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Date post: 14-Sep-2019
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Inhalt

Umschrift arabischer Wörter............................................................................... 2

1. Einleitung ................................................................................................. 4

1.1. Fragestellung ........................................................................................... 6

1.2. Vorgehensweise ...................................................................................... 7

2. Definition der arabischen Welt ................................................................. 8

3. Die Modernisierungstheorie von Daniel Lerner ...................................... 11

3.1. Die vier Phasen der Modernisierung ..................................................... 11

3.2. Partizipation ........................................................................................... 12

3.3. Kritikpunkt „Verwestlichung“ und Überschätzung der Medien als Träger

des sozialen Wandels ...................................................................................... 13

3.4. Modernisierung als Zusammensetzung verschiedener Subprozesse .... 13

3.5. Empathie als Schlüsselmechanismus ................................................... 14

3.6. Modernisierung als Transformation und nicht als oberflächlicher

Institutionen-Transfer ....................................................................................... 15

3.7. Ausblick/Konklusion ............................................................................... 15

4. Entwicklungsstand und Besonderheiten der MENA-Region .................. 17

Human Development Index .............................................................................. 18

4.2. Bevölkerungszahl, Bevölkerungswachstum und Arbeitslosigkeit ........... 19

4.2.1. Die Bevölkerungszahlen der arabischen Staaten mit dem jeweiligem

Durchschnittsalter im Einzelnen: ...................................................................... 19

4.2.2. Bevölkerungswachstum ......................................................................... 20

4.2.3. Arbeitslosigkeit ...................................................................................... 22

4.2.4. Jugendarbeitslosigkeit ........................................................................... 25

4.3. Menschliche Unsicherheit durch Konflikte ............................................. 30

4.4. Bildungssystem ..................................................................................... 32

4.5. Analphabetismus in der MENA-Region ................................................. 33

Exkurs Kinderarbeit .......................................................................................... 34

4.6. Qualität der Bildungssysteme ................................................................ 35

4.7. Forschung und Wissenschaft ................................................................ 38

4.8. Unterdrückung, Willkür und Zensur ....................................................... 40

Exkurs Zivilgesellschaft .................................................................................... 43

4.9. Frauenrechte ......................................................................................... 44

4.10. Rentierstaat-Charakter und Korruption .................................................. 46

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Exkurs: Renten und Rentierstaat ...................................................................... 46

4.11. Fundamentalismus in der arabischen Welt ............................................ 49

5. Das Satelliten-Fernsehen in der arabischen Welt .................................. 51

5.1. Die technische Entwicklung des Satellitenfernsehens ........................... 51

5.2. Die Geschichte des arabischen Satellitenfernsehens ............................ 52

5.3. Art und Anzahl der Satelliten-Sender ..................................................... 54

6. Das Internet in der arabischen Welt ....................................................... 56

6.1. Die Entstehung des Internets ................................................................. 56

6.2. Die Entwicklung des Internets in der arabischen Welt ........................... 57

6.2.1. Nutzerzahlen und Reichweite ................................................................ 58

6.2.2. Alterstruktur, Geschlecht, Bildung, Einkommen ..................................... 59

6.3. Internet-Zensur ...................................................................................... 61

6.4. Cyber-Dschihad ..................................................................................... 62

7. Kurzauswertung der 12 Interviews ......................................................... 64

8. Schlussbetrachtung................................................................................ 66

Abkürzungsverzeichnis Quellenverzeichnis

Die folgende Arbeit berücksichtigt Daten und Ereignisse

bis zum Jahr 2009/Jan.-Feb. 2010.

Aufgrund der revolutionären Ereignisse in Tunesien, Ägypten und dem Rest der arabischen Welt haben sich natürlich neue Situationen ergeben. Doch viele Grundprobleme der Region sind und bleiben leider immer noch vorhanden. Auf dem Weg zu einem demokratischen, rechtsstaatlichen Gesellschaftssystem sind die Herausforderungen, angesichts der Rahmenbedingungen in der arabischen Welt, weiterhin ungemein hoch. Ob es zu einer nachhaltigen Demokratisierung kommen wird und kommen kann, bleibt abzuwarten. Die vorliegende Arbeit versucht einen kompakten Überblick über die Grundprobleme der Region zu geben. (Berlin, Februar 2011).

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Umschrift arabischer Wörter

Die Schreibweise arabischer Eigennamen orientiert sich in der Regel an der Internet-

Präsentation der jeweiligen arabischen Organisationen/Institution, soweit dies möglich

ist. Die Umschrift arabischer Namen von Autoren englisch- oder deutschsprachiger

Publikationen wird ausschließlich in der Form verwendet, in der sie dort angegeben ist,

ohne eine eigene wissenschaftliche Transliteration hinzuzufügen. Hier wird dem Gebot

der Zitiertreue Vorrang vor dem Gebot der Einheitlichkeit gegeben. Dies kann bei

einigen Namen und Ausdrücken eine uneinheitliche Verwendung zur Folge haben. (z.B.

Al Dschasira und Al Jazeera, Al Arabia und Al Arabiya oder Dschihad und Jihad,

Qatar oder Katar usw.). Es wird darauf geachtet, eine möglichst leserfreundliche, an

der deutschsprachigen Medienlandschaft orientierte Umschrift zu verwenden. Daher

werden die Substantive in der Umschrift in der Regel groß geschrieben, auch wenn das

Arabische keine Großschreibung kennt.

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Einleitung

So ist die islamische Welt mit der europäisch-amerikanischen durch tausend Fäden

verbunden. Löst man die historischen Bande, so sind weder die islamische noch die

europäische Welt […] zu verstehen. 1

Die arabische Welt hat historisch gesehen einen wichtigen zivilisatorischen Beitrag zur

kulturellen und wissenschaftlichen Entwicklung des Westens geleistet. Man muss nur

die Forschung einiger Universalgelehrter, wie Ibn Rushd2 z.B., im goldenen Zeitalter3

der arabischen Welt betrachten4. Es ist die direkte Nachbarregion Europas und schon ein

Blick auf den Ursprung einiger deutscher Vokabeln, reicht aus, um zu erkennen, wie

sehr sich diese beiden Regionen beeinflusst haben5. Doch Wissenschaftler in den

arabischen Ländern spielen schon lange keine Rolle mehr im Weltgeschehen. Im

Gegenteil, jegliches technologische Know-how muss teuer importiert werden. Die

Wissenskluft zwischen Orient und Okzident ist besonders im Prozess der

Globalisierung mehr als offensichtlich.

Die Region besticht also nicht durch Innovationen in Lehre und Forschung, sondern

durch Konflikte geopolitischer und gesellschaftlicher Natur. Dementsprechend herrscht

nun eine große Fremdheit in den Beziehungen zwischen beiden Regionen, und dies trotz

des Fortschrittes auf dem Gebiet der Kommunikation und trotz der Modernisierung der

weltweiten Transportsysteme, die die Welt zu einem potenziellen globalen Dorf

zusammenwachsen ließ. Nichts ist mehr geografisch unerreichbar und ein fort-

währender globaler Kommunikationsaustausch ist durch das Aufkommen der neuen

Übertragungssysteme problemlos in Echtzeit realisierbar.

Trotzdem dominieren Klischees und Vorurteile das Bild auf beiden Seiten. Durch das

Zusammenrücken der Welt können die Probleme der direkten Nachbarn nun zu eigenen

Problemen mutieren. Zumal eine große arabische Diaspora in Europa lebt. Europa muss

daher ein vitales Interesse am Wohl der arabischen Welt haben, denn ein Entwicklungs-

rückstand verbunden mit sozialer Ungleichheit und Unterdrückung kann nicht im Sinne

eines verantwortungsbewussten Nachbarn sein. Dies passiert vor allem, wenn sich eine

Drohkulisse wie illegale Einwanderung, Extremismus und Terror durch diese Ausein-

anderentwicklung manifestieren.

1 Carl Heinrich Becker, Der Islam im Rahmen einer allgemeinen Kulturgeschichte, in Islamstudien, Bd. 1, 1924. C. H. Becker (1876-1933) gilt als Mitbegründer einer modernen Islamwissenschaft, welche die Orientalische Philologie durch kultur- und religionsgeschichtliche wie auch soziologische Ansätze im Sinne einer Verflechtungsgeschichte erweitert hat. Als Kulturpolitiker und preußischer Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung setzte er sich maßgeblich für die Stärkung der Auslandskunde als Bestandteil nationaler Bildung und zur Vermeidung von Konflikten ein. (Auch wenn nicht explizit von der arabisch-islamischen Welt die Rede ist, kann das Zitat aufgrund der geschichtlichen Verflechtung, treffend auf die arabische Welt angewandt werden, zumal es im Kontext des Nahen Ostens gemeint ist.) 2Nbn Rụschd, Abu l-Walid Muhammad Ibn Ahmad Ibn Muhammad, latinisiert Avẹrroes, arabischer Philosoph,

Theologe, Jurist und Mediziner, * Córdoba 1126, † Marrakesch 11. 12. 1198. Lexikon der Arabischen Welt (1972): 199f. 3 Vom 9. Jh. bis zum 13. Jh. entfalteten sich die „rationalen“ Wissenschaften von der Mathematik, Geographie, Astronomie bis zur Medizin, stark beeinflusst vom griechischen Erbe (…) Gudrun Krämer „Die Geschichte des Islam“, S. 89 f..4 Naturwissenschaften, Medizin und Philosophie in Europa wären nicht auf ihrem heutigen Stand ohne die arabischen Anregungen im Laufe der Jahrhunderte. Sogar die antike Philosophie, ein Symbol der westlichen Kultur, wurde über die Werke arabischer Gelehrter, wie z. B. Ibn Rushd, aufgenommen. „Die muslimische Welt und der Westen“, Aus Politik und Zeitgeschehen (B37/2003) S.6-15 ; Krämer, S.97. 5 Vgl. „Safran, öffne dich“, www.spiegel.de/kultur/zwiebelfisch/0,1518,druck-628655,00.html

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Der Region scheinen trotz Globalisierung positive Entwicklungen verwehrt zu bleiben.

Statt wettbewerbsfähiger Märkte dominieren Bürokratie und Klientelismus, statt der

Etablierung rechtsstaatlich-demokratischer Institutionen herrscht Unterdrückung und

Repression. Schlagzeilen machen nicht Entwicklungsfortschritte in Wirtschaft, Staat

und Gesellschaft, sondern vielmehr die unbewältigten Probleme kulturellen und

sozialen Wandels.6 Der Nutzung neuer Technologien kommt somit eine immer

wichtigere Rolle in der Entwicklung der modernen Gesellschaften zu, da sie inzwischen

diverse Lebensbereiche prägen. Auf der anderen Seite bestehen zwischen hoch

entwickelten Ländern und weniger entwickelten Staaten große Unterschiede im Maß, in

dem die Technologien zur Verfügung stehen. Dieser „digitale Graben“ könnte in

Zukunft noch tiefer werden und die sonst schon benachteiligten Staaten weiter

zurückwerfen.

Falling prices of electronical equipment, convergence between telecommunications,

computing, the media, the postal sector, and the development of the internet,

coupled with public policies that foster competition and private investment, have

increased the possibilities for providing more widespread access to communications

services. However, while some countries and regions have increasing access to

these services, other countries and regions are marginalized from the prospects of

growth and development because of this lack of access.7

Die globale Informationsrevolution verdeutlicht also die Kluft zwischen beiden

Kulturkreisen. Viele Experten und Beobachter waren zu Beginn der Digitalisierung der

Welt der Meinung, dass die neuen Medien, speziell Internet und Satellitenfernsehen, als

Kommunikationskanäle zu einer Liberalisierung und Demokratisierung in der

arabischen Welt führen könnten.

Zwar kann dank digitaler Techniken nun von und zu fast jedem Ort der Erde gesendet

werden und Anbieter müssen sich nicht mehr den nationalen Zensurgesetzen

unterwerfen, doch auf eine Demokratisierung der arabischen Welt wartet man immer

noch vergeblich.8

Arabische Fernsehzuschauer können mittlerweile aus einer Großzahl von verschiedenen

arabisch-sprachigen Satellitensendern auswählen. Auch die arabische Welt wählt jetzt

ihren gecasteten Superstar 9. Castingshows, Soap Operas, aber auch religiöse Sendungen

weisen höchste Einschaltquoten auf und fesseln vor allem die jungen Zuschauer vor den

Fernsehbildschirmen. Das Chatten, Bloggen oder das Hochladen von Fotos im Internet

sind ebenfalls keine unbekannten Aktivitäten und werden besonders von der jungen,

besser gebildeten Generation stark in Anspruch genommen. Zwar vermitteln diese

6 Gregor Meiering, Länderberichte, Sankt Augustin, 18. Juni 2003 Hrsg.: Konrad-Adenauer-Stiftung e.V., http://www.kas.de/wf/de/33.1979/ 7 “Telecommunications and Information Services for the Poor” World Bank Discussion Paper No. 432, http://rru.worldbank.org/Documents/PapersLinks/1210.pdf 8 Vgl. Gregor Meiering, http://www.kas.de/wf/de/33.1979/ Der Libanon ist zwar eine parlamentarische Demokratie, jedoch auf der Basis eines Konfessionsproporzes. Das libanesische System wird von der Zusammenarbeit der verschiedenen Konfessionen getragen, daneben spielen auch Familien- und regionale Interessen eine große Rolle. Die Aufteilung der politischen Macht geschieht streng nach konfessionellen Gesichtspunkten. Danach ist der Staatspräsident maronitischer Christ, der Ministerpräsident sunnitischer Moslem und der Parlamentspräsident schiitischer Moslem. http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/Libanon/Innenpolitik.html 9 Vgl. Berliner Zeitung „Alle wollen Ibrahim“, 12.06.2009

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Aspekte ein gewisses Gefühl von Mitbestimmung, doch politisch gesehen ist in der

arabischen Welt alles beim Alten geblieben. Es herrschen weiterhin autoritäre Regimes

und der Mangel an rechtsstaatlich-demokratischen Institutionen ist mehr als

offensichtlich.

Zunehmend setzt sich die Erkenntnis durch, dass sich die autoritären Regime der

Region als dauerhaft und stabil erweisen, während die langjährige Politik der

Demokratieförderung hier bisher erfolglos bleibt10.

1.1. Fragestellung

Die Unterschiedlichkeit der betrachteten Kommunikationssysteme und Medien-

technologien sowie die Anzahl der verschiedenen arabischen Nationalstaaten schließen

eine umfassende, den Anspruch auf Vollständigkeit erfüllende Untersuchung des

Themas aus.

Das Ziel des Autors ist es, einen kompakten Überblick über die arabische Welt im

Zeitalter der Digitalisierung zu geben. Herrschende Informationsdefizite zu überwinden

und dem Leser Einblicke zu vermitteln, die oft auf dem ersten Anschein verborgen sind.

Dies soll hauptsächlich mit Hilfe der 12 angefertigten Expertengespräche11 mit Personen

aus Bereichen des Journalismus, der Wissenschaft, Wirtschaft, Kultur und

internationalen Zusammenarbeit, die beruflich und/oder privat mit dem arabischen

Kulturkreis verbunden sind, erfolgen.

Die Tatsache, dass die Digitalisierung für ein rasches Zusammenwachsen von Telefon,

Fernsehen und Internet gesorgt hat und auf der anderen Seite neue Angebots- und

Nutzungsformen generiert, ist unbestritten. Folglich wird der Frage nachgegangen, wie

weit eine Veränderung der arabischen Gesellschaften durch die neuen Informations-

und Kommunikationstechnologien erfolgt ist und ob diese allein, trotz eines

gegenwärtigen Entwicklungsrückstandes und der zum großen Teil fehlenden

Zivilgesellschaft, eine Demokratisierung ermöglichen können.

Was sind die Hindernisse, die die Entstehung einer freien, auf Wissen basierenden

Gesellschaft verhindern? Kann durch den Einsatz der neuen Kommunikationsformen

des Web 2.0 12 eine neue Zivilgesellschaft entstehen, die den Entwicklungsrückstand des

arabischen Kulturkreises verringert, ja sogar aufholt?

10 Irmtraud Seebold, Partner auf dem Weg zur Demokratie?, 2006, S.4. Nach den Ereignissen im Januar/Februar 2011 bleibt es nun abzuwarten, ob es zu einer nachhaltigen Demokratisierung kommen kann. 11 Demokratisierung der arabischen Welt mit Hilfe der neuen Medien. Zwölf Expertengespräche. 12 Mit dem Begriff Web 2.0 handelt es sich nicht um eine neue Technik, sondern um einen sogenannten generischen, recht unspezifischen (Ober-) Begriff, der die zukünftigen, veränderten Möglichkeiten und Entwicklungen des Internets beschreibt. Die Bezeichnung wurde vom amerikanischen Verlag O’Reilly und einem Konferenzveranstalter namens MediaLive (wurde mittlerweile umbenannt) als Marketingschlagwort „erfunden“, um damit Konferenzreihen über die zukünftige Entwicklung des Internets zu bewerben. Anfang 2006 hat O’Reilly Web 2.0 auch als Markenzeichen angemeldet (…) Der Begriff ist relativ unscharf und bezieht sich nicht auf konkrete Techniken, Protokolle oder Programme. Er wird gern als Synonym für alle möglichen neuen Trends des Internets verwendet. (…) In der Regel meint damit neue Möglichkeiten, bei denen die Einbindung der Anwender und ihre Interaktion untereinander wesentlich stärker in den Vordergrund tritt. Man spricht auch vom partizipativen „SOCIAL WEB“; dem alle beteiligenden, sozialen Internet. Typische Beispiele sind sogenannte soziale Programme und Webportale wie Weblogs, Podcasting, Wikis und „social Communities“, bei denen der „Content“ (Inhalte, Medien) überwiegend von den Anwendern erstellt und vernetzt wird. Man spricht daher auch manchmal vom „Gemeinschaftsweb“. Vgl. PC-Lexikon 2009, Dr. Andreas Voss, DATA BECKER.

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1.2. Vorgehensweise

Der kausale Zusammenhang der sozio-ökonomischen, politischen und

gesellschaftlichen, kulturellen Rahmenbedingungen soll neben den 12 Interviews

Gegenstand der Betrachtung sein. Zunächst wird zum klaren Verständnis definiert, was

genau mit MENA-Region, bzw. „arabischer Welt“ gemeint ist. Danach wird die

Modernisierungstheorie von Daniel Lerner vorgestellt, der in seinem Buch „The Passing

of Traditional Societies“ Anfang der 1950er Jahre den Nahen Osten mit Hilfe von

Interviews Feldstudien analysiert hat. Lerner’s Thesen sind aufgrund der

wissenschaftlichen Anerkennung ihres global gültigen Modells13 hinsichtlich des

Wandlungsprozesses der MENA-Region von großer Bedeutung.

Bevor es zur Kurz-Auswertung der 12 geführten Expertengespräche kommt, wird ein

Blick auf die oben genannten Rahmenbedingungen geworfen. Weiterführend werden

das arabische Satellitenfernsehen und das Internet betrachtet.14

Will man verstehen, wieso trotz der so positiv eingeschätzten neuen Technologien

bisher noch keine nachhaltige Demokratisierung eingetreten ist, ist der Blick auf die

Rahmenbedingungen und die bisherige Entwicklung von Satellitenfernsehen und

Internet voraussetzend. Er ist darüber hinaus auch notwendig, um einen verständlichen

Hintergrund für die geführten Expertengespräche zu garantieren.

Die 12 Expertengespräche15 bilden den eigentlichen Hauptteil der Arbeit. Es ist vom

Autor gewünscht, jedes Interview für sich zu betrachten. Sie werden im letzten Teil der

Arbeit in einer Kurz-Analyse zusammengefasst, um dann zur Schlussbetrachtung der

Thematik zu kommen.

13 Vgl. „Schlüsselwerke der Soziologie“, Papcke/Oesterdiekhoff: 269. 14 Zwar fällt auch die Mobiltelefonie als neues Kommunikationsmedium darunter, doch kann diese Thematik aufgrund des engen Rahmens der Arbeit nicht berücksichtigt werden. 15 Demokratisierung der arabischen Welt mit Hilfe der neuen Medien. Zwölf Expertengespräche.

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2. Definition der arabischen Welt

Die Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten wie Sprache, Kultur oder Religion sind

dominierend und ziehen sich wie ein roter Faden durch die arabischen Staaten.

Natürlich gibt es teilweise erhebliche Unterschiede und Ungleichheiten im Hinblick auf

die sozialen, politischen und vor allem wirtschaftlichen Strukturen. So gehören Länder

wie Mauretanien oder der Jemen zu den ärmsten Ländern der Welt16, wo hingegen ein

Emirat wie Abu Dhabi in der Lage ist, mit seinem Staatsfond IPIC auf

milliardenschwere Investitionstour zu gehen. Ein anderes Beispiel ist die

Golfmonarchie Katar, die im Juli 2009 sieben Milliarden Euro für Anteile des deutschen

Sportwagenherstellers Porsche erwerben möchte.17

Nichtsdestotrotz sind die wichtigsten Gemeinsamkeiten der arabischen Welt die neo-

patriarchale, konservative Natur des Gesellschafts- bzw. Wertesystems, und vor allem

das Fehlen einer freiheitlich-parlamentarischen Grundordnung, die das Recht des

Individuums auf freie Entfaltung und Meinungsäußerung respektiert. So ist das

durchschnittliche Dienstalter der herrschenden Eliten in dieser Region höher als in jeder

anderen regionalen Staatengruppe18.

Die Religion der meisten Araber ist der Islam, es gibt aber auch große arabische

Minderheiten verschiedener Konfessionen, z. B. die Christen in Ägypten oder im

Libanon. Außerdem finden sich einige nichtarabische Bevölkerungsgruppen in der

Region, wie z. B. die Berber oder Kurden.

Zu beachten ist, dass der Begriff „arabische Welt“ neben der territorialen Bestimmung

auch eine emotionale Assoziation des Arabertums beinhaltet19: Die Gemeinsamkeiten

der historischen Erfahrung, die sowohl in Nordafrika als auch im Nahen Osten

westliche Kolonialherrschaft beinhaltete, die gemeinsame Muttersprache20 und vor

allem die Religion werden als ein besonderer Faktor transnationaler Solidarität und als

einende Faktoren eingestuft. Dies gilt auch für die arabischen Christen21.

Eine einfache Aufzählung der Mitgliedsstaaten der Arabischen Liga22 ist in diesem

Sinne nicht zutreffend, denn hier gibt es einige Überraschungen, wie die Mitgliedschaft

16 CIA World Fact Book (Juli 2009), Country Comparison: GDP - per capita (PPP)https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/rankorder/2004rank.html Nach dieser Liste ist Mauretanien z. B. auf Rang 186, Katar hingegen auf Rang 2, knapp hinter Liechtenstein. 17 Vgl. http://www.swr.de/nachrichten/bw/-/id=1622/nid=1622/did=5089656/17iz5aw/index.html, http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,630392,00.html 18 Der YIPPI (years in power per incumbent)-Index, der das durchschnittliche Dienstalter der jeweils obersten Entscheidungsträger misst, (…) lag 1998 noch bei 21 Jahren für die arabische Welt. 2001 lag das durchschnittliche Alter (nach Ableben dreier Führer) der arabischen Staatschefs noch bei fast 16 Jahren. Volker Perthes „Geheime Gärten – Die neue arabische Welt“, 2002: 103. 19 Die arabische Welt – Ein kleines Sachlexikon, A. Flores, 2008, S. 48 f. 20 Die eigentliche Muttersprache der „Araber“ sind heute die arabischen Dialekte, die sich von Land zu Land teilweise deutlich unterscheiden. Das heute praktizierende „Neuhocharabisch“ wird zwar von allen verstanden, findet aber nur Verwendung in Presse, Literatur und Wissenschaft, z. B. bei Fernsehnachrichten, politischen Ansprachen, wissenschaftlichen Vorträgen und Predigten. Eine Art inoffizieller panarabischer Dialekt ist das Ägyptisch-Arabische, da dieser durch die ehemalige Vormachtstellung der ägyptischen Medien, Fernsehserien und Kinofilmen, von so gut wie jedem „Araber“ verstanden wird. „Die Arabische Welt im Spiegel der Kulturgeografie“, ZEFAW 2004: 10. 21 Arabische Christen haben bei der Entstehung des Panarabismus eine entscheidende Rolle gespielt. „Der Islamismus und die arabischen Gesellschaften: eine Zustandsbeschreibung“, Sfeir / Lagrange, DOI, 2004: 143 f. 22 Arabische Liga, eine zwischenstaatliche Organisation, gegründet 1945 mit Sitz in Kairo mit dem Ziel der panarabischen Integration. In der Praxis ein Treffpunkt und Debattierklub, dessen Manko, die strukturellen und

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von Somalia, Dschibuti und dem Inselstaat der Komoren. In allen drei Ländern leben

arabische Minderheiten, in Dschibuti und auf den Komoren ist Arabisch sogar eine der

offiziellen Landessprachen.23 Bei der Mitgliedschaft in der Arabischen Liga handelt es

sich jedoch um eine rein politische Entscheidung.24 Deshalb werden diese Länder in der

vorliegenden Studie ausgeschlossen.

Bezüglich der geografischen Unterteilung der arabischen Welt trifft man in der

wissenschaftlichen Literatur oft auf die Zweiteilung in eine westliche (arab. Maghreb)

und in eine östliche (arab. Mashrek) Region. Man kann die Aufteilung aber wie Flores25

auch ausführlicher beschreiben, und zwar in Maghreb, Niltal, Levante und

Mesopotamien. Für die vorliegende Studie ist dies jedoch unerheblich. Die arabischen

Staaten sind im Einzelnen folgende: Mauretanien, Marokko, Algerien, Tunesien,

Libyen, Ägypten, Sudan, Jordanien, Palästina, Libanon, Syrien, Irak, Kuwait, Saudi-

Arabien, Bahrain, Katar, Vereinigte Arabische Emirate, Oman und Jemen.26 Diese 19

Staaten stehen in dieser Studie für die Begriffe „arabische Welt“ oder „arabischer

Kulturkreis“27.

Seit einigen Jahren wird in der Wissenschafts- und Wirtschaftsliteratur verstärkt der

Begriff MENA-Region verwendet. MENA ist ein Akronym für Middle East and North

Africa. Die Definition dieser Bezeichnung variiert jedoch in der Wissenschaft, vor

allem aber in der Wirtschaftswelt. Oft werden unter dem Begriff MENA auch noch die

Türkei und der Iran zusammengefasst, wie z. B. die World Bank es tut. Diese beiden

Länder gehören jedoch nicht dem arabischen Kulturkreis an. Daher folgt diese Arbeit

der oben erwähnten Länder-Auflistung, wenn der Begriff MENA verwendet wird.

Die folgende Landkarte von Herbert Popp28 stellt die arabische Welt am zutreffendsten

dar. Die durchgezogene Linie ist die Grenze der arabischen Staatswelt. Die gestrichelte

Linie zeigt die geografische Verbreitung der Arabisch sprechenden Bevölkerung.

regionalen Gegensätze nicht überwinden zu können, in den letzten Jahren offen zu Tage getreten ist. Vgl. „Der Islamismus und die arabischen Gesellschaften: eine Zustandsbeschreibung“, Sfeir / Lagagrange, DOI, 2004: 145. 23 „Der Islam in der arabischen Welt“, Ulrike Freitag, Aus Politik und Zeitgeschichte, Bundeszentrale für politische Bildung, B 37 / 2003, S.25-31. 24 Ebd. 25 Die arabische Welt – Ein kleines Sachlexikon, A. Flores, 2008, S. 48 f.26 Vgl. „Die Arabische Welt im Spiegel der Kulturgeografie“, ZEFAW 2004, S. 8f. Die arabische Welt – Ein kleines Sachlexikon, A. Flores, 2008, S. 48 f.27 Geografisch gesehen können Mauretanien und der Sudan auch zur Region Subsahara-Afrika gezählt werden. Beide Länder weisen eine schwarzafrikanische Dimension auf. Die Regierungen beider Staaten wurden aber immer von dem arabischen Bevölkerungsteil gestellt (oft zum Nachteil der schwarzafrikanischen Bevölkerung), sodass beide Länder (beim Sudan handelt es sich vor allem um den nördlichen Teil mit der Hauptstadt Khartoum) sich klar zur arabischen Kultur und Welt bekennen. 28 Landkarte der arabischen Welt von Herbert Popp aus „Die Arabische Welt im Spiegel der Kulturgeografie“, ZEFAW 2004, S.10.

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Grafik Nr.1: Landkarte Poppe aus „DIE ARABISCHE WELT“ im Spiegel der Kulturgeographie,

ZEFAW, Mainz 2004.

Abschließend ist hervorzuheben, dass die arabischen Staaten ein sehr heterogenes Bild

verkörpern, dies gilt wie beschrieben in geografischer, ethnischer und in religiöser

Hinsicht.29 Trotzdem überwiegt die Gemeinsamkeit in vielen Kernpunkten, so dass man

die genannten Staaten, die MENA-Region mit dem Begriff „arabische Welt“ oder

„arabischer Kulturkreis“ zusammenfassen kann.

29 „Der Islam in der arabischen Welt“, Ulrike Freitag. B 37 / 2003.

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3. Die Modernisierungstheorie von Daniel Lerner

They (People) don’t do what, on any rational course of behavior, they should do.

They want more consumption, but they don’t worry about saving and think little

about productive investment. (…)We now recognize that modernization can suceed

only in the measure that it meets its second paramount difficulty – its people

problems.30

Bevor der gegenwärtige Entwicklungsstand der MENA-Region anhand verschiedener

Datenquellen skizziert wird, ist ein Blick auf die Modernisierungstheorie von Daniel

Lerner31 hinsichtlich der Wandlungsprozesse in der arabischen Welt sehr

aufschlussreich.

Daniel Lerner untersuchte u.a. welchen Einfluss die Medien der 1950er Jahre auf den

Prozess des sozialen Wandels haben und wie die Menschen im Nahen Osten mit

Wandlungsprozessen umgingen

Wie wir wissen, sind all diese Länder seitdem im Strudel der

Modernisierungsprozesse gefangen, sie sind jedoch bis in die Gegenwart nicht

modern wie die westlichen Gesellschaften geworden. Im Gegenteil, zum Großteil

herrschen in diesen Ländern mehr oder minder immer noch traditionelle Strukturen,

so schwanken diese Staaten wie vor 50 Jahren immer noch zwischen Tradition und

Moderne! „Syrien befindet sich seit 50 Jahren im Leerlauf der Modernisierung“.32

Lerners grundlegende Modernisierungstheorie33, die u.a. davon ausgeht, dass

Massenmedien ein wichtiger Indikator, als auch ein Träger des sozialen Wandels sind34,

verdeutlicht sehr einleuchtend das Dilemma, in dem die arabische Welt noch immer

steckt.

3.1. Die vier Phasen der Modernisierung

Folgende vier Phasen eines langfristigen Modernisierungsprozesses sind für Lerner

charakteristisch: Urbanisierung, Elementarbildung, Massenmedien und politische

Teilnahme.

(…) the Western model of modernization exhibits certain components and

sequences whose relevance is global. Everywhere, for example, increasing

urbanization has tended to raise literacy; rising literacy has tended to increase

media exposure; increasing media exposure has “gone with” wider economic

30 Daniel Lerner „The Passing of Traditional Society: Modernizing the Middle East (1958)“ Preface (vii) 31Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, von 1950 – 1951, führte der Soziologe Daniel Lerner im Auftrag des Bureau of Applied Social Research an der Columbia University Feldstudien durch über Modernisierungsprozesse im Nahen Osten.(…) Die Studie befasst sich mit Auflösungsprozessen “traditioneller” Gesellschaftsstrukturen, Phänomene des Übergangs in moderne Gesellschaften und die eventuelle Etablierung moderner Gesellschaften im Nahen Osten. Schlüsselwerke der Soziologie, Papcke/Oesterdiekhoff, 2001: 267. 32 Paul Drechsel in „Schlüsselwerke der Soziologie“, Papcke/Oesterdiekhoff: 267. 33 Mit seinem Buch „The Passing of Traditional Society: Modernizing the Middle East (1958)“ prägte Daniel Lerner den Begriff der Modernisierung, da es die erste systematische Anwendung der strukturell-funktionalistischen Ansätze auf die Problematik der Entwickungsländer darstellt. Geiger/Mansila, Diesterweg 1983:78. 34 Michael Kunczik 1985, 76

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participation (per capita income) and political participation (voting). The model

evolved in the West is an historical fact.35

Im Verständnis Lerners vollzieht sich der Wandel von einer traditionellen Gesellschaft

zu einer modernen in den vier genannten Phasen.

So führt eine anwachsende Urbanisierung zu einer höheren Alphabetisierung, bzw.

Elementarbildung. Die gewonnenen Lese- und Schreibfähigkeiten sind grundlegende

Voraussetzungen zu einer steigenden Nutzung von Massenmedien. Der steigende

Medienkonsum wiederum eröffnet neue Möglichkeiten wirtschaftlicher Produktivität.

Die Bedeutung der Massenmedien beim Modernisierungsprozess als potenzielle Träger

des sozialen Wandels durch ihre Funktion als Multiplikatoren ist dabei von integraler

Bedeutung: “The mass media opened to the large masses of mankind the infinite

vicarious Universe” (Lerner 1958, S.52).

Die neuen Erfahrungen, Perspektiven und Inhalte die die Massenmedien vermitteln,

können bei gleichzeitig steigender Bildung für „eine Erhöhung der Teilnahmeraten in

allen Sektoren des sozialen Systems“ sorgen36

Am Ende der Entwicklung zu einer modernen Gesellschaft, als Krönung sozusagen,

steht die politische Partizipation. Demokratie als Krönung eines langen

Entwicklungsweges.37

3.2. Partizipation

Traditional society is nonparticipant – it deploys people by kinship into communities

isolated from each other and from a center; (….) Modern society is participant in that

it functions by “consensus”. (Lerner 1958, S.50)

Unter Partizipation im modernen Sinne versteht man die

Beteiligung des Bürgers an gesellschaftlichen Prozessen, und zwar sowohl an

Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozessen als auch an sozialen und speziell

politischen Aktivitäten selbst.38

Ausgehend von dieser Definition und angesichts der Tatsache, dass der Mangel an

Freiheit in der arabischen Welt offenkundig ist, verwundert es kaum, dass Partizipation

in der MENA-Region keinen großen Anklang gefunden hat.39

Die Gründe dafür werden im weiteren Teil dieser Arbeit aufgezeigt.

Vorab kann man Länder übergreifend den autoritären Zentralismus mit dem damit

verbundenen Obrigkeits- und Hierarchiedenken als einen Hauptgrund für den Mangel

an Partizipation ausmachen. Staatliche Autoritäten werden dementsprechend nicht als

35 Daniel Lerner „The Passing of Traditional Society: Modernizing the Middle East (1958)“, 46. 36 Lerner, D. (1971): Die Modernisierung des Lebensstils: eine Theorie, S. 372. In: Zapf, W. (Hrsg.). Theorien des sozialen Wandels. Kiepenheuer & Witsch, Köln. 37 “Democratic governance comes late, historically, and typically appears as a crowning institution of the participant society”. (Lerner 1958, S.64) 38 Vilmar 1986: 339, Handlexikon zur Politikwissenschaft. Bonn 1986, S: 339 – 344. 39 Wie der Arab Human Development Report 2002 festgestellt hat, ist die mangelnde Freiheit einer der Gründe für die Stagnation in weiten Teilen der arabischen Welt: „This freedom deficit undermines human development ... While de jure acceptance of democracy and human rights is enshrined in constitutions, legal codes and government pronouncements, de facto implementation is often neglected and, in some cases, deliberately disregarded ... Freedoms of expression and association are frequently curtailed.“ (UNDP 2002: 2).

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Diener des Staates betrachtet, sondern als machtvolle Gegenspieler ohne

Verantwortungsbewusstsein.40 Darüber hinaus wird Partizipation durch Armut,

Informationsmangel und durch ein niedriges Bildungsniveau erschwert. Hinzu kommen

der Mangel an Pressefreiheit und die fehlende demokratische Erfahrung und das damit

verbundene Fehlen einer funktionierenden Zivilgesellschaft. 41

3.3. Kritikpunkt „Verwestlichung“ und Überschätzung der Medien als Träger des sozialen Wandels

Der Vorwurf, dass Lerner’s Theorie ethnozentrisch auf die Werte der westlichen Welt

fixiert sei, ist mittlerweile aufgrund der wissenschaftlichen Anerkennung ihres global

gültigen Modells42 hinfällig. Dazu haben auch die Untersuchungen von Ronald Inglehart

zum kulturellen Wandel von 43 Gesellschaften beigetragen.43

Die veranschaulichendste Bestätigung der globalen Gültigkeit, haben vor allem die Ost-

und Südost-Asiatischen Staaten in den letzten Jahrzehnten geliefert.44 Bezüglich der

Wichtigkeit der Massenmedien, war Lerner von Beginn an klar, dass die Medien nur in

einem freien Umfeld die volle Wichtigkeit als Träger des sozialen Wandels einnehmen

können. Wenn Regierungen jedoch die Massenmedien nur zu eigenen Propaganda-

zwecken nutzen, dann dienen diese „eher der sozialen Kontrolle als der individuellen

Teilnahme“.45

3.4. Modernisierung als Zusammensetzung verschiedener Subprozesse

Der Prozess der Modernisierung ist also ein multidimensionaler Vorgang. Die

verschiedenen Aspekte fügen sich zu einem umfassenden Wandlungsprozess

zusammen. Eine weitere forschungsleitende Überzeugung der Modernisierungs-

theorie insistiert darauf, dass die verschiedenen Komponenten des Prozesses

einander nicht im Wege stehen, sondern sich wechselseitig ergänzen und

unterstützen.46

Ein wichtiger Aspekt im Modernisierungsprozess ist der wirtschaftliche Faktor. Die

sogenannte Lipset-These "The more well-to-do a nation, the greater the chances that it

40 Vgl. am Beispiel Ägypten: Zetter/ Hamza 1998: 191ff.; El-Mikawy 2001b: 24f.; Fahmy 2002: 30ff. 41 Vgl. am Beispiel Ägypten: Fergany 1995: 33f. und UNDP 2003a: 8 42 Lerner sprach schon 1958 davon, dass die von ihm von aufgestellten westlichen Modernisierungsprinzipien „global“ gültig sind. Im Jahr 2000 veröffentlichte die Weltbank ihren Bericht in Deutsch unter dem Titel „Weltentwicklungsbericht 1999/2000. Globalisierung und Lokalisierung. Neue Wege im entwicklungspolitischen Denken“ (Frankfurt: FAZ 2000). Unter anderem sind die vier kausalen Modernisierungsfaktoren von Lerner explizit und implizit darin enthalten. Papcke/Oesterdiekhoff, Schlüsselwerke der Soziologie: 268. Vgl. The World Bank, Weltentwicklungsbericht 1999/2000( Frankfurt FAZ 2000): 3, 10 ff. 43„Zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Geschichte wurde Modernisierung mit dem Okzident gleichgesetzt; heute ist offensichtlich, dass dieser Prozeß global ist, und auf gewisse Weise liegt Ostasien heute an der Spitze des Modernisierungsprozesses“. Inglehart, 1998, S.22. 44( …)die „vier kleinen Tiger“ (Südkorea, Taiwan, Hong Kong, Singapur) haben gezeigt, wie eine eigenständige Entwicklung im kapitalistischen Weltsystem möglich ist. Heute gehören Thailand, Malaysia und Indonesien zu den Wachstumsländern. Gemeinsam ist ihnen, dass sie ihre Bevölkerungen bis vor kurzem in Armut belassen haben und dass die demokratischen Reformen später und langsamer in Gang kamen als die wirtschaftliche Entwicklung. ZAPF aus Leviathan Jg. 24 1996, S.66 (S.63-77)45 Lerner erwähnt als Beispiel die Gratis-Verteilung von Radiogeräten in Ägypten in den 1950/60er Jahren. LERNER 1971, S.377. 46Johannes Berger, Modernisierung und Modernisierungstheorie, Leviathan Jg.24 1996, 8.

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will sustain democracy”47 gilt im Wesentlichen weltweit als bestätigt, auch wenn klar

ist, dass es natürlich Ausnahmen geben kann.

Die höheren Chancen für wirtschaftlich prosperierende Gesellschaften bezüglich einer

Hinwendung zu einer freiheitlich parlamentarischen Grundordnung sind ganz

offenkundig.48 Wirtschaftlicher Wachstum ermöglicht es Staaten, Bildungsinvestitionen

zu tätigen, die bei der Aufholjagd der unterentwickelten Länder ausschlaggebend sind.49

3.5. Empathie als Schlüsselmechanismus

We conceive modernity as a participant style of life; we identify its distinctive

personality mechanism as empathy.50

Die Quintessenz Lerner’s ist, dass die Probleme bei der Entwicklung der traditionellen

Gesellschaft hin zur modernen Gesellschaft, hauptsächlich auf psychologischen

Barrieren und der mangelnden Bereitschaft, Veränderungen im politischen und sozio-

kulturellen Bereich vorzunehmen, liegen. Diesen psychologischen Aspekt umschreibt er

mit den Begriffen der Empathie und psychischer Mobilität. Dabei ist das Sich-

Hineinversetzen in eine andere Person als Bestandteil der Empathie der wichtige Punkt.

Dieser Aspekt ist eine Voraussetzung, um z. B. in der Kommunikation und

Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Personen und unter unterschiedlichen

Rahmenbedingungen zu nachhaltigen Ergebnissen zu kommen.

We are interested in empathy as the inner mechanism which enables newly mobile

persons to operate efficiently in a changing world (…) Empathy, to simplify the

matter, is the capacity to see oneself in the other fellow’s situation. This is an

indispensable skill for people moving out of traditional settings.51

Unmissverständlich macht Lerner klar, dass das Bildungswesen auf dem Weg zu einer

modernen Gesellschaft hierbei ein absolutes Schlüsselelement bei der Entwicklung der

Empathie darstellt: „Literacy is the the basic personal skill that underlies the whole

modernizing sequence. With literacy people aquire more than the simple skills of

reading.”52

Wissenschaft und Bildung spielen also eine zentrale Rolle im Modernisierungsprozess.

Das Bildungswesen fungiert als Motor für den technologischen Fortschritt und für das

Wachsen einer funktionierenden Zivilgesellschaft.

Aus diesen genannten Aspekten entsteht als Synthese die Empathie als wichtigstes

Merkmal des modernen Individuums. Empathie als Notwendigkeit bezüglich einer

innovationsfähigen Gesellschaft, die in der Lage ist auf veränderte Situationen mit

neuen Ideen, flexibel zu reagieren. Sei es im technischen, sozialen oder kulturellen

Bereich.

47 Seymour Martin Lipset “Political Man: The Social Bases Of Politics” 1959, Heinemann Educational Books Ltd, 1981 Edition: 31. 48 Vgl. Diamond 1992, S.106: “Higher levels of socioeconomic development generate a significant higher probality of democratic governement”. 49 Bendix 1971, S.510. 50 Lerner 1958, S.78. 51 Daniel Lerner „The Passing of Traditional Society: Modernizing the Middle East (1958)“, 49ff.. 52 Daniel Lerner „The Passing of Traditional Society: Modernizing the Middle East (1958)“, 64.

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3.6. Modernisierung als Transformation und nicht als oberflächlicher Institutionen-Transfer

Transformation, not transfer. The indispensable lesson, taught by failures to transfer

institutions is that modernization must be systemic if it is to be durable.53

Es reicht nicht aus, nur gewisse Scheinmodernisierungen vorzunehmen. Die

Transformation von einer traditionellen zu einer modernen Gesellschaft muss

umfassend erfolgen. Scheinmodernisierungen sind zum Scheitern verurteilt, denn sie

besitzen in der Regel keine Nachhaltigkeit. Eine aufgesetzte Fassade ersetzt keine

fundierte und konstruktive Auseinandersetzung mit Wandlungsprozessen. Doch dies ist

das große Problem von traditionellen Gesellschaften im Umbruch. Sie missverstehen

Modernisierung mit einem einfachen Institutionen-Transfer und erfassen dabei nicht die

Substanzlosigkeit ihrer Entscheidungen, die ohne ein echtes Umdenken nicht fruchten

können.

Wanted are modern institutions but not modern ideologies, modern power but not

modern purposes, modern wealth but not modern wisdom, modern commodities but

not modern cant.54

Genau dieser Aspekt verdeutlicht das Dilemma der arabischen Welt. Yassin

Musharbash hat dies im Expertengespräch am Beispiel von Bassam Tibi und dessen

Betrachtung über Islamisten hervorragend auf den Punkt gebracht:

„Islamisten akzeptieren zwar die technische Moderne, aber eben nicht die Denkweise,

die Idee, die den technischen Fortschritt möglich gemacht hat.“55

Es ist ein „Drama der halben Moderne“56.

3.7. Ausblick/Konklusion

Fakt ist, dass erhebliche Hemmnisse im Modernisierungsprozess der arabischen Welt

existieren. Sie verhindern den Fortschritt, die Entwicklung zu einer freien, auf Wissen

basierenden Gesellschaft.

Hierbei ist es ganz gleich, ob sie endogenen oder exogenen Ursprungs sind.

Um den Hindernissen entgegen zu wirken, muss man sich der Probleme bewusst

werden, man muss sie erkennen und verstehen, um sie dann gezielt und nachhaltig zu

bekämpfen. Dies erfordert jedoch ein großes Maß an Empathie.

Um nachhaltige Wandlungsprozesse anstoßen zu können, muss eine Gesellschaft dazu

befähigt werden. Erst wenn Menschen einen gewissen Bildungsgrad erreicht haben,

sind sie in der Lage neue Handlungsspielräume zu schaffen. Dabei muss allen

Beteiligten klar sein, dass dies ein langwieriger Prozess ist.57

53 Lerner, 1968: Modernization, in: International Encyclopedia of the Social Sciences, Bd. 10, S. 390. 54 Lerner 1958, S. 47. 55 Expertengespräch Yassin Musharbash, beziehend auf Bassam Tibi. 56 Die Bezeichnung „halbe Moderne“ bzw. „Traum von der halben Moderne“ wurde von Bassam Tibi geprägt, u.a. in: “Die fundamentalistische Herausforderung – Der Islam und die Weltpolitik, S. 46, München 1992. Vgl.ders.: „Islamischer Fundamentalismus, moderne Wissenschaft und Technologie“, Frankfurt a.M. 1992; vgl. ders.: „Islamischer Fundamentalismus als Antwort auf die doppelte Krise“, Essay zur Neuausgabe von „Die Krise des modernen Islams. Eine vorindustrielle Kultur im wissenschaftlich-technischen Zeitalter, Frankfurt a.M. 1991(Erstausg. München 1981) 57 What the West accomplished gradually over three past centuries is not so easy for the East to achieve rapidly in the present century. Lerner 1958, S.65.

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Dass Medien das Potenzial besitzen, einen Wandel in Entwicklungsländern

herbeizuführen, dem sind sich alle Ansätze einig. In der arabischen Welt war dies

bislang mit den Massenmedien Print, Radio und terrestrisches Fernsehen aufgrund der

ungünstigen Rahmenbedingungen nicht der Fall.

Welches Potenzial haben nun die neuen digitalen Kommunikationstechnologien Internet

und Satelliten-TV? Ist das Potenzial für Demokratisierung durch den technologischen

Fortschritt, durch die Entterritorialisierung der digitalen Medien und den besseren

Zugang zu Informationen gestiegen? Kann sich durch Internet und Satelliten-Fernsehen

eine Gesellschaft mit Empathie entwickeln?

Es ist erwiesen, dass gesellschaftlich-kulturelle, politische sowie technische

Gegebenheiten der jeweiligen Zeit eine bedeutende Rolle spielen.

Wie diese Gegebenheiten aussehen, wird in den folgenden Kapiteln untersucht.

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4. Entwicklungsstand und Besonderheiten der MENA-Region

Um den Hintergrund des gegenwärtigen Entwicklungsrückstands der arabischen Welt

verständlich zu machen, wird in diesem Kapitel die entwicklungspolitische

Ausgangssituation der MENA-Region skizziert.

Im Auftrag der UNO haben führende arabische Wirtschafts-, Bildungs-, und

Politikexperten im letzten Jahrzehnt die Entwicklungschancen der arabischen Staaten

anhand von fünf Berichten untersucht58.

Der letzte Entwicklungsbericht der arabischen Welt erschien im Juli 2009.

Mehr als sieben Jahre nach der Veröffentlichung des ersten Arabischen Berichts (2002)

über die menschliche Entwicklung bleiben die Ergebnisse Besorgnis erregend.

Die Berichte haben die wesentlichen Ursachen für die Stagnation von Entwicklung in

den arabischen Ländern in den Blickpunkt der Weltöffentlichkeit gerückt. Dabei

wurden Defizite in den Bereichen Wissen, wirtschaftliche und politische Entwicklung,

Pressefreiheit und Frauenrechte deutlich gemacht.59 Es wurde darauf hingewiesen, dass

vor allem eine fundierte, auf die Menschen ausgerichtete Entwicklungspolitik fehlt und

deshalb eine Vielzahl von gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen

Missständen existiert. Allgemein gesehen ist der Mangel an Freiheit als Haupthindernis

identifiziert worden. Durch die Berichte ist klar geworden, dass die menschliche

Freiheit ausschlaggebend ist für die Entwicklung einer freien auf Wissen basierenden

Gesellschaft.

Hierbei werden fünf Kategorien der Freiheit, bzw. der Rechte benannt:60

- Politische Freiheit, die Möglichkeit freier Meinungsäußerung, Kritikbewusstsein,

eine Gesellschaft ohne Zensur, die Möglichkeit einer zivilgesellschaftlichen

Beteiligung

- Wirtschaftliche Freiheit, freie Entfaltungsmöglichkeiten unternehmerische Ideen

umzusetzen, Chancengleichheit, Zugang zu Ressourcen und Institutionen

- Soziale Freiheit, bzw. Recht auf den Zugang zu Bildung und zu qualitativer

Gesundheitsversorgung, individuelle Selbstbestimmung

- Recht auf Transparenz und Verhältnismäßigkeit, Angebot und Nachfrage regeln

Interaktion

- Recht auf Sicherheit, Wahrung der Integrität, Rechtssicherheit, Schutzsysteme für

gefährdete soziale Gruppen und Minderheiten, Umweltschutz

Die Gesamtentwicklung der MENA-Region lässt sich im Folgenden an

demographischen, sozialen, wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Indikatoren

festmachen.

58 United Nations Development Programme (UNDP): Arab Human Development Report 2002: Creating Opportunities for Future Generations. Arab Human Development Report 2003:Building a Knowledge Society Arab Human Development Report 2004:Towards Freedom in the Arab World. Arab Human Development Report 2005:Towards the Rise of Women in the Arab World Arab Human Development Report 2009:Challenges to Human Security in the Arab Countries http://www.arab-hdr.org/ 59 DGVN Informationsdienst Nr. 56, Dez. 2004, S.1. 60 Schwanitz IP Juni 2006, S.128.

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4.1. Human Development Index

Der "Human Development Index

(HDI)" ist eine Messzahl für den

Entwicklungsstand eines Landes.61

Quelle: Bundeszentrale für Politische

Bildung

Im Jahr 2005 befanden sich die arabischen Länder beim "Human Development Index

(HDI)" im Schnitt klar hinter den Regionen Lateinamerika u. Karibik, Ostasien u.

Pazifik und mit weitem Abstand hinter den OECD-Ländern. Die MENA-Region stand

aber vor den Regionen Sub-Sahara Afrika und Südasien.

Für das Jahr 200962 befinden sich Kuwait (31), Katar (33) und die Vereinigten

Arabische Emirate (35) in der Gruppe der Staaten mit einem „Very High Human

Development“.

Bahrein (39), Libyen (55), Oman (56), Saudi-Arabien (59) und der Libanon (83) folgen

im Segment „High Human Development“.

Jordanien (96), Tunesien (98), Algerien (104), Syrien (107), Palästina (110), Ägypten

(123), Marokko (130), Yemen (140), Sudan (150), Mauretanien (154) befinden sich

unter den Staaten mit einem „Medium Human Development“.

Die Auflistung, bzw. die teilweise sehr großen Unterschiede im Ranking der einzelnen

arabischen Länder verdeutlichen das heterogene Bild der MENA Region. So gehören

Kuwait, Katar und die VAE zu den höchst entwickelten Ländern gemäß den aktuellen

HDI-Rankings. Vor allem fällt die wirtschaftliche Diskrepanz zwischen den reichen

Golfstaaten (mit Ausnahme Libyens) und den restlichen arabischen Staaten auf.

Immerhin befindet sich kein arabisches Land unter den am wenigsten entwickelten

Ländern der Welt.

Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass durch die Einteilung in die drei, bzw.

vier Kategorien, die teilweise immensen Abstände in der Rangliste nicht sehr zum

61 Der "Human Development Index" (HDI) kombiniert mehrere Indikatoren, wobei 1,0 den höchsten erreichbaren Wert darstellt. Diese Indikatoren sind: Lebenserwartung, Ausbildung und BIP (Bruttoinlandprodukt). Im Einzelnen werden erfasst: Lebenserwartung bei der Geburt, Alphabetisierung der erwachsenen Bevölkerung, Einschulungsrate in Grund-, Sekundär- und Hochschulen, Bruttoinlandsprodukt pro Kopf. Darüber hinaus enthält der jährlich von UNDP herausgegebene Human Development Report eine Vielzahl zusätzlicher Daten aus dem ökonomischen, sozialen und politischen Bereich. Bundeszentrale für politische Bildung, Prof. Dr. Eckhart Ribbeck: http://www1.bpb.de/themen/26G2CN,0,0,Human_Development_Index_%28HDI%29.html, Vgl. http://hdr.undp.org/en/statistics/faq/question,68,en.html 62Human Development Report 2009 - HDI rankings: http://hdr.undp.org/en/statistics/ In Klammern ist jeweils die Position im HDI-Ranking angegeben. Der Bereich „Very High Human Development“ geht von Rang 1 bis 38, der Bereich „High Human Development“ geht von Rang 39 bis 83, der Bereich „Medium Human Development“ von Rang 84 bis 158 und die Staaten des „Low Human Development“ (bis auf Ost-Timor und Afghanistan alles Länder in Afrika südlich der Sahara) nehmen die Plätze 152 bis 182 ein.

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Vorschein kommen. So reicht z. B. die Liste für die Länder des „Medium Human

Development“ von Rang 84 bist Rang 154.

Allgemein kann von positiven wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen in den

letzten 20-30 Jahren gesprochen werden. So hat sich in allen arabischen Ländern z. B.

die Bildungs- und Gesundheitssituation von Kindern und Jugendlichen seit den 1980er,

1990er Jahren gebessert. Große Fortschritte wurden vor allem in der Steigerung der

Lebenserwartung der Menschen in der arabischen Welt erzielt. Sie ist in den

vergangenen drei Jahrzehnten um 15 Jahre gestiegen ist.63 Die Kindersterberate in

Ägypten z.B. sank von 157 Toten je 1000 Lebendgeburten 1970 auf 30 Tote im Jahr

2001.64

Insgesamt hat sich die Infrastruktur gebessert. So haben nun laut Weltbank mindestens

88% der Bewohner der MENA-Region Zugang zu sauberem, frischem Trinkwasser und

91% haben Zugang zu Elektrizität.65

Hervorzuheben sind die höheren Einschulungsraten von Kindern, die für eine deutliche

Steigerung der Alphabetisierung und der Elementarbildung gesorgt haben. Ungeachtet

der gestiegenen Einschulungsraten, hat die arabische Welt jedoch weiterhin große

Defizite in der Schul- und Hochschulbildung. Auch konnte durch die bislang getätigten

Bildungsinvestitionen die sehr hohe Arbeitslosenquote, vor allem die

Jugendarbeitslosigkeit, nicht gesenkt werden.66

Darüber hinaus ist die Diskriminierung der Frauen aufgrund kultureller und

traditioneller Strukturen ein Entwicklungshemmnis. So zählte 2002 noch die Hälfte aller

arabischen Frauen zu den Analphabetinnen.67

Im folgenden Kapitel werden die Einwohnerzahlen, das Bevölkerungswachstum und die

Arbeitslosigkeit in der MENA-Region untersucht.

4.2. Bevölkerungszahl, Bevölkerungswachstum und Arbeitslosigkeit

Die Daten bezüglich der jeweiligen Einwohnerzahlen, Wachstumsprognosen und

Arbeitslosenstatistiken variieren zwischen den jeweiligen Institutionen in ihrer

Genauigkeit und Aktualität. Von der Grundidee der jeweiligen Interpretationen herrscht

jedoch kein Widerspruch, da die jeweiligen Zahlen der verschiedenen Quellen sich

nicht fundamental widersprechen und in der Regel dieselbe Tendenz besitzen.

4.2.1. Die Bevölkerungszahlen der arabischen Staaten mit dem jeweiligem Durchschnittsalter im Einzelnen68:

Mauretanien 3.129 486 Millionen 19,2 Jahre

Marokko 31.285 174 25

Algerien 34.178 188 26,6

63 DGNV Informationsdienst Nr. 49 2002, S.3. 64 „Die Arabischen Berichte über die Menschliche Entwicklung bilden eine fragwürdige Grundlage für die Greater-Middle-East-Inititative der USA“, Sonya Hegasy Frankfurter Rundschau 9.6.04. 65 Worldbank „Middle East and North Africa“, http://ddp-ext.worldbank.org/ext/GMIS/gdmis.do?siteId=2&menuId=LNAV01REGSUB4 66 GTZ „ Kinder und Jugendliche im Nahen Osten und in Nordafrika“, Dezember 2008. http://www.gtz.de/de/dokumente/de-factsheet-jugend-mena-2008.pdf 67DGNV Informationsdienst Nr. 49 2002, S.3. 68 Nach Schätzungen des CIA –The World Factbook , Stand Juli 2009 https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/index.html. Zugriff 20.01.2010.

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Tunesien 10.486 339 29,2

Libyen 6.324 357 23,9

Ägypten 78.866 635 24,8

Sudan 69 41.087 825 19,1

Jordanien 6.269 285 24,3

Palästina70 4.013 126 18,95

Libanon 4.017 095 29,3

Syrien 21.762 978 21,7

Irak 28.945 569 20,4

Kuwait 2.692 526 26,2

Saudi-Arabien 28.686 633 21,6

Bahrain 728 709 30,1

Katar 833 285 30,8

Vereinigte Arabische Emirate 4.798 491 30,1

Oman 3.418 085 18,8

Jemen 22.858 238 16,8

Zum Vergleich: Das Durchschnittsalter in Deutschland beträgt laut

CIA-World Factbook 43,8 Jahre.

Die Gesamtbevölkerungszahl, nach Schätzungen vom Juli 2009, würde somit

309.382.024 Millionen71 für die arabische Welt lauten.

4.2.2. Bevölkerungswachstum

Die Herausforderungen in der arabischen Welt mögen von Land zu Land

unterschiedlich sein. Es gibt aber einige bedeutende gemeinsame Merkmale die

Besorgnis erregen, wie z. B. die Bevölkerungsexplosion in den letzten Jahrzehnten. Bis

in die 1990er Jahre erlebte die Region das höchste Bevölkerungswachstum der Welt. Im

Laufe der 1990er Jahre verlangsamte sich das Wachstum und die Quote pendelte sich

bei einem Durchschnitt von rund 2% ein.72 Laut Weltbank ist diese Quote immer noch

höher als die Südasiens, aber geringer als das Bevölkerungswachstum der afrikanischen

Länder südlich der Sahara.73 So hat sich laut Schätzungen der Vereinten Nationen die

Bevölkerungszahl der arabischen Welt insgesamt seit 1980 mehr als verdoppelt und

steigt weiter an. Bis 2015 soll die arabische Bevölkerung von 317 Millionen Menschen

69 Laut CIA - The World Factbook werden im Sudan 39 % der Bevölkerung zum arabischen Teil gezählt. Dies würde bedeuten, dass mehr als 16 Millionen Sudanesen als Araber angesehen werden. 70 Palästina wird beim CIA- The World Factbook getrennt als Westbank (Einwohnerzahl 2,461,267 / Durchschnittsalter 20,5 Jahre) und als Gaza-Streifen (1,551,859 / 17,4) geführt. 71 Bei dieser Berechnung sind für den Sudan vom Autor 16 Millionen Einwohner als Angehörige der arabischen Bevölkerungsgruppe mit eingerechnet. Die UN geht im AHDR 2009 von 317 Millionen aus, die Weltbank von 313 Millionen, die GTZ von 311 Mio., vgl. World Development Indicators 2009, World Bank; GTZ „ Kinder und Jugendliche im Nahen Osten und in Nordafrika“, Dezember 2008, S.3. http://www.gtz.de/de/dokumente/de-factsheet-jugend-mena-2008.pdf. 72 In einigen Ländern der MENA-Region ist die Wachstumsrate in den letzten Jahren gesunken. So ist die Kinderzahl pro Frau in den Ländern Nordafrikas seit den 1970er Jahren von durchschnittlich über sieben Kindern je Frau auf drei Kinder gesunken. Vorreiter bei dieser Entwicklung ist Tunesien mit durchschnittlich etwa zwei Kindern je Frau. DGVN, Informationsdienst Bevölkerung und Entwicklung Nr. 56 – Dez. 2004, S.2., vgl.Worldbank, http://siteresources.worldbank.org/INTMENA/Resources/MENA_EDP_2009_annex.pdf. 73 Worldbank, MENA-Factsheet: http://siteresources.worldbank.org/DATASTATISTICS/Resources/mna_wdi.pdf

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auf 395 Millionen anwachsen. 1980 betrug die Einwohnerzahl der MENA-Region rund

150 Millionen Menschen.74

Grafik Nr.2: Bevölkerungswachstum der arabischen Welt. Quelle: AHDR 2009.

In Ländern, in denen Wasserressourcen und landwirtschaftlichen Nutzflächen aufgrund

der geografischen Lage begrenzt sind, sorgen diese Wachstumszahlen für einen

enormen Druck. Gerade der zunehmende Kampf um Trinkwasser birgt großes Potenzial

für gewaltsame, militärische Auseinandersetzungen in der Zukunft.

Auffällig ist der extrem hohe Anteil der jungen arabischen Bevölkerung unter 25 Jahren

gemessen an der Gesamteinwohnerzahl.75 Noch nie gab es so viele junge Araber und

Araberinnen wie zum heutigen Zeitpunkt. In keinem anderen Teil der Welt leben so

viele junge Menschen wie im arabischen Kulturkreis. Sie stellen in den arabischen

Ländern die am schnellsten wachsende Bevölkerungsgruppe dar76.

Mit einem Bevölkerungsanteil der Unter-25-Jährigen von 60 Prozent und einem

Durchschnittsalter von 22 Jahren im Vergleich zum weltweiten Mittel von 28 Jahren ist

diese Region eine der jüngsten der Welt.77

Ein schnelles und hohes Bevölkerungswachstum mag für prosperierende

Volkswirtschaften ein Segen sein. Für Länder mit einen Entwicklungsrückstand, mit

einer schwach ausgeprägten, wenig diversifizierten Wirtschaft jedoch, ist das

Bevölkerungswachstum ein Hindernis bei der Armutsbekämpfung, denn die meisten

Reformen und Errungenschaften verpuffen bei solch immensen Wachstumsquoten. Dies

trifft besonders bevölkerungsreiche Länder wie Ägypten.

Gesamtgesellschaftlich führt es zu einer Überlastung der Gesundheits- und

Bildungssysteme und kann damit eine positive wirtschaftliche Entwicklung

verlangsamen und behindern.78

74 AHDR 2009, dt. Kurzfassung S. 3. 75 AHDR 2009, dt. Kurzfassung S. 3. 76 Ebd. 77 Ebd, 78 Informationsdienst der DGVN: Informationsdienst Bevölkerung und Entwicklung Nr. 50 – Dez. 2002, S.3.

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Bildung, soziale Sicherheit und vor allem eine verbesserte Lage, sowie die politische

und gesellschaftliche Gleichberechtigung der Frauen in der MENA-Region begünstigen

den Rückgang der Wachstumsraten und können damit für eine Entlastung der

Gesellschaftssysteme sorgen.79

4.2.3. Arbeitslosigkeit

Arbeitslosigkeit ist eines der bedeutendsten Probleme der arabischen Volkswirtschaften.

Sie hat Auswirkungen auf den sozialen und gesellschaftlichen Status sowie auf die

individuelle Selbstbestimmung der Menschen.80

Das regionale Wirtschaftswachstum kann nicht mit dem Bevölkerungswachstum Schritt

halten. Laut Daten der Weltbank ist der prozentuale Anteil der Menschen die von

weniger als zwei US-Dollar täglich leben, von 20 % 1990 auf 17 % 2005 der

Bevölkerung gefallen. Jedoch ist die absolute Zahl der Menschen die mit weniger als

zwei $ täglich ihr Leben bestreiten, von 44,4 Millionen auf 51,4 Millionen gestiegen.81

Aufgrund der wenig diversifizierten Wirtschaft und der geringen Investitionen ist der

Arbeitsmarkt der MENA-Region nicht flexibel und innovativ genug, um die Massen

von immer mehr hinzuströmenden jungen Menschen aufzunehmen. Nach 1980 gab es

in der Region nahezu zweieinhalb Jahrzehnte lang fast kein Wirtschaftswachstum.82

Nach Angaben der Weltbank stieg in den arabischen Ländern das reale BIP pro Kopf in

den 24 Jahren zwischen 1980 und 2004 um insgesamt nur 6,4 Prozent (das heißt um

weniger als 0,5 Prozent pro Jahr)83. Moderaten Schätzungen zufolge liegt die

Arbeitslosigkeit im Schnitt bei deutlich über 15 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit

sogar bei über 25 Prozent.84

Es ist schockierend festzustellen, dass die arabischen Länder insgesamt gesehen im

Jahre 2007 weniger industrialisiert waren, als 1970 – fast vier Jahrzehnte zuvor!85

Das Ergebnis der hohen Arbeitslosenquote ist wirtschaftliche Unsicherheit. Es ist daher

nicht verwunderlich, dass weite Teile der jungen arabischen Welt unter einer gewissen

Existenzangst leiden und oft alles daran setzen – legal oder illegal – in das westliche

Ausland zu emigrieren.

Nach Daten der Arabischen Arbeitsorganisation (ALO) belief sich die durchschnittliche

Wachstumsrate der Arbeitslosigkeit in der MENA-Region, basierend auf den Zahlen

von 2005, auf etwa 1,8% jährlich.86

Laut der International Labour Organization (ILO) hat sich die Lage etwas gebessert. So

ist die offizielle Arbeitslosenquote laut ILO (für Zahlen aus dem Jahr 2007) im Schnitt

79 Ebd. 80 AHDR 2009, dt. Kf. S.3 f. 81 Worldbank „Middle East and North Africa“, http://ddp-ext.worldbank.org/ext/GMIS/gdmis.do?siteId=2&menuId=LNAV01REGSUB4 Den Berechnungen des AHDR 2009 zufolge, könnten sogar bis zu 65 Millionen Menschen in Armut leben. AHDR 2009 dt. Kurzf., S. 13. 82 AHDR 2009. Dt. Kf. S. 11 83 Ebd. 84 Juliane Brach, GIGA Focus Nr. 9 / 2008: „Entwicklung ohne ausländische Direktinvestitionen? Perspektiven der arabischen Mittelmeerländer“, S.3. 85 AHDR 2009, dt. Kf. S.11 86 Brach, GIGA Focus Nr. 9 / 2008.

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auf 9,9% in der arabischen Welt gefallen. Nichtsdestotrotz bleibt die Arbeitslosenrate

der MENA-Region eine der höchsten weltweit, wie die folgende Grafik zeigen kann.

Grafik Nr. 3: Arbeitslosenquote im weltweiten Vergleich, Quelle ILO. 87

Hervorzuheben ist die Tatsache, dass in keiner anderen Weltregion die

Frauenarbeitslosigkeit so hoch ist wie in der MENA-Region.

Besonders problematisch ist die Zunahme der Menschen im arbeitsfähigen Alter im

Verhältnis zur Gesamtbevölkerung. 2007 ging die ILO von 216 Millionen Menschen im

arbeitsfähigen Alter aus. Dies bedeutet, dass zwischen 1997 und 2007 der Anteil der

arbeitsfähigen Bevölkerung um 33,5% gestiegen ist. Hierbei betrug die Quote für

Nordafrika 29,1% und für die Länder des Mittleren Ostens 39%.88

Von den oben genannten 216 Millionen gehörten 67 Millionen der jugendlichen

Bevölkerung an. Laut ILO waren damit 2007 weltweit 5,6% aller jugendlichen

Menschen im Arbeitsalter arabischer Herkunft. Ein klarer Hinweis für die junge

Gesellschaftsstruktur in der Region.89 Man muss die sehr niedrige Beschäftigungsrate

der Frauen in der arabischen Welt beachten. Statistisch gesehen gingen nur 2,5 von zehn

Frauen einer geregelten Beschäftigung nach, mehr als sieben von zehn Frauen waren

damit nicht im Arbeitsmarkt aktiv.90 Hierbei gibt es einen Unterschied zwischen

87 International Labour Office (ILO) “Growth, Employment and Decent Work in the Arab“, Issue Paper Arab Forum on Development and Employment Doha, Qatar 15 - 16 November 2008 Region: An Overview, S.6. 88 ILO S.18. 89 Ebd. 90 ILO S. 19.

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Nordafrika und den Staaten des mittleren Ostens, vor allem hinsichtlich der Golfstaaten.

Die höhere Beschäftigungsrate in Nordafrika erklärt sich durch die etwas bessere

gesellschaftliche Lage der Frauen in den Maghrebländern.91 Die Staaten der arabischen

Halbinsel verzeichnen dagegen die niedrigste Frauen-Beschäftigungsrate der Welt.

Insgesamt gesehen sind die Arbeitslosenquoten für arabische Frauen höher als für

arabische Männer und zählen zu den höchsten der Welt.92

Grafik Nr.4: Weltweiter Vergleich der Menschen im erwerbstätigen Alter und der jugendlichen

Bevölkerung. Quelle: ILO.93

Es ist offensichtlich, dass der arabische Arbeitsmarkt unter einem großen Druck steht.

Demnach müssten bis zum Jahr 2020 rund 70 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen

werden, um den Ansturm der arbeitssuchenden Massen kompensieren zu können.94

91 Bezüglich der Gleichstellung von Frau und Mann ist besonders Tunesien hervorzuheben. Die weitestgehende Emanzipation der Frauen wurde bereits in der ersten Verfassung des Landes festgelegt, Tunesien spielt hier eine Vorreiterrolle in der arabischen Welt. Im islamisch geprägten Familienrecht derzeit noch existierende Benachteiligungen bei Scheidung und Erbfall sollen durch Novellierung bestehender Gesetze beseitigt werden. Frauen sind im Arbeitsalltag fest integriert. 25 Prozent der Frauen waren 2007 berufstätig. Sie stellen rund 50 Prozent der Lehrkräfte und 39 Prozent der Staatsbediensteten. Über die Hälfte der Studierenden sind Frauen. Die Zahl der Unternehmerinnen in Tunesien wird für das Jahr 2007 mit 6000 angegeben. http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/Tunesien/Innenpolitik.html 92 ILO S. 22 und AHDR 2009, dt. Kf. S. 12. 93 Ebd., S. 19. 94 ILO, S.14

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Während sich die offiziellen Arbeitslosenquoten von Land zu Land teilweise erheblich

unterscheiden, z. B. von etwa 2% in Katar bis zu 22% in Mauretanien, ist die

Jugendarbeitslosigkeit so gut wie in allen arabischen Länder ein schwerwiegendes

Problem.95

4.2.4. Jugendarbeitslosigkeit

The problem of unemployment in the region is first and foremost the problem of

youth unemployment. Unemployment amongst Arab youth is the highest in the

world. Youth unemployment represents 50% on average of all unemployed, it is

higher amongst female. What makes the situation more intriguing is the high rate of

unemployment amongst educated youth who have completed secondary and/or

tertiary education.96

Besonders junge AkademikerInnen und AbsolventInnen der arabischen Universitäten

sind von Arbeitslosigkeit betroffen. Zudem sind allgemein junge Menschen nur in sehr

geringem Maße an politischen und zivilgesellschaftlichen Prozessen beteiligt.97 Junge

Frauen sind aufgrund herrschender kultureller und traditioneller Werte besonders

benachteiligt.98 Allgemein kann man sagen, dass die Jugend in der arabischen Welt

große Abstriche bezüglich der individuellen Selbstbestimmung machen muss. Dies

betrifft nicht nur den Arbeitssektor, sondern auch die fehlende Teilhabe am

gesellschaftlichen Leben.99

95 Ebd. und AHDR 2009, S.12. 96 ILO, S.6. 97 GTZ 2008, S.3 98 Ebd. Vgl. GTZ „Frauenrechte in der arabischen Welt“. Das Thema Frauenrechte wird im Kapitel 4.7. genauer beschrieben. 99 GTZ 2008, S.3.

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100

Für 2005/2006 schätzte die Arab Labour Organization (ALO) den Höchstwert der

Jugendarbeitslosenquote in der Region auf etwa 46 Prozent in Algerien und den

Tiefstwert von 6,3 Prozent in den Vereinigten Arabischen Emiraten.101

Die VAE sind mit ihrer einstelligen Quote bei der Jugendarbeitslosigkeit eine

Ausnahme. Ansonsten haben alle arabischen Länder mit zweistelligen

Jugendarbeitslosenquoten zu kämpfen, auch die Golfstaaten mit hohem Einkommen. Im

Schnitt betrug die Quote für die MENA-Region rund 30% und war damit die höchste

der Welt.102

Im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und

Entwicklung erstellte die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ)

im Jahr 2008 einen Bericht der konkret auf die Lage der jungen Bevölkerung in der

arabischen Welt eingeht.103 Diesem Bericht zufolge macht die Gruppe der 15 bis 24-

100 The Report in Numbers. Selected Data from the AHDR 2009, S. 8. 101 AHDR 2009, dt. Kf. S. 12, The Report in Numbers. Selected Data from the AHDR 2009, S. 23. 102 Ebd. Wie erwähnt, variieren die Arbeitslosenquoten von Quelle zu Quelle. So geht die GTZ z. B. für das Jahr 2008 in Algerien von 53 %, Westbank/Gazastreifen 43 % , Jordanien 30 %, VAE 6 %, Katar 11 %, Kuwait 13 %, Saudi Arabien 28 % und in Bahrain von20 % aus. GTZ Dez. 2008. 103 GTZ „ Kinder und Jugendliche im Nahen Osten und in Nordafrika“, Dezember 2008. http://www.gtz.de/de/dokumente/de-factsheet-jugend-mena-2008.pdf

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jährigen ungefähr ein Drittel der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter aus. Sie sind aber

mit 50% überproportional arbeitslos.

Der Anteil junger Menschen hat an der Gesamtzahl der Erwerbstätigen hat zwischen

1995 und 2005 um 30% zugenommen. Rund 40 Millionen junge Menschen drängen

zwischen 2000 und 2010 zusätzlich auf den Arbeitsmarkt.104 Dies bedeutet eine

Steigerung von 40%. Damit wird alleine zwischen 2005 und 2010 ein jährlicher

Zuwachs von vier Millionen Arbeitskräften erwartet.105

Abgesehen von den afrikanischen Ländern südlich der Sahara, hat die MENA-Region

den höchsten Zuwachs der Jugendbevölkerung und der Zahl der Menschen im

erwerbstätigen Alter.106 Schul- und HochschulabgängerInnen, die frisch in die

Arbeitswelt kommen, machen in so gut wie allen arabischen Ländern die Großzahl der

Arbeitslosen aus. Besonders in Ägypten und Syrien ist dies der Fall. In diesen Staaten

repräsentiert die Gruppe der Jugendlichen drei Viertel der arbeitslosen Bevölkerung. 107

Das strukturelle und jugendspezifische Problem der Arbeitslosigkeit ist nicht zu

übersehen. Insgesamt beträgt die Jugendarbeitslosenquote in den arabischen Ländern

nahezu das Doppelte des Wertes weltweit.108

Arbeitslosigkeit hat häufig ein junges, weibliches Gesicht: Besonders arabische Frauen

leiden unter den höchsten Arbeitslosenquoten weltweit.109

Interessant sind dabei die unterschiedlichen Wachstumsraten im Nahen Osten und in

Nordafrika. So wuchs die Jugend-Population im Nahen Osten zwischen 1997 und 2007

um 32,3%, Nordafrika hingegen weist ein Wachstum von 18,9% auf.110 Der Unterschied

erklärt sich dadurch, dass der Geburtenrückgang in den nordafrikanischen Ländern

früher eingesetzt hat als im Nahen Osten. Doch trotz dieses verzeichneten Rückgang der

Geburtenrate, gehört die arabische Welt, zusammen mit den afrikanischen Ländern

südlich der Sahara, weiterhin zu der Region mit der höchsten Zuwachsrate bezüglich

der Jugend-Population.111

Die erwähnten Zahlen stellen die arabische Welt vor eine sehr große Herausforderung.

Es muss unbedingt alles daran gesetzt werden, neue und vor allem ausreichend viele

Arbeitsplätze zu schaffen, um die junge Bevölkerung erfolgreich in den Arbeitsmarkt zu

integrieren.

Zwar gab es in den letzten Jahren kleine wirtschaftliche Erfolge, jedoch konnten diese

nicht für einen adäquaten Job-Zuwachs sorgen, wie die Weltbank am Beispiel der

Maghreb112-Länder festgestellt hat:

Generating more and better quality jobs with higher productivity probably constitutes

the most important challenge the Maghreb countries will face over the next decade.

Despite relatively high and sustained economic growth since 2004, employment

104 GTZ 2008, S.5 f. 105 Ebd. 106 AHDR 2009, dt.Kf. S.12 107 Ebd. 108 Ebd. 109 AHDR 2009, dt. Kurzf., S. 12 f. 110 Vgl. Grafik Nr. 4, Kap. 111 ILO, S.18 112 Maghreb, [der; arabisch, „Westen“] der Westen der arabischen Welt; umfasst die nordafrikanischen Staaten Marokko, Algerien und Tunesien, bisweilen wird auch Libyen dazu gerechnet. Diese 4 Staaten und Mauretanien schlossen sich 1989 zur Maghreb-Unionzusammen mit der Absicht wirtschaftlicher und kultureller Zusammenarbeit.

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creation has been insufficient to significantly reduce unemployment, or to absorb the

flow of youth joining the labor market. As a result, the unemployment rate remains

high among youth, and has been rapidly increasing among secondary education

students and university graduates.113

Gerade die Arbeitslosigkeit junger Menschen mit einer qualifizierten Berufs- oder

Hochschulausbildung ist charakteristisch für viele Länder der MENA-Region.

In Marokko oder Ägypten ist es mittlerweile Standard, dass BerufseinsteigerInnen mit

Hochschulabschluss im Schnitt rund zwei bis drei Jahre auf eine Stelle warten

müssen.114 Und dies bedeutet nicht, dass alle AbsolventInnen irgendwann einen Job im

öffentlichen Sektor bekommen.115

Auch die Studie der GTZ weist darauf hin, dass in den kommenden Jahren unbedingt

zahlreiche neue Jobs geschaffen werden müssen, um alle NeueinsteigerInnen in den

nächsten Jahren zu beschäftigen.116

Für Außenstehende ist es zunächst nicht nachvollziehbar, warum gerade junge arabische

AkademikerInnen besonders von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Man sollte ja davon

ausgehen, dass gerade HochschulabsolventInnen viel bessere Chancen auf einen Job

haben. Für diesen Missstand gibt es einige Erklärungsansätze:

Zunächst muss festgestellt werden, dass die Gruppe der Uni-AbsolventInnen diejenige

ist, welche das größte Wachstum verzeichnet. Diese Gruppe wurde bis in die 1980er

Jahre in der Regel vom Staat aufgenommen, teilweise wurden vom Staat sogar

Garantien zur Übernahme der Uni-AbsolventInnen gegeben.117 Die arabischen Staaten

können aber seit geraumer Zeit keine staatlichen Jobs mehr garantieren. Einerseits

aufgrund ihres total überblähten Beamtenapparates und andererseits aufgrund der

schwachen wirtschaftlichen Entwicklung und dem wirtschaftlichen Globalisierungs-

Druck.118 Da viele der Uni-AbsolventInnen aus wohlhabenden Familien oder aus den

Mittelschichten der arabischen Gesellschaften stammen, sind diese in der Lage, länger

auf einen Staatsjob zu warten, statt einen schlechter bezahlten Job in der

Privatwirtschaft anzunehmen.119

Die arabische Privatwirtschaft hingegen nutzt diese gigantische Ressource an Human-

Kapital in keiner Weise aus. Im Gegenteil: Die Privatwirtschaft in der MENA-Region

diskriminiert junge Menschen. Es werden keine Festanstellungen angeboten und der

Verdienst ist relativ gesehen geringer als der eines staatlichen Jobs.120 Es gibt keine

Jobgarantie und die Gefahr der ökonomischen Ausnutzung junger Menschen ist ständig

vorhanden. Besonders junge Frauen leiden unter Diskriminierung, da Familienplanung

und mangelnde geografische Mobilität ein Ausschlussgrund sind.121 Natürlich spielen

113 World Bank Quick Notes Series “The Employment Challenge in the Maghreb”, May 2009, Number 7. http://siteresources.worldbank.org/INTMENA/Resources/QuickNote7.pdf 114 GTZ 2008, S.5. 115 ILO. S.20 f. 116 GTZ, S. 4 f. und AHDR 2009 dt. Kurzfassung, im Vergleich zur ILO geht die GTZ und die UN von 51 Mio. neuen Jobs aus, die ILO wie oben erwähnt von 70 Millionen. 117 ILO, S.28, GTZ 2008 S.5 f. 118 ILO S. 28 119 Ebd. 120 Ebd. 121 Ebd.

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innerhalb des Aspektes der mangelnden Mobilität von Frauen, traditionelle und

kulturelle Werte der arabischen Welt die ausschlaggebende Rolle.

Ein weiterer Gesichtspunkt ist das mangelnde Ausbildungsniveau und der Mangel an

Berufspraxis der Uni-AbsolventInnen. Es wird darauf aufmerksam gemacht, dass eine

auf den Arbeitsmarkt ausgerichtete Berufsausbildung fehlt und die Qualität der Schul-

und Hochschulbildung allgemein nicht den Kriterien der Arbeitswelt entspricht.122

Dieser Aspekt wird im weitern Verlauf der Arbeit ebenfalls im Kapitel

„Bildungssystem“ näher erörtert. Darüber hinaus ist der Mangel an einer staatlichen

Planung und Förderung ein Grund, sowie die Ungleichbehandlung der Geschlechter in

der arabischen Welt.

Das Ergebnis dieser Missstände ist eine hohe wirtschaftliche Unsicherheit unter der

jungen arabischen Generation. Es ist daher nicht verwunderlich, dass weite Teile der

jungen arabischen Welt unter einer gewissen Existenzangst leiden und oft alles daran

setzen, sei es legal oder illegal, in das westliche Ausland zu emigrieren.123

Dieser Gesichtspunkt wird im weiteren Teil der Arbeit im Kapitel „Bildungssystem“

unter dem Aspekt „Brain Drain“ erörtert.

Zusammenfassend kann man sechs Faktoren für die hohe Arbeitslosigkeit der MENA-

Region benennen124:

1. Die Bevölkerungsexplosion der letzten Jahrzehnte und die damit weltweit

höchste Jugendbevölkerung der Welt, neben den afrikanischen Ländern südlich

der Sahara.

2. Fehlende wirtschaftliche Planung, Förderung, Transparenz, Rechtsstaatlichkeit,

Chancengleichheit

3. Die Schrumpfung des öffentlichen Sektors, der Rückzug des Staates als größter

Arbeitgeber, bedingt durch Strukturreformen.

4. Der beschränkte Umfang, die gebremste Leistungsfähigkeit und die schwache

arbeitsplatzschaffende Kapazität des privaten Sektors.

5. Das mangelnde Ausbildungsniveau von Schulen und Hochschulen in der

arabischen Welt. Es wird nicht genügend Wert auf die erforderlichen beruflichen

und fachlichen Kompetenzen gelegt.

6. Die Ungleichbehandlung der Geschlechter.

Hinsichtlich der sozialen Ausgrenzung junger Menschen muss abschließend festgestellt

werden, dass die Arbeitsmarktzahlen alarmierend sind. Die extrem hohe

Arbeitslosigkeit und die damit verbundene wirtschaftliche Unsicherheit und

Perspektivlosigkeit, birgt ein immenses Potenzial an Frustration. Der dazu kommende

Mangel an qualitativer Bildung erhöht die Gefahr eines weiter zunehmenden

Fundamentalismus’ und kann im schlimmsten Falle zu einer Zunahme des Extremismus

führen, der sich in terroristischen Aktivitäten manifestieren kann.

122 Ebd. und AHDR 2009 dt. Kurzf., S. 13. 123 “In a worrying trend, 51 % of older adolescents interviewed and 45 % of younger ones expressed a desire to emigrate, clearly indicating dissatisfaction with current conditions and future prospects in their home countries.” AHDR 2002, Executive Summary, S.4, www.arab-hdr.org/publications/content/2002/execsum-02e.pdf 124 GTZ 2008, S. 4 f., ILO S. 18 f., AHDR 2009, dt. Kf.

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Der immer größer werdende Wohlstandsunterschied könnte zu einer Zuspitzung der

sozialen, gesellschaftlichen Konflikte führen. Das Gefühl der Ausgrenzung und

Chancenlosigkeit wird durch die Tatsache erschwert, dass in den meisten arabischen

Ländern eine auffällige Besitzkonzentration herrscht. Dies betrifft den Besitz von Grund

und Boden sowie den Besitz von Vermögenswerten.125

Sozialer Frieden innerhalb der arabischen Gesellschaften ist unter diesen momentanen

Umständen nicht zu erwarten.

4.3. Menschliche Unsicherheit durch Konflikte

Unter dem Titel „Herausforderung für die menschliche Sicherheit in den arabischen

Staaten“ stellt der AHDR 2009 klar, dass menschliche Sicherheit die Voraussetzung für

Fortschritte in der menschlichen Entwicklung ist.

Menschliche Sicherheit wird allgemein mit der Freiheit von Furcht und der Freiheit

von Not assoziiert, und sie ist eine Voraussetzung für menschliche Entwicklung.(…)

Jedoch stellt man in vielen arabischen Ländern fest, dass es ihnen weitgehend an

menschlicher Sicherheit fehlt, ein vorherrschendes und oft großes Defizit, das die

Menschen in unterschiedlichen Lebensbereichen vielfachen Bedrohungen

aussetzt.(…)Menschliche Unsicherheit zeigt sich vor allem in den Auswirkungen

militärischer Angriffe und Besatzung sowie gewaltsamer interner Konflikte126 wie z.B.

im Irak und den besetzten palästinensischen Gebieten. Sie tritt sogar in den

Ländern auf, die relative Stabilität genießen, der Staat jedoch die Rechte und

Freiheiten der Menschen aufheben kann.127

Vor diesem Hintergrund ist ein Blick auf das Konfliktbarometer des Heidelberger

Instituts für internationale Konfliktforschung (HIIK)128 sehr aufschlussreich.

Das Konfliktbarometer listet alle existierenden Konflikte der Welt auf, gestaffelt in

zwei Gruppen nach fünf Intensitätsgraden. Die zwei Gruppen unterscheiden gewaltsame

und nicht-gewaltsame Auseinandersetzungen.

Nicht-gewaltsame Konflikte mit dem ersten (d.h. dem schwächsten) Intensitätsgrad

werden als „Latenter Konflikt“, oder wenn sie den zweiten Grad haben, als „Manifester

125 AHDR dt. Kurzf., S. 14. 126 Definition Konflikt: Konflikte sind Interessengegensätze (Positionsdifferenzen) um nationale Werte von einiger Dauer und Reichweite zwischen mindestens zwei Parteien (organisierte Gruppen, Staaten, Staatengruppen, Staatenorganisationen), die entschlossen sind, sie zu ihren Gunsten zu entscheiden. Konfliktgegenstände sind dabei: Territorium, Sezession, Dekolonisation, Autonomie, System / Ideologie, Nationale Macht, Regionale Vorherrschaft, Internationale Macht, Ressourcen, Sonstiges. Aus Konfliktbarometer 2006. 127 AHDR 2009, Informationstext auf der letzten Seite. Darüber hinaus macht der AHDR 2009 klar, dass mittlerweile auch der Klimawandel ein Aspekt der menschlichen Unsicherheit ist, da Land- und Wasserressourcen angesichts erhöhter Trockenheit z. B., sich verringern können und die Gefahr von Hunger und Armut weiter steigen kann. 128 www.konfliktbarometer.de, das HEIDELBERGER INSTITUT FÜR INTERNATIONALE KONFLIKTFORSCHUNG (HIIK) am INSTITUT FÜR POLITISCHE WISSENSCHAFT DER UNIVERSITÄT HEIDELBERG ist ein gemeinnütziger eingetragener Verein. Es widmet sich der Erforschung, Auswertung und Dokumentation innerstaatlicher und internationaler politischer Konflikte. Das HIIK ging 1991 aus einem u.a. von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziell unterstützten Forschungsprojekt KOSIMO (Konflikt-Simulations-Modell) hervor.

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Konflikt“ bezeichnet. Gewaltsame Konflikte werden zunächst als Krise, dann als

„Ernste Krise“ und zuletzt als „Krieg“ betrachtet.129

Basierend auf dem Konfliktbarometer 2009, stiegen die beobachteten

Auseinandersetzungen in Nordafrika und im Mittleren Osten von 51 im Jahr 2008 auf

55 im Jahr 2009. Modifiziert man die Zahl nach der vorliegenden Definition der

arabischen Welt130, kommt man auf 51 Konflikte für das Jahr 2009.131

Die „Mutter aller Konflikte“, bzw. der Konflikt der in der arabischen Welt seit

Jahrzehnten am meisten für Aufsehen und Unmut sorgt, ist der Israel-Palästina Konflikt.

Der Israel-Palästina Konflikt kann in vielerlei Hinsicht als ein Entwicklungshemmnis

für die MENA-Region hinsichtlich eines demokratischen Wandlungsprozesses

angesehen werden.

Für das palästinensische Volk ist der Konflikt eine reine Katastrophe. Das West-

Jordanland und der Gazastreifen sind im Endeffekt nichts anderes als

Großraumgefängnisse und führen zu einer stetigen Verletzung der individuellen und

kollektiven Freiheiten der Palästinenser. Krieg und systematische Zerstörung der

Infrastruktur sind die offensichtlichsten Entwicklungshemmnisse für diesen Teil der

arabischen Welt.132 Ganz abgesehen von der psychologischen Traumatisierung.

Für den Großteil der arabischen Regime jedoch, ist die Palästina-Problematik ein

willkommener Vorwand für den eigenen Machterhalt. So dient der Konflikt den

arabischen Führungseliten in der Regel als Grund für den Reformstau. Mit Verweis auf

die Besetzung und damit verbundene Unterdrückung des palästinensischen Volkes,

kann man von eigenen Unzulänglichkeiten ablenken und notwendige Reformen werden

nicht in Angriff genommen.

Ganz im Gegenteil, der Konflikt dient als Rechtfertigung für die hohen

Verteidigungshaushalte in der Region und er fördert die Akzeptanz von militärischen

Lösungen, sowohl bei den arabischen Staaten als auch bei Israel.

Eine friedliche Lösung des Israel-Palästina-Konflikts würde daher den meisten Regimes

die Argumentationsgrundlage für die Verweigerung der notwendigen Reformen

entziehen. Das „beste Argument“ dafür, wieso z. B. das Militär im Vergleich zum

Bildungssektor eine solch hohe finanzielle Zuwendung erfährt, fiele weg. Die eigenen,

innenpolitischen Probleme gerieten in den Fokus und die Regimes damit in einen

Erklärungsnotstand.

129 Latenter Konflikt (Stufe 1): Eine Positionsdifferenz um definierbare Werte von nationaler Bedeutung ist dann ein latenter Konflikt, wenn darauf bezogene Forderungen von einer Partei artikuliert und von der anderen Seite wahrgenommen werden. Manifester Konflikt (2): Ein manifester Konflikt beinhaltet den Einsatz von Mitteln, welche im Vorfeld gewaltsamer Handlungen liegen. Dies umfasst beispielsweise verbalen Druck, die öffentliche Androhung von Gewalt oder das Verhängen von ökonomischen Zwangsmaßnahmen. Krise (3): Eine Krise ist ein Spannungszustand, in dem mindestens eine der Parteien vereinzelt Gewalt anwendet. Ernste Krise (4): Als ernste Krise wird ein Konflikt dann bezeichnet, wenn wiederholt und organisiert Gewalt eingesetzt wird. Krieg (5): Kriege sind Formen gewaltsamen Konfliktaustrags, in denen mit einer gewissen Kontinuität organisiert und systematisch Gewalt eingesetzt wird. Die Konfliktparteien setzen, gemessen an der Situation, Mittel in großem Umfang ein. Das Ausmaß der Zerstörung ist nachhaltig. Aus dem Konfliktbarometer 2006. 130 Siehe Definition „Arabische Welt“, Kapitel 2. 131 Konfliktbarometer 2009, S. 71. Bei dieser Auflistung werden Afghanistan, der Iran und die Türkei noch dazugezählt. Der Sudan hingegen wird Sub-Sahara Afrika zugeordnet. Wenn man die Zahl nach der in der Arbeit vorliegenden Definition der arabischen Welt modifiziert (d. h. 8 Konflikte der drei oben genannten Länder herausnimmt, die nicht mit der MENA-Region zusammenhängen) und den Sudan dazuzählt (der Sudan weist insg. 6 Konflikte auf, wobei 2 Konflikte sich komplett im Süden des Landes abspielen, demnach werden also für den Sudan vier Konflikte in dieser Rechnung gezählt), kommt man auf eine Konfliktzahl von 51 für das Jahr 2009. 132 AHDR 2004, dt. Kurzfassung, S. 4 f.

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So aber dient der Israel-Palästina Konflikt im Endeffekt nur dem Überleben der

arabischen Diktaturen.133

Hinzuzufügen ist, dass die unter der Federführung der USA erfolgte Invasion im Irak

2003 und die bis heute anhaltende Besetzung die gesamte Problematik noch verschärft

haben.

Bezüglich der sehr hohen Verteidigungshaushalte vieler arabischer Staaten vermittelt

der Globale Militarisierungsindex (GMI) des Internationalen Konversionszentrum Bonn

(BICC) sehr interessante Ergebnisse.134

So hat das BICC festgestellt,

dass generell Größe und Zusammensetzung des Militärapparats beträchtliche

Auswirkungen sowohl auf die menschliche und wirtschaftliche Entwicklung eines

Staates als auch auf den Grad von Gewaltanwendung sowie interne wie externe

gewaltförmige Konflikte haben kann.135

Laut GMI-Ranking136 des BICC Jahresbericht 2008/2009 befinden sich unter den Top

12 Staaten gleich sieben arabische Nationen. Zählt man Israel137 als geografisches

Mitglied der MENA-Region noch dazu, kommt man auf acht Staaten der MENA-

Region in den Top 12.

Arabischer Spitzenreiter ist Syrien (2) gefolgt von Jordanien (5), Oman (6), Kuwait (7),

Saudi-Arabien (8), Bahrain (9) und vom Libanon (12). Unter den Top 25 befinden sich

noch Algerien (20), Ägypten (23), Marokko (24) und Libyen (25).138

Insgesamt gesehen verdeutlicht der Blick auf das Konfliktbarometer 2009 und das GMI-

Ranking die angespannte Lage der arabischen Welt. Der Mangel an menschlicher

Sicherheit und die damit verbundenen hohen Ausgaben für die Verteidigungshaushalte

vieler arabischer Staaten, trotz des Entwicklungsrückstandes in wirtschaftlicher und

bildungspolitischer Hinsicht, sind ein klares Entwicklungshemmnis für den Fortschritt.

Dies sind warnende Hinweise, besonders für Europa als direkte Nachbarregion. Gerade

den EuropäerInnen sollte klar sein, dass eine friedliche MENA-Region auch ein Garant

für Frieden und Sicherheit in Europa ist.

4.4. Bildungssystem

UNESCO defines education as a fundamental human right.139

Die hohen Arbeitslosenzahlen, besonders die hohe Jugendarbeitslosigkeit setzen die

Bildungssysteme der MENA-Region extrem unter Druck. Die arabischen Staaten stehen

vor immensen Herausforderungen. Dies hat dazu geführt, dass mittlerweile einige

133 Vgl. Volker Perthes „Europa und Amerikas Greater Middle East“, SWP-Aktuell 5, S.6, Februar 2004. 134 Das Bonn International Center for Conversion (BICC) wurde 1994 vom Land Nordrhein-Westfalen gegründet. Es ist eines der führenden deutschen und international anerkannten Friedens- und Konfliktforschungsinstitute. DerGlobale Militarisierungsindex (GMI) bildet das relative Gewicht und die Bedeutung des Militärapparats eines Staates im Verhältnis zur Gesellschaft als Ganzes ab. Militarisierung wird dabei im engeren Sinne als die dem staatlichen Militär zur Verfügung stehenden Ressourcen und Kapazitäten definiert. BICC Jahresbericht 2008/2009 S. 18. 135 Ebd. 136 GMI-Ranking, BICC 2008/2009, S. 21. Der GMI umfasst 151 Staaten. 137 Israel ist im GMI-Ranking auf Rang 3. 138 Die Zahl in Klammern weist auf die jeweilige Position im GMI-Ranking. 139 UNESCO LAMP 2009, S. 13.

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Staaten der Region verstärkt in den Ausbau ihrer Bildungseinrichtungen investieren.140

Dies ist im Zuge der globalen Informationsrevolution absolut notwendig, um den

Anschluss an die entwickelten Länder nicht zu verlieren.

In einer auf Wissen basierenden Gesellschaft werden Transfer und Anwendung von

Wissen zu bestimmenden Prinzipien aller Aspekte menschlichen Lebens. In der Kultur,

in der Gesellschaft, in Wirtschaft und Politik sowie im Privatleben. Gerade bei der

Nutzung des Internets ist ein gewisser Bildungshorizont nötig, der mehr als die

Fähigkeit zum Lesen und Schreiben voraussetzt. Dies führt zum Problem des

Analphabetismus in der arabischen Welt.

4.5. Analphabetismus in der MENA-Region

Literacy is a key element to reducing gender inequality; Adult literacy is critical for

the healthy development and education of children; Literacy is a key element for

human and economic development, given the deep impact these skills can have on

economic performance; and Literacy is vital for promoting health and fighting

diseases.141

Der Analphabetismus in der arabischen Welt ist als sozialer Indikator weiterhin ein

großes Entwicklungshemmnis. Zwar konnte in den vergangenen Jahrzehnten die Zahl

der Menschen, die des Lesens und Schreibens mächtig sind142, gesteigert werden, doch

im Schnitt hat die MENA-Region immer noch eine Analphabetenrate von 30%.143

Die UNESCO veröffentlichte 2008 für das Jahr 2005 geschätzte absolute Zahlen für die

AnalphabetInnen in der MENA-Region. Dazu gibt es auch Prognosen für die Jahre

2010 und 2015: 144

2005:

Alter 15+ 44,740,050 Millionen

15-24 6,726,500

25-64 31,288,790

65+ 6,724,760

Prognose 2010:

15+ 43,771,080

15-24 5,030,420

25-64 31,443,210

65+ 7,297,450

140 Bundesministerium für Bildung und Forschung, http://www.bmbf.de/press/2540.php 141 UNESCO LAMP, S. 16. 142 Dank staatlicher Kampagnen und dem Bau neuer Schulen konnte z. B. in Ägypten die Einschulungsrate auf 91,4% erhöht werden. 86% besuchten weiterführende Schulen. Jedoch leidet der Unterricht in der Regel an einer zu großen Klassenstärke, die im Schnitt 40 Schüler pro Klasse für das Jahr 2001 betrug. United Nations Development Programme/ Institute of National Planning (UNDP): Egypt. Human Development Report 2003. Cairo 2003a. 143 Vgl. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, http://www.bmz.de/de/laender/regionen/naher_osten_nordafrika/bildung/index.html 144 UNESCO International Literacy Statistics 2008, S. 43.

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Prognose 2015:

15+ 42,155,850

15-24 3,915,860

25-64 30,339,140

65+ 7,900,850

Besonders hoch halten sich dabei die Quoten der arabischen Frauen. Laut UNESCO

sind über 65% aller AnalphabetInnen in der MENA-Region Frauen. 2005 waren das in

absoluten Zahlen 30,390,290 Millionen. 2010 rechnet man 29,903,640 Millionen und

2015 mit 28,906,550 Millionen weiblichen Analphabetinnen.145

Natürlich variiert die Quote aufgrund der Heterogenität innerhalb der MENA-Region

von Staat zu Staat. So betrug die Rate der AnalphabetInnen in Nordafrika (Marokko

und Mauretanien) bei den über 15-Jährigen für den Zeitraum 1990-2005 um die 50%,

wohingegen die Quoten in Algerien etwa 30%, in Tunesien 25% und in Libyen nur etwa

15% betrugen.146

Exkurs Kinderarbeit

Bildung ist ein fundamentales Menschenrecht, so die UNESCO147. Dies erfordert aber

ein Verantwortungsbewusstsein des Staates gegenüber seinen Bürgern und Bürgerinnen,

bzw. seinen Schutzbedürftigen, den Kindern. Dies beinhaltet, dass Kinderarbeit in

keiner Weise toleriert werden darf. In vielen arabischen Ländern ist das leider nicht der

Fall.

So ist Kinderarbeit ein Grund für anhaltenden Analphabetismus bei einem Teil der

Heranwachsenden, auch wenn sich die Nettoeinschulungsquoten im Allgemeinen bis

fast 90-95% in vielen Staaten der Region gestiegen sind. Trotz verstärkter Bemühungen

bleiben Millionen Kinder unverschuldet von Bildung und damit vom Fortschritt

ausgegrenzt. Wirtschaftliche Not drängt die Eltern, ihre Kinder arbeiten zu lassen,

anstatt sie zur Schule zu schicken.148

In so gut wie allen Fällen sind die Eltern selbst schreib- und leseunkundig und vererben

sozusagen durch den Arbeitseinsatz ihrer Kinder den Analphabetismus. Kinderarbeit ist

vor allem in Ägypten und im Libanon ein großes Problem.149 In Ägypten schätzt man

die Zahl der arbeitenden Minderjährigen auf zwei Millionen.150

Dieser Teufelskreis des „vererbbaren“ Analphabetismus muss unbedingt durchbrochen

werden. Dabei ist Überzeugungsarbeit und finanzielle Hilfe gefragt.

145 Ebd., S. 45 f. 146 Konrad-Adenauer-Stiftung „20 Jahre Arabische Maghreb- Union: eine Bestandsaufnahme“, Juni 2009, S. 4. http://www.kas.de/wf/doc/kas_16850-544-1-30.pdf 147 UNESCO LAMP 2009, S. 13. 148 Der AHDR 2002 ging davon aus, dass zehn Millionen arabische Kinder zwischen sechs und 15 Jahren nicht zur Schule gehen. DGNV Bevölkerung & Entwicklung Nr. 49, Sep. 2002, S. 3. 149 ILO „Child Labor on Tobacco Plantations in Lebanon“, S. 5 f. www.ilo.org/public/english/region/arpro/beirut/infoservices/report/report04.htm 150Schätzungsweise gehen zwei Millionen ägyptische Kinder zwischen fünf und 14 Jahren einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit nach. Hinzu kommen mehrere hunderttausend, die halbtags neben der Schule einen Job haben. Berliner Zeitung Nr. 134 „Meister Mohameds kleine Malocher“ 12. Juni 2009, S. 8., DIE ZEIT Nr. 3, „Die Schule unseres Viertels“ 8. Januar 2009, S. 58 Vgl. ILO „Child Labor on Tobacco Plantations in Lebanon“, S. 5 f. www.ilo.org/public/english/region/arpro/beirut/infoservices/report/report04.htm

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Ausgleichzahlungen gegen den Verdienstausfall und Unterstützung der Kinder beim

Lernen sollten im Verantwortungsbereich des Staates sein.

Kinderarbeit, Lehrermangel, fehlende Investitionen, Qualitätsmängel – es gibt viele

Gründe für den Missstand Analphabetismus. Fakt ist: Er zieht sich wie ein roter Faden

durch die gesamte arabische Welt und angesichts der vorgestellten Zahlen, ist es nicht

verwunderlich, dass sich in einer globalisierten Weltwirtschaft, die auf Wissen und

Forschung basiert, ein solcher Missstand hemmend auf den Modernisierungsprozess

auswirkt.

4.6. Qualität der Bildungssysteme

Nur qualitativer Unterricht führt auch zu qualitativer Bildung. Eine hohe

Alphabetisierung alleine kann den Anforderungen einer globalisierten Welt nicht

genügen, denn Schreib- und Lesefähigkeiten ohne weiterführende Bildung bringen

keinen modernen Fortschritt. Gut ausgebildete, hoch qualifizierte Kräfte sind für einen

erfolgreichen Modernisierungsprozess notwendig.151

Die UNESCO unterscheidet in ihrem Bericht 2009 fünf Bildungskategorien:

Level 1 indicates persons with very poor skills, where the individual may, for

example, be unable to determine the correct amount of medicine to give a child from

information printed on a package. Level 2 refers to respondents who can deal only

with material that is simple, clearly laid out, and in which the tasks involved are not

too complex. It denotes a low level of skills, although less obvious than in Level 1. It

identifies people who can read but test poorly. These individuals may have

developed coping skills to manage everyday literacy demands, but their low level of

proficiency makes it difficult to face novel demands, such as learning new job skills.

Level 3 roughly denotes the skill level formally required for successful secondary

school completion and entry to tertiary-level educational institutions. Similar to

higher levels, it requires the ability to integrate several sources of information and

solve more complex problems. OECD countries considered this level a suitable

minimum for coping with the demands of everyday life and working in a complex,

“advanced” society. Level 4 and 5 describe respondents who demonstrate a

command of higher order information processing skills.152

Primär die beiden höchsten Bildungskategorien (Level vier und fünf) sind das große

Manko in weiten Teilen der arabischen Gesellschaften. Es ist offensichtlich, dass die

Qualität der arabischen Bildungssysteme ein Grund für die hohe Arbeitslosigkeit ist.

Die Lerninhalte orientieren sich unzureichend am Arbeitsmarkt, was sich auch an der

fehlenden Verknüpfung der Privatwirtschaft zum Bildungssystem in der MENA-Region

bemerkbar macht. Praktika in der arabischen Welt sind so gut wie unbekannt.153

Für den Arbeitsmarkt relevante Qualifikationen wie kritisches Denken, Innovation,

Kreativität, Fremdsprachen sowie fundierte, fachliche Kenntnisse aus

Naturwissenschaft und Mathematik, werden nur unzureichend vermittelt.154 Studierende

einer öffentlichen arabischen Universität schließen ihr Studium in der Regel ohne den 151 Weltentwicklungsbericht 1999/2000, S. 47. 152 UNESCO LAMP, S. 18. 153 GTZ, Dez. 2008, S. 5. 154 Ebd.

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Erwerb von Schlüsselkompetenzen ab. Interaktion zwischen Lehrpersonal und

Lernpersonal ist nicht vorgesehen. Statt Transfer ist immer noch das Auswendiglernen,

kombiniert mit einer traditionsverhafteten und autoritären Grundhaltung, das

Kennzeichen arabischer Bildungssysteme.155

Zum eindimensionalen Frontalunterricht kommt erschwerend dazu, dass die

Klassenstärke an staatlichen arabischen Schulen oft 50, 60, 70 – manchmal sogar noch

mehr – SchülerInnen umfasst. Dementsprechend bleiben viele Kinder auf der Strecke,

oft verlassen sie trotz jahrelangen Besuchs einer Grundschule, das Schulgebäude als

Analphabet.156

Verschlimmert wird dieser Umstand noch von der schlechten Ausbildung und

Bezahlung der staatlichen Lehrpersonen, die deswegen überhaupt keine Motivation

haben einen guten Unterricht zu erteilen. Stattdessen stecken sie, wie dies in Ägypten

der Fall ist, ihre Energie in teure private Nachhilfestunden, um über die Runden zu

kommen.157 Verloren haben dabei natürlich die SchülerInnen, die sich keine

Nachhilfestunden leisten können. Gerade die naturwissenschaftlichen Kenntnisse sind,

wie die OECD158 betont, heute bezüglich der technologischen Entwicklung und

Innovation von besonderer Bedeutung:

Eine Erwerbsbevölkerung mit hohen Qualifikationen im naturwissenschaftlichen

Bereich ist wichtig für das wirtschaftliche Wohlergehen der Länder. Während

grundlegende naturwissenschaftliche Kompetenzen im Allgemeinen als wichtig für

die Aufnahme neuer Technologien gelten, sind anspruchsvolle

naturwissenschaftliche Kompetenzen von entscheidender Bedeutung für die

Entwicklung neuer Technologien und für die Innovationstätigkeit. Insbesondere für

Länder, die sich in einer technologischen Spitzenposition befinden, ist der Anteil der

hochqualifizierten Arbeitskräfte an der Erwerbsbevölkerung daher ein wichtiger

Bestimmungsfaktor für das Wirtschaftswachstum und die sozioökonomische

Entwicklung.159

2006 nahmen als einzige arabische Vertreter die Staaten Tunesien, Jordanien und Katar

an der PISA-Studie160 der OECD teil.

155 World Bank, Quick Notes Series, Feb. 2009 Number 2, “Education in the Arab World”, S. 1 f.: Rote learning still dominates teaching, and little emphasis is put on problem solving and interactive teaching methods that would demand initiative from students. Foreign language and science do not make up a sufficient share of the curricula. While pedagogical methods adopted worldwide incorporate inquirybased learning, most MENA countries continue to use a more traditional model of pedagogy (for example, copying from the blackboard, and little interaction between teachers and students). AHDR 2004, dt. Kurzfassung, S. 16. 156 Vgl. Reinhard Baumgarten „Bildung in der arabischen Welt“, Qantara 2004. http://de.qantara.de/webcom/show_article.php/_c-469/_nr-171/i.html 157 Vgl. „Ägyptischer Schulalltag – Korruption im Klassenzimmer“, Spiegel Online 2005. http://www.spiegel.de/schulspiegel/0,1518,370531,00.html 158 OECD: Organization for Economic Co-operation and Development, deutsch Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Die OECD ist die bedeutendste Organisation der westlichen Industrieländer zur Koordinierung der Wirtschafts-, Handels- und Entwicklungspolitik. Duden Wirtschaft von A bis Z, 2. Aufl. Mannheim. 159 PISA 2006 - NATURWISSENSCHAFTLICHE KOMPETENZEN FÜR DIE WELT VON MORGEN Kurzzusammenfassung, S. 22. http://www.oecd.org/dataoecd/18/35/39715718.pdf 160 PISA ist eine internationale Schulleistungsstudie, die im Dreijahresturnus Erhebungen bezüglich der Kenntnisse und Fähigkeiten 15-Jähriger mit den Schwerpunkten Naturwissenschaft, Lesekompetenz und Mathematik durchführt. Sie ist das Produkt einer Kooperation zwischen den teilnehmenden Ländern im Rahmen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Über 400 000 Schülerinnen und Schüler aus 57 Ländern,

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Das Ergebnis offenbarte klare Defizite im Bereich der Naturwissenschaften. So belegte

Katar den vorletzten Platz, Tunesien den viertletzten Platz und Jordanien nahm von

insgesamt 57 teilnehmenden Ländern Rang 45 ein.161

Es soll hinzufügt werden, dass es sich bei den drei genannten Staaten um die Länder

handelt, die sich in den letzten Jahren mit am intensivsten um eine Verbesserung ihrer

Bildungssysteme bemüht haben.162 Auch wenn die Platzierungen der genannten Länder

im letzten Viertel des Ranking zu finden sind, gibt es doch einige viel versprechende

Ansätze.

Gerade die Position Jordaniens ist angesichts der herrschenden Probleme in der Region

respektabel. So konnte das Königreich am Jordan mit Rumänien immerhin einen EU-

Staat und große Volkswirtschaften wie Thailand, Mexiko und Brasilien hinter sich

lassen. Auch Tunesien hat trotz der schlechten Platzierung in zwei

naturwissenschaftlichen Inhaltsbereichen überdurchschnittliche Ergebnisse erzielen

können. Dies lässt zumindest in diesen Staaten auf eine weitere positive Entwicklung

hoffen.163

Die exponierte Stellung von Jordanien, Tunesien und Katar wird im Arab Knowledge

Report 2009 bestätigt. Demnach sind die Forschungsinstitute in Katar (1/30), Tunesien

(2/42) und Jordanien (3/51) in der arabischen Welt führend.164

Ein hervorragendes Ergebnis in der naturwissenschaftlichen Rangliste der PISA-Studie

2006 erzielten übrigens die ostasiatischen Staaten, bzw. die Volkswirtschaften Hong

Kong (2), Taiwan (4), Japan (6), Südkorea (11) und Macau (17). Alle genannten Staaten

befanden sich für 2006 klar über dem Durchschnitt.165 Es ist offensichtlich, dass dies vor

allem den hohen Investitionen dieser Region in den Ausbau und in die qualitative

Verbesserung ihrer Bildungssysteme in den letzten Jahrzehnten zu verdanken ist.

Hinsichtlich der Etablierung der neuen Kommunikationstechnologien ist ein Resultat

der arabischen Bildungsmisere der Mangel an Medienkompetenz.

Medienkompetenz kann nicht nur den technischen Umgang mit den Medien in ihrer

ganzen Breite einschließlich des funktionalen Lesens bedeuten. Medienkompetenz als

sinngemäße Übersetzung von „information literacy“ bedeutet die Fähigkeit, Texte zu

verstehen, sowie den Hintergrund von Informationen und deren Zusammenhang zu

erkennen. Ebenso kennt und beherrscht der medienkompetente Nutzer Suchstrategien

von den Katalogen der Bibliotheken bis hin zum intelligenten Suchen im Internet.166

So ist immer wieder zu beobachten, dass Nachrichten aus dem Fernsehen, aber vor

allem Informationen aus dem Internet als einzige und in der Regel ungeprüfte Referenz

auf die fast 90% der Weltwirtschaft entfallen, nahmen an PISA 2006 teil. Dt. Kurzf., S. 2. http://www.oecd.org/dataoecd/18/35/39715718.pdf 161Vgl. PISA 2006, dt. Kurzzusammenfassung, S. 26. 162 Arab Knowledge Report 2009, S. 185 f. 163 Vgl.PISA 2006, S. 28. 164 Arab Knowledge Report 2009, S. 189 Table 5.1. “The Quality of Arab research institutions”. Die erste Zahl in der Klammer steht für die Ranglistenposition in der MENA-Region, die zweite Zahl steht für die weltweite Ranglisten-Position. 165 Vgl. ebd., S. 26. Die Zahl in Klammern steht für die Ranglisten-Position. 166 Elisabeth Simon, “Medienkompetenz/Information Literacy – Wie lehrt man Medienkompetenz”, Berlin 2003, S.4.

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angesehen werden. Die Fähigkeit Wesentliches vom Unwesentlichen zu unterscheiden,

bzw. Falschinformationen zu erkennen, ist größtenteils nicht vorhanden.167

Das ist natürlich dem qualitativ schlechten Bildungssystem zu verdanken.

4.7. Forschung und Wissenschaft

Knowledge in Arab countries today appears to be on the retreat.168

Es ist erwiesen, dass zwischen Bildungsausgaben und Wohlstand eines Landes ein

sichtbarer Zusammenhang besteht.169 Angesichts dieser Tatsache war der Blick auf die

arabische Forschungs- und Wissenschaftswelt zu Beginn des neuen Millenniums sehr

deprimierend.

Der AHDR 2003 wies auf sinkende Studierendenzahlen und Bildungsausgaben hin. Die

Anzahl der WissenschaftlerInnen und IngenieurInnen, die in Forschung und

Entwicklung arbeiteten, lag in den 22 arabischen Ländern nur bei 371 auf eine Million

Menschen. Der weltweite Durchschnitt betrug 2002 hingegen 979. Nur 0,2 Prozent des

Bruttosozialprodukts wurden in der arabischen Welt für Forschung und Entwicklung

ausgegeben.170

2005 machte Carsten-Michael Walbiner von der Humboldt-Foundation darauf

aufmerksam, dass nur rund 19.000 WissenschaftlerInnen und IngenieurInnen in der

gesamten arabischen Welt im Bereich Wissenschaft und Entwicklung tätig waren – nur

wenig mehr als in Kuba allein. Südkorea hatte zu diesem Zeitpunkt etwa 117.000

WissenschaftlerInnen, TechnikerInnen, IngenieurInnen. Nur 0,7% der

wissenschaftlichen Publikationen wurden in den arabischen Staaten verfasst und nur

0,05% der in den amerikanischen und europäischen Patentsystemen angemeldeten

Patente stammten aus der MENA-Region.171

Auch der Zustand der staatlichen Universitäten lässt sehr zu wünschen übrig. Es fehlt an

Ausstattung, genügend Lehrkräften und an Qualität des Lehrkörpers. Die Bürokratie im

Hochschulbereich ist wie in allen staatlichen Behörden der arabischen Welt aufgebläht

und nicht effizient. Als Alternative zu den staatlichen Universitäten haben die privaten

Hochschulen den staatlichen längst den Rang abgelaufen. Sie sind besser ausgestattet

und in der Regel haben sie eine qualitativ, an westlichen Standards gemessene, besseres

Bildungsangebot.172

Doch diese privaten Hochschulen stehen nur der finanziellen Oberschicht und vielleicht

noch der oberen Mittelschicht offen. Die Studiengebühren sind gemessen am

Durchschnittseinkommen exorbitant hoch und grenzen den Großteil der arabischen

Studierenden daher aus.173

167 Vgl. Expertengespräche Walpot, Musharbash, Meyer, Meiering. 168 Arab Human Development Report 2003:Building a Knowledge Society, S. 163.169 Vgl. Weltbericht „Bildung für alle“ 2009, dt. Kurzfassung, S. 12 f. http://www.unesco.de/fileadmin/medien/Dokumente/Bildung/efareport2009dt.pdf 170 AHDR 2003, dt. Kurzfassung, S. 6. 171Carsten-Michael Walbiner „Wissenschaft und Forschung in der arabischen Welt“, 04/2005, S.12 f. http://www.humboldt-foundation.de/pls/web/docs/F990/eik.pdf 172 Vgl. Walbiner, S.15 Die American University in Cairo / Beirut (AUC), aber auch die 2002 gegründete German University in Cairo (GUC) z. B. sind bekannte Beispiele für private Universitäten in der MENA-Region. Vgl. Walbiner, S.13 173 Walbiner, S.13

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Man könnte sie daher, sarkastisch betrachtet, als Auffangbecken für die Kinder der

Oberschicht ansehen. Ganz nebenbei dienen sie auch als perfekter Heiratsmarkt für den

Nachwuchs arabischer Eliten.174

Erschwerend kommt die Abwanderung arabischer ExpertInnen ins Ausland hinzu,

bezeichnet als der arabische "Brain Drain"175.

Weiterführende Hochschul-Qualifikationen176 erhalten die arabischen Eliten in der

Regel in Europa oder Nordamerika. Über die Hälfte der Studierenden bleibt gleich dort.

Und jede/r vierte AbsolventIn einer arabischen Universität wanderte aus, zwischen 1998

und 2000 waren das allein 15 000 ÄrztInnen.177

Wie der Weltentwicklungsbericht 1999/2000 hervorhebt, „kann ein solcher

„Brain Drain“ die Fähigkeiten eines Entwicklungslandes beeinträchtigen, moderne

Technologien in Landwirtschaft und Industrie zu nutzen.“178

In Anbetracht der Massenarbeitslosigkeit, besonders unter der jungen Bevölkerung, ist

der „Brain Drain“ weiterhin sehr aktuell, auch wenn sich die Möglichkeiten für junge

AraberInnen ins Ausland zu gehen, durch die verschärfte globale Sicherheitslage sehr

erschwert hat. Hinzu kommt, dass viele Staaten, vor allem die europäischen Staaten,

aufgrund der wirtschaftlich angespannten Lage, nicht gewillt sind eine große Zahl von

EmigrantInnen aufzunehmen. Trotzdem bleibt gerade der Verlust vieler arabischer

AkademikerInnen ein drängendes Problem der MENA-Region.

Immerhin hat sich das erschreckend schwache Bild der arabischen Welt zu Beginn des

neuen Jahrtausends bezüglich Forschung und Wissenschaft, mittlerweile etwas bessern

können. Auch wenn im globalen Vergleich immer noch ein gehöriger Rückstand

existiert. So haben in einigen arabischen Staaten die nationalen Forschungsinstitute zu

Beginn der Dekade den Auftrag erhalten Forschungsleitlinien und Vorhaben zu

erarbeiten. Dies existierte vorher gar nicht.179 Die Zahl der WissenschaftlerInnen konnte

in den letzten Jahren gesteigert werden. Allein Tunesien weist 2009 492

WissenschaftlerInnen auf eine Million Menschen vor.180 Auch die Zahl der

wissenschaftlichen Publikationen in der arabischen Welt ist von 0,7% auf 1,1% im

globalen Vergleich gestiegen.181

Es gibt also kleine Lichtblicke in der Wissenschafts- und Forschungswelt der MENA-

Region. Die getätigten Investitionen und Verbesserungen reichen aber bei weitem noch

nicht aus, um einen echten Modernisierungsfortschritt zu erzielen. Dazu müsste

weiterhin konsequent und massiv in diesen Sektor investiert werden. Natürlich gebührt

den Anstrengungen der letzten Jahre ein großer Respekt, doch angesichts der weiter

anhaltenden Massenarbeitslosigkeit und Bevölkerungsexplosion verpuffen viele

174 Das ist die persönliche Beobachtung des Autors, der 2002/2003 und 2004 als “Visiting Student” mehrere Monate an der AUC in Kairo verbracht hat. 175 Vgl. Peter Heine „Konflikt der Kulturen oder Feindbild Islam“ S. 165. 176 Die Studienangebote zielen vor allem auf den Bachelor ab, der von der großen Masse der Studierenden als Abschluss angestrebt wird. Nur 5% der Studierenden hatten sich 1995 einen M.A./M.Sc. oder gar eine Promotion zum Ziel ihrer Studien gesetzt. Häufig gibt es gar keine Doktorandenprogramme, und der wissenschaftliche Nachwuchs ist somit gezwungen, sich im Ausland fortzubilden, von wo er oft nicht zurückkehrt. Walbiner, S.13. 177 AHDR 2003, dt. Kurzf., S.13. 178 Weltentwicklungsbericht 1999/2000, S. 46. 179 Arab Knowledge Report 2009, S. 185. 180 Ebd., S. 190 Table 5.3. 2002 lag im vergleich dazu, gemäß AHDR 2003, die gesamte Zahl für die MENA-Region bei 371 Wissenschaftler auf eine Million Menschen. 181 Ebd., S. 197.

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erreichte Erfolge der letzten Zeit. Nur bei einer weiteren stringenten und vor allem

konsequenten Linie in Bezug auf Investitionen, Ausbau von Forschung und

Wissenschaft und der Förderung des Humankapitals, haben die arabischen Länder eine

Zukunftschance.

4.8. Unterdrückung, Willkür und Zensur

Staatliches Handeln muss vor allem darauf ausgerichtet sein, die Wahrung der

individuellen Menschenrechte für einen Staatsbürger sicherzustellen. Hierzu

gehören nicht nur die Rechte auf Sicherheit und Unversehrtheit der Bürger, sonder

auch politische Grundrechte, wie die rechte auf freie Meinungsäußerung und auf

freie Vereinigung. (Hans-Peter Repnik, 1994)

Ein solch staatliches Handeln ist in der arabischen Welt bislang reines Wunschdenken.

Genau gesagt, die MENA-Region besticht durch das krasse Gegenteil. So gut wie alle

Staaten der Region unterdrücken die Selbstbestimmung ihrer Völker. Rechtssicherheit

ist ein Fremdwort, Meinungsfreiheit wird in der Regel nicht gewährt, Zensur ist

allgegenwärtig, politisch motivierte Verhaftungen von RegimegegnerInnen stehen auf

der Tagesordnung182 und Frauen genießen in vielen arabischen Staaten, besonders am

Golf, nicht die volle Gleichberechtigung.183

Es ist dabei unwichtig, ob es sich um Militärdiktaturen, institutionalisierte Autokratien

mit einem demokratischen Gewand oder absolutistische Königshäuser handelt.

Alle arabischen Länder haben eines gemeinsam: sie sind keine Demokratie die auf einer

säkularen, freiheitlich-parlamentarischen Grundordnung aufbaut. Menschenrechte

werden nicht respektiert.

Es muss aber hinzugefügt werden, dass der Grad an jeweiliger Repression von Land zu

Land variiert. Dies betrifft auch den Einschränkungsgrad der Meinungs- und

Pressefreiheit in den verschiedenen arabischen Ländern.

Dem Bericht der amerikanischen Forschungseinrichtung Freedom House184 zufolge, gibt

es kein einziges freies arabisches Land, kein freies arabisches Volk. 2010 waren nur

zwei arabische Staaten „zum Teil frei“ (Partly Free). Dies waren Kuwait und der

Libanon. Der Rest war „nicht frei“ (Not Free). 2009 zählten noch Jordanien, Bahrain

und der Jemen zu den „teilweise freien“ Staaten. Die Situation hat sich laut Freedom

House in diesen Ländern aber wieder verschlechtert. 2008 gehörte Ägypten noch zu den

teilweise freien Staaten, ist aber seit 2009 wieder ein „nicht freier“ Staat.185

182 Vgl. den Fall des tunesischen Journalisten Ben Brick, „Tawfik Ben Brick – Hungerstreik für die Pressefreiheit“, www.henner-kirchner.de/text/2000tbb.htm 183 AHDR 2004, dt. Kurzfassung, S. 10 f. 184 Freedom House ist eine Forschungseinrichtung mit Hauptsitz in Washington, D.C. Sie will das Konzept der liberalen Demokratie weltweit fördern und ist vor allem bekannt für den jährlichen Bericht über den Grad demokratischer Freiheiten in der Welt. Vgl. http://www.freedomhouse.org 185 Freedom House, Freedom in the World 2010, http://www.freedomhouse.org/uploads/fiw10/FIW_2010_Tables_and_Graphs.pdf

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Auch die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG)186 gibt der arabischen Welt sehr

schlechte Noten in Sachen demokratische Grundwerte. Auf der jährlich

herausgegebenen Liste der „Predators of Press Freedom“ sind für das Jahr 2009 Syrien,

Tunesien, Saudi-Arabien, Palästina, Ägypten und Libyen aufgeführt.187 Besonders

Tunesien wird dabei von ROG als extrem repressiv und zensurwütig angesehen.188

Gesellschaftspolitische Reizthemen wie Religion, Gesundheit des Staatschefs189 oder

Militär dürfen nicht behandelt und vor allem nicht kritisiert werden. Selbst wenn einige

Länder Kritik an gewissen Zuständen erlauben, so ist der Präsident, König oder General

immer tabu: „Without doubt, information control and censorship are severe in the

Middle East. Freedom of speech is restricted in almost all Arab countries.190

Hinzu kommt, dass viele JournalistInnen von vornherein eine Selbstzensur vornehmen,

um der Obrigkeit zu gefallen und den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen, um

so die Überlebenschancen zu erhöhen und nicht ins Visier der Mächtigen zu geraten.191

Es ist daher nicht verwunderlich, dass in der Rangliste der Pressefreiheit von ROG die

MENA-Region nicht auf den vorderen Plätzen der Liste zu finden ist.

Im Jahr 2009 war Kuwait (60) das bestplatzierte arabische Land, gefolgt vom Libanon

(61), den VAE (86), Katar (94), Mauretanien (100), Oman (106), Jordanien (111),

Bahrain (119), Marokko (127), Algerien (141), Ägypten (143) Irak (145), Tunesien

(154), Libyen (156), Saudi-Arabien (163), Syrien (165) und dem Jemen (167).

Insgesamt umfasst die Rangliste 175 Staaten.

Es ist noch erwähnenswert, dass Israel (als geografisches Mitglied der Region) in der

Rangliste der Pressefreiheit für 2009 zum ersten Mal hinter drei arabische Staaten

gefallen ist. Dies erklärt sich durch die ausgeprägte Zensur des israelischen Militärs und

nicht zuletzt durch den völkerrechtswidrigen Angriff auf den Gazastreifen. So wurde

ausländischen und israelischen Medien die Einreise in den Gazastreifen verwehrt.

Darüber hinaus hat Israel mehrere JournalistInnen willkürlich verhaftet (ausländische

und israelische ReporterInnen), abgeurteilt und in einigen Fällen deportiert.192 Dennoch

wird darauf aufmerksam gemacht, dass ansonsten investigativer Journalismus in Israel

möglich ist und die Medien in der Regel frei berichten können. Es ist ganz klar die

186 Reporter ohne Grenzen (ROG) wurde 1985 im südfranzösischen Montpellier von einer Hand voll Journalisten gegründet. ROG ist als Nichtregierungsorganisation international anerkannt und hat Beraterstatus beim Europarat, bei dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen sowie bei der UNESCO. Ein Netzwerk aus über 120 Korrespondenten, neun Sektionen und zwei Büros setzt sich rund um den Globus für Meinungs- und Pressefreiheit ein, recherchiert und dokumentiert Verstöße gegen dieses Menschenrecht und unterstützt verfolgte Journalisten und Medien. www.rsf.org ist die internationale Web-Adresse, www.reporter-ohne-grenzen.de ist die deutsche Web-Adresse. 187 Reporter ohne Grenzen „Feinde der Pressefreiheit“, S. 12 f. http://www.reporter-ohne-grenzen.de/fileadmin/rte/pics/Feinde/PF.pdf 188 Tunisia “The courage to inform the public”: In 20 years in power, the political stability vaunted by the president Ben Ali has not been synonymous with democratic openness. Over the past two decades, the regime has reinforced its security apparatus, giving it every method of controlling and restricting the activities of the independent press and civil society. The rhetoric of “Change” tirelessly repeated by the government, most definitely does not apply to human rights. S. 7. http://www.rsf.org/IMG/pdf/Rapport_Mission_Nov_08_GB_PDF_.pdf 189 Vgl. MEMRI Special Dispatch No. 1733: Egyptian Opposition Paper Editor Stands Trial for Article on Mubarak’s Failing Health”, 10/2007. 190 Kai Hafez „Mass Media, Politics & Society in the Middle East“, S. 4. 191 WALKING A TIGHTROPE, News Media & Freedom of Expression in the Arab Middle East.S. 14.; Vgl. Hussein Amin “Freedom as a Value in Arab Media”, S.129. Political Communication, Volume 19, Issue 2 April 2002 , pages 125 – 135. 192 Vgl. ROG „Middle East / North Africa” 20.10.2009. http://www.reporter-ohne grenzen.de/fileadmin/rte/docs/2009/NO_NA.pdf

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militärische Komponente, die für Israels Absturz in der Rangliste für Pressefreiheit

verantwortlich ist.

Im Bereich der Internet-Zensur sind die arabischen Staaten ebenfalls in der

Spitzengruppe.193

Die Tatsache, dass die arabischen Regime so gut wie jeden Aspekt des

gesellschaftlichen Lebens kontrollieren und ihre BürgerInnen wie unmündige

UntertanInnen behandeln, zieht sich wie ein roter Faden durch die MENA-Region.194

Darauf macht auch die Organisation Human Rights Watch195 aufmerksam und bezieht

sich auf das falsche Spiel mit so genannten demokratischen Wahlen in der arabischen

Welt, da sich viele arabische Staaten als Muster-Demokratien ausgeben, nur weil sie

Pseudo-Wahlen abgehalten haben. So wurden laut HRW die Wahlen auf verschiedenste

Weise gefälscht: In Jordanien z.B. durch Betrug, in Bahrain durch Kontrolle der

Wahlmaschinen, in Ägypten, Palästina, Libyen durch Behinderung oder Zermürbung

der Oppositionskandidaten, im Libanon durch politische Gewalt und in Tunesien durch

Ausübung von Druck auf Medien und Zivilgesellschaft.196

Der repressive Charakter der arabischen Welt zeigt sich am besten an der fast

unbegrenzten Macht der Exekutive im Staatssystem. Der repressive Charakter

manifestiert sich im riesigen Polizei- und Geheimdienstapparat der arabischen

Staaten.197 Dabei profitieren die Sicherheitsdienste vom „State of Emergency“198, der in

einigen Ländern der Region zum permanenten Bestandteil der Regierungsführung

geworden ist. In Ägypten gilt der Ausnahmezustand schon seit 1981, im Sudan

landesweit seit 2008, im Irak seit 2004, in Algerien seit 1992, in Palästina seit 2007 und

in Syrien sogar schon seit 1963!199

Diese jahrzehntelange Unterdrückung, Willkür und Zensur haben es vor allem einem

ungemein wichtigem Faktor für den Modernisierungsprozess, sehr schwer gemacht sich

zu entwickeln: die Zivilgesellschaft. 200

193 Die Zensur des Internets wird im späteren teil der Arbeit ausführlicher behandelt. 194 Vgl. Rainer Hermann „Die Araber und die Menschenrechte“, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.03.2006195 Human Rights Watch ist eine weltweit führende, unabhängige Nichtregierungsorganisation, die sich für den Schutz und die Verteidigung der Menschenrechte einsetzt. http://www.hrw.org/de/about 196 World Report 2008: Falsches Spiel mit Demokratie untergräbt Menschenrechte. http://www.hrw.org/de/news/2008/01/30/world-report-2008-falsches-spiel-mit-demokratie-untergr-bt-menschenrechte 197 AHDR 2004, dt. Kf. S. 14. 198 Die Ausrufung des Ausnahmezustands ist oft nur ein Vorwand, um die Grundrechte auszusetzen und die Herrschenden von den durch die Verfassung auferlegten Einschränkungen, mögen sie auch noch so schwach sein, zu befreien. Dadurch haben die staatlichen Sicherheitsbehörden weitreichende Machtbefugnisse erhalten, die sich zwar in manchen Situationen als wirksam erweisen, in anderen jedoch die Grundfreiheiten gefährden können. Diese Gesetze lassen eine Untersuchungshaft von unbestimmter Dauer zu und vermehren die Möglichkeiten zur Anwendung der Todesstrafe. Sie schränken zudem das Recht der freien Meinungsäußerung ein und erweitern die polizeilichen Durchsuchungs-, Abhör- und Festnahmebefugnisse. In einigen Fällen ermöglichen diese Gesetze die verstärkte Nutzung der Militärgerichtsbarkeit. AHDR 2009, dt. Kurzfassung, S. 7. 199 Selected data from the AHDR 2009, „The Report in Numbers“, S. 24. 200 Die Arabische Organisation für Menschenrechte fand im Zeitraum von 2006 bis 2008 in acht arabischen Staaten Beispiele dafür, dass offiziell Folter praktiziert wurde. AHDR 2009, dt. Kf., S. 7.

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Exkurs Zivilgesellschaft

Civil society generally refers to voluntary associational groupings in a society, and

the public expression of the interests, priorities, grievances, and values around

which those associations are based. In other words, people voluntarily form groups

to advance their values and interests, and engage in public life outside of the family

and the marketplace. Although commonly thought of as referring mainly to non-

governmental organisations, civil society organisations may also include advocacy

groups, interest groups, churches and religious groups, youth groups, sports groups,

and any other form of voluntary associational group. Civil society is often praised as

a space where societal diversity and pluralism can be expressed and by which

public participation in governance can be enhanced.201

Aufgrund der genannten Umstände konnte sich keine wirklich funktionierende

Zivilgesellschaft in der MENA-Region entwickeln. Es mag kleine Ansätze in einigen

Ländern geben, doch diese sind bislang so schwach ausgeprägt, dass keine säkulare

Gruppe abseits des Staates eine Oppositionsrolle voll ausfüllen kann.202

Ganz im Gegensatz zu den Islamisten, im politischen Leben vorwiegend verkörpert

durch die Muslimbrüder, die sich als islamistische Mainstream Organisation klar von

radikalen Gruppen abgrenzen. Sie sind meist die einzig wirklich anerkannte Opposition,

hauptsächlich weil sie den Nimbus der Unbestechlichkeit haben und durch die Berufung

auf den Islam einen moralischen Anspruch erheben.203

Jedoch sehen sich auch die Muslimbrüder harten Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt.

Über die Jahrzehnte haben sie aber mittlerweile ein hervorragendes Netzwerk

aufgebaut, welches sie gegen Angriffe des Staates widerstandsfähiger gemacht hat.204

Der Missstand des Mangels an Freiheit wurde unglücklicherweise noch durch das

Aufkommen des globalen Terrors begünstigt. Hatte man Ende der 1990er Jahre noch

gehofft endlich Reformen in die arabische Welt zu bringen, so hat das Argument der

Terrorbekämpfung die Menschenrechte in der gesamten MENA-Region mit Hilfe der

„Arabischen Charta gegen den Terrorismus“ noch weiter beschnitten und im Endeffekt

wesentlich zum Machterhalt der autoritären Herrscher beigetragen.205 Der Anti-Terror-

Kampf ist somit ein Vehikel für die weitere Unterdrückung der arabischen Nationen

durch ihre Alleinherrscher.

Die Charta rechtfertigt die Zensur, beschränkt den Zugang zum Internet und

behindert den Druck und die Herausgabe von Büchern. Dagegen verurteilt sie

weder Gefangenschaft oder Folter, noch hinterfragt sie explizit ihre Legalität. Die

Arabische Charta schützt ebenso wenig andere Persönlichkeitsrechte. So sind keine

201 Marina Caparini/Philipp Fluri/Ferenc Molnar: “CIVIL SOCIETY AND THE SECURITY SECTOR; Concepts and practices in new democracies. S. 10. 202 Vgl. Expertengespräch Habashi. 203 Bensahel/Byman „The Future Security Environment in the Middle East”, S. 188/189. Rainer Sollich „Muslimbrüder im Visier“, April 2008 http://de.qantara.de/webcom/show_article.php/_c-468/_nr-934/webcom/show_article.php/_c-468/_nr-924/i.html 204 Ebd. 205 Vgl. AHDR 2005, dt.Kf. S. 7.

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gerichtlichen Anordnungen notwendig, die die Überwachung von Privathaushalten

oder Gruppen legitimieren (Amnesty International)206

Dabei schlug die von UN-Generalsekretär Kofi Annan 2003 eingesetzte „Hochrangige

Gruppe für Bedrohungen, Herausforderungen und Wandel“207 im Kampf gegen den

Terror genau das Gegenteil vor:

Abschreckung, Bemühungen zur Behebung der Ursachen oder

Begünstigungsfaktoren des Terrorismus, u. a. durch die Förderung der sozialen und

politischen Rechte, der Rechtsstaatlichkeit und demokratischer Reformen,

Bemühungen um die Beendigung von Besetzungen und die Beseitigung der

größten Ursachen politischer Unzufriedenheit, Bekämpfung der organisierten

Kriminalität, Verringerung von Armut und Arbeitslosigkeit und Verhinderung des

Zusammenbruchs von Staaten. (…) Anstrengungen zur Bekämpfung von

Extremismus und Intoleranz, unter anderem durch Bildung und Aufklärung und

durch die Förderung einer öffentlichen Debatte.208

Angesichts dieser erstrebenswerten und vorbildlichen Ansätze zur Bekämpfung von

Terror, hätten sich die arabischen Führer wohl selbst abwählen müssen. Das wäre dann

wohl doch zu weit gegangen, also hat man sich lieber für eine „Arabische Charta“

entschieden, um sich so sein Fortleben und alle Pfründe als König, Präsident oder

Generalissimus sichern zu können.

Das insgesamt die menschliche Sicherheit durch das verantwortungslose Verhalten der

arabischen Eliten stark leidet, ist offensichtlich. Es wird alles getan, um auf Kosten der

Bevölkerung an der Macht zu bleiben, selbst wenn die Zukunft des Landes auf dem

Spiel steht. Verantwortungsbewusstsein scheint ein Fremdwort zu sein.

4.9. Frauenrechte

Die Familiengesetze der MENA-Region wurden bis Ende der 1990er Jahre

überwiegend von zwei im Prinzip widersprüchlichen Faktoren beeinflusst. Einerseits

wurden die traditionellen Geschlechterverhältnisse gemäß des islamischen Rechts

fortgeführt, verkörpert durch eine prinzipielle Ungleichbehandlung der Geschlechter. 209

Andererseits „modernisierten“ die meisten arabischen Nationalstaaten nach westlichem

Vorbild die Beziehungen zwischen Mann und Frau durch administrative Eingriffe.210

Zwischen 1981 und 2006 ratifizierten 16 von 19 Ländern die Konvention zur

Abschaffung der Diskriminierung gegenüber Frauen (Convention on the Elimination

of All Forms of Discrimination against Women, CEDAW), allerdings mit

Einschränkungen. Begründet wird dies mit der Unvereinbarkeit einiger Artikel mit 206Barbara Lochbihler „Menschenrechte schaffen wahre Sicherheit“ http://www.internationalepolitik.de/ip/archiv/jahrgang2004/februar04/menschenrechte-schaffen-wahre-sicherheit.html; AHDR 2003, S.4. 207 “High Level Panel on Threats, Challenges and Change”. Das 16köpfige Panel unter Vorsitz des ehemaligen thailändischen Premierministers Panyarachun bestand aus Staatschefs, Außenministern, Sicherheits- sowie Militär- und Entwicklungsexperten. Das Panel wurde eingesetzt, um Vorschläge zur Stärkung der internationalen Sicherheit zu machen. DGNV Blaue Reihe Nr. 89 Eine sichere Welt: Unsere gemeinsame Verantwortung. Vorwort. 208 DGNV Blaue Reihe Nr. 89 Eine sichere Welt: Unsere gemeinsame Verantwortung. S. 51. 209 GTZ „Frauenrechte in der arabischen Welt“, S. 13. 210 Ebd.

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dem islamischen Recht. Die wichtigsten Einschränkungen wurden bezüglich der

Rechtsgarantien „Gleichberechtigung von Frauen im Hinblick auf die

Staatsangehörigkeit ihrer Kinder“ und „Beseitigung der Diskriminierung der Frau in

Ehe- und Familienfragen“ vorgenommen. Die größte Herausforderung besteht

jedoch darin, die Rechtsgarantien in die gesellschaftliche Wirklichkeit umzusetzen.

Junge Frauen sind in der Region weiterhin hinsichtlich ihres Rechtsstatus, ihrer

Berufsbildung und Erwerbstätigkeit, ihres Einkommens und ihrer sozialen Stellung

gegenüber ihren männlichen Altersgenossen benachteiligt.211

Festzustellen ist, dass die gesetzgebenden Organe und jeweiligen Justizapparate der

MENA-Region weiterhin überwiegend patriarchalisch geprägt sind.212 Das in vielen

Ländern nicht vorhandene Recht der arabischen Frauen auf Weitergabe der

Staatsbürgerschaft an ihre Kinder, ist ein besonderes Beispiel für den patriarchalischen

und diskriminierenden Charakter vieler Gesetzgebungen.213 Es kommt hauptsächlich auf

die Haltung der jeweiligen Herrscher an. In Ländern mit aufgeklärten und dem

Fortschritt zugeneigten Herrschern, verbessert sich die Situation der Frauen fortlaufend.

So zeigt die Situation der Frauen in Marokko, Tunesien oder auch dem Oman viel

versprechende Ansätze, wohingegen das Beispiel Saudi-Arabien immer noch für eine

rückwärtsgewandte Frauenpolitik steht.214

Allgemein muss darauf hingewiesen werden, dass es sich um einen langfristigen

Prozess handelt, denn gesellschaftliche Tradition und das Gewohnheitsrecht in vielen

Ländern stehen einer echten Emanzipation der Frau in der arabischen Welt noch immer

im Weg.215

211 GTZ Dezember 2008, S. 7. 212 Vgl. GTZ „Frauenrechte in der arabischen Welt“, S. 13 f.; DGVN Informationsdienst Bevölkerung und Entwicklung Nr. 62 – März 2007, S.5.213 Mit einigen Ausnahmen können Frauen mit ausländischem Ehepartner ihre Staatsbürgerschaft nicht an ihre Kinder weitergeben; dies gilt nicht für unverheiratete Mütter bzw. sollte der Vater staatenlos sein. Frauen können nur im Jemen seit 2003 und in Ägypten seit 2004 ihre Staatsbürgerschaft weitergeben, wobei es im Jemen nur für geschiedene oder verwitwete Frauen gilt. Allerdings sind auch in einigen anderen Staaten derzeit Neuregelungen auf dem Weg, so z. B. in Jordanien oder im Libanon. Die Einschränkung führt zur Verweigerung der Registrierung der Kinder, zur Staatenlosigkeit und damit zur Verweigerung der kostenfreien Bildung und Gesundheitsfürsorge an staatlichen Einrichtungen. Als Erwachsene haben Kinder ausländischer Väter kein Recht auf kostenfreies Studium und auf Anstellung im Öffentlichen Dienst: sie gelten als Ausländer/innen. Zusätzlich ergeben sich, vor allem für geschiedene und verwitwete Frauen, schwerwiegende Einschränkungen der Mobilität, da die Kinder oft nicht über Personalpapiere verfügen. Ebenso wie ihre ausländischen Väter sind die Kinder visumspflichtig, mit dem entsprechenden finanziellen und bürokratischen Aufwand. GTZ „Frauenrechte in der arabischen Welt“, S. 28. 214 Vgl. „Ein mutiger Schritt des marokkanischen Königs“, http://de.qantara.de/webcom/show_article.php/_c-502/_nr-25/i.html; „Die weibliche Seite Arabiens“, Spiegel Online 06.12.09, http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,662858,00.html; Amnesty International, Saudi-Arabien Jahresbericht 2006 http://www.amnesty.de/umleitung/2006/deu03/118?lang=de%26mimetype%3dtext%2fhtml; „Bessere Noten für voll verschleierte Mädchen“, Spiegel Online 12.11.08, http://www.spiegel.de/schulspiegel/ausland/0,1518,589942,00.html 215 GTZ „Frauenrechte in der arabischen Welt“, S.13

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4.10. Rentierstaat-Charakter und Korruption

Die Staaten der MENA-Region sind sogenannte Rentierstaaten oder Semi-

Rentierstaaten.

Exkurs: Renten und Rentierstaat216

„Renten sind Einnahmen, denen kein entsprechender Arbeits- oder Investitionsaufwand

gegenübersteht. Man unterscheidet ökonomische und politische Renten. Ökonomische

(oder Differential-) Renten sind die Teile der Erlöse aus Privatbesitz oder Staatsbesitz,

die nach Abzug der zu Marktpreisen bewerteten Aufwendungen verbleiben und auf

besonders günstige Produktions- oder Marktbedingungen zurückgehen (z.B.

Erdölförderung im Nahen Osten, Suezkanalgebühren in Ägypten). Politische Renten

resultieren aus der Nutzbarmachung einer geostrategischen Position (z.B. die

„Frontstaatenhilfe“ der Golfstaaten an Israels arabische Nachbarstaaten; finanzielle

Hilfen an verbündete, strategisch wichtige Bündnispartner durch die westliche Welt).

Rentierstaaten sind dadurch gekennzeichnet, dass sie sich überwiegend durch Renten

finanzieren, die aus dem Ausland akquiriert werden. Diese Renten erlauben es dem

Staat trotz niedriger Steuern, einen aufgeblähten Verwaltungsapparat, ein großzügiges

Patronagesystem und ein umfangreiches Subventionssystem aufzubauen, die die

externen Einnahmen nach Gutdünken der Regierung an die Gesellschaft weiterverteilen.

Man spricht daher auch vom „Allokationsstaat“, der sich durch diese Alimentierung die

Zustimmung der Bevölkerung erkauft.

Anders als westliche Demokratien („no taxation without representation“) muss er sich

nicht durch Wahlen legitimieren („no representation without taxation“) und ist

gegenüber der Gesellschaft weitgehend autonom. Dies gilt vor allem für die Öl

fördernden Länder am Golf.

Staaten die sich nicht ausschließlich vom Erdölexport finanzieren, werden als Rent

Seeking State (Semi-Rentierstaat) bezeichnet. Darunter versteht man Staaten, in denen

der Anteil der Renten an den Staatseinnahmen nicht ganz so hoch ist wie in den

klassischen Rentierstaaten und in denen neben dem Staat auch der Gesellschaft Renten

in beträchtlicher Höhe zufließen (z.B. Gastarbeiterüberweisungen). Auch der Tourismus

wird als Rente angesehen.

(Quelle: Ashoff (1988); Beblawi / Luciani (1987); Beck et al. (1996); Schmid / Pawelka

(1990); Schmid (1990))“

Die Golfmonarchien, aber auch Libyen, Algerien und der Irak, stehen charakteristisch

für einen Rentierstaat. 217 Die restlichen arabischen Staaten sind Semi-Rentierstaaten, die

zumindest den Eigenbedarf an Ressourcen decken können und neben der Besteuerung

der Bevölkerung verstärkt auf den Tourismus als weitere Haupteinnahmequelle

setzen.218 Tunesien ist ein solches Beispiel.

216 Markus Loewe „Systeme der sozialen Sicherung in Ägypten“ 04/2000 S. 16. 217 Vgl. 20 Jahre Arabische Maghreb-Union: eine Bestandsaufnahme Konrad-Adenauer-Stiftung e.V., http://www.kas.de/wf/doc/kas_16850-1522-1-30.pdf?101025150248 218 Ebd.

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Ägypten steht für einen Semi-Rentierstaat, der aufgrund seiner geostrategischen Lage

als Schlüsselstaat angesehen wird und daher noch strategische Renten aus dem Ausland

dazu erhält.219

Allen Staaten gemeinsam ist, dass nur die Gruppe der totalitär herrschenden

Führungsschicht die Kontrolle über die Einnahmen hat.220 Über subventionierte

Grundnahrungsmittel und Konsumgüter wie z. B. Brot, Zucker, Tee oder Benzin, und

massive Wohlfahrtsleistungen, wie z. B. einer kostenlosen medizinischen Behandlung

in Kuwait, wird eine materielle Legitimität erkauft.221 Damit soll das politische

Aufbegehren der Bevölkerung neutralisiert werden. Darüber hinaus wird massiv in die

Sicherheitsdienste investiert. Ein großer Geheimdienstapparat, die Unterdrückung,

Verfolgung von Oppositionellen und die Kontrolle der Medien sind das Ergebnis.222

Diese neopatrimonialen Beziehungsmuster sind jedoch sehr problematisch und

kostspielig, denn der Rentierstaat ist, wie man es in den letzten Jahrzehnten beobachten

konnte, ein wirtschaftlich instabiles System, welches vom Erdöl- und Erdgaspreis

abhängig ist.223 Sinkende Einnahmen aus dem Erdölgeschäft sorgten wieder für eine

wachsende Armut, da in Krisenzeiten die unteren Bevölkerungsschichten vom

Verteilungsprozess ausgeschlossen werden.224

Viele Semi-Rentierstaaten haben gezwungenermaßen seit den 1980er Jahren,

Anstrengungen unternommen, ihre Wirtschaft zu diversifizieren.225

Doch eine wirklich nachhaltige und produktive Wirtschaftsstruktur, vergleichbar mit

der EU oder Ostasien, hat sich in der MENA-Region noch nicht etablieren können.

Zumindest haben aber Staaten wie Tunesien oder Jordanien Strukturanpassungen

durchgeführt und den schwachen Privatsektor ausgebaut.226

Mangelnde individuelle Freiheiten, Transparenz und Chancengleichheit gekoppelt mit

dem Bevölkerungswachstum und einer hohen Arbeitslosigkeit stellen die Länder weiter

vor große Probleme und brachten den Herrschenden einen Legitimationsverlust.

Trotzdem hatten die hundertprozentigen Rentierstaaten wie Saudi-Arabien oder Kuwait,

wenig Anreize zu nachhaltigen Wirtschaftsreformen. Der stark angestiegene Ölpreis der

letzten Jahre lieferte den Königshäusern am Golf wieder einen Vorwand zum

Nichthandeln.227

Der AHDR 2004 macht insgesamt deutlich, dass eine auf Rentiersmentalität beruhende

Produktionsweise eine autoritäre Regierungsführung begünstigt.228

219 Im Jahr 2005 leistete die USA 531 Mio. Dollar wirtschaftliche Entwicklungshilfe und 1.290 Mio. Dollar militärische Hilfe an Ägypten. Die EU leistete dazu im Vergleich für die Jahre 2005 und 2006 243 Mio. Euro wirtschaftliche Entwicklungshilfe. Jennifer Mansey „US-Demokratieförderung, politische Rechte und gesellschaftliche Opposition in Ägypten“, Deutsches Institut für Entwicklungspolitik, 08/2006, S. 3. 220 Vgl. El Masry, Ingrid: Die arabische Region im Challenge neoliberaler Globalisierungspolitik, Kasseler Schriften zur Friedenspolitik Bd. 8, Kassel 2003, S. 55-68, S.64. 221 Schlumberger, „Staatlichkeit und Governance im Vorderen Orient“, S.1, d-i-e 04/2007 222 Vgl. Schlumberger, S. 2 223 Schlumberger, S. 2 224 Ebd. 225 Vgl. Schlumberger S.2 226 Vgl. MENA-Region : der Nahe Osten und Nordafrika ; zwischen Bilateralismus, Regionalismus und Globalisierung / Andre Gärber. Bonn, 1999. Friedrich-Ebert-Stiftung. Kapitel: Interne Reformen und Strukturanpassungen. http://library.fes.de/fulltext/stabsabteilung/00834.htm#E9E7 227 Vgl. Schlumberger S.2 228 AHDR 2004, dt. Kf., S. 17. Vgl. Ingrid El Masry , „Von der Rentenökonomie zur Wissensgesellschaft“ 12/2003 http://www.inwent.org/E+Z/content/archiv-ger/12-2003/trib_art2.html

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Das zweite überragende wirtschaftliche Problem der MENA-Region ist die massive

Korruption. Diese hat, wie Peter Heine beschreibt, eine lange Tradition im Orient.229

Transparency International Deutschland (TI)230 definiert Korruption als Missbrauch von

anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil.

Es ist offensichtlich, dass Korruption die wirtschaftliche Erholung eines Landes

gefährdet. Dies gilt besonders für Länder in Konfliktregionen.

Korruption begünstigt schwindendes Vertrauen in staatliche Institutionen und kann zu

instabilen Verhältnissen führen. Vor allem in Ländern, deren staatliche Strukturen durch

dauerhafte Konflikte zerrüttet worden ist, gerät Korruption außer Kontrolle und stärkt

die Plünderung von öffentlichen Ressourcen sowie Unsicherheit und Willkür, wie TI

feststellt. Man kann dies klar in Ländern wie dem Irak, oder dem Sudan beobachten.

Solide politische Institutionen und politische Stabilität sind dagegen ein Zeichen für

geringe Korruption.231 Die Mittel zur Bekämpfung sind klar:

Um Korruption wirkungsvoll zu bekämpfen, bedarf es einer starken

parlamentarischen Kontrolle, eines effizienten Justizsystems, unabhängiger und gut

ausgestatteter Prüfungseinrichtungen und Antikorruptionsbehörden, starker

Strafverfolgungsbehörden, Transparenz bei der Vergabe von öffentlichen Mitteln

und Mitteln für die Entwicklungszusammenarbeit und natürlich auch genug Raum für

eine unabhängige Presse und aktive Zivilgesellschaft. (Huguette Labelle /

Vorsitzende vonTI)232

Leider zeigen die meisten arabischen Führer bislang aber nicht den nötigen Willen und

die nötige Konsequenz beim Kampf gegen Korruption, wie die Rangliste des

Korruptionswahrnehmungsindex 2009 verdeutlicht.

Die kleinen Golfstaaten mit Jordanien schneiden am besten ab: Katar (22/7,0)233, die

VAE (30/6,5), Oman (39/5,5), Bahrain (46/5,1) und Jordanien (49/5,0) befinden sich

unter den Top 50 der am wenigsten korrupten Staaten. Diese Länder haben alle

mindestens einen Wert von 5,0 oder mehr. Mit 7,0 ist der CPI-Wert von Katar

hervorzuheben, das kleine Golfemirat lässt 2009 mit Frankreich (24/6,9), Spanien

(32/6,1) und Portugal (35/5,8) sogar drei EU-Mitglieder hinter sich. Auch die VAE

liegen noch vor Spanien und Portugal.

Alle anderen arabischen Staaten weisen klar weniger als 5,0 Punkte auf, was für einen

hohen Korruptionsgrad steht:

229 Peter Heine „Konflikt der Kulturen oder Feinbild Islam“ 1996, S. 106. 230 Die Antikorruptionsorganisation Transparency International (TI)veröffentlicht jährlich den Korruptionswahrnehmungsindex (CPI). Der CPI misst den Grad der bei Beamten und Politikern wahrgenommenen Korruption. Es ist ein sogenannter zusammengesetzter Index, der sich auf verschiedene Experten- und Managerumfragen stützt. Gemessen wird mit einer Skala von 0 (als sehr korrupt wahrgenommen) bis 10 Punkten (als wenig korrupt wahrgenommen). 2009 wurden 180 Länder untersucht. http://www.transparency.de/Pressemitteilung-Transparency.1524.0.html 231 Pressemitteilung TI 17.11.2009, http://www.transparency.de/Pressemitteilung-Transparency.1525.0.html232 Ebd. 233 Die erste Zahl in Klammern steht für die Ranglistenposition, die zweite Zahl benennt den CPI-Wert. TI-Korruptionswahrnehmungsindex (CPI), http://www.transparency.de/Tabellarisches-Ranking.1526.0.html

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Saudi-Arabien (63/4,3), Tunesien (65/4,2), Kuwait (66/4,1), Marokko (89/3,3), Algerien

(111/2,8), Ägypten (111/2,8), Syrien (126/2,6), Libanon (130/2,5), Libyen (130/2,5),

Mauretanien (130/2,5), Jemen (154/2,1), Irak (176/1,5), Sudan (176/1,5).

Insgesamt wurden 180 Länder untersucht.

Es bleibt anzumerken, dass massive Investitionen in Bildung, Infrastruktur und

Entwicklung von neuen Technologien, wie es die ostasiatischen Staaten in den letzten

Jahrzehnten getan haben und momentan China eindrucksvoll zeigt234, in der arabischen

Welt zum großen Teil nicht zu beobachten sind. Ausnahmen sind hierbei die kleinen

Golfstaaten Bahrain, Katar235 oder die VAE. Bei diesen Volkswirtschaften handelt es

sich aber um sehr kleine Bevölkerungszahlen236, die im Gegensatz zu den

bevölkerungsreichen Ländern der MENA-Region, ganz einfach bessere

Ausgangssituationen besitzen.

Sie haben das Glück, als kleine Gesellschaften mit für ihre Verhältnisse großen

Reserven an Ressourcen ausgestattet zu sein, sodass sie hohe Investitionen in

Infrastruktur und Bildungseinrichtungen tätigen können.237

Insgesamt gesehen lassen sich die Entwicklungsperspektiven der Region aufgrund der

Rentiersmentalität238 und Korruption, nicht sehr optimistisch betrachten. Die in weiten

Teilen der arabischen Welt fehlende private Wissenschaftsförderung239, die geringe Zahl

an direkten Auslandsinvestitionen und der Mangel an marktwirtschaftlichen

Regelungsprinzipien, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind weitere Hemmnisse bei

der Modernisierung der Wirtschaftssysteme.240

4.11. Fundamentalismus in der arabischen Welt

Die Islamisierung, bzw. der Fundamentalismus ist in der arabischen Welt ist eine

Jugendbewegung. Die verstärkte Zuwendung zur Religion ist Ausdruck eines

Generationenkonflikts, der aufgrund der beschriebenen Ermangelung freier

Kritikmöglichkeiten nicht auf andere Weise ausgetragen werden kann.241

Gerade weil die Jugend immer neo-konservativer wird, ist diese Bewegung besonders

aufmüpfig. Das Bedürfnis der jungen Generation nach klaren, eindeutigen

Lebensentwürfen, nach Prinzipien, die in Zeiten der Unsicherheit und gefühlten

Unterdrückung wieder ein Selbstwertgefühl zu geben vermögen, ist offensichtlich und

in allen Teilen der Gesellschaft mittlerweile zu erkennen. 242

Interessanterweise sind es nicht die armen Massen, die von der Islamisierung stark in

den Bann gezogen werden. Es ist die relativ gut ausgebildete junge Generation, die aus

der immer stärker schwindenden Mittelschicht stammt. Hinzu kommt die Rückkehr 234 Vgl. „Zug um Zug“, Berliner Zeitung , 04.01.2010, S. 13. 235 Vgl. „Die Zukunftsstrategie der Scheichs“ 22.11.2009, www.tagesschau.de/katar118.html 236 Katar hat nur 833 285 und Bahrain nur 728 709 Einwohner. Das sind im Vergleich zu dem bevölkerungsreichsten Staat Ägypten, mit rund 80 Millionen Menschen, paradiesische Zustände. Selbst die VAE mit rund 4,8 Millionen Menschen sind überschaubar. Vgl. CIA-Worldfactbook. 237 Vgl. Karin Leukefeld "Quelle der Bildung finanziert Reform“ Frankfurter Rundschau 13.06.2008; V. Goeritz „Grips mit Erdgas fördern“, FOCUS 26.04.2009 http://www.focus.de/fotos/etwa-1-7-milliarden-euro-investiert-katar-jaehrlich-in-bildung-2-8_mid_463939.html 238 Vgl. Heiko Flottau „Oase der Schläfrigkeit“ (Kuwait), Süddeutsche Zeitung 7./8. Juli 2007, S.10. 239 Walbiner, S. 15. 240 Lediglich 5 % der weltweiten ausländischen Direktinvestitionen wurden 2006/2007 in der arabischen Welt investiert. Juliane Brach „Entwicklung ohne ausländische Direktinvestitionen?“, GIGA Nr. 9, 2008. http://www.giga-hamburg.de/dl/download.php?d=/content/publikationen/pdf/gf_nahost_0809.pdf 241 Tilman Seidensticker “Demokratie und Menschenrechte in den arabischen Ländern”, S.12. 242 Tilman Seidensticker “Demokratie und Menschenrechte in den arabischen Ländern”, S.12.

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ehemaliger Gastarbeiter aus den Golfstaaten, die einen puritanischen, erzkonservativen

Islam wahhabitischer Prägung übernommen haben.243

Diese Entwicklung ist durch die offenkundige Misswirtschaft und Korruption der

herrschenden Eliten begünstigt worden. Die staatsnahen Religionsgelehrten haben viel

an Ansehen und Respekt verloren, da sie vom Volk im Laufe der Jahre oft nur noch als

willfährige Lakaien der Herrscher angesehen werden. Dies ist ein dafür Grund, warum

radikale Prediger in privaten Moscheen einen großen Zulauf fanden. Sie sprachen genau

die Themen an, die die Normalbevölkerung ohne Privilegien bewegen.244

Die Tatsache, dass der Islam keine dem Christentum vergleichbare kirchliche Struktur

besitzt, hat ebenfalls zu dieser Entwicklung beigetragen.245 Diesen Aspekt zusammen

mit dem Mangel an Bildung führt Abdelwahab Meddeb als überzeugenden Grund für

dieses Phänomen an:

Wie jeder weiß, gibt es im Islam keine Institution zur Legitimation der Autorität. In

der Tradition war jedoch der Zugang zum Buchstaben des Koran streng bewacht:

Man musste bestimmte Bedingungen erfüllen, damit man ihn zum Sprechen bringen

und in seinem Namen sprechen durfte. (…) Infolge von demographischer

Entwicklung und Demokratisierung haben sich jedoch die Halbgebildeten vermehrt,

somit sind die Personen, die einen Zugriff auf die Schrift für sich in Anspruch

nehmen, sehr viel zahlreicher geworden; mit ihrer Zahl wächst auch die

Radikalität.246

Auch das Scheitern der großen arabischen Ideologien und Systeme wird für die

wachsende Islamisierung verantwortlich gemacht. Egal ob Panarabismus,

Nationalismus oder arabischer Sozialismus, alle säkularen Ideologien sind in der

arabischen Welt gescheitert.

Abschließend bleibt zu erwähnen, dass Fundamentalismus keine explizit islamische

Problematik ist.247 Es sind die gesellschaftlich, traditionell-kulturellen Rahmenbe-

dingungen, die das Klima der jeweiligen Interpretation einer Religion bestimmen.

Insgesamt ist die Bandbreite der Islamisierung breit gefächert. Von einem Pop-Islam für

die jeweilige Ober- und Mittelschicht, bedient von Predigern wie Amr Khaled248, über

eine mystische Versenkung bis hin zur politischen und gewaltbereiten Radikalisierung

ist mittlerweile eine Reihe von verschieden Facetten der Islamisierung zu beobachten.

243 Ebd. 244 Peter Heine „Terror in Allahs Namen“, S. 84. 245 Vgl. Krämer, „Geschichte des Islam“, S. 98 f. 246 Abdelwahab Meddeb „Die Krankheit des Islam“, S. 11. 247 Vgl. Peter Heine „Konflikt der Kulturen oder Feindbild Islam“, S. 146. 248 Amr Khaled, geb. 5. Sept. 1967 in Alexandria/Ägypten, ist einer der populärsten Fernsehprediger der islamischen Welt. Vgl. Encyclopædia Britannica: http://www.britannica.com/EBchecked/topic/1240840/Amr-Khaled; http://www.swr.de/islam/-/id=1550052/nid=1550052/did=1664808/1qysa5r/index.html Vgl. Expertengespräch Albrecht Hofheinz.

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5. Das Satelliten-Fernsehen in der arabischen Welt

Überall in der arabischen Welt sind Satellitenschüsseln auf den Dächern zu sehen,

und selbst wenn man keine Schüssel hat, dann geht man eben ins nächste Cafe mit

Satellitenfernsehen-Anschluss.249

Im Zeitalter von Satellitenschüsseln und Internet ist die Kontrolle der arabischen

Regimes schwieriger geworden. Durch die Privatisierung des Medienbereichs in der

MENA-Region und dem Aufkommen transnationaler Satellitensender, ist das staatliche

Monopol bei Radio und vor allem Fernsehen aufgebrochen worden. Die arabische TV-

Landschaft besitzt nun ein facettenreiches Angebot.

Neue Sendeformate sorgen für einen pluralistischen Ansatz und einen noch nie da

gewesen Austausch unterschiedlicher Meinungen.250

Bevor das arabische Satelliten-TV zum Gegenstand der Betrachtung wird, folgt nun ein

Überblick über die allgemeine Geschichte des Satellitenfernsehens.

5.1. Die technische Entwicklung des Satellitenfernsehens251

„1957 fliegt mit dem russischen Sputnik der erste Satellit überhaupt im Weltall und

erschüttert das über Jahrzehnte gewachsene Bild des amerikanischen

Technologievorsprungs. Zwei Jahre nach Sputnik werden 1959 erstmals Fernsehbilder

mit dem russischen Lunik III übertragen. 1962 gelingt es den Amerikanern mit Telstar

Live-Bilder der amerikanischen Flagge über den Atlantik nach Europa zu senden. Ein

Jahr später werden mit dem Satelliten Syncom bei der Stationierung erste Experimente

249 Zitat Karim El-Gawhary , Expertengespräch El-Gawhary 250 Jochen Müller in “Aus arabischen Medien – Gesellschaftskritische Stimmen im Nahen und Mittleren Osten“, MEMRI Januar 2005, S. 3-6. 251 Gerfried Kröger “Digitales Satellitenfernsehen in den USA” 1997, S. 19.

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mit den Vorhersagen Clarkes252 gemacht, was mit Syncom II zum Erfolg führt: Der erste

so genannte Geostationäre Satellit umkreist die Erde. Über ihn werden 1964 die

Olympischen Spiele in alle Welt übertragen und machen sie zu einem

kontinentverbindenden Ereignis. Da sich die Satellitenkommunikation nicht genau an

geografische Grenzen hält und damit länderübergreifende Frage ist, gründet sich 1965

das Satellitenkonsortium Intelsat mit 14 Ländern und dem Ziel, ein internationales

Satellitenkommunikationssystem aufzubauen und zu betreiben, das den politischen,

wirtschaftlichen und telekommunikationstechnischen Interessen der Mitgliedsstaaten

gerecht wird. Noch im selben Jahr stationiert man mit Intel I den ersten Satelliten.

Inzwischen hat die Organisation weit über 130 Mitglieder und bringt die siebte Intelsat-

Generation in die Umlaufbahn. Andere Konsortien mit regionalem Fokus wie Eutelsat

für Europa (1983) oder Arabsat für arabische Staaten (1985) folgen, um Eigeninteressen

und Wünsche besser durchsetzen zu können“.253

5.2. Die Geschichte des arabischen Satellitenfernsehens

Arab satellites have done probably for the Arab world more than any organized

critical movement could have done, in opening up the public space, in giving Arab

citizens a newly found opportunity to assert themselves.254

Allgemein begann das Fernsehen seinen Siegeszug in der MENA-Region in den 1950er

Jahren als Folge der Unabhängigkeiten der jeweiligen arabischen Staaten. Pioniere in

der Einführung des Fernsehens waren Marokko (1954) und der Irak (1954).255

Bis zur Liberalisierung und dem damit aufblühenden arabischen Satellitenfernsehen in

den 1990er Jahren, war Regierungskritik und freier Meinungsaustausch über politische

Themen ein Tabu. 256 Das Programm der arabischen Staatssender bestand hauptsächlich

aus einer Hofberichterstattung, die sich durch Zensur und Selbstzensur

charakterisierte.257 Die nationalen Sender waren als Propagandaanstalten der arabischen

Führungseliten bekannt.258 Ende der 1980er, Anfang der 1990er Jahre begann; durch die

technologische Weiterentwicklung und durch die Erkenntnis der Notwendigkeit eigener

arabischer Satellitensender; der Siegeszug des digitalen arabischen Fernsehens.

Auslöser war u. a., die erkannte Abhängigkeit und Sprachbarriere von ausländischen

Sendern während des 2. Golfkrieges 1991259. CNN war damals das alles überstrahlende

Medium.260 Ein anderer Hauptgrund war die Zensur bedingte Abwanderung arabischer

ZuschauerInnen zu ausländischen Sendern. Bis zum Jahr 2000 wurden etwa 115

Satellitensender gestartet.261

252 Arthur C. Clarke gilt als der Vordenker der Satellitenkommunikation, der bereits 1945 in einem Artikel in Wireless World Überlegungen über ein aktives Relais im Weltraum anstellt, das zur Übertragung von Informationen und Daten über große Distanzen dienen kann. Gerfried Kröger “Digitales Satellitenfernsehen in den USA” 1997, S. 19. 253 Gerfried Kröger “Digitales Satellitenfernsehen in den USA” 1997, S. 19. 254 Saad Eddin Ibrahim (2004) in “Voices of the New Arab Public”, S. 29. 255Muhammad I. Ayish “Arab World Televison in the Age of Globalisation”, S. 26 und S. 100. 256 Sonja Lindenberg „Al Jazeera“, 2006, S. 40/41. 257 Ebd. 258 Vgl. Ayish, S. 30. 259 Vgl. Ayish S.33 260 Vgl. Lindenberg, S. 44., S.51, Al-Mikhlafy S. 30 f. 261 Al-Mikhlafy, S.33

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Zunächst war die Entwicklung durch staatliche Sender wie der Egyptian Satellite

Channel ESC, der im Dezember 1990 auf Sendung ging, geprägt.262 Die anderen

arabischen Länder folgten daraufhin. Ziel war, dass jedes arabische Land mindestens

ein eigenes Satellitenprogramm besitzen sollte. Die staatlichen Satellitensender besitzen

eine hohe Ähnlichkeit untereinander. 263 Das allgemeine Programm besteht meistens aus

einer Mischung von Nachrichten, Unterhaltung, Sport, Kultur und politischen Themen.

Die politischen Inhalte bestehen dabei größtenteils aus lokalen, nationalen Themen, die

das Interesse des jeweiligen Staates widerspiegeln264. Die Liberalisierung des arabischen

Satellitenfernsehens machte sich bis Mitte, Ende der 1990er Jahre hauptsächlich durch

die quantitative Zunahme der Sender bemerkbar. Kritik und Meinungsfreiheit stehen bei

diesen Sendern nicht oben auf der Agenda.265 Dies hat seine Gründe in der immer noch

hohen Anzahl von politischen und finanziellen Hürden. Daher nehmen diese Sender

Abstand von kritischer Betrachtung, um ihre wirtschaftlichen Ziele nicht zu gefährden.

Sie konzentrieren sich daher auf Unterhaltung und nichtpolitische Themen.

Darüber hinaus hat dies auch quotentechnische Gründe.266

Kritischer Journalismus kommt erst mit dem Aufkommen reiner Nachrichtensatelliten-

sender auf. Diese gehören zwar wiederum zum Teil oder auch gänzlich dem jeweiligen

Staat, der sie finanziert. Der große Unterschied jedoch, ist die für arabische Verhältnisse

noch nie da gewesene und ungewohnte redaktionelle Unabhängigkeit. Sie stehen seit

Ende der 1990er Jahre für eine weitestgehende seriöse Alternative zum herkömmlichen

Staats-TV.267

Nur im weitesten Sinne kann man diese Sender mit den öffentlich-rechtlichen Sendern

in Europa vergleichen. Die Abhängigkeit vom jeweiligen Finanzier ist sehr groß und im

Detail mit öffentlich-rechtlichen Sendern wie der ARD in Deutschland nicht

vergleichbar.

„Worauf basiert denn z. B. Al Jazeera? Wer finanziert uns? Der Emir finanziert uns.“268

In der Regel werden sensible Themen, die den Eigentümer oder den Staat des

Eigentümers betreffen, nicht behandelt.269 Für alle anderen Länder, über die berichtet

wird, gilt aber eine relativ freie Berichterstattung, die bisher in der arabischen Welt

noch nie existierte. Das bekannteste Beispiel für diese Art von Fernsehprogramm, ist

der Sender Al Jazeera, der in Doha/Katar sitzt und vom dortigen Emir zum großen Teil

finanziert wird.270

262 Al-Mikhlafy „Al Jazeera“, 2006, S. 34, Ayish S. 33. 263 Ebd. S. 34, Vgl. Ayish S. 31 f., Lindenberg S. 41 f. 264 Al-Mikhlafy, S. 34 265 Al-Mikhlafy, S.35 266 Ebd. 267 Al-Mikhlafy, S. 37. 268 Der Emir von Katar, Shaikh Hamad bin-Khalifa al-Thani, gründete im November 1996 Al Jazeera. Das Zitat stammt von Aktham Suliman, Al Jazeera Korrespondent in Berlin, Expertengespräch Aktham Suliman. 269 Vgl. „Arab Media and Interstate Conflict: Qatar vs. Saudi Arabia”, in “(UN)CIVIL WAR OF WORDS, Media and Politics in the Arab World”, Mamoun Fandy 2007, S. 39f. 270 Vgl. ebd., S. 57 f.

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5.3. Art und Anzahl der Satelliten-Sender

We can answer this by saying that the new element in Arab media is competition.

The effects of competition began to be felt in the late 1990s, when an increasing

number of new channels entered the scene. These were "new" in the sense that

they introduced new forms of content. New content came from stations such as Al

Jazeera, Abu Dhabi TV, Al-Manar, Dream TV and others.271

Laut Arab Advisors Group272 ist die Zahl arabischer Satellitensender in den letzten

Jahren stetig gestiegen. So betrug alleine das Wachstum bezüglich der Sender zwischen

August 2007 und März 2009 28,1%. Im März 2009 wurde damit die Zahl von 474

Satellitenprogrammen gezählt, die entweder über Arabsat, Nilesat oder Noorsat

ausgestrahlt werden. 46 Sender von den 474 befanden sich in einem Testmodus. 273

82,7% der 428 in Betrieb stehenden Sender strahlen ihr Programm exklusiv auf

Arabisch aus. 7,2% der Satellitenprogramme senden auf Englisch. 46,5% aller

Vollprogramme haben ihr Hauptquartier in den Golfstaaten, davon alleine 18,5% in

Saudi-Arabien. Aus Nordafrika und der Levante senden 22,9% und 19,9%. Insgesamt

sind 72,4% der Sender in Privatbesitz, 26,6% sind in Staatsbesitz.274

Die arabischen Fernsehsender können in folgende Kategorien eingeteilt werden275:

1. Sender mit einem Schwerpunkt in der aktuellen Berichterstattung

2. Sender mit ausgewogener aktueller Berichterstattung

3. Sender mit überwiegender Zweitverwertung im Nachrichtenbereich

4. Sender mit „Hofberichterstattung“ / Staatssender

5. Sender mit geringem Nachrichtenwert

Al Jazeera, Al Arabiya und auch Al Manar aus dem Libanon sind Sender, deren

Hauptaugenmerk auf die aktuelle Berichterstattung gerichtet ist.

Sie besitzen eine große Nachrichtenredaktion und haben ein Welt umspannendes

Korrespondenten-Netzwerk zur Verfügung. Zusätzlich zu der ausführlichen, aktuellen

Berichterstattung sind auch Magazine zu Politik, Wirtschaft und Soziales zu sehen.276

FutureTV steht, wie die meisten anderen Sender aus dem Libanon, für eine

ausgewogene Berichterstattung. Es gibt tägliche Nachrichtensendungen und

regelmäßige TV-Magazine. Bei diesen Sendern wird auch Wert auf die Online-Präsenz

gelegt.277

271

Naomi Sakr, Statement at the World Electronic Media Forum Geneva 2003 “Specialist , media and development in the Middle East”. 272

Arab Advisors Group, a member of the Arab Jordan Investment Bank Group, is a specialized research, analysis and consulting company focused on the communications, media, technology and financial markets throughout the Arab World (MENA) region. Arab Advisors Group scope of services include providing primary research based analysis, market sizing forecasting, the competitive landscape, the regulatory landscape, market research, technology developments, market opportunity and risk assessments. http://www.arabadvisors.com/. 273

News Release, June 11, 2009. http://www.arabadvisors.com/Pressers/presser-120609.htm. 274 Ebd. 275 Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Würtenberg, Arabische Medien, www.verfassungsschutz-bw.de/kgi/islam_medien_arab-med_tv.htm 276 Al-Mikhlafi, S. 40 f. 277

Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Würtenberg, Arabische Medien, www.verfassungsschutz-bw.de/kgi/islam_medien_arab-med_tv.htm.

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Die klassischen Staatssender sind weiterhin die Hofberichterstatter der herrschenden

Eliten, d. h. sie werden zensiert und die Inhalte drehen sich in der Regel nur um die

Regierung. Daneben gibt es noch Sender wie Sudan TV, die sich überwiegend mit der

Zweitverwertung von Nachrichtenmaterial beschäftigen.278

MTV Lebanon ist das beste Beispiel für einen Sender mit geringem Nachrichtenwert.

Die Redaktionen sind aufgrund ihrer geringen Größe auf Fremdmaterial angewiesen. Es

wird allgemein kein Wert auf qualitative Information gelegt, es geht hauptsächlich um

Unterhaltung.279

Abschließend kann festgestellt werden, dass das Satellitenfernsehen ein Massenmedium

in der MENA-Region ist, welches im Vergleich zum Internet ganz klar eine größere

Reichweite hat.

278 Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Würtenberg, Arabische Medien, www.verfassungsschutz-bw.de/kgi/islam_medien_arab-med_tv.htm 279 Ebd., vgl. Al-Mikhlafi, S. 38 f..

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6. Das Internet in der arabischen Welt

Quelle: http://www.chrisharrison.net/projects/InternetMap/index.html (2007)

Die Internet-Weltkarte von Chris Harrison verbildlicht die Regionen mit der intensiv-

sten Nutzung, bzw. die Regionen mit der besten Internet-Infrastruktur.

Der westliche Boom des Breitband-Internets ist durch fehlende Infrastruktur in der

arabischen Welt nicht vorhanden. Anhand der Internet-Karte von Chris Harrison ist dies

gut zu sehen. Der Mangel an schneller Technik und ein relativ schlechter Zugang zum

Internet in Gebieten außerhalb der arabischen Ballungsräume, ist ein wichtiger Aspekt.

6.1. Die Entstehung des Internets

Zunächst kann unterschieden werden zwischen Internet und World Wide Web. Internet

bedeutet ursprünglich ein weltweites Netzwerk aus Rechnern und Übertrag-

ungssystemen. 1969 entstand mit dem ARPANET der Vorläufer des heutigen Internets.

Das Netzwerk der Advanced Research Project Agency (ARPA) war ein System zur

Verbreitung von Informationen zwischen militärischen Einrichtungen, Universitäten

und Forschungseinrichtungen.280

Anfang der 1980er Jahre wurde durch die Adaption von TCP/IP das Internet einer

breiten Masse zugänglich gemacht. TCP/IP ist ein Standard für die Adressierung von

Computern und digitalem Datenaustausch, der über die bestehenden Telefonleitungen

genutzt werden kann. Das Internet bestand hauptsächlich aus Diensten wie Newsgroups,

Gopher und FTP, bis Anfang der 90er Jahre mit der Weiterentwicklung des HTTP

(Hyptertext Transfer Protocol) das World Wide Web281 in seiner heutigen Form

ermöglicht wurde.282 Dieser heute praktisch synonyme Begriff fürs Internet (daher auch

synonym benutzt) hat die übrigen Dienste weitgehend verdrängt. Hierdurch wurde eine

multimediale Informationsplattform geschaffen, deren Verbreitung so stark geworden

ist, dass der weltweite Einfluss mit Entwicklungen wie dem Telefon, dem Fernseher

oder dem Auto vergleichbar ist, jedoch viel schneller geschah.283

280 Kristian Köhntopp „Die Netzrevolution“, S. 21. 281 Als „Vater“ des World Wide Web gilt Tim Berners-Lee, entwickelt am europäischen Kernforschungszentrum für Teilchenphysik CERN in Genf. Vgl. „Wie Tim Berners-Lee das Web erfand“ http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,610257,00.html. 282Herbert Matis „Die Wundermaschine“, S. 310. 283 Matis, S.310 f., Köhntopp., S.21 f.

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Ende 1995 hatten weltweit ca. 25 Millionen Menschen Zugang zum Internet, Anfang

2001 waren es rund 361 Millionen. 2009 sind es laut Internet World Stats 1,733,993,741

Milliarden Menschen, was bedeutet, dass 25,6% der Weltbevölkerung Online geht.284

Nordamerika (74,2%), Ozeanien/Australien (60,4) und Europa (52,0%) haben dabei,

anteilig an ihrer Gesamtbevölkerung die höchste Internet-Penetrationsrate. Dies ist gut

ersichtlich anhand der Internet-Karte von Chris Harrison.285 Japan (75,5%) und

Südkorea (77,3%) alleine betrachtet, haben eine noch höhere Rate.286

6.2. Die Entwicklung des Internets in der arabischen Welt

Während das Fernsehen von seiner Kommunikationsstruktur her als Einbahnstraße

zu beschreiben ist; die Informationen bewegen sich unidirektional ausschließlich von

der programmmächtigen Institution der Sendeanstalt zum passiven

Fernsehkonsumenten; ist das Internet ein interaktives und multidirektionales

Medium. Jeder Empfänger ist selbst ein potentieller Sender.287

Der Gesichtspunkt der Interaktivität ist das besondere Merkmal des Internets. Dies

macht es gerade für eine Region wie der arabischen so interessant:

Nach einem zögerlichen Start wächst die Benutzung des Internets in der arabischen

Welt rasch an. Als das Internet Mitte der neunziger Jahre in der Region seinen Einzug

hielt, traf es auf starken Widerstand undemokratischer Regierungen und konservativer

politischer und sozialer Gruppen. Die Hauptgründe für die Opposition gegen das

Internet und den Versuch, es zu kontrollieren, waren politische und soziale. Politisch,

weil die großen autokratischen Regime befürchteten, ihre Staatsangehörigen könnten

Zugang zu Informationen über das wahre politische Geschehen bekommen und neuen

Ideen ausgesetzt werden. Vor dem Aufkommen des Internets waren die Regierungen in

der Lage, solchen Zugang zu kontrollieren und zu zensieren. Aber die Ängste der

sozialen konservativen Gruppen waren nicht weniger bedeutsam. Sie wollten nicht, dass

Individuen (besonders Frauen und Jugendliche) neuen westlichen Werten, Haltungen

und Verhaltensweisen ausgesetzt werden, die als unmoralisch und korrupt gelten. Vor

der Einführung des Internets hatten Frauen und Jugendliche kaum unabhängigen

Zugang zur Außenwelt, ihr Verhalten wurde stets von der Familie kontrolliert. 288

Nach anfänglichem Widerstand gegen die Einführung und Nutzung des World Wide

Web, wurde schließlich erkannt, dass es sich um eine revolutionäre Technologie

handelt, die man im globalen Kontext nicht mehr verbieten kann.289

Bis zum Jahre 2000 wurde dann so gut wie in der ganzen Region ein öffentlicher

Zugang zum Internet gewährt.290 Einige Länder taten dies relativ schnell und ohne

Beschränkungen, andere zögerten lange und stimmten nur unter Auflage umfangreicher

284 http://www.internetworldstats.com/stats.htm. (Juli 2009) 285 Ebd. 286 Ebd. 287 Mike Sandbothe in „Mythos Internet“, S.66. 288 Musa Shteiwi „Arabische Frauen und das Internet“, http://de.qantara.de/webcom/show_article.php/_c-502/_nr-13/_p-1/i.html 289 Vgl. Ahmed El Gody, in „New Media and the New Middle East”, S. 213. 290 Albrecht Hofheinz „Das Internet im Prozeß der Veränderung der Wertehorizonte arabischer Gesellschaften“, www.uio.no/studier/emner/hf/ikos/ARA4505/.../TP4HofheinzInternet.doc

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Kontrollmechanismen zu291 (Blockade des Zugriffs auf offiziell unerwünschte Seiten,

juristische und technische Ermächtigung der Sicherheitskräfte zur Beobachtung des

Internetverkehrs).292 Für technisch versierte Nutzer sind solche Kontrollen zwar oft zu

umgehen, aber für die breite Masse kanalisieren sie den Internetverkehr doch deutlich.293

So haben z. B. die Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten in den letzten Jahren

intensiv in den Ausbau des Internets investiert.294

Viele Beobachter sind der Meinung, dass die neuen Medien, speziell das Internet, als

Kommunikationskanäle zu einer Liberalisierung und Demokratisierung in der

arabischen Welt führen könnten. Dank digitaler Techniken kann von und zu fast jedem

Ort der Erde gesendet werden. Anbieter müssen sich nicht mehr den nationalen

Zensurgesetzen unterwerfen. Dieses Prinzip der Entterritorialisierung und der besondere

individuelle Aspekt des Internets verändern die arabische Welt wohl am stärksten. Der

politischen und kulturellen Kommunikation wurden neue Spielräume eröffnet.

Trotzdem muss man auf die mangelnde Infrastruktur und nicht zuletzt auf die immer

noch hohe Analphabetenrate der arabischen Welt verweisen, denn wie Jay D. Bolter

eindeutig festgestellt hat, ist „der Computer eine Technologie der symbolischen

Repräsentation und der Kommunikation, kurz – eine Technologie des Schreibens“.295

Durch die Komplexität eines Computers und die vielen verschiedenen Möglichkeiten

der Kommunikation erfordert der Umgang mit dem Internet Eingewöhnungszeit.

Gerade ältere Menschen und/oder Menschen ohne Bildung, haben oft Probleme, sich

zurechtzufinden. Datenleitungen sind in weiten Teilen der MENA-Region noch

unterschiedlich schnell, und die langsameren verlangen oft ein Höchstmaß an Geduld

vom Anwender. Das Internet ist zwar mittlerweile etabliert, es ist jedoch kein

Massenmedium in der MENA-Region.

PC und Web sind in erster Linie Entertainment-Angebote für Konsumenten der Mittel-

und Oberschicht. Trotzdem: Selbst aus den Entertainment-Angeboten des Internets

können sich Chancen herausbilden. So könnten sich qualitativ hochwertige

Infotainment-Sendungen entwickeln und inhaltliche Angebote können nun immerhin

Haushalte erreichen, in denen es überhaupt keine Literatur gibt. Strukturhilfeprogramme

könnten in der Zukunft dazu beitragen, eine bessere Infrastruktur zu schaffen.

6.2.1. Nutzerzahlen und Reichweite

Das Aufblühen von Internet-Cafes überall in der arabischen Welt hat zu einer

zunehmenden Verbreitung des Internets geführt. Da der Kauf eines eigenen PC’s mit

Internetanschluss für den Normalbürger immer noch sehr teuer ist, erfreuen sich die

Internet-Cafes großer Beliebtheit. Sie schaffen neue Räume von Öffentlichkeit, die

291 Albrecht Hofheinz „Das Internet im Prozeß der Veränderung der Wertehorizonte arabischer Gesellschaften“, www.uio.no/studier/emner/hf/ikos/ARA4505/.../TP4HofheinzInternet.doc S.1292

Ebd. Für einen frühen Überblick über die Internetzensur in der Region vgl. HUMAN RIGHTS WATCH: The Internet in the Mideast and North Africa: free expression and censorship, NY 1999. http://www.hrw.org/advocacy/internet/mena/index.htm

Hofheinz, S. 1. Vgl. Jon B. Alterman “The Middle East’s Information Revolution”, Current History January 2000, S.23. 293 Hofheinz, S. 1. 294 Hofheinz, S. 1. 295 Jay D. Bolter: ‚Das Internet in der Geschichte der Technologien des Schreibens’ S.37, in „Mythos Internet“ Frankfurt am Main 1997.

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Frauen und Männern gleichermaßen bis spät in die Nacht offen stehen. In einer

Großstadt wie Casablanca oder Kairo etwa gibt es ungezählte Möglichkeiten ins

Internet zu gehen.

17,3% aller arabischsprachigen Menschen nutzen das Internet.296 Das ist im Vergleich

zum Jahr 2000, eine Steigerung um 1.907, 9%!

2,9% der Nutzer weltweit sind mittlerweile arabischsprachig.297

Das Internet ist aber nach wie vor kein Massenmedium in der arabischen Welt.

Laut Daten der International Telecommunication Union (ITU) von 2008, nutzten nur 16

von 100 Menschen der MENA-Region das Internet; trotz der massiven

Steigerungsrate.298 2003 waren es nur 3,71 Personen im Schnitt. 2003 nutzten 11.396,9

Millionen das Internet, 2008 waren es immerhin schon 55.497,6 Millionen.299

Das Internet wird von wichtigen Teilen der Bevölkerung besonders stark genutzt.

StudentInnen, AkademikerInnen, JournalistInnen, Angestellte staatlicher Behörden,

PolitikerInnen, Parteien, AktivistInnen der Zivilgesellschaft, große Unternehmen.

Bedeutend ist, dass das Internet vor allem unter jungen Menschen sehr populär ist.

Zumindest die städtische Jugend wächst mit dem Internet auf. Es darf erwartet werden,

dass die Inhalte und Kommunikationsformen, die das Netz transportiert, zunehmende

Bedeutung auch in der Sozialisation der Jugendlichen und für ihre Meinungsbildung

spielen wird.300

Doch fehlende Infrastruktur, Bildung, Armut sorgen weiterhin dafür, dass das Internet

noch ein relativ elitäres Medium bleibt.

Man muss auf die große Diskrepanz zwischen den reichen Golfstaaten und dem Rest

der arabischen Welt hinweisen. So hat Saudi-Arabien pro 1000 Einwohner rund 350

Computer. Das ist mit Abstand der höchste Wert. Es folgen Kuwait, mit rund 250

Computern, Katar und Bahrain mit jeweils 200 Rechnern pro 1000 Einwohner.301 Die

Nordafrikanischen Staaten dagegen haben alle eine Quote unter 100 Computern,

teilweise unter 50 und weniger sogar. Ausnahmen sind Tunesien mit 100 Rechnern im

Schnitt und der Sudan mit knapp 130 Computern pro 1000 Einwohner.302

6.2.2. Altersstruktur, Geschlecht, Bildung, Einkommen

Das Internet ist vor allem ein Medium der jungen Generation. Besonders 20-30jährige

nutzen das Netz sehr stark, mehr als doppelt so viel wie es ihrem Anteil an der

Gesamtbevölkerung entsprechen würde.303

Bei den 20jährigen entspricht der Anteil knapp ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung,

jedoch ist in dieser Gruppe das stärkste Wachstum zu verzeichnen.304 Es ist

296 http://www.internetworldstats.com/stats7.htm (Juni 2009) 297 Ebd., vgl. Arab Human Knowledge Report 2009, S. 149/150. 298 ITU Information Society Statistical Profiles 2009 Arab States, S. 9. 299 Ebd., S. 70. 300 Hofheinz, S. 4/5. 301 Arab Human Knowledge Report 2009, S. 145. 302 Ebd. 303 Hofheinz, S.4. 304 Hofheinz, S. 4..

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offensichtlich, dass die heranwachsende Generation das Internet zunehmend am

stärksten nutzt (anfangs mehr Middle Aged Professionals)305.

Im Sozialisierungsprozess der jungen arabischen Generation, besonders in den

Großstädten der arabischen Welt, stellt das Internet somit einen wichtigen Aspekt dar.306

Dabei birgt das Internet, wie Musa Shteiwi beschreibt, vor allem neue Möglichkeiten

für die arabischen Frauen:

Verhalten und soziale Interaktion von Frauen in der konservativen arabischen Kultur

stehen meist unter der kritischen Aufsicht und Kontrolle der Familie, des Stammes und

der ganzen Gesellschaft. Das Internet aber ermöglicht Frauen, die traditionellen

sozialen Kontrollmöglichkeiten zu umgehen. Sie können das Medium allein und

außerhalb der Kontrolle der Familie nutzen, sie können dabei anonym bleiben, was sie

zu individueller, freier Interaktion befähigt. Allgemein dient das Internet

Frauengruppen und Aktivistinnen als Forum für Diskussionen und als wertvolle Quelle

für Informationen, wodurch viele Frauen erreicht werden können, die sonst schwer zu

erreichen wären. Es gibt etliche Frauenwebsites, die Informationen über Frauenthemen

zur Verfügung stellen, die noch immer als Tabu gelten und in den traditionellen Medien

schwer zu diskutieren wären. Durch solche Seiten erhalten Frauen Zugang zu

Informationen, sie kommen in Kontakt mit anderen Aktivistinnen und Organisationen,

was zu ihrer Stärkung beiträgt.307

Auch der AHDR 2005 hat festgestellt, dass arabische Frauen von den neuen Medien

erheblich profitieren.308

Man muss aber immer wieder darauf hinweisen, dass Zensur, Analphabetismus, Armut

und fehlende Infrastruktur jedoch bislang den Einfluss des Internets in der arabischen

Welt weiterhin verringern und nicht voll zur Geltung kommen lassen.

Immerhin ist es aber gerade der jungen, relativ gut ausgebildeten arabischen Jugend nun

möglich sich zu vernetzen und das Internet als Kommunikationskanal zu nutzen.309

305 Hofheinz, S.4. 306 Ebd. 307 Musa Shteiwi „Arabische Frauen und das Internet“ 308 AHDR 2005, dt. Kf. S. 19. 309 Ein Beispiel dafür ist die ägyptische Facebook-Gruppe „6. April“. http://www.facebook.com/shabab6april Vgl. Arab Media and Society. Framing April 6: Discursive dominance in the Egyptian print media, Aaron Reese. Spring 2009. http://www.arabmediasociety.com/?article=715

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6.3. Internet-Zensur

(Die Karte zeigt die Situation im Jahr 2008, Quelle: www.rsf.org)

Internet-Zensur ist kein Spezifikum von autoritären Staaten. Insgesamt nimmt weltweit

die Überwachung im Netz zu. Auch in Demokratien.310

12 Staaten sind nach Meinung von Reporter ohne Grenzen (ROG) jedoch überragend in

ihrer massiven Internet-Zensur und Unterdrückung von Bloggern. Diese 12 Staaten

verdienen nach ROG den besonderen Titel „Feinde des Internets“.311 Unter diesen 12

Staaten sind arabische Länder überrepräsentiert. Es handelt sich um Ägypten, Saudi-

Arabien, Syrien und Tunesien. „Diese Staaten haben das Internet zu einem Intranet

gemacht, um damit die Bevölkerung am Zugang zu ‚unerwünschten’ Online-

Informationen zu hindern“, kritisiert ROG.

So macht ROG darauf aufmerksam, dass z. B. in Saudi-Arabien mehr als 400 000

Webseiten gesperrt sind. Angeblich zum „Schutz der saudischen Gesellschaft“.

Netzwerk-Seiten wie „My Space“ sind in dem Königreich verboten, da sie als

„unmoralisch“ betrachtet werden.312

Besonders schlimm ist die systematische Verfolgung und Unterdrückung von

Bloggern.313 Dies geschieht in der Regel unter dem Vorwand, dass die nationale 310

Das überwachte Netz: Der neue Internet-Bericht von Reporter ohne Grenzen http://www.reporter-ohne-grenzen.de/archiv/pressemitteilungen/archiv-pressemitteilungen-single/period/1072911600/31622399/archived/browse/3/select/pressemitteilungen/article/39/das-ueberwachte-netz-der-neue-internet-bericht-von-reporter-ohne-grenzen.html Vgl. „Frankreich setzt auf Netzsperren“, http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,677479,00.html; „The Electronic Police State“, https://secure.cryptohippie.com/pubs/EPS-2008.pdf 311 ROG, http://www.reporter-ohne-grenzen.de/presse/pressemitteilungen/news-nachrichten- single/article/1/welttag-gegen-internetzensur-rog-internetbericht-12-feinde-des-internets-auch-demokratische-r.html 312 Ebd. 313 Vgl. SPIEGEL ONLINE: „Digitale Dissidenten“ 01.09.08, http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,575520,00.html; „Blog aus dem Knast“ 12.05.06, http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,415750,00.html; „Blogger im Geheimdienst-Knast“ 12.02.09, http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,607150,00.html

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Sicherheit gefährdet sei und die moralische Integrität der Religion geschützt werden

muss.314

Die Auflistung repressiver arabischer Staaten könnte man problemlos noch

weiterführen. So sind laut ROG im Februar 2010 zwei weitere Online-Dissidenten in

Marokko und vier im Jemen seit Monaten inhaftiert.315

Wer also in den arabischen Ländern für Freiheit im Netz eintritt,

der lebt sehr gefährlich!

Das sind keine vielversprechenden Beobachtungen angesichts eines nachhaltigen

Wandlungsprozesses.

6.4. Cyber-Dschihad

(Foto Spiegel Online)

Trotz Zensur und Überwachung sind islamistische Extremisten im Internet ungemein

aktiv. Sie nutzen die Möglichkeiten des Netzes hervorragend für ihre Kommunikation

und Propaganda. Der Medienaufwand der dabei von Islamisten getrieben wird, ist

immens und sehr professionell.316

314 ROG, http://www.reporter-ohne-grenzen.de/presse/pressemitteilungen/news-nachrichten- single/article/1/welttag-gegen-internetzensur-rog-internetbericht-12-feinde-des-internets-auch-demokratische-r.html 315ROG, http://www.rsf.org/en-barometre56-Cyberdissidents_imprisoned.html 316 „Internetpropaganda und Kommunikation“, Verfassungsschutz Baden-Würtenberg, http://www.verfassungsschutzbw.de/index.php?option=com_content&view=category&layout=blog&id=46&Itemid=96

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Je extremer die Positionen sind, desto intensiver ist die Medienarbeit generell. Um

es ganz überspitzt und vereinfacht auszudrücken, kann man sagen: Jede

Terrorgruppe investiert mehr Zeit als jede NGO in Medienarbeit.317

Sie sind auf dem neuesten Stand der Technik und haben die cleversten

Computerspezialisten an der Hand. Sie haben erkannt, welches große Potenzial das

Internet für ihre Zwecke bietet. So gibt es mittlerweile spezialisierte „Medienbüros“ der

Terroristen, die sich auf den Cyber-Dschihad im Netz konzentrieren.

Ein bekanntes Beispiel dafür ist die „Sahab Foundation“, die als Produktionsfirma von

Al Qaida fungiert.318

Insgesamt gesehen muss man feststellen, dass sich die Bandbreite der technischen

Voraussetzungen regelmäßig verbessert und die Inhalte arabischer Extremisten im

Internet umfangreicher werden.319

317 Expertengespräch Musharbash. 318 Yassin Musharbash 2006 „Die neue Al-Qaida, Innenansichten eines lernenden Terrornetzwerkes“, S. 137. 319 Verfassungsschutz Baden-Württemberg, „Internetpropaganda und Kommunikation“ http://www.verfassungsschutz-bw.de/index.php?option=com_content&view=category&layout=blog&id=46&Itemid=96

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7. Kurzauswertung der 12 Interviews

Die arabische Welt ist durch die globale Informationsrevolution, d. h. durch die IT-

und Satellitenkommunikation, nicht mehr behütet. Man muss heute nach außen

kommunizieren, man muss viel mehr verstehen, voneinander lernen.320

Die Summe der in weiten Teilen ähnlichen Einschätzungen aller Interview-PartnerInnen

bezüglich der arabischen Welt ist hervorzuheben. Die allseits bekannten Probleme und

Hemmnisse werden so gut wie von allen interviewten Personen direkt benannt. Die

Quintessenz aller Interviews, ist die Benennung des schlechten Bildungssystems der

MENA-Region als einer der Hauptgründe für den Entwicklungsrückstand; wenn nicht

sogar als der alles entscheidende Grund:

„A society that is not educated, cannot compete.“321

Alle Interview-PartnerInnen machen deutlich, dass Bildung der Hauptschlüssel zu einer

erfolgreichen Modernisierung und zu einer erfolgreichen Demokratisierung ist. Ohne

Bildung und ohne ein auf Vernunft basierendes Erziehungssystem, wird es keinen

Fortschritt geben.

Doch die Bildungssysteme der arabischen Welt sind das große Problem. Professor

Meyer von der Gutenberg-Universität Mainz hat die Versäumnisse auf den Punkt

gebracht:

Während wir in Deutschland in unserem Ausbildungssystem z.B., vor allem die

Forderung stellen einen mündigen, kritischen Bürger zu erziehen, kommt es im

Ausbildungssystem der arabischen Welt vor allem darauf an auswendig zu lernen.

Das was von den jeweiligen Lehrern, von den Professoren und von deren Lehrern

und von deren Professoren schon mal gelehrt worden ist, das wird wieder

wortwörtlich auswendig gelernt. D. h., eine Ausbildung zur Kritikfähigkeit ist absolut

nicht geplant.322

Es geht also darum, Schlüsselqualifikationen zu erlangen.

Die globale Informationsrevolution kann dabei als potenzielle Chance für die MENA-

Region betrachtet werden. Sofern sie natürlich vernünftig genutzt wird. Die neuen

Kommunikationstechnologien können hierbei eine tragende Rolle spielen, denn Internet

und Satelliten-TV haben für Veränderungen gesorgt.

Doch man sollte nicht zuviel von den Technologien erwarten, zumal das Internet immer

noch kein Massenmedium in der MENA-Region ist. Angesichts der Analpha-

betenquoten und der schlechten Wirtschaftssituation ist das nicht verwunderlich. So

kann eine Gesellschaft mit einem offensichtlichen Mangel an Bildung durch Medien

auch kontraproduktiv beeinflusst werden. Vor allem mit audio-visuellen Bildern, denn

diese können unter schwierigen Umständen auch ein Kollektivgefühl der Demütigung

in dieser Region erzeugen – besonders in Zeiten sozialer und wirtschaftlicher Krisen.323

320 Expertengespräch Ashraf Mansour. 321 Expertengespräch Louise. 322 Expertengespräch Meyer. 323 Expertengespräch El-Gawhary. Expertengespräch Ebert.

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Ob Mangel an Medienkompetenz324, schlechte Wirtschaftspolitik oder Repression, klar

ist: ein Umdenken muss passieren, denn die Situation ist ernst

Verdeutlicht wurde auch, dass der Mangel an Medienkompetenz, ein schwerwiegendes

Problem ist und sich als ein großes Hemmnis auswirken kann. Das angeführte Beispiel

von Luc Walpot für Medien-Inkompetenz hinterlässt dabei ein Gefühl der

Ernüchterung. Es sind viele Faktoren, die einander zum großen Teil bedingen. So gehen

wirtschaftliche Bedingungen einher mit sozialen Bedingungen. Der Mangel an

kritischer Auseinandersetzung, das nicht vorhandene Reflektionsvermögen und die

verkrusteten tabuisierten Strukturen325 lassen trotz guten Willens nicht sehr optimistisch

in die Zukunft vieler Länder der MENA-Region blicken.

Es ist mit Hilfe der Interviews klar geworden, dass die Religion, der Islam an sich,

dabei selbst nicht das Problem ist. Dies wurde durchgehend in allen

Expertengesprächen bestätigt.

324 Expertengespräch Walpot 325 Expertengespräch Meiering

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8. Schlussbetrachtung

Internet und Satellitenfernsehen sind klar etablierte Kommunikationstechnologien in der

MENA-Region. Natürlich kann das Internet bezüglich der Reichweite des Fernsehens

nicht mithalten. Dafür ist seine Infrastruktur noch zu schwach ausgeprägt. Trotzdem ist

das World Wide Web ein fester Bestandteil der Kommunikationsangebote geworden

und deshalb nicht mehr wegzudenken. Es erfreut sich vor allem bei der jungen

Bevölkerung höchster Popularität, gerade wegen des individuellen Nutzungsaspekts.

Dies macht das Internet so interessant für eine Region der Welt, in der individuelle

Selbstbestimmung weitestgehend ein Fremdwort ist für die Mehrheit der Gesellschaft.

Das Satellitenfernsehen hat es dagegen einfacher, Satellitenschüsseln sind in den großen

arabischen Städten nicht mehr von den Hausdächern wegzudenken und auch die

Reichweite ist nicht zu vergleichen. Das Fernsehen ist jedoch im Vergleich nur eine

informative Einbahnstraße, wo hingegen das Internet dem Nutzer die Möglichkeit bietet

auch Inhaltsproduzierend zu wirken. Dieser interaktive, individuelle Charakter macht

den Wesenszug des Internets aus und ist deshalb so interessant für die jungen

Menschen, die in den traditionellen Strukturen der arabischen Welt keine echte

individuelle Selbstbestimmung leben können.

Technologien hängen aber von den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen

Rahmenbedingungen ab. Wie in dieser Arbeit aufgezeigt wurde, ist der momentane

Entwicklungsstand des Großteils der arabischen Welt Besorgnis erregend. Die Lipset-

These „The more well-to-do a nation, the greater the chances that it will sustain

democracy kann angesichts maroder Wirtschaftssysteme, Korruption und Inkompetenz

in keiner Weise auf die MENA-Region angewendet werden. Zumindest nicht im

positiven Sinne. (Abgesehen von den kleinen reichen Golfstaaten wie Bahrain und

Katar z. B.)

Deshalb ist es nach Meinung des Autors, momentan und auch in naher Zukunft nicht

gegeben, dass die neuen Kommunikationstechnologien alleine für eine

Demokratisierung sorgen können. Unterdrückung der Zivilgesellschaft, Zensur,

Willkür, Massenarbeitslosigkeit, Analphabetismus, Rentiersmentalitäten,

Geschlechterdiskriminierung, der Mangel an Selbstkritik, Problembewusstsein, die

Liste der Entwicklungshemmnisse ist erschreckend lang. Dazu kommt noch fehlende

Chancengleichheit in den arabischen Gesellschaften. Dies sind Gründe, die die Funktion

der Medien als potenzielle Träger des sozialen Wandels torpedieren.

Medien können ohne Zweifel bei einem Wandlungsprozess förderlich wirken. Doch

angesichts der horrenden Probleme der meisten Länder in der MENA-Region, muss

man von der Hoffnung, dass Internet und Satelliten-TV alleiniger sozialer Träger eines

Wandels sind, zunächst Abstand nehmen.

Besonders das Internet verliert unter diesen Voraussetzungen seine besondere Qualität,

für eine breite Masse eine neue Öffentlichkeit herzustellen. Immerhin kann es aber den

kleinen Ansätzen von Zivilgesellschaft ein Forum und eine Möglichkeit geben

Netzwerke aufzubauen. Aufgrund der schwachen Infrastruktur und des sehr schlechten

Bildungssystems ist das Potenzial als Massenmedium noch lange nicht gegeben.

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Eine freie auf Wissen basierende Gesellschaft lässt sich von Logik, Vernunft und einem

Gefühl für Verantwortung leiten. Genau dadurch, wie Daniel Lerner erklärt hat,

zeichnen sich moderne Gesellschaften aus. Wissen und Freiheit münden in Partizipation

und Empathie.

Empathie, als Schlüssel für den Erfolg des Modernisierungsprozesses. Empathie als

Eigenschaft, die den modernen Menschen verstehen lässt, warum, weshalb und wieso

Entscheidungen und Maßnahmen getroffen werden. Nicht sein egoistisches Verhalten

macht den empathischen Menschen aus, sondern sein Reflektionsvermögen und sein

Problembewusstsein. Rechtschaffenheit, Verantwortungsbewusstsein, Objektivität und

Angemessenheit gehören ebenso dazu.

Für Gesellschaften die jedoch nicht auf Wissen basieren, spielen emotionale

Begebenheiten die größte Rolle. Befriedigung findet man in der Herstellung der Ehre,

Würde oder des Stolzes. Das sind typische Merkmale von traditionellen Gesellschaften.

Hinzu kommt ein ausgeprägtes tribales denken.

Die Menschen in der MENA-Region sind vielfach getrieben von Existenzangst und

persönlichem Frust über die teils miserablen Lebensumstände. Sie können dies aber

nicht kund tun. Individuelle Selbstbestimmung und öffentliche Meinungsäußerung ist

nicht vorgesehen. Die Unfähigkeit selbstkritisch zu Denken ist ein weiteres Merkmal

traditioneller Gesellschaften.

Hauptverantwortlich für die Misere der meisten arabischen Länder, ist einfach die

extreme Verantwortungslosigkeit der herrschenden Eliten, die im Grunde ihr eigenes

Land verraten, in dem sie selbst das größte Entwicklungshemmnis darstellen. Ein

Solidaritätsempfinden ist nicht existent, die Erziehung mündiger Bürger ist nicht

vorgesehen. Man will Untertanen, keine selbstbewussten Bürger. Aufgrund der

Ermangelung an Alternativen ist es nicht verwunderlich, dass die Religion in den letzten

Jahrzehnten großen Zulauf findet.

Die Islamisierung der arabischen Gesellschaften ist im Endeffekt nichts anderes, als der

drängende Wunsch nach Selbstachtung, die verzweifelte Suche nach Würde in einer

unwürdigen Zeit.

Wie sich die arabische Welt entwickeln wird, bleibt abzuwarten.

Doch eines ist klar, eine zügige Demokratisierung326 wird es nicht geben, auch wenn es

mittlerweile Internet gibt und in fast jedem Wohnzimmer Al Jazeera über die

Bildschirme flimmert. Gesellschaftlich in neo-patriarchalischen Rahmenbedingungen

gefangen, gelingt es dem arabischen Individuum sich nicht zu befreien. Im Gegenteil,

die religiöse Zuwendung in der MENA-Region wird in der Zukunft wahrscheinlich eine

noch größere Rolle spielen und interessanterweise werden es wohl wahrscheinlich

genau die Kommunikationstechnologien Satelliten-TV und Internet sein, die diese

Entwicklung befeuern werden. Technologien sind nur Werkzeuge, was aber mit dem

Werkzeug genau geschieht, bestimmt derjenige, der das Werkzeug in die Hand nimmt.

326 Ob es nun nach den Ereignissen im Januar und Februar 2011 zu einer Demokratisierung kommen wird, bleibt abzuwarten.

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Abkürzungsverzeichnis:

AHDR Arab Human Development Report

ALO Arab Labour Organization

BICC Bonn International Conversion Center

EU Europäische Union

GMI Globaler Militarisierungsindex

GTZ Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit

HIIK Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung

ILO International Labour Organization

LAMP Literacy Assessment and Monitoring Programme

MENA Middle East and North Africa

OECD Organisation for Economic Co-Operation and Development

PISA Programme for International Student Assessment

ROG Reporter ohne Grenzen

SWP Stiftung Wissenschaft und Politik

UNESCO United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization

UN United Nations

VAE Vereinigte Arabische Emirate

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ISBN (online) 978-3-7983-2136-6ISBN(print) 978-3-7983-2137-3 Preis EUR 8,90

5: Janzen, Karoline: Türken in Deutschland: Integration durch Medien. - . - 2009. - 98 S., A 5. -

ISBN (online) 978-3-7983-2147-2

6: Stix, Cornelia: Der Reiz des Verbotenen - Zur Akzeptanz der USK-Alterskennzeichen. - . - 2009. - 116 S., A 5. - Br

ISBN (online) 978-3-7983-2148-9ISBN (print): 978-3-7983-2149-6 Preis EUR 8,90

7: Maas, Jessica: Vom "Über-Leben" in der Fremde. Niveau von Reality-Shows im Fernsehen. - . - 2009. - 105 S., A 5. -

ISBN (online) 978-3-7983-2150-2

8: Dittmar, Jakob F.: Grundlagen der Medienwissenschaft. 2., erw. Aufl.. - . - 2010. - 174 S., A 5. - Br

ISBN-10: 978-3-7983-2272-1 ISBN-13: 978-3-7983-2275-2 Preis EUR 11,90

9: Reinhold, Katharina: Speaking with one voice?. Ein Vergleich

der Regierungskommunikation in Großbritannien und

Deutschland. - 2009. - 177 S., A 5. - Br

ISBN (online) 978-3-7983-2177-9ISBN (print) 978-3-7983-2178-9 Preis EUR 12,90

10: Sextro, Maren: MOCKUMENTARIES und die Dekonstruktion des klassichen Dokumentarfilms. - . -

2009. - 93 S., A 5. -

ISBN (online) 978-3-7983-2199-1

11: Özsari, Hülya: "Der Türke". Die Konstruktion des Fremden

in den Medien. - 2010. - 110 S., zahlr. Fotos, A 5. - Br

ISBN (online) 978-3-7983-2209-7ISBN (print) 978-3-7983-2208-0 Preis EUR 8,90

12: Schweiger, Nora: Radio Paradiso. Private Servicewelle oder

christlicher Hörfunk?. - 2010. - 136 S., A 5. -

ISBN (online) 978-3-7983-2223-3

13: Iwaniec, Mario: Die Betrachtung der Risiken der Kernenergie in ausgewählten deutschen Printmedien. - . -

2010. - 185 S., A 5. - Br

ISBN (online) 978-3-7983-2284-4ISBN (print) 978-3-7983-2283-7 Preis EUR 13,90

14: Kharitonova-Akhvlediani, Anastasia: Russischsprachige Printmedien und Integration. - . - 2011. - 154 S., zahlr.

Abb., A 5. - Br

ISBN (online) 978-3-7983-2307-0ISBN (print) 978-3-7983-2306-3 Preis EUR 11,90

15: Ben Bouzid, Atef: Demokratisierung der arabischen Welt mit Hilfe der neuen Medien. Zwölf Expertengespräche. -

2011. - 202 S., A 5. -

ISBN (online) 978-3-7983-2300-1

16: Ben Bouzid, Atef: Informationsrevolution und Demokra-tisierung in der arabischen Welt?. - . - 2011. - 75 S., A 5. -

ISBN (online) 978-3-7983-2301-8

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