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Robin Wood Magazin 1/2008

Date post: 14-Mar-2016
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Hotspot Afrika
48
Leben heißt handeln magazin 2.95 € · ISSN 1437-7543 · Nr. 96/1.2008 Hotspot Afrika SCHWERPUNKT Bahn frei – fürs Gemeinwohl TATORTE Dresden: 35 Tage Baumbesetzung PERSPEKTIVEN Indianercamp für Großstadtkinder
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Page 1: Robin Wood Magazin 1/2008

Leben heißt handeln

magazin

2.95 € · ISSN 1437-7543 · Nr. 96/1.2008

Hotspot Afrika

SCHWERPUNKT Bahn frei – fürs Gemeinwohl

TATORTE Dresden: 35 Tage Baumbesetzung

PERSPEKTIVEN Indianercamp für Großstadtkinder

Page 2: Robin Wood Magazin 1/2008

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inhalt

verkehr

tatorte

Seite 16

Seite 6

Seite 30

6 Hotspot Afrika

10 Energie in Afrika

12 Kampf um Rohstoffe

Geteilte Räume 14

Bahn frei - fürs Gemeinwohl 16

Flughafen Frankfurt 18

Berlin Brandenburg International 19

Flughafen München 20

Luftverkehr und Emissionshandel 21

Drachten: Magic Moments 22

Ghana: Auf Crash-Kurs 24

28 Bahn für alle

28 Autofixiertes Lüneburg

29 Atommüll und Störfälle

29 Saubere Kohle ist eine dreckige Lüge

30 35 Tage auf der besetzten Buche in Dresden

Nr. 96/1.08

titel

Foto: Judith Schmidt

Foto: Marc Engelhardt

Foto: Thorsten Eckert

Page 3: Robin Wood Magazin 1/2008

3

inhalt

perspektiven

tropenwald

Seite 44

Seite 42

Seite 34

Trommeln und Feuermachen 42

34 Gewalt für Ölpalmen in Kolumbien

37 Indonesien: „Palmöl zerstört unser Leben“

38 Geld das auf Bäumen wächst

internes

44 Happy Birthday, ROBIN WOOD!

46 „Lerne mehr, verbrauche bewusst“

impressum46

bücher

Stadtnatur 39Klima-Countdown: Malaria boomt 40

Pendos CO2-Zähler 41

Klimawandel mal anders. Was tun? 41

Nr. 96/1.08

wald

32 Baumklettern wirkt!

33 Karibus: 5000 Protestbriefe

Foto: Comision Intereclesial de Justicia y Paz, Colombia

Foto: Annette Lübbers

Page 4: Robin Wood Magazin 1/2008

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editorial

Nr. 96/1.08

Rund 10.000 Menschen demonstrierten am 8. Dezem-

ber bundesweit, um wirksame Maßnahmen gegen

den drohenden Klimawandel zu fordern. Zur gleichen

Zeit trafen sich die politisch Verantwortlichen dieser Welt

auf Bali zum UN-Weltklimagipfel. Wenn man sich am

politisch Erwartbaren orientierte, war Bali ein kleiner Erfolg,

denn alle teilnehmenden Staaten, auch die USA, unter-

zeichneten das Abschlussdokument. Allerdings war Bali ein

großer Misserfolg, wenn man sich daran orientiert, welche

Maßnahmen zur Rettung des Klimas notwendig wären.

2012 läuft das Kioto-Abkommen aus, bis dann muss eine

Neuregelung gefunden werden. Bei den Verhandlungen

auf Bali ist nicht viel mehr als eine Absichtserklärung und

eine Einigung darüber herausgekommen, wie weiterver-

handelt werden soll. Dabei müssen die Industrienationen,

als Hauptverursacher des Klimawandels, dringend handeln

und dazu gehören so unbequeme Maßnahmen wie den

Individual- und Flugverkehr verringern und das Sparen von

Energie. Die Hauptlast des Klimawandels werden die Länder

des Südens tragen müssen, die selbst am wenigsten zum

Klimawandel beitragen. Auf einer Reise durch Afrika hat

Marc Engelhardt erlebt, wie sehr Afrika schon heute unter

dem Klimawandel leidet. Mehr dazu erfahren Sie im titel

dieser Ausgabe.

Von Mitte Dezember bis Mitte Januar 08 hielten ROBIN

WOOD-AktivistInnen eine mehr als 200 Jahre alte Buche

besetzt. Die Buche sollte gefällt werden, um einer sieben-

spurigen Zufahrtstraße für die geplante Waldschlösschen-

brücke über der Elbe Platz zu machen. Wird die Bücke

gebaut, droht dem Elbtal bei Dresden die Aberkennung des

Status als Weltkulturerbe. Die Unterstützung der AktivistIn-

nen durch die Bevölkerung in Dresden war überwältigend.

Es wurde gekocht, Ständchen gesungen, Kinder malten

Bilder. Mehrere Tausend Menschen demonstrierten gegen

den Brückenbau und für den Erhalt der Buche. Allerdings

vergebens: Am 15. Januar wurden die BesetzterInnen von

der Polizei brutal aus der Buche geräumt und der Baum am

nächsten Morgen gefällt.

Den AktivistInnen und der Dresdener Bevölkerung ging es

nicht nur darum einen uralten Baum zu retten, sondern um

für ein zukunftsweisendes Verkehrskonzept einzutreten.

Eines, das nicht auf immer mehr Straßen für immer mehr

Verkehr setzt, sondern kluge Ideen entwickelt, z.B den

öffentlichen Verkehr zu fördern, um die Belastung durch

Feinstaub für die Menschen in einer Großstadt zu verringern.

Über den Verkehr der Zukunft geht es auch im schwer-

punkt dieser Ausgabe. Die AutorInnen berichten über Neues

von der Kampagne „Bahn für alle“, stellen die Ausbaupläne

für deutsche Flughäfen vor und zeigen warum Verkehr ganz

ohne Verkehrsschilder am besten fließt.

Viel Spaß bei der Lektüre wünscht Ihnen für die Schwedt/

Berliner Redaktion

Foto: Romuald Buryn

Liebe Leserinnen und Leser!8. Dezember 2007, Berlin: Redaktion demonstriert für wirksamen Schutz des Klimas

Page 5: Robin Wood Magazin 1/2008

5

tatorte

Nr. 96/1.08

35 Tage besetzten ROBIN WOOD-AktivistIn-nen eine mehr als 200 Jahre alte Buche, um gegen den Bau der Waldschlösschenbrücke in Dresden zu protestierenFoto: Lutz Benke

Page 6: Robin Wood Magazin 1/2008

titel

Nr. 96/1.086

Foto: Marc Engelhardt

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7

titel

In Bali kam es, wie es kommen

musste: Vor allem der Streit zwi-

schen EU und USA drohte, den Gipfel

scheitern zu lassen. Während jeder

Wortfetzen eines europäischen Mi-

nisters oder Unterhändlers höchsten

Newswert besaß, gingen die Stimmen

Afrikas unter – wenn es denn über-

haupt welche gab. Zwar behaupteten

beim Klimagipfel auf der indone-

sischen Ferieninsel gutmeinende

DiplomatInnen, Afrikas Regierungen

hätten sich so deutlich wie nie zu

Wort gemeldet. Doch da war viel

Höflichkeit dabei. Die wenigen Dele-

gierten, die die afrikanischen Staaten

– übrigens der größte Staatenblock

innerhalb der UN – sich zu schicken

leisten konnten, wurden am vor-

letzten Konferenztag beim Shoppen

gesichtet, ärgerten sich Vertrete-

rInnen der Umweltorganisationen. Zu

detailliert war oft der Streit, zu um-

fangreich das Konferenzprogramm,

als dass ein oder zwei VertreterInnen

eines der ärmsten Länder der Welt

glaubten, einen Unterschied ma-

chen zu können. Dabei, so betonten

KlimaforscherInnen immer wieder,

wird kein Kontinent mehr unter dem

Klimawandel zu leiden haben als

Afrika - und keiner ist so wenig auf

die Folgen vorbereitet.

Das merken in Afrika längst selbst

diejenigen, die die wissenschaftlichen

Hintergründe nicht kennen. Der Kli-

mawandel hat das alltägliche Leben

der Ärmsten verändert. Eine Reise

quer durch den Kontinent, die mich

im Sommer für einen Dokumentar-

film durch Afrika führte, sollte diese

Vermutung bestätigen.

Die Reise beginnt auf einem Feld im

äthiopischen Hochland. Ato Mulu-

alem Birhane und seine Frau hocken

zwischen dem Tef, dem wichtigsten

einheimischen Getreide, und rupfen

Unkraut aus. Maschinen gibt es hier

nicht auf den kleinen und unebenen

Feldern, alles geht von Hand. „Die

Ernte könnte gut werden in diesem

Jahr,“ sagt der 48-jährige Mulualem.

Wenn das Wetter mitspielt. „Früher

gab es einmal im Jahr eine feste

Regenzeit, aber seit ein paar Jahren

kommt sie, mal kommt sie nicht,

dann regnet es zu stark oder zur

falschen Zeit.“ Hinter den beiden

Eheleuten, die seit 1991 hier im Dorf

Dembecha gut 300 Kilometer nörd-

lich der Hauptstadt Addis Abeba ihre

Farm betreiben, türmen sich dunkle

Wolken auf. In der Ferne donnert es.

Extreme Wetterereignisse erleben die

Bauern hier inzwischen immer öfter.

2006 kamen bei den schlimmsten

Fluten seit Jahrzehnten 900 Men-

schen ums Leben, Hunderttausende

verloren ihren ganzen Besitz. „Sol-

che Fluten haben wir vorher noch

nie gesehen“, sagt der Vorsitzende

des Äthiopischen Umweltforums,

Negusu Aklilu. „Und nicht nur

Überschwemmungen, auch Dürren

werden in Äthiopien allmählich zu

einem fast alltäglichen Phänomen.“

Die Folgen sind katastrophal, denn

in Äthiopien, einem der ärmsten

Länder der Welt, sind praktisch alle

Bauern auf die Geschicke des Wet-

ters angewiesen, um eine lohnende

Ernte einfahren zu können. Ähnlich

ist es in anderen Teilen Afrikas. Der

Farmer Mulualem berichtet, dass das

Wetter selbst dann verrückt spielt,

wenn der Himmel blau ist. „Früher

hatten wir hier im Hochland mode-

rate Temperaturen, aber inzwischen

ist es heiß, zu heiß.“

Die gestiegenen Temperaturen

beklagt auch Peter Mireri von der

Kein Kontinent hat so sehr unter dem Klimawandel zu leiden wie Afrika. Die Auswirkungen beeinträchtigen längst das Leben vieler AfrikanerInnen.

Tenadi, Mauretanien: Um-weltschützer Sidi el Moctar steht auf einer der Dünen, die den Fortbestand der von ihm verwalteten Oase bedrohen

Hotspot Afrika

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titel

Umweltgruppe „Friends of Lake Victo-

ria“, nur die Auswirkungen sind andere.

Mit Sorge schaut er einen Steg hinab,

der gut 150 Meter vor ihm in den See

ragt. „Hier, zu meinen Füßen, haben

wir 2004 unsere Boote vertäut“, erklärt

Mireri. Er zeigt zum Ende des Stegs.

„Inzwischen mussten wir den Steg bis da

hinten verlängern, und das in nur zwei

Jahren!“ Nach drei Jahren Dürre hat es

in diesem Jahr am Viktoriasee erstmals

wieder geregnet, doch der Pegel hat sich

kaum erhöht. Die Trockenheit hat den

größten See Afrikas schwer getroffen:

Zu 70 Prozent speist sich das Wasser

aus Regenfällen, wichtige Zuflüsse gibt

es kaum, weiß Mireri. „Weil es wärmer

geworden ist, verdunstet das Wasser

zudem auch noch stärker.“

Mireri ist sich sicher, dass der sinkende

Pegel einer der Hauptgründe dafür ist,

dass es immer weniger Fische im See

gibt. Die Netze der wenigen, die noch

von Kisumu aus in See stechen, bleiben

immer öfter leer. Verlierer des Fisch-

Schwunds sind die BewohnerInnen Kisu-

mus, die sich ihren Fisch immer seltener

leisten können: Der Preis hat sich binnen

zwei Jahren vervierfacht. „Natürlich ist

der Klimawandel nur ein Faktor von

mehreren“, sagt Mireri. Überfischung,

Ablassen des Wassers in Kraftwerke

auf der ugandischen Seite und andere

Faktoren spielen auch eine Rolle. „Aber

der Klimawandel kommt obendrauf, ver-

schlimmert die ohnehin schlimme Lage

und gibt dem See den letzten Rest.“

Einige hundert Kilometer weiter westlich,

im Herzen Afrikas, steht das staatliche

Krankenhaus von Hoima. Jeden Tag

stirbt auf der Kinderstation mindestens

einer an einer Krankheit, gegen die es

keine Impfung gibt: Malaria. Die von

Moskitos übertragene Krankheit kann

in kurzer Zeit akute Formen annehmen.

Schätzungen der UN zufolge sterben

jährlich bis zu 2,7 Millionen Menschen

an der von Anophelesmücken übertra-

genen Krankheit. Drei Viertel der Opfer

sind Kinder.

Hoima, Uganda: Eine Mutter am Bett ihres an Malaria erkrankten Kindes

Kisumu, Kenia: Im einst geschäftigsten Fischereihafen der Stadt wird heute allenfalls noch Holzkohle ausgeladen - andere Boote verrotten

Nr. 96/1.08

Fotos: Marc Engelhardt

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titel

Mehr als 5000 malariakranke

Kinder nehmen der Kinderarzt Tom

Ediamu und seine KollegInnen

jeden Monat auf. „Es gab hier

schon immer Malaria, aber seit ein

paar Jahren nimmt die Zahl der

Fälle ständig zu.“ Die Gründe für

den Ansturm sind Ediamu klar. „In

der langen Regenzeit zwischen

September und November regnet

es seit einigen Jahren viel mehr als

üblich.“ Wo in diesen warmen Mo-

naten das Wasser steht, entwickeln

sich die Larven des Überträgers,

der Anophelesmücke, besonders

schnell und in großer Zahl. Die

Beobachtung des Arztes deckt sich

mit der Analyse des Weltklimarats

IPCC. Ähnliche Entwicklungen do-

kumentiert er überall in Afrika, seit

sich die Regenzeiten in Folge des

Klimawandels verschoben haben.

Weil es insgesamt wärmer ist,

breitet sich die Malaria selbst dort

aus, wo der Erreger wegen kühler

Temperaturen früher nicht über-

leben konnte, etwa im Hochland.

„Ich komme aus dem Südwesten

Ugandas und hatte nie Malaria, bis

ich mit 18 nach Kampala gezo-

gen bin“, erinnert sich Achilles

Byaruhanga, Direktor von „Nature

Uganda“. An Malariafälle in seiner

Heimat am Fuß der Rwenzori-

berge kann Byaruhanga sich nicht

erinnern. „Heute wird die gleiche

Gegend als endemisches Gebiet für

Malaria geführt, die Zahl der Fälle

nimmt ständig zu.“

Letzte Etappe: der ferne Westen

Afrikas. Im leichten Zelt der Noma-

den gießt Aïcha den Tee in einer

Zeremonie auf, die Jahrhunderte

alt ist. Die Tradition in Mauretanien

gebietet es, dass jeder Besucher,

der die Sahara durchquert hat,

mindestens drei Tassen leeren

muss - so soll das Überleben der

Reisenden gesichert werden. Doch

entgegen aller Tradition sind in

Tenadi im Süden des Wüstenstaats

die Nomaden längst sesshaft ge-

worden. Seit der ersten schweren

Dürre in den 70er Jahren schützt

Sidi el Moctar die letzte Oase,

die hier noch Wasser führt und

den neu sesshaften Nomaden ein

bisschen Land- und Viehwirtschaft

ermöglicht. 5000 Bäume müssen el

Moctar und seine HelferInnen jedes

Jahr anpflanzen, um die Dünen

aufzuhalten, die wegen höherer

Temperaturen und der immer

größeren Trockenheit schneller

vormarschieren als je zuvor. Das

Vordringen der Wüste in den

Sahelgürtel, in Mauretanien das

fruchtbarste Land, können selbst

die lebenden Schutzwälle immer

schlechter aufhalten. „Wir haben

sehr viel Angst vor dem Klimawan-

del”, sagt el Moctar, „Wir drohen

unterzugehen, wenn wir nicht

unermüdlich gegen den Vormarsch

der Wüsten und den Klimawandel

kämpfen.”

Längst fordern die afrikanischen

UmweltschützerInnen, die ich auf

dieser Reise getroffen habe, von

den Industrieländern des Nordens

nicht mehr nur die Reduzierung

von Treibhausgasen. Sie wollen

von den unbestrittenen Verursa-

chern des Klimawandels vor allem

Hilfe, um die Folgen abzufedern.

Für die nötige Anpassung an die

veränderten Lebensbedingungen

werden Millionensummen benö-

tigt, schätzt Negusu Aklilu.

Er ist enttäuscht, wie wenig Hilfe

Afrika bislang bekommt. „Es

gibt ein Sprichwort, das lautet:

Das Gegenteil von Liebe ist nicht

Hass, sondern Gleichgültigkeit. Ich

glaube nicht, dass Politiker überall

auf der Welt den ärmsten Teil der

Erde hassen, aber wir sind ihnen

egal. Und indem sie so gleichgültig

sind, sorgen sie dafür, dass die

Ärmsten hier leiden.“

Marc Engelhardt arbeitet von

Nairobi aus als freier Afrika-Kor-

respondent und ist auf Umwelt-

und Klimathemen spezialisiert.

Für die Heinrich-Böll-Stiftung

hat er die Dokumentation “Hot-

spots – Afrikas Stimme gegen

den Klimawandel” gedreht.

Mehr Infos unter www.african-

climateappeal.org oder

www.oneplanetmedia.de

Nr. 96/1.08

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titel

Nr. 96/1.0810

Energie in Afrika

Möglicherweise darf man die Ver-

abredung nicht zu hoch hängen,

ist sie doch nur einer von 118 Punkten,

die in der EU-Afrika-Strategie stehen. Sie

zeigt jedoch eine neue Qualität im Dialog

zwischen der EU und Afrika, in dem

Afrika neben der Rolle als Rohstoffliefe-

rant auch als Partner und vor allem als

Markt (eben auch für Atomkraft) ernster

genommen wird. Immerhin war der EU-

Afrika-Gipfel der erste seit sieben Jahren.

Die Staats- und Regierungschefs der EU

und der Afrikanischen Union hatten sich

zuletzt im Jahr 2000 in Kairo getroffen.

Zwei Gründe führten vor allem zu diesem

weiteren Gipfel: Zum einen beschert

der weltweite Rohstoff-Hunger einigen

Ländern des Kontinents länger anhal-

tendes, bedeutendes wirtschaftliches

Wachstum. Zum anderen interessieren

sich für die reichen Rohstoffvorkom-

men nicht länger nur die Europäer und

Amerikaner, sondern auch die Chinesen.

Obwohl „nur“ 10 Prozent des Ölexports

Afrikas nach China fließt, im Verhältnis

zu je 35 Prozent nach Europa und in die

USA, wird China als ernste Bedrohung

europäischer Interessen wahrgenom-

men. Um also die eigenen Interessen

klar zu machen und zu wahren, fand im

Dezember der Gipfel statt.

Tatsächlich verfügt Afrika zum Beispiel

über bedeutende Öl-, Erdgas-, Eisen-

erz-, Kupfer-, Bauxit- und Uranreserven.

Gleichzeitig profitieren von diesen

Reichtümern nur wenige, was sich am

Beispiel Energie gut zeigen lässt. Afrika

produziert etwa 10 Prozent der kom-

merziellen Energie weltweit, während

es nur etwa 5 Prozent selbst ver-

braucht. Die Elektrifizierung, besonders

im ländlichen Raum, ist extrem niedrig,

77 Prozent der Haushalte in Subsahara-

Afrika haben keinen Strom. Das liegt

an der im ländlichen Raum zum Teil

sehr dünnen Besiedlung, die den Bau

von Stromnetzen zu einem sehr teuren

Unterfangen macht, das wegen der

geringen Kaufkraft schwer finanzierbar

ist. Im dichter besiedelten, städtischen

Raum ist die Elektrifizierung höher.

Aktuell lebt eine deutliche Mehrheit (65

Prozent) im ländlichen Raum, allerdings

wandern immer mehr Menschen in die

Städte ab.

Wegen der niedrigen Elektrifizie-

rungsrate spielen die Nicht-Strom-

Energiequellen für die Haushalte eine

bedeutende Rolle. Etwa 70 Prozent

der Bevölkerung in Subsahara-Afrika

sind von traditioneller Biomasse als

Energiequelle abhängig, vor allem Holz

und Holzkohle, mit den vorhersehbaren

Auswirkungen wie Entwaldung und

Versteppung. Nur Südafrika besitzt so

umfassende Kohlevorkommen, dass

diese einen bedeutenden Anteil in der

Stromproduktion einnimmt.

Südafrika nimmt zudem eine Sonder-

stellung auf dem Kontinent ein, da es

als einziges Land bereits Atomkraft

nutzt, die allerdings nur 4,4 Prozent zur

nationalen Stromversorgung beiträgt.

Seit Jahren verfolgt der staatliche

südafrikanische Energieversorger Eskom

Pläne, die Atomkraft auszubauen. Dies

soll mit einem neuartigen Kugelbett-

Reaktortyp geschehen. Investoren für

dieses Projekt kommen und gehen:

Ein amerikanischer Investor, Exelon,

der sich beteiligte und den Reaktor-

Die Katse-Talsperre, mit 185 Metern die höchste Afrikas, versorgt Südafrika mit Wasser. Für den Bau mussten mehrere Dörfer umgesiedelt werden

Der Handelsreisende in Sachen Atomenergie, Nicolas Sarkozy, kann zufrieden sein: In der EU-Afrika Strategie, die am 8. und 9. Dezember 2007 in Lissabon verabschiedet wurde, verabreden EU und Afrika einen Dialog über die Nutzung der Atomenergie.

Foto: Afrika aktuell/Schadhauser

Page 11: Robin Wood Magazin 1/2008

11

titel

typ ebenfalls in den USA bauen wollte,

zog sich jedoch 2002 aus dem Pro-

jekt zurück. Verhandlungen mit dem

französischen Atomkonzern Areva über

gemeinsame Forschung und Entwick-

lung scheiterten an Arevas Bedenken,

dass die geringe Leistung des geplanten

Reaktortyps zwischen 125 und 165 MW

den Preis für die Kilowattstunde zu teuer

machen würde. Nun hofft Eskom auf die

Toshiba Tochter Westinghouse Electric,

die an dem Projekt beteiligt ist.

Mehr Erfahrung als mit der Stromgewin-

nung durch Atomkraft gibt es in Afrika

mit der Bereitstellung des nötigen Brenn-

stoffs, denn 20 Prozent der Welturanvor-

räte befinden sich auf dem Kontinent.

Bedeutender Abbau findet in Namibia

und im Niger statt. Dabei ist der Uranab-

bau in trockenen Gegenden besonders

problematisch: Ein Gutachten zur neuen

Uranmine „Langer Heinrich“ in Namibia

hat ergeben, dass der Wasserverbrauch

der Mine zehn Prozent der gesamten

Wasserförderung Namibias benötigt.

Dies ist nötig, da die Abtrennung des

Urans aus dem gemahlenen Erz, seine

Reinigung und die Kontrolle des giftigen,

radioaktiven Staubs wegen des Wüsten-

klimas sehr viel Wasser verschlingen.

Im Niger ist Areva im Uranabbau aktiv

und hat für sein Engagement dieses Jahr

den „Public Eye Award“ gewonnen, den

die Schweizer Organisationen „Erklärung

von Bern“ und „pro natura“ an beson-

ders skrupellose Unternehmen vergeben.

In der Begründung für die Nominierung

heißt es: „Schon einmal davon gehört,

dass man von radioaktiver Strahlung

HIV/Aids bekommt? Nein? Ist ja auch

kein Wunder. Auch dem französischen

Atomkonzern Areva ist das klar – und

trotzdem lautet in den firmeneigenen

Krankenhäusern die Diagnose oft HIV-

positiv, statt den eigentlich krebskranken

Minenarbeitern die Wahrheit zu sagen.

Das geschieht aktuell im Norden Nigers,

wo Areva als Mehrheitsaktionärin zweier

Minengesellschaften (Somaïr und Comi-

nak) Uran abbauen lässt. Der Grund für

solche Falschdiagnosen: Das französische

Staatsunternehmen will die Behand-

lungskosten für ehemalige Mitarbeiter

nicht bezahlen. Die Minenarbeiter und

deren Familien werden nur mangelhaft

über die Gesundheitsrisiken des Uranab-

baus informiert. Analysen zeigen die

deutliche radioaktive Verseuchung von

Luft, Wasser und Boden. Verunreinigtes

Material wird einfach unter freiem Him-

mel gelagert.“ (http://www.publiceye.

ch/de/p63000003.html)

Wasserkraft wird als eines der großen

Energiepotenziale für Afrika angesehen.

Schätzungen von EU und UNDP sehen

17 Prozent des weltweiten Wasserkraft-

potenzials in Afrika. Allerdings sind die

Erfahrungen mit bereits gebauten, oder

im Bau befindlichen Staudämmen denk-

bar schlecht. Etwa in Lesotho, wo gleich

fünf Staudämme gebaut werden sollten,

um Wasser nach Südafrika zu verkaufen

und Strom zu produzieren. Die Kosten

explodierten und das Wasser aus den

beiden fertigen Dämmen ist für viele

SüdafrikanerInnen nicht erschwinglich.

Für die Kostenexplosion war vor allem

weit verbreitete Korruption verantwort-

lich. Lesotho hat in einem spektakulären

Prozess die im Land Verantwortlichen

und die beteiligten internationalen

Konzerne vor Gericht gebracht. Der

kanadische Baukonzern Acres Internati-

onal und die deutsche Firma Lahmeyer

International wurden verurteilt.

Lahmeyer International ist auch Gene-

ralunternehmer beim Bau des Merowe

Staudamms im Sudan, wo der Nil zu

einem Wasserkraftwerk mit 1250 MW

aufgestaut werden soll. Die sudanesische

Regierung ließ dafür 50.000 Kleinbauern

aus dem Niltal vertreiben, Proteste wur-

den brutal niedergeschlagen, im Februar

2006 sogar drei Menschen getötet.

Ebenfalls den Nil aufstauen und dabei

250 MW produzieren soll der Bujagali-

Staudamm in Uganda, auch hier ruft

das Projekt breite Proteste hervor. Neben

ökologischen Bedenken ist dabei die

Korruption eine große Sorge, die das

Projekt 2003 bereits einmal stoppte. Nun

wird weiter geplant. Frank Maramuzi

von der ugandischen Organisation Nati-

onal Association of Professional Environ-

mentalists fürchtet: „Der im Bujagali-

Staudamm produzierte Strom wird so

teuer werden, dass ihn sich die meisten

Menschen und besonders die, die am

meisten unter dem Damm zu leiden

haben, nicht werden leisten können.“

Nr. 96/1.08

Damit spricht er ein entscheidendes

Kriterium für nachhaltige Energiepro-

jekte an. Ibrahim Togola, malischer Ener-

gieexperte, formuliert dies so: „Natürlich

sind Energie und Strom extrem wichtig

für die Entwicklung eines Landes. Aber

einen Grundsatz muss man dabei unbe-

dingt beachten: Was die meisten Men-

schen in Afrika von Energieprojekten

erwarten und brauchen, sind Möglich-

keiten, zusätzliches Einkommen zu er-

wirtschaften. Nur dann können sie auch

für den Strom bezahlen.“ Er hat selbst in

Südmali an einem solchen Projekt mitge-

arbeitet. Dort hat die Gemeinde Garalo

ein 300 MW Kraftwerk errichtet, das

mit Jatropha (Purgiernuss)-Öl betrieben

werden soll. Die für das Öl notwendigen

Jatrophapflanzen bauen die Bauern und

Bäuerinnen der Gemeinde dezentral auf

ihren Äckern an, neben ihren übrigen

Agrarprodukten. Durch den Verkauf

der Purgiernuss können sie zusätzliches

Einkommen erwirtschaften und damit

unter anderem den erzeugten Strom

bezahlen. Für Togola liegt die Ener-

giezukunft Afrikas in solchen kleinen,

dezentralen Projekten, die von kleinen

und mittleren afrikanischen Unterneh-

men realisiert werden und nicht von den

großen Multis, seien sie aus Europa, den

USA oder China.

Regine Richter arbeitet in Berlin für die Umwelt- und Menschenrechts-

organisation urgewald [email protected]

Energie und Gewinne der nahen Ölpipeline nützt diesen Pygmäen im Tschad nichts. Im Gegenteil, sie beeinträchtigt ihren Lebensraum

Foto: Korinna Horta, Environmental Defense

Page 12: Robin Wood Magazin 1/2008

titel

Nr. 96/1.0812

Kampf um Rohstoffe Nicht immer sind die Beziehungen zwischen Konflikt und dem Abbau eines Roh-stoffes so eindeutig wie im Film „Blood Diamonts“ und der Reichtum an Rohstoffen in einem Land führt nicht zwangsläufig zu gewaltsamen Konflikten. Allerdings scheinen rohstoffreiche Länder anfälliger für Konflikte zu sein als rohstoffarme.

Mögliche Ursachen für Konflikte

liegen darin, wie Ressourcen

abgebaut werden, wie die Einnahmen

aus diesem Sektor verteilt werden und

wie die lokale Bevölkerung in Entschei-

dungen über die Entwicklung der be-

troffenen Region einbezogen wird. Häu-

fig vergrößern sich bestehende soziale

und ethnische Spannungen, wenn die

Industrie ihre Vorhaben ohne Rücksicht

auf die Menschen vor Ort umsetzt.

Natürliche Ressourcen waren in der Ver-

gangenheit Ziele oder Hilfsmittel von

Kriegsführung und werden dies auch

in Zukunft bleiben. Kriegsführende Par-

teien brauchen Geld und sie nehmen

es sich, wo sie es bekommen können.

Häufiger als andere Industriezweige ist

die Erdöl- und Bergbauindustrie in Kon-

flikte verstrickt. Rohstoffe lagern meist

in entlegenen Regionen und bilden oft

eine „Insel des Reichtums“ inmitten

bitterer Armut. Unternehmen tragen zu

Konflikten bei, in dem sie existierende

soziale Ungleichheiten vergrößern,

wenn sie versuchen Steuern zu vermei-

den und wenn sie durch Bestechung

und Intransparenz zur Erhaltung kor-

rupter Machtstrukturen beitragen. Oder

indem sie zur Sicherung ihrer Interessen

autoritäre Regime unterstützen. Operie-

ren Bergbau- und Erdölunternehmen in

(Bürger-)Kriegsregionen, lassen sie ihre

Anlagen durch bewaffnete Sicherheits-

kräfte schützen und sehen sich häufig

gezwungen, Schutzgelder an bewaff-

nete Konfliktparteien zu entrichten.

Auch dies trägt zur Verschärfung

bestehender Konflikte bei.

Um Konflikten vorbeugen zu können,

ist es wichtig, mit dem Gewinn aus

dem Geschäft mit den Rohstoffen die

Lebenssituation der Menschen in der

betroffenen Region zu verbessern.

Dazu gehört, eine transparente und

gerechte Verteilung der Einnahmen

aus dem Rohstoffsektor, eine so-

zial und ökologisch verantwortliche

Unternehmenspolitik, eine transpa-

rente Steuerpolitik und eine staatliche

Politik, die nicht nur die Interessen der

Unternehmen sondern auch die der

lokalen Bevölkerung schützt. Dafür

müssen demokratische Institutionen

und eine vielfältigere Wirtschaft entwi-

ckelt werden.

Aus Anlass der deutschen G8-Präsidentschaft in

diesem Jahr hat die Heinrich-Böll-Stiftung einen

Dialog ins Leben gerufen, bei dem sich zivilgesell-

schaftliche RepräsentantInnen und Wissenschaft-

lerInnen aus Nigeria, Kenia, Angola, Kamerun,

Tschad, Südafrika, Liberia, China, Indien, Brasilien,

Russland, Mexiko, Nordamerika und Europa auf

einen gemeinsamen Reformvorschlag verständigt

haben. Das wichtigste Ergebnis dieses Dialogs

ist das Memorandum „Haben und Nichthaben

– verantwortungsvolle Ressourcenpolitik im 21.

Jahrhundert“. Es analysiert bestehende Initiati-

ven, Standards und Mechanismen der globalen

Ressourcenpolitik und formuliert politische Forde-

rungen und Empfehlungen an die G8-Staaten für

einen verantwortungsvollen Umgang mit natür-

lichen Ressourcen. Politisch unterstützt wird das

Memorandum von der liberianischen Präsidentin

Ellen Johnson-Sirleaf, dem US-amerikanischen

Investmentbanker und Gründer des Open Society

Instituts George Soros, Ed Zwick, dem Regisseur

des Films „Blood Diamond“, von Peter Eigen,

Gründer von Transparency International und

Vorsitzender der Extractive Industries Transparency

Initiative (EITI) sowie von der Fatal Transactions

Campaign.

Das Memorandum steht unter www.boell.de/re-

source_governance zum Download bereit. Außer-

dem bietet das Webdossier unter dieser Adresse

weitere Hintergrundtexte und Materialien zum

Thema Governance und nachhaltige Rohstoffpoli-

tik. Kontakt: Lili Fuhr, Referentin für Internationale

Politik, [email protected], 030/28534304

Haben und Nichthaben – Verantwortungs-

volle Ressourcenpolitik im 21. Jahrundert

Page 13: Robin Wood Magazin 1/2008

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titel

Mit dem Kimberley Prozess (Kimberley Process Certification Scheme)

hat die internationale Gemeinschaft eine erste Antwort auf das Pro-

blem des Handels mit Konfliktrohstoffen gegeben. Es ist ein internati-

onales Zertifizierungsverfahren auf Regierungsebene, das den Handel

mit Blutdiamanten unterbinden will. Der seit dem Januar 2003

installierte und von der UN-Generalversammlung und dem UN-Sicher-

heitsrat unterstützte Kimberley-Prozess fordert Regierungen auf, die

Herkunft von Rohdiamanten zu bestätigen, um zu garantieren, dass

sie nicht aus Konfliktgebieten stammen. Die beteiligten Länder sind

verpflichtet ein Kontrollsystem für den Import und Export von Rohdi-

amanten aufzubauen. Der Kimberley-Prozess war die Lösung, um zu

verhindern, dass Rebellengruppen ihre Kriegsführung aus den Erlösen

des Diamantenhandels finanzieren. Man wird aber schwer für jede

natürliche Ressource, die gehandelt wird, um damit einen Konflikt zu

finanzieren, einen Kimberley-Prozess in Gang setzen können.

Ein möglicher erster Schritt in diese Richtung könnte die Definition

von „Konfliktrohstoffen“ sein. Denn bisher gibt es kein klares Ver-

ständnis darüber, unter welchen Umständen ein Rohstoff zu einem

Konfliktrohstoff wird. Global Witness hat dazu einen Vorschlag entwi-

ckelt: Konfliktressourcen sind natürliche Ressourcen, deren systemati-

sche Ausbeutung und Handel in Verbindung mit einem Konflikt dazu

beiträgt, daran profitieren lässt oder dazu führt, dass es zur Beteili-

gung an gravierenden Menschenrechtsverletzungen, Verletzungen

des internationalen Völkerrechts oder zu Verletzungen kommt, die

nach internationalem Recht auf Verbrechen hinauslaufen.

Eine Definition an sich ist keine Lösung des Problems. Aber sie kann

einen Mosaikstein in einem umfassenden Konzept zur Konfliktlösung

im internationalen Rahmen darstellen, in dem gezielte Sanktionen,

wie das Einfrieren von Konten und Reiseverbote, und die Überwa-

chung ihrer Einhaltung und Maßnahmen zum Wiederaufbau ineinan-

der greifen. Maßnahmen

auf UN-Ebene, um den

Handel mit Konfliktrohstof-

fen zu stoppen, müssen je-

doch durch Aktivitäten auf

anderen Ebenen ergänzt

werden: zum Beispiel durch

eine bessere Koordination

von Strafverfolgung auf

EU-Ebene und eine besser

abgestimmte Außen- und

Sicherheits-, Entwicklungs-

und Handelspolitik auf

nationaler Ebene.

Heidi Feldt, freie Gutach-

terin in Essen und

Lili Fuhr, Berlin

Nr. 96/1.08

Der Hollywood-Streifen Blood Diamonts mit Leonardo DiCap-

rio in der Hauptrolle hat es eindringlich illustriert: Wie in

einem übertriebenen Wildwest-Kinofilm der 1950er Jahre wirken

die brutalen Szenen im Drama von Charles Leavitt und Gabi

Mitchell. Doch sie sind bitterer Alltag in afrikanischen Ländern

wie Sierra Leone, Angola oder Liberia. Der erbitterte Kampf um

Rohstoffe hat verheerende Folgen für die Bevölkerung. Allein

der Konflikt um die fünf begehrtesten Bodenschätze im Kongo

- Coltan, Diamanten, Kupfer, Kobalt und Gold - hat bis heute

mehr als drei Millionen Tote gefordert. Die Perversion ist perfekt,

wenn klar wird, dass immer wieder Anteile der blutigen Ge-

winne aus dem Rohstoffhandel in die Finanzierung von Kriegen

fließen. So kann am Diamantenring doppelt Blut und Elend

kleben, ebenso wie an jedem Handy, für das Coltan verarbeitet

wird.

Die Gier nach Diamanten hat verheerende Auswirkungen auf die

Natur: Wilde, nicht sorgsam geplante Minen hinterlassen eine

zerklüftete Wüstenlandschaft, in der kein Kraut mehr wächst.

Mindestens genauso schlimm: Vor allem im Kongo beschaffen

die Diamantensucher sich ihre tägliche Fleischration durch die

illegale Jagd auf geschützte Arten. So sind die Menschenaffen

wie Schimpansen und Gorillas durch die Jagd der Diamanten-

schürfer in vielen Regenwaldregionen Afrikas erst in den letzten

zwei Jahrzehnten an den Rand der Ausrottung gebracht worden.

Riesigen sozialen und ökologischen Sprengstoff birgt die Förde-

rung von Erdöl. Beispiel Nigeria: Dort hat der Ölmulti Shell fast

den gesamten Regenwald vernichtet und das Land verseucht.

Achtzig Prozent der Einnahmen des brutalen Militärregimes,

das bis Ende der 90er Jahre an der Macht war, stammten aus

den Tantiemen von Shell. Die politischen Greuel mündeten

1995 in der Ermordung von acht Menschenrechtlern und ihres

berühmten Anführers, Ken Saro-Wiwa vom Volk der Ogoni.

Sie hatten ein Ende der Regenwaldzerstörung und der Unter-

drückung ihrer Stammesangehörigen gefordert. Heute, im Jahr

2008, sind die Nachrichten aus Nigeria nicht besser. Anfang Ja-

nuar melden die Agenturticker, dass die größte Rebellengruppe

Nigerias, die „Bewegung für die Emanzipation des Niger-Deltas“

(MEND), einen blutigen Kampf ankündigt. Ihr Ziel: sämtliche

Ölexporte des zerrissenen Landes zum Erliegen zu bringen. Sie

mahnen die Bevölkerung, sich von Militärstützpunkten und

Truppentransportern fernzuhalten, da diese Ziel von Sprengsät-

zen seien.

Beispiel Angola, 40 Jahre Krieg als Erbe der Kolonialzeit brachten

einen der reichsten Männer der Welt hervor: Präsident Eduardo

dos Santos. Reich haben ihn die Ölquellen des Landes gemacht,

die er sich von Exxon, BP und anderen Großkonzernen versilbern

ließ. 40 Prozent der Öleinnahmen werden gar nicht im Staatsetat

ausgewiesen. Um seine Macht zu sichern, unterhält dos Santos

einen brutalen Militär- und Polizeiapparat, der gegen jeden Re-

gimegegner hart durchgreift. Eine perfekt organisierte Vettern-

wirtschaft hält das System am Laufen. Aber diese empfindliche

Balance kann schnell durch soziale Unruhen aus dem Gleichge-

wicht geraten und zu einem Bürgerkrieg führen.

Quellen: medico international u.a.

Robert Wald, Berlin

Diamantmine bei Mouji-Mayi in der Demokratischen Republik Kongo, Foto: Global Witness, 2003

Page 14: Robin Wood Magazin 1/2008

Nr. 96/1.0814

Foto: Reiner Rohloff

verkehr

Page 15: Robin Wood Magazin 1/2008

15

Geteilte Räume

verkehr

Mit geschlossenen Augen

passiert Hans Monderman

eine Kreuzung, über die täglich

zwanzigtausend Autos brettern. Er

erreicht wohlbehalten die andere

Straßenseite – ohne Ampel, ohne

Bodyguard, ohne Blaulicht. Dies

geschieht in einer niederländischen

Kleinstadt, die eine Verkehrs-

kultur der Kommunikation und

gegenseitigen Rücksichtnahme

verwirklicht. Werner Steinke lässt

uns an seinem Besuch bei Hans

Monderman in Drachten teilhaben.

„Shared Spaces“ - geteilte Räume

- heißt dessen Zauberwort, das

europäische Stadt-, Verkehrs- und

FreiraumplanerInnen fasziniert.

Hans Monderman ist am 7. Januar

2008 gestorben.

„Männer, Frauen und Kinder laufen

mit großer Selbstverständlichkeit

auf der Straße.“ Was wie eine

Vision von der europäischen Stadt

der Zukunft klingt, berichtet Ute

Bertrand aus dem ghanaischen

Accra von heute: „Das Leben spielt

sich auf der Straße ab.“ Obwohl

nur sehr wenige Menschen selbst

ein Fahrzeug besitzen, sterben in

Afrika relativ zur Bevölkerungszahl

die meisten Menschen bei Ver-

kehrsunfällen: Europäische Schrot-

timporte auf Crash-Kurs. Mehr

darüber berichtet Ute Bertrand, die

im November 2007 eine Rundreise

durch Ghana machte.

Außerdem geben wir Ihnen in die-

sem Heft einen Überblick über die

Ausbaupläne an den drei größten

deutschen Flughafenstandorten

Frankfurt, München und Berlin. Al-

lein an diesen drei Standorten sollen

die Kapazitäten in den nächsten

zehn Jahren um siebzig Prozent

steigen. Für den Klimaschutz wäre

das eine Katastrophe, denn schon

jetzt drohen die Wachstumsraten

der Luftfahrtgesellschaften die

Bemühungen um Treibhausgas-Re-

duktionen in anderen Bereichen zu-

nichte zu machen. Die Europäische

Union antwortet darauf mit dem

Versuch, den Flugverkehr ins eu-

ropäische Emissionshandelssystem

einzubeziehen. Vor gut einem Jahr

ist der Gesetzentwurf aus dem Haus

des Umweltkommissars gestartet,

nun hat der Rat der europäischen

Umweltminister ihn unsanft landen

lassen.

Gute Nachrichten gibt es von

unserer Kampagne für eine bessere

Bahn in öffentlicher Hand. Der im

letzten Jahr vorgelegte Gesetz-

entwurf aus dem Hause Tiefensee

sah vor, die Hälfte des gesamten

Unternehmens an die Börse zu

bringen. Harte Überzeugungsarbeit

Nr. 96/1.08

und vielfältige Aktionen ließen das

größte Privatisierungsvorhaben in

der Geschichte der Bundesrepublik

schließlich Ende Oktober an der

sozialdemokratischen Parteibasis

scheitern. Doch nach den Landtags-

wahlen steht die Bahnprivatisierung

im März wieder auf der politischen

Agenda. Am dritten März berichtet

Verkehrsminister Tiefensee vor dem

Parteirat der SPD, Ende März will

der Aufsichtsrat der Bahn die Wei-

chen stellen. Wir werden da sein

– und bringen Sie in diesem Heft

auf den aktuellen Stand.

Lesevergnügen wünscht Ihnen

Monika Lege ist ROBIN WOOD-

Verkehrsreferentin in Hamburg

Tel.: 040/38089212

[email protected]

Die Fotos auf dieser Seite gehören beim ROBIN WOOD-Fotowettbewerb „Train-Spotting“ zu den 10 Besten. Herzlichen Glückwunsch den Preis-trägerInnen!

Foto: Benjamin Renter

Page 16: Robin Wood Magazin 1/2008

Nr. 96/1.0816

Bahn frei – fürs Gemeinwohl

Wörtlich fordern die Delegierten, die

Bahn als „integrierten Konzern“

zu erhalten und die „Gewährleistung

von Mobilität als Aufgabe der Da-

seinsvorsorge des Bundes mittels der

Deutschen Bahn AG“. Das ist ein herber

Rückschlag für Bahnchef Mehdorn und

ein riesiger Erfolg unserer Kampagne

„Bahn für alle“.

Nach einigen halbherzigen Versuchen

seitens des Finanz- und Verkehrsmi-

nisteriums, vor Weihnachten mit dem

Holding-Modell einen koalitions- und

parteitagskompatiblen Kompromiss

vorzulegen und damit die Niederlage

zu schmälern, setzen im neuen Jahr die

Landtagswahlen in Niedersachsen, Hes-

sen und Hamburg die Chancen für un-

populäre Beschlüsse der Berliner Großen

Koalition auf Null. Nichtsdestotrotz wird

im Hintergrund am Ausverkauf weiter

gestrickt.

Zwei Modelle kristallisieren sich heraus,

die für die BefürworterInnen einer Bahn-

privatisierung den Vorteil haben, dass

sie keiner demokratischen Legitimation

durch Bundestag und –rat bedürfen. Im

Kern sehen sie die Trennung von Netz

und Betrieb vor. Die Infrastruktur soll

in Bundeseigentum bleiben, damit ist

Artikel 87e des Grundgesetzes Genüge

getan. Der Schienenverkehr soll jedoch

über eine so genannte Zwischenholding

privatisiert werden. Über das Ausmaß

gibt es unterschiedliche Vorstellungen.

Am weitesten geht das Vorhaben, Per-

sonen- und Güterbereich zu privatisieren,

besonders moderat ist der Vorschlag,

nur den nicht schienengebundenen Teil

des Gütergeschäfts aus der öffentlichen

Verantwortung zu nehmen.

Wir sind in der Karenzzeit, nur ein paar Tage noch, bis März. Nach dem für Verkehrsminister Tie-fensee, Bahnchef Mehdorn und andere ProtagonistInnen der Bahnprivatisierung verheerendem SPD-Parteitag liegt das Gesetz auf Eis. Die sozialdemokratische Parteibasis hatte in einer teilweise turbulenten Abstimmung beschlossen, eine Privatisierung der Bahn nur auf Basis von „Volksak-tien“ zuzulassen. Der Gesetzentwurf ihres Parteigenossen Tiefensee war damit hinfällig.

Foto: Danny B. Ibovnik

verkehr

Platz 1 Herzlichen Glückwunsch!

Page 17: Robin Wood Magazin 1/2008

17

verkehr

Ein Pferdefuß aller derzeit diskutierten Holdingmodelle liegt darin,

dass die Vorstände der Zwischenholding und der Deutschen Bahn

AG personalidentisch besetzt werden sollen. Damit haben bei einem

privatisierten Betrieb die neuen AktionärInnen direkt Einfluss auf das

gesamte Unternehmen – oder, wie sozialdemokratische KritikerInnen

Tiefensees sagen, das Holdingmodell wird zur „Rutschbahn in Rich-

tung einer Vollprivatisierung der Verkehrs- und Logistikbereiche“.

Das aber ist für eine umwelt- und klimaschonende Verkehrspolitik

nicht sinnvoll. Eine echte Konkurrenz zur Straße ist die Bahn nur,

wenn sie neben den profitablen Fernverkehrs-Korridoren auch den

Personenverkehr in der Fläche bedient. Ebenso müssen im Güterver-

kehr Ganzzugsverkehre von Punkt zu Punkt kleinteilige Angebote

mitfinanzieren, um das LKW-Aufkommen zu vermindern. Dass dies

wirtschaftlich zu betreiben ist, zeigt das Beispiel Schweiz. Ist der

Betrieb jedoch ausschließlich auf möglichst hohe Gewinne orientiert,

werden diese fein ausdifferenzierten Netzmodule abgebaut - ganz

im Stil der Unternehmensführung von Bahnchef Mehdorn, der

die Bahn attraktiv für die Börse macht und dafür im Kerngeschäft

Leistungen zusammen streicht und bahnfremde Unternehmen dazu

kauft.

Im März werden die Führungsgremien der Bahn die Weichen für den

zukünftigen Kurs stellen. Da die Bahn noch vollständig dem Bund

gehört, sind sie formal dem Gemeinwohl verpflichtet. Eine Trennung

von Netz und Betrieb unter Umgehung des Parlaments widerspricht

dem Parteitagsbeschluss der SPD und der Mehrheitsmeinung der Be-

völkerung, die laut Umfragen eine bessere Bahn in öffentlicher Hand

will. Unsere Kampagne Bahn für alle wird wachsam sein, um eine

„Privatisierung durch die Hintertür“ zu verhindern und sich für kun-

dInnen-, umwelt- und klimafreundliche Alternativen stark machen.

Monika Lege ist Verkehrsreferentin bei ROBIN WOOD

und schrieb diesen Beitrag in einem Zug

Tel.: 040/38089212, [email protected]

Nr. 96/1.08

Die Bahn soll privatisiert werden. Gutachter kommen zu dem Schluss, dass der Verkauf der Hälfte der Bahnanteile geschätzte 6,5 Milli-arden einbringen wird. Die andere Hälfte soll in der Hand des Bundes bleiben. Die Bahn ist aber viel mehr wert: Rund 183 Milliarden Euro weist die Statistik des Bundesver-kehrsministeriums für das Brutto-anlagevermögen aus. Beim ROBIN WOOD-Fotowettbewerb „Train Spotting“ sollten Preisschilder mit dem wahren Wert von 183 Milliar-den Euro und dem Billigpreis von 13 Mrd. Euro auf allem, was für die TeilnehmerInnen zur Bahn gehört, fotografiert werden.

Platz 3 bis 10

Platz 2

Foto: Katharina Maron

Foto: Judith Schmidt

Foto: Klaus Pollmächer

Page 18: Robin Wood Magazin 1/2008

verkehr

18 Nr. 96/1.08

Foto: ROBIN WOOD

Flughafen Frankfurt

„Kein Baum wird mehr fallen“ - nach der nächsten Rodung

Der Frankfurter Flughafen im dicht besiedelten Rhein-Main-Gebiet war schon immer umstritten. Angefangen mit den Rodungen und dem Bau im Frankfurter Stadtwald durch die Nationalsozialisten 1933, fraß sich der Flughafen über die Jahrzehnte weiter in den Wald. Dass die Aussage des damaligen hessischen Ministerpräsidenten Holger Börner von 1981 „Kein Baum wird mehr fallen“ nicht in alle Ewigkeit Bestand haben würde, war schon damals zu befürchten.

Die Ankündigung der „Notwendig-

keit“ einer weiteren Landebahn

noch Ende der Neunziger ließ jedoch er-

neut Widerstand in der Region aufkom-

men. Bürgerinitiativen gründeten sich

neu, und auch ROBIN WOOD mischte

sich ein. Als am 18. Dezember 2007 das

hessische Ministerium für Wirtschaft und

Verkehr den Ausbau des Flughafens und

somit eine neue Landebahn genehmigte,

musste Roland Koch als amtierender

Ministerpräsident eingestehen, dass das

lange versprochene Nachtflugverbot

nicht einzuhalten sei. Alle Verspre-

chungen mit Mediationsverfahren und

„Keine neue Landebahn ohne Nachtflug-

verbot, kein Nachtflugverbot ohne neue

Landebahn“ waren als Lügen entlarvt.

So drehte sich der hessische Wahlkampf

nicht um ein Ja oder Nein zum Ausbau,

sondern um die Frage, wie ein Nacht-

flugverbot auszugelegen sei. Mag die

unbedarfte BürgerIn bei Nachtflugverbot

denken, dass kein Flugzeug in der Nacht

fliegen darf, sieht die Realität anders aus:

Wenn die Nacht wie bisher üblich auf 23

bis 5 Uhr gekürzt wird, ist bei den jetzt

genehmigten 17 Nachtflügen mit einem

Wecken alle 30 Minuten zu rechnen.

Frühstückszeit ist für die BewohnerInnen

dann ab 5 Uhr, wenn wieder im Minu-

tentakt gestartet und gelandet wird. 150

Flugbewegungen stehen von 22 bis 6 Uhr

an. Kinder früh ins Bett zu schicken ist

mancherorts sinnlos, sofern das Bett nicht

hinter 3-fach verglasten Schallschutz-

fenstern steht. Die Lärmbelastung bei den

direkten Anrainern hat jetzt schon ein

erträgliches Maß überschritten.

Die hessische Landtagswahl ist vorbei,

doch für den Wald bei Kelsterbach,

in den die neue Landebahn geschla-

gen werden soll, war die Wahl nur ein

Aufschub. Die CDU forciert den Ausbau,

die SPD lehnt ihn keineswegs ab. Der

Beschluss zum Bau einer neuen Lande-

bahn ist gefallen, und die Rodung des

so genannten Bannwalds, der einst als

besonders schützenswert ausgewiesen

wurde, ist beschlossen. Da ist es egal, ob

Ypsilanti oder Koch als Ministerpräsiden-

tIn vereidigt wird. Doch mit erfolgreichen

Aktionen und Klettercamps, zuletzt im

Herbst 2007, haben die örtlichen Initia-

tiven und ROBIN WOOD den bedrohten

Wald wieder ins Bewusstsein gerückt.

Hunderte waren da, haben Solidarität

bekundet und vor Ort für den Erhalt des

Waldes demonstriert. Wenn der Wald

wirklich im Frühjahr gerodet werden

sollte, werden viele Menschen dort sein

und Widerstand leisten, ob am Boden

oder in den Bäumen. Die Baumbeset-

zungen zum Bau der A380 Halle oder

auch in Dresden wegen der geplanten

Elbbrücke haben gezeigt, wie klamm-

heimliches Roden fernab der Öffentlich-

keit verhindert werden kann.

Auf dem Frankfurter Flughafen wurden

im letzten Jahr über 54 Millionen Passa-

giere abgefertigt, die zusammen mit den

Frachtflügen gut 490.000 so genannte

Flugbewegungen, also Starts oder Lan-

dungen erforderten. Sollte der Bau nicht

verhindert werden, drohen den 5,5 Mil-

lionen BewohnerInnen des Rhein-Main

Gebiets 700 000 Flugbewegungen im

Jahr. Dann aber wirklich „gute Nacht“.

Andreas Kleinhans, Mainz

Page 19: Robin Wood Magazin 1/2008

verkehr

19Nr. 96/1.08

Foto: Wicker/Berliner Flughafen

Dreimal eins macht sechs

Noch im Rausch der Wiedervereinigung Anfang der 90er wollte man die Weichen stellen für ein international bedeutendes Luft-fahrtkreuz in Berlin. Man träumte sogar von Dimensionen des Flughafens Chicago mit 60 Millionen Fluggästen pro Jahr. Doch nach jahrelangem juristischen Tauziehen ist die Kritik an diesem Mammutprojekt so groß wie nie zuvor.

Reichlich Streit gab es zwischen den

Ländern Berlin und Brandenburg

über den Standort. Ein von Brandenburg

durchgeführtes Raumordnungsverfahren

ergab als idealen Standort den rund 30

Kilometer südlich vor Berlin gelegenen

Militärflughafen Sperenberg.

Doch dem damaligen Regierenden

Bürgermeister von Berlin, Eberhard

Diepgen (CDU), war das viel zu weit

weg. So wurde kurzerhand der Aus- und

Umbau des am südöstlichen Stadtrand

von Berlin gelegenen ehemaligen DDR-

Flughafens Schönefeld beschlossen. Das

widersprach zwar dem Raumordnungs-

verfahren, hatte aber die Zustimmung

von Brandenburgs damaligen Minis-

terpräsidenten Manfred Stolpe (SPD)

und des damals amtierenden Bundes-

verkehrsministers Matthias Wissmann

(CDU, heute Präsident des Verbandes

der Automobilindustrie). Zwei zusätz-

liche Start- und Landebahnen sollen auf

einer Fläche von 1470 Hektar gebaut

werden. Aber mit welchem Geld? Berlin

und Brandenburg hatten beide keins,

also sollte der zukünftige Großflughafen

Berlin Bandenburg International (BBI) in

privater Regie entstehen.

Vom Flughafen zum Fluchhafen

Das im September 1996 eingeleitete

Privatisierungsverfahren scheiterte sieben

chaotische Jahre später mit Korruption

und Betrug. Zu Beginn versuchte sich ein

Konsortium unter Führung der Hochtief

AG an dem Projekt, doch das Oberlan-

desgericht Brandenburg entzog ihm das

Vorhaben. Begründung: „Doppelman-

date von Aufsichtsräten auf der Bieter-

und der Auftraggeberseite sowie Verlet-

zung des Neutralitätsgebotes“. Wegen

eines „gestörten Vertrauensverhält-

nisses“ wurde das Hochtief-Konsortium

vom Vergabeverfahren ausgeschlossen.

Nun wurde der Immobilienkonzern IVG

mit dem Bau beauftragt. Doch so schnell

gab Hochtief nicht auf. Trotz Bedenken

des Bundeskartellamts stimmte die Euro-

päische Kommission 2001 einer Fusion

der ehemals konkurrierenden Bieter IVG

und Hochtief zu, der geschasste Konzern

spielte wieder mit.

2003 musste Manfred Stolpe, inzwi-

schen zum Bundesverkehrsminister

aufgestiegen, verkünden, sein Privati-

sierungsprojekt sei „an einem Punkt an-

gekommen, an dem es aktuell nicht zu

verwirklichen sei.“ Denn das Konsortium

aus Hochtief und IVG schätzte einen

Großflughafen Schönefeld als unwirt-

schaftlich ein und verlangte daher, alle

Risiken den SteuerzahlerInnen aufzubür-

den. Die tragen sie nun auch: Seit Ende

2004 steht ein Finanzierungskonzept aus

öffentlichen Geldern für das Milliarden-

projekt.

Dreimal eins macht sechs

„Aus 3 mach 1“ – so wirbt die Berliner

Flughafengesellschaft für ihr Großpro-

jekt. Denn der Flughafen Berlin-Bran-

denburg International in Schönefeld soll

künftig Berlins einziger Flughafen sein.

Der Flughafen Tempelhof soll im Oktober

2008 seinen Betrieb einstellen, Tegel zur

geplanten Inbetriebnahme des BBI 2011.

Durch die Konzentration auf einen

Flughafen werden die Umweltbelastun-

gen für Luft und Boden zwar gemindert,

dennoch stimmt die Formel „aus 3

mach 1“ nicht. Erfolgten 2006 auf den

drei Berliner Flughäfen „nur“ 200.000

Flugbewegungen, wird mit der Erweite-

rung von Schönefeld die Kapazität auf

400.000 Starts und Landungen verdop-

pelt (siehe Tabelle S. 20) und damit auch

die Umweltbelastungen.

Daniel Bornmann hat im Herbst 2007

ein Praktikum bei ROBIN WOOD ge-

macht und studiert Geografie.

Flughafen Berlin-Schönefeld

Page 20: Robin Wood Magazin 1/2008

verkehr

Nr. 96/1.0820

Am 13. Oktober versammelten sich in

Dachau rund viertausend Menschen,

um gegen den Ausbau des Münchner

Flughafens zu demonstrieren und ihren

Unmut über die bayrische Politik, den

Münchner Flughafenbetreiber FMG und

die Lufthansa lautstark Luft zu machen.

Die große Teilnehmerzahl verwundert

nicht, denn allein in Dachau und den

angrenzenden Landkreisen Erding

und Freising wären bei einem Ausbau

250.000 BewohnerInnen unmittelbar

von den Auswirkungen der geplanten

dritten Startbahn wie Lärm, Abgasen

und Flächenraub betroffen, insgesamt

über 500.000 Menschen. Sogar Zwangs-

umsiedlungen der BewohnerInnen an-

grenzender Grundstücke soll es geben.

Das ruft auch Amtsträger auf den Plan,

die sich mit „wirtschaftsfeindlichen“

Äußerungen normalerweise zurückhal-

ten. So machte der Dachauer Landrat

Hansjörg Christmann (CSU) eine 180°-

Wende. Wenn sich die Mehrheit des

Kreistages gegen den Ausbau ausspricht,

will auch er sich mit allen Mitteln gegen

die Startbahn wehren.

Die BefürworterInnen des Ausbaus argu-

mentieren mit Kapazitätsengpässen und

neuen Arbeitsplätzen. Doch das Wachs-

tum am Münchner Flughafen verursa-

chen zum großen Teil Billigflieger. Deren

Zukunft steht durch die explodierenden

Ölpreise und begrenzten Ressourcen auf

wackligen Beinen. Dazu kommen viele

Zubringerflüge zu Interkontinentalflügen

der Lufthansa. Diese können ohne nen-

nenswerten Zeit- und Komfortverlust für

die Reisenden, aber mit großem Gewinn

fürs Klima auf die Bahn verlagert wer-

den. Neue Arbeitsplätze entstehen vor

allem in schlecht bezahlten und an Sub-

unternehmen ausgelagerten Bereichen.

Am Startpunkt der Demonstration in

Dachau bot sich den Münchner ROBIN

WOODlern ein sympathisches Bild von

vielen Menschen in bunten Verklei-

dungen. Auf den zahlreichen Trans-

parenten stand zum Beispiel „Wie die

Lufthansa spielt, so tanzen die Pfeifen“

oder – in Anspielung auf den Lufthansa-

Slogan „There´s no better way to fly“

- „There‘s no better way to lie“. Es

wurden sogar eigens Umzugsanhän-

ger in Faschingsmanier gebastelt, die

plastisch den Papierberg der Planfeststel-

lungsakten und die äußerst knappe Zeit

für die Einsichtnahme darstellen: Für

47.000 Ordner mit 10.000 Seiten haben

die BürgerInnen 44 Tage Zeit.

In ihren Redebeiträgen trugen Kommu-

nalpolitikerInnen und Bündnisvertrete-

rInnen zu Beginn und zum Ende der Ver-

anstaltung ihre Argumente lautstark vor.

Mitunter mutete ihr Selbstverständnis

„Wir sind das Volk!“ etwas befremdlich

an. Ein Duo mit Tuba und Gitarre gab im

breitesten Bayrisch und mit bösen Texten

seinen Senf dazu.

Die Demonstration hat die Ausbaugeg-

nerInnen bestärkt und ermutigt. Am

Weltklimatag am 8. Dezember 2007

demonstrierten in München erneut

viertausend Menschen gegen den

Ausbau des Flughafens. Über 14.000

Einwendungen wurden allein per Inter-

net erhoben. Der Widerstand wächst

– und wird stark sein, glaubt man einem

Aufkleber, der mir in Dachau zugesteckt

wurde:„FLAK Ampertal – Nein zur 3.

Startbahn“ stand drauf. Ampertal würde

nach dem Ausbau so verlärmt, dass die

Flughafengesellschaft den BürgerInnen

die Wahl zwischen Schalldämmung ihrer

Häuser oder Umsiedlung lässt.

Frederik Vath ist Biologe und in der

Regionalgruppe München aktiv

[email protected]

„There´s no better way to lie“

In Bayern entwickelt sich eine neue Demonstrationskultur. 18.000 Menschen demonstrierten im Mai 2007 gegen den Ausbau des Münchner Flughafens. Von einer der vielen Demonstrationen be-richtet die Münchner Regionalgruppe von ROBIN WOOD.

Flughafen München

Fluggäste 2006 *

Flug-bewegungen 2006*

jährliche Flugbewegungen nach Ausbau**

alle Flughäfen 180.000.000 3.000.000 keine Angaben

Frankfurt/Main 50.000.000 500.000 700.000

München 30.000.000 300.000 610.000

Berlin (Tegel, Tempel-hof, Schönefeld)

20.000.000 200.000 400.000

* Verkehr in Zahlen 2007/08 (gerundet), Hg. BMVBS; ** www.fraport.de, www.muc-ausbau.de, www.berliner-flughaefen.de

Die größten deutschen Flughäfen in Zahlen

Foto: obs/Flughafen München GmbH

Page 21: Robin Wood Magazin 1/2008

verkehr

21Nr. 96/1.08

Foto: Joujou/PIXELIO

Als Tiger gestartet, als Bettvorleger

gelandet – die Klimapolitik der Euro-

päischen Union hat das Tigerstadium leider

ausgelassen. Der Flugverkehr soll im nächs-

ten Jahrzehnt in das Europäische Emissions-

handelssystem (ETS) einbezogen werden. Es

ist das politisch am ehesten durchsetzbare,

gleichzeitig aber schwächste Mittel, um den

Flugverkehr für die von ihm verursachten

Klimaschäden zur Verantwortung zu zie-

hen. Emissionshandel ersetzt keine Kero-

sinsteuer, denn die ist allein schon für die

steuerliche Gleichbehandlung der verschie-

denen Verkehrsträger notwendig.

Im November hat das Europäische Par-

lament über den Kommissionsentwurf

abgestimmt und sich weitgehend der

Stellungnahme seines Umweltausschusses

angeschlossen. Insbesondere stimmten die

ParlamentarierInnen mit großer Mehrheit

dafür, die Kohlendioxid-Emissionen von

Flugzeugen mit dem Faktor 2 zu multi-

plizieren, um so der besonders großen

Klimaschädlichkeit dieser Abgase Rechnung

zu tragen. Tatsächlich wirken Kohlendioxid,

Stickoxide und Wasserstoff klimaerwär-

mend. Ihr Einfluss auf die Atmosphäre

bewegt sich in unterschiedlichen Zeitho-

rizonten, außerdem muss die Flughöhe

berücksichtigt werden. Die beste wissen-

schaftliche Annäherung empfiehlt, die Koh-

lendioxid-Emissionen mit dem Faktor 2,7 zu

multiplizieren, um die Erwärmungswirkung

abzubilden.

Zum Faktor 2,7 ließen sich Umweltaus-

schuss und Parlament von den Umwelt-

verbänden nicht bewegen. Trotzdem

wäre es ein Novum und Erfolg, wenn bei

der Integration des Luftverkehrs in den

Emissionshandel überhaupt ein Multi-

plikator für die Kohlendioxidemissionen

eingeführt wird. Ohne diesen werden

die Klimaschäden nicht gemindert und

Luftfahrtgesellschaften können Zerti-

fikate weniger schädlicher Emittenten

dazu kaufen.

Doch der europäische Ministerrat

stimmte in seiner Dezember-Sitzung

den Änderungsvorschlägen des Parla-

ments nicht zu. Damit wurde die Chance

vertan, das einzige klimapolitische

Gesetzesvorhaben der EU im „Klimajahr

2007“ unter Dach und Fach zu bringen,

denn nun geht die klimapolitisch nahezu

wirkungslose Position der europäischen

Umweltminister zurück in das Parlament

und seine Ausschüsse.

Der deutsche Vertreter im Minister-

rat, Umweltminister Sigmar Gabriel,

sieht zwar wie die Umweltverbände

die Gefahr, dass die stark steigenden

Emissionen des Flugverkehrs und ihre be-

sondere Klimaschädlichkeit die Anstren-

gungen in anderen Bereichen zunichte

machen. Doch Gabriels und Brüssels

neue Zauberformel ist eine eigene

Gesetzgebung für Stickoxid-Emissionen

statt eines Multiplikators für Kohlendio-

xid im Emissionshandel. Das wiederum

verschiebt für die Fluggesellschaften die

Anlastung ihrer Klimaschäden auf den

Sankt-Nimmerleins-Tag.

Monika Lege ist Verkehrsreferentin

in der ROBIN WOOD-Pressestelle

[email protected]

Tel.: 040/38089212

Luftverkehr und Emissionshandel

Als Bettvorleger gestartet

Page 22: Robin Wood Magazin 1/2008

verkehr

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Magic Moments Er ist ein großer, älterer Herr. Mit lichtem Haar. Aber ohne Bauchansatz. Dafür ist er Verkehrsplaner und verlangt normalerweise den anderen Planungsdisziplinen den vollen Respekt ab. Johannes I. Monderman verzückt zur Zeit halb Europa. Vielleicht Gesamteuropa. Er treibt sich irgendwo zwischen Glasgow, Lissabon, Moskau und Cata-nia herum. Hans Monderman, wie er sich selber nennt, war bei Günter Jauch im Stern TV. Hans Monderman war im Spiegel TV.

Hans Mondermann arbeitet in Drach-

ten. In der Nähe von Groningen in den

Niederlanden. Zwanzigtausend Ein-

wohner. Dort trafen wir ihn zusammen

mit Student/innen der Universitäten

Wuppertal und Köln. Vor dem Rat-

haus. Mitten im Zentrum von Drach-

ten. Zunächst nichts Ungewöhnliches.

Ein Kreisverkehr, eine Fußgängerfurt

ohne die üblichen Zebra-Streifen, zwei

in die Pflasterung flächig eingelassene

Springbrunnen mit fünfzig Fontänen,

parkende Autos, Radler/innen und

jede Menge Menschen zu Fuß.

Vor fünfundzwanzig Jahren bekam

Monderman den Auftrag sämtliche

Unfälle in Westfriesland zu untersu-

chen. Warum passieren welche Unfälle

an welcher Stelle und welche Schäden

gab es dabei. Das Ergebnis der Studie

verdichtete sich umso mehr, je mehr

sich sein Berufsleben dem Ende zu

neigte: Je mehr Ampeln, Zebrastrei-

fen, Verkehrsgebots- und -verbots-

schilder an Kreuzungen aufgebaut

waren, umso mehr Unfälle passierten.

„Verkehrszeichen suggerieren den Ver-

kehrsteilnehmern zunächst Sicherheit.

Wie sich herausstellt, eine trügerische

Sicherheit. Die Verantwortung für sein

eigenes Verhalten im Verkehr wird

dem Schilderwald überlassen“, so

Monderman.

Johannes Monderman stellte genauso

fest, dass an den Kreuzungen im

Irgendwo der friesischen Weite Unfall-

häufigkeiten im unteren Bereich seiner

Statistik landeten, wenn fast keine

Verkehrsrestriktionen, also Ampeln,

Ver- und Gebotsschilder aufgestellt

waren. Für Systematiker/innen, für

Wissenschaftler/innen eine Herausfor-

derung. Die erste wissenschaftliche

Ableitung aus diesen Erkenntnissen

Foto: Hawkeye06/Pixelio

Neue Ansätze in der Verkehrs- und Stadtplanung

In Drachten wurde der Schilder-wald abgebaut

Page 23: Robin Wood Magazin 1/2008

23

verkehr

war die Geburtsstunde des von ihm so

genannten Shared Spaces. Das gemein-

same, das partnerschaftliche Teilen eines

einheitlichen Stadtraumes.

Im Rahmen eines EU-Projektes wurden

neben Drachten (NL) und Bohmte (D)

auch noch Haren (NL), Emmen (NL),

Oostende (B) und Suffolk County

Council (GB) in dieses Projekt integriert.

In Drachten ist das Projekt am weitesten

entwickelt. Im Frühjahr 2007 wurde in

Drachten der erste Zwischenbericht des

EU Projektes vorgelegt. Und seitdem

brechen in Drachten sämtliche Dämme

und Besucherrekorde. Shared Spaces gilt

nicht nur unter Stadt-, Verkehrs- und

Freiraumplaner/innen als „das Ding“

schlechthin. Es ist eine Idee der neuen

europäischen Stadt. Hans Mondermans

Idee vereint Grüne und Schwarze, Punks

und Lehrer/innen, Alleinerziehende und

gut situierte Schwule auf Hamburgs

Langer Reihe.

In Drachtens Kerngebiet wurden Ampeln

abgebaut. Nahezu der gesamte Schilder-

wald auf die Halde gebracht. Bordsteine

abgesenkt, Straßenkreuzungen mit

einem Pflasterstein, der auch im Bürger-

steigbereich verwendet wurde, durchge-

pflastert. Zugegeben, es sieht unspek-

takulär aus, weil man den Schilderwald

zunächst gar nicht vermisst. Deutlich

wird der Wandel und die neue Qualität

erst, wenn man genauer hinschaut.

Wenn man bemerkt, dass winzige Hand-

zeichen genügen und das Auto hält und

lässt der Rollstuhlfahrerin die Vorfahrt,

die Radler/innen bremsen und lassen den

Fußgänger/innen auf dieser Gemein-

schaftsstraße den Weg queren.

„Die Menschen sollen kommunizieren,

nicht funktionieren, weil ein Schilder-

wald ihnen vorgibt, wie hier zu denken

und zu handeln ist“, verlangt Monder-

man. Und in der Tat. Streit auf Deutsch-

lands Straßen fängt immer dann an,

unangenehm zu werden, wenn man

sich in Situationen befindet, für die kein

Schild die Regel vorgibt, obwohl bis zu

fünfzig Schilder an großen deutschen

Straßenkreuzungen stehen. Und noch

unangenehmer wird es für die Verkehrs-

teilnehmer/innen, wenn man sich blind

auf diese Regeln verlässt. Wenn dann

auch nur einer einen schlechten Tag hat.

„Wenn der Schlüssel zu diesem Konzept

der Mensch ist. Und wenn den Men-

schen insbesondere die Kommunikation

mit anderen Menschen ausmacht, dann

müssen sie zwangsläufig weit im Voraus

auch mit Politiker/innen, mit Verwal-

tungsangestellten, mit Berufskollegen,

mit alten Menschen, ja mit den zunächst

immer ängstlich wirkenden Bürger/innen

ausreichend kommunizieren. Das ist

in Holland nicht anders als in Deutsch-

land“, erklärt der Friese uns.

So sind seit Einführung des Modells vor

mehr als drei Jahren die Unfallzahlen mit

Personenschäden um sechzig Prozent zu-

rück gegangen. Die Unfälle mit leichten

Blechschäden haben um zwanzig Pro-

zent zugelegt. „Das ist die Ankurbelung

des Bruttosozialproduktes“, kommen-

tiert Monderman trocken. Der Verkehr

wurde infolge des konsequenten Abbaus

jeglicher Verkehrsschilder und jeglicher

Ampeln beschleunigt. Fuhr der motori-

sierte Individualverkehr in der vermeint-

lich sichereren Zeit mit zehn Stunden-

kilometern, so sind es heute zwanzig

Stundenkilometer. Zum Vergleich: In

Hamburg, eine der schnellsten Städte

Nordeuropas, fahren die Fahrzeuge im

Schnitt mit achtzehn Stundenkilometern.

„Aber wie überzeugt man Politiker

diesem Modell zuzustimmen, wenn doch

trotz EU-Zuschüssen Drachten immer

noch ein Viertel der Gesamtkosten selber

finanzieren musste?“ fragt Monderman

in die Runde. „Ampeln kosten zwischen

zehn- und fünfzehntausend Euro pro

Jahr Unterhaltungs- und Wartungskos-

ten. Damit konnten wir sie überzeugen“.

Und dann nimmt er sich noch zwei

Stunden Zeit für uns Deutsche. Geht mit

uns zu einer stark befahrenen Kreuzung

mit rund zwanzigtausend Fahrzeugen

am Tag und meint: „Ich geh da jetzt mit

geschlossenen Augen rüber und mir

wird nichts passieren“. Die spinnen die

Friesen, fällt einem dazu nur ein. Und

dann geht er. Bei leichtem Nieselregen.

Mitten durch die Fahrzeuge. Die Augen

geschlossen. Nicht mal der Hauch eines

Blinzlers ist in seinen Augen zu erken-

nen. Da ist einer eins mit sich und seiner

Idee. Kommt auf der anderen Seite der

Straße an, strahlt übers ganze Gesicht

und ruft uns zu: „Und jetzt Ihr!“ Hat

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der nen Knall? Andererseits, es hat kein

Auto gehupt. Niemand hat die Scheibe

heruntergedreht und ihn angepöbelt.

Kein Reifenquietschen.

Mit Mut und ganz leicht geöffneten

Augenlidern stolpern wir zu dritt auf

Monderman zu. Der Herzschlag erhöht

sich. Aber es geht alles gut. „Aber das

Schönste an all dem ist, dass das Ganze

nur funktioniert, weil die Verkehrsteil-

nehmer wieder miteinander kommu-

nizieren müssen“, meint Monderman.

Und in der Tat, die gerade querenden

Schulkinder nehmen per Arm und Augen

Kontakt zum anrollenden Volvo auf. Die

zweieinhalb Tonnen Stahl könnten die

Kleinen sonst wo hinbefördern. Aber al-

les ist auf eine merkwürdige Art friedlich,

ruhig, irgendwie magisch. Es kehrt eine

Sanftheit trotz der nicht unerheblichen

Verkehrsmassen ein, die für Deutsche

ungewöhnlich ist, für Südeuropäer/innen

nicht vorstellbar erscheint.

Holland und Drachten liegen dreihun-

dertfünfzig Kilometer von Hamburg

entfernt. Das sind bummelige vier

Stunden Autofahrt (weil man Drachten

per Bahn nicht erreichen kann), in denen

sicherlich genügend Gründe erarbeitet

werden können, warum die Idee in Ham-

burg ausgerecht nicht umgesetzt werden

kann. Wenn bloß nicht diese blöde

Phalanx aus grünen, schwarzen, roten, ja

sogar gelb-blauen Politikern wäre – die

jetzt den Himmel auf Erden ausgerech-

net in dieser schönen Stadt an der Elbe

haben will. Oder in Bohmte? Oder in

München? Oder in Elmshorn!

Werner Steinke, 52, Elmshorn. Grün-

dungsmitglied und erster Angestell-

ter von ROBIN WOOD. Freiraum-,

Stadt- und Landschaftsplaner. Lehr-

beauftragung an der TU Darmstadt

zum Thema ‚Nachhaltige Stadtent-

wicklung‘. Bis 31. Dezember 2007 Lei-

ter des Amtes für Stadtentwicklung

in Elmshorn. Seitdem Mitarbeiter

der Behörde für Stadtentwicklung

und Umwelt in Hamburg. Kontakt:

[email protected]

Wir trauern um Hans Monderman, der

im Alter von 62 Jahren am 7. Januar

2008 ganz unerwartet verstorben ist.

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verkehr

24

Auf Crash-Kurs Weltweit nimmt der Verkehr rasant zu. Eine Kehrseite der neu gewonnenen Mobilität sind dramatisch wachsende Unfallzahlen. Am gefährlichsten ist die Si-tuation nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO auf dem afrika-nischen Kontinent. Ute Bertrand schildert Eindrücke von einer Rundreise durch Ghana, einem Land an der Westküste Afrikas.

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Die geteerte Straße zieht sich

durch die hügelige Landschaft bei

Nsawam, etwa 40 Kilometer von Gha-

nas Hauptstadt Accra entfernt, vorbei

an Bananenbäumen und kleinen

Dörfern. Plötzlich stockt der Verkehr.

Wer kann, weicht auf die Gegenfahr-

bahn aus. Bald sind beide Fahrbahnen

blockiert. Nichts geht mehr. Auf dem

Hügel gab es einen Unfall - so heftig,

dass die Straße auf unbestimmte Zeit

in beide Richtungen komplett gesperrt

wird. Warten hat keinen Sinn. Mühse-

lig versuchen nun Kleinbusse, Autos

und große Lkw mitten in dem Chaos

auf der engen Straße zu wenden. Ein

Truck landet beim Rangieren um ein

Haar im Graben. Der Fahrer flucht.

Der Umweg wird dauern, es dämmert

bereits, viele werden ihr Ziel heute

nicht mehr erreichen.

Verkehrsunfälle gehören in Ghana

zum Alltag. 2006 starben dabei

1.856 Menschen. Besonders häufig

trifft es FußgängerInnen. Die Zahl ist

hoch, wenn man bedenkt, dass sich

bislang nur sehr wenige der rund 22,5

Millionen EinwohnerInnen Ghanas

ein Auto leisten können. Das Land

zählt weltweit zu den ärmsten auf der

Welt. Das durchschnittliche Pro-Kopf-

Einkommen liegt bei jährlich 650

US-Dollar, das sind weniger als zwei

Dollar pro Tag.

Weit verbreitet sind Tro-Tros, Klein-

busse. An Aufschriften wie „Heiß-

mangel Walter - preiswert und

schnell“ oder „Klempnerei Jansen“

kann man noch unschwer erkennen,

dass es sich um ausrangierte Wagen

aus Deutschland handelt. Front- und

Foto: Udo Bertrand

Foto: Margrit Stalder/Pixelio

Auf dieser Straße mit 100 km/h brettern? Salaga in der Northern Region, Ghana

Unfallursachen: Busse überladen, Fahrer übermüdet

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verkehr

25Nr. 96/1.08

Heckscheibe der Ford- und Mercedes-

Busse zieren Bibel-Zitate: „Be faithfull“,

„In the Name of Jesus“ oder schlicht

„The Blood“. Zwanzig Fahrgäste und

mehr quetschen sich bei tropischer Hitze

in die Kleinbusse, die in der Regel erst

losfahren, wenn sie so voll sind, dass

man gerade noch Luft kriegt. Oft sind

die Türen hinten nur notdürftig mit

einem Seil zugebunden, Gepäck quillt

heraus.

Tro-Tros sind häufig in Unfälle verwickelt.

Nachdem auf der Straße zwischen Accra

und Takoradi innerhalb von drei Wochen

21 Menschen bei Zusammenstößen von

Kleinbussen gestorben waren, griff auch

die ghanaische Zeitung „Daily Graphic“

das Thema auf. Überhöhte Geschwin-

digkeit, Übermüdung der FahrerInen,

gefährliche Überholmanöver und

Alkohol führt der Leiter der Verkehrs-

abteilung im Westen Ghanas, Adusa-

Poku, als Hauptursachen der dramatisch

hohen Unfallzahlen an. „Häufig drängen

Fahrgäste die Fahrer, auch auf langen

Strecken keine Pause zu machen, son-

dern möglichst schnell durchzuheizen“,

erklärt Francis K. Kwaku von der Trans-

port-Gewerkschaft (Ghana Private Road

Transport Union). „Die Fahrer machen

das, weil sie dann mehr Touren schaffen

und mehr verdienen.“

Sind die Straßen asphaltiert, ist die Ver-

führung groß schnell zu fahren. Manche

Fahrer - so Adusa-Poku - würden auch in

Ortschaften 100 Stundenkilometer und

schneller fahren. Zugleich sind aber weit

mehr Menschen als etwa in Deutschland

zu Fuß unterwegs. Männer, Frauen und

Kinder laufen mit großer Selbstverständ-

lichkeit auf der Straße - egal ob es sich

um eine rote, staubige kleine Dorfstraße

oder die asphaltierte Maut-Autobahn

handelt, auf der die großen Trucks von

der Küste im Transit-Verkehr ins nörd-

Foto: Udo Bertrand

lich von Ghana gelegene Burkina Faso

brettern. Das Leben spielt sich an und

auf der Straße ab.

Kilometer lang ziehen sich in den rasant

wachsenden Städten im Süden des

Landes kleine Läden, aus Brettern zu-

sammengezimmerte Buden, unmittelbar

am Straßenrand entlang. Dort lassen sich

Frauen die Haare flechten, werden Sofas

Foto: Ultram/Pixelio

Markttag: Das Leben spielt sich an und auf der Straße ab

Wieder hat es einen erwischt. Auf den hügeligen Straßen im Süden Ghanas passieren besonders viele Unfälle

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verkehr

Nr. 96/1.0826

geschreinert oder frittierte Kochbana-

nen verkauft. Wer kann, kommt an die

Straße, um ein paar Cedis zu verdienen.

Vor Ampeln schlängeln sich Straßen-

händlerInnen zwischen den Autoreihen

hindurch, um Stadtpläne, geräucherten

Fisch oder Nüsse zu verkaufen. Kinder

spielen auf der Straße, Hühner, Schafe

und Ziegen laufen frei herum. Früchte

und Gewürze werden am Fahrbahnrand

ausgebreitet und getrocknet. Schüle-

rInnen in Uniform gehen die weiten

Schulwege in der ganzjährig andau-

ernden Gluthitze die geteerten Straßen

entlang. Marktfrauen, die Schüsseln

auf dem Kopf und ihre Babys in Trage-

tüchern auf dem Rücken, eilen quer über

die Straße. An Samstagen, in Ghana tra-

ditionell der Tag für Beerdigungsfeiern,

sieht man zahlreiche, große Trauergesell-

schaften in schwarzen Gewändern über

die Straßen ziehen oder zu lauter Musik

am Straßenrand feiern. Auch manche

Grabstätten liegen direkt neben der

Fahrbahn.

Fuß- oder Radwege sind eine Seltenheit.

In Städten zieht sich ein offener Abwas-

serkanal direkt an der Straße entlang,

manchmal mit Betonplatten abgedeckt.

An vielen Stellen tun sich riesige Löcher

auf, so dass der Fußweg ein Hindernis-

laufen ist, bei dem ältere oder gar geh-

behinderte Menschen überhaupt keine

Chance haben. Zwar gibt es gelegentlich

Zebrastreifen, doch die werden von den

meisten AutofahrerInnen missachtet. Vor

Schulen in der Hauptstadt Accra stehen

Holzkisten mit roten Fahnen. Kinder, die

über die Straße wollen, schwenken die

rote Fahne, um auf sich aufmerksam zu

machen. Das Überqueren der Stadtau-

tobahn in Accra wird zum Russischen

Roulette.

In vielen Dörfern gibt es mittlerweile

Schwellen am Ortsein- und -ausgang,

die die Fahrer zum Abbremsen zwingen

sollen. Manche sind aus Steinen, etwas

Lehm und Zement selbst gebaut. Doch

wessen Auto es mitmacht, der geht

möglichst nicht vom Gaspedal.

Noch leben rund 90 Prozent der

Bevölkerung im ländlichen Afrika fünf

Kilometer und mehr von einer ganzjährig

befahrbaren Straße entfernt. Die Zahl

der Straßenkilometer und Pkws aber

steigt schnell - und mit ihnen auch die

Unfallzahlen. Die Weltgesundheitsor-

ganisation WHO sagt voraus, dass im

Jahr 2020 Verkehrsunfälle weltweit zu

den sechs häufigsten Todesursachen

zählen werden. Schon heute sterben

laut WHO weltweit jährlich 1,2 Millionen

Menschen bei Autounfällen, bis zu 50

Millionen jährlich werden bei Autounfäl-

len verletzt.

Das Risiko bei einem Verkehrsunfall zu

sterben, ist dabei sehr ungleich verteilt.

In armen Ländern liegt es - trotz der

relativ geringeren Verkehrsdichte - um

ein Vielfaches höher als in den reichen

Industriestaaten. Am schlimmsten sieht

es - mit durchschnittlich 28 Unfalltoten

auf 100.000 EinwohnerInnen - schon

jetzt auf dem afrikanischen Kontinent

aus.

Es ist vergleichsweise einfach, Straßen zu

teeren und bezahlbare Autos zu impor-

tieren. Die Sicherheitsprobleme in den

Griff zu bekommen, ist hingegen viel

komplexer und wirft weit mehr Fragen

auf. Wer kontrolliert die Wagen und

Foto: Major John/Pixelio

Wer kann, versucht als StraßenhändlerIn ein paar Cedis zu verdienen

Page 27: Robin Wood Magazin 1/2008

verkehr

27Nr. 96/1.08

„Das Fahrerhaus des Busses hatte man aus Großbritannien eingeführt. Es

stammte aus der Bedford-Serie. Das Chassis kam von überzähligen japa-

nischen Armeelastern, die nach dem zweiten Weltkrieg zur Verschrottung

standen. Die Karosserie hatte man aus Unfallwagen und ausrangiertem

Dachblech hergestellt; aus allem, was sich in Form hämmern oder ander-

weitig zurichten ließ. Das fertige Produkt sah - mit den beiden schwar-

zen Streifen, die über den kanariengelben Rumpf liefen - wie eine grob

gehämmerte, gelbe Sardinenbüchse aus. (...)

Die Busse schlängelten sich mit einer derartigen Geschwindigkeit durch

den Verkehr, dass die Fahrgäste von einer Seite zur anderen geschleudert

wurden, und diejenigen, die sich draußen festklammerten, schwankten

gefährlich hin und her.

Ein alter Mann hatte ihm während seiner ersten Fahrt erklärt, dass die

Geister der Straße um die Busse her-

umtanzten und versuchten, fette Beute

zu machen. Sie wollten Vergeltung für

die Schändung der Straße üben, die

sich, als sie einst gebaut worden war,

von ihren Wurzeln getrennt und dem

städtischen Chaos ausgeliefert hatte, das

sie mit Schrecken erfüllte und verwirrte.

Elvis war nie dahintergekommen, ob

diese Geister nur eine bestimmte Straße

bevölkerten oder alle. Noch konnte er

sich vorstellen, wie sie aussahen. Doch

hatte die Geschichte des alten Mannes

so glaubwürdig geklungen, dass sie ihm

in Erinnerung geblieben war.“

Auszug aus : Chris Abani: GraceLand.

S.21, dtv 2007, einem Nigeria-Roman

Foto: Udo Bertrand

zieht gefährliche aus dem Verkehr? Wer

hält die Straßen instand? Wie können

Unfallopfer schnell medizinische Hilfe

bekommen? Wer schleppt die Unfallwa-

gen ab? Wie lernen Menschen Autofah-

ren? Wie organisiert man Verkehrser-

ziehung? Wer beaufsichtigt die Kinder?

Wer baut Zäune für die Tiere? Straßen-

beleuchtung, Fahrbahnmarkierungen,

Verkehrsschilder, Sicherheitsgurte - das

erscheint als Luxus. Es gilt als Fortschritt,

wenn eine Straße gebaut wird, vielleicht

sogar eine geteerte. Der Rest kommt

später - vielleicht auch nie. Derweil

beten die Menschen vor längeren Reisen

darum, heil anzukommen - und auf den

wenigen Hundert Kilometern Zugstrecke

durch Ghana wuchert das Gras.

Appelle an die so genannten Entwick-

lungsländer zu richten, nicht so sehr

auf den gefährlichen und obendrein kli-

maschädlichen Individualverkehr zu set-

zen, sind verlogen, solange nicht daran

gearbeitet wird, in den reichen Indus-

trieländern die Situation zu verbessern.

Denn hier liegt die Motorisierungsquote

um ein Vielfaches höher - und steigt

noch immer weiter an. In Deutschland

fahren inzwischen rund 55 Millionen

Fahrzeuge bei einer Bevölkerung von 82

Millionen Menschen. Darüber hinaus hat

aber auch das Verkehrsverhalten hier

Einfluss auf ärmere Länder. Der westliche

Lebensstil gilt vielen als Vorbild. Schrott-

autos aus Europa werden mit Gewinn

nach Afrika verkauft. Und jeder Lkw, der

hier zu Spottpreisen Waren über Tau-

sende Kilometer durch die Gegend karrt,

erhöht den Druck auf Entwicklungslän-

der, ihre Güter mindestens ebenso billig

durchs Land zu transportieren, um sie zu

konkurrenzfähigen Preisen anbieten zu

können.

Ute Bertrand machte im November

2007 eine Rundreise durch Ghana

- von Accra nach Bolgatanga und

retour - und besuchte verschiedene

Projekte der Entwicklungszusammen-

arbeit. Sie arbeitet als Pressespreche-

rin bei ROBIN WOOD. Tel. 040/380

89222, [email protected]

Hauptstraße in Tamale: Haustiere laufen auch in Großstädten frei umher

Page 28: Robin Wood Magazin 1/2008

tatorte

Nr. 96/1.0828

Bahn für alle Kassel, 01.11.07: Es war nicht der Beginn einer

wunderbaren Freundschaft, aber der Auftakt

für interessante Debatten: Am 1. November

organisierte die ROBIN WOOD-Regionalgruppe

Kassel eine Diskussionsveranstaltung zur umstrit-

tenen Bahnprivatisierung. Über 40 interessierte

Menschen kamen, hörten die Vorträge von Prof.

Wolfgang Hesse (Bahn für Alle, Bürgerbahn statt

Börsenbahn) und Stefan Diefenbach-Trommer

(Pressesprecher Bahn für Alle) sowie die Beiträge

der PolitikerInnen Nicole Maisch (MdB B 90/ Die

Grünen), Werner Dreibus (MdB Die Linke) und

Dr. Bernd Hoppe (SPD-Vorsitzender Kassel).

Im Mittelpunkt der lebhaften Diskussion stand

die Frage, welche Bahn aus Umwelt- und

Kundensicht zu wünschen sei. Insbesondere

in Kassel als „Eisenbahnerstadt“ ist diese Frage

auch von wirtschaftlicher Bedeutung. Schließlich

herrschte Einigkeit auf dem Podium jetzt ein

Moratorium zur Bahnprivatisierung zu beschlie-

ßen. Prämisse: Die Schieneninfrastruktur soll in

öffentlicher Hand bleiben und die gewonnene

Zeit zum Nachdenken darüber genutzt werden,

welche Ziele mit der Bahn in Deutschland bei Be-

trachtung der gesamten Verkehrspolitik erreicht

werden sollen. Erst dann sei zu entscheiden, wel-

che Form die Bahn dafür braucht.

Bayreuth, 22.12.07: Die Klänge

eines Trauermarsches, von

acht BläserInnen vorgetragen,

unterbrachen kurz vor dem

Fest in der Innenstadt das

aus vielen Lautsprechern

rieselnde Weihnachtslieder-

Dauerkonzert: ROBIN WOOD

trug – symbolisch – die

Deutsche Bahn zu Grabe. Vom

Sensenmann begleitet trugen

die ca. 20 TeilnehmerInnen

in einem selbstgebauten,

offenen Sarg ,,die Leich’’, eine

Eisenbahn aus Pappmaché, auf

ihren Schultern. Ergreifende

Trauerreden wurden gehalten.

Medienwirksam sollte so darauf

aufmerksam gemacht werden,

dass schon jetzt Bahnhöfe

in der Region verkauft sind

und dass eine gerechte und

sichere Mobilität mit der

Bahn-Privatisierung nicht mehr

möglich sein wird.

Köln, 20.10.07: Der Bahnhofsumarmung

von attac und ROBIN WOOD schlossen sich

spontan PassantInnen an und skandierten

gemeinsam: „Die Bahn gehört uns!“ und

„Stoppt die Bahnhofsprivatisierung!“ Unter

dem Beifall der 50 Aktiven stieg in der

Bahnhofshalle ein Banner von Heliumballons

gezogen unter die Decke: „Wem gehört die

Bahn? Verkauf stoppen!!!“

28.11.07: Im Januar 2007 besetzten AktivistInnen in Lüneburg aus

Protest gegen die autofixierte Verkehrspolitik der Stadt Bäume,

die einem Brückenbau weichen sollten. Nach 11 Tagen Besetzung

wurden sie von vermummten SEK-Beamten aus den Bäumen geholt.

Ende November wurde die neue Brücke in Anwesenheit von

Oberbürgermeister Mädge eingeweiht. Dies sollte aber nicht ohne

Protest von ROBIN WOOD geschehen. Zwei AktivistInnen ließen sich

in Bäumen rechts und links der Fahrbahn mit Transparenten nieder:

„AUTO-ritäre Verkehrspolitik – Kein Grund zum Feiern.“ Noch hängt

die Botschaft im Baum...

Autofixiertes Lüneburg

Foto: Irmgard Kahl

Page 29: Robin Wood Magazin 1/2008

29

tatorte

„Saubere Kohle ist eine dreckige Lüge“

Mannheim, 08.12.07: Das Mannheimer Bündnis Ikema - Initiative Klima und

Energie Mannheim – zeigte gemeinsam mit AktivistInnen von ROBIN WOOD

mit einem bunten Straßentheater vor dem regionalen MVV Energie Kunden-

zentrum was sie vom geplanten Ausbau des Kohle-Großkraftwerk Mannheim

(GKM) halten. Dieses soll um einen neuen Kraftwerksblock mit einer Leistung

von 900 Megawatt erweitert werden, was nicht nur einen immensen CO2-Aus-

stoß zur Folge hat. Das GKM verbrennt

auch Kohle aus Kolumbien, die dort un-

ter menschenunwürdigen Bedingungen

abgebaut wird. Anschließend wurde das

Kundenzentrum gestürmt und Forde-

rungen verlesen, zu denen beispiels-

weise ein zukunftsweisendes Investiti-

onsprogramm für erneuerbare Energien

gehört. Dabei machte die Sambaband

Stimmung und der Wartebereich wurde

zur Tanzfläche umfunktioniert.

Wolfenbüttel 05.11.07: AktivistInnen von ROBIN WOOD und dem Anti-Atom-Plenum

Braunschweig erklommen auf dem Gelände des Atommülllagers ASSE II den Förderturm und

befestigten dort ein 45 m² großes Transparent mit der Aufschrift „Auslaufmodell ASSE“. Damit

machten die AktivistInnen darauf aufmerksam, dass sich in der Asse der größte anzunehmende

Unfall (GAU) bei der Endlagerung von Atommüll anbahnt: Das Absaufen des ehemaligen Salz-

bergwerks mit anschließender Freisetzung radioaktiver Stoffe in die Biosphäre.

Von 1967 bis 1978 ist in der Asse II bei Wolfenbüttel, knapp 20 Kilometer südöstlich von

Braunschweig, nahezu der gesamte bis dahin angefallene schwach- und mittelradioaktive

Atommüll Deutschlands „zu Forschungszwecken“ vergraben worden. Heute befinden sich über

120.000 Gebinde Atommüll, darunter 102 Tonnen Uran, 87 Tonnen Thorium und 11,6 Kilo Plu-

tonium in der Asse - Stoffe, die zu den giftigsten auf der ganzen Welt gehören und die zum Teil

eine Halbwertszeit von einer Million Jahre haben.

Seit 1988 strömen täglich ca. 12.000 Liter Wasser in den Salzstock. Weil laut einem bis vor

kurzem geheim gehaltenen Gutachten die Sicherheit des Atommülllagers nur noch bis 2014 ga-

rantiert werden könne, will der Betreiber der Asse, das GSF-Forschungszentrum für Umwelt und

Gesundheit, das endgültige Absaufen des Atommülls ausgerechnet durch die Flutung mit einer

wässrigen Salzlösung „kontrollieren“. So soll der Salzstock stabilisiert und die Freisetzung der Radioaktivität verzögert werden. In

diesem Konzept geht auch der Betreiber davon aus, dass es zu einer Freisetzung von radioaktiven Stoffe kommen wird.

Die Besetzung war auch Auftakt für eine mehrtätige Mahnwache von Umweltschutz- und Anti-Atom-Initiativen während der

internationalen Tagung „Reposafe“ in der Stadthalle Braunschweig. Schon allein der trügerische Name der Tagung „Reposafe“

(reposit = lagern, safe = sicher) gab Anlass zur Kritik: Sugge-

riert er doch, dass eine sichere Endlagerung von Atommüll

möglich wäre. Das ist jedoch bis heute weltweit nicht der Fall!

Nr. 96/1.08

15.09.07: ROBIN WOOD-AktivistInnen demonstrierten am

AKW Krümmel für die sofortige Stilllegung der Atomanlage.

Aus der neuen Studie über die Häufung von Krebserkran-

kungen bei Kindern, die in der Nähe von Atomkraftwerken

wohnen, müssten politische Konsequenzen gezogen werden.

Vor dem Tor des AKWs spannten sie Transparente mit einem

großen Totenschädel und dem Slogan „Für unser Recht auf

Leben. Abschalten statt Atome spalten.“

Atommüll und Störfälle

Hamburg, 15.11.07: Mit einem riesigen Banner

protestierten AktivistInnen vor dem Rathaus

gegen die Entscheidung des Hamburger Senats,

den Bau des Klimakiller-Kraftwerks Moorburg

- trotz massiver BürgerInnen-Proteste und einer

laufenden Volkspetition - bereits im November

vorab zu genehmigen.

Page 30: Robin Wood Magazin 1/2008

tatorte

Nr. 96/1.0830

„Mein Freund, der Baum“

Das Klimpern des Klettergeschirrs auf

der Angelikastraße ist leise. Sekunden

später sind schwarz vermummte Kletterer

eines Spezialeinsatzkommandos der Polizei

da. Sie rennen auf das Gelände neben der

besetzten Buche und riegeln es ab. Es ist

der 15. Januar gegen 0:45 Uhr. Die Räu-

mung der Baumbesetzung in Dresden hat

begonnen. 13 ROBIN WOOD-AktivistInnen

sitzen in der Baumkrone einer jahrhunder-

tealten Buche und der daneben stehenden

Linde. Heute wird die Fällung der Bäume mit

ROBIN WOOD-Baumbesetzung gegen den Bau der Waldschlösschenbrücke in Dresden

Polizeigewalt durchgesetzt, denn sie stehen dem Bau der

Waldschlösschenbrücke über die Elbe im Weg.

Mehr als 400 Beamte sind im Einsatz, das ganze Stadt-

viertel wird abgeriegelt. Trotzdem haben es rund 100

Menschen bis zur Buche geschafft. Durch die Polizeiket-

ten hindurch gelingt es ihnen, auf die Straße zu laufen

und eine Sitzblockade zu machen. Die Beamten setzen

ohne jede Vorwarnung Pfefferspray ein und räumen.

Auch die ROBIN WOOD-KletterInnen werden nach und

nach aus dem Baum geholt. SEK-Beamte entfernen zwei

von ihnen, die sich im Baum angekettet haben, unter

Missachtung aller Sicherheitsvorkehrungen aus ihrer Ver-

ankerung. 39 Menschen werden in Gewahrsam genom-

men. Bei einer wenige Tage später angesetzten Anhörung

im Landtag berichten DemonstrantInnen, wie sie von der

Polizei behandelt wurden: schmerzhafte Griffe an die

Nase, Verdrehen von Armen und Beinen, Draufstellen auf

Fußknöchel, Handkantenschläge in den Nacken, Tritte in

die Seite, Schleifen über den Boden und Liegenlassen auf

der eiskalten Straße.

Seit dem 12. Dezember 2007 hatten ROBIN WOOD-

AktivistInnen die jahrhundertealte Rotbuche in Dresden

besetzt gehalten. Auch über Weihnachten und Sylves-

ter wichen sie nicht von ihrem Baum. Es war damit die

längste Baumbesetzung in der 25jährigen Geschichte

von ROBIN WOOD. Rentnerinnen, Berufstätige, Kinder

kamen am besetzten Baum an der Ecke Angelikastraße,

Bautznerstraße vorbei und brachten mit, was die Aktivis-

tInnen brauchen konnten: vom Risotto im Kochtopf bis zu

Wärmflaschen. Auch rote Rosen waren dabei. Nächte-

lang saßen AnwohnerInnen mit am Feuer und erzählten,

was ihnen dieser Baum bedeutet und wie unsinnig das

Brückenprojekt ist.

Dort wo die jahrhundertealte Buche stand, soll künftig

der Verkehr über eine siebenspurige Straße rollen. Das

rund 160 Millionen Euro teure Projekt „Waldschlösschen-

brücke“ hat gigantische Ausmaße. Zu ihm gehören neben

700 Metern Brücke und Hochstraßen durch die Elbauen

auch ein 1,2 Kilometer langes Tunnelsystem im Elb-

hang auf der Neustädter Elbseite sowie der Ausbau von

Zufahrtsstraßen. Dieses Projekt wühlt die DresdnerInnen

auf und spaltet die Stadt, anstatt sie zu verbinden. Die

Auseinandersetzungen ziehen sich schon über Jahre. Im

Februar 2005 ging ein Bürgerbegehren pro Brücke aus.

Allerdings war damals nicht bekannt, dass die UNESCO

der Dresdner Elbaue dafür den Welterbetitel aberken-

nen würde. Auch alternative Planungen standen nicht

zur Abstimmung. Die Bindefrist des alten Entscheids

läuft im März 2008 aus. Die BrückengegnerInnen haben

Suse Kühn, ROBIN WOOD-Baumbesetzerin: Kurz vor vier in

der Nacht ist die Stimmung gekippt. Wir stecken zu zweit mit

beiden Armen in zwei Rohren, die einen dicken Ast der besetzten

Buche in etwa zehn Metern Höhe umschließen. Die bis eben noch

recht entspannt wirkenden SEKler fangen an zu mutmaßen, wir

seien im Rohr nicht wirklich fest gekettet. Sie beginnen an meinen

Armen zu zerren und zu ziehen. Auch als ich schreie, weil es weh

tut, lassen sie nicht locker. In der Zwischenzeit fordert ein Beamter

eine Flex an. Wir versuchen, die Beamten noch umzustimmen, die

Rohre nicht aufzuflexen. Denn die Gefahr, dass sie hier oben in

der Baumkrone unsere Arme „aus Versehen“ erwischen, ist hoch.

Und dieser Fall wäre lebensbedrohlich, doch die SEKler wollen da-

von nichts wissen. Das Flexen ist sehr schmerzhaft, Funken sprü-

hen in mein Gesicht, treffen meinen Hals und das Klettermaterial,

mit dem wir gesichert sind. Im Rohr ist es brennend heiß. Erst

wenn ich wegen der Schmerzen laut schreie, setzen die Polizisten

kurz ab. Wasserkühlung und eine Schutzschiene für meine Arme

werden mir verweigert. Als das eine Rohr endlich durchtrennt ist,

beschließen die SEKler, dass es einfacher wäre, uns beide getrennt

zu Boden abzulassen. Deshalb riskieren die Beamten erneut un-

sere Leben und flexen auch das andere Rohr auseinander, wieder

unter Schmerzen.

Als ich zu Boden gelassen werde, gibt es Missverständnisse unter

den SEKlern. Während mein Körper am Seil immer tiefer sinkt,

verhakt sich mein Fuß in einer Seilschlinge. Obwohl der Beamte,

der mich begleitet, mehrmals durch Rufe auf meine Lage auf-

merksam macht, werde

ich weiter abgelassen,

so dass ich plötzlich

kopfüber hänge. Es

dauert, bis mein Fuß

aus der Schlinge befreit

werden kann. Unten

warten zwei ROBIN

WOODler auf mich. Sie

dürfen mich „auffan-

gen“ und in Sicherheit

bringen. Foto: brennpunktfoto/Fuhrmann

Schnupper-klettern am 6. Januar in

der Buche

Page 31: Robin Wood Magazin 1/2008

tatorte

Einen Monat besetzten ROBIN WOOD-AktivistInnen eine über 200 Jahre alte Buche, die dem Bau der Waldschlösschenbrü-cke weichen sollte

In einer Nacht- und Nebel-aktion beenden über 400 PolizistInnen brutal die Baumbesetzung

Am Morgen nach der Räumung wird die ur-alte Buche gefällt...

... gegen den Protest Tausender Menschen

ROBIN WOOD erreichten so zahl-

reiche Zuschriften wie bei kaum

einer anderen Aktion zuvor. Herz-

lichen Dank fürs Mutmachen und

die tatkräftige Unterstützung!!

„Auch wenn die Buche und andere

Bäume nun leider grenzenloser Dumm-

heit, Arroganz und Willkür weichen

mussten – Euer Einsatz war nicht

umsonst! Die Welt hat zugeschaut,

wie sie es ohne Euch nicht getan hätte,

und der ganze Irrsinn wird den Verant-

wortlichen früher oder später auf die

Füße fallen. Für uns gilt es nun, nicht

zu resignieren: Dafür habt ihr Kraft in

diese schöne, jetzt so gebeutelte Stadt

gebracht! Für all das: Danke, danke,

danke!“ (per SMS)

„Weiter so – mögen Buche und Elbtal

weiterhin dank aufgeklärter Aktivisten

gegen bürokratisch-orientierten Wirt-

schaftswahn obsiegen.“ (Jo)

„Ich bin traurig, entsetzt und empört,

mir stehen Tränen im Gesicht, was ich

heute früh in den Nachrichten sehen

musste. Der Kampf um die Buche ist

verloren. Noch am Samstag, 12.1., war

ich mit meinem Mann am frühen Mor-

gen dort. An diesem Tag hatte ich Ge-

burtstag und die Buche war seit einem

Monat besetzt, also Grund genug zwei

Torten zu backen und zu feiern. Die

Leute von Robin Wood haben unseren

vollen Respekt. Das, was in Dresden

gerade abgeht, ist für mich unfassbar.

Als ich dann heute die Bilder sah, mit

welcher Brutalität gegen friedliche

Menschen vorgegangen wird, erinnert

mich an `89 - war zwar erst 19, aber

auch die Bilder gehen nicht aus dem

Kopf. Mir fehlen einfach die Worte.“

(Solveig)

„Die Räumung und Zerstörung der

Buche sollte jedenfalls nichts das letzte

Wort sein. Ihr habt es verdient. Ihr habt

uns verändert. Auch mich.“ (Thomas)

Unterschriften gesammelt, um

einen neuen Bürgerentscheid

durchzusetzen, der sich für

einen Volltunnel anstelle des

Brücke-Tunnel-Projekts aus-

spricht. Obwohl die Meinungs-

bildung noch läuft, die Proteste

quer durch alle Bevölkerungs-

schichten massiv sind und die

internationale Öffentlichkeit

die drohende Zerstörung des

Welterbes in Dresden kritisiert,

werden bereits Fakten ge-

schaffen. Seit November 2007

wühlen sich die Bagger durch die Elbauen.

Die ROBIN WOOD-Baumbesetzung hat vielen

Menschen wieder Hoffnung gegeben, in dem

verfahrenen Streit trotzdem noch gewinnen zu

können. Am Tag der Räumung ziehen spontan

rund 30 Menschen zum Rathaus. Die Polizei

registriert, der Zug sei unterwegs auf über 100

Personen angeschwollen. Die Menschen wollen

mit dem Oberbürgermeister der Stadt spre-

chen, ihm Zweige der gefällten Buche bringen,

sich beschweren. Doch der Eintritt wird ihnen

verwehrt. „Wir fühlen uns wie `89“, sagt eine

empörte ältere Dame. „Wir dachten, nach der

Wende würde alles demokratischer, aber jetzt

verschanzen sie sich wieder.“ In Montagsde-

monstrationen und Fackelzügen ziehen die

DresdnerInnen regelmäßig auf die Straße und in

die Elbauen, um die Brücke noch zu verhindern.

Am Montag nach der Räumung kommen nach

Polizeiangaben 4.000 DemonstrantInnen auf

den Platz vor der Frauenkirche, „Mein Freund,

der Baum“, dröhnt aus dem Lautsprecher über

den Platz. Die Menschen jubeln den ROBIN

WOOD-AktivistInnen zu.

Es herrscht eine brisante, gefühlsgeladene

Stimmung in Dresden. Es geht um einen alten

Baum, der gefällt wurde, um eine Brücke, aber

auch um die Machtverhältnisse in der Stadt.

Wer soll bestimmen: Die Betonköpfe, die eine

Autobrücke durch das wunderschöne Elbtal

klotzen wollen? Oder die BürgerInnen, die für

ein naturnahes Elbtal und ein lebenswertes,

demokratisches Dresden streiten?

Ute Bertrand, Hamburg

Foto: Burkhard Schade

Foto: brennpunktfoto/Fuhrmann

Foto: Burkhard Schade

[email protected],

www.weltkulturerbe-erhalten.de

Page 32: Robin Wood Magazin 1/2008

32

Nicht immer haben sie damit auch

gleich das fatale Projekt kippen kön-

nen. Aber auf jeden Fall haben Baumbe-

setzungen die öffentliche Aufmerksamkeit

für das jeweils drohende Umweltdesaster

ungewöhnlich stark vergrößert. Auf die

Bäume steigen wirkt. Und auf den Bäu-

men bleiben, wochenlang - in Dresden

sogar länger als einen Monat - das wirkt

noch stärker.

Der Protest in den Baumkronen ist längst

zu einem der Markenzeichen von ROBIN

WOOD geworden. Kletterkurse werden

gut besucht. Selbst aus dem nordrus-

sischen Archangelsk reisen Interessen-

Waldschlösschenbrücke in Dresden, Braunkohlegruben bei Cottbus, Flughafenlandebahn bei Frankfurt oder Rüdnitzer Allee nordöstlich von Berlin - bei all diesen Brennpunkten der Land-schaftszerstörung sind ROBIN WOOD-Mitglieder im vergangenen Jahr in die Bäume gestiegen.

tInnen an. Und KletterspezialistInnen

von ROBIN WOOD werden von aus-

ländischen Umweltorganisationen für

Baumkletterkurse angeheuert. Beispiels-

weise in Schweden, wo nach drei ROBIN

WOOD-Kursen nun auch von dortigen

UmweltschützerInnen Kletterkurse

angeboten werden und so diese Pro-

testform nach und nach wohl überall in

Schweden bei Waldnutzungskonflikten

zum Einsatz kommen wird.

John Green aus dem nordschwedischen

Gävle gehört zu jenen, die das auf die

Bäume klettern durch ROBIN WOOD

kennen gelernt haben und nun selbst

wald

Baumklettern wirkt!

Klettercamps durchführen. Er ist Redak-

teur bei der Zeitschrift der Umweltor-

ganisation Fältbiologerna und hat im

vergangenen Herbst zusammen mit sei-

ner Kollegin Jennie Wadmann zahlreiche

Bäume in einem Waldstück bei Lübeck

erklommen - nicht aus Protest, sondern

für wissenschaftliche Erkenntnisse aus

diesem Wald, dem ersten in Deutsch-

land, der für sein ökologisches Waldnut-

zungskonzept ein Zertifikat bekommen

hatte. Hier sein Bericht:

Klettern für eine ökologische Waldnutzung

Einen Monat lang, in den schon recht

frostigen Oktobertagen 2007, haben

wir Rotbuchen in dem zum Lübecker

Stadtwald gehörenden Hevenbruch

vermessen - von der Stammbasis bis

hinauf zum Kronenbeginn. Trotz Kälte

eine wunderbare Arbeit: Freiwillig, ganz

ohne Bezahlung, aber mit viel Spaß und

dem starken Gefühl, etwas Gutes für die

Umwelt zu tun.

Der Hevenbruch ist ein typisch nord-

deutscher Buchenmischwald. Jegliche

Holznutzung wurde hier vor dreizehn

Jahren eingestellt. Das Waldgebiet

wurde damals zu einer sogenannten

Referenzfläche erklärt und dient seitdem

als repräsentativer Bestand, an dem im

Laufe der Jahre die Unterschiede zu den

weiterhin bewirtschafteten Buchen-

mischwäldern der Umgebung immer

deutlicher zu erkennen und mit Mess-

werten zu belegen sein werden.

Klettern auf Bäume ist für sich genom-

men schon spannend und eindrucksvoll.

Das Klettern für die Forschung nimmt

nichts von diesem Reiz. Im Gegenteil.

Denn während wir uns langsam - alle

drei Meter Höhe und Dicke des Buchen-

stammes messend - bis in die Baum-

krone hinaufarbeiteten, schärfte sich

unser Blick für die unterschiedlichsten

Stammausprägungen. Und mit der Zeit

bekamen wir eine recht konkrete Vor-

stellung davon, wie alle diese zwischen

50 und 130 Jahre alten Bäume über die

Jahrzehnte zu ihrer heutigen Gestalt

herangewachsen sind.

2008 sollen auch die Buchen im Schat-

tiner Zuschlag, einer weiteren Referenz-

Foto: Jennie Wadmann & John Green

Nr. 96/1.08

Page 33: Robin Wood Magazin 1/2008

Fünftausend Protestbriefezur Rettung des Regenwalds und der Bergkaribus

Erfreulich hoch war die Beteiligung an der ROBIN WOOD-Protestbriefaktion an

Gordon Campbell, den Regierungschef der westkanadischen Provinz British

Columbia. 4884 Unterschriften waren es bis Ende Januar. Die Bedrohung des

kanadischen Regenwaldes und des nur in dieser Region im Südosten der Provinz

vorkommenden Bergkaribus hat zahlreiche LeserInnen des ROBIN WOOD-Maga-

zins und des ROBIN WOOD-Kampagnenbriefes derart empört, dass sie auch noch

viele Freunde, Nachbarn und Kollegen zu einer Unterschrift bewegen konnten.

Der im Oktober von der Provinzregierung angekündigte Plan zum Schutz der

Bergkaribus sieht zwar eine auf den ersten Blick beeindruckende Fläche von

über zwei Millionen Hektar an Waldschutzgebieten vor. Doch der allergrößte Teil

davon – rund 80 % - ist längst geschützt und soll lediglich in seinem Schutzsta-

tus etwas erweitert werden. Weitere fünfzehn Prozent sind schwer zugängliche

Waldgebiete, beispielsweise an Steilhängen oder in den Hochlagen, die eh nicht

auf der Wunschliste der Forstindustrie stehen. Und nur etwa fünf Prozent an

neuen Schutzgebieten sollen in wirtschaftlich genutzten Waldgebieten liegen.

Doch auch dort wird es keine Beschränkungen für die Forstunternehmen geben.

John Allan, Präsident des Forstindustrieverbandes, hat sich schon kurz nach der

Ankündigung des Planes in mehreren Zeitungen sehr zufrieden geäußert, da

- wenn überhaupt - nur mit geringen Einschränkungen beim Holzeinschlag zu

rechnen sei. Recht hat er, denn in den mittlerweile einsehbaren Regierungsunter-

lagen zu diesem Plan steht schwarz auf weiß, dass es in den kommenden Jahren

keine Beschneidung der jährlichen Einschlagmengen geben wird.

Die Bergkaribus sind vom Artentod bedroht. Und die Hauptursache dafür – das

wird von keiner Seite bestritten – ist die Abholzung der dortigen Wälder. Ein Plan,

der vorgibt, die Bergkaribus retten zu wollen, aber dem dortigen Holzeinschlag

keinen Riegel vorschiebt – ein solcher Plan ist eine Farce!

Über die Übergabe der Protestbriefe an den kanadischen Botschafter werden wir

in der nächsten Ausgabe berichten.

Rudolf Fenner, Hamburg

wald

Nr. 96/1.08 33

fläche des Lübecker Waldes, vermessen

werden. Hier wird es besonders interes-

sant, denn dieses Waldstück liegt genau

im ehemaligen Grenzgebiet zwischen

West- und Ostdeutschland und war daher

für jegliche Nutzung gesperrt. Tatsächlich

wurden aber auch weite Bereiche dieses

Waldes schon vor der Errichtung des

Eisernen Vorhangs nicht bewirtschaftet,

so dass sich die Bäume hier seit etwa 110

Jahren ungestört entwickeln konnten.

Hier hat also nie ein pflegender Förster

Mühe und Arbeit in Waldentwicklung und

Baumauslese investiert. Und trotzdem

finden sich überall recht gut gewachsene,

wertvolle Buchen. Darum geht es auch

bei unseren Stammvermessungen. Wenn

dabei herauskommen sollte, dass sogar

ohne regulierende Eingriffe ausreichend

wertvolle Bäume heranwachsen können,

dann bringt das eine ganz neue Dimension

in die Diskussion um die beste und ökolo-

gischste Form der Waldbewirtschaftung.

Für dieses Ziel sind wir gerne geklettert.

Und wenn es sich irgendwie einrichten

lässt, dann kommen wir gerne wieder in

den Süden, um auch die Buchenstämme

im Schattiner Zuschlag zu vermessen.

John Green, Gävle

Lübecks Stadtwald - die Nummer 1

Der Lübecker Stadtwald war der erste

Forstbetrieb in Deutschland, der für

seine naturnahe Waldnutzung das Natur-

land - später dann auch das internationale

FSC-Zertifikat bekam. Das wirtschaftliche

Konzept dieses Betriebes unter der Leitung

von Dr. Lutz Fähser spielte eine ganz

wesentliche Rolle bei der Diskussion um

ökologische Mindeststandards in Deutsch-

land. Weitmöglichste Annäherung an die

natürliche Waldgesellschaft, Minimierung

von regulierenden Eingriffen und die Aus-

weisung von Referenzflächen ohne jegliche

Eingriffe sind wesentliche Bestandteile

dieses Konzeptes, die dann auch Eingang

in die Waldnutzungsstandards von Natur-

land und des FSC gefunden haben. Das

„Lübecker Modell“ der Waldnutzung ist

international sehr bekannt geworden und

daher Ziel zahlreicher Fachexkursionen aus

dem In- und Ausland. Auch John Green hat

diesen Wald ein Jahr vor seinen Baumbe-

steigungen auf einer Exkursion kennen

gelernt.

Foto: Gene Parker

Foto: Valhalla Wilderness Society

Page 34: Robin Wood Magazin 1/2008

tropenwald

34

Gewalt für Ölpalmen in Kolumbien Der illegale Ölpalmen-Anbau in der kolum-bianischen Region Chocó schreitet voran. Die Menschen in den betroffenen Gemeinden berichten von den gravierenden Folgen: Um-weltschäden und schwere Menschenrechts-verletzungen wie Verschleppungen, Folter, gewaltsame Umsiedlungen, Urkundenfäl-schung und sogar Mord.

Die Gier nach Palmöl hat ein ökolo-gisches Desaster in der Region Chocó

angerichtet. In den Flusstälern des Cur-varadó und des Jiguamiando sind bereits 50 Tier- und Pflanzenarten ausgestorben und 100 weitere Arten stehen kurz vor dem Verschwinden. Damit wird eines der artenreichsten Waldgebiete der Welt der globalen Nachfrage nach Agrokraftstoffen geopfert. Dabei steht die gesamte Region nach kolumbianischem Recht unter Schutz. Aber Umweltschutz und Menschenrechte

Um Ölpalmplantagen anzulegen ist den Konzernen in Kolumbien jedes Mittel recht: auch gewaltsame Umsiedlung, Brandstiftung und Mord

Nr. 96/1.08

Fotos: Comision Intereclesial de Justicia y Paz, Colombia

Page 35: Robin Wood Magazin 1/2008

tropenwald

bleiben unbeachtet, wenn die Palmöl-konzerne ihre Interessen verfolgen.

Die afrikanisch-stämmigen Kolumbia-nerInnen sind Teil der benachteiligten und unterdrückten Bevölkerung der Region Chocó. Sie gehören zu den über 11 Millionen KolumbianerInnen mit einer eigenen soziokulturellen Identi-tät. Ihre Landrechte in den Tälern des Jiguamiando und Curvaradó wurden vom kolumbianischen Staat durch das INCORA, das kolumbianische Institut für die Agrarreform, anerkannt und in der Nationalen Verfassung von 1993 und 1995 festgeschrieben. Trotz der natio-nalen und internationalen Schutzvor-schriften sind diese Menschen weiterhin Opfer systematischer Diskriminierung.

So wurde die Chocó-Region 1996 und 1997 zum Schauplatz massiver Zwangs-umsiedlungen. Die so genannte Ope-ration Genesis unter dem Befehl des Generals Rito Alejo Del Río war ein mi-litärischer Gewaltexzess in Kooperation mit den Paramilitärs Bäuerliche Selbstver-teidigungskräfte (AUC), die gemeinsam mit der Armee gegen die Bevölkerung vorgingen. Mehr als 20.000 Menschen wurden brutal von ihrem Land vertrie-ben. Die verbliebenen Familien leiden seitdem unter zahlreichen Repressionen durch die neuen ‚Besitzer’.

Seitdem weiten die Ölpalmenkonzerne in der Region Chocó ihre Anbaufläche mit illegalen Methoden und juristischen

Tricks aus. Es wurden Scheinverträge über den Verkauf von Land abgeschlos-sen, die nicht einmal juristischen Grund-anforderungen standhalten. Die Firmen haben sich vor allem Land angeeignet, das bislang von den Dörfern gemein-schaftlich genutzt wurde. Strohmänner verhandeln mit der Dorfgemeinschaft, um anschließend mit Hilfe von Pseudo-dorfverträgen den angeblichen Land-verkauf zu besiegeln. Am 24. Mai 2004 wechselten im Dörfchen Curvaradó auf diese Weise 46.000 Hektar die Besitzer.

Eine weitere Taktik, um die lokale Bevölkerung um ihr Eigentum zu brin-gen, ist der Ankauf von sogenannten Mejoras, einem kleinen Stück Land mit einer Hütte. Und das, obwohl gesetzlich festgelegt ist, dass einzelne Grundstücke

35Nr. 96/1.08

ohne Genehmigung der Gemeinschaft nicht verkauft werden dürfen. Die Firma Palmas de Curvaradó hat sich durch 50 Verträge ungefähr 4.752 Hektar Land angeeignet und der Ölpalmenmulti Ura-palma S.A. durch 55 Verträge ca. 5.653 Hektar. Die Liste ließe sich fortsetzen, denn laut Incoder, der in Kolumbien zuständigen Behörde für die Landreform, befindet sich 95 Prozent der Palmanbau-fläche auf illegal angeeignetem Gemein-deland.

In den Flusstälern der Region Chocó wird eines der artenreichs-ten Waldgebiete der Welt dem illegalen Anbau von Ölpalmen geopfert

Die vertriebenen Menschen sind in ihre Heimatorte zurückgekehrt und roden dort die illegal ange-legten Plantagen

Page 36: Robin Wood Magazin 1/2008

tropenwald

Nr. 96/1.0836

Unter welch dubiosen Umständen Palmölkonzerne wie Urapalma S.A. an ihr Land kommen, zeigt der Fall von Lino Antonio Diaz in der Gemeinde Curva-radó. Urapalma hat seinen Besitzurkun-den zufolge im Jahre 2000 von Herrn Diaz 9000 Hektar Land erworben. Leider mit dem Schönheitsfehler, dass Herr Diaz im Jahr des angeblichen Verkaufs schon fünf Jahre tot war und er auch keine 9000 sondern lediglich 34 Hektar besaß.

Die Menschen haben sich aus Angst vor erneuten Übergriffen in so genannte humanitäre Zonen zurückgezogen. In diesen Gebieten, die etwa fünf Hektar groß sind, kommen externe Personen, egal ob ZivilistInnen oder Militärs, nur mit Erlaubnis der dort lebenden Men-schen hinein. Der Eintritt mit Waffen ist verboten.

Seit einiger Zeit versuchen die ver-triebenen Menschen mit Hilfe von Menschenrechtsorganisationen in ihre Heimatorte zurückzukehren. Ihr ehe-maliges Land ist jedoch mit tausenden Hektar Ölpalmen besetzt worden. Die enteigneten Menschen versuchen nun ihren Besitz zurück zu bekommen: einer-seits mit juristischen Mitteln, andererseits nehmen sie ihre Rechte in die eigene Hand, indem sie z. B. die Ölpalmen von ihrem Land entfernen. Diese Arbeit ist gefährlich und mühselig. Etwa 20 Per-sonen schaffen es am Tag Ölpalmen auf etwa zwei Hektar Land zu beseitigen. Die zurückgekehrten Menschen möchten die zerstörte Natur aufforsten und sich durch den traditionellen Anbau von Mais

oder Bohnen wieder selbst versorgen. Sie richten spezielle Biodiversitäts-Zonen (zona de biodiversidad) ein, in denen die Natur vor Eingriffen geschützt bleibt.Das Leben für die RückkehrerInnen ist nicht einfach. Die ehemaligen Parami-litärs, die offiziell entwaffnet wurden, haben mittlerweile eine neue Gruppe, die Àguilas Negras (schwarze Adler), gegründet. Sie sind bereits bis zu den humanitären Zonen vorgedrungen und versetzen die Menschen dort in Angst und Schrecken.

Die Ölpalmenkonzerne versuchen Kon-flikte zwischen den ArbeiterInnen, die auf den Plantagen eine Arbeit gefunden haben, und den Menschen, die ihr Land zurückverlangen zu provozieren. Auch das Militär spielt weiter eine unrühmliche Rolle. Die Anwesenheit der Soldaten erzeugt Furcht bei den Zurückgekehrten. Zusätzlich heizt die kolumbianische Re-gierung den Konflikt an. Unter dem Vor-wand der Forstpflege werden Menschen aus anderen Regionen Kolumbiens, wie Campesinas und Exparamiliärs, in die Gebiete der zurückkehrenden Gemein-den gebracht.

Trotz der Widrigkeiten und der Repres-sionen setzen die zurückgekehrten Gemeinden ihren Wiederaufbau und die Besetzung ihrer zerstörten Gebiete fort. Sie wollen ein selbstbestimmtes Leben führen und zwar ohne die für sie nutz-losen Ölpalmen-Monokulturen.

Cristian Garcia aus Chile ist Agrarin-genieur und hat mehrere Jahre als Projektkoordinator in Mexiko und

Chile mit indigenen Menschen in Sozial-, Umwelt- und Agrarprojekten

gearbeitet. Kontakt: [email protected]

Aus Angst vor Übergriffen ha-ben die Menschen so genannte humanitäre Zonen gegründet. Sie möchten in Zukunft selbst-bestimmt leben und traditionelle Landwirtschaft betreiben

In Biodiversitäts-Zonen soll die Natur in Zukunft vor Eingriffen geschützt werden

Fotos: Comision Intereclesial de Justicia y Paz, Colombia

Page 37: Robin Wood Magazin 1/2008

tropenwald

37Nr. 96/1.08

„Palmöl zerstört unser Leben“Die großen Urwälder Sumatras sind längst abgeholzt. Aber in den Nationalparks und in den Bergen der indonesischen Insel gibt es noch immer schützenswerte Wälder mit einer überbordenden Tier- und Pflanzenwelt. Doch das Plündern geht weiter. Den Menschen auf Sumatra macht vor allem der wachsende Hunger der Indus-triestaaten nach billigem Palmöl zu schaffen. Peter Gerhardt und Christian Offer von ROBIN WOOD und Marianne Klute von Watch Indonesia! sprachen in Berlin mit Feri Irawan von der Umweltorga-nisation WALHI, dem indonesischen Zweig von Friends of the Earth.

? Palmöl aus Indonesien hat sich zu

einem wichtigen Rohstoff für die Kraft-

stoff- und Lebensmittelindustrie entwi-

ckelt. Was bedeutet der Palmölboom für

die Menschen in Indonesien?

! Die Folge ist, dass die lokale Bevölke-rung ihre Lebensgrundlagen verliert. Al-lein in Jambi auf Sumatra haben 20.000 Familien Land an Plantagenunternehmen abgeben müssen. Nun ist das ehema-lige Waldland mit Monokulturen wie Gummibäumen und Ölpalmen für den Weltmarkt bepflanzt. Die Einheimischen haben ihre Einnahmequellen verloren.

? Führende westliche PolitikerInnen

sehen in dem Palmöl-Boom eine luk-

rative Verdienstmöglichkeit für Klein-

bauern in Indonesien. Kannst Du das

bestätigen?

! Nein, Palmöl bietet keinerlei Chancen für Kleinbauern. Schon heute gibt es sehr viele Probleme und Konflikte mit den Plantagen und ihren Betreibern. Und die Regierung tut nichts, um diese Probleme zu lösen. Sie ignoriert die tradi-tionellen Rechte der einheimischen bzw. der indigenen Bevölkerung und spricht ihr die überlieferten Gemeinschaftsland-rechte selten zu. Dabei hat die Regierung sogar das Gesetz auf ihrer Seite, da der Staat in Verfassung und Forstrecht Sou-verän über das Land ist. Die Plantagen werden von der Hauptstadt Jakarta aus am Reißbrett geplant.

Die großen Konzerne hinterlassen öko-logische Wüsten und eine unumkehrbar zerstörte Umwelt. Auf den Plantagen werden Pflanzengifte wie Paraquat eingesetzt, die in Europa längst verboten sind! Die Tagelöhner leiden unter Haut-

erkrankungen, Lungen- und Atem-problemen, die das Gift bei ihnen auslöst.

? Viele Unternehmen in Deutschland set-

zen auf Palmöl, das vom Runden Tisch für

nachhaltiges Palmöl, dem „Round Table on

Sustainable Palm Oil“ (RSPO), zertifiziert

wurde. Was hältst Du von dieser Initiative?

! Die Unternehmen im RSPO sehen nur ihre wirtschaftliche Interessen, so ist z.B. das beteiligte Unternehmen Syngenta der Produzent von Paraquat. Ein anderes Pro-blem ist, dass die Kleinbauern im RSPO direkt von den Großunternehmen ab-hängig sind. Ihre Mitgliedschaft dient nur dem „Greenwashing“ der verheerenden Auswirkungen der indonesischen En-ergie-, Agrar- und Bevölkerungspolitik. Wir lehnen die Initiative des RSPO daher ab. Nach unserer Erfahrungen sind die Kriterien des RSPO nicht nachhaltig, nicht ausgewogen und nicht praktikabel.

Ein Beispiel macht die Probleme vielleicht deutlich: Laut Gesetz müssen Plantagen in Indonesien Transmigranten beschäf-tigen. Das sind Menschen, die von der

indonesischen Regierung zum Teil zwangsweise aus anderen Gegenden umgesiedelt wurden und nun unter teils unmenschlichen Bedingungen auf dem vergifteten Land schuften. Die Kleinbau-ern vor Ort haben von den Plantagen am allerwenigsten und werden gleich mehrfach betrogen! Sie müssen sieben bis acht Hektar ihres Landes abgeben und bekommen dafür zwei Hektar mit Ölpalmen bepflanztes Land. In den ersten vier bis fünf Jahren bringen die Plantagen ihnen aber kein Einkommen. Die Bauern sind in dieser Zeit komplett von dem Konzern abhängig, da sie alle Wirtschaftsgüter teuer bezahlen müssen und von der Infrastruktur des Konzerns abhängen. Die Folgen dieser Praxis sind die Verarmung der Bevölkerung und ein zerrüttetes Sozialgefüge mit vielen gesellschaftlichen Konflikten.

? Was können Unternehmen und Ver-

braucherInnen in Deutschland tun?

! Die Abhängigkeit von Palmöl muss drastisch reduziert werden. Die Indus-trieländer sollten Energie sparen und die Energie-Effizienz verbessern! Jedes nicht effizient genutzte Quantum an Energie in Deutschland bürdet Indone-sien zusätzliche ökologische und soziale Lasten auf.

Tipp: „Die Biosprit-Falle. Indonesiens

Wald in Gefahr“, Film von Inge Alte-

meier, zu beziehen über:

[email protected]

Feri Irawan, 33, lebt mit seiner Frau und Tochter in der indonesischen Provinz Jambi auf der Insel Sumatra. Seit seiner Jugend engangiert er sich für Menschenrechte und Natur in Indonesien, vor allem in seiner Heimat Jambi. Er ist seit 2002 Direktor der indonesischen Umweltschutzorganisation WALHI Jambi. Feri kämpft vor allem gegen den illegalen Holzeinschlag. In Zusammenarbeit mit anderen NGOs vor Ort

ist es Feri gelungen, mehrere Mafiaringe auffliegen zu lassen, die Nationalparke auf Sumatra durch Raubbau zerstören. Feri kämpft mit friedlichen Aktionen und Demonstrationen für die Landrechte der Bauern und der indigenen Waldnoma-den. Manchmal hat er damit Erfolg: Erst kürzlich musste einer der größten und korruptesten indonesischen Konzerne, Sinar Mas, Bauern aus Jambi einige Hektar ihres vor sechs Jahren gestohlenen Landes zurückgeben. Kontakt: WALHI Jambi, [email protected]

Page 38: Robin Wood Magazin 1/2008

38

Seit dem 19. Oktober 2007 hat auch

die DWS, Europas größte Fonds-

gesellschaft für PrivatkundInnen, die

zu Deutschen Bankgruppe gehört, ein

solches Produkt im Angebot. Mit dem

Global Forest and Timber TR Index Zer-

tifikat können sich die DWS-KundInnen

an „Unternehmen, die Wald besitzen

und diesen bewirtschaften“ beteiligen.

Die Argumente der Banker für Investiti-

onen in die Forstbranche folgen stets der

gleichen Logik. Durch Globalisierung und

steigende weltweite Nachfrage schnelle

der Preis für den Rohstoff Holz in die

Höhe. Davon profitierten dann die Forst-

und Holzfonds. Im Verkaufsprospekt

der DWS für ihr Wald-Zertifikat heißt es:

„Die Nachfrage nach Holz steigt stetig.

Dies ist zum einen auf den drastischen

Anstieg der Weltbevölkerung zurückzu-

führen (...). Häufig sind Lieferengpässe

und Preisanstiege die Folge“. Auch

ökologischen Gesichtspunkten schien die

DWS Rechnung zu tragen. Im ursprüng-

lichen Verkaufstext des Zertifikates hieß

es: „Der Großteil der ausgewählten Un-

ternehmen wurde durch die internatio-

nal gültigen Gütezeichen für nachhaltige

Forstwirtschaft FSC (Forest Stewardship

Council) oder SFI (Sustainable Forestry

Initiative) zertifiziert. Diese Zertifikate

werden an Unternehmen verliehen, die

sozial, ökologisch und ökonomisch nach-

haltige Forstwirtschaft betreiben. Vor

dem Hintergrund der globalen Erwär-

mung ist die Bedeutung einer effektiven

und nachhaltigen Wald- und Forstwirt-

schaft wichtiger denn je.“

Ein erster Blick von ROBIN WOOD auf

die im Index gelisteten Unternehmen

offenbarte aber schnell, dass zwischen

Anspruch und Wirklichkeit eine große

Lücke klafft. Dies betraf besonders

Aracruz Celulose aus Brasilien, das in

zahlreiche Landrechts-Konflikte verwi-

ckelt ist, wie auch den australischen

Konzern Gunns, der in Tasmanien

großflächig Urwald platt macht und

dort ganze Landstriche für ein neues

Zellstoffwerk zu vernichten droht. Auch

weitere im Zertifikat enthaltene Forst-

giganten, wie West Fraser Timber oder

Ence sind schon von NGOs als Umwelt-

frevler angeprangert worden.

Daraufhin wurde ROBIN WOOD aktiv:

Nach einem Brief verbunden mit der

Aufforderung, Aracruz und weitere

Raubbaufirmen sofort aus dem Zertifi-

kat zu entfernen, meldete sich ein Ver-

treter der DWS-Geschäftsführung samt

Ein sicheres Investment in eine grüne Zukunft sind Beteiligungen an Waldbesitz und Forstplantagen, so der Tenor unzähliger Websites und Hochglanzprospekte, mit denen Banken bei potenziellen Anle-gern werben. Doch Vorsicht ist geboten, damit das wohl verdiente Geld nicht Waldzerstörern oder dubiosen Beteiligungsgesellschaften in den Rachen geworfen wird.

Mitarbeiterstab am Telefon. Die Herren

zeigten sich einsichtig und handelten

unverzüglich: Aracruz, Gunns, Ence und

Co. wurden aus dem Index des Zertifi-

kats gestrichen und DWS verzichtete ab

sofort auf die vollmundigen „Öko“-Ver-

sprechen in seinen Verkaufsprospekten.

Aus dem Global Forest and Timber TR

Index Zertifikat ist zwar kein Geheim-

tipp für Ökoinvestoren geworden, dafür

setzt das DWS-Zertifikat weiterhin viel

zu sehr auf konventionelle Forstwirt-

schaft, aber die schlimmsten Umwelt-

frevler sind rausgeflogen. Ein schöner

Erfolg für die Umwelt und auch ein

Signal an Raubbaufirmen wie Aracruz

und Gunns, dass auch die Finanzwelt

dem zerstörerischen Treiben der Wald-

vernichter nicht immer tatenlos zusieht.

Vor einem finanziellen Desaster stehen

jene Anleger, die ihr Geld der Prime

Forestry Group anvertraut haben. Mit

sagenhaften Renditeversprechen von bis

zu 14 Prozent sammelte die Schweizer

Gesellschaft viele Millionen Euro für

Teakplantagen in Panama ein. Noch

2005 wurden die Forstinvestoren mit

der Pressemitteilung „Prime Forestry

verzeichnet kräftiges Wachstum“ ruhig

gestellt. Schon zwei Jahre später waren

die eidgenössischen Baumpflanzer ein

Fall für den Insolvenzrichter.

Drum prüfe sorgsam, wer sein Geld

in Bäume, Wald oder Forstplantagen

anlegen möchte. Das ist besser für die

Umwelt und unter Umständen auch

besser für den eigenen Geldbeutel.

Peter Gerhardt ist Tropenwaldrefe-

rent von ROBIN WOOD in Hamburg,

Tel.: 040/38089218, tropenwald@

robinwood.de

Wer sein Geld in Bäume, Wald oder Forstplantagen anle-gen möchte, muss genau den Anbieter prüfen. Hier vernich-tet der australische Konzern Gunns großflächig Urwald in Tasmanien. Gunns war bis zum Protest von ROBIN WOOD im Waldzertifikat der Fondsge-sellschaft der Deutschen Bank enthalten

tropenwald

Geld, das auf Bäumen wächst Wilderness Society Australia

Nr. 96/1.08

Page 39: Robin Wood Magazin 1/2008

39

bücher

Nr. 96/1.08

Josef H. Reichholf

S t a d t n a t u rEine neue Heimat für Tiere und Pflanzen

Josef H. Reichholf

Stadtnatur – Eine neue

Heimat für Tiere und

Pflanzen

Oekom-Verlag, 2007

320 Seiten, 24,90 Euro

ISBN 978-3-86581-042-7

Christian Offer, Frankfurt

Plädoyer für eine neue Stadt-Sicht

Füchse, Dachse, Wildschweine und Marder sind vielen Stadtmenschen bereits als „Mitbe-

wohner“ bekannt. Weniger bewusst ist vielen, dass sie schon seit Jahren auch von Wasch-

bär, Wanderfalke, Halsbandsittich, Eisvogel, Fischadler, Kolbenente, Habicht und Nachtigall

umgeben sind. Und wer das erste Mal von der Blauflügeligen Ödlandschrecke, der Rotpelzigen

Sandbiene oder dem Teichlinsenzünsler hört, traut seinen Ohren kaum. Diese Geschöpfe sollen

gewissermaßen vor der Haustür zu finden sein? Aber auch die Pflanzenwelt unserer Städte hat

so einige Besonderheiten auf Lager. Oder wussten Sie, dass ein einziger Cornelkirschen-Strauch

in guten Jahren bis zu drei Kilogramm Kirschen produziert? Eine wunderbare Speisekammer für

überwinternde Vögel – und sogar für uns Menschen: Aus den Früchten, die extrem viel Vitamin

C enthalten, lässt sich eine leckere Marmelade machen.

Reichholf räumt mit gängigen Vorurteilen gegenüber der „Steinwüste Stadt“ auf, z.B. dass

in Mitteleuropa die Artenvielfalt auf dem Land größer sei als in der Stadt. Besonders ge-

wachsene Großstädte wie München, Hamburg oder Berlin besitzen eine große Vielfalt an

potenziellen Lebensräumen für Tier- und Pflanzenarten mit verschiedenen Ansprüchen an

ihre Umgebung. Und die Intensivlandwirtschaft als Europas größter Naturvernichter hat schon

längst die meisten Refugien für wilde Tier- und Pflanzenarten auf dem Land beseitigt. Auch

viele heimischen Forste können den Städten als Lebensraum wenig entgegensetzen, weil sie

immer noch weit entfernt sind vom Zustand ihrer natürlichen Wald-Vorläufer. Aber Reichholfs

Buch macht auch vor bitteren Erkenntnissen nicht halt: Eine besondere Bedrohung für die hei-

mische Artenvielfalt geht von einigen der Tier- und Pflanzenarten aus, die während der letzten

Jahrzehnte aus anderen Regionen der Welt hier einwanderten bzw. eingeschleppt oder ange-

pflanzt wurden. Arten wie die spanische Wegschnecke oder der Ostasiatische Riesenknöterich

breiten sich invasionsmäßig aus und verdrängen ursprüngliche Arten.

Ein Artenregister und eine Literaturübersicht schließen das ansprechend aufgemachte Buch

aus dem Oekom-Verlag ab. Enttäuscht von ihm werden nur diejenigen Ökologen und Na-

turschützer sein, die biologische Vielfalt differenzierter betrachten: So ist ein Ökosystem mit

wenigen Arten nicht zwangsläufig weniger wert als eines mit vielen. So haben beispielsweise

unsere schönen, aber vergleichsweise artenarmen, naturnahen Wälder einen unschätzbaren

ökologischen Wert für Mensch und Natur. Keine Stadt der Welt kann die Auswirkungen des

Klimawandels mildern oder die Luft von Schadstoffen und Staub befreien. Diese Aspekte feh-

len dem Buch von Josef Reichholf: Es erhebt Artenvielfalt zum Wert der Natur schlechthin.

anze

ige

Page 40: Robin Wood Magazin 1/2008

40 Nr. 96/1.08

Malaria boomt„Mann erkrankt an Malaria“ oder

sogar „Düsseldorfer an Malaria

gestorben“ lauten immer mal wieder

Schlagzeilen der Lokalpresse. Meistens

handeln solche Artikel von Einzelfällen,

bei denen die Infektionen zumeist von

einer Reise mitgebracht wurden. Doch

es ist noch nicht lange her, da erlagen

auch in Deutschland zahlreiche Men-

schen der Malaria. Im 19. Jahrhundert

war die Krankheit wohlbekannt, und

noch nach dem Zweiten Weltkrieg

wurden in den Rheinwiesen Infekti-

onen nachgewiesen. Seitdem gilt die

Malaria in Europa zwar offiziell als

ausgerottet, doch in den letzten Jah-

ren melden sich immer wieder Kranke,

die nicht im Ausland gewesen sind,

sondern sich offensichtlich hier vor Ort

infiziert haben. Noch sind es wenige,

doch ein wärmeres und feuchteres

Klima könnte die Malaria in Mitteleur-

opa wieder heimisch machen.

In anderen Gegenden der Welt lässt

sich der Vormarsch der Malaria längst

nicht mehr ignorieren. Jährlich infizie-

ren sich weltweit 500 Millionen Men-

schen, etwa 2,7 Millionen sterben an

den Folgen der Krankheit. Damit gilt

Malaria als die zweithäufigste Todes-

ursache. Die meisten Toten fordert die

Krankheit in Afrika. Über 90 Prozent

der Opfer sind jünger als fünf Jahre.

Der Klimawandel verschlimmert diese

Situation. Im 20. Jahrhundert ist die

durchschnittliche Temperatur in Afrika

bereits um etwa ein Grad Celsius

gestiegen, gleichzeitig sind die Nieder-

schläge in einigen Regionen zurückge-

gangen. Soweit sind sich die Experten

einig. Wie die künftige klimatische

Entwicklung aussehen wird, ist aller-

dings schwer zu sagen – schon weil

das Netz an Forschungsstationen in

Afrika sehr grob ist. Die Wissenschaft-

ler des Weltklimarates (IPCC) gehen

davon aus, dass die durchschnittliche

Temperatur in Afrika im 21. Jahrhun-

dert um drei bis fünf Grad ansteigen

wird. Dabei wird es große regionale

Unterschiede geben. Besonders heiß

wird es voraussichtlich in der Sahel-

zone und dem südlichen Afrika.

Anopheles-Mücke auf dem Vormarsch

Für die Anopheles-Mücke, die Über-

trägerin der Malaria, sind das beste

Lebensbedingungen. Schon gering-

fügig höhere Temperaturen und

entsprechende Brutstätten wie Tümpel

und Wasserlachen für die Larven kön-

nen für explosionsartige Vermehrung

sorgen. Wie so etwas aussehen kann,

zeigte sich etwa in Ruanda und Mo-

sambik, wo 1987 ein warmer Sommer

mit wenigen kräftigen Regengüssen

die Zahl der Malaria-Infizierten inner-

halb eines Jahres um über 300 Prozent

ansteigen ließ.

Dabei drang die Mücke erstmals in

große Höhen vor. Bisher galt, dass sie

nur in flacheren Regionen mit vorwie-

gend tropischem Klima überleben.

Doch mittlerweile tritt die Krankheit

auch in den Bergen auf, die bisher

malariafrei waren. Besonders gut

erforscht ist die Situation in Südafrika.

Wissenschaftler schätzen, dass die

Klimaveränderung die Ausbreitung der

Malaria so stark unterstützt, dass sich

allein am Kap der Guten Hoffnung der

Lebensraum der Mücke verdoppeln

wird. Die Zahl der potenziell betrof-

fenen Menschen würde dann von zwei

auf mehr als sieben Millionen steigen.

Malaria zweithäufigste Todesursache

Längst gibt es wirkungsvolle Medika-

mente gegen Malaria. Doch vor allem

in den ländlichen Gebieten Afrikas ist

die medizinische Versorgung schlecht.

Die Malaria tötet dort so viele Men-

schen, dass die Sozialstruktur ganzer

Dorfgemeinschaften zerstört wird.

Familien verlieren ihre Ernährer, Kinder

werden zu Waisen, im Dorf fehlen

Lehrer, Arbeitskräfte und Stammes-

führer.

Die Vereinten Nationen gehen davon

aus, dass die Folgen der Malaria

das Wirtschaftswachstum in Afrika

bereits heute um 1,3 Prozent pro Jahr

verringern. Dieser Entwicklung stehen

die meisten afrikanischen Länder

hilflos gegenüber. Die Bekämpfung

der Malaria würde große Summen für

Medikamente, Krankenhäuser und die

Vernichtung der Mücken-Brutstätten

erfordern. Geld dafür ist in den meis-

ten afrikanischen Staaten jedoch kaum

vorhanden.

So weit wird es in Europa vorerst nicht

kommen. Selbst wenn die Malaria

wieder heimisch wird, dürfte das

flächendeckende Gesundheitssystem

derart drastische Folgen wie sie in

Afrika heute schon zu beobachten

sind, verhindern. Doch auf die leichte

Schulter sollten auch die Europäer das

Problem nicht nehmen. Denn sogar im

21. Jahrhundert sind bereits Men-

schen in Deutschland an der Malaria

gestorben.

Aus dem Buch „Klima-Countdown“

von Marc Engelhardt und Markus

Steigenberger

Neun von zehn Malariaopfern sind unter fünf Jahre alt

bücher

Foto: Margrit Stalder/Pixelio

Page 41: Robin Wood Magazin 1/2008

41

bücher

Pendos CO2-Zähler

Die CO2-Tabelle für ein klima-

freundliches Leben

Herausgeber: co2online ge-

meinnützige GmbH, Berlin

Pendo Verlag

München und Zürich 2007

156 Seiten, 6,90 Euro

ISBN 978-3-86612-141-6

Nr. 96/1.08

CO2-Pfunde abspecken

Bücher zum drohenden Klimawandel gibt es

mittlerweile viele. Doch der Pendos CO2-Zähler ist

anders: Zum einen passt er im praktischen Klein-

format in jede Tasche. Zum anderen regt er seine

LeserInnen mit einer Fülle von Zahlen und Fakten,

die übersichtlich in Tabellen verpackt sind, dazu an,

ihre ganz persönliche Klimabilanz zu berechnen.

JedE kann nachvollziehen, ob die Lust auf Bananen

oder das Steak aus Süddeutschland mehr CO2 auf

die Klimawaage bringen. Die AutorInnen wollen

helfen, die private Klimabilanz zu verschlanken,

schlagen aber vor, sich realistische Ziele zu setzen:

„Wenn Sie nur wenig tun wollen, finden Sie hier

schnell heraus, was dennoch viel bringt. Wollen Sie

mehr tun, umso besser.“

Allerdings wird das interessante Nachschlagebüch-

lein in einem Punkt seinen eigenen Ansprüchen

nicht gerecht: Statt auf Recyclingpapier gedruckt,

ist es auf weißem Papier aus Frischfasern erschie-

nen. Dabei geben die AutorInnen im Abschnitt

„Konsum“ den Tipp noch heute das Papier im ei-

genen Drucker durch Recyclingpapier zu ersetzen,

da es in allen Umweltschutzaspekten gegenüber

Frischfaserpapier im Vorteil ist. Die 2. Auflage des

CO2-Zählers ist in Arbeit und soll jetzt klimafreund-

lich auf Recyclingpapier gedruckt werden.

Klimawandel noch mal anders

Marc Engelhardt, Markus Stei-

genberger

Klima-Countdown

Reportagen vom Klimawandel

Schmetterling Verlag, Stuttgart

128 Seiten, 12,80 Euro

ISBN 3.89657-566-X

Wer das Klimabuch von Harald Vieth liest, merkt, dass

es von einem Lehrer geschrieben wurde. Nicht weil es

oberlehrerhaft daherkommt, sondern weil das Buch

mit 60 Karikaturen, vielen Farbfotos und Grafiken

besonders anschaulich ist und den SchülerInnen ab

Klasse 6 den Zugang zum Thema Klimaschutz leicht

macht und zum Mitmachen anregt. So ist auf einer

Seite Platz für die Zeichenkunst der LeserInnen gelas-

sen: Sie werden ermuntert, den CO2-Fußabdruck eines

Deutschen und eines Chinesen im Vergleich zu zeich-

nen. Damit das auch gelingt, gibt der Autor eine Reihe

von Internetadressen an, mit deren Hilfe auch der

eigene Klimafußabdruck fix berechnet werden kann.

Harald Vieth beschreibt die globalen Folgen des Kli-

mawandels, wie er sich auf die Pflanzen- und Tierwelt

in Deutschland auswirken wird und dass bis zu einem

Drittel seiner Heimatstadt Hamburg in einhundert

Jahren unter Wasser stehen könnte. Wer an dieser

Stelle wissen möchte, was dagegen zu tun ist, muss

das Buch erst mal auf den Kopf stellen. Am Ende des

Buches gibt Harald Vieth VerbraucherInnen und Politik

konkrete Handlungsoptionen gegen den drohenden

Klimawandel mit an die Hand.

Klima-Countdown

In 26 Reportagen führen die Auto-

ren von der Frankfurter Rundschau

und dem BUND die LeserInnen zu

Schauplätzen des Klima-Countdowns

in der ganzen Welt. Sie zeigen die

Schlammwüsten statt weißer Pracht

auf dem Mount Everest, erklären,

warum die Venezianer um ihre Häuser

bangen müssen und stellen die „Streu-

sandbüchse“ Brandenburg vor. Farbige

Fotos illustrieren die Reise.

Das Buch soll den Einstieg in das

Thema – etwa im Schulunterricht der

Sekundarstufe II – erleichtern und die

Folgen der Klimaveränderungen in ver-

schiedenen Regionen der Erde erlebbar

machen. Die Autoren wollen mit ihren

packenden Berichten die LeserInnen

aufrütteln, aber nicht entmutigen – der

Klima-Countdown läuft zwar, aber

noch ist es nicht zu spät. Am Ende des

Buches machen sie mit ersten prak-

tischen Schritten in Richtung Klima-

schutz Mut, selbst aktiv zu werden.

Harald Vieth

Klimawandel mal anders.

Was tun?

Vieth Verlag, 2007

www.viethverlag.de

162 Seiten, 16,80 Euro

ISBN 978-3-00-021535-3

Page 42: Robin Wood Magazin 1/2008

perspektiven

Nr. 96/1.0842

Trommeln und FeuermachenGanz in seine Arbeit versunken sitzt der 7-jährige Kyran auf einem Baumstamm und schnitzt an einem Speer. Mit fließenden Bewegungen – die Messerklinge immer brav vom Körper wegziehend – schabt er die Rinde fort und glättet den langen, gerade gewachsenen Ast. Später wird Marleen Item ihm zeigen, wie man eine Speerspitze aus Stein oder Knochen an dem Schaft befestigt.

„Sich über einen längeren Zeitraum

ganz auf eine Aufgabe konzentrieren,

dass können viele Kinder heute kaum

noch“, sagt Marleen Item. „Und

manche stehen verloren inmitten des

Reichtums an natürlichem Spielzeug

– und wissen nicht das Geringste mit

sich anzufangen. Ohne Computer,

ohne Gameboy und Handy ist spielen

für diese Kinder fast schon unmöglich

geworden“, erklärt die 38-Jährige.

Die gelernte Entspannungstrainerin

leitet in der Nähe von Ratingen ein

Indianercamp für Kinder und Erwach-

sene. Feuer machen, Kakao auf dem

Lagerfeuer kochen, Speere schnitzen,

mit Pfeil und Bogen schießen, Holz

sammeln, im Wald nach Halbedelstei-

nen suchen, Indianerschmuck basteln

und im Tipi schlafen: „Paradiesische“

Zustände, an die sich viele Groß-

stadtkinder erst gewöhnen müssen:

„Manche Kinder kommen hierher und

müssen erst einmal lernen, dass man

sich auch schmutzig machen darf und

das Dreck, Sand, Wasser, Holz und

Erde natürliche Elemente sind, mit

denen man herrlich spielen kann“,

erklärt sie.

Marleen Item ist selbst in den Bergen

aufgewachsen. Die Sommer hat sie

auf den Almen ihrer Schweizer Heimat

verbracht. „Ich habe damals Suppe

aus Beeren auf dem Feuer gekocht

und Schneckenrennen veranstal-

tet. Die Tiere waren meine besten

Freunde“, erzählt Marleen Item und

entfacht die Glut ihrer Feuerstelle mit

einem hölzernen Blasrohr. Als Erwach-

sene lebte sie neun Monate unter Marleen Item

Fotos: Annette Lübbers

Page 43: Robin Wood Magazin 1/2008

43

perspektiven

Indianern in Peru. In Südamerika hat sie

viel gelernt über das Leben von und mit

der Natur. „Unsere natürliche Umge-

bung erdet den Menschen. Die Indianer

sagen: Menschen können die Natur nicht

retten, aber die Natur kann Menschen

retten, wenn man sie lässt.“

Marleen Item, Mutter von drei Kin-

dern und Ehefrau eines Komponisten

und Musikers, lebt einen großen Teil

des Jahres selbst in ihrem Camp. Sie

schläft in einem Tipi und kocht auf dem

Lagerfeuer. In derben Schuhen, brauner

Outdoorhose und bunter, wollener Jacke

blickt sie nachdenklich ins Feuer. „Viele

Kinder haben kein Verhältnis mehr zur

Natur. Hier im Camp können sie vieles

lernen, etwa wie man einen Kessel mit

Sand sauber macht oder dass ein Farn

Fliegen vertreibt. Hier im Wald sammeln

sie Halbedelsteine, schnitzen, basteln

oder veranstalten Wettkämpfe. Bei die-

sen Beschäftigungen lernen Kinder ganz

andere Dinge, als zu Hause vor dem

Computer.“

Am Nachmittag kommt eine Kinder-

geburtstagsgruppe zu Besuch. Schnell

füllt sich der Platz um das Lagerfeuer

mit rennenden, lachenden, fröhlichen

Kindern. Calvin trägt eine Indianerfeder

im Haar, einige Mädchen haben sich als

Indianerinnen verkleidet. Ein paar Kinder

schlagen eine Trommel, gebaut aus

einem Blumentopf und einigen Lagen

Butterbrotpapier. Marleen Item lächelt:

„Diese Materialien benutzen wir, damit

die Kosten für die Teilnehmer möglichst

gering bleiben. Wie man Trommeln mit

echtem Leder bespannt, kann man in

unseren Workshops lernen.“

Marleen Item ist sich sicher, dass die

Welt, in der Großstadtkinder heute

aufwachsen, viele naturgegebenen

Fähigkeiten der Kleinen verkümmern

lässt. „Kinder müssen lernen, sie selbst

zu sein. Heutzutage gibt es zu viele

Vorgaben und Zwänge, die nicht mehr

hinterfragt werden. Kinder – aber

auch Erwachsene – werden getrieben

von dem, was angeblich nötig ist, und

selten fragen sie, ob sie all das wirklich

brauchen. Hier können die Großen und

die Kleinen lernen, wie man zur Ruhe

kommt, sich Ziele setzt und wie man

dafür kämpft. Und gleichzeitig lernen

sie, dass sie ein Teil der Natur sind, die

sie respektieren und achten müssen. Die

Tiere, die Pflanzen und – natürlich – die

Menschen.“

Viele Kinder hat Marleen Item in den

vergangenen Jahren in ihrem Camp

begrüßt – und einige von ihnen hat

sie unglücklich erlebt. „Heutzutage

vermissen viele Kinder Menschen, die

ihnen wirklich zuhören und die ihnen

auch etwas zutrauen. Wenn hier ein

Kind die Aufgabe bekommt, Holz fürs

Feuer zu holen, dann muss das Holz am

Abend auch da sein. Oft vergessen die

Kinder beim Spielen ihre Aufgabe. Aber

das tun sie nicht aus Gedankenlosigkeit,

sondern weil sie nicht gelernt haben,

Verantwortung zu tragen. Hier erfahren

sie: Ihr habt kein Holz gesammelt, also

können wir kein Feuer machen und

heißen Kakao trinken. Dann gibt es halt

kalten Kakao.“

Zwei größere Jungen zersägen derweil

große Holzstücke. „Das ist auch so ein

Problem“, sagt Marleen Item. „Manche

Kinder haben echte Probleme mit der

Feinmotorik. Auf Bäume klettern, über

einen Baumstamm balancieren, über

Steine im Bach springen. Diese Bewe-

gungsabläufe lernen Kinder nicht, wenn

sie einen großen Teil ihrer Zeit sitzend

verbringen. Die Folge: Die Kinder haben

kein Vertrauen und trauen sich und

ihrem Körper immer weniger zu.“

Nr. 96/1.08

Auch wenn Marleen Item viel gelernt

hat über das Leben der amerikanischen

Ureinwohner, den Fehler, die Lebensart

der Indianer kopieren zu wollen, begeht

sie nicht. „Ich bin keine Indianerin und

ich kann keine werden. Aber ich kann

viel von ihnen lernen. Wer draußen lebt,

sieht sich und die Natur mit anderen Au-

gen. So hat schließlich die menschliche

Zivilisation einmal angefangen – mit

Menschen, die von ihrer natürlichen

Umwelt gelernt haben“, sagt sie und

verschwindet mit einigen Kindern im

Wald: Holz sammeln fürs Abendessen.

Mehr Infos unter: 06552/991498 oder

www.citiescape.de

Annette Lübbers ist freie Journalistin

Kontakt: [email protected] grü

ne b

eru

feGroßstadtkinder erleben Abenteuer und Natur im Indianercamp

Page 44: Robin Wood Magazin 1/2008

44 Nr. 96/1.08

internes

Happy Birthday, ROBIN WOOD!

ROBIN WOOD ist im November 2007 25 Jahre alt gewor-den. Dieses Jubiläum haben viele FörderInnen, AktivistIn-nen und MitarbeiterInnen von ROBIN WOOD gemeinsam bei einer Schifffahrt auf der Weser in Bremen gefeiert. Zahlreiche Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens gratu-lierten ROBIN WOOD zu diesem Jubiläum.

Engagierte Umweltschütze-

rInnen aus Bremen und Ham-

burg beschlossen im November

1982, eine gewaltfreie Aktionsge-

meinschaft für Natur und Umwelt

zu gründen. Seitdem hat sich RO-

BIN WOOD zu einer bundesweit

arbeitenden Umweltorganisation

entwickelt, die gleichermaßen

Wert auf Basisdemokratie und

Professionalität legt und noch

immer für spontane Aktionen und

Überraschungen gut ist.

Groß geworden ist ROBIN WOOD

mit dem Thema Waldsterben. Die

„RächerInnen der Entlaubten“

stiegen in den achtziger Jahren

den Schwefelschleudern unter

den Kraftwerken auf die Schorn-

steine. Schnell kamen weitere

Themen hinzu: Aktionen gegen

Atomkraft, für ein Tempolimit

und gegen den Raubbau in den

Tropenwäldern.

ROBIN WOOD schreckte dabei nie

davor zurück, als David gegen die

Goliaths dieser Welt anzutreten

und sich mit den stärksten Lobbys

im Energie- und Verkehrssektor

sowie der Holzindustrie anzule-

gen. Dabei gelang es wenigen,

aber entschieden auftretenden

ROBIN WOOD-AktivistInnen immer

wieder, die öffentliche Aufmerk-

samkeit auf Umweltsauereien zu

lenken und Verbesserungen zu

erreichen: Zahlreiche Baumarkt-

ketten listeten Möbel aus Raub-

bau-Tropenholz aus. Indigene in

Brasilien bekamen ihr von der

Zellstoff-Industrie geraubtes Land

zurück. Und Mehdorns Zug zur

Börse wurde vorerst gestoppt.

Manche Aktionen wie die Blo-

ckade eines Castor-Transports nach

Gorleben im März 2001 waren so

spektakulär, dass die Bilder davon

um die Welt gingen. Andere laufen

eher im Hintergrund, wie das

beharrliche Arbeiten für mehr Re-

cyclingpapier an Schulen oder den

Wechsel zu Ökostrom-Anbietern.

Eine Jubiläumsaktion, das Treffen von Gründungsmit-gliedern, tolle Musik und gutes Essen machten die 25-Jubiläumsfahrt auf der Weser zu einem unvergess-lichen Erlebnis

Page 45: Robin Wood Magazin 1/2008

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internes

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25 25-Jahre-Sonderausgabe

magazin

Leben heißt handeln

Sonderausgabe zum 25-Jahre-Jubiläum auf der Weser

Herzlichen Dank, dass wir mit euch gemeinsam am 17. November 2007 auf der Weser den 25. Geburtstag von ROBIN WOOD feiern konnten!

Liebe Ulrike, lieber Martin, lieber Frieder,

nun sind schon 25 Jahre vergangen, seit sich im Jahr

1982 ein Dutzend Umweltschützerinnen und Umwelt-

schützer zusammenschlossen, weil sie dem Sterben

der Wälder nicht länger tatenlos zusehen wollten. Vom

spontanen Aktionsverein hat sich ROBIN WOOD zur

professionellen, bundesweit agierenden Umweltorgani-

sation entwickelt. Kampagnen-Schwerpunkte sind die

Themen Wald, Tropenwald, Energie und Verkehr. Die

Zusammenarbeit der ehrenamtlichen AktivistInnen mit

den hauptamtlichen Kräften hat sich dabei sehr bewährt.

Unser besonderer Dank geht an die vielen Förderinnen

und Förderer, die es ROBIN WOOD erst ermöglicht haben,

bis heute ohne staatliche Zuschüsse und Sponsoren aus-

zukommen und damit immer völlig unabhängig agieren

zu können.

Herzlichen Dank, dass ihr durch euer Engagement die

erfolgreiche Umweltarbeit von ROBIN WOOD in den ver-

gangenen 25 Jahren tatkräftig mitgestaltet habt!

ROBIN WOOD e.V., [email protected], Tel.: 0421/598288, www.robinwood.de

Spendenkonto: Sozialbank Hannover, BLZ: 251 205 10, Konto: 84 555 00

„Ich glaube, es war ein österrei-

chischer Zyniker, der einmal bemerkte,

dass sich mittlerweile eine viel zu

große Zahl von Katastrophen aller Art

um die begrenzte Aufmerksamkeit der

Öffentlichkeit bemühen müsse“, stellt

Peter-Matthias Gaede, Chefredak-

teur von GEO fest. „Umso wichtiger ist

es, dass die älteren und die Dauerthe-

men des Umweltschutzes ihre Fürspre-

cher behalten. Und in diesem Sinne

gratuliere ich Ihnen zu Ihren ersten 25

Jahren. Sie verstehen mich sicher rich-

tig, wenn ich sage: Es wäre schöner,

es müsste ROBIN WOOD nicht geben.

Aber da die Welt nun mal so ist, wie

sie ist, ist es gut, dass ROBIN WOOD

durch die Wälder streift. Auf dass es

keine Restwälder werden.“

„Die vielen engagierten ROBIN

WOODler machen uns seit einem Vier-

teljahrhundert unermüdlich bewusst,

wie reich unsere Erde ist. Und dass wir

diesen Reichtum bewahren sollten“,

sagt der Präsident des Umweltbundes-

amtes, Andreas Troge. „Kreativ und

mit bisweilen außergewöhnlichen Ak-

tionen streitet ROBIN WOOD für den

Erhalt unserer Wälder, der tropischen

Regenwälder, den Ausbau erneuer-

barer Energien und einen umweltver-

träglichen Verkehr. Danke dafür!“

„Der Jubilar hat sich in der ganzen Zeit

als aufrechter Kämpfer für die Belange

des Natur- und Umweltschutzes erwie-

sen, und das hat ihn so vital gehalten,

dass er heute kein bisschen müde und

verbraucht daherkommt. Im Gegenteil:

Mit ROBIN WOOD muss man mehr

denn je rechnen -- und das ist gut so“,

sagt Herrmann Scheer, Präsident von

Eurosolar.

Ursula Sladek vom Ökostromanbieter

EWS Schönau betont: „ROBIN WOOD

macht nicht nur öffentlichkeitswirksam

auf Probleme aufmerksam, sondern

arbeitet auch professionell an Lösungs-

möglichkeiten.“

„Mit ROBIN WOOD verbindet mich

die Liebe zum Wald, die Erkenntnis,

wie überlebenswichtig sein Erhalt ist

und die Verpflichtung, die Genialität

und Unantastbarkeit der ‚Schöpfung

Wald‘ zu verdeutlichen, um die Welle

der Hilfsbereitschaft zu einem Orkan

anschwellen zu lassen. Dass dies ge-

linge“, so Menschenrechtsaktivist und

Abenteurer Rüdiger Nehberg, „ist

mein Wunsch für ROBIN WOOD.“

Die Passagiere erlebten eine gelungene Dia-Show, bei der ehemalige Aktive spontan zum Mikro griffen und mit fesselnden Aktionsberichten durch 25 Jahre führten

Fotos: M. Niepel, A. Krumm

Die 25-Jahre-Sonderausgabe des Magazins wurde direkt an Bord produziert

Page 46: Robin Wood Magazin 1/2008

internes

Nr. 96/1.0846

„Lerne mehr, verbrauche bewusst“

Jedes Jahr wird weltweit mehr Papier hergestellt. Doch die Verteilung ist

extrem unterschiedlich. Verschwenden die Industrieländer 70 Prozent der

Gesamtproduktion so haben Menschen in anderen Ländern weniger als 10 kg

im Jahr zur Verfügung. Und selbst in Europa gehen Menschen mit Papier sehr

unterschiedlich um. Zahlen geben zwar eine eindeutige Antwort zu den ver-

brauchten Mengen, sagen aber wenig darüber aus, wie die Menschen ihren

Verbrauch auch im Vergleich zu anderen Ländern einschätzen, wie bewusst

sie mit dem Alltagsprodukt umgehen und wie genau sie über Zusammen-

hänge von Papierverbrauch und Waldzerstörung Bescheid wissen.

Um mehr über den unterschiedlichen Umgang mit Papier in anderen Ländern

zu erfahren engagiert sich ROBIN WOOD in einem EU Lernpartnerschaftspro-

jekt „Lerne mehr, verbrauche bewusst – für einen nachhaltigen Papierkon-

sum“. Die Partner wollen von einander lernen, eigene Bildungserfahrungen

austauschen und gemeinsam neue Methoden finden. Ziel der fünf Umweltorganisationen und Bildungseinrichtungen aus

Deutschland, Polen und Tschechien ist es, das Umweltbewusstsein und -wissen bei Erwachsenen zu stärken. Dabei interessiert

uns die Meinung der Menschen in den einzelnen Ländern zu einem nachhaltigen Papierkonsum. Bitte nehmen Sie an unserer

Befragung teil. Wir lernen durch den Vergleich der Antworten unsere europäischen Nachbarn besser kennen und werden die

Ergebnisse für unsere weitere Arbeit im Projekt nutzen können.

Den Fragebogen finden Sie im Internet unter www.robinwood.de/

papier oder können ihn anfordern bei der Projektkoordinatorin

Angelika Krumm, ROBIN WOOD e.V., Lindenallee 32, 16303 Schwedt,

Tel.: 03332/25 20- 10, Fax: - 11, E-Mail: [email protected]

Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung!

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impressum

Nummer 96/1.08

Magazin

Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie

Erscheinungsweise vierteljährlich

Redaktion: Sabine Genz, Angelika Krumm, Annette

Littmeier, Christian Offer, Regine Richter,

Dr. Christiane Weitzel (V.i.S.d.P.)

Verantwortlich für Layout, Satz, Fotos und Anzeigen

ist die Redaktion

Verlag: ROBIN WOOD-Magazin

Lindenallee 32, 16303 Schwedt

Postfach 10 04 03, 16294 Schwedt

Tel.: 03332/2520-10, Fax: -11

[email protected]

Jahresabonnement: 12,- Euro inkl. Versand

zu beziehen über: ROBIN WOOD e.V.,

Geschäftsstelle, Postfach 10 21 22, 28021 Bremen,

Tel.: 0421/59828-8, Fax: -72

[email protected], www.robinwood.de

Der Bezug des ROBIN WOOD-Magazins ist

im Mitgliedsbeitrag enthalten

Gesamtherstellung: Druckhaus Bayreuth,

www.druckhaus-bayreuth.de

Rollenoffsetdruck, Auflage: 11000

Das ROBIN WOOD-Magazin erscheint auf 100% Altpa-

pier augezeichnet mit dem Blauen Engel

Titelbild: Gideon Mendels/Corbis

Spendenkonto: ROBIN WOOD e.V., Postbank Hamburg,

BLZ: 20010020, Konto: 1573-208

Erstes Treffen der Projektpartner aus Polen, Tschechien und Deutschland im Dezember 2007 in Schwedt

Page 47: Robin Wood Magazin 1/2008

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internes

ROBIN WOOD e.V.GeschäftsstellePostfach 10 21 22

28021 Bremen Datum, Unterschrift

Wissen macht was!Der geplante Bahnraub konnte bis-lang nur verhindert werden, weil es schon zu viele Leute gibt, die „zu“ viel wissen. So wird es auch in Zukunft sein. Mit der Bahn, mit den Wäldern, mit Energie und im Klimaschutz.

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Nr. 96/1.08

Page 48: Robin Wood Magazin 1/2008

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