aber Venusund Merkur – «tragen mehr das Seelisch-Geistige des Karmischen in den Menschenhinein und bringen es in seiner Gemütsanlage, in seinem Temperament zum Vorschein.Dagegen haben Mars und namentlich Jupiter und Saturn, wenn der Mensch in einemrichtigen Verhältnis zu ihnen steht, etwas Befreiendes. Sie reißen ihn los von allemSchicksalsbestimmten und machen ihn gerade zu einem freien Wesen». [17]

Die früher übliche Determination des Lebensschicksals als einziger Ausdruck desVerhältnisses von oberer zu irdischer Welt wird so ersetzt durch eine Art Indikation zurQualität der Freiheit. Namentlich in der arabischen Astrologie des Mittelalters wurde derfurchterregende rein determinative Charakter der Sternenschrift deutlich erlebt. Nun aberist das Wesen der Freiheit im Horoskop ausgedrückt!

Dieser Gesichtspunkt leitet über zu der ganz zentralen Frage: wie hängt nun die ganzeastrologische Betrachtungsart zusammen mit dem Gesetz des Karma, wie hängt dasAstrologische zusammen mit dem Wesen der Reinkarnation? In dem Aufsatz «Wieverhält sich die Theosophie zur Astrologie?» vom September 1905, der in diesem Bandaufgenommen worden ist, ist dazu schon wichtiges Grundlegendes ausgesprochen, dasfreilich hier der Erläuterung bedarf Rudolf Steiner weist im Zusammenhang mit denSchritten zur Erkenntnis der geistigen Welt auf drei Stufen hin; die erste Stufe nennt erImagination. Hier wird die geistige Welt in Bildern erlebt. Der Erkenntnissuchendenimmt die geistige Welt als Schauender auf. Auf der nächsten, zweiten Stufe derInspiration wird die Welt als tönend aufgenommen, der Erkenntnis-Schüler lernt diegeistige Welt hörend zu erkennen. Auf der dritten Erkenntnisstufe der Intuition kommtes zu einer Wesensberührung und -Durchdringung mit den Wesen der geistigen Welt.Zu dieser zunächst höchsten Erkenntnisstufe muß aufgestiegen sein, wer denSinnzusammenhang der astrologischen Gesetze aufnehmen will. Ebenfalls sind diekarmischen Grundgesetze auf dieser höchsten Erkenntnisebene angesiedelt. Freilich, werzur Erkenntnis der astrologischen Gesetzzusammenhänge gelangt, wird die karmischenZusammenhänge im Vergleich dazu als relativ elementar aufnehmen können. Astrologieund Karma werden also stets in Erkenntnis-Konkurrenz miteinander auftreten. Und wirverstehen, daß sich hier ein weites – erst anfänglich bearbeitetes – völlig neuartigesErkenntnisfeld auftut, das noch der geistigen Durchdringung bedarf.

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In der gegenwärtigen Praxis bedeutet dies alles, daß wir gehalten sind, denimaginativen Gesichtspunkt überall dort zu erüben, wo wir uns die Möglichkeit schaffen,Gestaltastrologie zu erarbeiten. Also, der Bildgehalt von Geburtshoroskopen will studiertsein, so wie es Walter Koch 1929 erstmals formuliert hat. Gewisse Planetenoppositionenim Horoskop Friedrichs des Großen werden zum Beispiel so betrachtet als die Gestalteines Schwertes; die Gesamtfigurine im Geburtshoroskop Ita Wegmans, der Pionierinder anthroposophischen Medizin, würde einem nach vorne halbrundenKriegskampfwagen gleichen und die beiden keineswegs harmonisch konfiguriertenGeburtshoroskope von Leopold und Wolfgang Amadeus Mozart würden – wenn man sieaufeinander bezieht und zusammenlegt – einem Merkurstab mit zwei Schlangen ähnlichsein. Auf diese Weise würde imaginative Bildhaftigkeit mit Hilfe einer rationalenPhantasie in die Ebene des diskursiven Gegenwartsdenkens übersetzt werden. – Gehtman einen Schritt weiter, so würde man die Bewegung der Planeten – ausgehend von derGeburtskonstellation ganz im Sinne der Transitastrologie verfolgen und dabei aufWiederkehr von ähnlichen Positionen achten. So würden sich Rhythmen ergeben, ganzso wie Rudolf Steiner das in dem hier ebenfalls abgedruckten Vortrag vom 9. November1911 auffaßt: «Man wird dann darauf kommen, wenn man den Gang der Sterne auf dasmenschliche Leben bezieht, daß man gar nichts anderes braucht, als den Gang der Sterneals eine Himmelsuhr anzuschauen, und das menschliche Leben als einen Rhythmus, derfür sich abläuft, aber dennoch in einer gewissen Beziehung durch die Sterne bestimmbarist. Man kann sich eine Vorstellung davon machen, wie man, wenn man auch nicht innaturwissenschaftlichem Sinne die Ursachen in den Sternen sucht, dennoch denken kann,daß das Menschenleben durch eine innere Verwandtschaft in einem ähnlichen Rhythmusabläuft.» So wäre auch der inspirative Gesichtspunkt berücksichtigt und mittels unseresgegenwärtigen diskursiven Verstandesdenkens bewußt gemacht. [19] Erst im Verfolgenvon Ähnlichkeiten von Horoskopen beim Tode und bei der Geburt in einem neuen Leben– vielleicht sogar im Hintereinander von mehreren Inkarnationen – würde so etwas wieeine Wesensberührung oder eine Wesensdurchdringung mit einer ewigen Individualitäterzielt, was einer intuitiven Geste entsprechen könnte, die auf solche Weise in unsergegenwärtiges Denken hineingenommen würde. Die drei höheren Erkenntnisarten vonImagination, Inspiration und Intuition könnten so stellvertretend in unseremVerstandesdenken nachrealisiert werden.

Mit dem Studium der Sternenschrift im Sinne einer spiritualisierten Astrologiebetreten wir – wie Rudolf Steiner das 1924 zum Ausdruck brachte, – ein durch und durchzukünftiges Gebiet; wir werden grundsätzlich vor die Notwendigkeit gestellt sein,erkenntnismethodisches Neuland zu betreten, stets aber werden wir uns aufgefordertfühlen, das neuartige von Rudolf Steiner wieder eingeführte und impulsierteSternenwissen zu studieren, zu pflegen und immer besser zu durchdringen. Die hierveröffentlichten ausgewählten Vorträge Rudolf Steiners werden dieser Zielsetzungdienlich sein. [20]

Heinz Herbert Schöffler

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Der Sinn des Prophetentums

Es ist gewiß richtig, was Shakespeare (17) eine seiner berühmtesten Personen sagenläßt, und was im Deutschen gewöhnlich mit den Worten wiedergegeben wird: Es gibtmehr Dinge im Himmel und auf der Erde, als Ihr mit Eurer Schulweisheit Euch träumenlaßt. – Aber es ist auch gewiß nicht minder richtig, was ein großer deutscher Humorist,Lichtenberg, (18) gleichsam als Erwiderung darauf in die Worte gefaßt hat: Es gibt vieleDinge in der Schulweisheit, die weder im Himmel noch auf der Erde zu finden sind! –Beide Aussprüche zusammen werfen gewissermaßen ein Licht auf die Behandlungsart,die man vielem gerade in unserer Gegenwart angedeihen läßt in bezug auf das, wovonhier in diesen Vorträgen gesprochen werden soll. Wenn es sich um einen Gegenstand wieden heutigen handelt, muß man allerdings sagen: Es erscheint mehr noch als den übrigenGebieten des übersinnlichen Forschens, mehr als den übrigen Gebieten derGeisteswissenschaft gegenüber, ganz begreiflich, daß es gegenüber einem solchenThema weite Kreise insbesondere der ernsten, strengen Wissenschaft gibt, welche solcheDinge leugnen. Denn wenn schon für die übrigen Gebiete, oder wenigstens für zahlreicheder übrigen Gebiete der Geisteswissenschaft, sehr schwierig die Grenze zu ziehen istzwischen dem, was ehrliches, ernstes Forschen ist, und was Scharlatanerie oder vielleichtetwas noch Schlimmeres ist, so muß man sagen: Überall da, wo das übersinnlicheForschen irgendwie in Beziehung steht zum menschlichen Egoismus, da beginnenallerdings gefährliche Partien dieses Forschens. – [21] Und auf welchen Gebietenhöherer Erkenntnis könnte das mehr der Fall sein, als bei alledem, was sichzusammenschließt in das Thema vom Prophetentum, wie es in den verschiedenen Zeitenaufgetreten ist. Hängt doch alles, was mit dem Worte Prophetie bezeichnet wird,unmittelbar zusammen mit einer – allerdings begreiflichen – verbreiteten Eigenschaft derMenschen: mit der menschlichen Begierde, das Dunkel der Zukunft zu durchdringen,etwas von dem zu wissen, was dem Menschen auf seinem zukünftigen Lebenswegebeschieden ist.

Nicht mit irgendeiner Neugier nur, sondern mit einer Neugier, die sozusagen an dieintimsten und tiefsten Seiten der menschlichen Seele geht, hängt das Interesse fürProphetie zusammen. Kein Wunder daher, daß in unserer Zeit, nachdem man im Laufeder menschlichen Entwickelung so schlechte Erfahrungen mit der Befriedigung allerderjenigen Wissenssehnsuchten gemacht hat, welche so tief mit den Interessen dermenschlichen Seele zusammenhängen, die Wissenschaft, die ernstlich in Betrachtkommen will, nichts weiter wissen will von solchen Dingen. Nur scheint es doch, als obunsere Zeit nicht mehr anders könnte, als sich wenigstens mit diesen Dingen wiederumauseinanderzusetzen, wie mit so vielem also, wovon wir in den vorhergehendenVorträgen gesprochen haben und in der Zukunft noch sprechen werden.

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Hat doch sogar, wie viele von Ihnen wissen werden, ein reiner Historiker, Kemmerich,ein Buch über «Prophezeiungen» geschrieben, in dem er nichts anderes will, alszusammentragen, was sich in gewisser Weise an Tatsachen geschichtlich belegen läßt,die darauf hinweisen, daß wichtige Geschehnisse von diesem oder jenem Menschenvorher gewußt oder vorhergesagt worden sind. Ja, der betreffende Historiker fühlt sichsogar zu dem Ausdruck gedrängt, daß es kaum irgendein bedeutendes Ereignis in dergeschichtlichen Entwickelung gibt, welches nicht einmal vorausgesagt,vorausempfunden, vorausgedacht und auch vorausverkündet worden wäre. Man hörtheute noch solche Behauptungen nicht gern. [22] Aber man wird ihnen endlich indenjenigen Grenzen, innerhalb welcher sich die Geschichte der Dinge bemächtigt, garnicht mehr ausweichen können, indem man ebenso die Dinge der Vergangenheit wie dieDinge der Gegenwart mit klaren äußeren Dokumenten belegen wird.

Nicht immer war das Gebiet, von dem wir heute etwas sprechen wollen, so wenigangesehen als in unserer Zeit, nicht immer war es auf so zweifelhafte Kreise desmenschlichen Strebens angewiesen als in unserer Zeit. Wir brauchen nur wenigeJahrhunderte zurückzugehen und werden finden, daß zum Beispiel im sechzehntenJahrhundert hervorragende tonangebende Gelehrsamkeit in dem damaligen Betriebe desProphetentums durchaus vertreten war. Sehen wir doch einen der größten Geister dernaturwissenschaftlichen Forschung aller Zeiten in einer entsprechenden Verbindung miteiner Persönlichkeit, deren Neigung für eine Lebensauffassung, die sich in das Licht derProphezeiungen stellt, bekannt ist, sehen wir doch Kepler, den großen Naturforscher, inVerbindung mit dem Namen Wallenstein, dessen Persönlichkeit Schiller nicht zumgeringsten Teile aus dem Grunde so interessiert hat, weil er sein Leben in das Lichtprophetischer Weisheit stellte. Diejenige Art von Prophezeiung, die uns zu KeplersZeiten entgegentritt, und die uns vor ein paar Jahrhunderten in Europa überall soentgegentritt, daß erleuchtete, wissenschaftlich führende Geister sich mit ihrbeschäftigen, hängt mit der Art und Weise zusammen, wie man damals denZusammenhang der Sternenwelt, den Gang der Gestirne, die Stellung der Gestirne zummenschlichen Leben anschaute. Es ist jene damalige Prophezeiung im wesentlichenirgendwie zusammenhängend mit der Astrologie. Man braucht dieses Wort nurauszusprechen, um zu wissen, daß in weiteren Kreisen auch heute noch ein Bewußtseindafür vorhanden ist, wie ein Zusammenhang gedacht wird zwischen den zukünftigenEreignissen des einzelnen menschlichen Lebens oder auch des Völkerlebens und demGange der Gestirne. Aber niemals wurde, was man prophetische Erkenntnis oderProphetenkunst nennt, so unmittelbar zusammenhängend gedacht mit der Beobachtungdes Ganges und der Konstellation der Sterne als zu Keplers Zeiten. [23]

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Wenn wir in die griechische Zeit zurückgehen, so sehen wir allerdings, daß eineprophetische Kunst vorhanden war, die, wie Sie wohl wissen, zum großen Teil vonProphetinnen ausgeübt wurde. Es war eine prophetische Kunst, die dadurchherbeigeführt wurde, daß der Mensch ganz bestimmten Erlebnissen, ausgesetzt wurde,zum Beispiel Erlebnissen der Askese oder auch solchen Erlebnissen, die auf eine andereArt das Selbstbewußtsein, die Besonnenheit des alltäglichen Lebens zurückdrängten, sodaß der Mensch an andere Mächte hingegeben war, gleichsam wie außer sich, wie inEkstase war und dann Dinge sagte, die sich entweder direkt auf die Zukunft bezogenoder von den zuhörenden Priestern oder Weisen so gedeutet wurden, daß sie auf dieZukunft Beziehung hatten. Gleich taucht da das Bild der Pythia, der Prophetin in Delphiauf, welche durch die aus einem Erdspalt auftauchenden Dünste in einen anderenSeelenzustand versetzt wurde, als es der Bewußtseinszustand des gewöhnlichenAlltagslebens ist, und die dann Mächten hingegeben war, mit denen sie sonst keineVerbindung hatte, an die sie sonst nicht dachte und aus einem solchen Zustande herausnun entsprechende Andeutungen machte. Da sehen wir eine Art von Prophetie, die nichtmit der Berechnung von Sternkonstellationen und Sterndeuten zusammenhängt.

Ebenso ist jedem das Prophetentum des alttestamentlichen Volkes bekannt, dasselbstverständlich von der heutigen Aufklärung als Prophetentum auch bezweifeltwerden kann, das aber, wenn es zunächst nur in bezug auf seine Eigenart charakterisiertwerden soll, insofern es aus dem Munde dieser Propheten kam, nicht nur wichtigeWeisheitssprüche brachte, die dann für das, was innerhalb des alttestamentlichen Volkesgeschieht, tonangebend sind, sondern die auch ihre Aussagen voraussehend über dieZukunft machten. [24] Doch sehen wir dieses Prophetentum nicht in derselben Weisewie die Astrologie des fünfzehnten, sechzehnten Jahrhunderts Voraussagen machen ausder Sternenwelt, aus Sternenkonstellationen heraus, sondern da sehen wir wieder, wieentweder durch besondere Anlagen der betreffenden Persönlichkeiten oder durch Askeseund bestimmte Übungen und so weiter diese Propheten sich einen andernBewußtseinszustand als den der übrigen Menschheit aneignen, durch den sie aus demalltäglichen Leben hinausgerissen werden, nicht das gewöhnliche Leben beurteilenkönnen. Dafür aber sehen wir sie in die großen Zusammenhänge ihres Volkes blicken,sehen sie das, was Glück und Unglück ihres Volkes ist, empfinden. Dadurch, daß siegleichsam so etwas wie ein Übermenschliches erleben, was über die einzelnenmenschlichen Interessen hinausgeht, reißen sie ihre Seele von dem unmittelbarenBewußtsein los, und es ist so, wie wenn der Gott Jahve selber aus ihnen sprechen würde.So weise erschienen ihre Andeutungen, wie wenn Jahve selber dem Volke verkündenwolle, was das Volk zu tun habe, was die künftigen Schicksale des Volkes sind.

Wenn wir dies bedenken, muß es uns doch erscheinen, als wenn die Art derProphezeiung, wie sie uns am Ausgange des Mittelalters vor der Morgenröte der neuerenWissenschaft entgegentritt, nur eine besondere Art wäre, und als ob Prophetie einumfassenderes Gebiet wäre, das aber immer in irgendeiner Weise mit irgendwelchenbesonderen Seelenzuständen zusammenhinge, die der Mensch erst erreicht, wenn er vonseiner Persönlichkeit loskommt.

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Allerdings muß man sagen, daß kaum noch erkenntlich die astrologische Prophetie alseine solche Kunst scheint, durch welche der Mensch von seiner Persönlichkeitloskommt. [25] Denn der Astrologe, welcher das Geburtsdatum eines Menschenbekommt, nach diesem Geburtsdatum nun nachsucht, wie die Konstellation in dieserStunde ist, welches Sternbild gerade im Aufgange über dem Horizont ist, wie zurGeburtsstunde die Konstellation der anderen Sterne zu einem Sternbilde ist und darausberechnet, wie der Verlauf der Sternkonstellationen, während des Lebens diesesMenschen weiter sein würde, und nach gewissen Anschauungen, die man sich über dengünstigen oder ungünstigen Einfluß gewisser Sterne und Sternkonstellationen auf dasmenschliche Leben gemacht hat, nach solchen Berechnungen voraussagt, was im Lebeneines Menschen oder eines Volkes auftreten würde – ein solcher Astrologe erscheint unskaum mehr als eine solche Persönlichkeit wie der alte jüdische Prophet oder wie diegriechischen Prophetinnen oder überhaupt die alten Propheten, die herausgetreten warenaus dem gewöhnlichen Bewußtsein und in der Ekstase nur aus einem aus demÜbersinnlichen geschöpften Wissen die Zukunft vorhersagten. Was bei diesenastrologischen Prophezeiungen die heutigen Menschen am stärksten stört, insofern siesich zu dem aufgeklärten Teil unserer Gebildeten rechnen, das ist, daß schwereingesehen werden kann, was der Gang der Sterne, die Konstellation von Sternen mitdem zu tun haben sollen, was im Leben eines Menschen, im Leben eines Volkes oder inder Aufeinanderfolge der Zeitereignisse hier auf der Erde geschieht. Und da der Blickder heutigen Erkenntnis auf etwas ganz anderes gerichtet ist als auf solcheZusammenhänge, so bringt man auch demjenigen kein besonderes Interesse entgegen,was in den Zeiten, in welchen auch erleuchtete Wissenschaft mit astrologischerProphezeiung vereinbar war, vor allen Dingen als etwas Gewisses, als etwas Realeserschienen war.

Noch der große tonangebende Forscher und Gelehrte Kepler hat nicht nur seinekeplerischen Gesetze gefunden, er war nicht nur einer der größten Astronomen allerZeiten, sondern er widmete sich auch der astrologischen Prophezeiung. Und in seinerZeit, kurz vorher und kurz danach, finden wir zahlreiche wirklich erleuchtete Geister,welche dieser selben Kunst anhängen, und welche von ihrem Standpunkte aus, wennman alle Dinge objektiv bedenkt, gar nicht anders konnten, als diese prophetische Kunst,diese prophetischen Erkenntnisse so ernst zu nehmen, wie in entsprechender Weiseunsere heutigen Zeitgenossen irgendeinen wissenschaftlichen Zweig ernst und würdignehmen. [26] Denn man kann leicht sagen, daß irgendeine Vorhersage, die zum Beispielbei der Geburt eines Menschen getan worden ist, die aus Sternenkonstellationen geholtund an dem Leben dieses Menschen bewahrheitet worden ist, daß dieser Zusammenhangder Konstellation mit dem Leben des Menschen doch nur auf einer Art von Zufall beruht.Gewiß, in einer unendlich großen Anzahl von Fällen muß zugegeben werden, daß dasFrappierende des Eindruckes, den man von der Bewahrheitung astrologischerVorhersagungen haben kann, einfach darauf beruht, daß man durch das Eintreten einersolchen Vorhersagung überrascht ist und das Übereinstimmende behält und darübervergißt, was nicht eingetroffen ist.

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In gewisser Beziehung hat allerdings jener griechische Atheist ganz recht, der einmalmit seinem Schiffe in einer Küstenstadt ankam, wo an einem Opferorte gewisse Zeichenderjenigen Persönlichkeiten aufgehängt wurden, welche auf der See ein Gelübde getanhatten, daß sie, wenn sie bei irgendeinem Schiffbruch gerettet würden, ein solchesOpferzeichen an einem solchen Opferorte aufhängen würden. Gewiß, da waren vielesolche Opferzeichen aufgehängt. Es war kein Zweifel: sie alle rührten von solchenMenschen her, die aus einem Schiffbruch gerettet worden waren. Aber der betreffendegriechische Atheist meinte, man könnte erst dann die Wahrheit wissen, wenn man auchdie Zeichen aller derjenigen aufhängen würde, die trotz jenes Gelübdes beiSchiffbrüchen zugrunde gegangen sind. Da würde sich dann zeigen, von welcher Seitemehr Zeichen aufgehängt würden. Ebenso könnte auch gesagt werden: Ein objektivesUrteil kann man nur gewinnen, wenn man nicht nur alle eingetroffenen, sondern auchalle nichteingetroffenen astrologischen Voraussagen verzeichnen würde. – Abergegenüber einer solchen Anschauung, die ja immer möglich ist, erscheint dochmancherlei wieder höchst frappierend. Da ich in diesen öffentlichen Vorträgen nicht einegründliche Kenntnis aller geisteswissenschaftlichen Grundlagen voraussetzen kann, somuß auch auf das hingewiesen werden, was dem allgemeinen Bewußtsein eineVorstellung davon geben kann, welchen Wert entsprechende Dinge auf Gebieten haben,über die wir uns hier ergehen. [27]

Frappierend muß es doch für den größten Skeptiker erscheinen, wenn zum Beispielfolgende Tatsache auftritt. Wallenstein – damit wir bei bekannten Persönlichkeitenbleiben – wendet sich an den großen Kepler, dessen Namen jeder Wissenschafter nur mitEhrfurcht nennen kann, um sein Horoskop von ihm zu erhalten, das heißt die aus denSternen zu findende Aussage in bezug auf sein künftiges Leben. Er erhält von Keplerdieses Horoskop. Dieses Horoskop des Wallenstein war mit einer gewissen Vorsichtgemacht worden. Es wurde nicht etwa so zustande gebracht, daß Wallenstein in einemgewissen Lebensjahre an Kepler schrieb, dann und dann sei er geboren und er wünschejetzt von ihm sein Horoskop, sondern es geschah in der Weise – so dumm nämlich, wieman es heute glaubt, war es doch nicht –, daß ein Mittelsmann gewählt wurde, so daß derBetreffende, der das Horoskop zu machen hatte, nicht wußte, um welche Persönlichkeites sich eigentlich handelte. Es wurde nur das Geburtsdatum angegeben. Kepler wußtealso nicht, um wen es sich handelte. Nun hatte Wallenstein damals schon eine gewisseAnzahl von Erlebnissen hinter sich, von denen er auch verlangte, daß sie aufgezeichnetwürden, und dann sollte eine Aufzeichnung der weiteren Erlebnisse, die der Zukunft,angefertigt werden. Kepler fertigte das von ihm verlangte Horoskop aus. Darin fandWallenstein, wie es bei zahlreichen Horoskopen der Fall ist, eine großeÜbereinstimmung mit vielen seiner Erlebnisse. Er faßte zum Horoskop Vertrauen – es istdas ein Vorgang, der sich so bei vielen Leuten der damaligen Zeit abgespielt hat – und esgelang ihm in manchen Fällen, sein Leben so einzurichten, wie es im Sinne gewissersolcher Voraussagen war. Nun muß gleich gesagt werden, daß im verflossenen Lebenzahlreiche Tatsachen stimmten, aber manche stimmten auch nicht. Ebenso war es mitdem, was sich auf die Zukunft bezog.

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Das war bei zahlreichen Horoskopen der Fall. Da hat man in der damaligen Zeitallerdings eine sonderbare Sache befolgt, die darin bestand, daß man gesagt hat: Da mußin der Geburtsstunde irgend etwas nicht richtig sein, und vielleicht könnte derbetreffende Astrologe die Geburtsstunde etwas korrigieren. – [28] So etwas hat auchWallenstein gemacht. Er hat Kepler ersucht, die Geburtsstunde zu korrigieren; es handeltsich dabei nur um ganz weniges; dadurch kamen richtigere Daten heraus, die stimmtenjetzt wieder besser. Demgegenüber muß aber gesagt werden, daß Kepler ein durchausehrlicher Mann war und gar nicht gern so etwas tat, wie die Geburtsstunde korrigieren.Aus dem Brief, den Kepler damals darüber an Wallenstein schrieb, fühlt man heraus, daßer es nicht gerne tat und einen solchen Vorgang nicht empfehlen konnte, denn wenn manso etwas vornimmt, könnte man ja dadurch alles mögliche in dieser Weise feststellen.Dennoch unterzog er sich dieser von Wallenstein gewünschten Aufgabe – es war das imJahre 1625 und gab auch dann wieder Angaben über das zukünftige Leben Wallensteins,namentlich sagte er ihm, daß nach diesem jetzigen Lesen der Sternenzusammenhänge dieSternkonstellationen für Wallenstein im Jahre 1634 außerordentlich ungünstig ständen.Er fügte auch noch hinzu, jetzt, nachdem dies noch so lange bis dahin sei, könnte er esvoraussagen, denn, wenn auch Wallenstein sich aufregen würde, so würde dieseAufregung doch schon schwinden bis zu der Zeit, da diese ungünstigen Verhältnisseeinträfen, aber er glaube nicht, daß es gefährlich wäre für das, was Wallenstein tunwürde. Für den März 1634 war es vorausgesagt. Und siehe da: wenige Wochen vordiesem Datum stellten sich die Ursachen ein, die zur Ermordung von Wallensteinführten. Das sind Dinge, die doch wenigstens frappieren können.

Aber nehmen wir andere Beispiele, und zwar nicht aus den Reihen untergeordneterAstrologen, sondern solche, die mit erleuchteten Geistern umgehen. Da muß eineraußerordentlich bedeutsamen Persönlichkeit auf diesem Gebiete gedacht werden: ichmeine Michel, Nostradamus. Nostradamus war ein bedeutender Arzt, der unter anderemauch bei einer Pestkrankheit unendlich heilsam gewirkt hat; er wurde tief verehrt geradewegen der selbstlosen Art, wie er sich seinem Arztberufe hingab. [29] Bekannt ist aberauch, daß er sich, als er wegen dieser Selbstlosigkeit von seinen medizinischen Kollegenvielfach angefeindet worden ist, von seinem ärztlichen Berufe in die Einsamkeit vonSalon zurückzog. Da beobachtete er nun nicht so wie Kepler oder andere die Sterne,sondern er hatte einen besonderen Raum in seinem Hause, in das er sich zurückgezogenhatte. Von diesem Raume aus – das ist aus seinen eigenen Angaben zu entnehmen –betrachtete er die Sterne eigentlich nur so, wie sie sich dem Blicke darbieten, nicht so,daß er besondere mathematische Rechnungen vornahm, sondern nur das, was Gemüt undSeele und Imagination verfolgen können, wenn sie sich den Wundern des nächtlichenSternenhimmels aussetzen. Viele, viele Stunden, Stunden voll Inbrunst und Andachtverbrachte Nostradamus in dieser eigentümlichen Kamera, die nach allen Seiten denfreiesten Ausblick in den Sternenhimmel bot.

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Und da haben wir von ihm nicht nur einzelne Vorhersagungen, sondern eine ganzelange Serie von den mannigfaltigsten Vorhersagungen über Ereignisse der Zukunft, diein der sonderbarsten Weise eintrafen, so daß der vorhin genannte Historiker Kemmerichgar nicht umhin kann, als frappiert zu sein und noch nach langer Zeit etwas auf das zugeben, was die Vorhersagungen des Nostradamus sind. Nostradamus trat zuerst miteinigen seiner Vorhersagungen hervor. Er wurde natürlich auch in seiner Zeit zuerstausgelacht, denn er konnte nicht einmal auf irgend welche astrologischen Berechnungenhinweisen. Es war ihm, wie wenn durch den Anblick der Sterne ihm in merkwürdigenBildern, Imaginationen die Zukunft sich gezeigt hätte, zum Beispiel als ob in einemgroßen Bilde ihm aufgegangen wäre der Ausgang der Schlacht bei Gravelingen im Jahre1558, welche die Franzosen mit großem Verlust verloren haben. Eine andereVoraussage, die auch lange vorher für das Jahr 1559 gemacht wurde, bezog sich darauf,daß König Heinrich II. von Frankreich in einem Duell fallen sollte, wie er sagte. Manlachte nur darüber. Die Königin selbst lachte und meinte, daran könne man amleichtesten sehen, wieviel darauf zu geben sei, denn ein König sei über ein Duellerhaben. [30] Aber siehe da: bei einem Turnier fiel der König in dem vorhergesagtenJahr. Und viele Dinge könnten wir anführen, die erst später eingetreten sind und die,wenn sie in der entsprechenden Weise gedeutet werden, nur eingetretene Voraussagendes Nostradamus genannt werden können.

Weiter haben wir einen anderen erleuchteten Geist des sechzehnten Jahrhunderts, derwieder als Astronom eine große Bedeutung hat: Tycho de Brahe. Die heutige Welt kenntTycho de Brahe kaum anders, als daß man sagt, er habe nur zur Hälfte diekopernikanische Weltanschauung angenommen. Wer aber sein Leben genauer kennt, derweiß, was Tycho de Brahe zum Beispiel zur Herstellung von Sternkarten getan hat, wieer die damals vorhandenen Sternkarten in ganz hervorragender Weise verbessert hat, daer ein Astronom von ganz hervorragender Bedeutung für seine Zeit war, neue Sternegefunden hat und so weiter. Aber Tycho de Brahe war zu gleicher Zeit ein Mensch, dertief davon durchdrungen war, daß nicht nur die physischen Verhältnisse der Erde imZusammenhang stehen mit der ganzen Welt, sondern daß auch dasjenige, was dieMenschen geistig erleben, mit den Ereignissen des großen Kosmos zusammenhängt. Sokam es denn, daß Tycho de Brahe nicht nur ein großer Astronom war, der die Sternebeobachtete, sondern daß er die Vorgänge des Himmels auf die Vorgänge imMenschenleben bezog. Und es war allerdings frappierend, daß Tycho de Brahe schon alszwanzigjähriger Mensch, als er nach Rostock kam, damals den Tod des Sultans Solimanvorausgesagt hat, der zwar nicht auf den Tag genau, aber doch eintraf, wenn auch miteiner kleinen Ungenauigkeit. Es war eine ungenaue Angabe, aber eine Angabe, gegen dieman sich vielleicht gerade als Historiker nicht auflehnen kann; denn wenn man schonlügen wollte, könnte man sagen, so würde man nicht halb lügen und nicht die Differenzvon ein paar Tagen in das Resultat hineinmischen.

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Daraufhin ließ sich der König von Dänemark von Tycho de Brahe das Horoskopmachen für seine drei Söhne. [31] Das stimmte für seinen Sohn Christian, weniger fürden andern Sohn Ulrich. Aber eine merkwürdige Voraussage machte Tycho de Braheüber den dritten Sohn Hans, die eingekleidet und hergenommen ist von dem Gang derSterne. Die ganze Konstellation, alles was man für den Herzog Hans sehen könne, sei so,daß er ein gebrechlicher Mensch sei und bleiben müsse, der kaum ein hohes Altererreichen könne. Da die Geburtsstunde nicht ganz sicher war, machte Tycho de Brahesogar mit großer Vorsicht seine Angabe: Vielleicht stirbt er im achtzehnten, vielleicht imneunzehnten Jahre, denn da treten ganz besonders ungünstige Konstellationen ein. – Ichwill es dahingestellt sein lassen, ob er dies aus einer gewissen Nachsicht mit den Elternoder aus einem andern Grunde tat, denn er schrieb, es wäre allerdings möglich, daß diesefurchtbare Konstellation in bezug auf das achtzehnte oder neunzehnte Jahr für das Lebendes Herzogs Hans überwunden werden könne; dann würde Gott sein Schützer sein. Aberman müsse sich klar werden, daß diese Verhältnisse da wären, daß Hans zuerst eineaußerordentlich ungünstige Konstellation mit dem Mars hätte und daß er deshalbkriegerischen Verwickelungen in früher Jugend ausgesetzt sein würde. Aber da in bezugauf diese Konstellation über dem Mars die Venus noch günstig stünde, so könnte manhoffen, daß er über diese Zeit hinüberkommen würde. Aber dann käme gerade mit demachtzehnten, neunzehnten Jahre jene ungünstige, gefährliche Konstellation, die durchden für Hans feindlichen Saturn hervorgerufen sei, und die zeige, daß er einer «feuchten,melancholischen» Krankheit ausgesetzt sei, die namentlich von der betreffendenfremdartigen Umgebung kommen müsse, in die dieser Mensch dann versetzt sein würde.

Wie war der Verlauf des Lebens dieses Herzogs Hans? Er wurde als junger Mann indie damaligen politischen Verhältnisse verwickelt, wurde in einen Krieg geschickt,machte eine Schlacht mit, die Schlacht bei Ostende, und hatte dann in Anknüpfung daran– das hatte Tycho de Brahe besonders vorausgesagt – große Seestürme zu bestehen. [32]Er war nahe daran, zugrunde zu gehen. Dann wurden Verhandlungen angeknüpft vonbefreundeter Seite über eine Ehe des Herzogs Hans mit der Zarentochter, und er selbstwurde aus diesem Grunde nach Dänemark zurückberufen. Das konnte nun Tycho deBrahe so auslegen, daß Mars hart herangetreten sei an den Herzog, daß die von denungünstigen Marseinflüssen herrührenden Verwickelungen aber zurückgehalten wurdendurch die Einflüsse, die von der Venus kamen, so daß die Venus, welche dieBeschützerin der Liebesverhältnisse ist, zunächst den Herzog Hans geschützt hat. Dannaber kam in seinem achtzehnten, neunzehnten Jahre der feindliche Saturneinfluß. Erwurde abgeschickt nach Moskau. Bis Petersburg kam er. Man kann sich eine Vorstellungdavon machen, in welcher Stimmung der dänische Hof auf den jungen Herzoghinblickte. Alle Vorbereitungen zur Heirat wurden gemacht, man erwartete stündlich dieNachricht von dem Zustandekommen dieser Verbindung, statt dessen kam zuerst eineMeldung, daß die Heirat verzögert wurde, dann kamen Nachrichten von der Erkrankungdes Herzogs und endlich die Todesnachricht.

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Solche Dinge wirkten auf die Zeitgenossen frappierend. Daß aber solche Dinge auchauf die Nachwelt frappierend wirken müssen, das kann doch nicht bestritten werden. Undschließlich ist es auch wahr, daß die Weltgeschichte zuweilen Humor liebt, humoristischist, wie es ja auf anderem Gebiete zum Beispiel jenem Professor ergangen ist, derbehauptet hat, daß das weibliche Gehirn weniger wiege als das männliche, und bei demsich dann herausgestellt hat, als sein Gehirn nach seinem Tode gewogen wurde, daß esganz besonders wenig wog, so daß er einem humoristischen Spiele des Weltengeisteszum Opfer gefallen ist. So ging es auch Giovanni Pico von Mirandola, dem dasHoroskop gestellt und gesagt war, daß ihm der Mars besonders ungünstig sei, ihm eingroßes Unglück bringen würde. Er war ein Gegner aller solcher Prophezeiungen. LuciusBellantius (19) hatte ihm noch gezeigt, daß alles unrichtig sei, was er gegen dieSterndeutungen eingewendet hatte. [33] Er starb dann genau in dem Jahre, für welchesder ungünstige Einfluß des Mars angegeben war.

So könnten wir zahlreiche Beispiele anführen und würden uns die Überzeugungverschaffen können, daß es allerdings in einem gewissen Sinne leicht ist, manches gegendiese oder jene solcher Angaben einzuwenden. Gewiß, es muß ernst genommen werden,was ein sehr bedeutender und namentlich durch seine humanitären Bestrebungenaußerordentlich zu verehrender heutiger Astronom gegen das, was man alles für dasEintreffen des Todes Wallensteins nach Keplers Horoskop sagen kann, eingewendet hat.Es muß zugegeben werden, daß es ernst zu nehmen ist, wenn Wilhelm Förster dementgegenhält: Nun wußte Wallenstein diese Tatsache. Da kam das betreffende Jahrheran, und indem er sich an sein Horoskop erinnerte, wurde er zögernd, griff nicht rechtdurch, wie er es sonst wohl getan hätte, und hat auf diese Weise selbst den unglücklichenAusgang herbeigeführt. – Solche Dinge wird man immer einwenden können. Man mußaber auf der anderen Seite doch bedenken, wenn man überhaupt in bezug aufwissenschaftliche Belege bei äußeren Daten etwas geben kann, dann genügen auch fürdie heutige Zeit jene Angaben für die Aufstellung wissenschaftlicher Tatsachendurchaus, die – sagen wir – keine schärferen Belege erfordern. Es können manche Dingedurchaus problematisch sein, man sollte sich aber darum dem nicht verschließen, daß dassorgfältige Vergleichen von vergangenen Lebensdaten, wobei man es mit Angaben zutun hatte, die aus den Sternen zu gewinnen waren, zu dem Vertrauen führte für das, waserst in kommenden Zeiten geschehen sollte. Bei allem, was fehl ging, hatte man schonein Auge für das, was fehl ging und die frappierenden Zusammenhänge nicht aufdeckte,aber man nahm das doch nicht in einem ganz kritiklosen Sinne an. Kritik konnten dieLeute der damaligen Zeiten auch anwenden und haben sie vielleicht bei manchen Dingenrecht viel angewandt. [34]

Wie man auch über diese Dinge denkt, ich wollte nur von einigen dieser Beispiele diefrappierendsten anführen, um zu zeigen, daß auch auf dem Wege der heutigenWissenschaft mit den Methoden der heutigen Wissenschaft es möglich ist, im Ernsteüber diese Dinge zu reden.

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Und selbst wenn man das nimmt, was dagegenstünde, so müßte man doch mindestensdas eine zugestehen, wenn man auch ganz den Inhalten ablehnend gegenüberstünde, daßdie Gründe, nach welchen erleuchtete Geister einer verhältnismäßig so kurz hinter unsliegenden Zeit an diesen Dingen festgehalten haben, nicht schlechte Gründe, sondernmenschenwürdige, gute Gründe sind. So daß man, wenn man auch selbst die Gründeablehnte, sich sagen muß: Diese Dinge wirkten in jenem Zeitalter so auf erleuchteteGeister, daß man sah, wie diese Geister, ganz abgesehen von Einzelheiten, an denZusammenhang dessen glaubten, was im einzelnen Menschenleben und im Völkerlebenvorgeht mit den Dingen, die in der großen Welt, im Weltenraume sich abspielen. Andiesen Zusammenhang des Makrokosmos, der großen Welt, mit dem Mikrokosmos, derkleinen Welt, glaubten diese Menschen.

An was glaubten sie im Grunde genommen? Sie glaubten daran, daß diesesMenschenleben auf der Erde, wie es sich abspielt, nicht allein ein chaotisches Strömenvon Ereignissen ist, sondern daß Gesetzmäßigkeit in diesen Ereignissen ist, daß ebenso,wie zyklische Gesetzmäßigkeit in den Himmelsereignissen ist, so eine gewisse zyklischeGesetzmäßigkeit, ein gewisser Rhythmus in den menschlichen und irdischenVerhältnissen sich abspielt. Damit wir uns darüber verständigen können, was gemeint ist,soll auf einige Tatsachen hingewiesen werden, die wahrhaftig, wenn man beobachtenwill, ebenso Gegenstand der Erfahrung werden können, wie es die strengsten Tatsachender wissenschaftlichen Chemie oder Physik heute sind. Nur muß man dann auf denentsprechenden Gebieten Beobachtungen anstellen.

Nehmen wir an, wir beobachten irgendeine besondere Tatsache, die sich imMenschenleben während der Kindheitszeit abspielt. [35] Wer dann das Menschenwesenso betrachtet, daß er längere Zeiträume ins Auge faßt, wird merkwürdigeZusammenhänge herausbringen. Da ergibt sich ein merkwürdiger Zusammenhangzwischen dem allerersten Kindesleben und dem spätesten Greisenleben, so daß wir –wenn auch in Umkehrung – ganz genau einen Zusammenhang bemerken könnenzwischen dem, was der Mensch am Abend seines Lebens erlebt, und dem, was er in derJugend durchgemacht hat. Dann werden wir sagen können: Wenn wir zum Beispiel inder Jugendzeit Aufregungen durchgemacht haben durch besondere Angstzustände, dannkann es sein, daß wir vielleicht unser ganzes Leben hindurch davon verschont seinkonnten, aber im Alter dann eigentümliche Dinge auftreten, von denen wir wissenkönnen, wir haben die Ursache zu ihnen in den Angstzuständen der allerfrühestenKindheit zu suchen. Dann gibt es wieder Zusammenhänge zwischen dem Jünglingsalterund der Zeit, die dem Greisenalter vorangeht. Kreisförmig spielt sich das Leben ab. Wirkönnen noch weiter gehen. Nehmen wir zum Beispiel an, irgend jemand würde in seinemachtzehnten Jahre aus seinem bisherigen Lebensgange herausgerissen werden, er hättevielleicht bis dahin studieren können, wäre im achtzehnten Jahre aus seinem Studiumherausgerissen worden und müßte von da ab Kaufmann werden, vielleicht dadurch, daßder Vater sein Vermögen verloren hat und so weiter. Da könnte sich herausstellen, daßder Betreffende sich zuerst gar nicht unglücklich in seinem Beruf fühlt, wir sehen aberdann nach einigen Jahren ganz besondere Schwierigkeiten im Leben auftreten. [36]

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Wenn wir einen solchen Menschen weise leiten, ihm über gewisse Schwierigkeiten hin-weghelfen wollen, so können wir nicht irgendwelche allgemeine abstrakten Grundsätzeanwenden, sondern wir müssen uns klar sein, daß wir, während er mit achtzehn Jahrenaus seinen Lebensverhältnissen herausgerissen worden ist und mit vierundzwanzigJahren besondere seelische Schwierigkeiten hat, so daß also sechs Jahre später dieSchwierigkeiten aufgetaucht sind, sechs Jahre vorher, also etwa im zwölften Jahre, imSeelenleben dieses betreffenden Menschen irgendwelche Vorgänge finden werden,welche die Schwierigkeiten bedingen, die uns also in Wahrheit erklären werden, was sichmit vierundzwanzig Jahren abgespielt hat: sechs Jahre vorher, sechs Jahre nachher, derBerufswechsel liegt in der Mitte. Wie bei einem Pendel, das nach rechts und linksausschlägt, in der Mitte der Punkt ist, wo die Gleichgewichtslage ist, so ist in diesemFalle das achtzehnte Jahr ein Knotenpunkt gegenüber dem Pendelschlag des Lebens.Was vorher im Leben da war, spielt sich so ab, daß eine Ursache, die vorher gelegt ist,ihre Wirkung dieselbe Anzahl von Jahren nach diesem Knotenpunkt hat. So ist es mitdem ganzen Menschenleben.

Das menschliche Leben verläuft nicht unregelmäßig, sondern in gewisser Weiseregelmäßig und gesetzmäßig. Der einzelne Mensch braucht das nicht zu wissen. Aber injedem Menschenleben ist ein Lebensmittelpunkt, und was vor diesem Lebensmittelpunktist, das Jugendleben, das Kindheitsleben, läßt die Ursachen gleichsam im Schoße deraufeinanderfolgenden Ereignisse liegen, und was dann eine gewisse Anzahl von Jahrenvor diesem Lebensmittelpunkt sich abgespielt hat, zeigt sich in seinen Wirkungen ebensoviele Jahre nach demselben. Und so wie der Tod der entgegengesetzte Punkt der Geburtist, so sind die Ereignisse der Kindheit die Ursache für Ereignisse, die sich in den Jahrenzutragen, die dem Tode vorangehen. So begreift man das Leben.

Vernünftig wird man das Leben nur begreifen, wenn man so zurückzeichnet, wennman zum Beispiel in bezug auf einen Krankheitszustand, der vielleicht mitvierundfünfzig Jahren auftritt, sich einen Lebensknotenpunkt suchen wird, wo einMensch an einer besonderen Krise vorbeigegangen ist, von dort zurückrechnet und einEreignis finden wird, das sich zum vierundfünfzigsten Jahre verhält wie Geburt zumTode, das heißt in gewisser Beziehung entgegengesetzt. In einer gewissen Weise sind dieEreignisse im Menschenleben auch so angeordnet, daß sie sich gesetzmäßig verfolgenlassen. [37] Das widerspricht nicht unserer Freiheit. Die größte Sorge der Menschen istgewöhnlich, daß eine solche gesetzmäßige Art des Ablaufes der Ereignisse dermenschlichen Willkür, der menschlichen Freiheit widerspräche. Das ist aber nicht derFall, das kann nur für ein ungeschultes Denken so scheinen. Wer zum Beispiel in seinemfünfzehnten Jahre irgendeine Ursache in den Schoß der Zeiten hineinlegt, deren Wirkunger im vierundfünfzigsten Jahre erlebt, der benimmt sich dadurch ebensowenig seinerFreiheit für dieses Jahr wie der, welcher sich ein Haus baut, das im nächsten Jahre fertigwerden soll, und dann in dasselbe einzieht.

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Bei genauem logischem Denken wird man nicht sagen können, man benehme sich seinerFreiheit, wenn man dann in das Haus zieht. Bei genauem logischem Denken wird mannicht sagen können, man benehme sich seiner Freiheit, wenn man Ursachen für spätereEreignisse legt. Das hat mit der Freiheit des Lebens direkt nichts zu tun.

Ebenso, wie es zyklische Zusammenhänge im einzelnen Menschenleben gibt, ebensosind solche für das Leben der Völker, überhaupt auch für das Leben auf der Erdevorhanden. In früheren Vorträgen wurde schon angeführt, was auch später noch gezeigtwerden soll, daß wir die Entwickelung unserer Erdenmenschheit zunächst für unsereunmittelbare Kulturepoche in aufeinanderfolgende, uns zunächst berührendeKulturepochen, Kulturzeiträume einteilen. Da haben wir einen Kulturzeitraum, den wirals denjenigen bezeichnen, in welchem die babylonisch-assyrisch-ägyptisch-chaldäischeKultur sich abgespielt hat. Darauf folgend haben wir denjenigen Zeitraum, den wir alsden griechisch-lateinischen bezeichnen, in den alle Tatsachen des Griechentums und desRömertums hineinfallen, und dann haben wir den unsrigen, den wir vom Untergange desGriechentums und des Römertums an bis in unsere Zeit hinauf rechnen, und der, wie alleZeichen der Zeit zeigen, noch lange dauern wird. So haben wir drei aufeinanderfolgendeKulturepochen. [38]

Wer genauer das Völkerleben in diesen drei aufeinanderfolgenden Epochen betrachtet,der wird gewahr werden, daß die griechisch-lateinische Zeit etwas wie einenLebensknotenpunkt in der Entwickelungsgeschichte der Menschheit hatte. Daher auchjenes eigentümlich Faszinierende der griechisch-römischen Kultur. Die Art und Weise,wie griechische Kunst, griechische und römische Staatenbildung sich ausnehmen, wasrömisches Recht und römische Staatskunst und was Auffassung des römischen Bürgersist, das ist etwas, was wie eine Art von Gleichgewichtspunkt in denaufeinanderfolgenden Strömungen der Entwickelung der Menschheit dasteht. Dannhaben wir nachher unseren Kulturzeitraum, vorher den ägyptisch-chaldäischen. In einermerkwürdigen Weise kann nun der, welcher die Verhältnisse tief genug betrachtet,wahrnehmen, wie ganz bestimmte Erscheinungen des ägyptisch-chaldäischenZeitraumes, allerdings in veränderter Gestalt, aber dennoch verwandt mit diesen, sichheute wieder abspielen. So daß damals die Ursachen in den Schoß der Zeiten gelegtworden sind, die jetzt wieder herauskommen. Und wir empfinden es dann wie einemerkwürdige Mahnung, daß nicht nur gewisse Arten zum Beispiel der menschlichenHygiene, gewisse Waschungen im alten Ägypten aufgetreten sind und jetzt wieder, wennauch in anderer Gestalt, auftreten, sondern daß auch gewisse Arten, sich zum Leben zustellen, so auftreten, daß man sieht: es erscheint das, was im alten Ägypten als Ursachegelegt worden ist, heute in seinen Wirkungen, aber wie ein Ruhepunkt dazwischenerscheint die griechisch-römische Kultur. Und wiederum geht der ägyptisch-chaldäischen Kultur diejenige voran, welche wir als die urpersische bezeichnen. Nachdem Gesetz der Kreislaufentwickelung ist es dann, man möchte sagen, wie eine Ahnungzu erhoffen, daß ebenso, wie sich die ägyptisch-chaldäische Zeit in unseremKulturzyklus wiederholt, so der urpersische Zeitraum in demjenigen sich wiederholenwird, der auf den unsrigen folgen wird.

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Immer Gesetzmäßigkeit in dem Gange der Menschheitsentwickelung! NichtRegellosigkeit, nicht Chaos, aber auch nicht eine solche Gesetzmäßigkeit, wie dieheutigen Historiker vielfach vermuten. [39] Da sucht man die Ursachen für alles, washeute geschieht, in der unmittelbar vorhergehenden Zeit, die Ursachen für dieGeschehnisse der nächsten Vergangenheit wieder in der unmittelbar vorhergehenden Zeitund so weiter, so daß man eine Kette von Ereignissen konstruiert, wo immer eines aufdas andere folgt. Aber bei genauerer Betrachtung stellt sich das nicht heraus, sondern dastellen sich Kreisläufe, Überschneidungen, heraus, so daß etwas, was vorher da war, eineZeitlang verborgen bleibt und später wieder auftritt, was noch früher da war, noch späterauftritt und so weiter. Das kann sich schon einer äußerlichen Betrachtung derMenschheitsentwickelung ergeben.

Für den aber, der in den letzten zwei Vorträgen anwesend war, und der auchgeisteswissenschaftlich in den Gang der Menschheitsentwickelung eindringt, stellt sichnoch viel weiteres heraus, daß nämlich auch noch in der Tat eine tiefe geistige Gesetz-mäßigkeit in dem Strom des Geschehens, in dem Strom des Werdens drinnen liegt, unddaß in dem Augenblick, wo der Mensch zu einer gewissen Vertiefung seinesSeelenlebens kommt, wie es schon charakterisiert worden ist, er auch zu einem Schauensolcher tieferen inneren Zusammenhänge vordringt. Und wenn es auch wahr ist, daßnichts so leicht, als was in dieses Gebiet gehört, verkannt werden kann, daß es sogarleicht auch in die Nähe kommen kann von Scharlatanerie, vielleicht auch vonSchwindelhaftigkeit und von dem, was unmoralischen menschlichen Trieben undInstinkten entgegenkommt, so ist dennoch dieses wahr, daß der Mensch imstande ist,Persönliches auszuschließen und die inneren verborgenen Kräfte des Geisteslebens regezu machen, so daß er nicht mehr nur das entwickelt, was er aus seiner Umgebung weiß,woran er sich als an sein eigenes Leben und das seiner nächsten Bekannten erinnert,sondern daß er frei wird von allem, was sein persönliches, sein sinnliches Anschauenausmacht. [40] Wenn der Mensch, wie es im ersten und zweiten Vortrage geschildert ist,derart aus seiner Persönlichkeit heraustritt und sich bewußt wird, daß noch höhere Kräftein ihm sind, die nur durch entsprechende Übungen, die charakterisiert worden sind undauch weiter charakterisiert werden sollen, entwickelt zu werden brauchen, und wenn derMensch durch solche Übungen die tiefer liegenden Kräfte an die Oberfläche ruft, dannwird dies, indem irgend etwas in einem Menschenleben geschieht, zu irgendeiner Zeitauch zum Verräter von tiefer liegenden Ursachen, und der Mensch ahnt dann, daß alles,was im Laufe der Zeit geschieht, so oder so Wirkungen hineinwirft in die Zukunft. Dasist das Gesetz, welches uns auch durch die Geisteswissenschaft entgegentritt, daß alles,was auch auf geistigem Gebiete geschieht, nicht wesenlos im Strome des Daseinsverrinnt, sondern daß es seine Wirkungen hat, und daß wir das Gesetz suchen müssen,wonach diese Wirkungen in späteren Zeiten auftreten. Durch diese Erkenntnis kommenwir auch dazu, überhaupt einzusehen, daß dieses Leben zwischen Geburt und Tod auchdie Ursachen für das Zurückkehren unserer Individualität auf die Erde enthält, so daßsich für die Wirkungen in einem nächsten Leben die Ursachen zeigen im jetzigen Leben.

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Wie die Erkenntnis der Wirkungen des Karma ein Ergebnis der Einsicht ist, wie dieUrsachen im Schoße der Zeit liegen und wieder umgeändert als Wirkungen erscheinen,so wie dieses Gesetz Ergebnis solcher Erkenntnis ist, so war im Grunde genommen auchbei all den Menschen, welche Prophetie ernst nahmen oder sie ausübten, als eineEinsicht, als Grundstimmung ihrer Seele das vorhanden, daß es Gesetze gibt imWerdegang des Menschenlebens, und daß die Seele die Kräfte wachrufen kann, welchein diese Gesetze einzudringen vermögen. Aber die Seele braucht Anhaltspunktezunächst. Die ganze Welt in ihren Tatsachen hängt zusammen. Wie schließlich derMensch in seinem physischen Leben von Wind und Wetter abhängig ist, so istwenigstens vorauszusetzen, wenn man auch über die Einzelheiten keine Klarheit hat, daßalles, was uns umgibt, in gewisser Weise zusammenhängt. [41] Und wenn man auchnicht Naturgesetze sucht in diesen Zusammenhängen nach der Art der heutigenNaturgesetze, so kann man doch aus dem, was einem in dem Gange der Sterne, in denKonstellationen der Sterne erscheint, etwas herausholen, was in uns den Gedankenhervorrufen kann: Da draußen sehen wir Harmonien, die in uns ähnliche Harmonien,ähnliche Rhythmen auslösen können, nach denen das menschliche Leben verläuft.

Dann führen andere Betrachtungen auf Einzelheiten. Führen wir zunächst dasFolgende an: Wir haben, wenn wir das Menschenleben genau betrachten, wie man in derkleinen Schrift «Die Erziehung des Kindes vom Gesichtspunkte derGeisteswissenschaft» nachlesen kann, unterscheidbare Epochen noch in folgendem: dieersten Jahre des Menschen bis zum Zahnwechsel, darauf die nächsten Jahre bis zurGeschlechtsreife, dann die Jahre bis zum einundzwanzigsten Jahre und dann wieder diebis zum achtundzwanzigsten Jahre, das heißt siebenjährige Perioden im Menschenleben,welche uns zeigen, daß sie in ihrem ganzen Charakter verschieden sind, daß neue Artenvon Fähigkeiten auftreten, nachdem diese Epochen da sind. Wenn wir darauf einzugehenvermögen, dann zeigt sich uns ganz klar, daß ein rhythmischer Gang im Menschenlebenvorhanden ist, der in einer gewissen Weise im Sternenhimmel wiedergefunden werdenkann. Merkwürdig, wenn jemand das Leben nach diesem Gesichtspunkte betrachtet –man muß es nur objektiv ruhig betrachten, ohne den Fanatismus einer Gegnerschaft –dann findet man, daß sich um das achtundzwanzigste Lebensjahr für die Seele etwasabspielt, was in einer gewissen Weise in der Tat für viele Menschen so ist, daß mansagen kann: Es hat sich nach vier mal sieben Lebensjahren Wichtiges zum Abschlußgebracht. – Vier mal sieben Lebensjahre, achtundzwanzig ungefähr, wenn auch nichtganz genau, das ist auch die Zeit, welche der Saturn zu seinem Umlauf braucht. Währenddieser Zeit durchläuft er einen Kreis, der aus vier Teilen besteht, geht also durch denganzen Kreis durch, durchläuft die Zeichen des Tierkreises, und es entspricht dann seinGang in einer gewissen Weise wirklich bildhaft dem Gang des Menschenlebens von derGeburt bis zum achtundzwanzigsten Jahre. [42] Und man kann es wieder weitereinteilen, indem man, wie man den Kreis in vier Teile teilt, diese achtundzwanzig Jahrein Perioden teilt, von denen jede sieben Jahre dauert. Da sieht man, wie in der Tat in demUmlaufe eines Sternes für den großen Weltenraum etwas gegeben ist, was sich in einerähnlichen Weise im Menschenleben zeigt.

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In ganz ähnlicher Art kann für andere Dinge, die am Himmel vorgehen, Rhythmischesim Menschenleben gezeigt werden. Wenn einmal die heute wenig beachtete,außerordentlich geistvolle, aber noch durchaus in ihren Anfängen ruhende Lehre desBerliner Arztes Fließ (20) über die wunderbare Reihe von Geburt und Tod studiert undweiter ausgebaut werden wird, so wird man sehen, wie rhythmisch Geburten und Todeim Leben der Menschheit sind. Aber alles das ist heute erst im Anfangwissenschaftlicher Untersuchungen. Man wird dann darauf kommen, wenn man denGang der Sterne auf das menschliche Leben bezieht, daß man gar nichts anderes braucht,als den Gang der Sterne als eine Himmelsuhr anzuschauen, und das menschliche Lebenals einen Rhythmus, der für sich abläuft, aber dennoch in einer gewissen Beziehungdurch die Sterne bestimmbar ist. Man kann sich eine Vorstellung davon machen, wieman, wenn man auch nicht in naturwissenschaftlichem Sinne die Ursachen in denSternen sucht, dennoch denken kann, daß das Menschenleben durch eine innereVerwandtschaft in einem ähnlichen Rhythmus abläuft. Wenn wir zum Beispiel oftmalsdes Morgens vor unsere Tür getreten sind oder zum Fenster hinausgeschaut haben unddann zur selben Zeit immer einen Menschen vorbeigehen gesehen haben, von dem wirwissen, er geht zu seinem Amte oder dergleichen, schauen wir auf die Uhr und wissen,daß jeden Tag zu dieser bestimmten Zeit der betreffende Mensch bei uns vorbeigeht. Istes nun unbegründet, einmal die Uhr zu nehmen, wenn wir das wissen und zu sagen:Wenn die Zeiger der Uhr so stehen, können wir erwarten, daß dieser Mensch davorbeigeht? Sind die Zeiger der Uhr dafür die Ursache, sind sie bestimmend für denMenschen, der da vorbeigeht? [43]

Die Ursachen liegen ganz anderswo, aber man kann durch den bestimmten Rhythmusannehmen, daß um diese bestimmte Zeit der Betreffende dann draußen vorbeigehenwird. So braucht man nicht in den Sternen die Ursachen zu suchen. So kann man in denSternen eine Weltenuhr sehen, die den Rhythmus angibt, nach dem sich auch dasMenschen- und Völkerleben abspielt.

Hier ruhen Dinge, die auch heute schon wichtige Gesichtspunkte für die Betrachtungdes Lebens abgeben werden, und die Geisteswissenschaft hat, weil sie mit viel tieferenMitteln vorgehen kann, auf diese tieferen Zusammenhänge hinzuweisen. Jetzt werdenwir es auch begreifen, warum Tycho de Brahe, Kepler und andere sozusagen als Rechnervorgingen, Kepler am allermeisten, Tycho de Brahe schon weniger. Denn wer sich in daseigentümliche Seelenleben Tycho de Brahes hineinlebt, der findet, daß es nicht gar soweit entfernt war von dem Seelenleben des Nostradamus. Aber vollends sehen wir beiNostradamus, daß er nicht zu rechnen braucht, sondern daß er in seiner oben offenenKammer sitzt und den Sternenraum auf sich wirken läßt. Daß er dazu die entsprechendenFähigkeiten hat, das schreibt er besonders günstigen Vererbungsverhältnissen zu, diesein Organismus besitzt, der ihm keine Hindernisse entgegensetzt. Dann braucht er abernoch etwas anderes, wie er sagt: eine ruhige, gelassene Seele, die alles ausschaltet, wasihn sonst im Leben umgeben hat, die alle Gedanken und Bewegungen, vor allem alleSorgen, Aufregungen und Bekümmernisse des gewöhnlichen Lebens entfernt, alleErinnerungen an das tägliche Leben.

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Rein und frei muß sich die Seele ihren Sternen entgegenstellen. Dann taucht in der Seeleauf, taucht in Nostradamus' Geist – man sieht es ganz genau geistig – in Bilderndasjenige auf, was er verkündet. Er sieht es wie in Bildern, in Szenen vor sich. [44] Undwenn er in astronomischen Ausdrücken sprechen würde, und ein Menschenschicksalvoraussagen und zum Beispiel sagen würde, der Saturn sei schädlich, oder der Mars seischädlich, so würde er bei Schicksalsvoraussagungen nicht an den physischen Saturnoder an den physischen Mars da draußen direkt denken, sondern er würde denken: DieserMann hat einen kriegerischen Charakter, hat ein kriegerisches Temperament, zugleichaber etwas, was Melancholie ist, was ihn gewissen trübsinnigen Stimmungen aussetzenkann, die bis in die Leiblichkeit hineingehen können. – Das sieht er. Das läßt er imGeiste zusammen wirken, und da entsteht ihm dann ein Bild für die Zukunftsereignissedes betreffenden Menschen; da wirken die Neigung zur Melancholie und die kriegerischeStimmung des Menschen zusammen: Saturn und Mars. Das sind nur Sinnbilder. Wenn erSaturn und Mars sagt, so will er sagen, daß in dem Menschen etwas drinnen ist, das zudem hindrängt, was sich ihm wie eine Szene, ein Bild hinstellt, was man aber mit derOppositionsstellung oder Konjunktionsstellung von Mars und Saturn am Himmelvergleichen kann. Aber das ist nur Ausdrucksmittel, nur Sinnbild für das, was er sagenwill. Für Nostradamus lösen die Betrachtungen der Harmonie der Sterne die Stimmungder Sehergabe aus, die es ihm möglich macht, daß er tiefer in die Seelen hineinsehenkann, als man es sonst vermag.

Das heißt also, wir sehen in ihm einen Menschen, der durch ein besonderes Verhaltendie inneren Kräfte der Menschenseele erwecken kann, die sonst verborgen im Menschenruhen. Deshalb ist es Stimmung der Andacht, der Ehrfurcht vor dem Göttlichen, die er insich hervorruft, wenn Sorgen und Bekümmernisse völlig stillestehen, und auch dasHinneigen der Seele zur äußeren Welt verschwunden ist. Er hat sich dann vollständigvergessen, fühlt sich nicht selbst und kann dann sagen, daß sich in solchen Momenten inseiner Seele bewahrheite, was immer sein Wahlspruch war: Es ist der Gott, der hierdurch meinen Mund sich ausspricht. Ist, was ich zu sagen vermag, etwas, was dichberührt, o Mensch, so nimm es hin, als dir gesagt von der Gnade deiner Gottheit! – DieseEhrfurcht gehört dazu! [45] Sonst ist Sehergabe nichts Echtes. Diese Stimmung abersorgt von vornherein dafür, daß der, welcher sie hat, diese Sehergabe nicht in einemunmoralischen oder in irgendeinem unedlen Sinne mißbraucht.

Bei Tycho de Brahe sehen wir eine Art von Übergang zwischen dem Charakter desNostradamus und dem des Kepler. Tycho de Brahe kommt einem vor, wenn man seineSeele studiert, wie jemand, der sich aus einem früheren Leben heraus an Anschauungenerinnert, die er gehabt hat, etwa wie man in Griechenland prophetische Dinge getriebenhat. Es ist etwas in ihm wie in der Seele eines alten Griechen, der überallWeltenharmonie sehen will. Das wird Stimmung. Und die Stimmung ist es bei ihm, wiewenn die astronomische Berechnung nur eine Krücke wäre, die darauf hinweist, daß esin der Seele die Kräfte findet, welche in ihm aufsteigen lassen die Bilder aus früherenUrsachen über die Ereignisse der Zukunft oder der Vergangenheit.

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Kepler ist schon ein mathematischer Geist, ein wissenschaftlich abstrakter Geist in demSinne, wie es die Geister unserer Gegenwart in noch erhöhterem Maße sind. Er ist daherschon mehr oder weniger auf die bloße Berechnung angewiesen, die natürlich auchwieder stimmt, weil nach den Erfahrungen, die auf hellseherische Art gemacht wordensind, die Himmelskonstellationen eingestellt sind auf das menschliche Leben. Undimmer mehr und mehr wurde die Astrologie bloße Berechnung. Sehergabe, wie sieNostradamus noch hatte, ging immer mehr und mehr verloren. Wir werden denÜbergang noch sehen in dem Vortrag «Von Paracelsus zu Goethe». (21) – Sehergabeging auf in abstrakte Erkenntnis, in reine intellektuelle, astrologische Prophetie, und wirkönnen sagen: Als die Sehergabe nur noch astrologische Prophetie war, ist sie schonintellektuell, verstandesmäßig gedacht.

Je weiter wir zurückgehen, desto mehr werden wir finden, daß den alten Propheten ausden Untergründen ihrer Seele das aufging, was sie über das Leben ihrer Völker zu sagenhatten. [46] So war es bei den jüdischen Propheten, daß sie unmittelbar aus derVerknüpfung mit ihrem Gotte, aus dem Umstande, daß sie von ihrer Persönlichkeit undvon ihren persönlichen Angelegenheiten frei wurden, den großen Ereignissen ihresVolkes hingegeben waren, und auch hinschauen konnten auf das, was ihrem Volkebevorstand. So wie heute der Erzieher, der vorschauen kann, daß sich im KindeEigenschaften zeigen, die sich im Alter wiederholen müssen, darauf Rücksicht nehmenkann, so erscheint dem jüdischen Propheten die Seele seines Volkes als ein Ganzes, undwas in Vorzeiten als Ursachen da war, das lagerte sich in seiner Seele ab und wirkte so,daß er die Wirkungen wie in einer grandiosen Ahnung wahrnimmt. Was für eineBedeutung hat das aber für das menschliche Leben, was für einen Sinn hat diesesProphetentum?

Darauf kommen wir, wenn wir uns klar machen, daß es große Persönlichkeiten gibt,auf die wir immer das geschichtliche Strömen der Tatsachen zurückführen werden.Wenn auch die Menschen immer am liebsten nivellieren möchten, weil es unangenehmist, wenn eine Persönlichkeit besonders über die anderen Menschen emporragt, dennheute will man Gleichheit in bezug auf alle Fähigkeiten, heute will man leugnen, daßgewisse Persönlichkeiten mehr an Kraft als die anderen haben, so gibt es dennoch imgeschichtlichen Werden und in der Entwickelung der Menschheit solche großen,fortgeschritteneren Führerpersönlichkeiten. Es gibt zweierlei Führer in derEntwickelungsgeschichte der Menschheit. Heute ist es ja schon so weit gekommen, daßdas größte Ereignis der Menschheitsentwickelung oder überhaupt, daß größte Ereignisseso betrachtet werden, als ob sie nicht auf eine Persönlichkeit zurückführen, sondern wievon selber aus den Ideen herauswachsen würden. So gibt es heute eine theologischeRichtung, die sich noch immer christlich nennt, die aber sagt, es brauche gar keineneinzelnen Menschen Christus Jesus gegeben zu haben. Ja, einer dieser Theologen hatsogar gesagt, als ihm erwidert wurde, daß doch die Weltgeschichte von Menschengemacht würde, das sei so selbstverständlich, wie der Wald aus Bäumen bestände, aberdarauf käme es nicht an, sondern so wie die Bäume den Wald machen, so machen dieMenschen die Weltgeschichte. [47]

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Es ragt keiner hervor. Aber trifft denn so etwas wie der Ausdruck: «Der Wald bestehtaus Bäumen» zusammen mit dem, was in der Geschichte da ist? Man muß sich nurwundern, wie wenig Logik sich darin ausdrückt, denn der Betreffende braucht nurdarüber nachzudenken, daß der Wald, so wie er besteht, zurückzuführen ist auf Tateneines Menschen oder vieler Menschen. Es muß die Frage entstehen, ob nicht der Walddoch so entstanden sein könnte, daß ein oder zwei Samenkörner gelegt worden sind, unddaß daraus der ganze Wald abstammen kann. Gewiß besteht der Wald aus Bäumen; aberes ist doch erst zu untersuchen, ob er einmal nicht aus ein oder zwei gelegtenSamenkörnern abstammt. So ist auch in der Menschheitsgeschichte zu untersuchen, obnicht die Ereignisse der Menschheitsentwickelung auf diesen oder jenen einzelnenMenschen zurückzuführen sind, der die übrigen befruchtet hat.

Wer die Weltgeschichte so betrachtet, der kommt darauf, daß Menschen, die denStrom der Menschheitsentwickelung leiten, überschüssige Kräfte haben. Ob sie nun dieseKräfte im günstigen oder ungünstigen Sinne verwenden, ist eine andere Sache. Ausüberschüssigen Kräften wirken die Menschen auf ihre Umgebung. Überschüssige Kräfte,die der Mensch nicht für seine Persönlichkeit gebraucht, können sich entweder in Tatenausleben, oder sie haben in unmittelbaren Taten keine Verwendung. Bei Tatenmenschensehen wir, wie das, was der Mensch an Kräften in sich trägt, sich in Taten unmittelbarauslebt. Es gibt aber Menschen, die nicht dazu veranlagt sind, dasjenige, was sie anKräften haben, auch in Taten auszuleben, oder aber es tritt, wenn es sich in Tatenausleben will, immer ein Hindernis ein. Da haben wir gerade den interessanten Fall desNostradamus. Er ist Arzt, er war Jude, er wirkt in einer heilsamen Weise durch seineTätigkeit, er tut vielen Menschen Gutes. Aber die Menschen können es oft nicht leiden,daß jemand Gutes tut. So bekam er Neider, wurde bezichtigt, daß er Calvinist sei. [48]Nun, Jude und Calvinist, das waren damals zwei unmögliche Dinge, und so kam es, daßer gezwungen war, sich aus einer weitverzweigten, hingebungsvollen Tätigkeit, die er alsArzt entwickelt hatte, zurückzuziehen und seinen Beruf aufzugeben. Aber waren jetzt dieKräfte, die er in dieser aufregenden Tätigkeit angewendet hatte, nicht mehr in ihm, als ersich zurückzog? Dieselben Kräfte waren noch immer in ihm. In der Physik glaubt manan eine Erhaltung der Kraft. Man übertrage das nur in gesunder Weise auf dieSeelenkräfte. Bei Nostradamus war es so, daß jetzt seine Kräfte, als er seine Tätigkeiteinstellte, einen anderen Weg nahmen. Wenn er aber Arzt geblieben wäre, so würden siekeine andere Wirkung in die Zukunft gehabt haben. Oder ist es keine Wirkung in dieZukunft, wenn man einen Menschen heilt, während er vielleicht sonst gestorben wäre?Setzt man da nicht seine Tätigkeit im weiteren Verlaufe der Dinge in die Zukunft hineinfort? Denn wo ist ein Ende dessen, was man da an Taten vollbringt? Der Tatenstromsetzt sich fort. Ziehen wir uns wie Nostradamus von einer Tätigkeit zurück, so ist derTatenstrom plötzlich unterbrochen. Er ist nicht mehr da. Die Kräfte aber sind da. Und dieKräfte, die in der Seele bleiben, gestalten sich um, so etwa, daß das, was sonst vielleichtals fernste Wirkungen seiner Taten in der Zukunft sich gezeigt hätte, als Sehergabe sichzeigt und im Bilde vor ihm auftauchte. Umgewandelt sehen wir seine Taten.

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Und anders ist es auch nicht bei anderen prophetischen Naturen aller Zeit, und auch nichtbei den alten jüdischen Propheten. Die alten hebräischen Propheten sind Männergewesen – das zeigt die biblische Geschichte –, innig verbunden mit alledem, was in derSeele ihres Volkes an Kräften lebte, was im Strome der Zeit von der Vergangenheit indie Zukunft ging; nicht hingen sie an der eigenen Seele, nicht am Persönlichen. Undauch solche Naturen waren sie nicht, die in Taten sich auslebten, wohl aber solche dieüberschüssige Kräfte in sich hatten, die von vornherein so auftraten wie des NostradamusKräfte nach ihrer Umwandlung. Daher zeigte sich ihnen in gewaltigen Traumbildern,was sonst als Taten sich ausgelebt hätte. [49] Sehergabe ist mit Tatendrang unmittelbarverbunden, zeigt sich nur wie eine Metamorphose des Tatendranges der in der Seeleüberschüssigen Kräfte.

So zeigt sich Sehergabe durchaus nicht unbegreiflich, sondern sie kann sich ganzhineinstellen in die logische Denkweise unserer Naturwissenschaft selber. Darausersehen wir aber auch, daß uns gerade eine solche Sehergabe hinausführt über dieunmittelbare Gegenwart. Und alles, was wirken soll über die unmittelbare Gegenwarthinaus, wie kann es nur wirken? Nur der kann über die unmittelbare Gegenwart hinauswirken, der Ideale hat. Ideale sind aber zunächst etwas Abstraktes. Man setzt sie sich vorund glaubt, daß sie wirklich unserer Gegenwart entsprechen könnten. Wer aber aus derübersinnlichen Welt heraus wirken will und vollbringen will, was aus der übersinnlichenWelt auf ihn einwirkt, der nimmt nicht abstrakte Ideale, sondern er sucht in die Ursacheneinzudringen, die im Schoße der Zeiten liegen, und fragt sich: Wie wirken sich dieseUrsachen in der Zeit aus? – Und das läßt er nicht wirken auf den Verstand sondern aufseine Sehergabe. Eine richtige Erkenntnis der Vergangenheit, wenn dies aber nichtverstandesmäßig gemacht wird, sondern sich auf die tieferen Seelenkräfte ablagert, läßtimmer in der Seele Bilder der Zukunft auftauchen, die mehr oder weniger entsprechendsind. So ist es auch heute, daß dem, der Sehergabe richtig betreibt, indem er sich in denGang der Menschheitsentwickelung der Vorzeit vertieft, ein Bild aufsteigt, welches wieein konkretes Ideal dasteht und sich etwa so ausnimmt, daß man sich sagen würde: Wirleben in einer Zeit, in welcher die Menschheit an einem Übergange steht; gewisse Kräfte,die bisher nur dunkel in der Seele waren, treten immer mehr und mehr hervor. Und ineiner gewiß gar nicht fernen Zukunft wird, wie heute Vernunft, Verstand und Phantasiefür den Menschen existieren, etwas anderes in der Seele da sein, etwas wie eine neueSeelenkraft, durch welche sich der Drang, die übersinnliche Welt zu erkennen, geltendmachen wird. Man sieht etwas wie einen neuen Sinn an die Seele herankommen. [50]

Man sieht aber heute schon das Aufgehen dieser neuen Seelenkraft. Wenn solchesAngeregtsein durch das, was in der Vergangenheit geschah, auf uns wirkt und Bilderentstehen von dem, was in der Zukunft geschehen muß, dann haben wir nicht dieImpulse des Fanatikers, sondern dann haben wir die Impulse, die aus der Realität herauswirken und uns sagen, warum wir in bezug auf die geistige Entwickelung der Gegenwartdieses oder jenes tun. Das ist im Grunde genommen der Sinn alles Prophetentums. Eszeigt sich, wie der Sinn des Prophetentums auch dann erreicht werden kann, wenn dieBilder, die ein Seher von der Zukunft entwirft, nicht ganz richtig sind.

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Gerade wer die verborgenen Kräfte der menschlichen Seele zu beobachten vermag, weiß,daß vielleicht durchaus falsche Bilder von dem auftreten, was in der Zukunft geschehensoll, weiß aber auch, warum die Bilder vieldeutig sind oder sein können, so daß durchausnichts Besonderes ausgesprochen ist in bezug auf das Geschehene, wenn gesagt wird:Der hat dieses oder jenes angegeben, aber das ist dehnbar, das ist vieldeutig! SolcheBilder können vieldeutig sein. Worauf es aber ankommt, das ist, daß solche Impulse imMenschen vorhanden sind, die sich auf das Ganze beziehen, was in die Zukunfthineingeht, und auf dasjenige wirken, was im Menschen vorhanden ist, so daß durchsolche Impulse schlummernde Kräfte im Menschen geweckt werden. Mögen die Bildermehr oder weniger stimmen, diese Prophezeiungen; ganz aber stimmen sollen die Kräfteim Menschen, die Impulse, die geweckt werden; darauf kommt es an!

So ist der Sinn des Prophetentums weniger in der Befriedigung der Neugier durchVoraussagen auf die Zukunft zu suchen, als vielmehr in der Anfeuerung desBewußtseins, daß der Mensch überhaupt der Wirkung von Ursachen in die Zukunfthinein sicher sein kann. [51] Dann mögen Schattenseiten und dergleichen da sein,notwendig aber ist es, zu denken, daß die guten Seiten der Prophetie auch da sind, undden Sinn für das Menschenleben haben, daß man wissen kann, daß auch im Großen dasMenschenleben da ist, daß der Mensch nicht blind in den Tag hinein, aber auch nichtblind in eine ferne Zukunft hinein lebt, sondern daß er sich selber seine Ziele, seineImpulse setzen kann aus dem Lichte der Erkenntnis heraus. Recht hatte Goethe, der soviel Wunderbares über die Weltendinge gesagt hat, als er die Worte hinschrieb:

Wer das Vergangene kennte, der wüßte das Künftige; beides

Schließt an heute sich rein, als ein Vollendetes, an.

In einem schönen Spruche der «Weissagungen des Bakis» sagt er das.

So, sehen wir, liegt im Grunde genommen der Sinn des Prophetentums nicht so sehr indem, was die Neugier oder den Erkenntnisdrang befriedigt, sondern der Sinn desProphetentums liegt in den Impulsen, die es uns für ein Wirken in die Zukunft hineingeben kann. Und nur weil in unserer Zeit das Erkennen, das Verstandes-Erkennen, dasnicht die Impulse des Willens entzündet, überschätzt wird, kommt es, daß man auch überdas Prophetentum kein objektives Urteil gewinnen will. Aber die Geisteswissenschaftwird es dahin bringen, daß man erkennen wird: ja, es waren viele Schattenseiten in demalten und in dem neuen Prophetentum, aber es ruht in diesem Prophetentum – in demStreben, in dem Bewußtsein, einen Hinweis auf den Gang der Zukunft zu erhalten – einwichtiger Kern, der nicht für die Erkenntnis oder für die Neugier gebildet ist, sondern derwichtig ist als Feuer für unseren Willen. Und auch die Menschen, die alles, was imMenschen vorgeht, nur darnach beurteilen wollen, ob man es nüchtern, verstandesmäßigbegreifen kann, müssen aus einer solchen Einsicht in die Weltverhältnisse erkennen, wiedie Prophetie aus einer Wissensrichtung hervorgeht, welche die Anfeuerung derWillensentwickelung zum Ziele hat.

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Und nachdem wir jetzt angeführt haben, was gegen alle Anfeindungen desProphetentums gesagt werden kann, und uns über das verständigt haben, was Kern undSinn der Prophetie ist, kann mit einem gewissen Recht gesagt werden: Auf diesemGebiete liegen viele von jenen Dingen verborgen, von denen Schulweisheit sich nichtsträumen läßt. [52]

Wahr ist dies. Aber gerade im Lichte einer solchen Erkenntnis werden sich auch vieleTatsachen zeigen, die uns den anderen Spruch beweisen, wie Verstandes-Erkenntnisse,selbst wenn sie noch so richtig sind, zuweilen praktisch vollständig wertlos sind, weil sienicht Willensimpulse entwickeln können. Wie es wahr ist, daß vieles da ist, wasSchulweisheit sich nicht träumen läßt, so ist es auf der anderen Seite wahr, daß vieles,was sich auf dem Gebiete der sich verbreitenden wissenschaftlichen Forschung, derVerstandesforschung, ergibt, daß vieles von den Dingen im Himmel und auf der Erdenicht anzutreffen ist. Diese Erkenntnisse verwehen, ziehen nichts nach sich, wenn sienicht von dem im Menschenleben, was ein Wissen ist, fortschreiten zu dem, was nichtnur am Anfang war, sondern was in der Gegenwart und in der Zukunft das Wichtigsteund Bedeutsamste ist: die menschliche Wirksamkeit, die menschliche Tat! [53]

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Wie verhält sich die Theosophie zur Astrologie?

Als eine weitere Frage ist gestellt worden: «Wie verhält sich die Theosophie zurAstrologie?»

Da muß zunächst gesagt werden, daß man gegenwärtig sehr wenig kennt, wasAstrologie wirklich ist. Denn was jetzt oft als solche in Handbüchern erscheint, ist einerein äußerliche Zusammenstellung von Regeln, deren tiefere Gründe kaum irgendwieangegeben werden. Rechnungsmethoden werden angegeben, durch die gewisseSternkonstellationen im Augenblicke der Geburt eines Menschen bestimmt werdenkönnen, oder für den Zeitpunkt einer anderen wichtigen Tatsache. Dann wird gesagt, daßdiese Konstellationen dies oder jenes bedeuten, ohne daß man aus den Andeutungenetwas entnehmen könnte, warum das alles so sei, ja nur wie es so sein könne. Es ist daherkein Wunder, daß Menschen unseres Zeitalters dies alles für Unsinn, Schwindel undAberglauben halten. Denn es erscheint ja alles als ganz willkürliche rein aus den Fingerngesogene Behauptung. Höchstens wird im allgemeinen gesagt, daß in der Welt alles ineinem Zusammenhange stehen müsse, daß es daher sehr wohl von einer Wirkung für dasLeben des Menschen sein könne, wie Sonne, Venus und Mond und so weiter bei derGeburt zueinander stehen, und was dergleichen Dinge mehr sind. – Die wirklicheAstrologie ist aber eine ganz intuitive Wissenschaft und erfordert bei dem, der sieausüben will, die Entwickelung höherer übersinnlicher Erkenntniskräfte, welche heutebei den allerwenigsten Menschen vorhanden sein können. Und schon, wenn man ihrenGrundcharakter darlegen will, so ist dazu ein Eingehen auf die höchsten kosmologischenProbleme im geisteswissenschaftlichen Sinne notwendig. [54] Deswegen können auchhier nur einige ganz allgemeine Gesichtspunkte angegeben werden.

Das Sternsystem, zu dem wir Menschen gehören, ist ein Ganzes. Und der Menschhängt mit allen Kräften dieses Sternsystems zusammen. Nur grober Materialismus kannglauben, daß der Mensch allein mit der Erde im Zusammenhang stehe. Man braucht sichnur anzusehen, was für ein Verhältnis zwischen Mensch, Sonne und Mond in denErgebnissen der «Akasha-Chronik» (22) festgestellt wird. Daraus wird man sehen, daß eseine urzeitliche Entwickelung des Menschen gegeben hat, in denen sein Wohnplatz einWeltkörper war, der aus Sonne, Mond und Erde noch gemeinschaftlich bestand. Daherhat auch heute noch der Mensch in seiner Wesenheit Kräfte, die verwandt mit denjenigender genannten Weltkörper sind. Nach diesen Verwandtschaften regelt sich auch ein heutenoch bestehender Zusammenhang zwischen Wirkungen der angeführten Weltkörper unddem, was im Menschen vorgeht. Allerdings sind diese Wirkungen sehr verschieden vondenen rein materieller Art, von denen ja allein die heutige Wissenschaft spricht. DieSonne wirkt zum Beispiel noch durch etwas ganz anderes auf die Menschen als durchdas, was die Wissenschaft Anziehungskraft, Licht und Wärme nennt. Ebenso gibt esBeziehungen übersinnlicher Art zwischen Mars, Merkur und anderen Planeten und demMenschen. Von da ausgehend kann, wer dazu Veranlagung hat, sich eine Vorstellungmachen von einem Gewebe übersinnlicher Beziehungen zwischen den Weltkörpern undden Wesen, welche sie bewohnen.

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Aber diese Beziehungen zur klaren, wissenschaftlichen Erkenntnis zu erheben, dazu istdie Entwickelung der Kräfte eines ganz hohen übersinnlichen Schauens notwendig. Nurdie höchsten, dem Menschen noch erreichbaren Grade der Intuition reichen da heran.(23) Und zwar nicht jenes verschwommene Ahnen und halbvisionäre Träumen, was manjetzt so häufig Intuition nennt, sondern die ausgesprochenste, nur mit dem mathemati-schen Denken vergleichbare innere Sinnesfähigkeit. [55]

Es hat nun in den Geheimschulen Menschen gegeben und gibt noch solche, welche indiesem Sinne Astrologie treiben können. Und was in den zugänglichen Büchern darübersteht, ist auf irgendeine Art doch einmal von solchen Geheimlehrern ausgegangen. Nurist alles, was über diese Dinge handelt, dem landläufigen Denken auch dannunzugänglich, wenn es in Büchern steht. Denn um diese zu verstehen, gehört selbstwieder eine tiefe Intuition. Und was nun gar den wirklichen Aufstellungen der Lehrervon solchen nachgeschrieben worden ist, die es selbst nicht verstanden haben, das istnatürlich auch nicht gerade geeignet, dem in der gegenwärtigen Vorstellungsartbefangenen Menschen eine vorteilhafte Meinung von der Astrologie zu geben. Aber esmuß gesagt werden, daß dennoch selbst solche Bücher über Astrologie nicht ganzwertlos sind. Denn die Menschen schreiben um so besser ab, je weniger sie dasverstehen, was sie abschreiben. Sie verderben es dann nicht durch ihre eigene Weisheit.So kommt es, daß bei astrologischen Schriften, auch wenn sie noch so dunklenUrsprungs sind, für denjenigen, welcher der Intuition fähig ist, immer Perlen vonWahrheit zu finden sind – allerdings nur für einen solchen. Im allgemeinen sind alsoastrologische Schriften in ihrer Art heute sogar besser als die vieler andererErkenntniszweige.

Dabei soll eine Bemerkung nicht unterdrückt werden. Es herrscht in der Gegenwartdie größte Verwirrung über den Begriff der Intuition. Man sollte sich klarmachen, daßdie heutige Wissenschaft den Begriff des Intuitiven überhaupt nur auf dem Felde derMathematik kennt. Allein, diese ist unter unseren Wissenschaften eine auf reinerinnerer Anschauung beruhende Erkenntnis. Nun aber gibt es eine solche innereAnschauung nicht nur für Raumgrößen und Zahlen, sondern auch für alles andere.Goethe hat zum Beispiel auf dem Gebiete der Botanik eine solche intuitiveWissenschaft zu begründen versucht. Seine «Urpflanze» in ihren verschiedenenMetamorphosen beruht auf innerer Anschauung. [56] Grund genug ist das dafür, daßdie gegenwärtige Wissenschaft überhaupt keine Ahnung davon hat, worauf es beiGoethe in dieser Beziehung ankommt. Für viel höhere Gebiete bringt die TheosophieErkenntnisse durch inneres Anschauen herbei. Auf solchem beruhen ihre Aussagenüber Wiederverkörperung und Karma. Man darf sich nicht wundern, daß Menschen, diekeine Ahnung haben von dem, worauf es bei Goethe ankommt, auch ganz außerstandesind, die Quellen der theosophischen Lehren zu verstehen. Gerade das Sichvertiefen inso wertvolle Schriften, wie zum Beispiel Goethes «Metamorphose der Pflanzen» eineist, könnte als eine vortreffliche Vorbereitung für die Theosophie dienen. Dazu fehltfreilich auch vielen Theosophen die Geduld.

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Wenn man sich aber an solch einem lebensvollen intuitiven Werk, wie das genannte ist,hinaufgerungen hat zu einer Erfassung dessen, worauf es ankommt, dann wird man denWeg schon weiter finden. – Die astrologischen Gesetze beruhen nun allerdings wiederauf solchen Intuitionen, gegenüber denen auch die Erkenntnis von Wiederverkörperungund Karma noch sehr elementar ist.

Diese Angaben sind gewiß sehr dürftig, aber sie können vielleicht doch einenschwachen Begriff von einer Sache geben, von welcher diejenigen zumeist gar nichtswissen, die sie bekämpfen, und über welche auch viele von denen recht schiefeVorstellungen haben, die sie verteidigen. Man halte nur das Verständnis für solcheDinge nicht für wertlose, unpraktische Betätigung, ohne Beziehung zum wirklichenpraktischen Leben. Der Mensch wächst durch das Einleben in die übersinnlichenWelten nicht nur in bezug auf seine Erkenntnis, sondern vor allem moralisch undseelisch. Schon eine schwache Vorstellung davon, welche Stellung er einnimmt imZusammenhänge des Sternensystems, wirkt zurück auf seinen Charakter, auf seineHandlungsweise, auf die Richtung, die er seinem ganzen Sein gibt. Und viel mehr alssich heute mancher vorstellt, hängt eine Fortentwickelung unseres sozialen Lebens vondem Fortschreiten der Menschheit auf dem Wege zu übersinnlicher Erkenntnis ab. [57]Für den Einsichtigen ist unsere jetzige soziale Lage doch nur ein Ausdruck desMaterialismus im Erkennen. Und wenn dieses Erkennen von einem geistigen abgelöstwerden wird, dann werden auch die äußeren Lebensverhältnisse besser werden. [58]

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Die Weltenuhr – Der Zusammenhang konkreter Konstellationenvon Tierkreis und Planeten mit der Entwickelung des Menschen

Bevor ich von hier wegzugehen habe, werden wir versuchen, gerade die Dingegründlicher zu betrachten, die mit der neulich angeregten Frage zusammenhängen:Welche Impulse des menschlichen Lebens müssen insbesondere in der Gegenwart in dasBewußtsein der Menschen eintreten, damit ein Gegengewicht geschaffen sei gegen dasfast ausschließlich sowohl in der Wissenschaft wie im Leben herrschendeVererbungsprinzip? – Allein, der damit gemeinten außerordentlich wichtigen Fragekönnen wir uns nur langsam und allmählich nähern. Es ist ja im Grunde diese Frage imTiefsten zusammenhängend mit dem Gegensatz, den ich Ihnen vor Augen, vor dasGeistesauge führen wollte, indem ich darauf aufmerksam machte, wie man hinsehen kannach dem alten ägyptischen Inschriftspruch der ägyptischen Isis: Ich bin das All, ich bindie Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft; meinen Schleier hat noch keinSterblicher gelüftet –, und wie man auf der andern Seite in sein Bewußtsein aufnehmenkann dasjenige, was von der Gegenwart an und in die Zukunft hinein gewissermaßen derandere, der ergänzende Spruch sein muß: Ich bin der Mensch. Ich bin die Vergangenheit,ich bin die Gegenwart, ich bin die Zukunft. Meinen Schleier sollte jeder Sterbliche lüften.

Nun muß man vor allen Dingen sich klar sein, daß in der Zeit, in der jener Spruchentstanden ist innerhalb der ägyptischen Kultur, es noch klar war, deutlich war, daß manja eigentlich den Menschen selbst anspricht, wenn man vom «Unsterblichen» spricht.[59] Allein innerhalb dieser ägyptischen Kultur war das Mysterium als Mysterienprinzipein tief eingewurzeltes Prinzip. Der Ägypter, der mit seiner Kultur bekannt war, wußte,daß dasjenige, was in der Seele als Unsterbliches lebt, geweckt werden sollte. Ja,entgegen dem Gebrauche, den wir heute haben müssen, betrachtete der Ägyptereigentlich, so wie ja der Grieche auch, wenigstens der in Platos Sinne denkende Grieche,nur denjenigen als wahrhaft der Unsterblichkeit teilhaftig, welcher mit seinemBewußtsein die spirituelle Welt ergriffen hat. Sie können den Beweis dafür nachlesen inmeiner Schrift «Das Christentum als mystische Tatsache», wo ich Ihnen die oftmals hartklingenden Aussprüche Platos angeführt habe für den Unterschied zwischen denjenigenMenschen, welche versuchen, die Impulse des Unsterblichen die spirituellen Impulse inder Seele zu ergreifen, und denjenigen Menschen, die das verschmähen, die das nicht tun.

Indem Sie das bedenken, werden Sie aber leicht einsehen, daß der Ausspruch amBildnis zu Sais eigentlich heißen sollte: Derjenige, der niemals versuchen will, dasspirituelle Leben in der Seele zu ergreifen, der kann den Schleier der Isis nicht lüften;wohl aber der kann ihn lüften, der dieses spirituelle Leben ergreift, der – man würde imSinne der alten Ägypter eben sprechen, heute klingt es etwas anders –, der sich also als«Sterblicher» zum «Unsterblichen» macht. Es sollte nicht gesagt werden, daß der Menschüberhaupt nicht den Schleier der Isis heben könne, sondern nur: Derjenige Mensch kannnicht den Schleier der Isis heben, der sich mit dem Sterblichen ausschließlich verbindenwill, der nicht an das Unsterbliche heran will.

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Das bewirkte ja natürlich auch, daß später, als die ägyptische Kultur mehr in Verfall kam,der Spruch, möchte ich sagen, auch in eine unfugartige Ausdeutung hineintrieb. [60] DiePriester, als sie das Mysterienprinzip zum Machtprinzip umgestalteten, haben eigentlichder profanen, nicht der priesterlichen, Menge beizubringen versucht, daß sie, die Priester,die Unsterblichen seien, und daß diejenigen, die nicht die Priester sind, die Sterblichensind, daß also alle diejenigen, die außerhalb der Priesterschaft stehen, den Schleier derIsis nicht heben können. Man könnte sagen, in der Verfallszeit der ägyptischen Kulturgab es schon diese Deutung: Ich bin das All, ich bin die Vergangenheit, die Gegenwart,die Zukunft; meinen Schleier kann nur ein Priester lüften. – Und die Priester nannten sichin jener Verfallszeit auch «die Unsterblichen»

Dieser Ausdruck in seinem Gebrauche ist ja dann mehr für die auf dem physischenPlane lebenden Menschen zurückgegangen. Nur in der französischen Akademie brauchtman ihn noch für die Mitglieder, indem man in Fortsetzung des ägyptischenPriesterprinzips besonders bedeutsame Menschen da zu «Unsterblichen» macht. Manwird in diesen Tagen daran erinnert, weil ja der Schelling- und Schopenhauer-PlagiatorBergson (24) gerade jetzt von der Französischen Akademie in die Unsterblichenwürdeerhoben werden soll. Solche Dinge bleiben aus Zeiten zurück, in denen man sieverstanden hat, und münden in die Zeiten hinein, wo die Worte und Begriffe und Ideenweitab von ihrer Ursprungsstätte liegen.

Man könnte leicht meinen, wenn man genötigt ist, so manches von dem zu sagen, waseben auch im Laufe dieser Betrachtungen gesagt werden muß, daß diese Betrachtungendazu dienen sollten, unsere Zeit nur anzuklagen. Ich habe oftmals betont, das ist nicht derFall. Dasjenige, was hier gesagt ist, ist zur Charakteristik der Zeit, nicht zu einer Kritikder Zeit gesagt. Es kann aber nicht verlangt werden, daß da, wo Wahrheit geredet werdensoll, nicht auch auf dasjenige hingedeutet werde, was eben durchschaut werden muß, seies in seiner Haltlosigkeit, sei es in seiner Schädlichkeit. Dabei darf man ja durchaussagen: Sollte es denn ganz tadelnswert sein, wenn man ein gewissen Beispiel –selbstverständlich in entsprechend großer Entfernung – befolgt, ein Beispiel, das abereben nicht genug befolgt werden kann. Im Evangelium wird ja nicht erzählt, daß derChristus Jesus in den Tempel gegangen ist und die Händler gestreichelt hat, sondern eswird einem etwas anderes erzählt, daß er ihnen die Stühle umgeworfen hat unddergleichen! [61] Um dasjenige, was geltend gemacht werden soll, wirklich geltend zumachen, dazu ist eben notwendig, daß man wirklichkeitsgemäß auf dasjenige hinweist,was getadelt werden muß, wenn die Zeit vorwärtsgehen soll. Da darf nicht dasSentimentale einer ganz falschen allgemeinen Schönfärberei in der menschlichen SeelePlatz greifen und etwa gar als allgemeine Menschenliebe ausposaunt werden.

Wenn man dies gebührend berücksichtigt, dann kann auf der einen Seite gesagtwerden, daß wir nun eben einmal im materialistischen Zeitalter leben, in diesemmaterialistischen Zeitalter, das zum Materialismus notwendig hinzufügt die Abstraktionin dem Sinne, wie wir es kennengelernt haben: die Wirklichkeitsfremdheit, und daß allesdasjenige, was katastrophal hereinbrechen mußte über unsere Zeit, zusammenhängt mitdieser Wirklichkeitsfremdheit.

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Auf der andern Seite darf aber auch gesagt werden, daß, verglichen mit denverschiedenen Perioden, namentlich – wenn wir dabei stehenbleiben – dernachatlantischen Zeit, unsere fünfte nachatlantische Zeit in gewisser Beziehung, vongewissen Gesichtspunkten aus die größte Zeit ist, diejenige, die der Menschheit amallermeisten bringt, diejenige, die ungeheure Entwickelungs- und Daseinsmöglichkeitenfür den Menschen in sich beherbergt. Und gerade durch das, was der Mensch in diesemZeitalter ganz besonders, ich möchte sagen, als Schattenseite des spirituellen Daseinsausbildet, nimmt er den Weg und kann er, wenn er sich richtig verhält, den Weghineinfinden in die spirituelle Welt. Namentlich kann er den Weg finden zu seinemwahren, höchsten Menschenziel. Die Entwickelungsmöglichkeiten sind in unserer Zeit sogroß, wie sie in den abgelaufenen Phasen der nachatlantischen Entwickelung von einemgewissen Gesichtspunkte aus nicht waren.

Es ist ja eigentlich etwas ungeheuer Bedeutungsvolles geschehen mit dem Eintrittdieses fünften nachatlantischen Zeitalters. [62] Man muß schon sich in neuer Weisewiederum hineinversetzen in den Zusammenhang des Menschen mit dem ganzenWeltenall, wenn man dem, was wir ja von verschiedenen Gesichtspunkten öfterhervorgehoben haben, die rechte Färbung, die rechte Gemütsnuance geben will. Gewiß,die Gescheitlinge im Philisterium, die nennen es Aberglaube, wenn gesprochen wird voneinem gewissen Zusammenhang des Menschen mit konkreten Konstellationen desWeltenalls. Man muß nur diesen Zusammenhang richtig verstehen. Aberglaube – was istAberglaube? Der Glaube, daß sich der physische Mensch nach dem Weltenall in einergewissen Beziehung richten muß? Wir richten uns nach der Uhr, die wir nach demSonnenstand regeln; wir treiben, so oft wir nach der Uhr schauen, Astrologie. Wir habenunterbewußte Glieder der Menschennatur, die richten sich nach andern Konstellationenals nach denen, nach denen wir im physischen Leben die Uhr richten. Wenn jemand dieDinge im richtigen Sinne versteht, so hat das Reden von Aberglauben nicht dengeringsten Sinn. Deshalb darf wohl zur Illustrierung zunächst ein Stück dieser Weltenuhrjetzt vor Ihre Seele hingestellt werden. Wir werden es brauchen, um das vorerstangeschlagene Rätsel weiter betrachten zu können.

Als jene Zeit abgelaufen war, welche als die atlantische Überflutung, als Untergang derAtlantis, unsere nachatlantische Kultur von der atlantischen Kultur trennt, da war alserste nachatlantische Zeit, als erste nachatlantische Kulturepoche diejenige, welche ihremakrokosmischen Einflüsse dadurch empfing, daß die Kraft, die das Erdenlebendurchflutete, diejenige war, welche entspricht dem Aufgang der Sonne imFrühlingspunkte im Zeichen des Krebses. Wir können also sagen, als die Sonne mitihrem Frühlingspunkte in das Zeichen des Krebses eintrat, da begann die erstenachatlantische Kultur. Wir können sie geradezu – wenn der Ausdruck selbstverständlichnicht mißverstanden wird – die «Krebskultur» nennen. Wenn wir die Dinge in ihremwirklichen Lichte begreifen, so können wir sagen, die Sonne stand mit ihremFrühlingsaufgang im Zeichen des Krebses.

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Wir haben davon gesprochen in diesen Betrachtungen, daß im Menschen immer etwasentspricht demjenigen, was da draußen im Makrokosmos ist. Der Krebs entspricht beimMenschen dem Brustkorb. [63] So daß man, makrokosmisch gesprochen, diese erste, dieurindische Kultur, dadurch charakterisieren kann, daß man sagt, sie verlief, während derFrühlingspunkt der Sonne im Krebs war. Wenn man sie mikrokosmisch charakterisierenwill, kann man sagen, sie verlief damals, als der Mensch für seine Weltenerkenntnis, fürseine Weltenwahrnehmung, für seine Weltenanschauung unter dem Einfluß jener Kräftestand, die zusammenhängen mit dem, was sich in der Umhüllung seiner Brust, imBrustpanzer im Krebs zum Ausdrucke bringt.

Wir haben heute als physische Menschen keine Möglichkeit, durch diejenigen Kräfte,die in unserem Krebs sind, mit der Welt in erkennende Beziehungen zu treten. Wir habenkeine Möglichkeiten dazu heute. Wenn der Mensch diejenigen Kräfte entwickeln kann,die eine intime Verwandtschaft zu seinem Brustkorb haben, wenn er, ich möchte sagen,mit Bezug auf die Kräfte seines Brustkorbes sensitiv ist für alles dasjenige, was in derNatur und im Menschenleben geschieht, dann ist es so, wie wenn der Mensch in einerunmittelbaren Berührung mit der äußeren Welt wäre, mit alledem, was als elementarischeWelt an ihn herantritt. Wenn wir nur nehmen – wir treffen damit dasjenige, was derurindischen Kultur zugrunde lag –, wenn wir nur nehmen das Verhältnis von Mensch zuMensch, so war es so, daß in dieser alten Zeit der Mensch, indem er dem Menschenentgegentrat, gewissermaßen an der Sensitivität seines Brustkorbes fühlte, wie der andereMensch war. Er fühlte, wie ihm der andere Mensch sympathisch oder mehr oder wenigerantipathisch sein konnte. Er trat dem andern Menschen entgegen und lernte ihn erkennen.Indem er in seiner Nähe die Luft atmete, lernte er ihn erkennen. Gewiß, in mancherBeziehung weiß davon zu dem Heil der Menschheit die moderne Menschheit nichts. Aberin jedes Menschen Nähe atmet natürlich der Mensch anders, denn in jedes MenschenNähe teilt der Mensch die von dem andern ausgeatmete Luft. Für diese Dinge ist dermoderne Mensch sehr unempfindlich geworden. Während der ersten nachatlantischenKultur, während der Krebskultur, war diese Unempfindlichkeit nicht vorhanden. [64] EinMensch konnte durch seinen Atem sympathisch, antipathisch sein; der Brustkorbbewegte sich anders, wenn der Mensch sympathisch oder antipathisch war. Und derBrustkorb war sensitiv genug, diese seine eigenen Bewegungen wahrzunehmen.

Denken Sie, was man da eigentlich dann wahrnimmt! Man nimmt den andern wahr,aber man nimmt den andern wahr durch etwas, was in einem selber vorgeht. Das Inneredes andern nimmt man in einem Vorgang wahr, den man als Inneres erlebt, als körperlichInneres erlebt. Das war während der Krebskultur. Ich habe Ihnen das illustriert an demBeispiel der Begegnung mit einem andern Menschen. Aber so wurde die ganze Weltbetrachtet. So entstand die Weltanschauung, die diese erste nachatlantische Kultur hatte.Der Mensch atmete anders, wenn er die Sonne betrachtete, wenn er die Morgenrötebetrachtete, wenn er den Frühling betrachtete, wenn er den Herbst betrachtete; unddanach bildete er sich seine Begriffe.

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Und wie die heutige Menschheit ihre abstrakten, ihre so strohern-abstrakten, nicht einmalmehr strohern-abstrakten, sondern papieren-abstrakten Begriffe bildet über Sonne, Mondund Sterne, über Wachsen und Gedeihen, über alles mögliche, so bildete die Menschheitin der ersten nachatlantischen Zeit, in der Krebskultur, Begriffe, die in dieserunmittelbaren Weise gefühlt wurden wie ein Mitvibrieren des eigenen Krebses, deseigenen Brustkorbes.

Man kann also sagen: Wenn das etwa den Sonnenweg vorstellt und hier die Sonne imFrühling im Krebs steht, dann ist das die Zeit, in der auch der Mensch in der Krebskultur

ist. [65] In besonderer Weise ist ja immer ein solches Tierkreisbild – aus Gründen, die wirvielleicht auch nächstens erwähnen können, aber die ja den meisten von Ihnen bekanntsind – verwandt, als besonders einem Planeten zugehörig anzusehen. Der Krebs istbesonders dem Mond als zugehörig anzusehen. Man sagt, weil die Kräfte des Mondeseben ganz besonders wirken, wenn der Mond im Krebs steht: der Mond habe seineHeimat, sein Haus im Krebs; dort sind seine Kräfte, ganz besonders kommen sie dort zurEntwickelung.

So wie nun dem Krebs der Brustkorb am Menschen entspricht, so entspricht demplanetarischen Mond am Menschen die Sexualsphäre. Und in der Tat, man kann sagen,während auf der einen Seite der Mensch so empfänglich und empfindlich, so sensitiv warin der ersten nachatlantischen Zeit, hing gerade in dieser ersten nachatlantischen Zeitalles dasjenige, was an intimen Begriffen der nachatlantischen Weltanschauung zutagegefördert worden ist, mit der Sexualsphäre zusammen – damals mit Recht, denn es warjene Naivität vorhanden, die in späteren, verdorbenen Zeiten nicht mehr vorhanden war.

Dann trat ja die Sonne mit ihrem Frühlingspunkte in das Zeichen der Zwillinge. Undwir haben es dann zu tun mit der zweiten nachatlantischen Kultur, mit der urpersischenKultur, während der Frühlingspunkt in den Zwillingen verläuft. Mit den Zwillingen imMakrokosmischen ist mikrokosmisch verwandt alles dasjenige, was sich beim Menschenauf sein Symmetrischsein bezieht, insbesondere auf das Symmetrischsein, das sich in derBeziehung der rechten Hand zur linken Hand symmetrisch ausdrückt. Wir habennatürlich auch andere Dinge, in denen sich das Symmetrischsein zum Ausdruck bringt:wir sehen mit zwei Augen die Dinge nur einfach und so weiter. Dieses Symmetrischsein,dieses Zusammenwirken des Links und Rechts beim Menschen, das sich also besondersin den beiden Armen und Händen zum Ausdruck bringt, das ist dasjenige, was imMakrokosmos den Zwillingen entspricht. [66]

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Dasjenige, was nun durch die Kräfte der Zwillingssphäre, durch die Kräfte desSymmetrischseins vom Menschen so für seine Weltanschauung lebensartig in sichaufgenommen wird – wie durch den Brustkorb in der ersten nachatlantischen Zeit das,was ich vorher charakterisiert habe –, das ist nun schon weniger intim mit derunmittelbarsten Umgebung verbunden, sondern das Symmetrischsein verbindet denMenschen schon mehr mit dem, was von der Erde abliegt, mit dem, was nicht irdisch,sondern himmlisch, kosmisch ist. Daher tritt in dieser zweiten nachatlantischen Zeitzurück das intime Verknüpftsein minder unmittelbar elementaren Erdenumgebung, undes tritt auf die Zarathustrakultur, das Hinauswenden zu dem Zwillingshaftsein in der Welt– auf der einen Seite der Lichtnatur, auf der andern Seite der Finsternisnatur –, dieZwillingsnatur, die zusammenhängt mit den Kräften, die der Mensch durch seineSymmetrie, durch sein Symmetriewesen ausdrückt, auslebt.

So wie der Mond sein Haus in dem Krebs hat, so hat Merkur sein Haus in denZwillingen (siehe Zeichnung Seite 44). Und gerade so, wie gewissermaßen demMenschen in der ersten nachatlantischen Zeit die Kraft der Sexualsphäre geholfen hat,um diese intime Beziehung zur Umwelt zu bekommen, von der wir gesprochen haben, sohilft nun wiederum die Merkursphäre, die eigentlich mit den Kräften des Unterleibeszusammenhängende Sphäre, in diesem zweiten nachatlantischen Zeitraum. Auf der einenSeite gehen die Kräfte des Menschen aus der Erde weg in das Weltenall hinaus, in dasaußerirdische Weltenall; aber dabei hilft dem Menschen gewissermaßen dasjenige, wasnoch sehr an atavistische Kräfte gemahnt, was zusammenhängt mit den Kräften seinesGefäßsystems, seines Verdauungssystems. Der Mensch hat ja wirklich seinVerdauungssystem nicht bloß, um zu verdauen, sondern es ist zu gleicher Zeit einErkenntnisapparat. Diese Dinge sind nur vergessen worden. [67] Und die wirklicheScharfsinnigkeit – nicht der Spürsinn, von dem ich in diesen Tagen gesprochen habe –,die wirkliche Scharfsinnigkeit, die wirkliche tiefere Kombinationsgabe, welche mit denDingen in Beziehung steht, die kommt ja nicht aus dem Kopfe, die kommt aus demUnterleib, die diente dieser zweiten nachatlantischen Zeit.

Dann kam die dritte Zeit, in der der Frühlingspunkt der Sonne eintrat in den Stier.Dasjenige, was von den Kräften herunterkommt vom Weltenall, wenn die Sonne denFrühlingspunkt im Stier hat, das hängt mikrokosmisch beim Menschen zusammen mitalldem, was die Kehlkopfgegend, die Kehlkopfkräfte betrifft. Daher hat der Mensch indieser dritten nachatlantischen Zeit, in der ägyptisch-chaldäischen Zeit, ich möchte sagen,als sein besonderes Erkenntnisorgan entwickelt alles das, was mit seinen Kehlkopfkräftenzusammenhängt. Die Verwandtschaftsempfindung zwischen dem Wort und der Sache,namentlich den Dingen draußen im Weltenall, war in dieser dritten nachatlantischen Zeitganz besonders groß. Von der intimen Verwandtschaft desjenigen, was der Mensch vomWeltenall erkannte durch seinen Kehlkopf, kann man sich heute im Zeitalter derAbstraktionen nicht viel Vorstellungen machen.

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Unterstützt wurde wiederum die Kraft, die dem Stier entspricht, durch Venus, die ihrHaus im Stier hat (siehe Zeichnung Seite 48). Im Mikrokosmos, im Menschen, entsprichtdas Kräften, welche zwischen der Herzgegend und der Magengegend liegen. Dadurchwurde aber dasjenige, was in dieser dritten nachatlantischen Zeit als das Weltenworterkannt wurde, intim mit dem Menschen verbunden, indem er es verstand durch dieVenuskräfte, die in ihm selber waren.

Dann kam die griechisch-lateinische Zeit, das vierte nachatlantische Zeitalter. DieSonne trat mit ihrem Frühlingspunkte ein in den Widder. Das entspricht der Kopfgegenddes Menschen, der Stirngegend, der Oberkopf-, der eigentlichen Kopfgegend desMenschen. Es begann diejenige Zeit, in der der Mensch vorzugsweise sich so in einerkennendes Verhältnis zur Welt setzte, daß dieses erkennende Verhältnis zur Welt ihmGedanken brachte. Das Kopferkennen ist ganz verschieden von den früheren Arten desErkennens. Das Kopferkennen trat ja in diesem Zeitalter besonders ein. [68] Aber derKopf des Menschen ist, trotzdem er fast eine getreue Nachbildung des Makrokosmos ist,gerade weil er in physischem Sinne eine getreue Nachbildung des Makrokosmos ist, imspirituellen Sinne eigentlich nicht gar viel wert. Verzeihen Sie den Ausdruck: alsphysischer Kopf ist der Kopf des Menschen nicht gar viel wert. Und wenn der Menschauf seinen Kopf angewiesen ist, so kann er zu nichts anderem kommen als eigentlich zueiner Gedankenkultur.

Nach und nach hat auch die griechisch-lateinische Zeit, die ja, wie wir von andernGesichtspunkten aus gesehen haben, die Kopfkultur bis zu ihrer Höhe brachte unddadurch gewissermaßen den Menschen in einer besonderen Weise heranbrachte an dieWelt, in einer nach und nach sich entwickelnden Weise es zu der eigentlichen Kopfkulturgebracht, zu der Gedankenkultur, die dann abgelaufen ist. So daß man, wie ich gesternaufmerksam gemacht habe, vom 15. Jahrhundert ab nicht mehr wußte, wie man mit demDenken noch mit der Wirklichkeit zusammenhing. Diese Kopfkultur, diese Widderkultur,sie war aber noch immer so, daß man gewissermaßen in den Menschen hereinnahm dieAnschauung des Weltenalls. Und mit Bezug auf die physische Welt war dieseKopfkultur, diese Widderkultur, die allervollkommenste. Materialistisch ist erst dasjenigegeworden, was sich dann als Entartung daraus entwickelt hat. Der Mensch trat durchseinen Kopf eben doch gerade in dieser Widderkultur in ein besonderes Verhältnis zurUmwelt. Und man versteht heute insbesondere die griechische Kultur schwer – dierömische hat es ja dann ins mehr Philiströse verzerrt –, wenn man das nichtberücksichtigt, daß der Grieche eben zum Beispiel Begriffe und Ideen anders wahrnahm.Ich habe das in meinen «Rätseln der Philosophie» (25) besonders ausgeführt.

Bedeutungsvoll war nun für diese Zeit, daß der Mars sein Haus im Widder hat. [69]Die Kräfte des Mars, das sind diejenigen Kräfte, die nun wiederum, aber in anderer Art,zusammenhängen mit dem menschlichen Kehlkopfwesen, so daß der Mars, der zugleicher Zeit dem Menschen die aggressiven Kräfte gibt, im wesentlichsten dieUnterstützung bot für alles dasjenige, was an Beziehung zur Umwelt von seiten desMenschen entwickelt wurde durch seinen Kopf.

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Und für die vierte nachatlantische Zeit, die also im 8. Jahrhundert vor der christlichenZeitrechnung beginnt, im 15. Jahrhundert schließt, da haben sich auch jene Verhältnisseherausgebildet, die man schon als eine Marskultur bezeichnen kann. Die Konfigurationder einzelnen sozialen Gebilde über die Erde hin ist ja in dieser Zeit im wesentlichendurch eine Marskultur, durch eine kriegerische Kultur entstanden. Jetzt sind KriegeNachzügler. Wenn sie auch schrecklicher sind als einst, sie sind Nachzügler. Wir werdengleich noch darauf zu sprechen kommen.

Nun ist der Kopf des Menschen mit allen seinen Kräften gerade als physischesDenkwerkzeug; als Werkzeug für die physischen Gedanken, eine Nachbildung desSternenhimmels. Daher hat auch diese vierte nachatlantische Zeit in den Gedanken nochetwas Makrokosmisches. Es kommt in die Gedanken noch viel Makrokosmisches herein,die Gedanken sind noch nicht an die Erde gebunden. Aber bedenken Sie den großenUmschwung, der nun kommt mit dem 15. Jahrhundert, indem die Widderkultur übergehtin die Kultur der Fische. Das, was jene Kräfte geworden sind im Makrokosmos, sind imMenschen die Kräfte, die mit den Füßen zusammenhängen. Vom Kopf geht es hinunterzu den Füßen. Der Umschwung ist ein ungeheurer. Daher konnte ich Ihnen erzählen, daß,wenn Sie zurückgehen würden, aber mit Verständnis zurückgehen würden in die Zeit vordem 14. Jahrhundert und die heute viel verachteten alchimistischen und sonstigenSchriften lesen würden, Sie dann sehen würden, was da für tiefe, für ungeheure Einblickein Weltengeheimnisse vorhanden sind. Aber es dreht sich ja die ganze menschlicheKultur – auch die Menschenkräfte – vollständig mit um. Was der Mensch vorher vomHimmel empfangen hat, empfängt er nun von der Erde aus. Das ist dasjenige, was unsaus den Himmelszeichen heraus illustriert den großen Umschwung, der sich mit demMenschen vollzogen hatte. [70] Und das hängt zusammen mit dem Aufgange dermateriellen, der materialistischen Zeit. Die Gedanken verlieren ihre Kraft, die Gedankenkönnen leicht zur Phrase werden in diesen Zeiten.

Aber nun denken Sie an ein merkwürdiges anderes. Wie Venus ihr Haus im Stier, Marssein Haus im Widder hat, so hat in den Fischen Jupiter sein Haus. Und Jupiter hängtzusammen mit der menschlichen Stirnesentwickelung, mit der menschlichenVorderhirnentwickelung. Groß kann der Mensch mit dieser Erdenkultur werden indiesem fünften nachatlantischen Zeitraum, weil er gerade in selbständiger menschlicherWeise, durch die Kräfte seines Hauptes veredeln und fassen kann dasjenige, was ihm vonder entgegengesetzten Seite zugeführt wird gegenüber der früheren nachatlantischenPeriode. Daher hat dieselbe Leistung beim Menschen, die Mars für das viertenachatlantische Zeitalter zu leisten hatte, Jupiter für das fünfte zu leisten. Und mankönnte sagen: Mars war in gewisser Beziehung der rechtmäßige König dieser Welt in dervierten nachatlantischen Zeit. In der fünften nachatlantischen Zeit ist er nicht derrechtmäßige König dieser Welt, weil nichts in der fünften nachatlantischen Zeit durchseine Kräfte wirklich – im Sinne dieser fünften nachatlantischen Zeit – erreicht werdenkann; sondern was groß machen kann diese Epoche, das muß durch die Kräfte desgeistigen Lebens, der Welterkenntnis, der Weltanschauung geltend gemacht werden.

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Der Mensch ist abgeschlossen von den himmlischen Kräften; er ist in das materialistischeZeitalter gebannt. Aber er hat in diesem fünften nachatlantischen Zeitalter die größteMöglichkeit, sich zu vergeistigen. Keines war der Geistigkeit so günstig, wie diesesfünfte nachatlantische Zeitalter. Es muß nur den Mut finden, die Händler aus demTempel zu jagen. Es muß den Mut finden, gegenüber den Abstraktionen, gegenüber denwirklichkeitsfremden Dingen die Wirklichkeit, die volle Wirklichkeit und damit diegeistige Wirklichkeit zu stellen. [71]

Diejenigen, welche die Konstellationen der Sterne durchschaut haben, sie haben auchimmer gewußt, daß besondere Hilfen wiederum kommen von den besonderen Planetenfür die einzelnen Abschnitte im Gang der Sonne. Man hat mit einem gewissen Rechtjeder von diesen Konstellationen: Mond – Krebs, Merkur – Zwillinge, Venus – Stier,Mars – Widder, Jupiter – Fische, man hat ihnen drei, wie man sagte, Dekane zugeteilt,(26) drei Dekane. Diese drei Dekane stellen diejenigen Planeten dar, welche den Berufhaben, während der betreffenden Konstellationen ganz besonders einzugreifen in dasGeschick, während die andern unwirksamer sind. So sind die Dekane der erstennachatlantischen Zeit, der Krebszeit: Venus, Merkur, Mond; die Dekane während derZwillingszeit: Jupiter, Mars, Sonne; die Dekane während der Stierzeit: Merkur, Mond,Saturn; die Dekane während der Widderzeit: Mars, Sonne, Venus. Und die Dekanewährend unserer Zeit, während des Zeitalters der Fische, sehr charakteristisch, alsodiejenigen Kräfte, die uns gewissermaßen nach der Himmelsuhr wiederum besondersdienen können: Saturn, Jupiter, Mars. Mars hier nicht in demselben Dienst, den er hatte,als er in seinem Haus war, wenn er durch den Widder durchgeht, sondern Mars jetzt alsrepräsentative Kraft für die menschliche Stärke. Aber Sie sehen in den äußeren Planeten:Saturn, Jupiter, Mars dasjenige, was zusammenhängt mit dem menschlichen Haupte, mitdem menschlichen Antlitz, mit dem menschlichen Wortbilden. [72]

Also alles, was zunächst für dieses irdische Leben zwischen Geburt und Tod – überdas andere zwischen Tod und neuer Geburt werden wir das nächste Mal reden –zusammenhängt in bezug auf die Geistigkeit, das ist wiederum besonders dienstbar indiesem Zeitalter. So ist dieses Zeitalter dasjenige, welches die unendlichst größtenspirituellen Möglichkeiten in sich enthält.

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In keinem Zeitalter war es den Menschen vergönnt, so viel Unfug zutreiben wie indiesem, weil man sich in keinem gegen die innere Mission des Zeitalters stärkerversündigen konnte als in diesem Zeitalter. Denn, lebt man mit dem Zeitalter, so wandeltman die von der Erde kommende Kraft durch die Jupiterkraft um in spirituell-freiesMenschentum, und es stehen einem zur Verfügung die besten, schönsten Kräfte desMenschen, die der Mensch entwickelt zwischen der Geburt und dem Tode: Saturn-,Jupiter- und Marskräfte.

Die Weltenuhr steht günstig für dieses Zeitalter. Das darf keinen Fatalismusbegründen. Das darf nicht begründen, daß man sagt: Also überlassen wir uns demWeltengeschick, es wird schon alles gut werden –, sondern das soll begründen, daß, wennder Mensch will aber er muß wollen –, er gerade in unserer Zeit unendlicheMöglichkeiten findet. Nur wollen die Menschen vorläufig noch nicht.

Aber unbegründet ist es immer, zu sagen: Ja, was vermag ich selber? Die Welt gehtihren Gang! – Gewiß, so wie wir hier sind – die Welt hört heute nicht viel auf uns. Aberauf etwas anderes kommt es an. Es kommt darauf an, daß wir nicht so sagen sollen, wiedie Menschen vor dreiunddreißig Jahren gesagt haben, als sie sich zunächst bei sichselbst um nichts gekümmert haben! Dadurch sind die Dinge so geworden, wie sie jetztsind. Für unsere Zeit kommt es darauf an, daß jeder bei sich selbst damit anfängt, aus derAbstraktion heraustreten zu wollen, die Wirklichkeitsfremdheit abzulegen und so weiter;und daß jeder bei sich selbst versucht, an das Wirkliche heranzukommen, überAbstraktionen hinwegzugelangen. [73]

Man muß von so weitliegenden Begriffen herkommen, wenn man das Wichtigeentwickeln will, was uns eben jetzt in diesen Tagen dann beschäftigen wird:Auseinandersetzungen über, ich möchte sagen, das Älterwerden des Menschen, dasebenso Dem-Tode-Entgegengehen wie Aus-der-Geburt-Stammen, Aus-der-Geburt-Kommen. Während heute die Pädagogik, die Erziehung, die praktische Kindererziehungganz darauf ausgeht, nur zu betrachten, daß das Kind geboren ist und sich als Kindentwickelt, muß die Zeit kommen, in der schon das Kind lernt, was es heißt: älter werden.Aber diese Dinge können nicht so einfach entwickelt werden. Da muß man die Begriffeweit her holen. Denn man kann schon sagen, um jene Wirklichkeitsfremdheit zuüberwinden, die heute die Signatur der Zeit ist, dazu ist notwendig, daß die Menschen vorallen Dingen den Willen zur Aufmerksamkeit entwickeln, den Willen entwickeln, denJupiter in Bewegung zu setzen. Jupiter ist ja gerade diejenige Kraft, die den Appell, denfortwährenden Appell an unsere Aufmerksamkeit richtet. Die Menschen sind heute sofroh, wenn sie nicht aufmerksam zu sein brauchen, wenn sie gleichen können derschlafenden Isis – ich habe wohlüberlegt von der schlafenden Isis gesprochen!

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Der größte Teil der Menschheit verschläft diese heutige Zeit und fühlt sich dabei sehr,sehr wohl; denn er zimmert sich Begriffe und bleibt bei diesen Begriffen stehen, willnicht Aufmerksamkeit entwickeln. Hinschauen auf die Zusammenhänge des Lebens, dasist es, worauf es ankommt. Und die schweren Jahre, in denen wir leben, die sollen unsvor allen Dingen das beibringen, daß wir wegkommen von dem, was so lange Zeithindurch die menschliche Kultur so verweichlicht hat: die Aufmerksamlosigkeit, dasNichtvorhandensein des Willens – und auf die Verhältnisse der Welt hinschauen. Esgenügt nicht, bloß so hinzuhuschen über die Dinge. (27) [74]

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Das Ich und die Sonne – Der Mensch innerhalb der Sternenkonstellation

Die vierte nachatlantische Epoche, in welche hineinfällt die Verstandesentwickelungder Menschheit, sie wurde aus den griechischen Mysterien heraus geleitet. Erst gaben dieMysterien der allgemeinen Bevölkerung Vorderasiens, des europäischen Südens,dasjenige an, was dieser Verstandes- oder Gemütskultur zugrunde liegt. Es spielte indiesen Mysterien das Geheimnis von dem menschlichen Zusammenleben mit der Sonneeine große Rolle. Wir wissen ja aus den Darstellungen, die ich in meiner «Theosophie»gegeben habe, wie innerhalb der Verstandes- oder Gemütsseele des Menschen das Ichaufleuchtet, das dann gewissermaßen zu seiner vollen inneren Kraft durch dieBewußtseinsseele kommen soll. Insofern nun das Ich des Menschen gewissermaßen zuseiner Erweckung kommen sollte während der Verstandeskulturzeit, mußten sich dieMysterien dieser Zeit beschäftigen mit den Geheimnissen des Sonnenlebens und seinenZusammenhängen mit demjenigen, was gerade menschliches Ich ist. Es ist Ihnen ja auchbekannt aus meiner Darstellung der «Rätsel der Philosophie», wie der Grieche noch inder Außenwelt seine Vorstellungen, seine Begriffe so wahrgenommen hat, wie wir heuteFarben, Töne und so weiter wahrnehmen. Dasjenige, was in den Vorstellungen lebte, daswar durchaus für den Griechen nicht eben bloß innerlich in der Seele Erschaffenes,sondern es war für ihn etwas an den Dingen Wahrgenommenes. [75] In dieser Beziehunghatte ja Goethe durchaus etwas Griechisches in sich, was er dadurch bezeugte, daß, als erin dem berühmten Gespräch (28) von Schiller die Worte hörte, seine Vorstellungen, alsoetwas Begrifflich-Ideelles, wären keine Wahrnehmungen, sondern eine Idee, daß erdarauf sagte, dann sähe er seine Ideen vor sich, wie er eben äußere Wahrnehmungen vorsich sehe.

Diese griechische Art, sich zu den Vorstellungen zu verhalten, war durchaus verknüpftmit einer ganz bestimmten Empfindung, welche die Griechen hatten, wenn sie ihr Augerichteten auf die äußere Welt. Sie sahen in dem, was Ihnen als Vorstellungsinhaltentgegenglänzte, überall eigentlich das Geschöpf des Sonnenlebens. Sie empfanden,indem die Sonne am Morgen aufging, auch das Heraufkommen des Vorstellungslebensin dem Raum, und beim Untergange der Sonne empfanden sie das Versinken derVorstellungswelt. Man kann die Entwickelung der Völker nicht verstehen, wenn mannicht diese Änderung des Seelenlebens durchaus ins Auge faßt.

Das ist etwas, meine lieben Freunde, was den Menschen in ihrem Seelenlebeneigentlich verlorengegangen ist: mitzuempfinden die Geistigkeit ihrer ganzenUmgebung. Heute sieht der Mensch eben den Sonnenball heraufkommen, und er hat nurdie Empfindung für dasjenige, was ihm da entgegentritt an farbiger und leuchtenderLufterscheinung. Und ebenso ist es, wenn er die Sonne in der Abendröte verschwindensieht. Der Grieche hatte eben die Empfindung, daß des Morgens aufsteigt diejenige Welt,die ihm die Vorstellungen bringt, und daß sie des Abends untergeht, daß abendsdiejenige Welt kommt, die ihm diese Vorstellungswelt entzieht. Er war daher so, daß ersich empfand Vorstellung-verlassen in der Finsternis der Nacht.

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Und wenn er hinausblickte in den Himmel, den wir blau sehen, für den er ja die gleicheBezeichnung wie für das Dunkel hatte, so fühlte er eigentlich die Welt begrenzt vondemjenigen, was außerhalb des Vorstellungslebens war. Dort hörte für ihn dasVorstellungsleben, so wie es dem Menschen beschert ist, auf, wo er begrenzt sah denWeltraum. Jenseits dieses Weltraumes waren für ihn andere Gedankenwelten, dieGedankenwelten der Götter. Und sie sah er eben eng gebunden an dasjenige, was er alsLicht bezeichnete. [76] Sie offenbarten sich ihm gewissermaßen konzentriert imSonnenleben, während sie sonst sich ihm entzogen in der Weite des dunklenWeltenfirmamentes. Man muß in diese ganz andersgeartete Empfindungswelthineinschauen, wenn man verstehen will, wie eigentlich, nachdem diese An-schauungsweise mit aller ihrer inneren Lebendigkeit eine Zeitlang gewirkt hat in derWeltentwickelung des Menschen, wie dann der Mensch in seinen fortgeschrittenstenRepräsentanten fühlte, wie er im Weltenraum das Sonnenleben nicht mehr als ihm etwasgeistig Zurückstrahlendes empfinden konnte, und wie er in den ersten Zeiten eben – eswar das gerade bei den fortgeschrittensten Repräsentanten der Menschheit der Fall, beidenjenigen, die noch ihre Bildung in den griechischen Mysterien empfangen hatten –,wie er empfand das Mysterium von Golgatha als eine Erlösung, insofern als es ihm dieMöglichkeit brachte, in sich nun das Licht zu entzünden. Das Licht, das er vorher alsGöttliches wirklich erlebt hat, das wollte er jetzt erleben dadurch, daß er seinen seelisch-geistigen Anteil nahm an den Geschehnissen des Mysteriums von Golgatha. Man lerntdasjenige, was eigentlich in der Menschheit im Laufe der Jahrtausende geschehen ist,nicht kennen, wenn man bloß mit dem Verstande auf diese Dinge hinsieht. Man muß dieUmwandlung des Menschengemütes, des menschlichen Seelenlebens in seiner Ganzheitins Auge fassen. Und wir, die wir nun seit dem Beginne des 15. Jahrhunderts leben indem Zeitalter der Bewußtseinsseelenentwickelung, wir haben ja von jenerVerstandesgeistigkeit, welche da war in den Zeiten der vierten nachatlantischen Periode,nur noch das Schattenwesen unserer inneren Verstandestätigkeit. Das habe ich ja in denletzten Wochen hier auseinandergesetzt. Aber wir müssen uns wiederum durchringen zueiner Erkenntnis desjenigen, was dieses Verstandeswesen, dieses schattenhafteVerstandeswesen durchdringen kann mit einer lebendigen Anschauung des Weltenalls.Gerade durch die moderne Verstandesschattenkultur ist der Mensch gewissermaßen andie Erde gebannt worden. [77] Er betrachtet heute, insbesondere wenn er sich ansteckenläßt von der immer weiter und weiter um sich greifenden, rein wissenschaftlichen Kultur,er betrachtet ja heute nur dasjenige, was ihm die Erde eigentlich gibt. Er hat keineAhnung davon, daß er mit seinem ganzen Wesen nicht bloß der Erde angehört, sonderndaß er mit seinem ganzen Wesen dem außerirdischen Weltall angehört. Und das istdasjenige, was sich der Mensch wieder erringen muß, diese Erkenntnis seinesZusammenhanges mit dem außerirdischen Weltenall.

Wir bilden heute einfach unsere Begriffe, Vorstellungen, indem wir von dem irdischenLeben ausgehen und uns nach diesem irdischen Leben das ganze Weltenall konstruieren.Aber dasjenige, was sich da uns als Weltbild ergibt, ist dann nicht viel anders als eineÜbertragung der irdischen Verhältnisse auf die außerirdischen Verhältnisse.

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Und so ist es denn gekommen, daß aus den grandiosen Errungenschaften der modernenNaturwissenschaft heraus mit der Spektralanalyse und den anderen Ergebnissen, daß dagebildet worden ist eine Anschauung über die Sonne, die eigentlich ganz den irdischenVerhältnissen nachgebildet ist. Man bildet sich die Vorstellung, wie ein leuchtenderGaskörper eben aussieht. Und nun überträgt man diese Ansicht eines leuchtendenGaskörpers auf dasjenige, was uns als Sonne entgegenkommt im Weltenall. Wir müssenwiederum geisteswissenschaftliche Unterlagen anwenden lernen, um zu einer Anschauungvon der Sonne kommen zu können. Diese Sonne, von der der Physiker glaubt, wenn erhinauskommen würde in den Weltenraum, sie böte sich ihm dar als eine leuchtendeGaskugel; diese Sonne, trotzdem sie das Weltenlicht in ihrer Art uns zurückstrahlt, so wiesie es empfängt, ist ein durch und durch geistiges Wesen, und wir haben es nicht zu tunmit einem physischen Wesen, das da oben irgendwo im Weltenraum herumgondelt,sondern mit einem durch und durch geistigen Wesen. Und der Grieche empfand nochrichtig, wenn er das, was ihm von der Sonne zustrahlte, als dasjenige empfand, was inZusammenhang gebracht werden muß mit seiner Ich-Entwickelung, insofern diese Ich-Entwickelung gebunden ist an das Vorstellungswesen des Verstandes. [78] In demSonnenstrahl sah der Grieche dasjenige, was in ihm entzündet das Ich. So daß man sagenmuß: Der Grieche hatte noch diese Empfindung von der Geistigkeit des Kosmos. Er sah indem Sonnenwesen substantiell ein dem Ich verwandtes Wesen. Dasjenige, was derMensch gewahr wird, wenn er zu sich selber Ich sagt, die Kraft, die in ihm wirkt, so daß erzu sich Ich sagen kann, auf die sah der Grieche hin, und er fühlte sich veranlaßt, zur Sonnedasselbe zu sagen wie zu seinem Ich, dieselbe Empfindung der Sonne entgegenzubringen,wie er sie seinem Ich entgegenbrachte.

Ich und Sonne, sie verhalten sich wie das Innere und das Äußere. Was draußen durchden Weltenraum kreist als Sonne, ist das Welten-Ich. Was drinnen in mir lebt, ist das Ichdes Menschen. Man möchte sagen: Gerade noch zu erhaschen ist diese Empfindung fürdiejenigen Menschen, die etwas tiefer mitfühlen mit dem ganzen All der Natur. Schonsehr verglommen ist dasjenige, was da eigentlich zugrunde liegt, aber es gibt doch nochheute dasjenige Leben im Menschen, das gewissermaßen heraufkommen vernimmt dieSonne im Frühling, das den Sonnenstrahl noch erleben kann als etwas Geistiges, und dasdas Ich aufleben fühlt, indem der Sonnenstrahl in einer größeren Stärke die Erdeerleuchtet. Aber es ist, ich möchte sagen, eine letzte Empfindung, die in dieser äußerenArt nun auch schon verglimmt in der Menschheit, die zugrunde gehen will innerhalb derabstrakten Verstandesschattenkultur, die nach und nach sich unseres ganzenZivilisationslebens bemächtigt hat. Aber durchdringen müssen wir wiederum dazu, etwaszu erkennen von dem Menschheitszusammenhang mit dem außerirdischen Dasein. Undin dieser Beziehung möchte ich heute auf einiges hinweisen. [79]

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Wir werden, indem wir all dasjenige zusammennehmen, was Sie an verschiedenenStellen unserer geisteswissenschaftlichen Literatur zerstreut finden, zunächst wiederumden Zusammenhang der Sonne mit dem Ich ergreifen können, und wir werden denbedeutungsvollen Gegensatz erkennen können, der da besteht zwischen den Kräften, dieder Erde von der Sonne zustrahlen, und denjenigen Kräften, welche für die Erde wirksamsind in demjenigen, was wir Mond nennen. Sonne und Mond, sie sind in einer gewissenBeziehung das völlige Gegenteil voneinander. Sie sind polar zueinander. Wenn wir dieSonne studieren mit den Mitteln der Geisteswissenschaft, so strahlt uns die Sonne allesdasjenige zu, was uns gestaltet zu einem Träger unseres Ich.

Wir verdanken der Sonnenstrahlung dasjenige, was uns eigentlich die menschlicheGestalt gibt, was uns in der menschlichen Gestalt zu einem Abbild des Ich macht. Alles,was im Menschen von außen wirkt, was von außen seine Gestalt bestimmt, was schonwährend seiner Embryonalzeit seine Gestalt bestimmt, das ist Sonnenwirkung. Wennsich der menschliche Embryo im Mutterleibe bildet, dann ist durchaus nicht bloßdasjenige vorhanden, was eine heutige Wissenschaft träumt, daß von der befruchtetenMutter die Kräfte ausgehen würden, welche den Menschen formen, nein, dermenschliche Embryo ruht nur im mütterlichen Leibe. Dasjenige, was ihm da die Formgibt, das sind die Sonnenkräfte. Allerdings müssen wir diese Sonnenkräfte inZusammenhang bringen mit den ihnen entgegengesetzt wirkenden Mondenkräften. DieMondenkräfte sind zunächst dasjenige, was sich für den unteren, denStoffwechselmenschen als das Innerliche geltend macht. So daß wir sagen können, wennwir schematisch zeichnen: die Sonnenkräfte sind dasjenige, was den Menschen vonaußen gestaltet. Dasjenige, was sich im Stoffwechsel des Menschen von innen ausgestaltet, das sind die zentral ausstrahlenden Mondenkräfte, die sich in ihm festsetzen.[80]

Das widerspricht nicht dem, daß diese Mondenkräfte zum Beispiel das menschlicheGesicht mitformen. Sie formen ja das menschliche Gesicht, weil dasjenige, was imunteren, im Stoffwechselmenschen. von dem Zentrum aus wirkt, gewissermaßenanziehend von außen auf die menschliche Gesichtsbildung wirkt; differenzierend diemenschliche Gesichtsbildung wirken die Mondenkräfte, aber indem sie sich summierenmit den Sonnenkräften, während sie vom Inneren des Menschen aus den Sonnenkräftenentgegenwirken. Daher hängt auch die menschliche Fortpflanzung als Organismus vonden Mondenkräften ab, die Gestalt geben.

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Aber das Fortgepflanzte, das hängt von den Sonnenkräften ab. Der Mensch ist mitseinem ganzen Wesen zwischen Mondenkräften und Sonnenkräften eingespannt.

Nun müssen wir aber unterscheiden, wenn wir die Mondenkräfte im menschlichenInneren, im Inneren des menschlichen Stoffwechsels suchen, diese Mondenkräfte imStoffwechsel von den Kräften, die im Stoffwechsel nun selber ihren Ursprung haben. Esspielen die Mondenkräfte in den Stoffwechsel hinein, aber der Stoffwechsel hat seineeigenen Kräfte. Und diese eigenen Kräfte, das sind die Erdenkräfte. So daß wir sagenkönnen, wenn im Menschen die Kräfte wirken, die in den Substanzen seinerNahrungsmittel liegen, die Kräfte, die also, sagen wir, in den Vegetabilien oder sonstigenNahrungsmitteln liegen, so wirken diese Kräfte in ihm durch sich selbst. Sie wirken daals Erdenkräfte. Der Stoffwechsel ist zunächst ein Ergebnis der Erdenkräfte; aber indiese Erdenkräfte wirkt dasjenige hinein, was Mondenkräfte sind. Wenn der Menschbloß den Stoffwechsel mit seinen Kräften in sich hätte, wenn also gewissermaßen dieSubstanzen seiner Nahrungsmittel nur ihre eigenen Kräfte in seinem Leib fortsetzenwürden, nachdem sie aufgenommen sind, dann würde der Mensch ein Chaos sein vonallen möglichen Kräften. Daß diese Kräfte immerzu wirken, die menschliche Wesenheitvon innen aus zu erneuern, das hängt gar nicht von der Erde ab, das hängt von dem derErde beigegebenen Mond ab. [81] Von innen heraus wird der Mensch durch den Mondgestaltet, von außen herein wird der Mensch durch die Sonne gestaltet. Und indem dieSonnenstrahlen wieder aufgenommen werden durch das Auge in den menschlichenKopforganismus, wirken sie auch innerlich; aber sie wirken doch von außen herein.

So finden wir, wie auf der einen Seite der Mensch in seiner ganzen Ich-Entwickelungabhängt von der Wirkung der Sonne, wie er ein fest auf der Erde lebendes Ich nicht seinkönnte ohne die Sonne; und wie kein Menschengeschlecht wäre, keine Fortpflanzungwäre, wenn nicht der Mond der Begleiter der Erde wäre. Man kann sagen: die Sonne istdasjenige, was den Menschen als eine Persönlichkeit, als einzelnes Individuum fest aufdie Erde stellt. Der Mond ist dasjenige, was den Menschen in seiner Vielheit, in seinerganzen Entwickelung auf die Erde hinzaubert. Das Menschengeschlecht als physischeFolge von Generationen ist das Ergebnis der Mondenkräfte, die es anregen. Der Menschals einzelnes Wesen, als Individualität, ist das Ergebnis der Sonnenkräfte. Und wenn wirdaher den Menschen und das Menschengeschlecht studieren wollen, dann können wirnicht bloß die Verhältnisse der Erde studieren. Vergebens suchen die Geologen dieVerhältnisse der Erde zu ergründen und daraus den Menschen zu begreifen, vergebensuntersuchen sie die anderen Kräfte der Erde, um daraus den Menschen zu begreifen. DerMensch ist zunächst nicht auf der Erde gemacht. Der Mensch ist geformt aus demKosmos herein; der Mensch ist ein Ergebnis der Sternenwelt, zunächst von Sonne undMond. Von der Erde stammen nur diejenigen Kräfte, welche dem Stoff selbstinnewohnen, und die wirksam sind außerhalb des Menschen, dann ihre Wirksamkeitfortsetzen, wenn sie in den Menschen durch das Essen und Trinken eingetreten sind; abersie werden da empfangen von dem Außerirdischen.

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Was im Menschen vorgeht, ist durchaus nicht bloß ein irdisches Geschehen, istdurchaus etwas, was von der Sternenwelt aus besorgt wird. Zu dieser Erkenntnis mußwiederum der Mensch sich durchringen. [82] Und wenn wir den Menschen weiterbetrachten, so können wir Rücksicht nehmen darauf. Er ist zunächst ein physischer Leib.Dieser physische Leib nimmt ja die äußeren Nahrungsmittel auf. In diesem physischenLeib setzen sie ihre Kräfte fort. Aber der physische Leib wird angegriffen von demastralischen Leib, und in dem astralischen Leib ist tätig die Mondenwirkung, so wie iches Ihnen dargestellt habe. Und in diesen astralischen (29) Leib wirkt hinein dieSonnenwirkung. Sonne und Mond durchziehen kraftend den astralischen Leib, und derastralische Leib äußert sich in der Weise, wie ich es jetzt eben beschrieben habe. Derätherische Leib steht in der Mitte zwischen physischem Leib und astralischem Leib.

Wenn man die Kräfte studiert, welche von den Nahrungsmitteln ausgehen, so werdensie zunächst regsam im physischen Leibe, und sie werden von dem astralischen Leib, derSonnen- und Mondenwirkung in sich hat, so aufgenommen, wie ich es eben beschriebenhabe. Aber dazwischen steht das andere, dasjenige, was im ätherischen (30) Leibewirksam ist. Das kommt auch nicht von der Erde, das kommt aus dem Umkreise desganzen Weltenraumes. Wenn wir die Erde im Verhältnis zum Menschen betrachten mitihren Produkten, mit denjenigen Stoffen, die sich darleben als feste, flüssige, luftförmigeBestandteile, so werden diese aufgenommen vom Menschen, im Menschen drinnenverarbeitet gemäß den Sonnen- und Mondenkräften. Aber im Menschen wirken auchdiejenigen Kräfte, die ihm zustrahlen nun von allen Seiten des Weltenraumes. DieKräfte, die in den Nahrungsmitteln wirken, sie kommen aus der Erde heraus. Aber ihmstrahlen von allen Seiten des Weltenraumes Kräfte zu: das sind die ätherischen Kräfte.Diese ätherischen Kräfte, die ergreifen auch, aber in einer viel gleichförmigeren Weise,die Nahrungsmittel und verwandeln sie so, daß sie aus ihnen ein Lebensfähiges machen,daß sie aus ihnen etwas machen, was außerdem das Ätherische als solches, das Licht unddie Wärme, innerlich erleben kann. So daß wir sagen können: [83] Der Mensch istzugeteilt durch seinen physischen Leib der Erde, durch seinen ätherischen Leib demganzen Umkreis, durch seinen astralischen Leib ist er zunächst zugeteilt dem Monde undder Sonne in ihren Wirkungen. Aber diese Wirkungen, die im astralischen Leib alsSonnen- und Mondwirkungen enthalten sind, die werden wiederum modifiziert, somodifiziert, daß ein gewaltiger Unterschied besteht zwischen denjenigen Wirkungen,welche ausgeübt werden auf den oberen, und denen, die ausgeübt werden auf denunteren Menschen.

Nennen wir heute «oberen Menschen» denjenigen Menschen, der gewissermaßendurchkreist wird von dem nach aufwärts, nach dem Kopfe zu gehenden Blutstrom;nennen wir den «unteren Menschen» dasjenige, was vom Herzen nach abwärts liegt.Wenn wir so den Menschen anschauen, dann haben wir zunächst im Menschen dasObere, das sein Haupt umfaßt, und dasjenige, was gewissermaßen organisch zu demHaupte gehört. Das ist hauptsächlich in seiner Gestaltung von den Sonnenwirkungenabhängig. Das bildet sich ja auch zunächst embryonal vorzugsweise aus.

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Da wirken schon im Embryo auf diesen Organismus die Sonnenwirkungen in ganzbesonderer Weise, aber diese Wirkungen setzen sich ja dann fort, wenn der Menschgeboren ist, wenn der Mensch physisch da ist im Leben zwischen der Geburt und demTode. Und da wird nun dasjenige, was ja in diesem Gebiet des Menschen, ich möchtesagen, was oberhalb des Herzens liegt, genauer müßte man das nach der Blutzirkulationbeschreiben, was oberhalb des Herzens liegt, das wird in bezug auf die astralischenWirkungen modifiziert von Saturn, Jupiter, Mars (siehe Darstellung S. 60).

Der Saturn hat Kräfte, die er – betrachten wir es nach der kopernikanischenWeltanschauung – in seinem Umkreis um die Sonne entwickelt und die er der Erdezuschickt; er hat diejenigen Kräfte, welche eigentlich im ganzen astralischen Leib,namentlich in demjenigen Teile, der diesem oberen Menschen angehört, wirksam sind.Der Saturn hat die Kräfte, die in diesen astralischen Leib hineinstrahlen. [84] Und indemsie den astralischen Leib durchstrahlen, beleben, wirken sie auf ihn so, daß von ihneneigentlich in ganz wesentlicher Weise abhängt, inwiefern sich der astralische Leib in einrichtiges Verhältnis zum physischen Leib des Menschen stellt. Wenn der Mensch zumBeispiel nicht richtig schlafen kann, wenn also sein astralischer Leib nicht richtigherausgehen will aus dem Ätherleib und dem physischen Leib, wenn er beim Erwachennicht richtig hineingehen will, wenn er sonst in irgendeiner Weise sich nicht richtigeingliedert dem physischen Leibe, so ist das eine Wirkung, eine unregelmäßige Wirkungder Saturnkräfte. Der Saturn ist im wesentlichen derjenige Weltenkörper, welcher aufdem Umwege durch das menschliche Haupt ein richtiges Verhältnis des astralischenLeibes zum menschlichen physischen Leib und zum Ätherleib herstellt. Dadurch lieferndie Saturnkräfte auf der anderen Seite wiederum das Verhältnis des astralischen Leibeszum Ich, (31) weil ja der Saturn im Verhältnisse steht zu der Sonnenwirkung. Er steht soim Verhältnis zur Sonnenwirkung, daß das räumlich-zeitlich dadurch ausgedrückt ist,daß ja der Saturn ungefähr seinen Umkreis um die Sonne, wie Sie wissen, in dreißigJahren vollendet.

Diese Beziehung des Saturn zur Sonne, die drückt sich im Menschen dadurch aus, daßerstens das Ich in ein entsprechendes Verhältnis kommt zum astralischen Leib, abernamentlich daß der astralische Leib sich in einer richtigen Weise in die ganze menschlicheOrganisation eingliedert. So daß wir sagen können, der Saturn hat seine Beziehung zu demoberen Teil des ganzen astralischen Leibes. Diese Beziehung, die war für die Menschenälterer Zeiten durchaus etwas Maßgebendes. [85] Und noch in der ägyptisch-chaldäischenZeit, wenn wir zurückgehen würden in das 3., 4. Jahrtausend vor dem Mysterium vonGolgatha, da würden wir finden, daß bei den Lehrern, bei den Weisen in den Mysterienjeder Mensch daraufhin beurteilt wurde, wie er sein Verhältnis zum Saturn durch seinGeburtsdatum bestimmt hatte; denn man wußte ganz genau, wenn ein Mensch geboren istbei dieser oder jener Konstellation des Saturn, so war er ein Mensch, der seinenastralischen Leib im physischen Leib richtig brauchen konnte oder weniger richtigbrauchen konnte. Die Erkenntnis solcher Dinge spielte in alten Zeiten eine große Rolle.Aber darauf beruht gerade der Fortschritt der Menschheitsentwickelung in unseremZeitalter, das mit dem Beginn des 15. Jahrhunderts seinen Anfang genommen hat, daß wiruns freimachen von dem, was da in uns wirkt.

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Meine lieben Freunde, mißverstehen Sie das nicht. Das heißt nicht, daß der Saturnheute nicht in uns wirkt. Er wirkt in uns geradeso, wie er in alten Zeiten gewirkt hat; nurmüssen wir uns davon freimachen. Und wissen Sie, worinnen dieses In-der-richtigen-Weise-Freimachen von der Saturnwirkung besteht? Man macht sich am schlechtestenfrei von der Saturnwirkung, wenn man dem schattenhaften Intellekt unseres Zeitaltersfolgt. Da läßt man geradezu die Saturnwirkungen in sich wüten, da schießen dieSaturnwirkungen hin und her und machen einen gerade zu demjenigen, was man inunserem Zeitalter den nervösen Menschen nennt. Der nervöse Mensch beruht imwesentlichen darauf, daß sein astralischer Leib in seine ganze physische Wesenheit nichtordentlich eingeschaltet ist. Darauf beruht die Nervosität unseres Zeitalters. Und wozuder Mensch gebracht werden muß, ist: das Streben nach wirklicher Anschauung, dasStreben nach Imagination. Wenn der Mensch beim abstrakten Vorstellen bleibt, so wirder immer nervöser und nervöser werden, weil er eigentlich herauswächst aus derSaturntätigkeit, diese aber doch in ihm ist, in ihm hin- und herschießt und aus seinenNerven den astralischen Leib herauszerrt und daher den Menschen nervös macht. DieNervosität unseres Zeitalters muß kosmisch erkannt werden als eine Saturnwirkung.

So wie es Saturn zu tun hat mit dem oberen Teil des ganzen astralischen Leibes,insofern dieser astralische Leib mit dem ganzen Organismus in Verbindung steht durchdas Nervensystem, hat es Jupiter vorzugsweise mit dem menschlichen Denken zu tun(siehe Darstellung S. 60).

Dieses menschliche Denken beruht ja in einer gewissen Weise auch auf einerpartiellen Tätigkeit des astralischen Leibes. [86] Ich möchte sagen, eine kleinere Partiedes astralischen Leibes ist tätig beim Denken als beim Versorgen des ganzen Menschendurch den astralischen Leib. Was in unserem astralischen Leib wirkt, und was zunächstüberhaupt unser Denken stark macht, das ist Jupiterwirkung. Jupiterwirkung hat esvorzugsweise mit dem astralischen Durchorganisieren des menschlichen Gehirnes zu tun.

Sehen Sie, die Saturnwirkungen erstrecken sich eigentlich über das ganze menschlicheLeben, und dieses ganze menschliche Leben hat ja angefangen seit unseren drei erstenLebensjahrzehnten. Wie wir uns – solange wir in den Wachstumsperioden sind, und ganzhören diese ja eigentlich erst auf nach dem dreißigsten Jahre –, wie wir uns daentwickeln in unserem astralischen Leib, davon hängt unser ganzes Leben und unsereGesundheit ab. Daher braucht der Saturn dreißig Jahre, um herumzugehen um die Sonne.Das ist ganz auf den Menschen zugeschnitten.

Dasjenige, was sich in uns als Denken entwickelt, das hat mit den ersten zwölfLebensjahren zu tun. Dasjenige, was da draußen kreist, das ist nicht ohne Beziehung zumMenschen.

Ebenso wie es Jupiter zu tun hat mit dem Denken, hat es Mars zu tun mit demjenigen,was die Sprache ist. Mars hat es zu tun mit der Sprache.

Saturn oberer Teil des ganzen astralischen Leibes

Jupiter DenkenMars Sprache

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Mars, sehen Sie, hebt gewissermaßen vom astralischen Leib noch ein kleinere Partie,als diejenige ist, die fürs Denken in Betracht kommt, heraus aus seiner ganzenEinorganisierung in den übrigen Menschen. Und von den Marswirkungen in uns hängt esab, daß entfaltet werden können die Kräfte, die sich dann in das Sprechen ergießen. Diekleine Umlaufszeit des Mars ist ja auch dafür maßgebend. Der Mensch lernt ja innerhalbeiner Zeit, die durchaus der halben Umlaufzeit des Mars ungefähr entspricht, die erstenSprachlaute. [87]

Auf- und absteigende Entwickelung! Wir sehen, diese ganze Entwickelung, insofernsie an die Gegend des menschlichen Hauptes gebunden ist, hängt zusammen mit Saturn-,Jupiter- und Marskräften.

Damit haben wir die äußeren Planeten in ihrem Fortwirken innerhalb desmenschlichen astralischen Leibes gegeben. Während die Sonne mehr mit dem Ichzusammenhängt, haben diese drei Weltenkörper: Saturn, Jupiter und Mars, mit derEntwickelung desjenigen, was ja an den astralischen Leib gebunden ist, Sprechen,Denken und dem ganzen Verhalten der menschlichen Seele im menschlichenOrganismus zu tun. Dann haben wir die Sonne, die mit dem eigentlichen Ich zu tun hat.Und dann haben wir diejenigen Planeten, die wir auch die inneren nennen, diejenigenPlaneten, die gewissermaßen der Erde näher sind als die Sonne, diejenigen Planeten also,die zwischen der Erde und der Sonne sich befinden, während die anderen Planeten,Saturn, Jupiter, Mars, abgewendet sind von der Erde gegenüber der Sonne. Wenn wirdiese inneren Planeten ins Auge fassen, dann kommen wir dazu, ebenfalls solcheBeziehungen ihrer Kräfte zum Menschen ins Auge zu fassen. Betrachten wir zunächstden Merkur.

Merkur hat, ich möchte sagen seine Angriffspunkte ähnlich dem Monde mehr imInneren des Menschen, nur gegenüber dem menschlichen Antlitz wirkt er von außen;aber er wirkt schon in demjenigen Teil des Menschen, der unter der Herzgegend liegt. Dawirkt er mit seinen Kräften, indem er innerlich die menschliche Organisation ergreift undseine Kräfte von dort wiederum ausstrahlen. Und da wirkt er so, daß er vorzugsweise esist, der die Vermittlung besorgt der Wirksamkeit des astralischen Leibes in der ganzenAtmungs- und Zirkulationstätigkeit des Menschen. Er ist der Vermittler zwischen demastralischen Leib und den rhythmischen Vorgängen im Menschen. So daß wir also sagenkönnen: seine Kräfte besorgen die Vermittlung des Astralischen mit der rhythmischenTätigkeit des Menschen (siehe Darstellung S. 60). [88] Dadurch greifen die Merkurkräfteähnlich den Mondenkräften auch ein in den ganzen Stoffwechsel des Menschen, aber nurinsofern der Stoffwechsel dem Rhythmus unterliegt, auf die rhythmische Tätigkeitzurückwirkt.

Dann haben wir Venus. Venus ist dasjenige, was vorzugsweise im menschlichenÄtherleib tätig ist, was also von dem Kosmos aus im menschlichen Ätherleib sichbetätigt: Tätigkeit des menschlichen Ätherleibes.

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Und dann haben wir Mond. Über ihn haben wir schon gesprochen. Er ist dasjenige imMenschen, was den Sonnenkräften polarisch entgegengesetzt ist, und was von innen ausden Stoff überführt ins Lebendige und dadurch auch mit der Reproduktionzusammenhängt. Der Mond ist also im ausgiebigsten Sinne der Anreger sowohl derinneren Reproduktion wie auch der Fortpflanzungsreproduktion.

Bedenken Sie nun, daß ja dasjenige, was im Menschen eigentlich vorgeht, Ihnen inseiner Abhängigkeit erscheint von dem umliegenden Kosmos. Der Mensch ist auf dereinen Seite mit seinem physischen Leib gebunden an die irdischen Kräfte, mit seinemätherischen Leib gebunden an den ganzen kosmischen Umkreis.

Saturn oberer Teil des ganzen astralischen Leibes

Jupiter DenkenMars Sprache

________________

Sonne Ich

________________

Merkur Vermittlung des Astralischen mit der rhythmischen

Tätigkeit des Menschen

Venus Tätigkeit des menschlichen ÄtherleibesMond Anreger der Reproduktion

In ihm wird aber differenziert in dieser Weise, wie ich es hier dargestellt habe, undindem die Differenzierung vorzugsweise von seinem astralischen Leibe ausgeht, gliedernsich in diesen astralischen Leib die Kräfte von Saturn, Jupiter, Mars, Merkur, Venus,Mond ein. [89]Auf dem Umwege durch das Ich wirkt dann die Sonne in ihm. BedenkenSie, daß dadurch, daß der Mensch also in den Kosmos eingegliedert ist, es etwas anderesist, ob der Mensch auf einem Punkte der Erde steht und, sagen wir, Jupiter glänzt vomHimmel, oder ob der Mensch hier auf der Erde steht und Jupiter ist von der Erdezugedeckt. Die Wirkungen auf den Menschen sind in dem einen Falle direkt, dieWirkungen in dem anderen Falle sind so, daß die Erde sich dazwischen stellt. Das gibteinen bedeutsamen Unterschied. Jupiter, haben wir gesagt, steht mit dem Denken inBeziehung. Nehmen wir an, da wo das menschliche physische Denkorgan in seinervorzugsweisen Entfaltung ist, da erlebt der Mensch, also bald nach seiner Geburt, vonseiner Geburt aus, daß Jupiter ihm zuglänzt seine Wirksamkeit. Der Mensch bekommtdie direkte Jupiterwirkung. Sein Gehirn wird ganz besonders zum Denkorgan umge-gliedert; er bekommt eine gewisse Anlage zum Denken. Nehmen wir an, der Menschverlebt diese Jahre so, daß der Jupiter auf der anderen Seite ist, die Jupiterwirkungen alsodurch die Erde gehindert sind: sein Gehirn wird wenig umgestaltet zum Denkorgan.

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Wirkt dagegen die Erde mit ihren Stoffen und Kräften in ihm, und alles dasjenige, wasvon den Stoffen der Erde ausgeht, wird vielleicht gerade umgestaltet, sagen wir, durchdie Mondenwirkungen, die ja immer in einer gewissen Weise da sind, so wird derMensch ein dumpf Träumender, ein dumpf bewußtes Wesen nur; das Denken trittzurück. Dazwischen liegen alle möglichen Grade. Nehmen Sie an, ein Mensch habe ausseiner früheren Inkarnation solche Kräfte in sich; welche sein Denken dazuprädestinieren, in dem Erdenleben, das er nun antreten soll, besonders ausgebildet zusein; dann schickt er sich an, auf die Erde herunterzukommen. Er wählt sich, da ja derJupiter seine bestimmte Umlaufszeit hat, diejenige Zeit, in der er auf der Erde erscheint,in der er auf der Erde geboren werden soll, so, daß der Jupiter direkt die Strahlenzusendet.

Auf diese Weise gibt die Sternkonstellation dasjenige ab, in das der Mensch sichhineingeboren werden läßt nach den Bedingungen seiner früheren Erdenleben. [90]

Von dem, was sich Ihnen da erweist, muß sich ja allerdings der Mensch heute imBewußtseinszeitalter immer mehr und mehr freimachen. Aber es handelt sich darum, daßer sich in der richtigen Weise freimacht davon, daß er tatsächlich so etwas tut, wie ich esangedeutet habe mit Bezug auf die Saturnwirkungen: daß er versucht, aus dem bloßenschattenhaften intellektuellen Entwickeln zu einem bildhaften, anschaulichen Entwickelnwiederum zu kommen. Was wir auf die Art aus der Geisteswissenschaft entwickeln, wieich es dargestellt habe in «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?», istzugleich eine Anweisung dafür, daß der Mensch in der richtigen Weise unabhängigwerde von den kosmischen Kräften, die aber trotzdem in ihm wirken.

Indem der Mensch sich geboren werden läßt, lebt er sich in die Erde hinein, jenachdem die Sternkonstellation ist. Aber er muß sich ausrüsten mit Kräften, die ihn inder richtigen Weise unabhängig machen von dieser Sternkonstellation.

Sehen Sie, zu solchen Erkenntnissen vom Zusammenhange des Menschen mit demaußerirdischen Kosmos muß unsere Zivilisation wieder kommen. Der Mensch muß sichwieder fühlen so, daß er weiß: In meiner Organisation wirken nicht nur diegewöhnlichen, von der heutigen Wissenschaft anerkannten Vererbungskräfte. Gegenüberdem wirklichen Tatbestand ist es zum Beispiel ein bloßer Unsinn, zu glauben, innerhalbder Organisation des weiblichen Organismus lägen diejenigen Kräfte, die sich dannvererben – es ist das so eine dunkle, mystische Vorstellung, dieses Vererben –, die dannsich so vererben, daß sie ein Herz, eine Leber ausbilden und so weiter. Kein Herz wäreim menschlichen Organismus, wenn nicht die Sonne eben dieses Herz eingliederte, undzwar vom Kopfe aus, und keine Leber wäre im menschlichen Organismus, wenn ihmnicht diese Leber von Venus eingegliedert würde. Und so ist es mit den einzelnenOrganen des Menschen. Die hängen durchaus zusammen mit demjenigen, wasaußerirdisch ist. Im Gehirn des Menschen wirken die Jupiterkräfte. [91] In der ganzenKonstitution des Menschen, insofern er seinen astralischen Leib gesund oder krankeinorganisiert hat in seine physische Organisation, wirken die Saturnkräfte. Der Menschlernt sprechen dadurch, daß die Marskräfte in ihm wirken, und im Sprechen zeigen sichdie Marskräfte.

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Das sind Dinge, die wiederum durchschaut werden müssen von der Menschheit. DerMensch muß wiederum wissen, daß mit einer Wissenschaft, die nur das Irdische umfaßt,sein Wesen durchaus nicht erklärt werden kann. Dann wird man auch denZusammenhang des Menschen mit der Erde kennenlernen. Denn die anderenWesenheiten, die um den Menschen herum leben, sie sind auch nicht bloß Erdenwesen.Erdenwesen sind bloß zunächst die Mineralien. Aber auch mit den Mineralien sindVeränderungen vor sich gegangen, welche wiederum abhängig gewesen sind von denKräften der Umgebung der Erde. So sind alle unsere Metalle, insofern sie kristallisieren,durchaus in ihren Gestalten deshalb da, weil sie in einer gewissen Weise abhängig sindvon den außerirdischen Kräften, weil sie gebildet worden sind, als die Erde noch nichtintensiv ihre Kräfte entwickelt hatte, sondern noch die außerirdischen Kräfte in der Erdetätig waren. Heilkräfte, die in den Mineralien, in den Metallen namentlich liegen, siehängen mit dem zusammen, wie diese Metalle sich innerhalb der Erde, aber ausaußerirdischen Kräften gebildet haben.

Wir sehen, wenn wir in der nachatlantischen Entwickelung zurückgehen, wie da derMensch in der ersten Zeit, als die alte indische Kultur blühte, durchaus ein Wesen war,das sich fühlte im ganzen Weltenall, ein Bürger des ganzen Weltenalls. Er war, wenn erauch noch nicht diejenigen Kräfte, auf die heute die Menschheit so stolz ist, entwickelthatte, er war im wahren Sinne des Wortes Mensch. Dann wurde der Mensch mehr oderweniger abgelenkt von den außerirdischen Kräften. Aber wir sehen noch in der ganzenchaldäischen Zeit und in der ersten griechischen Zeit, wie wenigstens der Menschhinblickte auf die Sonne. [92] Er war noch in gewissem Sinne eine Art Amphibium, dassich freute, wenn es die Sonnenstrahlen empfing, und wenn es nicht mehr in derDumpfheit der Erde drinnen zu wühlen brauchte. Aus dem Menschen war einAmphibium geworden. Jetzt ist der Mensch, indem er glaubt, daß er eigentlich nur mitden Erdenkräften zusammenhängt, man kann nicht einmal sagen ein Maulwurf, er isteigentlich ein Regenwurm, der höchstens noch wahrnimmt, wenn ihm dasjenige, was erstvon der Erde in den Weltenraum hinausgesetzt wurde, das Regenwasser, wiederumzurückkommt. Das ist das einzige, was der Mensch noch von außerirdischen Kräftenwahrnimmt. Aber das nehmen die Regenwürmer auch wahr – Sie haben das heutemorgen sehen können, wenn Sie auf den Straßen gegangen sind! Der Mensch ist imGrunde heute in seinem Materialismus ein Regenwurm geworden. Er muß wiederumdieses Regenwurmwesen überwinden. Das kann er aber nur, wenn er sich dahinentwickelt, seinen Zusammenhang mit dem außerirdischen Kosmos zu erkennen.

Also, meine lieben Freunde, es handelt sich darum, daß wir es in unseren Zeiten dahinbringen müssen, uns aus unserer Zivilisation heraus zu einem neuen Spiritualismus zu«entregenwurmen». [93]

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Die Formung des Menschen aus dem Universum

Wir wollen heute einmal den Menschen seiner Form nach studieren und wollensehen, wie wir von diesem Gesichtspunkte aus Erweiterungen und Vertiefungenbekommen können für dasjenige, was wir in der letzten Zeit betrachtet haben. Wennwir zunächst uns vor die Seele halten, daß ja die Form des Menschen im weitestenSinne natürlich durchaus zusammenhängt mit seinem Gesamtleben, so müssen wir ebendieses Gesamtleben ins Auge fassen, wenn wir nun wirklich innerlich die Form desMenschen begreifen wollen. Der Mensch gliedert sich ja zunächst ein in das ganzeUniversum, in den ganzen Kosmos. Und wenn Sie in Betracht ziehen, wie der Menschzunächst seiner Hauptesgestaltung nach ja eigentlich ein Abbild der Sphäre, deskosmischen Universums ist, so werden Sie gewissermaßen den Menschen von seitenseines Hauptes aus hineingestellt finden in das ganze Weltenall. Aber verstehen kannman die Art, wie der Mensch da in das ganze Weltenall hineingestellt ist und dochwiederum eine innere geschlossene Wesenheit ist, nur, wenn man sich die Beziehungendes Menschen zu der Umwelt vor Augen hält.

Und da sehen wir zunächst einmal so auf die Form des Menschen, daß wir uns sagen:Durch sein ganzes Denken, insofern es an das Haupt gebunden ist, kehrt sich der Menschdurch sein Haupt dem ganzen Kosmos zu. [94] Und indem er sein Haupt durch dieGeburt hereinträgt aus der geistigen Welt in das physische Dasein, kann er, indem ereingeschlossen ist in seinen Leib, in einer gewissen Weise auf sein eigentliches Wesen,auf sein inneres geistig-seelisches Wesen zurückblicken, kann er zurückblicken auf eineZeit, in der er nicht in einen solchen Leib eingeschlossen war. Wir haben vielleicht ambesten ein Bild von dem, was ich hier meine, wenn wir uns vor Augen stellen, wie derMensch in einer gewissen Weise zu seinen Erkenntnissen kommt, indem er in sichgewissermaßen zurückblickt. Es ist ja ein In-sich-Zurückblicken, wenn wir, sagen wir,Zahlenlehre, Geometrie treiben. Wir erkennen die Gesetzmäßigkeit der Geometrieeinfach dadurch, daß wir Mensch sind, daß wir die räumliche Gesetzmäßigkeit aus unsselber hervorholen können. Aber wir wissen auf der anderen Seite: DieseGesetzmäßigkeit erfüllt das ganze Universum. Wir haben also da etwas, was wirnotwendig, wenn wir hinausschauen durch die Augen, sehen; es ist ja alles geometrischangeordnet, auch die Augen selber sind geometrisch gebaut, sie stellen sich geometrischein.

Wir können also sagen: Insofern der Mensch aus seinem Denken, das ans Hauptgebunden ist, sich der Welt gegenüberstellt, nimmt er gewissermaßen das, was imUniversum ausgebreitet ist, in sich zurück. Und wir wollen uns deshalb seine ersteZuordnung zu dem Universum so vorstellen, daß wir sagen: Es ist ein Hereinfassen desUniversums, eine Art Zurückblicken auf das Universum. Indem man auf sich selberzurückschaut, findet man das Universum. Da haben wir, ich möchte sagen, dasalleräußerste Verhältnis des Menschen zu dem Universum, aus dem er herausgebaut ist.

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Wir kommen schon ein Stück weiter, wenn wir als zweites ins Auge fassen, wie derMensch dann das, was er von außen aufnimmt, in sich rege macht. Denken Sie, das Kind,wenn es geboren wird, hat eigentlich ganz in sich, was es durchlebt hat zwischen demTod und einer neuen Geburt. Könnte es ein Bewußtsein nach dieser Richtung entwickeln,so würde es zurückblicken können auf das, was es vor der Geburt erlebt hat. Dann aberbeginnt sich innerlich zu regen, was da erlebt worden ist. Der Mensch sieht nicht nur insich zurück, um das Universum in sich wieder zu finden, sondern er sieht um sich herum.Er sieht eine Umwelt. Wir können also sagen: [95] Es ist nicht mehr bloß einHereinfassen des Universums, sondern ein Blicken in den Umkreis des Universums undein Hereinnehmen der Beweglichkeit des Universums. Man wird innerlich beweglich.

Das dritte aber: Wenn wir die zwei ersten anschauen, so ist der Mensch eigentlichnoch nicht ganz bei sich. Indem er das Universum in sich trägt, sagen wir als Geometrie,lebt er eigentlich im Äußeren. Wenn das Kind sich regt, indem es das Universuminnerlich nachmacht, lebt es in dem Äußeren. Wie wird der Mensch innerlich? Wieerfaßt er sich selbst?

Sie brauchen bloß einmal sinnig mit Ihrer rechten Hand Ihre linke zu umfassen, Siebrauchen sich bloß selber anzugreifen, dann bleiben Sie ganz in Ihrem Inneren. Sieverrichten mit der rechten Hand eine Tätigkeit, aber das, was Sie dadurch anfassen, dassind Sie selber. So wie Sie sonst einen äußeren Gegenstand beim Herumtasten anfassen,so fassen Sie ja sich selber an. Alles Gewahrwerden des Ich, der Innerlichkeit, beruht imGrunde genommen auf diesem Sich-selber-Anfassen. Wir tun das dann auch inabgeleiteter Weise mit den Augen. Indem wir irgendeinen Punkt ins Auge fassen,kreuzen sich die rechte und die linke Augenachse, so wie sich die rechte Hand über dielinke legt. Und das Tier hat deshalb weniger Innerlichkeit, weil es eigentlich in vielgeringerem Maße das vollzieht, daß es sich selber betastet. Wir können also sagen alsdrittes: das Sich-selber-Erfahren oder -Betasten. Wir sind eigentlich in der Außenweltund erfassen uns selber. Wir sind noch nicht innerhalb unserer Haut.

Aber jetzt fassen wir gewissermaßen die Grenze ins Auge zwischen dem Äußeren unddem Inneren. Wir deuten diesen Vorgang an: Bewegen wir die Hand, die als rechte dielinke erfaßt, auf- und abwärts, so beschreiben wir eine Fläche. Diese Fläche ist an unsselber überall. Da schließen wir durch unsere Körperbedeckung unser Inneres ab. Wirsagen also viertens: Sich umschließen. Wenn Sie sich lebhaft einfühlen in Ihre Form,insofern die Haut diese Form bildet, so haben Sie dieses Sich-Umschließen. [96]

1. Hereinfassen des Universums. Zurückblicken

2. Blicken in das Universum. Hereinnehmen der Beweglichkeit desUniversums

3. Sich selber erfahren, betasten

4. Sich umschließen.

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In diesen vieren steht vor uns, was eigentlich das allmähliche Formen des Menschenvon außen nach innen ist: zunächst das ganze Universum, da ist man noch außer sich;dann das Universum nachahmend: man ist noch nicht zu sich gekommen, man ahmt esnach, das Universum. Greift man sich an, so kommt man außer sich selber zu sich. Nunerst im vierten hat man das Sich-Umschließen.

Im fünften müssen wir dasjenige suchen, was nun schon innerlich ist, was uns ausfüllt,was uns durchwebt und durchwebt. Wir können sagen fünftens: Das Ausfüllende, dasuns durchwellt und durchwebt.

Nun aber sechstens: Indem wir nun – dadurch, daß wir nicht nur gewissermaßen eineHaut haben, sondern die Haut auch ausgefüllt ist – so in uns selber hereingekommensind, beginnt auch schon das, was nun die Form auflöst, was die Form wiederumzurückbildet; was den Menschen nicht nur innerlich erfüllt, sondern ihn so macht, nun,sagen wir, wie eine Frucht, wenn sie reif wird. Verfolgen wir die Frucht bis zu demPunkte, wo sie gerade eben an der Kippe steht, reif zu werden; überspringt sie dieseKippe, dann dorrt sie ab, dann beginnt sie abzudorren. Wir dürfen also hier sechstenssagen: Reifung.

Dann aber stellen Sie sich einmal vor diese Reifung. Wir beginnen gewissermaßen,indem wir reif werden, innerlich wieder zu zerfallen. Wir hören schon ein bißchen auf,Mensch zu werden. Wir sind Mensch, aber wir zerfallen innerlich, wir werdengewissermaßen innerlich Staub. Wir werden mineralisch. Wir ordnen uns damit wiederin die Außenwelt ein. Wir sind mit dem Ausfüllenden ganz im Inneren. [97] Dann,indem wir innerlich zerstäuben, ordnen wir uns wiederum in das Mineralische ein. Wirwerden ein gewissermaßen schwerer Körper. Wir können also siebentens sagen:Einordnung in die unorganische Welt.

Ich habe es einmal beschrieben, wie der Mensch eigentlich, wenn wir ihn wiegen,wenn er herumgeht, wie er da wie ein Mineral sich verhält. Wir kommen da an beidiesem Sich-Einordnen in die äußeren Naturkräfte. Wir könnten auch sagen: DiesesEinordnen in die äußeren Naturkräfte – denken Sie nur einmal, indem Sie gehen, ordnenSie sich selber in die äußeren Naturkräfte ein; wenn Sie nicht ordentlich gehen, fallen Sieum –, es ist also eigentlich das erste, was man hat beim Einordnen, ein Suchen desGleichgewichtes.

Das achte: Da kommen wir dazu, daß wir uns nicht mehr bloß einordnen in die äußereWelt, sondern daß wir die äußere Welt aufnehmen. Wir atmen, wir essen, wir nehmendie äußere Welt herein. Früher haben wir nur das in uns aufgeschlossen, was wirinnerlich schon hatten. Das ist im wesentlichen dieses Sich-Aufschließen. Dann ist es einLeben im Inneren. Aber wir nehmen das Äußere ins Innere auf. Nun, wenn man zudiesem Punkt kommt, muß man vor allen Dingen sich ganz klar darüber sein, daß alles,was der Mensch von außen aufnimmt, etwas ist wie eine Art von nicht in den MenschenHereingehörendes.

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Über dieses Aufnehmen von irgend etwas von außen macht sich ja eigentlich die Weltunrichtige Vorstellungen. Im Grunde genommen ist alles, was wir essen, ein bißchengiftig. Das Leben besteht nämlich darin, daß wir die Nahrung aufnehmen und eigentlichnicht vollständig mit uns eins werden lassen, sondern uns dagegen wehren, und indiesem Sich-Wehren, in diesem Abwehren besteht eigentlich das Leben. Nur sinddiejenigen Nahrungsmittel, die wir eben als Nahrungsmittel aufnehmen, so wenig giftig,daß wir uns aufrechterhalten gegen sie. Wenn wir ein richtiges Gift aufnehmen, sozerstört es uns, dann können wir uns nicht mehr dagegen wehren.

Wir können also sagen: Indem die Außenwelt in uns eindringt, dringt eine Art vonGiftstachel in uns ein. [98] Man muß da prägnante Ausdrücke wählen, aber man hat sieja aus der heutigen Sprache und aus der heutigen Erkenntnis heraus nicht. Sie müssenalso verstehen, was ich da eigentlich meine, indem ich Ihnen das auseinandersetze.

5. Das Ausfüllende

6. Reifung

7. Einordnung in die unorganische Welt

Suchen des Gleichgewichtes

8. Giftstachel

Damit wäre der Mensch dann so weit, daß er das Äußere aufnimmt. Wir wären alsozunächst hinweggeschritten über das Formen des Menschen aus dem Universum. Wirsind hier geschritten durch das Formen des Menschen von innen, wobei wir schonangekommen sind bei dem, wo sich das Innere formt, indem es sich gegen das Äußerewehrt.

Nun formt sich aber der Mensch, wenigstens sein Leben formt er und auch etwas seineeigentliche Form, nach dem, wie er sich äußerlich verhält, wie er sich äußerlich betätigt.Nun, unsere Betätigungen sind eigentlich nicht mehr etwas recht mit dem MenschenZusammenhängendes; wir müssen schon in frühere Zeiten zurückgehen, wenn wir denMenschen so auffassen wollen, wie er sich richtig auch noch als Mensch in dieUmgebung hineinstellt, so daß er mit menschlichem Anteil sich an der Welt betätigt.Und da können wir sagen: Neuntens ist ja eine Betätigung des Menschen, indem erAnteil nimmt an der äußeren Welt, indem er nun auf Erden hineingestellt ist, nicht imUniversum. In dem äußeren Leben, in das er gewissermaßen kulturell hineingestellt ist,da ist er zunächst Jäger. Neuntens: Jäger.

Er schreitet dann vorwärts, indem er sich weiter betätigt: Er wird Tierzüchter. Das istja die nächste Stufe. Zehntens: Tierzüchter. Elftens: Er wird Ackerbauer. Das ist dienächste Vollkommenheitsstufe. Und endlich, zwölftens: Er wird Handeltreibender. [99]Warum ich die nächstfolgenden Betätigungen nicht hereinnehme – Sie werden es späterschon sehen. Es sind das die sekundären Betätigungen. Die eigentlichen primären Betäti-gungen des Menschen sind diese als Jäger, Tierzüchter, Ackerbauer undHandeltreibender.

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Damit haben wir dann den Menschen in bezug auf seine Form charakterisiert, wie ersich auf die Erde hinstellt, ob er Jäger, Tierzüchter, Ackerbauer oder Handeltreibenderist. Das wären also Formen der menschlichen Tätigkeit, der menschlichen Erdentätigkeit.

9. Jäger

10. Tierzüchter

11. Ackerbauer

12. Handeltreibender

Wir könnten nun folgende schematische Zeichnung als eine Versinnbildlichung dessenmachen, was wir da aufgeschrieben haben. Sagen wir zunächst, wir hätten hier die Erde.Nehmen wir einmal an, wir hätten den Menschen auf der Erde. Er wäre nun in Übersichtdieser vier Formprinzipien angewiesen auf den Umkreis der Erde, also er würdehereingeformt werden aus dem Umkreis der Erde. Hier formt sich der Mensch von innen(siehe Zeichnung Seite 67). Lassen wir das zunächst aus und betrachten wir dieses, woder Mensch von der Erde aus geformt wird als Jäger, Tierzüchter; dann würden wir dasUmgekehrte haben. Wenn zum Beispiel hier aus dem Umkreis die Sternbilder wirken aufden Menschen, so kommt die Wirkung der Sternbilder, die da unten stehen (unterhalbdes Gestrichelten), weil die Erde sie bedeckt, wenn ein Mensch zunächst hier aufgefaßtwird (links), nur durch die Erde an den Menschen heran. Da würde er sich also in bezugauf seine Sterne nach der Erde richten. Und was in der Mitte liegt, das würde ihm dieMöglichkeit bieten, sich innerlich auszubilden.

Man könnte also sagen: [100] Diese vier (oberen) Glieder der menschlichen Formung(siehe Tabelle Seite 69), die führen uns hinaus ins Weltenall; die letzten vier Glieder, dieführen uns auf die Erde, und die Sterne kommen insoweit in Betracht, als sie durch dieErde bedeckt sind. Bei den vier mittleren Gliedern ist es eben so, daß sich die Sterne unddie Erde die Waage halten. Da ist der Mensch in seiner Innerlichkeit.

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Sehen Sie, schon in alten Zeiten hat man diese Sache gefühlt und hat gesagt: Eingewisser Teil des Sternenhimmels hat auf den Menschen so Einfluß, daß er ihn vonaußen, vom Universum her formt. Und man hat, je nach den Zeitenfolgen natürlich,verschiedene Sterne annehmen müssen. Die Konstellationen ändern sich. Aber nehmenwir einmal so im großen das Zeitalter an, in dem wir leben. Wenn wir uns etwa auf denStandpunkt eines Griechen stellen, der über diese Dinge nachgedacht hätte, so würdedieser sagen: [101] Diejenigen Sterne, die in der Nähe des Widders stehen, die wirkenvon außen herein; auch noch diejenigen, die in der Nähe des Stieres stehen, diejenigen, diein der Nähe der Zwillinge stehen und diejenigen, die in der Nähe des Krebses stehen.Durch diese Sternbilder Widder, Stier, Zwillinge, Krebs, hat der Mensch seinZurückblickendes, sein Innerlich-Bewegliches, sein Sich-selber-Anfassen und seinUmschließendes (siehe Tabelle Seite 69). Durch die anderen Sterne, die drunten auf derentgegengesetzten Seite stehen, die von der Erde bedeckt sind, hat der Mensch seinJägerdasein durch den Schützen; er hat sein Tierzüchterdasein, indem er den Bock zähmt:Steinbock; er hat sein Ackerbaudasein, indem er – nun, nehmen wir zunächst daseinfachste Ackerbaudasein –, indem er Wasser ausgießt, also mit Urnen hinschreitet überden Acker und Wasser ausgießt: Wassermann. Und er wird Handeltreibender durchdiejenige Sterngegend, wo das ist, was ihn über das Meer trägt. In sehr alten Zeiten hatman nämlich jedes Schiff so ähnlich ausgebildet wie einen Fisch. Und zwei nebeneinanderbefindliche Schiffe, die über das Meer handeltreibend gefahren sind, die sind eigentlichdas Symbolum für den Handel. So würde man also, wenn man sich erlaubt, die Schiffe«Fische» zu nennen, hier haben bei zwölftens: die Fische.

In der Mitte hat man dann das, was zwischendrinnen ist, das Ausfüllende, dasjenigealso, was im Menschen wirkt als ausfüllendes Blut. Nun, wie kann man denn am bestendas ausfüllende Blut symbolisieren? Man wird vielleicht jenes Tier nehmen, bei dem dieHerztätigkeit am allerintensivsten ist: den Löwen. Das Reifwerden – man braucht nur denAcker anzuschauen, auf dem der Weizen oder das Korn reif wird; die Ähre stellt geradeden Zustand dar, wo das Fruchtende in das Reifende hineingeht: es ist die Jungfrau mit derÄhre. Die Ähre ist die Hauptsache dabei. Und wenn wir das ins Auge fassen, wo derMensch sich wiederum hineingliedert in die Außenwelt, also Gleichgewicht sucht: Waage.Und wo er den Giftstachel fühlt, wo er fühlt, wie alles etwas giftig ist: Skorpion. [102]

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Sehen Sie, in älteren Zeiten hat man tatsächlich diesen Zusammenhang des Menschenmit Universum und Erde empfunden; nur die neueren Menschen können diese Sachennicht mehr deuten. Sie sagen: Widder, Stier, Zwillinge, Krebs, Löwe – und zeichnen hineinen Widder und so weiter, haben aber im Grunde genommen doch keine Ahnung, wasdiese Dinge bedeuten. Man muß diese Dinge auch in der richtigen Weise ansehen. WennSie ein altes Widderbild sehen, so werden Sie nämlich doch darauf kommen, daß es danicht die naturalistisch-materialistische Abbildung eines Widders ist, worum es sichhandelt, sondern das Charakteristische ist immer, daß der Widder zurückblickt, und das,die Gebärde, ist die Hauptsache. Dieses Zurückblicken des Widders, das ist dieHauptsache dabei. [103] Und dieses Zurückblicken des Widders, das ist in demZurückblicken des Menschen auf sich selbst gegeben, in diesem Zurückblicken auf dasUniversum, das in ihm lebt. Man darf also nicht naturalistisch-materialistisch bloß aufden Widder hinschauen.

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Es soll nicht in diesem Sinne ein Abbild sein, sondern die Gebärde des Zurückblickensist es, worauf es ankommt. Und wenn Sie den Stier auf alten Abbildungen sehen – derblickt immer nach der Seite und springt! Diese Gebärde wiederum ist es, um die es sichhandelt, das Um-sich-Herumblicken und Innerlich Regemachen dessen, was alsallgemeines universelles Prinzip lebt. Also wiederum diese Gebärde ist es, auf die esankommt. Und wenn Sie die Zwillinge sehen, so haben Sie wirklich den rechten undlinken Menschen, nur – es ist überall ein Mensch, aber es ist nie anders abgebildet, alsindem die rechte Hand des rechten Menschen, die linke Hand des linken Menschen sichumspannen, sich übergreifen, und auf diese Gebärde kommt es wiederum an. Das ist dasSich-Betasten, Sich-Fühlen. Es ist nur eben rechter und linker Mensch als selbständigerMensch angeführt, weil ja der Mensch gewissermaßen noch außer sich ist, seinenvorgeburtlichen Menschen noch in sich hereinnimmt durch das Sich-selbst-Betasten.

Das Abschließen, das Sich-Umschließen: Krebs. Nun nimmt man wiederummaterialistisch-naturalistisch den Krebs als Abbild. [104] Aber worauf es denen ankam,die da einen Krebs nahmen als das Symbolum für dieses Umschließen, das war, daß derKrebs mit den Scheren sein Opfer umschließen kann, da er die Scheren herumlegt. Nun,es ist ja in dem Worte «cancer», der die Menschen umschließt, es ist schon in dem Wortenoch das Sich-Umschließen erhalten. Der Krebs ist das Umschließende. Er ist eigentlichda als das Symbolum des ins Innere sich einschließenden Menschen, der sich nicht bloßbetastet und befühlt, sondern der sich von außen nach innen einschließt.

Der Löwe stellt ja an sich selber dadurch, daß bei ihm das Herz besonders ausgebildetist, die Sache dar als Herztier. Den Löwen können wir geradezu als Herztier auffassen.Er stellt also eigenschaftlich dasjenige dar, was da als das fünfte Glied ins Auge gefaßtwerden soll.

Bei der Reifung steht die Jungfrau mit der Ähre, und auf diese Ähre kommt es an, aufdiesen Zustand des gerade ins Dürre Hineingehens des Fruchtenden. Und die Waage isteben das Gleichgewicht suchen. Der Skorpion ist natürlich der Giftstachel. Und derSchütze ist in Wirklichkeit eigentlich ein Tier, etwas, das tierische Gestalt hat, aber nachvorn in einen Menschen ausläuft, der Pfeil und Bogen hat. Das ist das Tierkreiszeichendes Schützen: ein Mensch, der Pfeil und Bogen hat und der kentaurhaft auf einemTierleibe sitzt. Das ist also für den Jäger.

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Der Bock ist eigentlich ein Bock, der in einen Fischschwanz ausgeht, also etwas, wasnicht mehr in der Natur vorhanden ist. Es gibt keinen Bock mit Fischschwanz. Aber derMensch, indem er die wilden Tiere zähmt, indem er ein Tierzüchter wird, macht diewilden Tiere so zahm, wie die zahmen Fische sind. Wir haben also ein künstlichesSymbolum, das hier auftritt.

Für den Ackerbau haben wir den Wassermann. Da hat man natürlich immer an Wasserund dergleichen gedacht, was ja in einem gewissen geistigen Sinne eine Berechtigunghat. Aber Sie werden immer sehen: Sein Schreiten kommt in Betracht, zwei Urnen hat eran den Händen und schüttet Wasser aus. Er begießt. Er ist derjenige, der also Gärtner,Ackerbauer ist. [105]

Und die Fische, darauf habe ich schon hingedeutet: es ist das Handeltreiben, weil manFischköpfe oben gehabt hat an den Schiffen Delphinköpfe zum Beispiel, wenn auch derDelphin kein Fisch ist, aber die Alten haben ihn als solchen angesehen. Es ist alsodurchaus das, was auf das Handeltreibende in diesem Symbolum hindeutet.

Wir dürfen eben die Dinge nicht so schematisch äußerlich betrachten, wie das heuteoftmals geschieht, sondern wir müssen ausgehen von dieser Formung des Menschen undvon da aus dann sehen, wie wir hinaufkommen in die Beziehung des Menschen zumUniversum und zur Erde. Dadurch lernen wir allmählich aus der Form heraus denMenschen als einen Teil, als ein Glied des ganzen Universums begreifen.

Nun können wir ja die Sache noch von einer anderen Seite aus auffassen. Wir wollensie nun von der folgenden Seite aus auffassen. Wir haben hier, sagen wir, den Widder.Betrachten wir alles zunächst vom Standpunkte des alten Griechen: Widder, Stier,Zwillinge, Krebs, Löwe, Jungfrau, Waage, Skorpion, Schütze, Steinbock, Wassermann,Fische, so können wir sagen, wenn wir die menschliche Form betrachten:

Der Mensch – nehmen Sie das alles zusammen, was ich gesagt habe –, der Menschwird in bezug auf seine Kopfform von außen, vom Universum herein gebildet. [106]Nehmen wir also die Sache vom griechischen Standpunkte aus, so werden wir sagen: DerMensch wird seiner Kopfform nach vom Universum herein gebildet. Da regt es sich dannim Inneren. Da setzen sich die Möglichkeiten an, daß er symmetrisch wird. Aber dannsind wir genötigt, das, was durch die letzten Sterngruppen an Einfluß auf den Menschengeschieht, im entgegengesetzten Sinne aufzufassen.

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Der Mensch hat da seine Einflüsse von der Erde. Tätigkeiten wirken auf ihn ein. Wennwir hier das (oben) breit zeichnen (siehe Zeichnung Seite 71), so werden wir auf dieseranderen Seite am besten das hier (unten) schmal malen, und wir werden sagen: Wenn derMensch Jäger werden will, so muß er besonders starkausgebildet haben, was hieraufgefaßt werden kann als Schütze. Sie wissen, es ist das, was menschlicheOberschenkel sind. Diese muß er besonders stark haben, wenn er Jäger werden will.Wird er Tierzüchter, muß er sich viel in der Kniebeuge bewegen. Wird er Ackerbauer,muß er gehen; er wird deshalb als schreitend dargestellt und so weiter. Handeltreiben:Wenn man an dem Menschen selber ein Symbolum suchen will, so werden es die Füßesein. Aber diese Organe werden jedenfalls von außen herein gebildet. Das andere stehtdann in der Mitte, wo der Mensch sich selber bildet.

Wenn ich Ihnen diese Figur hinzeichne, so ergibt sie sich eigentlich aus den zwölfZeichen wie von selbst. Wir können sagen: Da (in der Mitte) wirkt das Universum, dieSterne, mehr im Inneren des Menschen; da (oben) wirken die Sterne von außen, und da(unten) drücken sie ihn zusammen. Aber Sie erkennen ja in dem, was ich dahingezeichnet habe, die Form des menschlichen Embryos! Und wenn Sie denmenschlichen Embryo nehmen, so müssen Sie ihn eigentlich, wenn Sie den Tierkreisaufzeichnen, aus seiner eigenen Gesetzmäßigkeit heraus so zeichnen – geradeso wie Sie,wenn Sie eine Figur zeichnen wollen, die hundertachtzig Grad umschließt, ein Dreieckbekommen. [107] Wenn Sie den Tierkreis so zeichnen, so umformen, daß seineGesetzmäßigkeit in bezug auf die Erde zum Vorschein kommt, dann bekommen Siedurch innere Gesetzmäßigkeit die Form des menschlichen Embryos. Und Sie habendamit unmittelbar gegeben, daß der menschliche Embryo allerdings aus dem ganzenUniversum heraus gebildet wird, daß er ein Ergebnis des Universums ist.

Ich sagte vorhin, man müsse sich auf den Standpunkt des Griechen stellen, denn heutekönnen wir nicht mehr beim Widder anfangen, heute müssen wir anfangen im Zeichender Fische. Wir stehen ja seit Jahrhunderten im Zeichen der Fische, und gerade imZeichen der Fische vollzieht sich der Übergang zum Intellektualismus des Menschen.Wenn Sie aber zurückgehen bis dahin, wo noch der Widder berechtigt war, wo man alsoim alten Sinne von dem Tierkreis reden konnte, dann haben Sie nicht viel mehr alsSchütze, Bock, Wassermann und Fische, respektive die Berufe: Jäger, Tierzüchter,Ackerbauer und Handeltreibender. Alles das, was an Industriellem gekommen ist und soweiter, das gehört schon in die Fische hinein; das ist schon eine Wiederholung. DenkenSie sich doch einmal: Wir leben im Zeitalter der Fische; da hat sich alles dasherausgebildet, was heute unsere Maschinenkultur und so weiter ist. Gehen wir hinterdieses zurück in die Widderzeit, so haben wir noch die ehrlichen vier Berufe, wenn sieauch etwas komplizierter und modifizierter sind, die den Menschen in die Naturhineinstellen.

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Und dann können wir weiter zurückgehen – in das Stierzeitalter, den dritten, zweiten,ersten nachatlantischen Zeitraum, den letzten atlantischen, den vorletzten atlantischenund so weiter: so würden wir zurückkommen und würden, wenn wir weiterzurückkommen bis wiederum in das Zeitalter der Fische, den Menschen noch haben alsein vollständig ätherisches Wesen, das noch nicht in die physische Weltheruntergestiegen ist. Und weil wir ihn da haben in den Fischen, wo er einmal war alsein ätherisches Wesen, wiederholt er im Grunde genommen das, was er dazumal beimeigentlichen Mensch werden durchgemacht hat. Er wiederholt es seit der Mitte des 15.Jahrhunderts, aber er wiederholtes in abstrakter Weise. [108] Dazumal wuchs er konkretin sein Menschentum hinein. Seither wächst er in seine Abstraktionen hinein, denn eineMaschine ist auch eine Abstraktion. Seither, seit das Zeitalter der Fische wiederum daist, ist der Mensch eigentlich hineingestellt in das, was ihn auflöst. Und wird der Menschgar wiederum zurück in den Wassermann kommen, dann wird diese Auflösungwesentlich weiterschreiten, dann wird er vor allen Dingen nicht den geringstenZusammenhang mit der Welt haben können, wenn er sich nicht an die geistige Welt hält.Eben wegen dieser Wiederholung muß der Mensch in die geistige Welt einrücken.

Auch daraus können Sie wiederum sehen, daß der Mensch eigentlich ein dreifachesWesen ist: aus dem Universum hereingebildet, indem er Kopfmensch ist, im Inneren sichbildend, nur in Korrespondenz mit der Außenwelt, indem er Brustmensch ist,Gliedmaßen und Stoffwechsel bildend, indem er eben sich der Erdenwelt einfügt, alsoGliedmaßen- oder Erdenmensch ist (siehe Tabelle Seite 69).

Und noch in einer anderen Beziehung liegt hier ein Dreifaches vor. Denken Sieeinmal, wenn der Mensch ankommt bei der Geburt, so liegen eigentlich die vier erstenKräfteimpulse in ihm. Die bildet er dann erst aus, aber er ist da auch in gewissem Sinneein ganzer Mensch, nur sind die anderen acht Glieder rudimentär. Der Kopf ist einganzer Mensch, nur sind die anderen Glieder daran rudimentär. Der Brustmenschwiederum ist ein ganzer Mensch, nur sind die vier ersten Kraftimpulse rudimentär unddie vier letzten. Auch der Gliedmaßenmensch ist ein ganzer Mensch, nur ist die Brustund der Kopf daran rudimentär. Es stecken eigentlich drei Menschen auf diese Weise indem Menschen drinnen. Der erste, der Kopfmensch, ist eigentlich die Umbildung dervorigen Inkarnation. Der Brustmensch ist eigentlich die jetzige Inkarnation an sich. Unddas, was der Mensch tut, wie er sich in der äußeren Welt betätigt, was namentlich inseinen Gliedmaßen zum Ausdruck kommt und in seinem Stoffwechsel, das trägt ihnwieder in die nächste Inkarnation hinüber. [109] Also auch in dieser Beziehung ist derMensch ein dreigliedriges Wesen. So kann man die Form des Menschen in seinerGanzheit studieren.

Man müßte also eigentlich sagen: Wenn man den Menschen aufzeichnet, müßte manzeichnen seinen Kopf. Man hat aber dann einen vollständigen Menschen. Daß man einenvollständigen Menschen hat, werden Sie schon daraus erkennen: Wenn Sie denUnterkiefer nehmen, so sind es eigentlich Beine, nur sind sie nach rückwärts gerichtetam Kopfe; dieser Mensch sitzt mit seinen Beinen.

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Der Kopf ist ein ganzer Mensch, nur sind die Beine umgestülpt, es sind die Unterkieferhier. Der Mensch sitzt darauf, so daß ich das so zeichnen könnte, daß ich eigentlich einenganzen Menschen, wenn auch sitzend, hier einzeichnen würde.

Dann wiederum ist eben der Brustmensch ein ganzer Mensch: die Arme sindgewissermaßen die äußeren Repräsentanten für ätherische Augen. Und wiederum ist einganzer Mensch der Gliedmaßenmensch. Da wären zum Beispiel die Nieren wiederum dieAugen. So daß wir drei ineinandergeschobene Menschen auch in bezug auf die Formhaben, wiederum so, daß wir in dem Menschen, der in den Kopf hinein verschwundenist, der da eine Kugel geworden ist, zu sehen haben, was von der vorhergehendenInkarnation sich hereinlebt, in dem Brustmenschen den eigentlichen jetzigen Menschen,und in demjenigen, was da herumläuft, das was in die folgende Inkarnation sichhineinschiebt.

Aber man kann in einem gewissen Sinne sagen: Auch am gegenwärtigen Menschen istes so, daß er in seinem ganzen Verhalten etwas Dreigliedriges hat. Nehmen Sie denGliedmaßen-Stoffwechselmenschen: er ist fähig, einen ganzen Menschenhervorzubringen. Sie brauchen nur eben den Menschenkeim, den menschlichen Embryoim Leibe der Mutter zu nehmen, so haben Sie den Gliedmaßen-Stoffwechselmenschen,der ein ganzer Mensch werden will. [110]

Nehmen Sie den Brustmenschen, so sehen Sie, wie in dem Kinde, wenn es noch einSäugling ist, tatsächlich der Kopfmensch mit dem Brustmenschen als ein Ganzeszusammengehört. Sie haben also auch im Heranwachsen des Menschen diesesDreigliedrige. Und dann wird der Mensch, wenn er nicht mehr Säugling ist, erzogen:Kopf des Menschen als Erzieher, erzieht den anderen Menschen – Kindskopf denKindskopf, denn im Grunde genommen bleibt der Mensch in bezug auf seinen Kopfimmer Kind. Alt, das heißt mittelalterlich, wird er nur in bezug auf den mittlerenMenschen, den Brustmenschen, und ganz alt wird er in bezug auf denGliedmaßenmenschen. Das merken ja die Menschen auch, wenn sie alt werden. Undschon nach dem alten Rätsel: In der Jugend geht man auf vieren, in der mittleren Zeit aufzweien und dann auf dreien – merken es die Menschen, daß sie da zunächst alt werden.Von da herein werden sie alt. Also in bezug auf den Kopf bleibt der Mensch immer soetwas wie ein Ergebnis der letzten Inkarnation. Der Kopf bleibt eigentlich sein ganzesLeben lang im Grunde genommen ein Kindskopf. Und man kann schon sagen: DieErziehungswissenschaft muß eigentlich das Problem lösen, wie es am besten geht, daßder Kindskopflehrer den Kindskopfschüler in der besten Weise behandelt.

Diese Dinge sind scheinbar humoristisch, aber es verbirgt sich hinter ihnen eine tiefeWahrheit, die nur ins Auge gefaßt werden muß, damit der Mensch wirklich die richtigeAnsicht über sich selber erhalten kann.

Bedenken Sie doch, daß im Grunde genommen der Kopf des Menschen eigentlich derPassagier ist, der fortwährend getragen wird von dem übrigen Menschen. Seine Beine,die hat der Kopf überhaupt immer in Sitzstellung; er schickt sich nicht einmal an,selbständig zu gehen. Er wird fortwährend getragen wie eben ein Mann, der in derKutsche fährt.

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Er ist eigentlich im Grunde genommen der Passagier des Menschen, dieser Kopf. DerBrustmensch ist der Pfleger des Menschen. Und der Gliedmaßenmensch ist derArbeitsmensch, derjenige, der verwendet wird als Sklave, der Arbeiter, der eigentlichArbeitende, der Mensch, der nun das Leben eigentlich durchmacht. [111] Daher hat manden Kopf auch, insofern man als ganzer Mensch Kopf ist; ich habe das oftmalsausgesprochen. Insofern man sich umschließt, ist man noch Kopf, bis zum Krebs herein istman noch Kopf. Das hat man ohne sein Zutun vom Himmel. Hier (Mitte) muß man atmenund essen: es ist der Pfleger, die Amme. Und der eigentliche Arbeitsmensch, der gehörtdem Gebiete des Schützen, des Steinbocks, des Wassermanns und der Fische an.

Sie sehen, auf diese Weise kann man nun wirklich die Form des Menschen imZusammenhang mit dem ganzen Universum herausbekommen. Sie müssen diese Dinge,wenn sie eben auch so hingestellt sind, daß sie, ich möchte sagen, nicht mit Pedanterie,sondern in einer mehr leichteren Art vor Sie hingestellt werden, Sie müssen diese Dingenur ganz ernst nehmen, dann werden Sie sehen, daß in allem diesem, was ich heute gesagthabe, auf der einen Seite die Möglichkeit liegt, die Form des Menschen aus dem ganzenUniversum heraus zu begreifen, und auf der anderen Seite wiederum das liegt, was einenerfüllt mit der großen Ehrerbietung vor den Urerkenntnissen der Menschen, die in ihreTierkreissymbole wirklich eine Menschenwissenschaft ungeheuerster Art aus ihreminstinktiven Hellsehen heraus haben hineinlegen können. Dagegen haben wir heute solcheine Wissenschaft, daß die Menschen in den Tierkreisbildern den Widder anglotzen, abernicht wissen, daß die Hauptsache darin liegt, daß er sich umdreht; den Stier anglotzen,nicht wissen, daß das Wesentliche ist, daß er springt und nach der Seite blickt; und bei denZwillingen dieses Sich-Anfassen, dieses Sich-Übergreifen und so weiter. Es ist alles indiesen Tierkreissymbolen ungeheuer tiefsinnig, ungeheuer bedeutsam, jede Gebärde jedeseinzelnen Zeichens, und wo es sich nicht um eine Gebärde handelt, wie beim Löwen, daist das Symbolische so gewählt, daß es als Zeichen schon die Gebärde in sich enthält, weilder Löwe den stärksten Herzschlag hat; so ist er gewählt. Also das Erfüllende ist imLöwen dargestellt. Auf diese Weise kann man wieder heraufholen die Urweisheit der altenZeiten, wenn man sie heute in sich selbst findet. [112]

Nun habe ich heute vor Ihnen betrachtet die Form des Menschen, möchte morgenbetrachten das Leben des Menschen im Zusammenhange mit dem Universum, und dannim dritten Vortrag werden wir die Seele des Menschen betrachten im Zusammenhange mitdem Universum. [113]

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Der Zusammenhang des Menschen mit dem Kosmosin bezug auf sein Leben

Wir haben gestern gesprochen von der Formung des Menschen und haben gesehen,wie die innere und äußere Form des Menschen herausgebildet wird aus dem Weltenall,und haben zugleich gesehen, wie bedeutsam in Zeiten älteren instinktiven Erkennens dieMenschen diesen Zusammenhang der menschlichen Form mit dem ganzen Weltenalldurchschaut haben. Wir müssen aber dabei doch das Folgende festhalten. Ich habe ineiner der Zeichnungen gezeigt, wie man einzeichnen kann in die menschliche Gestalt denganzen Tierkreis. Aber wir mußten als menschliche Gestalt dann eigentlich dieEmbryonalform des Menschen aufzeichnen. Und wenn wir diese Embryonalformaufzeichnen, dann haben wir förmlich in der Gestalt des Menschen selber dieTierkreisform nachgebildet. Der Mensch aber reißt sich gewissermaßen in seinem Lebenhier auf der Erde zwischen Geburt und Tod aus dieser Embryonalform heraus. Er istwährend der Embryonalzeit durchaus aus dem Weltenall heraus geformt. Ich möchtesagen: Er streckt sich dann während seiner Erdenzeit. Dadurch hebt er sein Haupt herausaus dem Kreise, der dem Tierkreis nachgebildet ist. Und dadurch, daß er sein Hauptheraushebt, daß er also während seiner physischen Lebenszeit zwar noch die Form hat,die er embryonal veranlagt bekommt, aber sie nicht mehr eingliedert in den Fixsternhim-mel; dadurch bekommt der Mensch zunächst in bezug auf die Hauptesform dieMöglichkeit, in diese Hauptesform aufzunehmen dasjenige, was er herüberbringt ausdem vorigen Erdenleben.

Das Tier behält seine horizontale Rückgratlage. Der Kopf hängt vorne nur an demRückgrat daran. [114] Das Tier behält im Grunde genommen viel mehr bei von dieserTierkreisstellung. Dadurch aber kann das Tier auch mit Hilfe seines Hauptes nichtsaufnehmen von einem vorigen Erdenleben. Das ist so, wenn wir die Form des Menschennach der einen Seite betrachten, wenn wir uns also sagen: Würde der Mensch genau demTierkreis nachgebildet sein, würde er diese Form haben (Embryo). Dann, wenn er währenddes Lebens diese Form beibehielte, würde er nicht sein Wesen aus der vorigen Inkarnationdurch die Hauptesform aufnehmen können.

Dadurch, daß er das Haupt heraushebt aus dieser Stellung, dadurch wird die Form indie Möglichkeit versetzt, Umhüllung zu sein für das, was aus dem vorigen Erdenlebenkommt.

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Ebenso aber hebt der Mensch dann die andere Seite heraus, die nach den letztenTierkreisbildern hin orientiert ist, nach dem Schützen, dem Steinbock, dem Wassermannund den Fischen, also, wie wir gestern gesagt haben, nach dem äußeren Leben, nach denälteren äußeren Lebensverhältnissen: der Jagd, der Tierzüchtung, dem Ackerbau unddem Handel, der Schiffahrt. [115] Dadurch, daß der Mensch wiederum dieseVerrichtungen aus seinem Wollen heraus bildet, also aus seinem Gliedmaßensystem, daser aus der Tierkreisorientierung herausgehoben hat, dadurch bleibt ihm in alldem, wasdiese seine Verrichtungen, was überhaupt menschliche Verrichtungen sind, dieMöglichkeit, der Keim zu späteren Erdenleben. Das Tier bleibt durchaus im Tierkreisdrinnen orientiert. Dadurch hat das Tier keine Möglichkeit, von einem vorigenErdenleben irgend etwas aufzunehmen oder nach einem folgenden Erdenlebenhinüberzublicken. Daher wird auch das, was wir als den Orientierungskreis, denTierkreis bezeichnet haben, aus einer tiefen Weisheit der älteren instinktiven Erkenntnisheraus eben der Tierkreis genannt.

Aus alldem ersehen Sie, wie gründlich eigentlich diese ältere instinktive Weisheit war,und wie wir, wenn wir heute wiederum Geisteswissenschaft treiben, jetzt nicht ausInstinkt, sondern aus einem klaren Bewußtsein heraus zu denselben Tatsachen kommenund dadurch wieder erkennen, was in einer alten instinktiven Erkenntnis so gelebt hat, wieich es in den letzten Vorträgen hier angedeutet habe, und wovor wir immer mehr und mehrRespekt bekommen, je mehr wir Einblick gewinnen in diese Urweisheit der Menschen.Das ist es, was ich Ihnen zunächst über die Form sagen möchte.

Was nun in diese Form beim Menschen gewissermaßen einfließt, was in diese Formergossen ist, das ist das Leben. Dieses Leben des Menschen, das finden wir ebenso imÄtherleib des Menschen lokalisiert, wie wir die Form im physischen Leib lokalisiertfinden. Und es ist durchaus das Richtige, wenn man den physischen Leib des Menschenbetrachtet, ihn seiner Form nach zu studieren, denn die Form ist das Wesentliche an demphysischen Leibe. Zu dem physischen Leibe kommt der Ätherleib (32) hinzu, und dieserÄtherleib des Menschen, der repräsentiert vorzugsweise dasjenige, was das Leben ist.Wir haben also gestern die Form besprochen und wollen heute das Leben besprechen.

Wir haben gestern gesehen, wie die Form sich eigentlich aus zwölf verschiedenenFormen zusammensetzt, und wir haben versucht, diese zwölf verschiedenen Formen zustudieren. [116] Die Gesamtform des Menschen, innerlich und äußerlich, ergibt sich, wiewir gesehen haben, aus zwölf einzelnen Formen. Ebenso ergibt sich das Leben desMenschen aus einer Reihe von einzelnen Lebensstufen. Und diese einzelnenLebensstufen, sie kann man sich in der folgenden Weise zunächst vor die Seele stellen.

Das erste, was der Mensch in seinem alltäglichen Bewußtsein gewöhnlich noch nichtals eine Lebensstufe ansieht, das ist das Sinnesleben. Die Sinne sind ja eingegliedert indie gesamte menschliche Wesenheit, aber sie liegen so sehr an der Peripherie, imUmkreis des Menschen, daß der Mensch eigentlich im alltäglichen Leben vergißt, daßdieses Sinnesleben die äußerste Schichte seines Lebens ist. Wir haben aber im Umkreisediese äußerste Schichte unseres Lebens, das Sinnesleben.

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Gehen wir weiter nach dem Inneren, dann kommen wir, indem wir uns auf dieBetrachtung des Lebens beschränken, zu der Fortsetzung des Sinneslebens nach innen,und dieses Sinnesleben, das setzt sich nach innen fort in dem Nervenleben. Die Nervengehen ja von den Sinnesorganen nach innen. Das Nervenleben setzt das Sinnesleben fort.

Das Nervenleben kommt nun aber seinerseits in Berührung mit einem anderen Leben,mit einer anderen Lebensstufe, die sich im menschlichen Lebewesen entfaltet. Vongewissen Gesichtspunkten aus habe ich dieses schon bei früheren Anlässencharakterisiert. Ich habe Sie darauf aufmerksam gemacht, wie der Mensch einatmet.Indem er einatmet, nimmt er die Atemluft auf. Diese Atemluft, die versetzt zunächst denMenschen in eine Art inneren Rhythmus. Der setzt sich fort durch denRückenmarkskanal bis in das Gehirn. Und ich habe darauf aufmerksam gemacht, was aufdiesen Fortsetzungen beruht. Da kommt das Nervenleben in Kontakt mit demAtmungsleben. Und die nächste Lebensstufe, wenn wir nach innen gehen, ist in der Tatdas Atmungsleben.

Das Atmungsleben seinerseits wiederum, das schließt sich zusammen mit eineranderen Lebensstufe. Der Atem erneuert, wenn wir so sagen dürfen, beständig das Blut.[117] Damit steht der Atmungsrhythmus mit dem Blutrhythmus in einemZusammenhang, und wir können hinübergehen vom Atmungsleben in dasZirkulationsleben, in das Leben, das im Zirkulationsrhythmus enthalten ist.

Die Zirkulation wiederum, sie steht nach der anderen Seite im Zusammenhang mitdem gesamten Stoffwechsel. Die Zirkulation nimmt den Stoffwechsel auf, so daß wir zurnächsten Lebensstufe, zum Stoffwechsel kommen.

Der Stoffwechsel hinwiederum, der regt an, was wir in der äußeren Bewegungvollziehen. Nur dadurch, daß der Mensch im Stoffwechsel lebt, kann er sich äußerlichbewegen. Der menschliche Stoffwechsel – und auch der tierische – ist ja so geartet, daßdes Menschen Seele das, was im Stoffwechsel vor sich geht, verwenden kann, umdadurch Bewegungen hervorzubringen, und wir kommen dann zu dem Bewegungsleben.Da ordnen wir uns schon wiederum in die Außenwelt ein. Da nehmen wir mit dem, waswir hervorbringen, an der Außenwelt teil.

Und dann gibt es noch eine weitere Lebensstufe. Das ist das Reproduktionsleben, dasFortpflanzungsleben. In der Bewegung verbraucht der Mensch in der Tat fortwährendsich selber, und eine innere Reproduktion muß stattfinden eben deshalb, weil der Menschin Bewegung ist. So daß man statt Bewegungsleben auch sein Korrelat schreiben könnte:innere Reproduktion, wenn man innerhalb der Haut des Menschen stehenbleiben würde.Und wenn dann diese Reproduktion selbständig auftritt, so tritt sie auf imFortpflanzungs-, im eigentlichen Reproduktionsleben. [118]

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1. Sinnesleben

2. Nervenleben

3. Atmungsleben

4. Zirkulationsleben

5. Stoffwechselleben

6. Bewegungsleben

7. Reproduktionsleben

Wir haben auf diese Weise, wie wir gestern zwölf Formelemente der Gesamtform desMenschen entwickelten, heute sieben Lebensstufen entwickelt. Diese siebenLebensstufen, sie sind in der Tat so, daß der Mensch mit Bezug auf seinen Ätherleib inverschiedener Weise lebt auf diesen verschiedenen Lebensstufen. Wir können nicht voneinem einzelnen, verwaschenen Leben reden, wenn wir die Dinge im Ernste ins Augefassen wollen.

Unser Ätherleib lebt zunächst, wenn ich so sagen darf, in der Sinnenschichte. Er lebtin der Sinnenschichte das Sinnesleben. Dieses Leben in der Sinnenschichte, das ist dasLeben, das wir in der Tat kaum mehr als Leben empfinden. Wir nehmen dadurch an derAußenwelt teil. Unser Ätherleib, sagen wir, wenn wir da zum Beispiel das Auge haben,durchdringt das Auge. Er ist lebendig. Er belebt dadurch in einer gewissen Weise dasAuge. Aber er berührt sich mit einem Substantiellen im Auge, das nahe dem Sterben ist.Nur dadurch, daß der Ätherleib dieses Auge noch durchdringt, ist es ein lebendigesOrgan. Es ist eigentlich, abgesehen von dem es durchdringenden Ätherleib, einphysikalischer Apparat.

Nun ist das bei den verschiedenen Sinnen in der verschiedensten Weise ausgebildet,daß sie auf der einen Seite ein physikalischer Apparat sind und dann vom Ätherleibdurchdrungen sind. Aber im großen und ganzen ist es doch durchaus so, daß dieSinnesorgane eigentlich tote Organe sind, die eben nur einfach vom Ätherleibdurchdrungen sind. So daß man das Sinnesleben schon nennen kann das ersterbendeLeben.

Das Nervenleben hingegen, das bildet aus dem, was in den Sinnen erlebt wird, das,was das Sinnesleben dann bewahren kann. Auf dem Nervenleben beruhen alleNachklänge, Nachwirkungen zum Beispiel, wenn wir das Auge betrachten, so daß wir imNervenleben eine Art von ruhendem Leben haben, ein, wir können sagen, ruhendes oderbewahrendes Leben.

Das Atmungsleben dagegen, das bringt dieses flüchtige und sich bewahrendeSinnesleben zur Bildhaftigkeit. [119] Auf der Berührung des Atmungsrhythmus mit denNervenströmungen beruht es, daß wir uns Bilder machen können von der äußeren Welt.Gedanken, abstrakte Gedanken sind noch durchaus an das Nervenleben gebunden, aberdas Bildhafte ist an das Atmungsleben gebunden. So daß man sagen kann: Hier haben wirdas bildende Leben. – Wir haben also, indem wir atmen, bildendes Leben in uns. Diesesbildende Leben lebt natürlich in der menschlichen Form. Dadurch, daß es in dermenschlichen Form lebt, nimmt es teil an der menschlichen Form.

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Die menschliche Form, sie ist, wie wir gesehen haben, gebildet nach dem Tierkreis.Indem gerade dieses bildende Leben, das durch das Atmen vermittelt wird, in der Formdes Menschen lebt, nimmt es auch teil an der gesamten äußeren, aus dem Sternenhimmelherausgebildeten Form. Dadurch gliedert sich diese Form auch in das Innere desMenschen hinein. Und es beruht dann auf dem Atmen, daß aus dem Atmungsprozeßnicht nur herauskommt, was der Mensch im Bewußtsein hat, sondern daß herauskommenaus dem Atmungsprozeß zunächst die Bilder sämtlicher innerer Organe in derNachbildung an die äußere Form. Die inneren Organe werden also auf dem Umwegedurch den Atmungsprozeß zunächst als Bilder gebildet. Da sind sie noch nichtsubstantiell. Der Atem bildet zunächst ein Bild des Menschen, ein Bild des innerenMenschen. [120]

Indem wir atmen – wir atmen ja in der Welt, bewegen uns mit der Erde im Tierkreis –,atmen wir fortwährend die Bilder unserer inneren Organisation ein. Aus dem äußerenLeben atmen wir die Bilder unserer inneren Organisation ein. So daß wir sagen können:Hier haben wir das bildende Leben. – Diese Bilder, die da eingeatmet werden, die werdennun durch das Zirkulationsleben über den ganzen Organismus verbreitet. Zirkulationslebenund Atmungsleben zusammen führen den Menschen dazu, innerlich Bild der Welt zu sein.Wir können also sagen: Hier das bildende Leben, und dann können wir sagen: die sichverbreitenden Bilder, das sich Verbreitende, die sich verbreitenden Organbilder.

Dadurch nun, daß das Zirkulationsleben an den Stoffwechsel sich anschließt, wird derStoff eingefügt diesen Bildern, und es entstehen bei der fünften Lebensstufe diestofflichen Organe. Es schiebt sich der Stoff in die Bilder hinein. Er tingiert die Bilder.Wir haben also durch unseren oberen Menschen, durch unser Atmungsleben unserinneres Bild, und die Bilder machen wir gewissermaßen zu Wirklichkeiten durch dentingierenden Stoff, der sich da hineinschiebt.

Aus dem Bewegungsleben schiebt sich in die stofflichen Organe die Kraft ein. So daßwir sagen können: Wir haben die stofflichen Organe, und hier haben wir das kraftendeLeben in den Organen. Und das Reproduktionsleben ist dann das sich erneuernde Leben.

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Sie sehen da zu gleicher Zeit, wie der dreigegliederte Mensch gebildet ist: der Nerven-Sinnesmensch, der Zirkulationsmensch, der Mensch des Rhythmus, und derStoffwechsel-Gliedmaßenmensch oder Stoffwechsel-Bewegungsmensch. Durch dieReproduktion entsteht ja wiederum erst der neue Mensch. [121]

Diese Attribute, die ich Ihnen hier rechts dazugeschrieben habe, die geben Ihnen eineVorstellung von den Unterschieden, die zwischen den Lebensstufen bestehen. Indem unserÄtherleib in den Sinnen lebt, lebt er in einer Art ersterbendem Leben. In einembewahrenden Leben lebt er, indem er im Nervenleben, in den Nervenströmen ist. ImAtmungsleben wird eigentlich unser Ätherleib der richtige Bildekräfteleib, der die Bilderentwirft. Und daß diese Bilder dann wirklich zur gesamten inneren Organisation werden,das vermittelt das Zirkulationsleben. Mit Stoff füllt sich das aus vom Stoffwechselleben.Indem der Ätherleib den Stoffwechsel durchdringt, tingiert er den eigentlichenBildekräfteleib. Und dann kommt die subjektive menschliche Kraft hinein durch dasLeben der Gliedmaßen und so weiter.

Auch diese Zusammenhänge hat eine alte instinktive Weisheit durchschaut. Sie wußte,daß der Mensch das Leben von außen aufnimmt und innerlich weiterbildet, richtiginnerlich weiterbildet. So etwa dachten sich diese älteren Weisen die Sache. Sie sagtensich: Nehmen wir eine äußerste Schichte des Erdenumkreises, der Weltensphäre, nehmenwir eine nächste Schichte, nehmen wir eine weitere Schichte – so haben wir die äußersteSchichte zunächst am nächsten dem Fixsternhimmel, also demjenigen im Weltenall, demder Mensch seine Form verdankt. [122]

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Sein Leben, sagte nun diese ältere instinktive Weisheit, erfließt ihm nicht aus demFixsternhimmel, sondern aus dem planetarischen Himmel. Da unterschied er zunächstden Saturn, den Jupiter, den Mars, die Sonne. Wenn wir die Sonne in ihrer wahrenWesenheit ins Auge fassen, ich habe ja über diese wahre Wesenheit der Sonne desöfteren gesprochen, so unterscheidet sie sich – man nennt sie deshalb in der populärenAstronomie einen Fixstern – von den übrigen Gliedern des Planetensystems, das zurErde gehört, dadurch, daß sie als Lichtquelle erscheint. Sie erscheint als Lichtquelle. Sieist insofern von den anderen Gliedern verschieden, als die anderen Glieder nicht alsLichtquellen erscheinen, sondern sie erscheinen als Bilder. Man sagt ja deshalb auch inder populären Astronomie: Sie haben das erborgte Licht, sie strahlen das Licht der Sonnezurück. – Die Sonne selbst erzeugt, im populären Sinne gesprochen, das Licht; dieanderen planetarischen Körper strahlen das Licht zurück.

Vergegenwärtigen Sie sich den Unterschied: ob man Sonne hat, die das eigene Wesenaus sich hervorgehen läßt in dem Lichte, oder ob man die anderen Himmelskörper, diePlaneten hat, die nur das Bild des äußeren Wesens zeigen, gewissermaßen nur, was siean der Oberfläche tragen, dadurch sichtbar machen, daß sie das Sonnenlichtzurückwerfen. Es ist ein wesentlicher Unterschied. Und indem die Sonne gewissermaßendie Quelle des Lichtes ist, ist sie auch die Quelle des Lebens.

Und sie ist auch noch eine andere Quelle. [123] Zu allen Zeiten hat man schoninnerhalb der instinktiven Erkenntnis gesprochen von einer dreifachen Sonne, von derSonne als Lichtquelle, Lebensquelle, Liebesquelle. Diese Trinität ist durchaus in derSonne enthalten.

Nun brauchen Sie heute gar nicht zu sündigen wider das kopernikanischeWeltensystem, sondern Sie können es durchaus beibehalten und können dennoch ausdiesem kopernikanischen Weltensystem heraus einsehen, was die Alten, die eineinstinktive kosmische Erkenntnis gehabt haben, mit ihrem Weltensystem gemeint haben.Nehmen wir also an, kopernikanisch gedacht in der Mitte, oder meinetwillen in einemBrennpunkte, aber das können wir jetzt unbeachtet lassen, da stehe die Sonne; es drehensich Merkur, Venus, Erde, Mars – die Planetoiden können wir heute unberücksichtigtlassen –, Jupiter, Saturn um sie herum. [124]

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Nun nehmen wir die Sache aber so: Nehmen wir hier die Stellung, die ja durchausauch möglich ist, daß wir hier (oben) haben Saturn, Jupiter, Mars, und nun kommen wirzu Sonne, Merkur, Venus, Erde mit dem Mond aber, den wir hier so aufstellen.

Nun ist eine solche Stellung natürlich nicht notwendig ins Auge zu fassen, sondern ichstelle sie nur deshalb hin, um Ihnen zu zeigen, daß in der Tat, trotz des kopernikanischenSystems, auch die Reihenfolge möglich ist, welche die Alten angenommen haben: Mond,Venus, Merkur, Sonne, Mars, Jupiter, Saturn. Man braucht nur die Konstellationen so zunehmen, daß eben die Erde auf einer Seite von der Sonne steht und irgendwo auf deranderen die äußeren Planeten. Es ist ja gar nicht nötig, daß eine solche Oppositions- oderKonjunktionsstellung stattfindet, das kann ja auch alternierend geschehen, abwechselnd,aber diese Reihenfolge ist eben durchaus auch denkbar. Und an diese Reihenfolge hateine alte instinktive Weisheit gedacht.

Warum? Weil ihr diese Reihenfolge wichtig erschien. Der alte Mensch sagte sich:Nehmen wir an, hier auf der Erde lebe der Mensch. Der Mensch ist ausgesetzt demUniversum. Er erlebt die Sonnenstrahlen. Die Sonnenstrahlen sind ihm zunächstLichtquelle, Lebensquelle, Liebesquelle. Dadurch kommt Licht, Leben, Liebe in ihnhinein. Die Sonne ist die Quelle von diesen dreien. Nun ist aber der Mensch nicht nurausgesetzt dem Sonnenleben, der Sonnenliebe, dem Sonnenlichte, sondern auch demBildhaften des Saturn. Wenn der Mensch bloß, auf der Erde sich entwickelnd, demSonnenleben ausgesetzt wäre, dann würde er das Leben seiner Sinne nicht entwickelnkönnen. Nehmen wir die Augen – einen Sinn: sie würden sich nicht als physikalischeApparate absondern. Sie würden so wie irgendein anderer Teil des menschlichen Körpersdadrinnen sitzen. Sie würden etwa Muskelorgane oder so etwas sein, Gefäße. Also wennder Mensch fortwährend der Sonne ausgesetzt wäre, würde er eben seine Augen, aberauch die anderen Sinne nicht entwickeln können. [125] Daß er die Sinne entwickelnkann, das verdankt er dem Umstande, daß den Sonneneinfluß abschwächt der Saturn, derin der äußersten Sphäre sich herumbewegt. Also dieser Saturn trocknet gewissermaßendas Gefäß aus, und es entsteht dadurch der physikalische Apparat, grob gesprochen. Sodaß aus dieser instinktiven Erkenntnis heraus, auf die wir heute wieder kommen, der alteMensch sagte: Das Sinnesleben ist hereingewirkt vom Saturn.

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Und ein Zweites: Der Mensch ist nun nicht bloß dem Saturnleben ausgesetzt. Wenn erdem Sonnenleben fortwährend ausgesetzt wäre, würde er nicht nur keine Sinneentwickeln können, sondern er würde auch sein Nervenleben nicht entwickeln können.Das Nervenleben, das trocknet aus, sonst würde es überwuchern. Die Nerven würdenauch Organe sein so wie etwa die Muskeln. Dieses Austrocknende im Nervenleben, dasist der Einwirkung von Jupiter entsprechend. So daß der alte Mensch gesagt hat: DasNervenleben wird angeregt vom Jupiter.

Sehen Sie, der Saturn kreist um die Sonne herum in dreißig Jahren etwa annähernd. Daerlebt natürlich der Mensch, wenn er auf der Erde lebt, einmal annähernd, daß der Saturngewissermaßen von der Sonne zugedeckt ist. Wenn der Mensch das Glück hat, denSaturn von der Sonne besonders stark zugedeckt zu erhalten, dann dämmert in seinSinnesleben hinein ein starkes Sonnenleben. Man möchte sagen: Die Augen oder andereSinne – die Augen kommen dabei allerdings am wenigsten in Betracht, aber wir könnenan ihnen, weil sie am deutlichsten sind, am besten exemplifizieren –, die Augenbekommen dann eine Anregung. Wenn der Mensch also während seines Erdenlebenseinmal die Konstellation erlebt, daß gewissermaßen der Saturn auf seine Sinne nichtwirkt, dann kann es sein, daß er die Entdeckung macht, wie gerade durch seine Sinneeine besondere kosmische Einwirkung geschieht. Er bekommt eine Anregung. Er wirdsinnlich stärker. Solche Dinge gibt es. Die wollen dann die Menschen als alles möglicheerklären, nur nicht als das, was sie sind. [126]

Es gibt heute eine ganz große amerikanische Literatur über diese Dinge. Da kommtWilliam James und redet von allerlei «Erweckungen». (33) Er redet davon, wie esMenschen gibt, in denen das Leben eine besondere Erweckung erfährt. Lesen Sie nureinmal nach in den Büchern dieses William James und in denen seiner Schüler, dawerden Sie finden, daß das ein besonderes Phänomen ausmacht, daß der Mensch zuirgendeiner Zeit eine besondere Anregung erfährt. Natürlich wissen diese Leute nicht,wovon das kommt, wissen nicht, daß das davon kommt, daß solch eine Konstellationeintritt entweder mit Saturn oder Jupiter. Wenn das Saturnleben verdeckt wird, wird dasSinnesleben besonders angeregt; wenn das Jupiterleben verdeckt wird, was noch leichtersein kann übrigens, weil Jupiter alle zwölf Jahre, also schneller herumkreist, da findetder Mensch eine Anregung seines Nervenlebens.

Alle diese Dinge, die da verzeichnet werden, die werden ins Unterbewußtsein verlegt.Dieses Unterbewußtsein, das ist das reine Faulbett heute für alle Leute von der Sorte desWilliam James, von der Sorte der Psychoanalytiker. Dieses Unterbewußtsein, es ist ja einrein negativer Begriff, es ist ein Spucknapf, in den man alles hineinspucken kann, wofürman gar keine Erklärung mehr hat im Leben. Ein reiner Spucktopf ist diesesUnterbewußtsein. Da muß alles herein, `rein, `rein; da sind die verborgenen Seelen-«Provinzen», nicht wahr, drinnen, die dann gelegentlich reagieren und so weiter. Es wäreschon im höchsten Grade wünschenswert, daß alle diese sowohl pragmatischen wiepsychoanalytischen Theorien einmal eine gründlichere Beleuchtung erfahren würden.

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Der dritte Planet ist dann der Mars. Er schwächt das wuchtende Leben zur Atmung ab.Auch bei ihm kann natürlich das der Fall sein, daß die Sonne ihn zudeckt. Dann kann dasAtmungsleben eine besondere Anregung erfahren. [127] Da der Mars aber sehr rasch,etwa in zwei Jahren herumkreist, so ist das so, daß das fast jeder Mensch erfährt, unddaher jeder Mensch in seinem Atmungsleben, in seinem Bild-Erleben gewisseAnregungen bekommt. Sie sind ja nicht immer allerersten Ranges, aber die Menschenwerden dann Dichter oder so was dergleichen, oder Komponisten, die Anregungen inihrem Atmungsleben empfangen. Da geht es dann nicht so tief, daß dann Leute wieJames dem nachspekulieren. Das findet man als etwas Erklärliches. Also den Marsbetrachteten die alten instinktiven Weisen als Anreger für das Atmungsleben.

Dann ist es das Sonnenleben selber, welches den Menschen anregt, die Sonne selber,die Sonne als das Leben-, Liebe-, Licht-Erregende, äußerlich Licht-Erregende, innerlichLiebe-Erregende und im Verkehre mit der Außenwelt Leben-Erregende. Das wird nun indie Mitte zwischen Atmungsleben und Zirkulationsleben versetzt, wohin es auch die alteWeisheit versetzt hat. Zwischen dem Atmungsleben und dem Zirkulationsleben liegt jadas Herz, der Ausdruck, nicht der Motor, aber der Ausdruck für das, was zwischenZirkulation und Atmung sich abspielt.

Und wir kommen dann zum Stoffwechsel. Wie gesagt, die alte Wissenschaft hat nundie Konstellation so betrachtet: den Merkur hat sie nun nicht so betrachtet, daß sie dasHauptaugenmerk darauf legte, inwiefern die Sonne ihn zudecken kann wie die anderenPlaneten, sondern inwiefern er die Sonne zudeckt gegenüber der Erde, also daß er dieSonne zudeckt. Für den Merkur betrachtete die alte Weisheit die Stellung zwischenSonne und Erde als das Wesentliche. Für den Jupiter betrachtete die alte Weisheit dieStellung außerhalb der Sonne als das Wesentliche. Für den Merkur fand sie wichtig fürdie Entwickelung des Lebens des Menschen die Stellung zwischen Sonne und Erde. Dadeckt der Merkur die Sonne zu. Sonst hat immer die Sonne die anderen zugedeckt; hierdeckt der Merkur die Sonne zu, das heißt, er schwächt das Leben ab. Indem dadurch eineWirkung ausgeübt wird, daß also das Sonnenleben abgeschwächt wird, regt sich dasabgeschwächte Leben im Inneren. [128] Der Mensch würde – wenn sich dieses Lebennicht abschwächen würde –, er würde, wenn er irgend etwas zu sich nehmen würde, es –verzeihen Sie – sofort wieder ausspeien; er würde gar nichts von äußerem Stoff in sichdulden, er würde fortwährend speien. Er würde sich dann das Essen abgewöhnen, weildas ja zu langweilig wäre. Das Leben der Sonne ist eben so stark im Menschen. Wennalso nur Herz-, das heißt Sonnenleben wäre, würde der Mensch nichts in sich verarbeitenkönnen von Stoffen. Er würde alles gleich ausspeien. Daß der Mensch einenStoffwechsel entwickeln kann, das verdankt er lediglich dem Umstande, daß hier dasMerkurleben etwas abschwächt das Sonnenleben. So daß aus diesem Grunde die alteWeisheit eingeschaltet sich dachte, als fortwirkend aus dem Kosmos zwischen dasZirkulationsleben und das Stoffwechselleben, das Merkurwesen. Das Merkurwesenschiebt also den Stoff durch den menschlichen Organismus hindurch in die einzelnenOrgane hinein. Die Kraft aber wird hineingestoßen durch das Bewegungsleben.

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Das Bewegungsleben, das ist nun ebenso abhängig von dem Venusleben wie dasStoffwechselleben von dem Merkurleben. Daher hat die alte Weisheit hier die Kraft,welche durchfließt, also dieses innerliche Sich-selbst-Erneuern, dieses Einen-zweiten-Kraftmenschen-in-sich-Fühlen, dem Venusleben zugeschrieben.

Das Mondenleben, das nahe dem Erdenleben selber liegt, das wirkt nun nicht bloß soabschwächend, daß der Mensch Stoff, daß er Kraft verarbeitet. Ich habe das einmalauseinandergesetzt, worauf die Reproduktion beruht: Es wird ausgespart, es wirdgewissermaßen organisch Materie zurückgeschoben. Darauf beruht ja die Keimesbildungim Menschen, daß organisch Materie zurückgeschoben wird und daß aus dem Kosmosheraus der Embryo eigentlich seiner Kraft nach organisiert wird. DasReproduktionsleben beruht in dieser Beziehung auf dem Mondenleben. [129]

So wie ich Ihnen gestern die Beziehung der menschlichen Form in ihren zwölfStücken darstellen konnte in Beziehung auf den Fixsternhimmel, so habe ich mich heutebemüht, Ihnen zu zeigen, wie sowohl im Einklange mit der alten instinktiven Weisheit,wie im Einklange mit der neueren anthroposophischen Wissenschaft das Leben desMenschen in seinen verschiedenen Stufen zusammenhängt mit dem planetarisch-kosmischen Leben. Und das geschieht dadurch, daß in der Tat durch die verschiedeneStellung der Erde zu den Gliedern des Planetensystems und zu dessen Mittelpunkt, derSonne, das Leben in der verschiedensten Weise modifiziert wird. Es wird erstorbengemacht, bewahrt, in Bildung getrieben im oberen Menschen. Es wird abgeschwächt imunteren Menschen, so daß der Mensch von der Erde aufnehmen kann das Stoffliche, dieKraft der Erde. Der Mensch nimmt einfach die Abstoßungskraft der Erde in seine eigeneKraft auf und bildet dadurch die Kraft seiner Organe aus und so weiter.

So sehen wir auch das Leben des Menschen aus dem Kosmos hervorgehen.Wir haben hier die Möglichkeit, uns zu sagen: Schauen wir zum Fixsternhimmel

hinauf, dann sehen wir im Fixsternhimmel die Repräsentanten, nämlich in denTierkreisbildern die Repräsentanten der Bildung der menschlichen Form. Beobachten wirdie Bewegung der Planeten, so haben wir darinnen das, was uns aus dem Kosmos herauserklärlich macht die verschiedenen menschlichen Lebensstufen. Wir blicken bis zumSaturn, indem wir das Sinnesleben nehmen, bis zum Jupiter, indem wir das Nervenlebennehmen, bis zum Mars, indem wir das Atmungsleben nehmen. Dieses Atmungslebenwirkt in Bildern.

Nun stellen wir einmal dieses Atmungsleben besonders heraus. Ich sagte Ihnen: DieBilder werden aufgenommen aus dem Kosmos heraus: Form. Also das, was aus demTierkreis heraus erlebt wird in der Bewegung, das fließt gewissermaßen als die Bilderder inneren Organe nach innen. Aber der Mensch steht zwischen Geburt und Tod auf derErde. Das Untere wirkt nach dem Oberen hinauf. Dadurch wird immer alles polarischausgebildet. [130] Diese Bilder gehen schon nach innen; sonst hätten wir eben keineOrgane, wenn die Bilder nicht nach innen gehen würden und tingiert werden könnten mitdem Stoffe.

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Aber es findet überall ein Gegenüber statt. So daß wir sagen können: Wenn wir atmen,werden die Bilder – sagen wir also zum Beispiel das Bild der Niere – nach innengetrieben. Der Stoff, der füllt dann das aus (rot); aber es entsteht ein Gegenüber, nachoben wiederum. Das heißt, es werden gewissermaßen im Echo diese Bilder wiederzurückgeworfen. Also die Bilder, die hat der Mensch einmal aufgenommen. Sie müssennicht an Gleichzeitigkeit denken, die Organe sind einmal da. Der Mensch hat die Dingenatürlich gebildet in den ersten Zeiten seines Erdendaseins, aber der Rückschlag kannfortwährend geschehen. Wie das Seelische dabei mitwirkt, werden wir dann morgensehen. Der Rückschlag geschieht fortwährend. Also stellen Sie sich jedes für sich vor:Sie nehmen die Bilder für Ihre inneren Organe mit dem Lebensprozesse auf. Das wirdwiederum zurückgestoßen, das heißt, es kommen wiederum herauf, zurück die Echosdieser Bilder, auch der Tierkreis, namentlich mit dem Atmungsleben darinnen. Nun, Siebrauchen bloß an Ihre Ohren zu denken, dann haben Sie diesen Rückschlag. Diese Bilderwerden in die Luft hinein gebildet, das sind die Vokale, die Konsonanten! Von denPlaneten kommen mehr die Vokale, von den Tierkreisbildern kommen die Konsonanten.Dieser Rückschlag ist die Sprache. Was hineingeht, bildet die Organe. [131] Waswiederum zurückgeschlagen wird, lebt in der Sprache. Konsonanten und Vokale werdengewissermaßen in uns hineingetrieben, bilden die Grundlage unserer Organe. Was mehrForm ist in unserem Inneren, kommt mehr von den Tierkreisbildern, was mehr Leben ist,kommt mehr von den Planeten. Wenn mehr das Leben zurückgeschlagen wird,vokalisieren wir, wenn mehr die Formen zurückgeschlagen werden, konsonantisierenwir. Das alles hängt in einer gewissen Weise mit dem Atmungsleben zusammen. Nun, inder Sprache haben Sie es ja deutlich, wie sie mit dem Atmungsleben zusammenhängt.

Sehen Sie, es ist schon nichts damit, den Menschen so erklären zu wollen, daß manihn auf den Seziertisch legt und untersucht, was innerhalb seiner Haut ist. Das gibt nichtsanderes, als wenn jemand eine Magnetnadel nimmt und absehen will davon, daß die Erdeselber ein großer Magnet ist, so daß das eine Ende nach Norden getrieben wird, dasandere nach Süden getrieben wird von außerhalb.

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Wenn einer durchaus erklären möchte, warum diese Magnetnadel in sich just dieTendenz hat, sich in einer Richtung zu stellen – denn drehe ich sie, sie dreht sich immerwieder um –, wenn man ihr das zuschreibt, wenn man also eine Theorie erfindet, warumdie Magnetnadel aus sich heraus sich so stellt, wenn man keine Rücksicht darauf nehmenwill, daß die Erdenkräfte sie richten, dann tut man genau dasselbe, was man heute tutinnerhalb der Anatomie und Physiologie, wenn man den Menschen erklären will ausdem, was innerhalb seiner Haut liegt. Es ist nicht zu erklären aus dem, was innerhalbseiner Haut liegt. Alle die Leute, die da zum Beispiel die Sprache erklären wollen ausdem, was innerhalb des Menschen ist, die stehen auf der Stufe dieserMagnetnadelerklärung, während die Wahrheit diese ist, daß der Mensch in sichaufnimmt der Form nach das Fixsternleben, es wiedergibt im Echo, dadurchKonsonanten bildet. Er nimmt auf die Bewegungen des planetarischen Lebens, die seineigenes Leben bewirken. Da wird namentlich durch das Atmungsleben in Bilderngebildet. [132] Es wird aber zurückgeschlagen; dadurch entstehen die Vokale. DerMensch in seiner Sprache ist nur erklärbar, wenn man die Konsonanten aus denFixsterngruppierungen, die Vokale aus den Planetenbewegungen beziehungsweise ausden Übereinanderlagerungen der Planeten erklärt, wenn man also das, was der Menschspricht, aus dem ganzen Kosmos erklärt.

Sie haben hier in der Sonne (siehe Zeichnung Seite 89, waagrechter Strich)gewissermaßen die Mitte. Nehmen Sie die drei oberen Glieder, so haben Sie den oberenMenschen. Nehmen Sie die drei unteren Glieder, so haben Sie den unteren Menschen.Das Reproduktionsleben bringt ja den neuen Menschen hervor. Nehmen Sie nun dasAtmungsleben und Zirkulationsleben. Das Zirkulationsleben ist es namentlich, welchesdie planetarische Bewegung abbildet. Unser Blutkreislauf ist im Grunde genommennichts als eine Abbildung des planetarischen Lebens. So daß wir auch sagen können: Ausdem Zirkulationsleben kommen die Vokale, aus dem Atmungsleben kommen dieKonsonanten. Und nun bekommen Sie wieder eine merkwürdige Zuordnung. DasStoffwechselleben können Sie dem Nervenleben zuordnen; das Bewegungsleben könnenSie dem Sinnesleben zuordnen. Das Sinnesleben aber, das ist zugeordnet dem Saturn, derSaturnbewegung. Die Saturnbewegung geht, wenn ich so sagen darf, am nächsten vorbeian dem Tierkreise, geradeso wie im Bewegungsleben der Mensch. sich am besten nachaußen hinaus abbildet. Will man daher die kosmischen Geheimnisse durch denMenschen abbilden lassen, so hat man zu dem einen Pol das Sinnesleben, zu demanderen Pol das Bewegungsleben, und man bekommt daraus – die Eurythmie. In derEurythmie ist also unmittelbar ein Abbild der peripherisch kosmischen Beziehung desMenschen zu sehen. Das wollte ich nur zunächst andeuten.

Was ich Ihnen also heute habe entwickeln wollen, das ist der Zusammenhang desMenschen mit dem Kosmos in bezug auf sein Leben. Gestern wollte ich Ihnen denZusammenhang des Menschen mit dem Kosmos in bezug auf seine Form darlegen. [133]

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Morgen werden wir nun dazu übergehen, das dritte Element des Menschen imVerhältnis zur Welt zu betrachten, die Seele. Dann haben wir betrachtet: Form, Lebenund Seele. Also morgen wollen wir die Seele des Menschen dem kosmischen Lebenzuteilen. [134]

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Der Weg zu einer neuen Geburt durch Planeten und Fixsternwesen

Es ist mir immer eine Befriedigung, im Anschlusse an die öffentlichen Vorträge undöffentlichen Veranstaltungen, auch in dem Zweige hier im Haag sprechen zu können,und ich werde heute Abend versuchen, Ihnen einiges zu sagen, das eine intimereFortsetzung, eine Ergänzung sein kann dessen, was ich in der Lage war, in denöffentlichen Vorträgen auszusprechen. Es kommt ja vor allen Dingen für die Erkenntnisder geistigen Welt und für das Erringen eines inneren Zusammenlebens mit der geistigenWelt darauf an, dasjenige im richtigen Lichte zu sehen, was man nennen könnte dieverborgene Seite des menschlichen Daseins. Die verborgenen Seiten des menschlichenDaseins sind es ja, welche für die Gesamtbeurteilung und Gesamtbewertung desmenschlichen Lebens die wichtigeren sind. Das mag von äußerlich und materialistischdenkenden Menschen nicht gerne zugegeben werden, aber es ist doch so. Niemand kanndas menschliche Dasein kennenlernen, der nicht auf dessen verborgene Seiteneinzugehen vermag.

Vielleicht könnte man, wenn ich mich so ausdrücken darf, gegen die Göttereinwenden, daß sie gerade das Wertvollste für den Menschen in seine verborgenenLebensseiten hineingelegt haben, daß sie ihm nicht gewissermaßen in dem Offenbarenentgegengetragen haben, was ihm das Wertvollste ist. Wäre das so, dann würde derMensch in einem höheren Sinne kraftlos bleiben. [135] Gerade dadurch kommen wir jazu geistig-seelischen Kräften, die dann unser ganzes Dasein durchdringen können, daßwir uns unsere eigentliche Menschenwürde und unser Menschenwesen erst erringenmüssen, daß wir erst geistig-seelisch etwas tun müssen, um überhaupt im rechten SinneMenschen zu werden. Und in diesem Überwinden, in dieser Notwendigkeit erst etwas zutun, um Mensch zu werden, liegt, was uns kraftvoll machen kann, was uns gerade imInnersten unseres Wesens mit Kräften durchdringen kann.

Und so will ich denn heute, um gewissermaßen dieses Leitthema, das ichangeschlagen habe, näher auseinanderzusetzen, Ihnen wiederum von einem gewissenGesichtspunkte aus über die verborgene Seite des Menschendaseins sprechen, die sich indie Bewußtlosigkeit des Schlafes hüllt. Und ich will Ihnen dann einiges von demmitteilen, was sich in Daseinszustände hüllt, die während des Erdenlebens unbewußtbleiben: in die Daseinszustände des vorirdischen Lebens und des Lebens nach dem Tode.

Das Schlafesleben spielt sich ja für den Menschen so ab, daß er mit dem Übergang derTräume – die aber ein höchst zweifelhaftes Dasein und eine höchst zweifelhafteBedeutung für das menschliche Leben haben, wenn man sie einfach so hinnimmt, wie siesich darstellen – in die Bewußtlosigkeit des Schlafes verfällt, aus der er erst wiederumherauskommt im Erwachen, wenn er mit seinem Ich und astralischen Leib untertaucht inseinen Ätherleib und physischen Leib, (34) sich also dieser beider Organisationen als einesWerkzeuges bedient, um seine physische Umgebung wahrzunehmen und dann innerhalbdieser physischen Umgebung durch seinen Willen zu arbeiten. Dasjenige aber, was überGeburt und Tod hinaus liegt, das hüllt sich gerade in jene Wesenheit des Menschen, diemit dem Einschlafen unbewußt wird.

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Und ich will Ihnen die Zustände, die da der Mensch durchmacht, so schildern, als wenn siebewußt wären. Bewußt werden können sie nur für das imaginative, inspirierte und intuitiveBewußtsein. (35) Aber es ist ja dies nur ein Erkenntnisunterschied gegenüber dem, wasjeder Mensch in der Nacht durchmacht. Derjenige, der als ein moderner Eingeweihter, alsein moderner Initiierter in das Schlafesleben hineinschaut, der weiß, wie es ist. [136] Aberdadurch wird das Schlafesleben auch für ihn selbst ja zu nichts anderem, als es für jedenMenschen ist, auch für denjenigen, der es ganz unbewußt durchmacht: Und so kann manschon wirklichkeitsgemäß schildern, wenn man das, was unbewußt bleibt, einfach soschildert, als wenn der Mensch es bewußt durchmachte. Und das werde ich nun zunächsttun.

Nach dem Übergang über die Träume – ich deutete es schon an – geht der Mensch fürdas gewöhnliche Bewußtsein in die Bewußtlosigkeit über. Aber diese Bewußtlosigkeitstellt sich in ihrer Wirklichkeit für das höhere, für das übersinnliche Erkennen so dar, daßder Mensch unmittelbar nach dem Einschlafen wie in eine Art verschwimmenden Daseinskommt. Würde er seinen Zustand bewußt durchschauen, so würde er sich wie ausgegossenin einer ätherischen Welt fühlen. Er würde sich außerhalb seines Leibes fühlen, aber nichtengbegrenzt, sondern weit ausgegossen; seinen Leib würde er als etwas außer ihmbefindliches Objektives verspüren, wahrnehmen. Dieser Zustand wäre eben, wenn er zumBewußtsein kommen würde, im Seelischen des Menschen innerlich ausgefüllt von einergewissen Angst oder Ängstlichkeit: man fühlt, man hat die feste Stütze seines Leibesverloren, man fühlt sich wie vor einem Abgrunde.

Was man die Schwelle zur geistigen Welt nennt, muß ja da sein aus dem Grunde, weilder Mensch sich erst vorbereiten muß dazu, solch ein Gefühl zu haben: das Gefühl, jeneStütze verloren zu haben, die der physische Leib abgibt, und jene Ängstlichkeit in derSeele zu tragen, die daher kommt, weil man zunächst einem ganz Unbekannten,Unbestimmten gegenübersteht.

Dieses Gefühl der Ängstlichkeit, wie gesagt, ist nicht da für den gewöhnlichen Schläfer;im Bewußtsein ist es nicht da, aber der Mensch macht es durch. [137] Und was zumBeispiel im physischen Tagesdasein Angst ist, das drückt sich, wenn auch in feinenVorgängen des physischen Leibes, dennoch in eben solchen Vorgängen aus: es sindgewisse Gefäßtätigkeiten des physischen Leibes anders, wenn der Mensch in Angst ist, alswenn er nicht in Angst ist. Es geht also etwas objektiv vor, außer dem, was der Mensch imBewußtsein als Unruhe und so weiter fühlt. Dieses Objektive einer seelisch-geistigenAngst, das macht der Mensch durch, indem er durch die Pforte des Schlafes in denSchlafzustand eintritt. Aber verbunden ist dieses Angstgefühl mit etwas anderem: miteinem Gefühl tiefer Sehnsucht nach einem Göttlich-Geistigen, das die Welt durchflutetund durchwebt.

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Würde der Mensch die ersten Augenblicke – oder auch vielleicht für viele MenschenStunden – nach dem Einschlafen vollbewußt erleben, er würde zunächst in dieser Angstund in dieser Sehnsucht nach dem Göttlichen sein. Daß wir uns überhaupt während deswachen Tageslebens religiös gestimmt fühlen, das ist in erster Linie davon abhängig, daßdieses Angstgefühl und diese Sehnsucht nach dem Göttlichen, die wir in der Nachtdurchmachen, herüberwirken in die Stimmung des Tages. Es sind, gewissermaßen insphysische Leben hereinprojiziert, geistige Erlebnisse, welche uns mit der Nachwirkungjener Angst erfüllen, die uns überhaupt dazu treibt, erkennen zu wollen, was in der Weltdas Wirkliche ist, und mit der Nachwirkung jener Sehnsucht erfüllen, die wir im Schlafetragen und die sich im religiösen Fühlen während des Tagwachens aussprechen.

Nun aber ist das nur in den ersten Stadien nach dem Einschlafen so. Wenn der Schlafweitergeht, dann tritt etwas Eigentümliches ein: die Seele ist wie zerspalten, wie in vieleSeelen auseinandergespalten. Der Mensch würde sich, wenn er bewußt diesen Zustanddurchlebte, den heute nur eben der moderne Eingeweihte ganz schauen kann, als vieleSeelen vorkommen, und dadurch würde er meinen müssen, er habe sich selbst verloren.Alle die einzelnen Seelenwesen, die eigentlich nur Schattenbilder von Seelen sind, diestellen etwas dar, in das er sich verloren hat. Für diesen Zustand des Schlafes nimmt sichdas Menschenwesen schon verschieden aus, je nachdem wir es vor oder nach demMysterium von Golgatha betrachten. [138] Der Mensch braucht nämlich eine äußerekosmische Hilfe gegenüber diesem, wenn ich so sagen darf, Zerspaltetsein in vieleSeelenabbilder.

In alten Zeiten, die dem Mysterium von Golgatha vorangegangen sind, haben dieEingeweihten, die alten Initiierten, den Menschen auf dem Umwege durch ihre Schüler,durch die Lehrer, die sie in die Welt für die Menschen hinausgeschickt haben, gewissereligiöse Anweisungen gegeben, welche Gefühle im wachen Tagesleben hervorgerufenhaben. Und diese Anweisungen, die auch in Kultushandlungen dann von den Menschenausgelebt worden sind, haben die Seelen verstärkt, so daß sie etwas wie eineNachwirkung dieses religiösen Gestimmtseins nun wiederum hineingenommen haben inden Schlaf.

Sie sehen die Wechselwirkung zwischen Schlafen und Wachen! Auf der einen Seiteerlebt der Mensch in seiner Gottessehnsucht im ersten Stadium des Schlafes etwas, wasihn im Wachleben dazu stimmt, Religion zu entwickeln. Wird diese Religion im wachenTagesleben entwickelt – und sie wurde in alten Zeiten durch die Initiierten entwickelt –,dann wirkt das wiederum zurück auf das zweite Stadium nach dem Einschlafen: dieSeele fühlt sich dann stark genug durch die Nachwirkung dieser religiösen Stimmung,gewissermaßen ihr Zerspaltetsein zu ertragen, überhaupt innerhalb der Vielheitwenigstens zu bestehen.

Das ist ja die Schwierigkeit von nichtreligiösen Menschen, daß sie keine solchenächtliche Hilfe haben gegenüber dem Zerspaltetsein in viele Seelen, und daß sie danndas, was sie erleben, ohne die religiöse Stärkung herübertragen ins Tagesleben. Dennalles, was da in der Nacht durchgemacht wird, das wird in seiner Nachwirkungherübergetragen ins Tagesleben.

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Es ist ja noch nicht so lange her, daß die Irreligiosität und Areligiosität unter derMenschheit eine so große Rolle gespielt hat wie im letzten, im 19. Jahrhundert. DieMenschen haben immer noch Nachwirkungen gehabt von dem, was frühere, ehrlicherereligiöse Zeiten dem Menschen waren. [139] Aber indem die irreligiösen Zeiten immerweitergehen, werden sie eine bedeutungsvolle Folge haben: die Menschen werden sichaus ihren Schlafzuständen die Nachwirkung dieses Gespaltenseins der Seele herübertragenin das Tagesleben, und das wird namentlich dazu beitragen, daß der Mensch während desTageslebens in seinem Organismus nicht die zusammenhaltenden Kräfte haben wird, umdie Wirkung der Nahrungsmittel in der richtigen Weise in seinem Organismus zuverteilen. Und die Folge der Irreligiosität wird im Laufe von gar nicht so fernenZukunftszeiten sich in bedeutungsvollen Krankheiten der Menschen ausleben.

Man soll nur ja nicht glauben, daß das Geistig-Seelische in keiner Beziehung steht zudem Physischen! Es steht nicht in solcher Beziehung, daß unmittelbar dasjenige, was sichheute an Irreligiosität entwickelt, von irgendwelchen dämonischen Göttern mit Krankheitbestraft wird. In dieser äußerlichen Weise spielt sich allerdings das Dasein nicht ab, aberein innerlicher Zusammenhang ist dennoch vorhanden zwischen dem, was der Menschgeistig-seelisch durchmacht, und dem, was seine physische Beschaffenheit ist. Damit derMensch während des Tagwachens gesund sein kann, hat er nötig, in sein Schlafesleben dasGefühl seiner Zusammengehörigkeit mit den göttlich-geistigen Wesenheitenhineinzutragen, in deren Geschehen er seinen eigenen ewigen Wesenskern während derSchlafenszeit einsenkt. Und nur aus dem richtigen Darinnenstehen in einer geistig-seelischen Welt zwischen dem Einschlafen und Aufwachen kann der Mensch dierichtigen, auch geistig-seelisch gesundenden Kräfte für sein Tagwachen hervorholen.

Während dieses zweiten Schlafstadiums gelangt nun der Mensch dahin, an der Stelleseines gewöhnlichen physischen Bewußtseins nicht ein kosmisches Bewußtsein, wohl aberein kosmisches Erleben zu haben. Wie gesagt, erst der Eingeweihte bringt sich dieseskosmische Erleben zum Bewußtsein, aber erleben tut es jeder Mensch in der Nacht vomEinschlafen bis zum Aufwachen. [140] Und während dieses zweiten Stadiums desSchlafes ist der Mensch in einem solchen Lebenszustande, daß sein InneresNachbildungen der Planetenbewegungen unseres Sonnensystems vollführt. Während desTages erleben wir uns in unserem physischen Leibe. Wenn wir von uns als physischenMenschen sprechen, so sagen wir: In uns sind unsere Lunge, unser Herz, unser Magen,unser Gehirn und so weiter, das ist unsere physische Innerlichkeit. Im zweiten Stadium desSchlafes ist unsere geistig-seelische Innerlichkeit die Bewegung der Venus, die Bewegungdes Merkur, die Bewegung der Sonne, die Bewegung des Mondes. Dieses ganzeWechselspiel der Planetenbewegungen unseres Sonnensystems, wir tragen es nicht direktin uns, nicht die Planetenbewegungen selbst, aber Nachbildungen, astralischeNachbildungen davon, die sind dann unsere innere Organisation. Wir sind nichtausgedehnt etwa in den ganzen planetarischen Kosmos; wir sind aber von einerungeheuren Größe gegenüber unserer physischen Tagesgröße. Wir tragen nicht diewirkliche Venus während jedes Schlafzustandes in uns, aber ein Nachbild ihrerBewegung.

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Und was sich da in unserem Geistig-Seelischen zwischen dem Einschlafen undAufwachen im zweiten Stadium des Schlafes zuträgt, das sind solche Zirkulationen derPlanetenbewegungen in astralischer Substanz, wie – angeregt durch dieAtmungsbewegung während des Tages unser Blut durch unseren physischen Organismuszirkuliert. So daß wir in der Nacht gewissermaßen ein Nachbild unseres Kosmos als unserInnenleben in uns zirkulieren haben.

Wir müssen zuerst das Zerspaltensein der Seele durchmachen, dann können wir dieseZirkulation der planetarischen Nachwirkung erleben. Wie gesagt, den alten Menschen vordem Mysterium von Golgatha gaben ihre Eingeweihten Anweisungen, damit sie diesesZerspaltensein der Seele ertragen konnten und damit die Seele sich zurechtfand in diesenBewegungen, die jetzt ihr inneres Leben ausmachten. Nach dem Mysterium von Golgathaist etwas anderes an die Stelle dieser alten Lehre getreten. [141] Dasjenige ist eingetreten,was der Mensch innerlich als Gefühl, als Empfindung, als seelisches Leben und seelischeStimmung sich aneignen kann, wenn er sich so recht verbunden fühlt mit dem, was durchdas Mysterium von Golgatha für die Menschheit auf der Erde durch den Christus geleistetworden ist. Wer sich verbunden fühlt mit Christus bis zu dem Grade, daß sich in ihm dasPauluswort erfüllt: «Nicht ich, sondern der Christus in mir», der hat in diesemVerbundensein mit dem Christus und dem Mysterium von Golgatha für seine Empfin-dung etwas entwickelt, was in den Schlaf hinein nachwirkt, so daß er nun die Stärke hat,die Zerspaltenheit der Seele zu überwinden und sich in dem Labyrinth derPlanetenbahnen, die jetzt sein Inneres sind, zurechtzufinden. Denn zurechtfinden müssenwir uns doch, auch wenn wir nicht bewußt in unserem Inneren das tragen, was für dieSeele die planetarische Zirkulation an der Stelle der Blutzirkulation während des Tagesist, die sich in dem zurückgelassenen physischen Leib fortsetzt.

Nachdem wir dieses durchgemacht haben, kommen wir in das dritte Stadium desSchlafes. Im dritten Stadium tritt hinzu – es bleiben nämlich immer die Dinge des erstenStadiums, nur kommen die Erlebnisse des nächsten Stadiums hinzu –, im dritten Stadiumdes Schlafes kommt hinzu dasjenige, was ich das Fixsternerlebnis nennen möchte.Nachdem wir die Zirkulation der planetarischen Nachbildungen erlebt haben, erleben wirtatsächlich die Formungen der Fixsterne, das, was in älteren Zeiten die Tierkreisbilder zumBeispiel genannt wurde. Und was da erlebt wird, das ist notwendig für die Seelenseite desMenschen, weil er die Nachwirkung dieses Erlebnisses mit den Fixsternen hereintragenmuß in sein waches Tagesleben, um überhaupt die Kraft zu haben, jederzeit seinenphysischen Organismus von der Seele aus zu beherrschen und zu beleben. Tatsächlichmacht jeder Mensch während der Nacht ein ätherisches Vorstadium in Weltenangst undGottessehnsucht durch, dann ein planetarisches Stadium, indem er in seinem astralischenLeib die Nachbilder der Planetenbewegungen fühlt, und er macht ein Fixsternerlebnis-Stadium durch, in dem er sich dann so fühlt – oder sich fühlen würde, wenn er Bewußtseinhätte –, daß er sein eigenes seelisch-geistiges Inneres als Nachbildung desFixsternhimmels erlebt. [142]

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Nun, für denjenigen, der diese Stadien des Schlafes durchschaut, entsteht, ich möchtesagen, jede Nacht eine bedeutungsvolle Frage. Die Menschenseele, der astralischeOrganismus, die Ich-Wesenheit treten aus dem physischen Leibe hinaus, ihr Inneres wirderfüllt von Nachbildungen der Planetenbewegungen und der Fixsternanordnungen. DieFrage, die da entsteht, ist diese: Warum kehrt denn der Mensch an jedem Morgen, nachjedem Schlafe, wiederum in sein physisches Dasein zurück?

Und da stellt sich für die Initiationswissenschaft heraus, daß der Mensch tatsächlichnicht zurückkehren würde, wenn er nicht, indem er in die Planetenbewegungen undFixsternformen eintritt, sich auch bei diesem Hinauswachsen in die Nachbildungen deskosmischen Daseins hineinleben würde in die Mondenkräfte.

Er lebt sich in die geistigen Mondenkräfte hinein, in diejenigen Kräfte des Kosmos,welche im physischen Monde und in den Veränderungen des physischen Mondes ihreNachbilder haben. Während alle anderen planetarischen und Fixsternkräfte eigentlichden Menschen hinausziehen aus dem physischen Leibe, sind es die Mondenkräfte, dieihn immer wieder und wieder beim Aufwachen zurückbringen in seinen physischen Leib.Der Mond hängt überhaupt mit alledem zusammen, was den Menschen aus demgeistigen Dasein zum physischen Dasein hinbringt: So ist es auch gleichgültig – eskommt ja nicht auf die physische Konstellation dabei an, obwohl diese eine gewisseBedeutung hat –, ob es sich um Neumond, Vollmond, Wende, abnehmenden Mondhandelt, in der geistigen Welt ist ja der Mond immer da: die Mondenkräfte sind es, dieden Menschen zurückgeleiten in die physische Welt, in seinen physischen Leib.

Sie sehen, daß, indem ich Ihnen, wenn auch nur skizzenhaft schildere, was der Menschdurchmacht zwischen dem Einschlafen und Aufwachen, darin so etwas gegeben ist wie einAbbild des Aufenthaltes des Menschen in der geistigen Welt überhaupt. [143] Und so istes auch. Wir erleben im Grunde genommen jede Nacht ein Abbild von dem, was wirdurchmachen zwischen dem Tode und einer neuen Geburt. Wenn wir durch Imagination,Inspiration und Intuition zurückschauen in das vorirdische Dasein, dann erblicken wir unszunächst als geistig-seelische Menschenwesenheit in einem sehr frühen Stadium unseresvorirdischen Daseins. Wir erblicken uns so, daß wir ein kosmisches Bewußtsein haben. Dasind wir nicht in einem Leben, das nur Nachbildungen des Kosmischen in sich trägt wieim Schlafesleben, sondern da sind wir in der Tat ausgegossen über den wirklichenKosmos. Und ungefähr um die Mitte des Lebens zwischen dem Tode und einer neuenGeburt fühlen wir uns als geistig-seelische Wesen vollbewußt – ja mit einem viel klareren,intensiveren Bewußtsein, als wir nur irgendwie auf Erden haben können – umgeben vongöttlich-geistigen Wesenheiten, von den göttlich-geistigen Hierarchien. Und so wie wirauf Erden mit den Naturkräften arbeiten, wie wir als Werkzeuge die äußerenNaturgegenstände haben, so spielt sich eine Arbeit ab zwischen uns und den Wesen derhöheren geistigen Hierarchien.

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Und worin besteht diese Arbeit? Nun, diese Arbeit besteht darin, daß im Vereine miteiner ungeheuren Anzahl erhabener geistiger Wesenheiten des Weltenalls der geistig-seelische Mensch den kosmischen Geistkeim seines physischen Menschenleibes imGeistigen webt. So sonderbar Ihnen das erscheinen mag: den physischen Menschenleib alsgeistigen Keim herauszuweben aus dem kosmischen All, das ist die größte, bedeutsamsteArbeit, die überhaupt im Weltenall denkbar ist. Und daran arbeitet nicht nur diemenschliche Seele in dem charakterisierten Zustande, daran arbeitet diese menschlicheSeele im Zusammenhange mit ganzen Scharen göttlich-geistiger Wesenheiten. [144] Dennwenn Sie sich das Komplizierteste vorstellen, was hier auf Erden gebildet werden kann, soist das ein Primitives und Einfaches gegen jenes gewaltige Gewebe von kosmischer Größeund Grandiosität, das da gewoben wird und das dann zusammengeschoben, in sichverdichtet wird durch die Empfängnis und durch die Geburt, was mit physischerErdenmaterie durchsetzt wird und physischer Menschenleib wird.

Wenn man hier auf Erden von einem Keime spricht, spricht man von einem kleinenKeime, der dann verhältnismäßig groß wird. Wenn wir jetzt gegenüber demMenschenleib als Produkt des Geistigen von seinem kosmischen Geistkeim sprechenwollen, so ist der von riesiger Größe. Und indem der Mensch von jenem Zeitpunkte, denich Ihnen angedeutet habe, gegen seine Geburt zu lebt, verkleinert sich immer mehr undmehr der geistig-seelisch grandiose Menschenkeim. Der Mensch arbeitet ihn weiter ausfortwährend im Hinblick darauf: das wird zusammengewoben und zusammengeschoben,verdichtet zu dem physischen Menschenleib.

Wirklich, nicht umsonst haben ältere Eingeweihte – allerdings aus einer Art vonHellsehen heraus, die nicht mehr die unsrige sein kann, aber die neuereInitiationswissenschaft zeigt uns dasselbe –, nicht umsonst haben diese Eingeweihtenden menschlichen Leib einen «Tempel der Götter» genannt. Er ist es, denn er wird vonder menschlichen Seele jedesmal zwischen dem Tode und einer neuen Geburt imVereine mit Götterwesenheiten aus dem Weltenall heraus gewoben. Und dann, auf dienoch zu schildernde Art, wird ihm seine physische Gestalt gegeben. Indem der Menschin dem angezeigten Stadium an dem Geistkeime seines physischen Leibes webt, ist er ineiner Seelenverfassung, in einer Seelenstimmung, die man nur vergleichen kann mitdem, was der moderne Eingeweihte die Intuition nennt. Der Mensch lebt mit seiner Seelein den Göttertaten drinnen. Er ist ganz ausgeflossen in kosmisches Götterdasein. Ererlebt in diesem mittleren Zustande zwischen dem Tod und einer neuen Geburt mit, wasdie Götter leben.

Aber indem der Mensch dann weiterschreitet, indem er mehr gegen die Empfängnisoder die Geburt schreitet, ändert sich das. Gewissermaßen hat er dann für das Bewußtseinden Eindruck: Die göttlich-geistigen Wesen der höheren Hierarchien ziehen sich zurückvon ihm. [145] Und es erscheint ihm nur etwas wie eine Offenbarung, wie ein Abglanz,wie wenn die Götter sich zurückgezogen hätten und ihre Nebelnachbilder vor derMenschenseele noch stünden, und als ob eine Art Schleier gewoben würde alsNebelnachbild desjenigen, was früher in Realität gewoben worden ist.

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Das intuitive Bewußtsein, das man früher gehabt hat, geht jetzt über in ein kosmischesinspiriertes Bewußtsein. Man lebt nicht mehr mit den göttlich-geistigen Wesen, man lebtmit ihrer Offenbarung. Aber dafür bildet sich auch im Seelenbewußtsein immer mehr undmehr ein innerliches Ich heraus. Im, ich möchte sagen, Hochstadium des Lebens zwischendem Tode und einer neuen Geburt lebt man ganz mit den göttlich-geistigen Wesenheitender höheren Hierarchien; das Ich hat keine innere Stärke, es wird erst wiederum seinerselbst innerlich bewußt, wenn die Götter sich zurückziehen und nur die Offenbarung derGötter da ist. Der Schein der Götter, die Ausstrahlung, gelangt in eine Art inspiriertesBewußtsein herein; dafür aber fühlt sich der Mensch als ein eigenes Wesen. Und was da indem Menschen zunächst erwacht, das ist eine Art, ich, könnte sagen, Begierde, eine ArtBegehren.

In der Mitte zwischen dem Tod und einer neuen Geburt arbeitet der Menschgewissermaßen aus einer tieferen inneren Befriedigung heraus an seinem Geistkeim fürden physischen Leib. Er schaut zwar hin auf das Ziel als auf seinen physischen Leib imnächsten Erdenleben, aber er ist nicht von Begierde durchdrungen, sondern nur, manmöchte sagen, von Bewunderung, was eigentlich, universell angesehen, dieser physischeMenschenleib ist. In dem Augenblicke, wo der Mensch nicht mehr in Götterwelten,sondern in den Offenbarungen der Götterwelten lebt, erwacht in ihm die Begierde, sichwiederum auf Erden zu verkörpern. Gerade indem das Ich-Bewußtsein immer stärkerwird, erwacht diese Begierde, sich auf Erden wieder zu verkörpern. Man entfernt sichgewissermaßen von den Götterwelten, und man nähert sich dem, was man dann alsErdenmensch werden wird. [146] Diese Begierde wird immer stärker und stärker, undauch das, was man äußerlich anschaut, verändert sich. Man hat ja vorher in lauter Wesen,in den göttlich-geistigen Hierarchien gelebt, man wußte sich eins mit diesen göttlichenHierarchien. Wenn man von seinem Inneren sprach, so war das der Kosmos; aber derKosmos, das waren Wesen, Wesen mit erhabenen Bewußtseinsstufen, mit denen manzusammenlebte. Jetzt ist ein äußerer Schein da, und in diesem äußeren Scheine tretenallmählich die ersten Bilder desjenigen auf, was dann die physischen Nachbilder dergöttlich-geistigen Wesen sind. Aus dem Wesen, das man drüben kennengelernt hat alshohes Sonnenwesen, kommt der Schein, und in dem Scheine tritt auf gewissermaßen dieSonne von außen gesehen, von der Welt herein gesehen. Hier von der Erde sehen wirhinauf zur Sonne. Wir sehen da zunächst, wenn wir herunterkommen, die Sonne von deranderen Seite. Aber es taucht die Sonne, es tauchen die Fixsterne auf, und es tauchenhinter den Fixsternen die Planetenbewegungen auf. Und indem die Planetenbewegungenauftauchen, taucht eben eine ganz bestimmte Art von Kräften auf die geistigenMondenkräfte, die nehmen uns jetzt gefangen. Sie sind es auch jetzt, die uns nach undnach in das Erdenleben zurücktragen.

Das ist tatsächlich der Anblick, den der Mensch hat, indem er von den kosmischenWelten heruntersteigt zum irdischen Dasein: daß er aus einem Erleben göttlich-geistigerHierarchien übergeht zu Bildern von ihnen.

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Aber die Wesensbilder werden allmählich Sternbilder, und der Mensch tritt ein in etwas,was er allerdings, ich möchte sagen, von hinten zunächst sieht: er tritt ein in das, wassich ihm hier von der Erde aus als Kosmos darstellt. Was da der Mensch vollbringt, daskann in seinen Einzelheiten durchschaut werden, und die moderne Initiations-wissenschaft kann in dem Durchschauen dessen, was da der Mensch durchmacht,ziemlich weit kommen.

Gerade durch Einzelheiten auf diesem Gebiete lernt man eigentlich das Leben erstkennen. Denn niemand kennt das Leben, der den Menschen nur im Zusammenhang mitdem Erdendasein zu betrachten in der Lage ist. [147] Was ist uns denn da viel unserZusammenhang mit dem Erdendasein? In den ungeheuer langen Zeiten zwischen demTode und einer neuen Geburt ist uns ja die Erde zunächst nichts, und dasjenige, was unsnur, ich möchte sagen, als Äußerlichkeit entgegenleuchtet, das ist für uns in dieser langenZeit in ganze Götterwelten gewandelt, in denen wir dann leben, und die erst wiederum sichin ihrer Außenseite als Sterne zeigen, wenn wir uns der Erde nahen für ein neues irdischesDasein.

Was der Mensch zuerst als den Geistkeim seines physischen Leibes gewoben hat, dasweiß er zunächst eins mit dem ganzen Weltenall, mit dem geistigen Weltenall. Dann,indem er nur die Offenbarung der göttlich-geistigen Welten sieht, wird das immer mehrund mehr sein Leib, der jetzt auch ein Nachbild des Kosmos ist. Und aus diesem seinemLeibe tritt die Begierde für ein irdisches Dasein auf, ein Ich-Bewußtsein in seinem Leibe.

In diesem Leibe ist nun noch vieles unberührt vom Erdendasein, denn es ist ja einGeistleib. So zum Beispiel ist es für diesen Leib zunächst in einem gewissen Stadiumnoch völlig unentschieden, ob der Mensch bei seinem nächsten Erdendasein einemännliche oder eine weibliche Persönlichkeit sein wird. Denn während dieser ganzenZeit zwischen dem Tode und einer neuen Geburt bis in ein sehr spätes Stadium, bevorman auf Erden geboren wird, hat es gar keinen Sinn, nach Mann und Weib zu fragen.Das sind ganz andere Verhältnisse als die, welche sich auf Erden spiegeln als Mann undWeib. Es gibt auch Verhältnisse, die sich in dem geistigen Dasein abspielen und die sichauf Erden spiegeln; aber das, was als Mann und Weib auf Erden auftritt, das gewinnt ersteine Bedeutung verhältnismäßig spät, bevor man zur Erde heruntersteigt. [148] Und wirkönnen in den Einzelheiten verfolgen, wie das Menschenwesen – wenn es nach gewissenfrüheren, karmischen Zusammenhängen glaubt, im kommenden Erdendasein am bestendieses Erdendasein als Frau durchzumachen – beim Heruntersteigen nach dem irdischenDasein, um sich dann mit dem physischen Menschenkeim zu verbinden, sich jene Zeitwählt, die hier auf Erden als die Vollmondszeit geschaut wird.

Also wir können sagen: Blicken wir von der Erde aus in irgendeiner Gegend nach demVollmond, dann haben wir diejenige Zeit, die sich die Wesen wählen, um zur Erdeherunterzusteigen, die Frauen werden wollen. Da erst wird das entschieden. Und dieNeumondzeit ist diejenige Zeit, die sich die Wesen wählen, die Männer werden wollen.So daß also der Mensch durch das Mondentor in das irdische Dasein eintritt.

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Aber die Kraft, die der Mann braucht, um in das Erdenleben einzutreten, wird dann insWeltenall hinausgeströmt; man geht ihr entgegen, indem man vom Weltenallhereinkommt, und sie wird vom Monde ausgestrahlt, wenn er für die Erde Neumond ist.Die Kraft, welche die Frau braucht, wird ausgestrahlt vom Monde, wenn er Vollmondist; da ist seine beleuchtete Seite der Erde zu gerichtet, seine unbeleuchtete Seite geht insWeltenall hinaus, und diese Kraft, die der Mond an seiner unbeleuchteten Seite insWeltenall hinaussenden kann, die braucht das Menschenwesen, wenn es Frau werdenwill.

Was ich Ihnen jetzt geschildert habe, das zeigt Ihnen, daß der alte Gedanke derAstrologie, der nur durch die landläufigen Astrologen heute vollständig in die Dekadenzgebracht worden ist, seine gute Begründung hatte. Man muß nur die Dinge innerlichanschauen können, wie sie zusammenhängen. Man muß auch nicht bloß rechnend auf diephysische Konstellation hinschauen, sondern das entsprechende Geistige davondurchschauen. Da ist es wirklich möglich, in Einzelheiten einzugehen.

Nicht wahr, in einem bestimmten Stadium kommt ja der Mensch aus dem Kosmosherunter. Aus dem geistigen Kosmos tritt er in den ätherischen Kosmos ein. Und ich redeeigentlich jetzt noch ganz vom ätherischen Kosmos; das Physische der Sterne kommtdabei weniger in Betracht, auch das Physische des Mondes kommt weniger noch inBetracht. [149] Das wesentliche Moment, der wesentliche Augenblick, wo der Menschdie Entscheidung trifft, auf die Erde herunterzukommen, hängt, wie ich es geschilderthabe, vom Mondstadium, von den Mondenverhältnissen ab. Aber der Mensch ist ja beidiesem Herunterkommen öfter dem Vollmond oder Neumond ausgesetzt, und so kann essein, daß der Mensch sich zunächst gewissermaßen einem entscheidenden Neumondaussetzt, um Mann, zu werden, oder einem entscheidenden Vollmond, um Frau zuwerden. Dann aber – es geht ja das Heruntersteigen nicht so schnell, er bleibt längereZeit exponiert –, dann kann er auch irgendwie sich noch entscheiden, wenn er durch denNeumond als Mann heruntersteigt, trotzdem noch dem kommenden Vollmonde sichauszusetzen. So daß er also die Entscheidung getroffen hat, als Mann herabzusteigen: erhat die Neumondkräfte dazu verwendet; aber er hat noch während seines Abstieges denweiteren Mondengang zu seiner Verfügung, den Vollmondgang. Da erfüllt er sich mitden Mondenkräften dann so, daß diese nun nicht auf sein Verhältnis als Mann oder Weibwirken, sondern vorzugsweise auf seine Hauptesorganisation und auf das, was mit derHauptesorganisation von außen, vom Kosmos her zusammenhängt, wenn gerade dieKonstellation eintritt, von der ich jetzt gesprochen habe. Wenn also der Mensch dieEntscheidung getroffen hat: Ich werde Mann durch eine Neumondszeit – und dann nochim Weltenall weiterlebt, so daß er noch nicht ganz durch den Mondeneinflußdurchgegangen ist, sondern noch der nächsten Vollmondzeit ausgesetzt ist, dannbekommt er durch die Einwirkung der Mondenkräfte in diesem Zustande zum Beispielbraune Augen und schwarze Haare. So daß wir sagen können: Durch die Art und Weise,wie der Mensch an dem Mond vorbeikommt, wird nicht nur sein Geschlecht bestimmt,sondern seine Haarfarbe und seine Augenfarbe.

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Ist der Mensch zum Beispiel als Frau an dem Vollmond vorbeigegangen und setzt sichnachher noch dem Neumond aus, so kann er als Frau blaue Augen und blonde Haarebekommen. [150]

So grotesk sich das ausnimmt, so sind wir durchaus prädestiniert durch die Art unseresErlebens aus dem Kosmos heraus, wie wir als Seelisch-Geistiges in unseren physischenund ätherischen Organismus hier hineinarbeiten. Es ist durchaus vorher nichtentschieden, ob wir ein Blondkopf oder ein Schwarzkopf werden. Das entscheiden erstbeim Vorbeigehen, beim Heruntergehen aus dem Kosmos in das irdische Dasein dieMondenkräfte.

Und ebenso wie wir am Monde vorbeikommen, der uns eigentlich hereingeleitet insirdische Dasein, so kommen wir ja an den anderen Planeten vorbei. Es ist nicht einerlei,ob wir zum Beispiel in der einen oder in der anderen Art, sagen wir, am Saturnvorbeikommen. Wir können zum Beispiel am Saturn dadurch vorbeikommen, daßzusammenwirken durch die besondere Konstellation die Kraft des Saturn mit der Kraftdes Löwen im Tierkreise. Dadurch, daß wir gerade die Region des Saturn passieren,wenn der Saturn in seiner Kraft verstärkt wird durch den Löwen im Tierkreise, dadurchgewinnen wir in der Seele, allerdings bedingt durch unser vorhergehendes Karma, dieKraft, äußeren Lebenszufällen gescheit zu begegnen, so daß sie uns nicht immerniederwerfen. Steht der Saturn mehr, sagen wir, unter der Gewalt des Steinbocks, dannwerden wir schwache Menschen, die zusammensinken unter den äußerlichenLebensverhältnissen.

Alles das tragen wir in uns, indem wir von dem Kosmos herein unser irdisches Daseinvorbereiten. Natürlich kann das durch die entsprechende Erziehung besiegt werden, abernicht dadurch, daß wir nach Ansicht der Materialisten sagen: Das ist alles Unsinn, dasbraucht man alles nicht zu berücksichtigen–, sondern gerade dadurch kann es besiegtwerden, daß wir diese Kräfte entwickeln, daß wir sie wirklich entwickeln. [151] Und dieMenschheit wird in der Zukunft wiederum lernen, nicht bloß hinzuschauen – und gegendieses Hinschauen soll gar nichts eingewendet werden –, ob ein Kind gute Milchbekommt und gute Nahrung, sondern die Menschheit wird auch wiederum lernen,hinzuschauen, ob in diesem oder jenem Menschen Saturnkräfte oder Jupiterkräfte unterdiesem oder jenem Einfluß wirksam sind.

Sagen wir, wir finden an einem Menschen, daß er durch sein Karma in sich trägtSaturnkräfte unter dem ungünstigsten Einfluß, zum Beispiel unter dem Einfluß desSteinbocks oder Wassermanns, so daß er allen Lebensschwierigkeiten ausgesetzt ist,dann werden wir sorgfältigst nach anderen Kräften in diesem Menschen suchen, wennwir ihn stark machen wollen. Wir werden uns zum Beispiel fragen: Hat er denDurchgang durch die Jupitersphäre, durch die Marssphäre oder durch irgendeine andereSphäre durchgemacht? – Und man wird immer eines durch das andere korrigieren undparalysieren können.

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Man wird eben lernen müssen, den Menschen nicht nur im Zusammenhange mit demzu denken, was er im irdischen Dasein zu essen oder zu trinken beginnt, sondern manwird den Menschen im Zusammenhange betrachten müssen mit dem, was er dadurchwird, daß er durch die kosmischen Welten hindurchgeht zwischen dem Tode und einerneuen Geburt.

Wenn der Mensch schon nahe ist seiner irdischen Laufbahn, dann tritt eigentlich fürihn eine Art von Verlust seines Wesens ein. Er war ja, wie Sie aus meiner Darstellungersehen, verbunden mit dem, was er sich als den Geistkeim seines physischen Leibesgewoben hat. Er hat dann diesen Geistkeim noch durchwoben mit den Erfahrungen desHeruntersteigens durch Fixsterne und Planeten. In einem bestimmten Stadium, ganz naheschon an der Konzeption und Geburt, ist der Geistkeim nicht mehr da. Dieser Geistkeimist mittlerweile mit seinen Kräften als Kraftsystem auf die Erde hinuntergestiegen. Er istdem Menschen entfallen. Er hat sich auf Erden selbständig mit der physischenVererbungssubstanz verbunden, die durch die Vorfahren, durch Vater und Muttergegeben werden. Was da im Organismus gewoben wird, geht eher auf die Erde hinunterals der Mensch als geistig-seelisches Wesen selbst. [152] Und dann, wenn der Mensch sofühlt, daß er eigentlich dasjenige, was er im Kosmos erst selbst gewoben hat, abgegebenhat an die Eltern, dann ist er im letzten Stadium vor seinem irdischen Dasein imstande –weil er eben nicht mehr zu weben hat an seinem physischen Leib, der im wesentlichenfertig und auch schon der Vererbungsströmung abgegeben und eingegliedert ist –, dannist er imstande, aus dem Weltenäther heraus anzuziehen, was er selber alsÄtherorganismus braucht. Jetzt zieht er seinen Ätherorganismus zusammen. Undzusammen mit diesem Ätherorganismus verbindet er sich mit dem, was er nun selbervorbereitet hat durch die Eltern. Er übernimmt seinen physischen Leib, in dem diesesganze kosmische Gewebe des Geistkeimes zusammengezogen ist, und in dashineinverwoben ist, was der Mensch selber beim Heruntersteigen damit verbunden hat,indem er durch diese oder jene Sternenregion durchgegangen ist. Er geht ja nicht nachWillkür durch Neumond oder Vollmond durch und läßt sich dadurch etwa nach WillkürMann oder Weib werden, oder schwarze oder blonde Haare haben, oder blaue oderbraune Augen, sondern das alles hängt innig zusammen mit dem, was die Ergebnisseseines früheren Karma sind.

Aus alledem aber werden Sie ersehen, daß der Mensch, während er im Schlafzustandenur Nachbilder der planetarischen Welt, der Fixsternwelt als sein Inneres durchmacht, erjetzt zwischen dem Tode und einer neuen Geburt diese Welten in ihrer Wirklichkeitdurchmacht. Er geht durch sie hindurch, sie werden sein Inneres. Und die Mondenkräftesind es immer, die uns auf die Erde zurückbringen. Sie unterscheiden sich wesentlichdadurch von allen anderen Sternenkräften, daß sie uns auf die Erde zurückbringen. Siebringen uns im Schlafe auf die Erde zurück, sie bringen uns auch auf die Erde zurück,wenn wir alles das, was ich skizzenhaft geschildert habe, durchgemacht haben, umwiederum zu einem Lebenslauf auf die Erde zu kommen.

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Aber sehen wir uns noch einmal dasjenige an, was da zwischen dem Einschlafen undAufwachen als astralische und Ich-Organisation außerhalb des physischen Leibes ist.[153] Aus physischen Knochen und physischem Blut ist es nicht gewoben, es ist einGeistig-Seelisches. Aber hinein verwoben ist unser ganzer moralischer Wert. So wie wirhier wachend aus Knochen und Blut und Nerven bestehen, so besteht das, was beimEinschlafen aus uns herausgeht und beim Aufwachen in uns wieder hereingeht, aus denreal gewordenen Beurteilungen unserer eigenen moralischen Taten.

Habe ich während des Tages eine gute Handlung vollbracht, so ist ihre Wirkungabbildlich in meinem Schlafesleib in dem Geistig-Seelischen drinnen, das in der Nachtherausgeht. Meine moralische Qualität lebt da drinnen. Und wenn der Mensch durch diePforte des Todes geht, da trägt er realisiert seine ganze moralische Bewertung mit. DerMensch erzeugt in der Tat in sich einen zweiten Menschen zwischen Geburt und Tod imErdenleben. Dieser zweite Mensch, der jede Nacht aus dem Leibe herausgeht, der ist dasErgebnis unseres moralischen oder unmoralischen Lebens, und das geht mit uns durchdie Todespforte.

Dieses Ergebnis, das unserem ewigen Wesenskern eingegliedert ist, es ist ja nicht daseinzige, was wir in dem Geistig-Seelischen haben, das in der Nacht aus uns herausgeht.Aber gerade nach dem Tode, wo wir zuerst im Ätherleib, dann im Astralleib sind, (36)sehen wir kaum etwas anderes an uns selbst als diese moralische Wesenheit desMenschen. Ob einer gut oder böse war, das schaut man an: man ist es. Wie man hier einHaut- oder ein Nerven- oder ein Blut- oder ein Knochenmensch ist, so ist man dort inseiner eigenen Anschauung das, was man moralisch oder unmoralisch war.

Und nun macht man nach dem Tode den Weg hinaus, zuerst durch die Mondensphäre,dann durch die Fixsternsphäre, bis eben in die Zeit hinein, wo man beginnen kann mitden Wesen der höheren Hierarchien zu arbeiten an dem Geistkeim des nächstenphysischen Leibes. Aber trüge man dieses Moralische bis in die höchsten Welten hinauf,wo man seinen künftigen physischen Organismus im Geistkeime zu weben hat, da würdedieser physische Organismus eine richtige Mißgeburt werden. [154]

Es muß eben eine Zeitlang zwischen dem Tode und einer neuen Geburt der Menschherausgehoben sein aus dem, was seine moralische Qualität ist. Ja, er läßt die moralischeQualität in der Mondensphäre zurück.

Es ist in der Tat so, daß wir beim Hinausgehen aus der Mondensphäre unserenmoralischen oder unmoralischen Menschen in der Mondensphäre zurücklassen und in diereine Sphäre der Götter eintreten, wo wir an unserem physischen Leibe weben können.

Nun muß ich wiederum auf den Unterschied zwischen den älteren Zeiten vor demMysterium von Golgatha und denjenigen Zeiten, die dem Mysterium von Golgathanachgefolgt und heute noch sind, zurückkommen. Die älteren Initiierten haben ihrenSchülern und durch diese Schüler der ganzen Menschheit der damaligen Zivilisationklargemacht:

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Um den Übergang finden zu können aus derjenigen Welt, die ich in meiner«Theosophie» die Seelenwelt genannt habe, und die eigentlich noch ganz in derMondensphäre durchgemacht wird, um den Übergang zu gewinnen in die Welt, die ichdann das Geisterland genannt habe, muß der Mensch jene Gefühle hier auf Erden sichaneignen, durch die er von dem geistigen Sonnenwesen hinaufgeleitet wird, nachdem erin der Mondensphäre dieses ganze Gepäck seiner moralischen Nachwirkungenzurückgelassen hat.

Sehen Sie, alles dasjenige, was uns die Geschichte über die drei ersten christlichenJahrhunderte, auch noch über das 4. Jahrhundert erzählt, ist ja im Grunde genommeneine Fälschung; denn das Christentum war in diesen Jahrhunderten etwas ganz anderes.Es war etwas anderes, weil diejenige Auffassung in ihm geherrscht hat, die noch aus demVerstehen der alten Initiationswissenschaft herstammte. [155] Man wußte aus dieserInitiationsweisheit, daß das ganz hohe Sonnenwesen den Menschen aus derMondensphäre drüben in dem Leben nach dem Tode hinausführte, nachdem er seinmoralisches Gepäck zurückgelassen hatte, und ihn wiederum hereinführte beim Zu-rückkehren in die Mondensphäre. Dadurch hatte der Mensch die Kraft – die er nichtdurch sich selbst hätte haben können –, sich diesen moralischen Menschen in einergewissen Zeit vor der Geburt einzugliedern, damit er dann auf Erden in der Seele seinSchicksal erfüllen könne, damit das nicht in den Leib hineingehe, denn sonst würde jader Mensch als Mißgeburt geboren werden und ganz krank sein im Leibe. Es muß daswiederum in der Mondensphäre beim Heruntersteigen übernommen werden, damit esnicht in den Leib hineinkommt.

Diejenigen Eingeweihten, die zur Zeit des Mysteriums von Golgatha, ja noch etwadrei bis vier Jahrhunderte hinterher gelebt haben, haben dann ihren Schülern gesagt: Dashohe Sonnenwesen war früher nur oben in den geistigen Welten. Aber mit demFortschritte der Menschheit ist das Ich-Bewußtsein auf Erden so hell geworden, daß esum so stärker verdunkelt wird in der geistigen Welt. Je heller nämlich unser Ich-Bewußtsein nur durch den physischen Leib hier unten auf Erden ist, desto dunkler ist esoben. Der Mensch könnte nicht mehr an das Sonnenwesen heran, er würde nicht denÜbergang finden durch seine eigene Kraft nach dem Tode aus der Mondensphäre in diehöheren Sphären, wenn der Christus nicht heruntergestiegen wäre und durch dasMysterium von Golgatha gegangen wäre. Das Wesen, das der Mensch früher nach demTode nur in der geistigen Welt angetroffen hat, das ist heruntergestiegen, lebt nach demMysterium von Golgatha hier auf der Erde. Der Mensch kann ein Verhältnis zu ihmgewinnen nach dem Paulusworte: «Nicht ich, sondern der Christus in mir.» (37) Dadurchnimmt sich der Mensch hier von dieser Erde Kraft mit, die ihm der Christus hier aufdieser Erde gibt, um sein Moralwesen, das er als ein selbständiges Wesen in sich erzeugt,in der Mondensphäre zurückzulassen, überzugehen in die höheren Sphären, um da nunzu weben an dem Geistkeim seines physischen Leibes. [156] Und dadurch hat er dieKraft, dann wiederum beim Heruntersteigen durch die Mondensphäre, aus freier Wahlsein Karma zu übernehmen, seine guten und seine bösen Taten in ihren Nachwirkungen.Wir sind freie Menschen geworden im Verlaufe der geschichtlichen Entwickelung.

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Wir sind es aber deshalb geworden, weil wir schon aus freier innerer Stärke durch dieChristus-Kraft, die wir uns hier auf Erden erwerben, unser Karma beim Herunterstieg zurMondensphäre übernehmen. Ganz gleichgültig, ob uns das hier auf Erden gefällt odernicht gefällt, wir tun es, wenn wir hier auf Erden rechte Christen werden, in diesemStadium, das ich eben beschrieben habe.

So habe ich mich bemüht, Ihnen einiges zu zeigen von dein, wie die moderneInitiationswissenschaft hineinschauen kann in die Welten, die wir die verborgenen Seitendes Menschendaseins nennen können, wie eigentlich alles, was am Menschen ist, nurdadurch aufgeklärt werden kann, daß man in diese verborgenen Seiten hineinschaut. Undich habe zugleich versucht, im Zusammenhange damit Ihnen zu zeigen, was für diejetzigen Menschen der Christus-Impuls ist; denn auf ihn müssen wir immer wiederzurückkommen. Der Mensch kann nicht ein volles Menschenwesen sein in der Zeit nachdem Mysterium von Golgatha, wenn er nicht den Weg zu diesem Christus-Impuls findet.Und daher muß er schon so werden, daß eine anthroposophische Geisteswissenschaftgerade den Christus-Impuls in der rechten Weise immer mehr und mehr beleuchtet. Denndie Art und Weise, wie er aus einem verdunkelten Bewußtsein heraus beleuchtet wordenist in der Vergangenheit, die würde ja einem großen Teil der Menschheit – denken Sie andie Orientalen, denken Sie an die Bewohner anderer Erdteile – die Möglichkeit nehmen,sich zum Christentum zu bekennen. Dasjenige Christentum, das anthroposophischgeisteswissenschaftlich vertieft ist, wird in der Tat – wenn man nur einmal richtig denNerv der Geisteswissenschaft, wie sie hier gemeint ist, verstehen wird – gerade von denOrientalen, die eine alte Geistigkeit, wenn auch in der Dekadenz, in sich haben,aufgefaßt werden, mit Sehnsucht aufgefaßt werden. [157]

Auf diesem Wege allein kann jener Friede über die Erde kommen, der aus der Seeleund aus dem Geiste der Menschen kommen muß, und der der Erde – das fühlt jederUnbefangene heute – so notwendig ist. Man wird sich noch viel mehr überzeugenmüssen, wie wertlos im Grunde genommen heute alles Denken über äußere Institutionenist, und wie notwendig es dagegen ist, unmittelbar sich an die Seelen zu wenden. An dieSeelen aber kann man sich nicht wenden, wenn man diesen Seelen nicht etwas zu sagenweiß über die eigentliche Heimat der Seele, über das, was der Mensch erlebt jenseits desphysischen Daseins in denjenigen Bewußtseinszuständen, von denen ich Ihnen heutegesprochen habe. Mögen diese Bewußtseinszustände auch während des irdischen Lebensnicht vorhanden sein, ihre Wirkungen sind vorhanden. Oh, derjenige, der das Lebendurchschaut, er sieht in jedem Menschenantlitz ein Abbild der kosmischen Schicksale,die der Mensch durchgemacht hat zwischen dem Tode und einer neuen Geburt!

Ich habe Ihnen heute geschildert, wie das Schicksal, ob man Mann oder Fraugeworden ist, aus dem Kosmos heraus begriffen werden kann, wie selbst die Farbe derAugen, die Farbe der Haare erst begriffen werden können, wenn man ins kosmischeDasein hineinschauen kann. Nichts in dieser Welt ist verständlich, wenn es nicht aus demKosmos heraus verstanden wird.

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Dann erst wird der Mensch sich richtig als Mensch fühlen, wenn wir ihm wieder auseiner wirklichen Geist-Erkenntnis heraus zu sagen wissen, welches sein Zusammenhangist mit dem, was hinter dem sinnlich-physischen Dasein steht. Wenn es auch dieMenschen der Erde heute noch nicht wissen, unbewußt lechzen sie nach einem solchenWissen. Und was sich konvulsivisch heute entwickelt auf allen Gebieten, sei es auf demGebiete des geistigen, des äußeren rechtlichen oder des wirtschaftlichen Lebens, alles istzum Schluß eine Wirkung des Geistigen. [158] Alles das kann nur dadurch vonNiedergangskräften zu Aufgangskräften gebracht werden, daß der Mensch wiederumetwas wissen lernt von seinem Zusammenhange mit dem außerphysischen Dasein; denndieses physische Dasein ist nichts, wenn es nicht im Zusammenhange gesehen wird mitdem überphysischen Dasein. Dieser physische Menschenleib gewinnt erst seineBedeutung, wenn wir ihn gewissermaßen als den Zusammenfluß all jener Hoheitskräftesehen, die zwischen dem Tode und einer neuen Geburt gewoben werden. Das ist ja dieTragik der materialistischen Welterkenntnis, daß sie zuletzt das Materielle selber nichtkennt. Wir legen den menschlichen Leib auf den Seziertisch, durchforschen ihnsorgfältig nach seinen Geweben und nach seinen einzelnen physischen Bestandteilen.Wir tun das, weil wir die Materie kennenlernen wollen. Wir lernen sie aber auf diesemWeg nicht kennen, denn sie ist Wirkung des Geistes, und wir kennen sie erst, wenn wirsie in jene Stadien zurückverfolgen können, wo sie aus dem Geiste heraus gesponnenwird. Gerade das physisch-materielle Dasein wird für die Menschen erst verständlichwerden, wenn sie mit ihrer Seele in das Seelische und Geistige kosmisch hineingeführtwerden.

Durchdringen wir uns mit dem Bewußtsein, daß wir immer mehr verstehen sollen, wiewir zusammenhängen mit dem Geistig-Seelischen des Kosmos, dann werden wir richtigeAnthroposophen. Und bei Ihnen werde ich ja wohl nicht verlacht werden, wenn ich sage:Die Welt braucht heute richtige Anthroposophen, die aus jenem Bewußtsein heraus einenAufstieg der Menschheit bewirken, das sich ergibt aus dem Erleben des Geistigen, wennwir es zunächst auch nur in dem Abbilde begreifen sollten, wenn wir auch nicht selberhellsehend erkennen. Wir brauchen noch nicht hellseherisch zu sein, um wohltätig zuwirken im Besitze einer Geist-Erkenntnis. Geradesowenig wie der Mensch zu wissenbraucht, woraus Fleisch besteht, wenn er Fleisch ißt, und dieses Fleisch ihn doch nährt,ebensowenig braucht der Mensch hellseherisch zu sein, um durch seine Arbeit, durchseinen ganzen Zusammenhang mit dem Leben der höheren Welten zu wirken. Wie wennder Mensch das Geistige verzehren würde, so ist es, wenn er es annimmt vor demHellsehen. [159] Und das Hellsehen fügt im Grunde genommen nichts zu dem hinzu,was wir durch das Geisteswissen der Welt werden können. Es befriedigt nur unsereErkenntnis, die muß einmal da sein. Es müssen natürlich Leute da sein, die dieZusammensetzung des Fleisches untersuchen, aber zum Essen ist diese Erkenntnis nichtnotwendig. So müssen auch Hellseher da sein in der neuen Zeit, die untersuchen können,wie des Menschen Zusammenhang mit der geistigen Welt ist; aber um das, was dieMenschheit braucht, zu bewirken, ist notwendig, daß wir gesunde Menschenseelen sind.

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Die werden seelische Verdauungskraft fühlen, wenn ihnen von der Wissenschaft desGeistigen gesprochen wird, die werden dieses Geistige aufnehmen, es verdauen, es inihre Arbeit eingliedern. Und das brauchen wir heute über die ganze zivilisierte Welt hin:äußere Menschenarbeit, die im rechten und wahren Sinne durchgeistigt ist. [160]

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Schicksalbestimmende und menschenbefreiende Planeten

Ich möchte in diesen Tagen zu dem früher Gesagten noch einiges von dem hinzufügen,was die Möglichkeit bietet, gewisse Untergründe der Weltengeheimnisse zu gewinnen, dieder neueren Zivilisation verlorengegangen sind. Wir brauchen ja nur hinzuschauen aufdas, was die neuere Zivilisation als ihre Anschauung hat zum Beispiel von demPlanetensystem. Wir wissen, daß dieses Planetensystem so vorgestellt wird, als sei eshervorgegangen aus einer Art Urnebel, der in rotierender Bewegung war und von dem sichinfolge dieser rotierenden Bewegung die einzelnen planetarischen Körper abgespaltenhaben. Man hat durch die Spekulationen, die man sich für diese Anschauung zurechtgelegthat, ja nichts gewonnen, als daß man eine Art von Gleichgültigkeit der einzelnenHimmelskörper untereinander hat, die dabei geschildert werden, und auch eineGleichgültigkeit des menschlichen Blickes gegenüber diesen Himmelskörpern.

Was unterscheidet sich da stark, sagen wir, am Mond vom Saturn, wenn das allesgefaßt sein soll in die Vorstellung eines rotierenden Nebels, aus dem sich allmählichdiese Himmelskörper abspalten? Allerdings, die für alles Irdische und namentlich für dasIrdisch-Mineralische s0 bedeutsamen Forschungen des 19. Jahrhunderts haben allerlei zusagen gewußt über die stoffliche Zusammensetzung der Himmelskörper, haben eine ArtPhysik und Chemie der Himmelskörper geschaffen. [161] Damit ist es ja möglich, daß inden gebräuchlichen Handbüchern spezielle Dinge gesagt werden über Venus, Saturn,Mond und s0 weiter. Allein, all dieses ist s0, wie wenn man von dem Menschen, derbeseelt und durchgeistet ist, gewissermaßen nur eine Art von Abbild seines äußerenOrganismus schaffen würde, ohne einzugehen auf die Durchseelung undDurchgeistigung.

Man muß wiederum dazu kommen, mit Hilfe einer Initiationswissenschaft auch indasjenige einzudringen, was man Durchseelung und Durchgeistigung zunächst, sagenwir, unseres Planetensystems nennen kann. Und da möchte ich heute einfach mehr dieIndividualitäten der einzelnen Planeten dieses Systems charakterisieren.

Ich möchte zuerst hinweisen auf denjenigen Planeten, welcher der Erde zunächst steht,mit dessen Geschick – in einer gewissen Beziehung allerdings nur – das Erdengeschickverbunden ist, und der einmal eine ganz andere Rolle spielte im Erdenleben, als er heutespielt. Denn Sie wissen ja aus den Schilderungen meiner «Geheimwissenschaft imUmriß», wie ich sie gegeben habe, daß dieser Mond in verhältnismäßig jüngererWeltenzeit noch mit der Erde verbunden war, sich von der Erde getrennt hat und sie nunumkreist.

Wenn wir von ihm als von einem äußeren physischen Himmelskörper sprechen, so istdas Physische in ihm eben nur die äußere, die alleräußerlichste Offenbarung desGeistigen, das dahinterliegt. Wenn wir den heutigen Mond betrachten, so erscheint erdenjenigen, die ihn in bezug auf seine Außenseite und seine Innenseite kennenzulernenvermögen, so, daß er gewissermaßen zunächst in unserem Universum eine Versammlungvon geistigen Wesenheiten darstellt, die in sich eine große Abgeschlossenheit haben.

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Nach außen hin verhält sich ja der Mond im Grunde genommen wie ein Spiegel desUniversums. Wenn wir also hier die Erde haben (siehe Zeichnung Seite 112) und denMond in die unmittelbare Nähe der Erde rücken, so ist für die alleräußerlichsteAnschauung dies der Fall, daß er mit seiner Erscheinung das Sonnenlicht zurückwirft, sodaß wir sagen können: Dasjenige, was vom Monde kommt, ist das auf ihn aufstrahlendeund wieder zurückgeworfene Sonnenlicht. Er ist also eigentlich zunächst der Spiegel desSonnenlichtes. [162]

Sie wissen ja, wie es die Natur eines Spiegels ist, daß man dasjenige sieht, was außerihm ist, vor ihm ist, daß man aber gerade nicht dasjenige sieht, was hinter ihm ist. Nun istder Mond nicht nur gewissermaßen der Spiegel des Sonnenhaften im Universum, sonderner ist überhaupt ein Spiegel für alles dasjenige, was strahlend auf ihn auftreffen kann, nurdaß das Sonnenlicht dabei das allerstärkste ist. Aber alles, was an Weltenkörpern imUniversum vorhanden ist, strahlt nach dem Monde, und der Mond strahlt wie ein Spiegeldes Gesamtuniversums dieses Universum bildhaft nach allen Seiten wiederum zurück. Sodaß man sagen kann: Man hat das Universum eigentlich, wenn man es anschaut, doppeltvor sich, einmal, wie es in der Umwelt der Erde sich offenbart, und einmal, wie eszurückgestrahlt ist vom Monde. Die Sonnenstrahlen wirken mächtig. Sie wirken mächtigauch in ihrer Rückstrahlung vom Monde. Aber auch alles übrige, was im Universumräumlich strahlend sich offenbaren kann, wird vom Monde zurückgestrahlt, und man hataußer dem, was sich im Universum offenbart, noch diese Rückstrahlung des Universumsvom Monde.

Derjenige, der alle Einzelheiten des Mondes würde beobachten können, der, mitanderen Worten, ein Auge hätte für die Spiegelbilder, die der Mond nach allen Seitenvom Universum entwirft, der würde vom Monde her gespiegelt haben das ganzeUniversum. Nur allein dasjenige, was innerhalb des Mondes ist, das bleibt – wenn ichmich so ausdrücken darf – Geheimnis des Mondes, das bleibt verborgen, wie das, washinter dem Spiegel steht, verborgen bleibt. Was hinter der Oberfläche des Mondes, alsoim Innern des Mondes selber drinnen ist, das ist vor allen Dingen bedeutsam durch seinegeistige Seite.

Die geistigen Wesenheiten, welche dieses Innere des Mondes bewohnen, sindWesenheiten, die sich im strengsten Sinne von dem übrigen Universum abschließen. Sieleben wie in der Mondenfestung. [163] Und nur derjenige, welcher es dahin bringt, zudem Sonnenlichte eine solche Verwandtschaft zu bekommen, gewisseEigentümlichkeiten des menschlichen Herzlebens so zur Entwickelung zu bringen, daßer die Rückstrahlung vom Monde nicht sieht, für den wird der Mond gewissermaßenseelisch durchsichtig, und er kann in diese Mondenfestung des Universums eindringen.Und er macht dann eine bedeutungsvolle Entdeckung. Er macht die Entdeckung, daßdurch die Aussagen, durch die Lehren derjenigen Wesenheiten, die sich in vollerAbgeschlossenheit wie zurückgezogen haben in diese Mondenfestung des Universums,wiederum geoffenbart werden können gewisse Geheimnisse, welche die Erde einmalbesessen hat in ihren auserlesensten Geistern, die sie aber verloren hat.

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Und wenn wir heute zurückgehen in der Erdenentwickelung, so finden wir, daß, jeweiter wir zurückgehen, wir desto weniger auf die abstrakten Wahrheiten treffen, die denStolz der gegenwärtigen Menschheit ausmachen, aber wir kommen immer mehr undmehr auf Bildwahrheiten. Wir ringen uns dann durch die innerlich bedeutungsvollenWahrheiten durch, die noch aufgeschrieben sind, die als ein letzter Nachklang derorientalischen Weisheit zum Beispiel in den Veden und in der Vedanta erglänzen, wirringen uns da durch zu den Uroffenbarungen der Menschheit, welche noch hinter denMythen und Sagen liegen, und kommen zunächst voller Ehrfurcht und voller Erstaunendazu, anzuerkennen, wie die Menschheit einmal eine großartige Weisheit besessen hat,die sie, ohne Anstrengung des Verstandes, als eine Gnade der geistigen Weltenwesenerhalten hatte. Und wir werden zuletzt zurückgeführt zu all dem, was einmal auf derErde den damals schon auf Erden vorhandenen Urmenschen lehren konnten dieseWesenheiten, die sich nun in die Mondenfestung des Universums zurückgezogen haben,die mit dem Monde hinausgegangen sind aus der Erde. Die Menschen haben dann dieErinnerung bewahrt an dasjenige, was einstmals diese Wesenheiten geoffenbart hattenden ältesten Urvölkern der Menschheit, die noch etwas ganz anderes in ihrem Wesenhatten als die heutige menschliche Gestalt. [164]

Aber wenn man dieses Geheimnis – ich möchte es das Mondengeheimnis desUniversums nennen – durchdringt, wird man gewahr, wie diese Wesenheiten, die heute inder Mondenfestung des Universums sich verankert haben, einmal die großen Lehrer derErdenmenschheit waren, und wie die Erdenmenschheit verloren hat gerade dasjenige, washeute an Geistigem und Seelischem in dieser Universumsfestung verborgen liegt. Dennwas der Erde noch zukommt vom Universum, es ist ja durchaus nur dasjenige, was dieAußenfläche, gewissermaßen die Mauern dieser Festung zurückstrahlen von dem übrigenWeltenall.

Es gehört dieses Mondengeheimnis zu den tiefsten Geheimnissen des altenMysterienwesens. Denn was der Mond in seinem Innern enthält, das ist sozusagen dieUrweisheit. Dasjenige aber, was der Mond zurückzustrahlen vermag aus allemUniversum, das ist, was die Summe von Kräften bildet, welche unsere Tierwelt der Erdeunterhalten, namentlich jene, die zusammenhängen mit der Geschlechtlichkeit derTierwelt, die auch das Tierisch-Physische am Menschen unterhalten undzusammenhängen mit der physisch-sinnlichen Geschlechtlichkeit des Menschen. So daßdie niedere Natur des Menschen ein Geschöpf ist desjenigen, was der Mond ausstrahlt,und das Höchste, was einmal die Erde besessen hat, in der Mondenfestung innerlichgeborgen ist.

In dieser Weise gelangt man durch eine solche Betrachtung allmählich heran an eineKenntnis der Individualität des Mondes, an eine Kenntnis desjenigen, was er eigentlichist, während alle andere Erkenntnis eben nur eine solche ist, die man erhalten würde voneinem Menschen, wenn man einen Abdruck von ihm in Papiermache in einemPanoptikum fände. Man würde nichts wissen von der Individualität des Menschen, wennman diesen Abdruck betrachtete. Ebensowenig weiß eine Wissenschaft, die nicht an dieInitiation heran will, irgend etwas von der Individualität des Mondes. [165]

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In gewissem Sinne ist ein Gegensatz zu dieser Mondenindividualität der äußerstePlanet – wenigstens der für die Alten äußerste Planet, es sind ja später noch der Uranusund der Neptun dazugekommen, aber betrachten wir diese beiden letzteren jetzt nicht –,einen gewissen Gegensatz zu dieser Mondenindividualität bildet die Saturnindividualität(siehe Zeichnung Seite 167). Die Saturnindividualität ist so geartet, daß sie eigentlichvon dem Weltenall selbst zwar in der mannigfaltigsten Weise angeregt wird, daß sie aberwenigstens auf die Erde von diesen Anregungen aus dem Weltenall nichtszurückkommen läßt, nichts hinstrahlt. Gewiß, auch der Saturn wird von der Sonnebestrahlt, aber dasjenige, was er von den Sonnenstrahlen wieder zurückwirft, hat keineBedeutung für das irdische Leben, sondern der Saturn ist ganz und gar derjenigeWeltenkörper unseres Planetensystems, der sich voll hingibt in seinem eigenen Wesen.Er strahlt sein eigenes Wesen in die Welt hinaus. Und wenn man den Saturn betrachtet,dann sagt er einem eigentlich immer, wie er ist. Während der Mond, wenn man ihnäußerlich betrachtet, einem sagt, wie alles andere in der Welt ist, sagt einem der Saturngar nichts von dem, was er an Anregungen von der übrigen Welt empfängt, sondern erspricht immer nur von sich selbst. Er sagt nur das, was er selbst ist. Und dasjenige, waser selbst ist, enthüllt sich nach und nach wie eine Art Gedächtnis unseresPlanetensystems.

Der Saturn kommt einem vor wie derjenige Weltenkörper, der alles getreulichmitgemacht hat in unserem Planetensystem, aber sich auch alles in der Erinnerung, indieser kosmischen Erinnerung, die er hat, treu bewahrt hat. Er schweigt über die Dingeder Gegenwart des Universums. Diese Dinge der Gegenwart des Universums nimmt erauf, verarbeitet sie in seinem inneren Seelisch-Geistigen. Die ganze Summe derWesenheiten, die im Saturn wohnen, gibt sich zwar der Außenwelt hin, aber nimmtschweigend, stumm die Ereignisse der Welt in das Seelenhafte auf und erzählt nur vonden vergangenen Ereignissen des Kosmos. Daher ist der Saturn, wenn er zunächstkosmisch betrachtet wird, etwas wie das wandelnde Gedächtnis unseres Planetensystems.Und er enthält eigentlich als ein treuer Mitteiler desjenigen, was im Planetensystempassiert ist, in dieser Art die Geheimnisse des Planetensystems. [166]

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Während wir also, wenn wir die Weltengeheimnisse ergründen wollen, nach demMonde vergeblich schauen, während wir uns sozusagen zu Vertrauten der Mondenwesenselber machen müssen, wenn wir von ihnen etwas erfahren wollen über dieWeltengeheimnisse, ist solches beim Saturn nicht notwendig. Beim Saturn genügt einAufgeschlossensein für das Geistige: dann verwandelt sich der Saturn vor dem geistigenAuge, vor dem Seelenauge, in einen lebendigen Historiographen des Planetensystems. Erhält auch gar nicht zurück mit diesen Erzählungen, die er zu geben hat von alledem, wasinnerhalb des Planetensystems geschehen ist. Er ist in dieser Beziehung der volleGegensatz der Mondenbildung, er spricht fortwährend. [167] Und er spricht von derVergangenheit des Planetensystems mit innerer Wärme und innerer Glut, so daß eseigentlich gefährlich ist, mit dem, was er im Weltenall spricht, intimer bekannt zuwerden, weil er von den vergangenen Ereignissen des Weltenalls mit einer solchenHingebung spricht, daß man ungeheuer lieb gewinnt diese Vergangenheit des Weltenalls.Er ist sozusagen fortwährend für denjenigen, der ihm seine Geheimnisse ablauscht, derständige Verführer, das Irdische gering zu achten und sich ganz und gar zu vertiefen indas, was die Erde einmal war.

Namentlich spricht er deutlich über alles das, was die Erde war, bevor sie Erdegeworden ist. So daß er derjenige Planet in unserem Planetensystem ist, der einem dieVergangenheit unendlich teuer macht. Und jene Menschen, die nun eine irdischeHinneigung zum Saturn haben, das sind solche, die immer gern in die Vergangenheitblicken die nicht gerne den Fortschritt haben, die das Vergangene immer wiederzurückführen möchten. Auf diese Art nähert man sich der Individualität des Saturn.

Wieder von anderer Art ist zum Beispiel ein solcher Planet wie der Jupiter (sieheZeichnung Seite 167). Der Jupiter ist der Denker unseres Planetensystems, und dasDenken ist vorzüglich dasjenige Element, was alle Wesenheiten pflegen, die sozusagenin seinem Weltterrain vereinigt sind. Schöpferische und empfangene Gedanken desUniversums strahlen uns vom Jupiter zu. Der Jupiter enthält in Gedankenform alle dieBildungskräfte für die verschiedenen Wesen des Universums.

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Während der Saturn das Vergangene erzählt, zeigt der Jupiter, doch in lebendigerDarstellung, in lebendiger Auffassung, das ihm Entsprechende im Gegenwärtigen desUniversums. Aber es ist notwendig, daß man in einer sinnigen Weise eingreift indasjenige, was er dem Geistesauge darbietet. Wenn man nicht selbst Denken entfaltet,dann kommt man auch zum Beispiel – gebrauchen wir das Wort – als Hellseher an dieGeheimnisse des Jupiter nicht heran, denn die Geheimnisse des Jupiter sind so, daß sienur in Gedankenform sich enthüllen, und nur wenn man selbst denkt, kommt man an dieGeheimnisse des Jupiter heran, denn er ist der Denker des Universums. [168]

Wenn man versucht, irgendeine bedeutsame Rätselfrage des Daseins in klarem Denkenzu erfassen, und man kommt wegen der menschlich- physischen und ätherischenHemmnisse, wegen der astralischen Hemmnisse namentlich, nicht zurecht, dann treten dieWesen des Jupiter ein, und sie helfen einem. Die Wesen des Jupiter sind gerade die Helferdes Menschlichen für die menschliche Weisheitsentfaltung. Und derjenige, der sich sorecht angestrengt hat, um in klarem Denken zu entwickeln irgendwelche Rätselfrage desDaseins und nicht auf ihren Grund kommen kann, der findet, wenn er Geduld hat unddiese Rätselfrage weiter im Gemüte bearbeitet, daß ihm die Jupitermächte sogar währendder Nacht helfen. Und mancher, der ein Tagesrätsel dann wie aus einem Traume heraus inder Nacht besser gelöst hat als am vorigen Tage, müßte sich, wenn er die Wahrheitdurchschauen würde, eigentlich gestehen: Es sind die Jupitermächte, die das menschlicheDenken, wenn ich mich so ausdrücken darf, in Schwung und Bewegung und Vervebringen. Wenn also der Saturn der Gedächtnisbewahrer des Universums ist, so ist Jupiterder Denker des Universums. Dem Jupiter verdankt der Mensch alles das, was er von dergeistigen Gegenwart des Universums hat. Dem Saturn verdankt der Mensch alles das, waser von der geistig-seelischen Vergangenheit des Universums hat.

Es war aus einer gewissen Intuition heraus, daß gerade in Griechenland, wo man mitdem Geist so in der Gegenwart lebte, der Jupiter besonders verehrt wurde.

Auch in demjenigen, was der Jupiter dem Jahreslauf verleiht, liegt für den Menschen inseiner ganzen Heranentwickelung die Anregung. Sie wissen ja, der Saturn geht, wenn wirseine scheinbare Bewegung genau ins Auge fassen, langsam, langsam herum: fast dreißigJahre braucht er. Jupiter geht schneller herum: zwölf Jahre etwa braucht er. Er gibt durchdas, was er in seiner schnelleren Bewegung ist, dem menschlichen Bedürfnisse nach derWeisheit gerade die Genugtuung. [169] Und wenn nach derjenigen Uhr, diegewissermaßen ausdrückt des Menschen Schicksal im Weltenall, eine besondereBeziehung besteht zwischen Jupiter und Saturn, dann kommen in diesesMenschenschicksal hinein jene wunderbaren leuchtenden Augenblicke, in denen mit demDenken der Gegenwart vieles enthüllt wird über die Vergangenheit.

Und suchen wir in der Weltgeschichte der Menschheit nach den Augenblicken, wo dieRenaissance-Epochen eingetreten sind, wo ein Wiederheraufkommen alter Impulseeingetreten ist, wie etwa in der letzten Renaissancezeit, dann ist dieses Wiedererneuernalter Impulse durchaus zusammenhängend mit einer gewissen Konstellation zwischenJupiter und Saturn.

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Aber, wie gesagt, in einem gewissen Sinne verschlossen ist schon der Jupiter, undseine Offenbarungen bleiben im Unbewußten, wenn der Mensch nicht durch ein aktives,in sich kräftiges, klares lichtvolles Denken ihnen entgegenkommt. Daher war in altenZeiten, in denen das aktive Denken wenig entwickelt war, die Art, wie die Menschheitvorrückte, eigentlich immer davon abhängig, wie Jupiter zu Saturn stand. In Zeiten, indenen eine gewisse Konstellation zwischen Jupiter und Saturn war, offenbarte sichinsbesondere den alten Menschen vieles. Der neuere Mensch ist mehr angewiesendarauf, die Dinge getrennt in ihrer Entwickelung zu nehmen, das heißt, dasSaturngedächtnis und die Jupiterweisheit getrennt zu empfangen in seiner seelisch-geistigen Entwickelung.

Gehen wir dann zum Mars über (siehe Zeichnung Seite 167), so haben wir in demMars den Planeten, den man eigentlich – nicht wahr, eine Terminologie muß man jahaben – den vielsprechenden Planeten in unserem Planetensystem nennen kann. Er istderjenige, der nicht, wie der Jupiter, mit seiner Weisheit in der Gedankenformzurückhält, sondern der eigentlich alles, was ihm zugänglich ist im Universum – und ihmsind ja nicht alle Dinge des Universums zugänglich, ich meine, den Seelen, die ihnbewohnen –, immer ausplaudert. Er ist der geschwätzigste Planet in unseremPlanetensystem, er erzählt immer. [170] Und er ist zum Beispiel ganz besonderswirksam, wenn Leute aus dem Schlaf, aus dem Traum heraus reden. Denn er ist auch imGrunde genommen derjenige Planet, der eine ungeheure Sehnsucht hat, immer zu reden,so daß er, wenn ihm irgend etwas von der menschlichen Natur zugänglich ist, wodurch ersie redselig machen kann, die Geschwätzigkeit anregt. Er ist der Planet, der wenig denkt,wenig Denker, aber viele Redner hat. Seine Geister stehen immer auf der Wacht, wassich da und dort in dem Universum darbietet, und dann reden sie davon mit einer großenHingabe und mit einer großen Verve. Er ist derjenige, der in der mannigfaltigsten Weiseim Verlaufe der Menschheitsentwickelung die Menschen anregt, Aussagen zu machenüber die Weltengeheimnisse. Er hat seine guten und minder guten Seiten. Er hat seinenGenius und seinen Dämon. Der Genius wirkt so, daß die Menschen aus dem Universumheraus überhaupt die Impulse bekommen zur Sprache. Sein Dämon wirkt so, daß dieSprache in der verschiedensten Weise mißbraucht wird. Er ist – in einem gewissen Sinnekann man das sagen – der Agitator des Weltenalls zu nennen. Er will überreden, währendder Jupiter nur überzeugen will.

Noch wieder eine andere Stellung nimmt zum Beispiel die Venus ein (siehe ZeichnungSeite 112). Die Venus ist in einer gewissen Beziehung ja, wie soll ich mich ausdrücken? –abweisend gegen das ganze Universum. Sie ist spröde gegen das Universum, sie willnichts wissen vom Universum. Sie betrachtet das Universum so, daß, wenn sie sich ihmaussetzen würde, sie dadurch, gerade durch das äußere Universum, ich möchte sagen, ihreJungfräulichkeit verlieren würde. Sie ist furchtbar schockiert, wenn irgendein Eindruckaus dem äußeren Universum an sie herankommen will. Sie mag nicht das Universum,weist jeden Tänzer aus dem äußeren Universum ab.

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Das ist schwierig auszudrücken, weil natürlich die Verhältnisse in der Erdenspracheausgedrückt werden müssen, aber es ist eben so. Dagegen ist sie ungeheuer empfänglichfür alles das, was gerade von der Erde kommt. Die Erde ist wirklich der Liebhaber derVenus in einem gewissen Sinne. [171] Während der Mond ringsherum das ganzeUniversum spiegelt, spiegelt die Venus nichts von dem Universum, sie will nichts wissenvon dem Universum, aber sie spiegelt liebevoll alles zurück, was von der Erde kommt.Man hat die ganze Erde mit allen ihren seelischen Geheimnissen noch einmal, wenn manmit dem Seelenauge die Geheimnisse der Venus belauscht.

Es ist schon so, daß die Menschen auf Erden im Grunde nichts Rechtes im Geheimenihrer Seele tun können, ohne daß es für denjenigen, welcher der Sache nachgeht, von derVenus herabgespiegelt wird. Sie schaut den Leuten allen tief ins Herz hinein, denn dasinteressiert sie, das läßt sie an sich herankommen. Also man hat alles, was im Intimstenauf der Erde lebt, auf der Venus noch einmal, und in einer Widerspiegelung, diemerkwürdig ist. Sie verwandelt eigentlich in der Widerspiegelung alles so, wie dermenschliche Traum die äußeren Ereignisse des physischen Lebens verwandelt. Sienimmt die irdischen Ereignisse und verwandelt sie in Traumbilder. So daß eigentlich derganze Gang, den die Venus um die Erde herum macht, diese ganze Sphäre der Venus,eigentlich eine Träumerei ist. Und in den mannigfaltigsten Traumgebilden leben dietraumhaft verwandelten irdischen Menschengeheimnisse. Die Venus hat sogar sehr vielmit den Dichtern zu tun. Nur wissen das die Dichter natürlich nicht, aber sie hat sehr vielmit den Dichtern zu tun.

Nun ist es aber sehr merkwürdig: ich sagte, sie ist abweisend gegen das ganze übrigeUniversum; das ist sie durchaus. Aber sie ist nicht in der gleichen Art abweisend gegenalles, was aus dem Universum kommt. Also ich möchte sagen, mit dem Gemüte wird vonder Venus alles abgewiesen, was von dem Universum kommt, und nur dasjenige nichtabgewiesen, was von der Erde kommt. Jeden Tänzer, sagte ich, weist sie zurück, aber sielauscht mit aller Aufmerksamkeit auf das, was der Mars redet. Sie verwandelt, siedurchleuchtet ihre traumhaftirdischen Erlebnisse mit dem, was sie aus dem Universumdurch den Mars übermittelt erhält.

Alle solchen Dinge haben nun auch eine physische Seite. [172] Von diesen Dingengehen ja die Impulse aus für dasjenige, was in der Welt geschaffen wird, was in der Weltentsteht. Und aus dem, was sich da abspielt allerdings, die Sonne ist dazwischen, diemacht da Ordnung –, indem die Venus alles, was von der Erde kommt, aufnimmt und dannden Mars immer belauscht – sie will nicht, daß er es weiß, aber sie will ihn belauschen –,nun, aus dem bilden sich diejenigen Kräfte, die gerade zugrunde liegen den Organen dermenschlichen Sprachbildung.

Will man im Kosmos die Impulse für die menschliche Sprachbildung kennenlernen,dann muß man auf dieses merkwürdige Weben und Leben, das sich da abspielt zwischenVenus und Mars, hinschauen. So daß es, wenn das Schicksal gerade so spielt, eine großeBedeutung hat für die Entwickelung der Sprache irgendeines Volkes, wie Venus zu Marssteht: Eine Sprache wird innerlich vertieft, seelenvoll, wenn die Venus zum Beispiel inder Quadratur steht zum Mars.

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Dagegen wird eine Sprache seelenlos, schellend, wenn die Venus und der Mars inKonjunktion stehen und dies dann auf das betreffende Volk Einfluß hat.

So stellen sich diese Dinge dar, die sich als Impulse im Weltenall bilden und dannhereinwirken in das Irdische.

Dann haben wir Merkur(siehe Zeichnung Seite 112). Merkur ist derjenige Planet,welcher, im Gegensatze zu den anderen, eigentlich sich interessiert für das, was nichtsinnlicher, aber von solcher Natur ist, daß man es kombinieren kann. In ihm sind dieMeister des kombinierenden Denkens, in Jupiter die Meister des weisheitsvollenDenkens. Und es ist so, daß wenn der Mensch aus dem vorirdischen Leben in das Daseinder Erde tritt, der Mondenimpuls dann derjenige ist, welcher die Kräfte liefert für seinphysisches Dasein. Die Venus, die liefert die Kräfte für alles das, was Gemüts- undTemperamentsanlagen sind. Merkur aber liefert die Kräfte für alles das, was imMenschen Verstandes- und Vernunftanlagen sind, namentlich Verstandesanlagen. Essind eben im Merkur verankert die Meister der kombinierenden Erkenntniskräfte.

Und wiederum besteht in bezug auf den Menschen ein merkwürdiges Verhältniszwischen diesen Planeten. [173] Der Mond, der die herben, sich ganz in sich selbstzurückziehenden Geister enthält, der nur dasjenige, was aus dem Universum ihmzugestrahlt wird, wiederum zurückstrahlt, der baut eigentlich das Äußere, den Körper desMenschen auf. Der vereinigt in diesem Aufbauen des Körperlichen also dieVererbungskräfte. In ihm sitzen eben jene geistigen Wesenheiten, die in vollerAbgeschlossenheit, ich möchte sagen, kosmisch sinnen über dasjenige, was vonGeneration zu Generation auf dem Umwege durch das Physische sich forterbt.

Daher wissen ja die Menschen der gegenwärtigen Wissenschaft, weil sich dieMondenwesen so verschanzt halten in ihrer Festung, über die Vererbung gar nichts. ImGrunde genommen erscheint es einem tieferen Blick so, daß in der Gegenwart, wennirgendwo in einem wissenschaftlichen Zusammenhang von Vererbung gesprochen wird,man eigentlich, wenn man eine kosmische Sprache redete, sagen könnte: Der istmondverlassen; dagegen ist er marsbehext, denn er redet unter dem Einflusse derdämonischen Marskräfte von der Vererbung, aber er steht ganz fern den eigentlichenVererbungsgeheimnissen.

Venus und Merkur tragen mehr das Seelisch-Geistige des Karmischen in denMenschen hinein und bringen es in seiner Gemütsanlage, in seinem Temperament zumVorschein. Dagegen haben Mars und namentlich Jupiter und Saturn, wenn der Mensch ineinem richtigen Verhältnis zu ihnen steht, etwas Befreiendes. Sie reißen ihn los vonallem Schicksalsbestimmten und machen ihn gerade zu einem freien Wesen.

Man könnte in einer etwas verwandelten Form ein biblisches Wort gebrauchen.Saturn, welcher der treue Gedächtnisbewahrendes Universums ist, sagte eines Tages:Lasset uns den Menschen in seinem eigenen Gedächtnisse frei machen. – Und da wurdeder Einfluß des Saturn ins Unbewußte hinuntergedrängt, der Mensch bekam sein eigenesGedächtnis und mit ihm die Unterlage, das Unterpfand seiner persönlichen Freiheit.

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Ebenso ist der innere Willensimpuls, der im freien Denken liegt, der Gnade des Jupiterzu verdanken. [174] Jupiter könnte eigentlich alle Gedanken der Menschen beherrschen.Er ist derjenige, bei dem man die gegenwärtigen Gedanken des ganzen Universums findet,wenn man sie sich zugänglich macht. Aber er hat sich ebenfalls zurückgezogen, er, läßtdie Menschen denken als freie Wesen.

Und das freie Element, das in der Sprache ist, liegt darinnen, daß sogar Marsgnadenvoll geworden ist. Weil er sich sozusagen fügen mußte dem Ratschlusse deranderen sonnenfernen Planeten, nicht dem Menschen die Dinge weiter aufdrängendurfte, so ist der Mensch auch in der Sprache in einer gewissen Weise frei, nicht ganzfrei, aber er ist in einer gewissen Weise frei.

So daß von einer anderen Seite her Mars, Jupiter und Saturn die menschenbefreiendenPlaneten genannt werden können, dagegen Venus, Merkur und Mond dieschicksalbestimmenden Planeten genannt werden müssen.

Zwischen diese Taten und Impulse der planetarischen Individualitäten stellt sich danndie Sonne hinein, gewissermaßen Harmonie schaffend zwischen demMenschenbefreienden und dem Schicksalbestimmenden. So daß man in der Sonnediejenige Individualität hat, wo in einer wunderbaren Weise zusammenwirkt dasschicksalbestimmend Notwendige, das Menschenbefreiende. Und derjenige alleinversteht das, was eigentlich in dem lohenden, lodernden Sonnenlicht enthalten ist, derdieses Ineinanderweben und -leben von Schicksal und Freiheit, in dem sich in die Weltverbreitenden und wiederum in der Sonne sich warm zusammenhaltenden Lichte schaut.

Auch mit der Sonne selbst kommen wir nicht zurecht, wenn wir sie bloß in demanschauen, was die Physiker von ihr wissen. Wir kommen mit der Sonne nur zurecht,wenn wir sie in dem anschauen, was sie geistig-seelisch ist. Da ist sie dasjenige, was inder Wärme erglühen macht die Schicksalsnotwendigkeit, und in der Flamme dasSchicksal in Freiheit löst, und wiederum die Freiheit, wenn sie mißbraucht wird,zusammenballt zu dem wirksamen Substantiellen der Sonne. [175] Die Sonne istgewissermaßen die Flamme, in der die Freiheit phosphorisch im Weltenall erscheint, undsie ist zu gleicher Zeit die Substanz, in der, wie in sich zusammenballender Asche, diemißbrauchte Freiheit als Schicksal sich zusammenbackt, um weiter wirken zu können, bisdieses Schicksal wiederum seinerseits phosphorisch in die Flamme der Freiheit übergehenkann. [176]

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Zwölf Stimmungen

Q – Erstehe, o Lichtesschein,

T – Erfasse das Werdewesen,

S – Ergreife das Kräfteweben,

U – Erstrahle dich Sein-erweckend.

V – Am Widerstand gewinne,

W – Im Zeitenstrom zerrinne.

R – O Lichtesschein, verbleibe! Widder

Q – Erhelle dich, Wesensglanz,

T – Erfühle die Werdekraft,

S – Verwebe den Lebensfaden

U – In wesendes Weltensein,

V – In sinniges Offenbaren,

W – In leuchtendes Seins-Gewahren.

R – O Wesensglanz, erscheine! Stier

Q – Erschließe dich, Sonnesein,

T – Bewege den Ruhetrieb,

S – Umschließe die Strebelust

U – Zu mächtigem Lebewalten,

V – Zu seligem Weltbegreifen,

W – Zu fruchtendem Werdereifen.

R – O Sonnesein, verharre! Zwillinge

[177]

Q – Du ruhender Leuchteglanz,

T – Erzeuge Lebenswärme,

S – Erwärme Seelenleben

U – Zu kräftigem Sich-Bewähren,

V – Zu geistigem Sich-Durchdringen,

W – In ruhigem Lichterbringen.

R – Du Leuchteglanz, erstarke! Krebs

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Q – Durchströme mit SinngewaltT – Gewordenes Weltensein,

S – Erfühlende Wesenschaft

U – Zu wollendem Seinentschluß.

V – In strömendem Lebensschein,

W – In waltender Werdepein,

R – Mit Sinngewalt erstehe! Löwe

Q – Die Welten erschaue, Seele!

T – Die Seele ergreife Welten,

S – Der Geist erfasse Wesen,

U – Aus Lebensgewalten wirke,

V – Im Willenserleben baue,

W – Dem Weltenerblüh'n vertraue.

R – O Seele, erkenne die Wesen! Jungfrau

Q – Die Welten erhalten Welten,

T – In Wesen erlebt sich Wesen,

S – Im Sein umschließt sich Sein.

U – Und Wesen erwirket Wesen

V – Zu werdendem Tatergießen,

W – In ruhendem Weltgenießen.

R – O Welten, traget Welten! Waage

Q – Das Sein, es verzehrt das Wesen,

T – Im Wesen doch hält sich Sein.

S – Im Wirken entschwindet Werden,

U – Im Werden verharret Wirken.

V – In strafendem Weltenwalten,

W – Im ahndenden Sich-Gestalten

R – Das Wesen erhält die Wesen. Skorpion

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Q – Das Werden erreicht die Seinsgewalt,

T – Im Seienden erstirbt die Werdemacht.

S – Erreichtes beschließt die Strebelust

U – In waltender Lebenswillenskraft.

V – Im Sterben erreift das Weltenwalten,

W – Gestalten verschwinden in Gestalten.

R – Das Seiende fühle das Seiende! Schütze

Q – Das Künftige ruhe auf Vergangenem.

T – Vergangenes erfühle Künftiges

S – Zu kräftigem Gegenwartsein.

U – Im inneren Lebenswiderstand

V – Erstarke die Weltenwesenwacht,

W – Erblühe die Lebenswirkensmacht.

R – Vergangenes ertrage Künftiges! Steinbock

Q – Begrenztes sich opfere Grenzenlosem.

T – Was Grenzen vermißt, es gründe

S – In Tiefen sich selber Grenzen;

U – Es hebe im Strome sich,

V – Als Welle verfließend sich haltend,

W – Im Werden zum Sein sich gestaltend.

R – Begrenze dich, o Grenzenloses. Wassermann

[179]

Q – Im Verlorenen finde sich Verlust,

T – Im Gewinn verliere sich Gewinn,

S – Im Begriffenen suche sich das Greifen

U – Und erhalte sich im Erhalten.

V – Durch Werden zum Sein erhoben,

W – Durch Sein zu dem Werden verwoben,

R – Der Verlust sei Gewinn für sich! Fische

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Anmerkungen

Einführung

1. Ernst Cassirer, Die Begriffsform im mythischen Denken, Leipzig, Berlin: Teubner1922 (Studien der Bibliothek Warburg 1), S. 30.

2. Zitiert nach Wilhelm Knappich, Geschichte der Astrologie, 2. ergänzte Auflage,Frankfurt/M: Klostermann 1988, S. 368.

3. Guenther Wachsmuth, Kosmische Aspekte von Geburt und Tod - Beiträge zurKarmaforschung -, 3. durchgesehene Auflage, Dornach: Philosophisch-Anthroposophischer Verlag am Goetheanum 1990.

4. Rudolf Steiner, Die geistige Führung des Menschen und der Menschheit (1911), GABibl.-Nr. 15, Dornach 1987.

5. Rudolf Steiner, Christus und die geistige Welt, Sechs Vorträge (28. Dez. 1913 - 2.Jan. 1914) GA Bibl.-Nr. 149, Dornach 1987.

6. Rudolf Steiner, Heilpädagogischer Kurs, Zwölf Vorträge (25. Juni - 7. Juli 1924)GA Bibl.-Nr. 317, Dornach 1979.

7. Rudolf Steiner, Theosophie. Einführung in übersinnliche Welterkenntnis undMenschenbestimmung (1904), GA Bibl.-Nr. 9, Dornach,

8. Rudolf Steiner, Geisteswissenschaftliche Grundlagen zum Gedeihen derLandwirtschaft. Acht Vorträge (7. - 16. Juni 1924) GA Bibl.-Nr. 327, Dornach 1984.

9. Rudolf Steiner, Anthroposophische Leitsätze. Der Erkenntnisweg derAnthroposophie (1925 - 25), GA Bibl.-Nr. 26, Dornach 1989.

10. Es ist eine besondere Eigenschaft der deutschen Sprache, daß das Wort «Ich», mitdem ein Mensch sein innerstes Wesen bezeichnet, auch die Initialen des Jesus (1)Christus (CH) enthält. Daß hier ein realer Zusammenhang besteht, ist eine derzentralen Erkenntnisse der Anthroposophie, siehe dazu insbesondere die unter Anm. 4angeführte Schrift Rudolf Steiners Die geistige Führung des Menschen und derMenschheit. Eine handliche Einführung in Rudolf Steiners Christus-Verständnis bietetBand 14 dieser Taschenbuchreihe: Rudolf Steiner, Christologie. Anthroposophie – einWeg zum Christusverständnis.

11. Rudolf Steiner, Wahrspruchworte, GA Bibl.-Nr. 40, Dornach 1978, S. 43. Für eineweitergehende Behandlung dieses Themas siehe den Aufsatz des Herausgebers «Zurastrosophischen Menschenkunde der „Zwölf Stimmungen“ von Rudolf Steiner» in H.H. Schöffler, Zur medizinischen Menschenkunde Rudolf Steiners, Stuttgart: FreiesGeistesleben 1984.

12. Günter Weydt, Nachahmung und Schöpfung des Barock. Studien um Grimmels-hausen, Bern: Francke 1968.

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13. Klaus Haberkamm, Sensus astrologicus. Zum Verständnis von Literatur undAstrologie in Renaissance und Barock, Bonn 1977.

14. Siehe den Vortrag vom 6. Januar 1924 in Rudolf Steiner, Mysterienstätten desMittelalters. Rosenkreuzertum und modernes Einweihungsprinzip, GA Bibl.-Nr. 233a,Dornach 1980.

15. Vortrag vom 2. Januar 1914 in dem unter Anm. 5 angeführten Zyklus RudolfSteiners.

16. Eine detaillierte Darstellung findet sich bei H. H. Schöffler, Das Lesen dermodernen Sternenschrift. Zwölf Studien zu den Kompositionsgeheimnissen im WerkRudolf Steiners, Basel: Die Pforte 1990.

Der Sinn des Prophetentums (9.November 1911)

17. Shakespeare: Hamlet, Prinz von Dänemark 1. Akt, 5. Szene

18. Georg Christoph Lichtenberg (1742 - 1799), Göttinger Physiker und Schriftsteller

19. Lucius Bellantius, Arzt und Astrologe aus Siena.

20. Berliner Arzt: Wilhelm Fließ, Begründer der Biorhythmik

21. Der Vortrag «Von Paracelsus zu Goethe», gehalten am 16. November 1911, ist indem Band Menschengeschichte im Lichte der Geistesforschung GA Bibl.-Nr. 61,Dornach 1983 enthalten.

Wie verhält sich die Theosophie zur Astrologie? (1905)

22. Akasha Chronik. Das gesamte historische Weltgeschehen ist in einer feinengeistigen Substanz eingezeichnet. Hier kann es vom Geistesforscher mitentsprechend entwickelten Organen abgelesen werden. Vgl. die in der GA Bibl.-Nr. 11 zusammengefaßten Aufsätze Aus der Akasha-Chronik (1904 - 1908).

23. Nur die höchsten, dem Menschen noch erreichbaren Grade der Intuition reichen daheran. Es gibt im übersinnlichen Erkennen drei Stufen: Imagination (Erkennen inBildform), Inspiration (Erkennen in Tönen) und Intuition (Erkennen in Form derWesensdurchdringung). Dieser letzten und zunächst höchsten Erkenntnisformgehört das wirkliche astrologische Erkenntnisvermögen an. Für eine grundlegendeSchilderung dieser (und weiterer) Erkenntnisstufen siehe das Kapitel «DieErkenntnis der höheren Welten (Von der Einweihung oder Initiation)» in RudolfSteiners Geheimwissenschaft im Umriß (1910), GA Bibl.-Nr. 13.

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Die Weltenuhr (8. Januar 1919)

24. Henri Bergson (1859 - 1941), französischer Philosoph.

25. Die Rätsel der Philosophie in ihrer Geschichte als Umriß dargestellt (1914), GABibl.-Nr. 18.

26. Man hat ihnen drei Dekane zugeteilt. Es gab 36 Dekane im gesamten Tierkreis,folglich für jede Strecke von 10 Grad einen Dekan. Hier unterscheidet man eineägyptische Dekanreihe von einer indischen. Rudolf Steiner benutzt die ägyptischeReihe des griechisch-ägyptischen Astrologen Teukros aus der hellinistischen Zeit.

27. Am Schluß des Vortrags führt Rudolf Steiner verschiedene Beispielezeitgeschichtlicher Art an, wie über die Dinge «bloß hingehuscht» wird. Da dieseBeispiele nicht unmittelbar mit der Thematik dieses Bandes zusammenhängen,werden sie hier weggelassen.

Das Ich und die Sonne (5. Mai 1921)

28. in dem berühmten Gespräch (Schiller und Goethe): Goethe berichtet davon imAufsatz «Glückliches Ereignis», abgedruckt in den NaturwissenschaftlichenSchriften (Kürschners Deutsche National literatur) Band I. Auch in Rudolf SteinerGA Bibl.-Nr. 1a (1975), S. 111/112.

29. astralischer Leib, Astralleib: Dasjenige Wesensglied des Menschen, welches allesSeelische umfaßt. Die Bezeichnung astralisch rührt her von der engen Beziehungder Planetensphären zum Seelischen des Menschen. Aus älterem spirituellemSchrifttum hat Rudolf Steiner diese Bezeichnung übernommen.

30. ätherischer Leib, Ätherleib: nichtmaterielles, übersinnlich wahrnehmbaresWesensglied des Menschen, das als Träger des biologischen Lebens denphysischen Leib durchzieht.

31. Ich: Das vierte Wesensglied des Menschen, dem physischen, ätherischen undastralischen Leibe übergeordnet; der im Menschen anwesende «Tropfen desallgemeinen Geistes» – von göttlicher Natur. Verleiht dem MenschenUnabhängigkeit und Selbstbewußtsein im Erleben seiner Verschiedenheitgegenüber allen anderen Menschen.

Der Zusammenhang des Menschen mit dem Kosmos (29. Oktober 1921)

32. vgl. Anm. 30 zum Vortrag vom 5. Mai 1921 «Das Ich und die Sonne».

33. Da kommt William James und redet von allerlei «Erweckungen»: William James,1842 - 1910, amerikanischer Philosoph, Begründer des Pragmatismus, in seinem WerkThe Varieties of Religious Experience 1902. Deutsch von Wobbermin 1907, Kapitel II«The Reality of the Unseen».

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Der Weg zu einer neuen Geburt (5. November 1922)

34. ... wenn er mit seinem Ich und astralischen Leib untertaucht in seinen Ätherleib undphysischen Leib, vgl. Anm. 29, 30 und 31 zum Vortrag vom 5. Mai 1921 «Das Ich unddie Sonne».

35. Bewußt werden können sie nur für das imaginative, inspirierte und intuitiveBewußtsein, vgl. Anm. 23 vom Aufsatz von 1905: «Wie verhält sich die Theosophiezur Astrologie?»

36. nach dem Tode, wo wir zuerst im Ätherleib, dann im Astralleib sind: unmittelbarnach dem Sterben beginnt zunächst die Rückschau in Form des Lebenstableaus, dasallmähliche Ablegen des Ätherleibes während etwa drei Tagen, daran schließt sichferner das Kamaloka an, das Läuterungsfeuer, während dessen allmählich derAstralleib abgelegt wird in einer Zeit, welche der gesamten Schlafenszeit deszurückgelegten Lebens entspricht. Vgl. die entsprechenden Darstellungen in derTheosophie, GA Bibl.-Nr. 9 und der Geheimwissenschaft GA Bibl.-Nr. 13.

37. «Nicht ich, sondern der Christus in mir». Galaterbrief Kap. 2, Vers 5.

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Quellennachweis

Nach der Rudolf Steiner-Gesamtausgabe (GA) unter Angabe der Bibliographie-Nummer (Bibl.-Nr.), erschienen im Rudolf-Steiner-Verlag, Dornach/Schweiz.

Der Sinn des Prophetentums, 9. November 1911 in: Menschengeschichte im Lichte derGeistesforschung (GA Bibl.-Nr. 61), 2. Aufl. 1983.

Wie verhält sich die Theosophie zur Astrologie?, 1905 in: Lucifer-Gnosis.Grundlegende Aufsätze zur Anthroposophie und Berichte aus der Zeitschrift «Luzifer»und «Lucifer-Gnosis» 1903 -1908 (GA Bibl.Nr. 34), 2., neu durchgesehene Aufl. 1987.

Die Weltenuhr – Der Zusammenhang konkreter Konstellationen von Tierkreis undPlaneten mit der Entwicklung des Menschen, 8. Januar 1918 in: Mysterienwahrheiten undWeihnachtsimpulse. Alte Mythen und ihre Bedeutung (GA Bibl.-Nr. 180), 2., neudurchgesehene Aufl. 1980.

Das Ich und die Sonne – Der Mensch innerhalb der Sternenkonstellation, 5. Mai 1921in: Perspektiven der Menschheitsentwickelung. Der materialistische Erkenntnisimpulsund die Aufgabe der Anthroposophie (GA Bibl.-Nr. 204), 1979.

Die Formung des Menschen aus dem Universum, 28. Oktober 1921

und

Der Zusammenhang des Menschen mit dem Kosmos in bezug auf sein Leben, 29.Oktober 1921 in: Anthroposophie als Kosmosophie – Zweiter Teil: Die Gestaltung desMenschen als Ergebnis kosmischer Wirkungen (GA Bibl.-Nr. 208), 1972.

Der Weg zu einer neuen Geburt durch Planeten und Fixsternwesen, 5. November 1922in: Geistige Zusammenhänge in der Gestaltung des menschlichen Organismus (GA Bibl.-Nr. 218), 1972. (Dort unter dem Titel: Die verborgenen Seiten des Menschendaseins undder Christus-Impuls).

Schicksalsbestimmende und menschenbefreiende Planeten, 27. Juli 1923 in:Initiationswissenschaft und Sternenerkenntnis (GA Bibl.-Nr. 228), 1964.

Zwölf Stimmungen, 1915 in: Wahrspruchworte (GA Bibl.-Nr. 40), 4., durchgeseheneAufl. 1978.

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