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Resilienz für Berater

Date post: 25-Jan-2015
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08 Beratung C onsultants sind eine nomadische Berufsgruppe. Ständig unterwegs im Auftrag des Kunden, nirgendswo eine feste Bleibe, dafür gute Hotels, gute Bezahlung, gute Aussichten. Der Beruf kostet allerdings. In den letzten Jahren registrieren die Krankenkassen einen Anstieg an psy- chosozial bedingten Erkrankungen. Depression hat bald den Herzinfarkt als Ausfallgrund abgelöst. Seit Mit- te/Ende der 90er beklagen sich viele Arbeitnehmer über zuneh- mende Arbeitsbelastung, mehr Arbeitszeit, mehr Druck. Das bleibt auch privat nicht ohne Fol- gen und fordert seinen Tribut. Die in den 80er Jahren von Ulrich Beck prophezeite Risikogesellschaft ist längst in unseren Häusern, Wohn- zimmern und Unternehmen angekommen. Die Folgen sind besonders für Consultants u.a. sehr persönlich: jahrelange Fernbeziehungen, erhöhte Burn-Out-Gefahr, Ausrichtung des Lebens aus- schließlich auf ökonomische Belange, familiäre Trennungen. Das Thema Work-Life-Balance versprach zwar vor einigen Jahren eine gelingende Balance zwischen Arbeits- und Berufsleben, die Krankenrate ist allerdings unverändert hoch. Familie, sowie die Gründung und Aufrechterhaltung derselben ist beson- ders für nomadische, unstete Consultants ein nicht konfliktfreies Thema. Private Beziehungsgestaltung fällt besonders bei jungen, berufsunerfahre- nen Beratern oft schwer und überraschend in die Biografie. Soziale Rush- hour nannte Matthias Horx den Abschnitt zwischen 25 und 35, in dem Kar- riere gemacht werden will, aber gleichzeitig traditionell auch Familie gegründet werden soll. Das fordert und kostet. Der Nutzen will sehr gut individuell abgewägt sein. Wenn Consultants stabil bleiben wollen, brauchen sie sozialen Rückhalt. „Geborgenheit“ als sozialromantisches Missverständnis avanciert für Bera- ter zur absolut notwendigen Ressource für ein gelingendes Leben und Arbei- ten. Die Weltmärkte brauchen Persönlichkeiten, die es gelernt haben, es mit einem anderen Menschen auszuhalten und das Ego zugunsten der Gemein- schaft angemessen unterzuordnen. Das ist für Consultants deshalb manch- mal nicht einfach, weil sie gewohnt sind, in Meetings mit Machtmenschen zu diskutieren und sich auch dominant gegen Barrieren durchzusetzen. Das muss man als Berater können, aber zu Hause sollte man diesen Stil abschal- ten. Durch Familie und Partnerschaft reift man. Egozentrische, narzißtische Karrieristen sind zu gierig nach kurzfristigen Kicks. Das trägt nicht langfristig. Was aber lässt das Leben von Consultants gelingen? Die Positive Psychologie hat in den letzten Jahren an Bekanntheit zugenommen und gibt Empfehlungen. Die Grundidee ist einfach. Die Psychologie hat Jahr- zehnte der Forschung in Negatives investiert: Depressionen, psychologische Pathologien, Konflikte. Es gibt deutlich mehr Studien über das Schlechte im Menschen als Studien, die Freude, Glück und Zufriedenheit fokussieren. Positive Psychologie hat genau diese Kehrtwende gewagt und vielfältige Forschungszweige entwickelt, die sich mit dem Guten, dem Lebendigen und dem Positiven beschäftigen. Eine davon ist PsyCap. PsyCap ist eine Forschungsrichtung um den Psychologieprofessor Fred Lut- hans, die sich mit psychologischem Kapital beschäftigt. Luthans untersucht, wie Menschen PsyCap entwickeln. PsyCap besteht aus vier Säulen: Selbst- wirksamkeit, Hoffnung, Optimismus und Resilienz. Im folgenden sollen die vier Säulen näher dargestellt und geprüft werden, wie es für das Leben als Consultant genutzt wird. Selbstwirksamkeit: Zunächst beschreibt Selbstwirksamkeit so etwas wie den Glauben an sich selbst. Dass sich Menschen etwas zutrauen, sich für kompetent halten, Stär- ken in diversen Bereichen entwickeln und auch die Überzeugung haben, etwas zu gestalten statt von der Umwelt getrieben zu werden, ist Selbst- wirksamkeit. Wer ständig nur reagiert, verliert seine Selbstwirksamkeit und wird zum Spielball. Das tut der Seele langfristig nicht gut. Resilienz stärkt Berater Spitzen-Gehälter, Top-Klienten –den Beruf des Beraters stellen sich vor allem Hochschulabsolventen als besonders aufregend vor. Doch es gibt auch negative Seiten. Häufig sind Consultants in ihrem Job einem enorm hohen Leistungs- und emotionalem Druck ausgesetzt. Der Experte Tobias Illig weiß, welche Faktoren dazu beitragen, dass Berater stabil bleiben. Consultants leiden unter Burn-Out- Gefahr und familiären Trennungen
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Page 1: Resilienz für Berater

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Beratung

Consultants sind eine nomadische Berufsgruppe. Ständig unterwegsim Auftrag des Kunden, nirgendswo eine feste Bleibe, dafür guteHotels, gute Bezahlung, gute Aussichten. Der Beruf kostet allerdings.

In den letzten Jahren registrieren die Krankenkassen einen Anstieg an psy-chosozial bedingten Erkrankungen. Depression hat bald den Herzinfarkt alsAusfallgrund abgelöst. Seit Mit-te/Ende der 90er beklagen sichviele Arbeitnehmer über zuneh-mende Arbeitsbelastung, mehrArbeitszeit, mehr Druck. Dasbleibt auch privat nicht ohne Fol-gen und fordert seinen Tribut. Diein den 80er Jahren von UlrichBeck prophezeite Risikogesellschaft ist längst in unseren Häusern, Wohn-zimmern und Unternehmen angekommen.

Die Folgen sind besonders für Consultants u.a. sehr persönlich: jahrelangeFernbeziehungen, erhöhte Burn-Out-Gefahr, Ausrichtung des Lebens aus-schließlich auf ökonomische Belange, familiäre Trennungen. Das ThemaWork-Life-Balance versprach zwar vor einigen Jahren eine gelingendeBalance zwischen Arbeits- und Berufsleben, die Krankenrate ist allerdingsunverändert hoch.

Familie, sowie die Gründung und Aufrechterhaltung derselben ist beson-ders für nomadische, unstete Consultants ein nicht konfliktfreies Thema.Private Beziehungsgestaltung fällt besonders bei jungen, berufsunerfahre-nen Beratern oft schwer und überraschend in die Biografie. Soziale Rush-hour nannte Matthias Horx den Abschnitt zwischen 25 und 35, in dem Kar-riere gemacht werden will, aber gleichzeitig traditionell auch Familiegegründet werden soll. Das fordert und kostet. Der Nutzen will sehr gutindividuell abgewägt sein.

Wenn Consultants stabil bleiben wollen, brauchen sie sozialen Rückhalt.„Geborgenheit“ als sozialromantisches Missverständnis avanciert für Bera-ter zur absolut notwendigen Ressource für ein gelingendes Leben und Arbei-

ten. Die Weltmärkte brauchen Persönlichkeiten, die es gelernt haben, es miteinem anderen Menschen auszuhalten und das Ego zugunsten der Gemein-schaft angemessen unterzuordnen. Das ist für Consultants deshalb manch-mal nicht einfach, weil sie gewohnt sind, in Meetings mit Machtmenschenzu diskutieren und sich auch dominant gegen Barrieren durchzusetzen. Dasmuss man als Berater können, aber zu Hause sollte man diesen Stil abschal-

ten. Durch Familie und Partnerschaft reift man.Egozentrische, narzißtische Karrieristen sind zugierig nach kurzfristigen Kicks. Das trägt nichtlangfristig.

Was aber lässt das Leben von Consultantsgelingen? Die Positive Psychologie hat in denletzten Jahren an Bekanntheit zugenommen

und gibt Empfehlungen. Die Grundidee ist einfach. Die Psychologie hat Jahr-zehnte der Forschung in Negatives investiert: Depressionen, psychologischePathologien, Konflikte. Es gibt deutlich mehr Studien über das Schlechte imMenschen als Studien, die Freude, Glück und Zufriedenheit fokussieren.Positive Psychologie hat genau diese Kehrtwende gewagt und vielfältigeForschungszweige entwickelt, die sich mit dem Guten, dem Lebendigen unddem Positiven beschäftigen. Eine davon ist PsyCap.

PsyCap ist eine Forschungsrichtung um den Psychologieprofessor Fred Lut-hans, die sich mit psychologischem Kapital beschäftigt. Luthans untersucht,wie Menschen PsyCap entwickeln. PsyCap besteht aus vier Säulen: Selbst-wirksamkeit, Hoffnung, Optimismus und Resilienz. Im folgenden sollen dievier Säulen näher dargestellt und geprüft werden, wie es für das Leben alsConsultant genutzt wird.

Selbstwirksamkeit: Zunächst beschreibt Selbstwirksamkeit so etwas wie den Glauben an sichselbst. Dass sich Menschen etwas zutrauen, sich für kompetent halten, Stär-ken in diversen Bereichen entwickeln und auch die Überzeugung haben,etwas zu gestalten statt von der Umwelt getrieben zu werden, ist Selbst-wirksamkeit. Wer ständig nur reagiert, verliert seine Selbstwirksamkeit undwird zum Spielball. Das tut der Seele langfristig nicht gut.

Resilienz stärkt Berater Spitzen-Gehälter, Top-Klienten – den Beruf des Beraters stellen sich vor allem Hochschulabsolventen als besonders aufregend vor. Doches gibt auch negative Seiten. Häufig sind Consultants in ihrem Job einem enorm hohen Leistungs- und emotionalem Druck ausgesetzt.Der Experte Tobias Illig weiß, welche Faktoren dazu beitragen, dass Berater stabil bleiben.

Consultants leiden unter Burn-Out-Gefahr und familiären Trennungen

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Hoffnung: „Die Hoffnung stirbt zuletzt“. Dieser Spruch ist richtig und wichtig. Solan-ge man lebt, will man einen Zielstreifen am Horizont erkennen und die Hoff-nung auf etwas nicht verlieren. Besonders die Sinnhaftigkeit von Arbeitspielt eine wesentliche Rolle. Wer seine Arbeit als sinnvoll erlebt, identifi-ziert sich mit dem Aufgabengebiet. Hoffnung lässt diszipliniert ein Zielanstreben. Wer keine Hoffnung mehr hat,hat sich selbst aufgeben. Lethargie ist dasErgebnis.

Optimismus: Gute Consultants brauchen deshalb einepsychohygienische Komponente, die Hoff-nung generieren kann. Optimismus als rela-tiv stabile, die Zeit überdauernde Grundein-stellung ist unbedingt notwendig, um den stressigen Alltag zu meistern.Wer eine pessimistische Sicht auf sich selbst hat, verliert an Selbst- undMarktwert. Wer nur pessimistisch auf die Schwächen von Menschen –besonders in Familie und Partnerschaft – schaut, erntet Trennungen. Wirsollen die funktionierenden, guten Dinge fokussieren. Damit verdienen Con-sultants ihr Geld. Zu optimistische Einstellungen ignorieren allerdings Risi-ken und blenden. Es gilt realistische Ansichten zu entwickeln.

Resilienz. Die Fähigkeit trotz widriger Umstände zu gedeihen, wird als Resilienzbezeichnet. Resiliente Menschen zeichnen sich dadurch aus, dass sie durchKrisen gestärkt hervorgehen. Resiliente Menschen trotzen dem negativenUmfeld und gehen ihren Weg. Resiliente Menschen sind nicht besondersgefeit vor Schicksal und biografischen Krisen, aber sie verstehen weiterzu-

gehen statt liegenzubleiben. Resilienzwurde von Kulturanthropologen inArmutgebieten dieser Welt erforscht.Man wollte wissen, was Kinder aus-zeichnet, die trotz der Umstände in ihrerUmwelt überleben. Diese Forschungser-gebnisse werden besonders in Zeitendes burn-out für die Arbeitswelt interes-sant.

Was von PsyCap ist nützlich für den nomadischen Alltag vonConsultants? Es lassen sich acht Empfehlungen aussprechen:

•Family first: Wer soll an meinem Sterbebett stehen? Der Arbeitgeber wirdes jedenfalls nicht sein. Welche Menschen sollen um einen herum sein?Diese Menschen brauchen heute (!) Aufmerksamkeit. Diese Beziehungenwollen gepflegt werden, damit sie halten. Wer die Partnerschaft und Fami-lie nicht pflegt, tut sich selbst keinen Gefallen. Er/Sie wird bald ganz allei-ne sein.

Sich dominant gegen Barrieren durchset-zen – das sollten Berater im Beruf können,nicht aber zu Hause

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Beratung

•Das Gute in der Krise suchen: Krisen sind Einladungen, die uns über denWeg geschickt und nicht in den Weg gestellt werden. Menschen sollen rei-fen und größer werden. Wer hier einknickt und den einfachen, bequemenWeg geht, verpasst die Chance, sich reif weiterzuentwickeln. BewältigteKrisen machen widerstandsfähig und resilient.

•Mit dem Umfeld mitwachsen: Wer in seiner Entwicklung stehen bleibt,verpasst den Anschluss. Nur, wer lernen will und sich mit seinem Umfeldentwickelt, erntet Lebenszufriedenheit. Resilienz bedeutet, sich flexibel anneue ständig wechselnde Anforderungen anzupassen und mit ihnen umzu-gehen.

•Einen Freund auf der Arbeit haben: Der Mensch ist und bleibt ein sozia-les Wesen. Um den Spaß am Beruf nicht zu verlieren, braucht man trag-fähige Kontakte. Wenn es jemanden im Kollegenkreis gibt, umso bes-ser.

•Oberflächlichkeiten hinterfragen: Besonders im Business sind Kleidung,Statussymbole, Geld wichtige Utensilien der Karriere. Tragfähig sind sieaber nicht. Schicke Uhren, Handys und Markentaschen machen keinePersönlichkeit. Sie sind manchmal eher Ausdruck eines verarmten Innen-lebens. Ein Leben mit Tiefgang hält an und stiftet mehr Sinn als ein gefüll-tes Bankkonto.

•Kollegialität üben: Wer sich für andere einsetzt, gerade dann, wenn eskeinen Gegenwert gibt, übt sich in Altruismus. Kollegialität und Hilfsbe-reitschaft sorgen für ein effektives Teamklima und zahlen sich aus. WennProzesse flüssig laufen, kommt man gemeinsam schneller und besservoran. Ein Consultant soll sich in Gemeinschaft üben, wenn er/sie kon-flikt- und damit tragfähig werden will.

•Tugenden pflegen und Stärken nutzen: Charakterfestigkeit, Rückgrad,eigene Überzeugungen und Werte sind Garanten für Menschen mit Pro-fil. Die Einzigartigkeit einer Person will gepflegt werden, Tugenden kul-

tiviert, Stärken entdeckt und genutzt werden. Wer seine Talente und Stär-ken nicht kennt, kann Einzigartigkeit nicht entwickeln. Wer seine Stär-ken jeden Tag aufs Neue perfektioniert, wird eines Tages in etwas sehr,sehr gut sein – anders als der Durchschnitt.

•Eine Konstante im Leben haben: Wer sich ständig an veränderndeUmwelten anpassen muss, besonders als Berufsnomade, braucht imLeben einen roten Faden. Menschen brauchen Heimat, einen Ort, wo siehingehen, um sich wohl zu fühlen. Hier sind sie zuhause. Hier finden sieStabilität. Irgendetwas soll konstant bleiben im Leben, etwas Verlässli-ches. Das hält Menschen gesund.

Die moderne, globale Arbeitswelt verlangt von vielen Consultants Anpas-sung und Veränderung. Um selbst arbeitsmarktfit zu bleiben, lohnt sich dieInvestition in ein paar Gedanken zum eigenen Lebensdesign und die achtPunkte für sich selbst zu beantworten. Der Autor wünscht dabei gutesGelingen.

Tobias Illig ist Leiter des “Positives Mana-gement Instituts”, das sich unter anderemauf Schwerpunkte wie Organisationsent-wicklung und Change Management, Per-sonal und Führungskräfteentwicklung undGrundlagenforschung zu Positiver Psycho-logie und Positivem Management speziali-siert hat. Zudem ist Tobias Illig Dozent anverschiedenen Hochschulen, unter anderemder Fachhochschule Mainz.

Tobias Illig!

Psychischer und physischer Druck macht Beratern häufig das Leben schwer. Dagegen

helfen ein starker, sozialer Rückhalt und zwischenmenschliche Beziehungen.


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