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Reinhold Johann Fäth - Rudolf Steiner Design

Date post: 19-Jun-2015
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Rudolf Steiner Design Spiritueller Funktionalismus Kunst Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades des Doktors der Philosophie an der Universität Konstanz Fachbereich Literaturwissenschaft vorgelegt von Reinhold Johann Fäth Tag der mündlichen Prüfung: 12.11.2004 1. Referent: Prof. Dr. Thürlemann 2. Referent: Prof. Dr. Braun 3. Referent: Prof. Dr. Oettinger
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Rudolf Steiner DesignSpiritueller Funktionalismus

Kunst

Dissertation

zur Erlangung des akademischen Gradesdes Doktors der Philosophiean der Universität Konstanz

Fachbereich Literaturwissenschaftvorgelegt von Reinhold Johann Fäth

Tag der mündlichen Prüfung: 12.11.2004

1. Referent: Prof. Dr. Thürlemann2. Referent: Prof. Dr. Braun3. Referent: Prof. Dr. Oettinger

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Reinhold Johann Fäth

Rudolf Steiner DesignSpiritueller Funktionalismus

Kunst

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Inhaltsverzeichnis

Abartiges Design?.......................................................... 6Erste Annäherung ................................................................... 8Zweite Annäherung ............................................................... 15Dritte Annäherung ................................................................ 27Vierte Annäherung ................................................................ 37Fünfte Annäherung ............................................................... 49

»Rudolf Steiner – »Design«?........................................ 54Zum Begriff »Rudolf Steiner Design« und zum »Design-

begriff« Rudolf Steiners .................................................. 54

Der Münchner Kongress 1907 ..................................... 69»Veranstaltungsdesign« – Vignetten, Siegel, Säulen ........... 72

Farbdesign: Raumstimmung und Stimmungsräume .. 86Die Münchner Farbkammern .............................................. 86Die Kunstzimmer und der Berliner Zweigraum .................. 92

Altarräume der Waldorfschulen .................................. 98Farbdesign der Waldorfschulbauten .................................. 101

Der Stuttgarter Bau.................................................... 105Zwischenbemerkung ........................................................... 114

Stühle ........................................................................... 117

Rednerpulte ................................................................ 149

Schränke ..................................................................... 156

Metamorphosen .......................................................... 176Projektion – Reflektion ....................................................... 176Metamorphose ..................................................................... 190

Design als Therapie .................................................... 198

Artiges Design? .......................................................... 210

Werkliste Möbel ......................................................... 214

Dank ............................................................................ 229

Anmerkungen ............................................................. 230

Literaturverzeichnis ................................................... 325

Abbildungsverzeichnis ............................................... 343

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Abartiges Design?Zum kunsthistorischen Problemfall Rudolf Steiner.Annäherungen.

»Fakten aus bisher mehr alssiebzig Produktionsjahrenwurden in der allgemeinenKunstgeschichtsschreibungschlichtweg ignoriert. Keinenennenswerte Notiz gibt es inder Malereigeschichte [bzw.Designgeschichte, R.J.F.] des20. Jahrhunderts über denAnteil ›der Anthroposophen‹.[...] Ich möchte zwei Genera-tionen von Kunsthistorikernnicht unterstellen, sie seien›blind‹ gegenüber der umfang-reichen Bilderwelt dieser Welt-anschauungsbewegung ge-wesen. Aber sie haben sie inihren Publikationen eindeutigverschwiegen, vielleicht auchverschweigen müssen.«

Andreas Mäckler:Lichtoffene Farbigkeit:Grundlinien der an-throposophisch-orien-tierten Lasurmalerei.Voraussetzung und Er-scheinungsform. Schaffhausen: Novalis,1992. Dissertation,Univ. Marburg, Titel:Die Farbentheorie undMalpraxis der Anthro-posophie – Vorausset-zungen und Erschei-nungsformen

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»Die von ihm vorgestellten In-terieurs wirken wie Staffagenzu einem Frankensteinfilm derDreißiger Jahre. Die Gebärdeder Möbel heißt nicht „denMenschen“, sondern nur dessenAbartigkeit, wie sie seinerzeitBoris Karloff legendär verkör-pert hat, willkommen.«

Wolfgang Bachmann:Die Architekturvorstel-lungen der Anthroposo-phen: Versuch einerDeutung und Wertung.Dissertation zur Kunstge-schichte, TH Aachen,1981.

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Erste Annäherung.Zugegeben, angesichts der grau verhangenen Abbildung

mit den offensichtlich monströs klobigen Anthroposophen-Möbeln aus den Ende-Zwanziger, Anfang-Dreißiger Jahrenassoziierte ich gleichfalls ein Frankenstein-Interieur.1 Vor denOriginalen allerdings musste ich den ersten Eindruck stau-nend revidieren, denn in Wirklichkeit waren Schrank und Ses-sel vergleichsweise klein, der Stuhl geradezu zierlich, die Ober-flächen hell und warm im Holzton des geflammten Birken-furniers.

So fiel denn der Bildwechsel nicht gar zu überraschendaus, als ich einen der »Frankensteinstühle« unter denjenigenAbbildungen entdeckte, die gegenwärtig als »Highlights in-ternationaler Wohnkultur« für die Zeitschrift AD ArchitecturalDigest Abonnenten werben. Das Foto stammt aus einem frü-heren AD-Artikel (1/2-1997/98) über das Wohnatelier desMalers Helmut Federle, worin der kubistische Stuhl vor ei-nem Art-déco-Schreibtisch repräsentierte. Die Bildlegende derganzseitigen Farbabbildung im Artikel klassifiziert: »Stuhlaus der Dornach-Schule«. Hier »Highlight internationalerWohnkultur« aus der Dornach-Schule, dort Verkörperungmenschlicher »Abartigkeit«, die man »nicht ernsthaft klassi-fizieren« könne?2 Wie kommt es zu diesen extrem unterschied-lichen Beurteilungen?

Wer sich dem Phänomen Rudolf Steiner designgeschicht-lich3 bzw. kunstwissenschaftlich nähert, wird mit einer Lite-ratur der harten Schnitte konfrontiert. Ein gegenwärtiger»Stand der Forschung« lässt sich schwerlich ausmachen: DieProbleme beginnen bei der längst nicht vollständig geleiste-ten Gegenstandserfassung der Werke Steiners und spitzensich bei der Gegenstandsdeutung extrem zu. Die Empirie istgegenüber der Hermeneutik freilich das kleinere Problem.Schon wer sich mehr als nur lexikalische Daten zur Biogra-fie Steiners verschaffen will, um etwas über Steiner als Künst-ler zu erfahren, begegnet Charakterisierungen, die sich schein-bar nicht auf dieselbe Persönlichkeit beziehen können. Deneinen erscheint der Begründer der anthroposophischen Be-wegung als bewundernswerter Uomo universale, als scharf-

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sinniger Philosoph, Architekt, Plastiker, Maler und Dichter,als hellsichtiger Visionär, Forscher und innovativer Impuls-geber auf so unterschiedlichen Gebieten wie ökologischemLandbau, alternativer Pädagogik und Medizin, – und als gro-ßer Eingeweihter. Ein anderer dagegen meint: »Der Begrün-der der anthroposophischen Bewegung war als Dichter einstümpernder Epigone, als Mystiker ein Hochstapler, als Phi-losoph eine Null, als Naturforscher ein Scharlatan und nurals Sektenpriester ein Genie.«4 Und für eine wissenschaftli-che »Würdigung« sei allein die Psychiatrie zuständig: »Wie

Foto Architectural Digest

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Erstes Goetheanum

Hitler, dessen Weltanschauung der anthroposophischen man-ches zu verdanken hatte, trieben auch Steiner paranoideWachträume, Strafphantasien und das Verlangen nach Ra-che um.«5

Braun-Rechts?Schnitt.Rot-Links: Im Kursbuch (55) über Sekten wurde unter

dem Titel Astral-Marx (gemeint ist Steiner) ausführlich undpositiv über die vielfältigen Gemeinsamkeiten der Anthropo-sophie mit dem Marxismus resümiert.6 Die faschistische Pres-

se der Dreißiger Jahrekennzeichnete die Anthro-posophie des »Juden«Steiner beispielsweise wiefolgt: »Ein Sammelbeckengetarnter Mächte ist dieAnthroposophie RudolfSteiners. Neuerdings zie-hen sich dort die intellek-tuellen Marxisten undsonstige Überstaatliche zu-sammen. [...] Es hat keinenSinn mit Anthroposophen

zu verhandeln. Mit Bakterien verhandelt man nicht, man ver-nichtet sie.«7 Der Untersuchungsbericht eines damaligenNazi-Inquisitors an den Reichshauptführer SS stellt fest: »Dieanthroposophische Gesellschaft [kennt] in ihren brüderlichenReihen keinen Unterschied in Rasse, Religion, Geschlechtund Farbe. [...] Eine Gleichschaltung oder Einordnung inbestehende nationalsozialistische Organisationen muss da-her undenkbar erscheinen.«8

Schließlich hatte schon 1921 Adolf Hitler die Idee der»Dreigliederung des sozialen Organismus« des damals poli-tisch aktiven Steiner als eine der »jüdischen Methoden zurZerstörung der normalen Geistesverfassung der Völker«9 apo-strophiert. Steiner wiederum soll nach dem Bekanntwerdendes Putschversuchs von Ludendorff und Hitler geäußert ha-ben: »Wenn diese Herren an die Regierung kommen, kann

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Zweites Goetheanum

mein Fuß deutschen Boden nicht mehr betreten.«10

Je nach negativem oder positivem Vorzeichen einer Pu-blikation können Steiner-Zitate hier zum einen, Steiner-Zita-te dort zum polar entgegengesetzten Urteil aufrufen.11 Hagi-ographie und Diabolisierung wechseln. Für eine wissenschaft-liche Annäherung stellt manche Literatur über Steiner eingrößeres Problem dar als die esoterischen Vorträge vonSteiner selbst.12 Wer sich kunsthistorisch für Steiners Kunstinteressiert und auf Entdeckungsfahrt begibt, benötigteinerseits Basiswissender philosophischen, wieanthroposophischenSchriften Steiners, undseitens der kontroversenDarstellungen überSteiner ein diagnostischesGespür für wissenschaft-liche Seriosität jenseitsoder trotz sympathischerrespektive antipathischerFärbungen – man machesich auf eine klippenrei-che Odyssee gefasst.

Ein Beispiel aus dem aktuellen kunstwissenschaftlichenDiskurs mag demonstrieren, dass Warnungen durchaus an-gebracht sind. Wenn der Architekturhistoriker WolfgangPehnt das zweite Goetheanum bezeichnete als »eine der groß-artigsten architekturplastischen Erfindungen, die das 20. Jahr-hundert aufzuweisen hat.«13, so spricht der KunsthistorikerBeat Wyss vom ersten Goetheanum als »hölzernem Unge-tüm« und legt dem zweiten Goetheanum die spöttische Asso-ziation eines Affenschädels bei. Im Goetheanum-Kapitel sei-nes Buches Der Wille zur Kunst: Zur ästhetischen Mentali-tät der Moderne demonstriert Wyss, wie man auf anthropo-sophischen Gewässern kunstwissenschaftlichen Schiffbrucherleiden kann. Eine erste Klippe bietet das faktische Zahlen-material. Es kursieren falsche Zahlen und daran gebundeneirrtümliche »Fakten«. Auch bei Wyss.14

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Rudolf Steiner:Menschheitsrepräsentant,Deckengemälde, Detail

Eine zweite Klippe bietet die Ikonografie anthroposo-phischer Kunst, die sich ohne Kenntnisse der Anthroposo-phie nicht entschlüsseln lässt. Beispiel Wyss:

»Kandinsky wird auch das Deckengemälde imersten Bau des Goetheanums gekannt haben, dasMichelangelos Erschaffung des Adams zitierte. Esbefand sich an der Stirnseite über dem Altar und zeig-te ›den Menschheitsrepräsentanten‹, der mit ausge-strecktem Arm den Finger Gottes berührt. Gottvaterwar, wie in der Sixtina, umflort von einer kreisförmiggeblähten Toga. Der Menschheitsrepräsentant trug– diese maliziöse Bemerkung kann man sich kaumverkneifen – die Züge Rudolf Steiners. Das hohe Sen-dungsbewusstsein war denn auch der Grund, war-um der Prophet sich selbständig machte. Der Bruchmit der Theosophischen Gesellschaft im Jahr 1913erfolgte nach einem Streit um die Reinkarnation desMessias. Helena Blavatsky und Annie Besant, diebeiden Religionsstifterinnen, hatten als geistige Pro-phetenmütter einen Heilsbringer zur Welt gebracht:Jiddu Krishnamurti, einen damals 13jährigen indi-schen Knaben, der die Menschheit erlösen sollte.Steiner, Helena Blavatskys Sekretär, sah sich als Pro-pheten-Mann übervorteilt, wandte sich ab und grün-dete die Anthroposophische Gesellschaft. Wir habenhier den kuriosen Fall, dass eine folgenreiche Geis-tesgemeinschaft aus männlichem Gebärneid geschaf-fen wurde.«15

Der erste Blick auf die Reproduktion mag eine formaleAnspielung auf die Erschaffung des Adams erkennen, dochdas Deckengemälde zitiert Michelangelo gewiss nicht so, wieWyss meint, denn es zeigt den Menschheitsrepräsentanten(Christus) als stehende Figur, die mit dem nach oben erhobe-nen Arm nicht von Gottvater berührt wird, sondern die ei-nen Teufel abweist (»berührt« wird nicht). In Steiners eige-ner Interpretation:

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Die Zeichnung von William ScottPyle zeigt die beabsichtigteAufstellung der von Steinergeschnitzten Figur desMenschheitsrepräsentantenunterhalb der gemalten.

»Der nach oben gehende Arm mit der Hand geht zuLuzifer hinauf [...] Es ist also das Luziferische dasjenige,was im Menschen über seinen Kopf hinausstrebt, das Schwär-merische, dasjenige was uns dadurch unserem eigentlichenMenschentum entfremdet, dass es uns weltenfremd, boden-los macht.«16

Weiter irrt Wyss, wenn er selbstredend vom Gemälde»über dem Altar« spricht. Wo Wyss einen Altar wähnt unddadurch den anthroposophischen Tempel suggeriert, war dieAufstellung des Menschheitsrepräsentanten als große Holz-skulptur geplant.17 »Nichts« spricht dafür, dass Kandinskyjenes Deckengemälde gekannt habe, aber »Alles« dagegen,und an der »maliziösen Bemerkung«, das Antlitz der Chris-tus-Figur trage Steiners Züge, scheint mir allein das Malizi-öse richtig.18 Schließlich bietet die zitierte Stelle ansatzweisenoch ein Beispiel für ikonologischen Schiffbruch aufgrundmangelnder Kenntnis der theosophischen beziehungsweiseanthroposophischen Gesellschaftsgeschichte: Weder zumZeitpunkt der Gesellschaftsgründung 1912, noch zu einemanderen Zeitpunkt hätte Steiner Blavatskys Sekretär sein kön-nen. Helena Blavatsky, die 1875 zusammen mit H.S. Olcott(nicht mit Annie Besant, die sich erst 1889 an Blavatskyanschloss) die Theosophische Gesellschaft (nicht als »Reli-gionsstiftung«) begründete, verstarb am 8. Mai 1891 ohne jeBekanntschaft mit Steiner oder Krishnamurti gemacht zuhaben.

Belegt ist auch, dass Steiner die Erwartungen Besantsan Krishnamurti schlicht für Unsinn hielt, geschweige denneinen Konkurrenten in ihm erblickte und von »Gebärneid«gleich mehrfach keine Rede sein kann. Die Vorgänge derBegründung der Anthroposophischen Gesellschaft und derTrennung von der Theosophischen sind komplex. Die histo-rischen Dokumente sprechen dafür, dass Steiner eher zurück-haltend war, und in erster Linie die anderen Vorstandsmit-glieder auf eine Trennung hinwirkten – schon vor LeadbeatersKrishnamurti-»Entdeckung«.19

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Nicht das gesamte Steiner-Kapitel ist von der Art desuntersuchten Textbeispiels, wenngleich das verzeichneteNegativbild Steiners unter Kunsthistorikern nachhaltig be-eindruckt haben dürfte.20 Wyss liefert eine ikonografischeDeutung der Goetheanumbauten, wonach sich der erste Bauauf die Metamorphose der Pflanzen, der zweite auf die Me-tamorphose der Tiere (nach Goethe) beziehe, – darüber hin-aus die zentrale Aussage, dass die Kunst Steiners auf derHöhe der Avantgarde zu diskutieren sei.

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Rudolf Steiner um 1891/92,Radierung von Otto Fröhlich

Zweite Annäherung.Die Paradigmen der Moderne rahmten ein Bild von Kunst

mittels einer Kunstgeschichte, die sich als theoretische Rah-men-Konstruktion postmodernerweile selbst dekonstruierthat. Was außerhalb des Fassungsrahmens lag, rückte insBlickfeld: singuläre Außenseiterkunst, pluralistische Welt-kunst. Seit dem Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts hatder Außenseiter RudolfSteiner eine gewisse Anzie-hungskraft auf Künstler aus-geübt, provozierte jedochzunächst eine eher abstoßen-de Wirkung bei Kunstkriti-kern und Kunsthistorikern.Als Okkultist trat Steiner zujener Zeit an die Öffentlich-keit, da er selbst als Kunst-kritiker publizierte und zahl-reiche Vorträge über Ästhe-tik und Kunstgeschichtehielt.21

Vermutlich gerät ein Kunstkritiker nicht zuletzt in Kol-legenkreisen zum Außenseiter, wenn er unversehens zum Phi-losophen einer theosophischen Esoterik und schließlich garzum – wie anders als: dilettierenden? – Künstler seiner an-throposophischen Weltanschauungskunst mutiert. Bei vielenwird Steiner eben diesen Eindruck hervorgerufen haben. Ausanderer Sicht begann der Knick einer beachtlichen Karriereins Außenseitertum schon früher: Der junge Steiner hatte sichin den Kreisen der offiziellen Wissenschaft als Goethe-Ge-lehrter profiliert: schon als 23-jähriger Stipendiat an der tech-nischen Hochschule in Wien (mit den StudienschwerpunktenMathematik, Physik, Chemie, Botanik und Zoologie) wurdeer zum Erstherausgeber der gesamten naturwissenschaftli-chen Werke Goethes in Kürschners Deutscher National-Li-teratur berufen und fand mit seinen wissenschaftsphiloso-phischen Einleitungen und Kommentaren viel Beifall.

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Während seiner Tätigkeit am Weimarer Goethe- undSchiller-Archiv promovierte22 Steiner, verließ jedoch in Berlindie Kreise der akademischen Gelehrtenwelt und verkehrtemit Literaten und Publizisten der Freien Literarischen Ge-sellschaft, den Friedrichshagenern, mit jenen Gruppierun-gen, in denen Darwinismus, Sozialismus, Anarchismus undFrauenemanzipation neben experimenteller Literatur undDramatik Gesprächsthema waren. Der Verfasser einer Phi-losophie der Freiheit bezeichnete sich als »individualisti-schen Anarchisten«, als »Gesinnungsgenossen« von JohnHenry Mackay, dem Herausgeber der Schriften Max Stirners.Er fand sich beispielsweise mit Paul Scheerbart, dem Ver-fasser der Glasarchitektur, am Verbrechertisch im Restau-rant Zur alten Künstlerklause. »Dorthin verirrte sich keinBerliner Professor«23.

Die von der Großbourgeoisie favorisierten Künstlerkrei-se, wie die Berliner Sezession, blieben ihm fremd. Als Re-dakteur und Herausgeber des Magazins für Litteratur undder Dramaturgischen Blätter avancierte Steiner auch zumprogressiven Kunstkritiker, der sich energisch gegen reakti-onär-normative ästhetische Ansichten äußerte.

Er war befreundet mit dem jüdischen Dichter LudwigJacobowski; verfasste Artikel für die »Mitteilungen des Ver-eins zur Abwehr des Antisemitismus«; schloss sich dem Kreisder Kommenden an, wo er mit Else Lasker-Schüler und KätheKollwitz verkehrte; unterrichtete an der von Wilhelm Lieb-knecht gegründeten Arbeiterbildungsschule, sowie an derFreien Hochschule, der ersten Volkshochschule Deutsch-lands. Steiner gehörte mit dem Naturwissenschaftler ErnstHaeckel und Bruno Wille, dem Herausgeber der ZeitschriftDer Freidenker, zum Vorstand des monistischen GiordanoBruno-Bundes.

Hinsichtlich der regierenden politischen Anschauungenkonnte er, in einem zu Zeiten der Bismarck-Euphorie geschrie-benen Nachruf auf Bismarck, politisch so brisante Sätze for-mulieren wie: »Bismarck verdankt seine Erfolge dem Um-stand, daß er seiner Zeit niemals auch nur um wenige Jahrevoraus war.« Dogmatische Konfessionen jeglicher Art lehn-

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te Steiner ab. Einmal nach seinem persönlichen Motto ge-fragt, notierte Steiner mit drei Ausrufezeichen versehen: »AnGottes Stelle den freien Menschen!!!« Über zeitgenössischeÄußerungen von Theosophen urteilte der spätere Generalse-kretär der deutschen Sektion der Theosophischen Gesell-schaft: »nichts als Redensarten, die den morgenländischenSchriften entlehnt sind, ohne eine Spur von Inhalt. Die inne-ren Erlebnisse sind nichts als Heuchelei.«24

Man kann gut verstehen, dass Rainer Maria Rilke demHerausgeber des Magazins für Litteratur ein Rezensionse-xemplar seiner Prager Geschichten gesandt hat, – und ebensogut, dass er sich vom Theosophen und späteren Anthroposo-phen Steiner distanzierte. Wer sich denn überhaupt kritischmit dem Okkultismus der Theosophen befasst hatte und zueinem nur annähernd ähnlich vernichtenden Urteil wie an-fänglich Steiner selbst kam, der mag – sofern er Steinersvoranthroposophische Schriften kannte – über dessen Sin-neswandel rätseln, wird aber wenig Lust verspürt haben, wei-tere, nun vermeintlich Steinersche Kompilationen »esoteri-scher Weisheiten« zu studieren. In den Kreisen renommier-ter Wissenschaftler fand die mit dem Anspruch einer Geis-teswissenschaft auftretende Anthroposophie mit wenigenAusnahmen keinen Zuspruch.25 Steiner wurde wissenschaft-lich indiskutabel – auch für Kunsthistoriker: also schwiegdie Kunstgeschichte. Von Haus aus Naturwissenschaftler,Philosoph, Publizist, schließlich anthroposophischer Welt-anschauungslehrer und Reformer auf allen erdenklichen Le-bensgebieten erschien Steiners Kunst lange nicht als Kunsteines Künstlers, sondern meistenfalls als Gesamtkunstwerk-Kuriosum des anthroposophischen Uomo universale,schlimmstenfalls als pathetisches Sektenführer-Elaborat.Soweit der mainstream derer, die überhaupt vom künstleri-schen Werk Steiners Kenntnis hatten.

Aber nicht allein Rilke bereitete es Kopfzerbrechen, wes-halb hervorragende Intellektuelle und Künstler – vor allemKünstler – sich weiter mit Steiner befassten, noch dazu aufdie Gefahr hin, sich zu kompromittieren und die wissenschaft-liche, beziehungsweise künstlerische Karriere zu gefährden

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Erstes Goetheanum

oder für den Dienst an der anthroposophischen Sache gänz-lich aufzugeben. Nicht wenige, heute unbekannte, seinerzeiterfolgreiche junge Künstler, wandten sich vom Kunst- be-ziehungsweise Literaturbetrieb ab – und Steiner zu, wie bei-spielsweise der Bildhauer Jaques de Jaager, den die zeitge-nössische Kritik mit Rodin verglich, oder die russische Ma-lerin Margarita Woloschin oder der Schweizer Dichter Al-bert Steffen, den Rilke persönlich kannte und hoch schätzte:»Seine Feder ist eine der wenigen ganz verantwortlichen undreinen, ich möchte nichts versäumen, was aus ihr hervorgeht[...]«.26

Der Dichter und Schriftsteller Alexander von Bernus,der sich in einer Lebenskrise an Steiner um Rat gewandt hat-te, setzte sich für ihn ein. Für dessen Kulturzeitschrift DasReich lieferten Steiner und Rilke Beiträge; in dessen Münch-ner Kunsthaus Das Reich wurden zahlreiche anthroposophi-sche Vorträge gehalten.27 Christian Morgenstern (der Dich-ter bekannter Werke wie den Galgenliedern) nahm für SteinerPartei und vollzog gleichfalls eine anthroposophische Wen-de in seiner Dichtkunst. Max Brod und Franz Kafka hörtenin Prag Steiners Vorträge. Kafka suchte Rudolf Steiner aufund sprach mit ihm über seine Lebenslage, seine Dichtungund sein Verhältnis zur Theosophie. Steiner fand Zuspruchim Kreis der russischen Symbolisten, von denen Andrej Belyjein enger Mitarbeiter am ersten Goetheanum in der DornacherKünstlerkolonie wurde. Die schwedische SchriftstellerinSelma Lagerlöf schätze Rudolf Steiner, überschätzte damalsaber dessen Anerkennung seitens der Schulwissenschaften:»In einigen Jahren wird seine [Steiners] Lehre von den Kan-zeln verkündet werden.«28

Hermann Hesse und Wilhelm Lehmbruck unterzeichne-ten Steiners öffentlichen Nachkriegsaufruf.29 Oskar Schlem-mer hatte Tuchfühlung genommen. Paul Klee las Steiner –mit kritischer Distanz.30 Wassily Kandinsky befasste sich epi-sodisch mit theosophisch-anthroposophischen Schriften:Steiner-Annotationen in seinem Notizbuch (um 1906) bele-gen es.31 Neben Kandinsky zählte auch Alexej Jawlensky zuden Hörern von Steiners Vorträgen. Überliefert ist eine per-

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Zweites Goetheanum

sönliche Begegnung, wonach sich Jawlensky ratsuchend anSteiner gewandt habe.32 In einem Brief an Steiner bekundetePiet Mondrian, er habe viele anthroposophisch-theosophi-sche Bücher gelesen und bat um Steiners Urteil über seinedem Brief beigelegte Schrift »Le Neoplasticisme«. Auch derTempelbau-Visionär Fidus bemühte sich um näheren Kon-takt zu Steiner, in der Hoffnung ihn für die Mitarbeit aneinem geplanten Bau zu gewinnen.33 Der Architekt RichardNeutra, seinerzeit Bürochef bei Erich Mendelsohn und spä-ter Pionier der Moderne in den USA, hatte in Wien Vorträ-gen Steiners beigewohnt, lud ihn in einem Brief zur Besich-tigung des bekannten Einstein-Turmes ein und wünschte dieseBaukunst mit Steiners allgemeiner »geistigen Bewegung inBeziehung zu bringen«. Da Neutra in jenem Brief vom5.3.1923 das Brandunglück von Steiners erstem Goethea-num bedauerte, waren Neutra und wohl auch Mendelsohnmit Steiners Bau bekannt, der schon vor den ersten Skizzenzum Einsteinturm aufgerichtet war.

Im Architektenkreis Gläserne Kette, unter den Freun-den von Bruno Taut, »sympathisierten« Hermann Finsterlinmit Theosophie beziehungsweise Anthroposophie, sowie PaulGösch, der sich theoretisch und formal deutlich im Geistedes ersten Goetheanums äußerte. Le Corbusier besuchte daszweite Goetheanum im Jahre 1926, und stand nach einemBericht des Ingenieurs Ole Falk-Ebell »sprachlos« vor demannähernd fertiggestellten Rohbau. Falk-Ebell glaubte, dassLe Corbusiers starker Eindruck von Steiners Betonbau sichspäter in der berühmten Kapelle Notre Dame du Haut inRonchamp niedergeschlagen habe.34

»Okkult« war Steiner in mehrfachem Sinne, denn alsKünstler wurde er bis in die sechziger Jahre des 20.Jahrhun-derts mit wenigen Ausnahmen in kunst- und architekturhis-torischen Publikationen ignoriert. Architektur, Plastik, Ma-lerei, Graphik und Design Steiners blieben ungenannt, unbe-kannt, verborgen im abgelegenen Dornach.35 Insofern mussdas Goetheanum in Dornach bei Basel ein Geheimtipp ge-wesen sein: Von Architekten, die das zweite Goetheanum be-suchten, erhielt es Zuspruch und »Komplimente«: darunter

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von Henry van de Velde, Frank Lloyd Wright, Hans Scharounund jüngst von Frank Gehry.36 In den fünfziger Jahren, jenerschwungvollen Phase der Opposition wider den doktrinärenFunktionalismus der Moderne, schrieb der Architekt RudolfSchwarz in der Zeitschrift Baukunst und Werkform:

»Nun ist aber sicher, daß Konstruktivisten undFunktionalisten stets nichts waren als Sekten, mitdem jeder Sekte innewohnenden Gesetz, immer mehrErscheinungen der Wirklichkeit als den anerkanntenDogmen widersprechend abzulehnen. Auf diese Wei-se hatte sich ein ziemlich verschrobenes Bild der Ar-chitekturgeschichte ergeben, auf deren Seiten nurnoch verzeichnet wurde, was zu den anerkanntenDogmen paßte, während alles andere totgeschwie-gen wurde. Noch vor dreißig Jahren zeigte die Bau-kunst eine sehr lebendige und hoffnungsvolle Pola-rität. Damals baute Mendelsohn seinen Einstein-Turm, Behrens sein Höchster Verwaltungsgebäudeund seine ›Dombauhütte‹, veröffentlichte Finsterlinseine Architekturskizzen, die wie große Tiere waren,baute Steiner die beiden Goetheanäen in Dornach[...].«37

Seit den sechziger Jahren haben vor allem die Architek-turhistoriker – Dennis Sharp für die englischsprachigen,Eduard Trier und Wolfgang Pehnt für die deutschsprachigenFachkreise – auf Steiners »totgeschwiegenen« Beitrag zurKunstgeschichte des 20. Jahrhunderts aufmerksam gemacht.38

In Sharps Büchern Modern Architecture and Expressionism(worin Steiners Bauten in einem eigenen Kapitel vorgestelltwurden) und Visual History of Twentieth- CenturyArchitecture, die auch in deutscher Ausgabe erschien, hörteman – angesichts der Superlative – mit Staunen vom Archi-tekten Rudolf Steiner: »The Goetheanum II [...] was theworld’s largest raw concret building [...110 000 cbm um-bauter Raum, R.J.F.]. It remains one of the most amazingtechnical achievments of the twentieth century as well as one

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of its aesthetic curiosities.«39 Passend dazu fügte sich PehntsCharakteristik vom zweiten Goetheanum als »eine der groß-artigsten architekturplastischen Erfindungen, die das 20. Jahr-hundert aufzuweisen hat.« Pehnt berichtet von HansScharoun, der behauptete »das Goetheanum sei der bedeu-tendste Bau der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts«.40 AuchPehnt spricht vom »genialen Außenseitertum« Steiners, des-sen Schöpfungen »das irritierende Bild einer kunstgeschicht-lich nahezu isolierten Unternehmung« bieten – im »Gegen-satz zur herrschenden Doktrin der zwanziger Jahre«. Ent-sprechend stellt Sharp fest: »The expressionist work of Steinerdefies normal critical evaluation.« – »Steiner’s work fallsinto no stylistic category«.

Fachzeitschriften wurden auf Steiners Bauten aufmerk-sam: 1964 heißt es im New Yorker Architectural Forum,dass Steiner »Le Corbusiers plastischen béton brut um 30Jahre und mehr vorweggenommen habe.« – ein Jahr späterin der ebenfalls New Yorker Progressive Architecture: »DerBau ist in stilistischer Hinsicht unklassifizierbar.«41 1980 er-schien in einer populären Ausgabe die erste Monographie(außerhalb eines anthroposophischen Verlags) über RudolfSteiner und seine Architektur, worin es im ersten Absatz desVorworts von den anthroposophischen Bauten wiederumheißt, sie »blieben aber Außenseiter, da sie in die Vorstellun-gen der vorherrschenden Architekturtheorie und -kritik nichteinzuordnen waren.«42

Warum das »irritierende Bild«? Warum widersetzt sichdie Kunst Steiners »normaler« kunsthistorischer Beurteilung?Was meint »ästhetische Kuriosität«? Ästhetisch kurios undkunstgeschichtlich isoliert erscheint vielleicht weniger die vi-suelle Ästhetik der – immerhin expressionistisch definierten– Architektur, als vielmehr deren ästhetisch-theoretische,sprich fundamentale Bindung an die Anthroposophie. Dietheoretischen Fäden zum Verständnis der Goetheanumbauten,wie der Steinerschen Kunst überhaupt, sind einverwoben inden anthroposophischen Gedankenkosmos, dessen wissen-schaftshistorisch überwiegend pejorative Beurteilungen –Steiner als Kompilator, als Esoterik-Synkretist – für eine

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Rudolf Steiner:Wandtafelzeichnung

kunsthistorische Bearbeitung wenig einladend klingen unddie oft genug nichts anderes sind als gelehrt ausgedrückte

Versionen der naiven Kurzformel»Anthroposophie gleich Sekte gleichHumbug«. Eine fundierte Urteilsbil-dung verlangt, dass sich der Kunst-wissenschaftler in die Rudolf SteinerGesamtausgabe mit etwa vierhundertBänden einlese. Zudem sind zahlrei-che wichtige Publikationen anthropo-sophischer Autoren zum künstleri-schen Werk Steiners erschienen, dieunverzichtbares Quellenmaterial be-inhalten, jedoch teilweise wissen-schaftlichen Ansprüchen nicht genü-gen, beziehungsweise in anthroposo-phischer Fachterminologie von An-

throposophen für Anthroposophen verfasst wurden.43

Eine ikonografische Analyse der Kunst Steiners forderteine gründliche Kenntnis der anthroposophischen Literatur:Lohnt die zeitraubende Expedition ins Okkulte? Wer sichdaran versucht hat, weiß, wie weit verstreut und in welchunvermuteten Zusammenhängen kunstrelevante Stellen imGesamtwerk auftauchen. Wer als Kunstwissenschaftler oderKünstler jahrzehntelang Steiner liest, wird sich (mit der Ge-samtausgabe noch lange nicht) am Ende selbst fragen odersich fragen lassen müssen, ob er denn mittlerweile Anthro-posoph sei oder nicht. Als man Joseph Beuys, in dessen Nach-lass sich gegen hundert Schriften von Rudolf Steiner befin-den, 1985 diese Frage stellte, antwortete er: »Ja, wahrschein-lich bin ich einer.«44

Beuys-retrospektiv kam zum Jahrhundertende eine zwei-te Welle der Entdeckung des Künstlers Rudolf Steiner in Be-wegung. Im Hinblick auf die anthroposophische Malereisprach der Kunsthistoriker Andreas Mäckler 1989 noch pro-vokant von »Verdrängungsprozessen« der Kunsthistoriker,davon dass »Fakten aus bisher mehr als siebzig Produkti-onsjahren in der allgemeinen Kunstgeschichtsschreibung

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Rudolf Steiner:Deckenmalerei ausgeführtin Pflanzenfarben , erstesGoetheanum

schlichtweg ignoriert« worden seien.45 Doch 1992, initiiertvon dem Künstler Walter Dahn und dem ehemaligen BeuysAssistenten Johannes Stüttgen, stellte die bekannte KölnerGalerie Monika Sprüth erstmals (außerhalb Dornachs) zahl-reiche jener großformatigen Wandtafelzeichnungen aus, dieRudolf Steiner während vieler seiner Vorträge angefertigt hat-te. Die Werkbezüge zum »Vortragskünstler« Beuys wurdennun augenfällig.

Die Resonanz in der Kunstwelt darf erstaunen: anschlie-ßende Ausstellungen im Verlauf nur eines Jahres wurden rea-lisiert im Frankfurter Portikus, im Lenbachhaus München,in der Albertina Wien, im Kunstmuseum Bern und imFridericianum Kassel. Mit den Wandtafelzeichnungen gerietSteiner neu in das Blickfeld der Kunstkritiker, Kunsthistori-ker und der Kunstöffentlichkeit – diesmal nicht als inspirie-render Autor oder als Architekt, sondern als (wiederum dieDefinitionen irritierender) Zeichner, als Maler – und nichtnur innerhalb eines relativ kleinen Fachpubli-kums, sondern mittlerweile innerhalb der westernart Weltkunstszene (durch weitere Ausstellun-gen in Venedig, Prag, Berkely, New York, undTokyo). Mehrere begleitende Kataloge erschie-nen, in den Feuilletons würdigten renommierteKunstkritiker Steiners Zeichnungen. Beuys ak-tualisiert Steiner betitelte Dieter Koepplin einenKatalogbeitrag. Günter Metken thematisierteRudolf Steiners Ästhetik in Theorie und Praxisin demselben Katalog (gleichlautend erschienenals Nachwort zu dem 1995 neu herausgegebe-nen Band der Rudolf Steiner GesamtausgabeKunst und Kunsterkenntnis: Grundlagen einerneuen Ästhetik).46 Teilweise wurden in den Pu-blikationen neben den Wandtafelzeichnungen auch weitere,vordem unbekannte, grafisch-malerische und skulpturaleWerke des Künstlers Steiner abgebildet. Davon waren au-ßerhalb des Goetheanums erstmals 1995 zahlreiche Origi-nale innerhalb der großen Ausstellung Okkultismus undAvantgarde in der Frankfurter Schirn zu besichtigen.47

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Der amerikanische Schriftsteller Saul Bellow spricht inseinem Roman Humboldt’s Gift von dem »berühmten, abermißverstandenen« Rudolf Steiner. Der NobelpreisträgerBellow verfasste eine Einführung zur amerikanischen Über-setzung von Steiners Grenzen der Naturerkenntnis und ihreÜberwindung, in der Hoffnung, »daß dies mithelfen könnte,in der allgemeinen Kulturwelt ein gewisses Interesse fürSteiners Gedanken und Problemstellungen zu wecken«.48

Steiners »Berühmtheit« darf man heute gewiss behaupten;was aber wissenschaftliches Verstehen oder Missverstehenvon Steiners epistemologischen und künstlerischen Problem-stellungen anbelangt, scheiden sich noch immer die Geister.Meist gilt: An Geistern scheiden sich die Geister. Man »sieht«sie, oder man sieht sie nicht.

Von hypothetischen »morphologischen Feldern« oder»good vibrations« ist bei Steiner nicht die Rede, schon garnicht von planetarischen Feuerbällen oder unbehausten Ma-teriekonglomeraten im leeren Weltraum. Steiners Anthropo-sophie ist weder abstrakt noch materialistisch, er beschreibtkonkret die übersinnlichen Farben und Formen der mensch-lichen Aura, unsichtbare Elementarwesen, die Pflanzen mit-schaffen und Kunstwerke bewohnen, nennt Engel bei Na-men, kennt die nachtodlichen Wege der Verstorbenen undweist auf die klingend bunte Fülle himmlischer Planetenbe-wohner samt ihrer dicht gedrängten Ströme von Stern zuStern.

Der argentinische Schriftsteller Jorge Luis Borges räso-nierte nach der Lektüre von Steiners Geheimwissenschaftim Umriß: »Hat Rudolf Steiner diese Dinge geträumt? Hater sie geträumt, wie sie einmal, zu Anfang aller Zeiten ge-schehen sind? Es steht jedenfalls fest, dass sie viel erstaunli-cher sind als die Demiurgen und Schlangen und Stiere ande-rer Kosmogonien.«49 Fest steht auch, dass Steiner »Kosmo-gonie« in Form anthroposophischer Ideen und in Formen undFarben seiner Kunst ausdrückte. Saul Bellow sprach vommissverstandenen Steiner, aber kann man die anthroposo-phischen Imaginationen überhaupt verstehen?50 Kann manverstehen, dass ein unkonventioneller Wissenschaftler, scharf-

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denkender Philosoph und progressiver Publizist zum Hellse-her »mutiert«? Hat Steiner den Verstand verloren und fingan zu »träumen«? Seine Biografie zeigt, dass von einem plötz-lichen visionären Damaskus keine Rede sein kann. Hellsich-tige Erlebnisse hatte Steiner von Kindheit an, wie er späterverschiedentlich berichtete. So »sah« er als Siebenjährigerden Tod seiner weit entfernt lebenden Tante im inneren Bild,lernte aber an den Reaktionen der Umgebung rasch, dassman derartige Erlebnisse besser für sich behält.51

Erst im Kreise der Theosophen stieß Steiner auf Men-schen, die Verständnis für seine übersinnlichen Erlebnissezeigten. An das Anliegen der Theosophischen Gesellschaft,nämlich an den allen Weltreligionen gemeinsamen esoteri-schen Wurzeln zu forschen, konnte er seine eigene wissen-schaftliche Herangehensweise, seine von ihm als »Geistes-wissenschaft« bezeichnete Anthroposophie anknüpfen.Steiners Biografie zeigt andererseits, wie früh und intensiver sich mit Wissenschaften (im üblichen Sinn) befasste; erliebte als Kind Geometrie und Mathematik, worin er außer-ordentlich begabt war. Zu den ersten Büchern, die Steinersich von eigenem Geld kaufte, gehörten Mathematikbücher,woraus er sich Differential- und Integralrechnen aneignete,bevor er sie schulmäßig lernte. Als Sechzehnjähriger las erim Geschichtsunterricht heimlich Kants Kritik der reinen Ver-nunft, deren einzelne Lagen er in sein Geschichtsbuch gehef-tet hatte.52

Durch Steiners Leben ziehen sich früh zwei Erlebnis-beziehungsweise Fähigkeitspole, die er später mittels Anthro-posophie zu verknüpfen suchte, und deren wissenschaftlich-philosophische Komponente er auch nach der Veröffentli-chung theosophisch-anthroposophischer Schriften weiterverfolgte. Nach dem Erscheinen seiner grundlegenden Schil-derungen übersinnlicher Erfahrungen wie Die Geheimwis-senschaft im Umriß (1910), veröffentlichte er seine zwei-bändige Philosophiegeschichte Die Rätsel der Philosophiein ihrer Geschichte als Umriß dargestellt (1914). Immerwieder betonte er die Notwendigkeit einer mathematisch-na-turwissenschaftlichen Bildung als beste Voraussetzung für

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ein Verständnis der anthroposophischen Geisteswissenschaft.Vor dem ursprünglichen Lehrerkollegium der Waldorfschulehielt er über vierzig Vorträge über Naturwissenschaft. »Be-merkenswert ist u.a., daß er in einem dieser Vorträge schonim Jahre 1920 eine Differentialgleichung für Lichtwirkun-gen entwickelte, die erst drei Jahre später von ErwinSchrödinger „neu“ entdeckt wurde. Sie spielte als Grundla-ge der Quantenphysik in der modernen Naturwissenschafteine nicht unbedeutende Rolle.«53

Der renommierte amerikanische Quantenphysiker ArthurZajonc würdigte jüngst in einem physik- und kulturgeschicht-lichen Buch »Rudolf Steiners Lichtmetaphysik«, in dem erSteiner als einen Denker respektierte, der »mit dem einenFuß in der spirituellen, mit dem anderen in der Welt der Wis-senschaft [stand].«54 Hier ist weder der Raum, um auf Steinersspirituellen Kosmos, noch auf weitere zahlreich vorhandenerational-wissenschaftliche und rational-pragmatische Leis-tungen auf anderen Gebieten einzugehen, – hervorgehobensei das phänomenal korrelierende, schöpferische Agieren aufden gemeinhin als rational und als irrational (metaphysisch,mystisch, spirituell, religiös, visionär, etc.) bezeichneten Po-len menschlicher Existenz.

Kunstwissenschaftlich hat sich vor allem die Beuys-For-schung mit dem Bewusstseinsphänomen Steiner auseinan-dergesetzt und Verständnisbrücken entdeckt. So findet bei-spielsweise Wolfgang Zumdick bei Steiner eine nachvollzieh-bare Entwicklung vom akademisch gelehrten Erkenntnisthe-oretiker zum imaginativen Gedankenkünstler: »Man mußebenso denken können in Farben und Formen, wie man den-ken kann in Begriffen, in Gedanken« – diese ÄußerungSteiners kennzeichnet eine Richtung, an die Beuys anknüpf-te und die Zumdick würdigt; nach ihm läge darin »eine vonSteiners großen wissenschaftstheoretischen Leistungen [die]unglücklicherweise von der traditionellen Wissenschaft sogut wie gar nicht wahrgenommen oder rezipiert« worden sei.55

Wie auch immer man geneigt ist, Rudolf Steiners histo-rische Rolle zu beurteilen, – deren Aufarbeitung innerhalbder scientific community bedarf einer erstaunlich großen in-

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terdisziplinären Spannweite: Steiner gleicht einem Proteus,der sich vom Goethe-Gelehrten in einen anarchistischen Li-teraten, vom Theosophen in einen biologisch-dynamischenLandwirt, vom Physiker in einen Reformpädagogen, vom Ar-chitekten in einen Öko-Banker, vom Wissenschaftstheoreti-ker in einen Eurythmie-Choreografen, vom politischen Drei-gliederer zum Mentor der »Christengemeinschaft«, vom Al-ternativ-Mediziner zum Maler, vom Heilpädagogen in einenGrafiker verwandelte, – immer »Anthroposoph« und (wienoch zu zeigen sein wird) immer wieder »Designer«.

In allen Rollen hat Steiner nachhaltige Spuren, Beiträ-ge hinterlassen, die zwar von den jeweiligen Fachkennernnach wie vor kontrovers diskutiert oder ignoriert werden,aber schlichtweg als Fakten vorhanden sind. In ihnen liegt jatrotz der permanenten öffentlichen Ausgrenzung Steiners derGrund für die Wertschätzung, die ihm historisch von aner-kannten Persönlichkeiten entgegengebracht wurde.

Mein Resümee: ich halte eine Annäherung für ange-bracht, die – zumindest ad hominem – nach dem principleof benevolence verfährt.

Dritte Annäherung.Der designierte Bauhausdirektor Hannes Meyer fühlte

sich anlässlich eines Einweihungsfestes am Bauhaus von dendort ausgestellten Arbeiten an »dornach« erinnert: »vieleserinnerte mich spontan an ›dornach – rudolf steiner‹, alsosektenhaft und ästhetisch ...«.56 Die religiös gefärbte Bezeich-nung »sektenhaft« wird mit der Anthroposophie Steiners inweiten Kreisen konnotiert, scheint andererseits keineswegszutreffend, wenn man auf das anthroposophische Selbstver-ständnis rekurriert.57 Wieder eine paradoxe Situation: hierder universalistische Weltöffentlichkeits-Anspruch der An-throposophie Steiners, dort eine öffentliche »Rezeption« alsSekte. Paradox auch, wenn Hannes Meyer – der die Leitlinieseiner späteren Bauhaustätigkeit folgendermaßen formulier-te: »die grundtendenz meines unterrichts wird absolut einefunktionell-kollektivistische-konstruktive sein...« – von Ar-chitekten der Fünfziger und der postmodernen Jahre zu den

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sektiererischen Dogmatikern des Funktionalismus gerechnetwurde. Mit den Worten von Rudolf Schwarz: »daß Konstruk-tivisten und Funktionalisten stets nichts waren als Sekten«.Der italienische Architekt und Designer Carlo Mollino konnteden – heute buchstäblich perhorreszierten – Begriff »Sekte«noch kulanter verwenden:

»Alles kann die Gestaltung des Ambientes be-stimmen.[...] Alles ist erlaubt, wenn nur die Phanta-sie gewahrt bleibt, das heißt die gebrechliche Schön-heit jenseits jedes intellektualistischen Programms.Auf dem Papier oder in der Realität leben all dieseAmbiente, abgesehen von den üblichen glücklichenAusnahmen, letzten Endes für einen weltenerschaf-fenden Traum und leben in den divergenten Richtun-gen derjenigen, die sie entworfen und realisiert ha-ben. Und es ist vielleicht Kraft dieses Traumes, daßsie noch lebt und zu wirken versucht, diese unaktuelleund anmaßende Sekte der Architekten.«58

Hier erhält der Begriff Sekte eine avantgardistische Note,die das Design Mollinis zweifellos einlöste. Das Abspaltungs-prinzip der »Sekten«, die Ausgestaltung eigener religiöseroder stilistischer Positionen und Interpretationen kann auchals ein freiheitliches, antidogmatisches Individuationsprin-zip verstanden werden. Cum grano salis: Auf dem Gebietder Kunst nennt sich dieses Prinzip Sezession; Sektierer hei-ßen auf gut kunsthistorisch Sezessionisten und Avantgardis-ten. Wenn heute vom Verschwinden der Avantgarden die Redeist, bringe ich das mit dem kulminierenden Auftreten der his-torischen Individuationsprozesse in Zusammenhang. Der Ge-sichtspunkt eines immer stärker zunehmenden »sektiereri-schen« Individualismus wirft Licht auf die Dynamik desAufsplitterns der Avantgarden. Die Lebensdauer der Kunst-stile vergangener Jahrhunderte und moderner avantgardisti-scher Ismen hat sich in unsere Gegenwart herein radikal ver-kürzt und mehrfach überschlagen (Historismus, Neo-Ismen).Entsprechend hat sich die Anzahl der jeweils gleichzeitig stil-

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prägenden avantgardistischen Gruppenmitglieder reduziert.Durch die zunehmende Individualisierung haben sich immerweniger Menschen unter einen formalen oder ideologischenHut bringen lassen. Je mehr sich die unteilbare Originalitätdes Individuums entwickelt und sich ausdrücken will, um soweniger kann es gemeinsame Stile geben.

Unsere Wertschätzung der Originalität eines heutigenKünstlers wäre dem Mittelalter fremd gewesen. Heute scheintjede Individualität Avantgardistin ihrer eigenen Stilentwick-lung, jeder Künstler seine eigene »Sekte« zu sein – mit Aus-schließlichkeitsanspruch auf ein je eigenes Kunstmarktseg-ment.59 Hat sich das avantgardistische Sezessionsprinzipsoweit individualisiert, dass es »die Avantgarden« atomisiertund damit sich selbst zum Verschwinden gebracht hat?

Die Wahrnehmung der isolierenden Individualisierungs-prozesse hat freilich die dialektische Frage nach einer mögli-chen neuen Avantgarde des Sozialen, nach dem organischen,systemischen Vernetzen von Kunst und Gesellschaft heraus-gefordert und ein neues Problembewusstsein gegenüber demÄsthetizismus einer l’art pour l’art geweckt. Hannes Meyersetzte sich am Bauhaus für soziale Ziele ein, zugespitzt aufdie Devise »Volksbedarf statt Luxusbedarf«. Meyer, ein Pro-tagonist der »Funktionalismus-Sekte«, wusste vermutlichnicht, dass der von ihm als »sektenhaft und ästhetisch« titu-lierte Rudolf Steiner sich gleichfalls intensiv mit diesen Fra-gestellungen beschäftigt hatte. Im sozialen Ziel einer l’artpour l’autre liegt der Grund für Steiners wiederholte Exkur-se innerhalb sozialwissenschaftlicher und pädagogischer Vor-träge auf das Gebiet der Kunst.

Hier besteht eine direkte Verbindungslinie zur »Sozia-len Plastik« von Beuys. Den Begriff »Soziale Kunst« prägteSteiner im Zusammenhang mit der von ihm begründeten Be-wegungskunst Eurythmie, deren Wirkenskreis er nicht aufdie Bühnenkunst einschränkte, sondern den er auf Schulenund therapeutische Institute ausdehnte. Die Historie der mo-dernen Kunsttherapie nimmt bei Steiner und anthroposophi-schen Therapeuten ihren Anfang60 (Die weltweite Ausbrei-tung der Kunsttherapie seit der zweiten Hälfte des 20. Jahr-

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hunderts stellt übrigens eine Erscheinung, ein Auftauchenvon Kunst im Sozialen dar, das die Kunstwissenschaft bislangkaum beachtet hat).

Im Zusammenhang mit der sozialen Rolle künstlerischerProzesse war Rudolf Steiner ein früher Kritiker von Ausstel-lungskunst.61 Er wandte sich gegen jenes Ausstellungswe-sen, das den Kunstwerken ihren sozial wirksamen Platz inder Gesellschaft nimmt und dislozierte Kunst in einem selbst-referentiellen Betriebsystem vom Alltag isoliert, absorbiertund als Ware unter ökonomischen Gesichtspunkten zirkulie-ren lässt. Steiner betonte soziale, therapeutische und päda-gogische Aspekte der Kunst und äußerte ungewöhnliche An-sichten: »In den ärmsten Volksschulen sollten die herrlichs-ten Kunstwerke hängen«62 – bis zu »jedem Löffel« sollteanthroposophische Kunst das Alltagsleben durchdringen undformen.

Vom »kunstgewerblichen« Unterricht an der Waldorf-schule forderte Steiner (ähnlich wie Meyer vom Bauhausun-terricht): »... keine „Atelierarbeiten“ (z.B. Decken, die nursogenannte „Zierdecken“ sind) machen, sondern überall mußman den Zweck erkennen, den der Gegenstand im Leben zuerfüllen hat, – das ist der Sinn des Kunstgewerbes.«63 Steinerwar sogar der Meinung, dass solche in den Schulwerkstättenproduzierten Dinge »ans Leben hinaus verkauft werden könn-ten.«64

Bei allen sozialen oder utilaristisch-ökonomischen As-pekten von Kunst bzw. Design sollte es sich im anthroposo-phischen Sinne nicht um Instrumentalisierung von Kunst füräußere Zwecke handeln. Das soziale Wirken der Kunst wirdnicht als »Zweck«, vielmehr als zum Wesen der Kunst gehö-rig aufgefasst. Im Sinne Steiners ist Kunst ein Organ imgesellschaftlichen Organismus, das innerhalb des Organsys-tems selbstverständlich auf vielfältige Weise mit diesem ver-netzt ist und soziale Funktionen erfüllt.65

Mehrfach verwies Steiner auf die Gotik, die ihr spiritu-elles Leben künstlerisch in nahezu allen Alltagsangelegen-heiten ausgestaltet und quasi alle Gegenstände zu Kunstge-genständen geformt habe66, und in der die meisten Mitglie-

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der der mittelalterlichen Gesellschaft durch ihre religiöseWeltanschauung »stilistisch-spirituell«, als Glaubensgemein-schaft vereint gewesen seien. Rudolf Steiner strebte einemoderne Gemeinschaftsbildung an, die im Sinne einerscientific community erkennende Individualitäten vereinigenund auf der Basis gemeinsamer geisteswissenschaftlicher Er-kenntnisse zu einem neuen organischen Kunststil führen sollte.Der intendierte anthroposophische Kunststil hätte die Rich-tung des Kunstschaffens in eine soziale, allgemeinverbindli-che Sphäre wenden sollen – wider die Tendenzen einer indi-vidual-kryptischen Psychologisierung von Kunst.

Die Bestrebungen Steiners kulminierten im hölzernenBau des Goetheanums, das durchaus in geistiger Nachbar-schaft zur Holzschnitt-Kathedrale Lyonel Feiningers für dasGründungsmanifest des Bauhauses liegt, denn beide spiegel-ten Facetten des sozial verstandenen Bauhütten-Pathos derGotikrezeption. Ob Bauhausideale von 1919, ob Ziele desBerliner Arbeitsrates für Kunst aus demselben Jahr oderSteiners Künstlerkolonie in Dornach: über allen leuchtete derStern sozialer Utopien, innerhalb derer alle Mitglieder derGesellschaft Anteil am Kunstgeschehen haben sollten – ver-gleichbar der religiösen Bindung einer mittelalterlichen Stadt-bevölkerung an ihre Kathedrale oder der Anteilnahme derFlorentiner bei der Aufstellung ihres »Giganten«, dem Davidvon Michelangelo.67

Betrachtet man die anthroposophischen IntentionenSteiners auf dem Gebiet der Kunst, dann stößt man auf einAnalogon der eingangs erwähnten paradoxen Situation:Rudolf Steiner wandte sich explizit gegen Sektierertum be-ziehungsweise das von mir als »Sektendynamik« skizzierteavantgardistische Sezessionsprinzip und proklamierte dieNotwendigkeit eines künstlerischen Paradigmenwechsels, ei-nes neuen sozialrelevanten Kunststils, der die allgemeine ge-sellschaftliche Entfremdung gegenüber der Kunst zu über-winden suchte, fand jedoch mit seinen spezifisch organisch-architektonischen und spirituellen Stilprinzipien kaum Re-sonanz. Die Auffassung einer existentiellen Zeitnotwendig-keit von spirituellen Kunstformen, die er für die damalige

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Zeit mit seinen Goetheanumbauten exemplarisch erfüllt sah,wurde von der Kunstwelt mehr als weniger ignoriert. 1920kurz nach Beendigung des ersten Weltkriegs konstatierteRudolf Steiner in einer Vortragsreihe über »Geistige und so-ziale Wandlungen in der Menschheitsentwicklung« im Blickauf das Goetheanum:

»Aber die richtige Empfindung diesem Bau gegenü-ber hat nur derjenige, der in jeder einzelnen Linieetwas sieht, was gefordert ist von den dringendstenNotwendigkeiten unserer Zeit, der sieht, daß der Baudastehen muß, weil unsere Zeit dieses oder jenes for-dert, weil das und jenes empfunden werden muß andiesen oder jenen Säulen, an diesen oder jenen Fenster-reihen; weil es heute der Menschheit notwendig ist,diesen Bau, das, was er sein will, zu nehmen aus derganzen Konfiguration der Zeit heraus. Und wer zugleicher Zeit empfindet, einmal durchfühlt diesen gan-zen neuen Stil, der wird erkennen, daß dieser Stilplatterdings nichts zu tun hat mit irgend etwas, wasfür dies oder jenes spezialisiert ist, sondern daß ernur mit allgemein Menschlichstem zu tun hat. Es istan diesem ganzen Bau nichts, zu dem nicht der Ame-rikaner wie der Engländer wie der Deutsche wie derRusse wie der Japaner wie der Chinese Ja sagen kön-nen, denn er ist nicht aus der Empfindung eines ein-zelnen heraus gestaltet.«68

Das Zitierte zeigt eine kosmopolitische Haltung,insbesondere hinsichtlich der damaligen Nationalismen, wirftaber Fragen auf: Warum ist dieser Bau, dieser »ganz neueStil« eine derart dringende Zeitnotwendigkeit? Kann Kunstüberhaupt eine existentielle Zeitnotwendigkeit sein? Und:Wenn der Bau nicht aus »der Empfindung eines einzelnen«heraus gestaltet ist, also aus Steiners persönlicher Empfin-dung, woher denn dann?

Mit diesen Fragen stößt man an die Existenz »der geis-tigen Welt« – und Rudolf Steiner wird zum Problem. Wenn

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er »von den dringendsten Notwendigkeiten unserer Zeit«spricht, dann meint er eine buchstäblich wesenhafte Welt desGeistigen. Zeit meint konkret Zeitgeist; meint evolutionär pro-gressive Zeitgeister, die in jener geistigen Welt, an der diePsyche des Menschen unbewusst Anteil habe, vom Menschenspirituelle Entwicklung fordern; »Zeitforderungen« meinenAufforderungen seitens der Engelhierarchien, die in Formvon überwiegend nächtlichen Inspirationen und Imaginatio-nen an alle Menschen ergehen und unbewusst, traumhaft aufderen Psyche wirken.69

Die progressiven Zeitgeister fordern laut Steiner vommodernen Menschen eine neue, bewusste Spiritualisierungin künstlerischen Angelegenheiten. Deshalb suchte er nichtseine persönliche »Einzelempfindung« zu verwirklichen, son-dern das, was seiner Hellsicht nach Engel für die Gegenwartund die nähere Zukunft als zeitgemäß erachten. Kunst spieltin der Anthroposophie nicht zuletzt deshalb eine wichtigeevolutionäre Rolle, weil die nächtliche Sprache der Engeleine Sprache der Bilder und Klänge sei, weil Kunstobjektegeistigen Wesen als Wohnort und Mitteilungsmedium in derirdischen Sphäre dienen.

Nichts Neues nach Steiner: In vergangenen Kunstepo-chen sei die Verbindung in anderer Bewusstseinsform vor-handen gewesen: »Singe, o Muse ...«. Aus Gründen der Evo-lution eines freien Individualbewusstseins wäre die Götter-dämmerung eingetreten, eine bewusstseinsgeschichtliche Pha-se ohne Wahrnehmung geistiger Wesenheiten, die aber seitdem Beginn des 20. Jahrhundert von einem lichteren Zeital-ter neuer Kommunikationsmöglichkeiten abgelöst werde, unddie von der freien denkerischen Initiative der Menschen er-griffen werden soll.

Eine erste Stufe der Wahrnehmung von Übersinnlichemsei auf dem Gebiet des Denkens »sinnlichkeitsfreier« undneuer Ideen schon gegeben. Ein Prozess nicht ohne Wider-stände retardierender Kräfte – auch und gerade auf demGebiet der Kunst, weil hier – heute noch weitgehend unbe-wusst – unsere soziale Zukunft figuriert werde.

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Dass sich eine Art moralischer Kampf um zeitgemäßesDesign abspiele, das vermeinten auch die Funktionalisten,was zahlreiche ihrer Äußerungen belegen – man denke nuran das »Ornament als Verbrechen« von Adolf Loos. Von En-geln war freilich nicht die Rede. Die eigentlichen Pionierefunktionalistischen Designs waren dagegen durchaus dieserMeinung: nämlich die wegen ihres »funktionalistischen«Designs berühmte, amerikanische Sekte der Shaker. Die Mit-glieder dieser, wegen der hohen Qualität ihrer Produkte undihrer zahlreichen technischen Erfindungen schon von vielenihrer Zeitgenossen hoch geschätzten, christlichen Sekte, wa-ren davon überzeugt, dass sie von Engeln inspiriert wordenseien. »“The Shakers believe,“ wrote a mid-nineteenth-century visitor to the Niskeyuna (Watervliet, New York)community, „that their furniture was originally designed inheaven, and that the patterns have been transmitted to themby angels.“«70

Mögen ihre Visionen, Jenseitsmitteilungen, sozialen Prin-zipien und skurrilen Tänze noch so wunderlich gewesen sein,die innovativen Pionierleistungen bleiben Fakten, die Stau-nen hervorrufen (ihre technischen Erfindungen reichen vonder Kreissäge bis zur Wäscheklammer).71 Die schmuckloseFunktionalität der Designobjekte überrascht ebenso, wie die»designtheoretischen« Aussagen der Shaker, die die wesent-lichen Funktionalismus-Maximen von Sullivan oder Mies vander Rohe teilweise fast wörtlich vorwegnehmen. Allein, die-ser Funktionalismus war wie der anthroposophische spiritu-ell, also vermeintlich nicht nur von Engeln inspiriert, son-dern auch für deren Mitbenutzung gedacht: »The peculiargrace of a Shaker chair is due to the fact that it was made bysomeone capable of believing that an angel might come andsit on it.«72

Im Vergleich mit anderen wissenschaftlichen Fächernlässt sich die problematische Seite des Phänomens RudolfSteiner kunstwissenschaftlich relativ einfach bearbeiten. Ana-lysiert der Kunsthistoriker ein mittelalterliches Gemälde, soist es nicht seine Aufgabe, theoretisch-epistemologisch überdie Existenz beispielsweise des Erzengels Michael zu befin-

Rudolf Steiner:Skizze zum griechischenMotiv der Goetheanumkuppel

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Rudolf Steiner:Sockelsitze

den; allerdings sollte er in der Lage sein, die theologisch-angelologische Referenz eines Engels mit Waage ikonogra-fisch richtig zu deuten. Die anthroposophische Angelologieschildert Entwicklungen, Veränderungen, die sich seit denabklingenden mittelalterlichen Engelswahrnehmungen abge-spielt hätten – auch die Welt der Engel sei selbstverständlichin Bewegung. Daher ergäbe sich eine veränderte, neue Rol-le, die beispielsweise der Erzengel Michael für unsere Zeitinne habe. Anthroposophische Künstler – voran RudolfSteiner – und anthroposophische Kunstgeschichtler habenversucht, die okkulten Zeitforderungen und -wirkungen des»michaelischen Zeitalters« zu berücksichtigen.73

Haben derartige Vorstellungen nicht gehindert oder sogardazu geführt, dass wie bei den Shakern breit gefächert Inno-vationsleistungen entwickelt wurden? Vom biologischenLandbau, der Waldorfpädagogik , Heilpädagogik und Medi-zin abgesehen, denke man an die auf architekturtechnischemund künstlerischem Gebiet mit Superlativen gewürdigtenGoetheanumbauten.

Selbst für den im Folgenden näher untersuchten Bereichdes Interieur Designs findet sich Innovatives: Die skulptura-le Formgebung der Sockelsitze, sowie des Rednerpultes imersten Goetheanum nehmen eine cross-over Entwicklung imDesign vorweg, die vor allem in den USA seit den sechzigerJahren designgeschichtlich an Bedeutung gewonnen hat. Dasbetrifft die skulpturale wie die technische Seite, da Steiner

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Rudolf Steiner: Türklinke

an diesen plastisch gestalteten Stuhlobjekten offenbar erst-malig im 20. Jahrhundert die Technik der Stapelverleimung(stack lamination) im Möbelbau angewendet hatte, die in derFachliteratur fälschlicherweise Wendell Castle zu Anfang derSechziger Jahre zugeschrieben wird.74

Rudolf Steiner erprobte eine neue Glasschleiftechnik zurHerstellung der monochromen Glasfensterzeichnungen in denGoetheanumbauten, mit der er das Prinzip kleinformatigerPorzellan-Lithophanien auf große, dickwandige Glasflächeninnovativ übertragen hat. Fenster dieser Art und Dimensionsind vorher nicht nachweisbar. Für das Deckengemälde im

ersten Goetheanum wurden neuartige Pflanzen-farben und Malgründe nach Angaben vonSteiner entwickelt und verwendet.75 Erwähnens-wert auch die Erfindung eines originellen Tür-klinkenmechanismus, den Steiner für eine»nicht-philiströse Türklinke« konzipierte.

Dass Rudolf Steiner für die Designge-schichte überhaupt eine Bedeutung hat, ist heu-te noch wenig registriert worden. Obwohl solchstaunenswerte historische Zusammenhänge be-stehen, wie jene Linie, die von Steiners Designin die USA führt, wo sich früh eine Richtung»Zwischen Kunst und Design«, zwischen Highand Low 76 etablierte, der in Europa erst wiederin den Achtziger Jahren allgemeine Beachtungzuteil wurde. In den USA gab es seit den Zwan-ziger Jahren Künstler, die sich um Grenzen we-nig kümmerten und auf dem Gebiet des Kunst-handwerks beziehungsweise des Interior Designeine künstlerische Strömung bildeten, deren Vor-

läufer man in William Morris und der Arts and Crafts Bewe-gung sehen könnte. Als der eigentliche Begründer dieser Be-wegung gilt der amerikanische Maler und Bildhauer WhartonEsherick (1887-1970) 77, an den neben vielen anderen auchWendell Castle anknüpfte. Wenngleich manche FormgebungEshericks an »anthroposophischen Kubismus« erinnert – werhätte eine Beziehung zwischen ihm und Steiner vermutet?

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Den konstatierten78 Einfluss Rudolf Steiners auf das so ein-flussreiche Werk Eshericks hat der amerikanische Kunsthis-toriker David Adams im Detail nachgewiesen. Ein erstaunli-cher Zusammenhang – aber geradeso wie bei uns handelt essich in Sachen Rudolf Steiner Design laut Adams um ein»neglected chapter in the history of modern Americanarchitecture and design«.79

Vierte Annäherung.Tischdecke, Hut, Werbeplakat, Bettgestell, Türklinke,

Gartentor, Beleuchtungskörper, Bucheinband, Firmenlogo,Kerzenständer, Aktienschein, Schrank, Stuhl, Tisch, Leuch-ten, Wandtafel, Eintrittskarte, Schirmgriff, Gürtelschließe,Heizkörperverkleidungen, Türe, Fensterrahmen, Wandspie-gel, Gartenbank, Notenständer, Vignette, Initiale, Hammer,Senkblei, Treppengeländer, Bibliotheksleiter, Sofa, Sessel,Altar, Weihrauchgefäß, Weihnachtsbaumschmuck, Wandbe-hang, Krawattennadel, Medallion, Anhänger, Ring, Brosche,Textil-Dessin, Saalbestuhlung und Rednerpult – manchesdavon hat Rudolf Steiner nur einmal entworfen, vieles mehr-fach, alles beispielgebend für anthroposophische »Kunst biszum Löffel«.

Allein angesichts des Umfangs an Design-Entwürfen undObjekten, die sich direkt und gänzlich Rudolf Steiner zu-schreiben lassen, ist es gerechtfertigt von »Rudolf SteinerDesign« zu sprechen. Darüber hinaus erarbeitete Steiner vie-les zusammen mit Künstlern, Architekten und Handwerkern,in multipler Autorenschaft mit unterschiedlichen Beteiligungs-verhältnissen. In allen Designfragen, mit denen sich Mitar-beiter oder Auftraggeber an ihn wandten, fungierte Steinerals spiritus rector. Davon zeugen erhaltene Entwurfsskizzenund Pläne, worauf die von Steiner erbetenen Hinweise bzw.von seiner Hand eingezeichneten »Korrekturen« später ex-plizit als solche vermerkt und in den Ausführungen berück-sichtigt wurden. Aus den zahlreich festgehaltenen Erinne-rungen des Künstlerkreises um Steiner geht klar hervor, dasser in Gestaltungsfragen eine impulsgebende Vorbildfunktioninnehatte, die stilbildend wirken sollte.

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Wie nachhaltig sich Steiners anthroposophisch-goetheanistisch-organische Stilimpulse in Sachen Design rea-lisiert haben, lässt sich bis dato weder der kunst- noch derdesigngeschichtlichen Literatur entnehmen, obwohl anthro-posophisches Design als öffentlicher Faktor immer wiederjournalistischen Gesprächsstoff bietet.80 Dass sich nochimmer originales Grafikdesign Steiners auf diversen Verpa-ckungen (Kosmetik, Medizin) in nahezu jeder Drogerie undApotheke Deutschlands findet, scheint mir eine designge-schichtlich bemerkenswerte Tatsache.

Nicht wenige Produkte anthroposophischer Provenienz(Weleda, Demeter, »Waldorf-«) zeigen eine erkennbareCorporate Identity, geprägt durch anthroposophisches Pro-dukt- oder Grafikdesign, das sich direkt oder indirekt aufRudolf Steiner bezieht. Selbst auf Gebieten, wo man eineVerbindung zu Rudolf Steiner Design nicht vermuten würdeund es auf den ersten Blick auch nicht erkannt hätte, findensich dessen Gestaltungsmaximen angewendet: Beispielsweisebei der ersten Generation der Hochgeschwindigkeitszüge derDeutschen Bundesbahn ICE, bei Autobahnraststätten oderObjekt-Stühlen der Firma Thonet.81

Trotz Diversität, Extensität, Publizität und anhaltenderhistorischer Dynamik fand anthroposophisch orientiertes De-sign – eigenartigerweise noch immer – kaum designgeschicht-liche, besser kunsthistorische Aufarbeitung. KunsthistorischeAufarbeitung deshalb, weil Steiners Design ein anthroposo-phischer, d. h. ein Design umfassender Kunstbegriff zugrundeliegt und weil anthroposophisches Grafik- und Produktde-sign nur schwer von anthroposophischer Malerei, Plastik undArchitektur isoliert werden kann – und da das Adjektiv »an-throposophisch« ikonografische, wie ikonologische Analy-sen erfordert.

Steiners Kunstbegriff trennte weder Kunst von »Ange-wandter Kunst«, von »Kunstgewerbe« oder »Kunsthand-werk«, noch Kunst von ihrer therapeutisch-pädagogischen»Anwendung«. Dass Kunst alle Bereiche menschlichen Le-bens durchdringen sollte, zeigt die geradezu programmati-sche Anwendung des Begriffs dort, wo konventionell andere

Entwurf Rudolf Steiners

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Ausdrücke gebraucht wurden: »Kleinodienkunst« (Schmuck),»Bekleidungskunst«, »Soziale Kunst«, »Erziehungskunst«(Titel der Zeitschrift für Waldorfpädagogik), »Heilkunst«;»Philosophie als Kunst«.82 Im Sinne Steiners wäre es irre-führend von Design als »angewandter« Kunst zu sprechen,so als ob Kunst eigentlich nur in »höheren Regionen« exis-tiere und im Bereich des Nützlichen kein Heimatrecht habe,dort nur eine dekorative oder verkaufsstrategische, also in-strumentalisierte Gastrolle spiele. Wie die sozialen, wurdenauch die utilaristisch-funktionalen Gestaltungsaufgaben alsdem Wesen der Kunst immanent verstanden. Rudolf SteinersPosition bezüglich dessen, was man heute unter Produkt-,und Grafik-Design versteht, war eine umfassend künstleri-sche, weshalb man sie auch unter diesem Gesichtspunkt dem»Hang zum Gesamtkunstwerk« zuordnen kann.83 Die Ge-biete des Design summierten bei Steiner unter einem organi-schen Kunstbegriff, dessen Verständnis aller Einzelgliederalltägliche Nützlichkeit im weitesten Sinne umfasste, wasim Hinblick auf Produktdesign vorrangig die bildenden Küns-te betraf, insbesondere die Baukunst als »architektonischesGestalten«.84

Wollte man die künstlerischen Intentionen auf dem Ge-biet des Design betonen und dennoch zusammen mit all denphilosophisch-spirituellen, pädagogisch-therapeutischen, so-zial-politischen, u.a. Reformbestrebungen Steiners unter eineÜberschrift setzen, dann wäre sie mit »Redesigning theWorld« treffend formuliert. Vergeben wurde Redesigning theWorld als Titel einer Monografie85 über William Morris, der,noch Zeitgenosse Rudolf Steiners, diesem in vieler Hinsichtvergleichbarer ist, als irgend eine andere Künstlerpersönlich-keit jener Zeit. Beide proteische Figuren: Literaten, Dichter,Kultur- und Kunstkritiker, politisch-soziale Agitatoren, Un-ternehmer, bildende Künstler, Kunsttheoretiker mit retros-pektiven Bezügen auf das Mittelalter, Vortragsredner, Re-former, Grafik- und Produktdesigner, Gründer von »Bewe-gungen«. Wen sonst noch in – oder außerhalb – der »Ge-schichte des modernen Designs« könnte man nennen, der jededieser Rollen auf sich vereinigt hätte?

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Noch vor wenigen Jahrzehnten wäre der ernstgemeinteVergleich Steiner – Morris einem Sakrileg gleich gekommen,einer ungebührlichen Provokation gegenüber der etabliertenDesigngeschichte seitens der »Autoritäten«: den Kunsthisto-rikern Pevsner, Giedion und Hitchcock.86

Vor allem Pevsner mit seinem Standardwerk Pioneersof Modern Design. From William Morris to Walter Gropiuskonstruierte die rationale Moderne, und war in der Auswahlderer, die in seinen Publikationen »Geschichte machen« durf-ten, parteiisch bis in die Bibliografien. Dabei scheint er sichsowohl seiner Machtstellung, als auch seiner Parteilichkeitbewusst gewesen zu sein: »Die Leser müssen sich entschei-den, ob sie die Geschichte des späten 19. und des frühen 20.Jahrhunderts lesen wollen, so wie ich sie reflektiert habe,oder so, wie sie der Anti-Rationalismus schildert.«87 Dieseeinseitige und wissenschaftlich wenig rationale Haltung wurdevon anderen Kunsthistorikern erkannt, die linear konstruier-te »Geschichte« Pevsnerscher Prägung ergänzt bzw. viel-schichtiger erzählt:

»Ein weiterer weißer Fleck in der frühen Geschichts-schreibung der Moderne war der Expressionismus,weil manche allzu bizarren und emotionalen Werkedieses Stils nicht dem persönlichen Geschmack vonKritikern wie Pevsner, Giedion und Hitchcock ent-sprachen und weil diese Autoren dem Glauben aneinen ›Zeitgeist‹ anhingen, der einen einzigen ›wah-ren‹ modernen Stil entstehen lassen würde. Aus die-ser Perspektive gesehen, war Mendelsohns Einstein-Turm kaum akzeptabel, und ein merkwürdiges Ge-bäude wie das theosophisch inspirierte Goetheanumin Dornach von 1925-28 (Abb. 18.2) blieb vonvornherein unberücksichtigt. Dabei gingen beideBauten von revolutionären Konzepten aus und konn-ten neben den angeblich ›rationaleren‹ Werkendurchaus bestehen.«88

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In Frage gestellt hat man gleichfalls die Vereinnahmungvon William Morris als »Pionier der Moderne«.89 Ich meinesogar, dass sich eine konsistente alternative Architektur- bzw.Designgeschichte schreiben ließe, welche die »anti-rationa-len« Strömungen inklusive Steiner hervorheben würde undderen Entwicklungslinien unter den Gesichtspunkten vonEmotionalität und Spiritualität mit William Morris und denProtagonisten der Arts and Crafts-Bewegung verknüpft wer-den müssten.

Mit William R. Lethaby beispielsweise, dessen Bedeu-tung für die neuere Geschichte des Kunstgewerbes schonHermann Muthesius in seinem Werk Die Entwicklung desenglischen Hauses akzentuiert hatte.90 Allein der Titel vonLethaby’s präpostmodernem Werk Architecture, Mysticismand Myth (1891)91 demonstriert, dass noch andere architek-turtheoretische Inhalte als der Rationalismus die damaligenKöpfe und Gemüter beschäftigten.

In einer alternativen Kunstgeschichte käme nicht nurRudolf Steiner als Künstler-Designer zur Sprache, sondernmit ihm die vergessene Dornach-Schule, die als internatio-nales »Arts and Crafts Zentrum« mit diversen künstlerischenSchulen und Werkstätten eine komplexe, mittlerweile fasthundertjährige Kunst-Geschichte aufweist, mit der sich abermeines Wissens noch kein einziger Kunsthistoriker befassthat. Von den selbstverwalteten Kunstschulen Dornachs92 (mitSteiner als Director spiritualis – bis dato) sei hier an die(fast) vergessene Schule für Holzschnitzerei am Goethea-num und Werkstatt für künstlerische Gestaltung von Ge-brauchs-Gegenständen von Oswald Dubach erinnert, des-sen »aus der modernen Art geschlagenes« Mobiliar als origi-nelles kunsthandwerkliches »Highlight« Dornachs gelten darf.

Innerhalb der zu Zeiten Steiners in Gestaltungsfragengeführten Diskussionen über das Verhältnis von »beseelten«kunsthandwerklichen Einzelstücken zu typisierten, industri-ell hergestellten Produktserien nahm Rudolf Steiner eine am-bivalente Haltung ein. Unter den am ersten Goetheanum mit-arbeitenden Künstlern kursierte als zu beachtender Wert, als

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quasi kunsthandwerkliches Arbeitsmotto, dass »alles mit Lie-be verrichtet werden sollte«93, durchaus im Sinne der »Ma-schinengegner« seit Morris, die schmerzlich den Verlust des-sen erlebten, was nur schwer zu beschreiben ist: Verlust anAura, an human touch, an gewachsener Lebenskultur.

Aus heutiger Sicht – fast ausschließlich umgeben vonmaschinell hergestellten Industrieprodukten – kaum nach-fühlbar, wie dieser Umgebungswandel erlebt wurde, und wienicht nur um die »wahre« Gestaltungsmaxime gekämpftwurde, sondern mehr oder weniger bewusst auch um dieGestaltung der lebensweltlichen, gefühlten Atmosphäre. Wasuns heute an zahllosen Maschinen und Maschinenproduktenumgibt, brach ein in eine technikstille Welt ohne Autos, Ra-dios, Rasenmäher, Telefone, Flugzeuge, etc. In Anfängen er-lebbar wurde damals ein »Prozeß der Entleerung der Wohn-umwelt, der für das Interieur der heutigen Zeit so prägendwerden sollte«94, das Schwinden der Aura »liebevoll« gefer-tigten (Kunst-) Handwerks, der »echten«95 Dinge und die ra-pide Zunahme immer neuer Maschinen und ihrer »kalten«Produkte, die fremdartig, buchstäblich unmenschlich anmu-teten – gleichviel zunächst, ob sie historisierend geschmückt,die handwerkliche Formensprache nachahmten, oder schonrelativ »nackt« funktionalen »Maschinenstil« verkörperten.

Bett für das Haus Duldeck inDornach. Vermutlich hervorge-gangen aus der Kooperationzwischen dem ArchitektenHermann Ranzenberger undRudolf Steiner in den Jahren1914 bis 1917.

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Die Arts and Crafts-Bewegung reagierte in erster Linieauf jenen fühlbaren auratischen Verlust an Lebenswirklich-keit, den die Maschine verursachte, mit lebensreformerischenBestrebungen, die Kunst und Soziales umfassten, – die Stil-frage war wichtig, doch sekundär. Die englische Bewegungagierte als Lebensreform und beinhaltete somit weit mehrals die kontinentale Stilreform des Kunstgewerbes: »Das aberist der Sinn der Arts-and-Crafts-Bewegung in England unddas Verlangen, welches Männer wie Lethaby und Ashbeeimmer und immer wieder vortrugen: daß das Leben wiederwirklich werde.«96

Dass das Leben einen emotionalen Wirklichkeitsverlusterleide, wurde mit dem Fortschreiten der automatisierten Öko-nomie etwa seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts biszum Einbruch des ersten Weltkriegs erlebt und formuliert,97

dass das Leben »wieder wirklich werden« könne mittelsKunst, beflügelte um die Jahrhundertwende nicht wenigeAvantgardisten der Moderne, dass aber Künstler neues Le-ben in künstlerischen Formen und neue soziale Lebensfor-men zu verwirklichen suchten, geschah seltener.

Ganz im Sinne der Arts and Crafts und den virulentensozialistischen Ideen der Revolutionszeit manifestierte dasfrühe Bauhaus (1919) in den Worten von Walter Gropius:

»Bilden wir also eine neue Zunft der Handwerker ohneklassentrennende Anmaßung, die eine hochmütigeMauer zwischen Handwerkern und Künstlern errich-ten wollte! Wollen, erdenken, erschaffen wir gemein-sam den neuen Bau der Zukunft, der alles in einerGestalt sein wird: Architektur und Plastik und Male-rei, der aus Millionen Händen der Handwerker einstgen Himmel steigen wird als kristallenes Sinnbild ei-nes neuen kommenden Glaubens.«98

Das von Lyonel Feininger mit einer sternumstrahlten Ka-thedrale illustrierte Manifest verbildlichte eine religiös-mys-tische Färbung, die vielen zeitgenössischen Kunstauffassun-gen innewohnte. Beachtenswert: im Bauhaus-Manifest und

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Programm von 1919 ist die Rede von Kunst und Handwerk– nicht von Maschine, nicht von »Standardmodellen für dieIndustrie«, wie im späteren Bauhaus-Lehrplan zu Dessau.99

Eine Beschreibung des Expressionismus von Herbert Kühn,ebenfalls aus dem Jahr 1919, lautet: »Der Expressionismusist – ganz wie der Sozialismus – ein Aufschrei gegen Mate-rie, gegen den Ungeist, gegen Maschine, gegen Zivilisation,für den Geist, für Gott, für den Menschen im Menschen. Esist dieselbe Geisteshaltung, dieselbe Einstellung zur Welt,die nur nach verschiedenen Erscheinungsgebieten verschie-dene Namen hat. Es gibt keinen Expressionismus ohne Sozi-alismus.«100 Kein Gefühlsausdruck ohne Mitgefühl also.Morris und Steiner gehörten dieser »expressionistisch-sozi-alistischen« Geistesströmung an, heben sich jedoch vor demallgemeinen Hintergrund der sozialen Sehnsüchte als Per-sönlichkeiten aufgrund ihrer universellen Begabungen und»realpolitischen« Aktivitäten ab. Beide engagierten sich fürjene »viele Tausende« und »Millionen« von sozial benach-teiligten Menschen, die, eingespannt in »eine sklavenhafteSchufterei« und abgeschnitten von Kunst, ein unwürdigesDasein leb(t)en. Beide glaubten, dass die Kunst ein wichti-ges Mittel sei, um menschwürdigere, sozial gerechtere Zu-stände herbeizuführen.

Beispiel Morris:»Dann wird jener siegreiche Tag anbrechen, an

dem Millionen derer, die heute in der Dunkelheit sit-zen, erleuchtet sein werden von einer Kunst, herge-stellt durch das Volk und für das Volk, zur Freudederer, die sie machen, und derer, die sie benutzen.«101

Beispiel Steiner:»Aber furchtbar ist es, heute sehen zu müssen,

wie viele Tausende von Menschen schon von der frü-hesten Kindheit an dazu angehalten werden, keineandere Tätigkeit zu kennen als die um des materiel-len Nutzens willen, abgeschnitten zu sein zeitlebensvon allem Schönen und Künstlerischen. In den ärms-ten Volksschulen sollten die herrlichsten Kunstwer-

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ke hängen, das würde unendlichen Segen bringen inder menschlichen Entwickelung.«102

Wie Morris glaubte Steiner an das (r)evolutionäre Po-tenzial der Kunst bzw. des Kunsthandwerks, allerdings mach-te er sich keine Illusionen über die ökonomisch bedeutungs-los werdende Position des handwerklichen Kunstgewerbesund suchte deshalb nach neuen pädagogischen und thera-peutischen Dimensionen der kunsthandwerklichen Tätigkei-ten. Steiners ambivalente Haltung bestand darin, dass ereinerseits das Kunsthandwerk als Kunst, als zur Wirklich-keit des Lebens-Gefühls gehörig, erhalten, neu interpretie-ren und in das moderne Leben integrieren wollte, sichandererseits für technologische Neuerungen nicht allein »en-thusiasmierte«, sondern mit einer außerordentlichen Zunah-me der Technik rechnete. Steiner machte auf gewisse des-truktive, lebensfeindliche Aspekte des Maschinenwesens wie-derholt aufmerksam103 und wies auf die seiner Meinung nachexistentiell notwendigen Gegengewichte: spirituelles Leben– und Kunst. Neue Kunst, die organisch fühlbare Lebendig-keit verkörpern und belebend auf den Menschen wirken kön-ne: »das Ganze [des Goetheanums] ist organisch lebendiggedacht in seinen Formen.« und soll »lebend-wirkend diebildefähigen Menschentriebe ergreifen und metamorphosie-ren«.104 In pädagogischen Vorträgen »predigte« Steiner äs-thetische Bildung:

»Denn in der Tat, je mehr man dem MenschenSinn für Schönheit verleiht, um so weniger nimmt erSchaden, wenn er in das Getriebe der Zivilisationeingeführt wird. Je ausgebildeter das Verständnis ist,das ein heranwachsender Mensch für ein Gemäldeoder eine Statue bekommt, um so gefestigter wird ersich im Leben einer Großstadt, dem man heute kaummehr ausweichen kann, bewegen. Der Rhythmus, derdie Gegenwart durchdonnert, vermag ihn dann nichtmehr zu zerschmettern.«105

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Dennoch gehörte Steiner gleichzeitig zum Kreis derje-nigen Gestalter, die auf der Suche nach neuen Formen jegli-che Art von Stil-Historismus ablehnten und sich für eine zeit-gemäße Gestaltung von maschinell hergestellten Produkteneinsetzten. Der »Futurist« Steiner sah sogar modernes Ma-schinendesign als anthroposophische Gestaltungsaufgabe.106

Die prominenten Bestrebungen des Deutschen Werkbundes,mit dem Ziel der »Veredelung der gewerblichen Arbeit imZusammenwirken von Kunst, Industrie und Handwerk«107,hat er vermutlich gekannt und begrüßt, sollte doch in seinemvierten Mysteriendrama der Protagonist Thomasius, einKünstler, Firmenprodukte gestalten:

»Es soll fortan Thomasius als KünstlerDie Arbeitsstätte leiten, die ich ihmIn unsrer Nachbarschaft erbauen will.So wird, was wir mechanisch leisten können,Von seinem Geiste künstlerisch gestaltetUnd zu der Menschen Taggebrauch dann liefern,Was nützlich ist und edle Schönheit trägt.Gewerbe soll mit Kunst zur Einheit werden,Alltäglich Leben mit Geschmack durchdringen.Ich füge so zum toten Sinnesleib,Als welche unsre Arbeit mir erscheint,Die Seele, die ihr erst den Sinn verleiht.«108

Bei Steiner werden der »tote Sinnesleib«, das materiellnützliche Objekt unterschieden von der »Seele, die ihm erstden Sinn verleiht«, d.h. der künstlerischen Form- undSinngebung. Eine seinerzeit geläufige Auffassung, dieWilliam R. Lethaby im Hinblick auf die Unterscheidung vonArchitektur als Kunst (architecture) und Nutzbau (building)lapidar so formuliert hat: »architecture and building are quiteclear and distinct as ideas – the soul and the body«.109

Gegenüber dem toten »Leib« des materiell nützlichenObjekts implizierte die Analogie »Seele« zugleich Sinn,Emotion und auratisches Leben – erzeugt durch künstleri-sche Formgebung. Die Rätsel seelischen Lebens und leben-

Karlheinz Flau:AnthroposophischesAutodesign, um 1970

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diger Seele beschäftigten die Geister und Gemüter der Zeitbesonders intensiv seit etwa der Mitte des 19. Jahrhunderts.Mit unterschiedlichsten Methoden näherten sich seinerzeitForscher wie beispielsweise Frazer und Freud dem änigma-tischen Leben der Psyche, doch daneben gab es auch die sym-bolistischen, expressionistischen »Analysen« von Künstlern– und die »seelischen Beobachtungsresultate« Steiners bzw.der Theosophen.110

Die »soul and body«-Architektur Lethaby’s war sym-bolistisch, verwandt dem präraffaelitischen Symbolismus inder Malerei. Was sich in symbolistischen Gemälden(insbesondere im Sujet der Frau mit wehmütigem Blick indie eigene Seele) naturalistisch, teils mystisch verträumt undleise artikulierte: »dieselbe Geisteshaltung, die nur nach ver-schiedenen Erscheinungsgebieten hin verschiedene Namenhat«, rebellierte sentimental mit »magischer« Ornamentik imJugendstil, schreiend mit »wilden« Farben und »irrationa-len« Formen im Expressionismus111 – »gegen Materie, ge-gen den Ungeist, gegen Maschine, gegen Zivilisation, für denGeist, für Gott, für den Menschen im Menschen«.

Steiners Kunst scheint innerhalb dieser Erscheinungs-gebiete situiert, zumal man sie nicht nur dem Expressionis-mus zugeordnet hat, sondern mehrfach auch dem Jugendstil.Wie Dolf Sternberger beispielsweise in seinem viel beachte-ten Jugendstil-Essay (1934):

»Rudolf Steiner, der in frühen Veröffentlichungenganz die Sprache des Jugendstils spricht und dessenanthroposophische Schule bis heute so vielen ihrerHervorbringungen, dem Spielzeug, den Arzneimit-teln, dem „eurhythmischen“ [sic] Tanz, vor allem denDornacher Bauten eine ornamentale Weihe gegebenhat, deren kurvige Zeichen nichts anderes sind alsÜberbleibsel des Jugendstilornaments, aufbewahrtund verfestigt durch die systematische Ausarbeitungder Symbolbedeutungen, die ihnen beigelegt wer-den.«112

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Diese zeitgebundene Perspektive wähnte den Jugendstil»überwunden«. Als Jugendstil (oder »Jugendstil-Überbleib-sel«) hatten die einen Steiner ad acta gelegt und als geraumeZeit später andere den Jugendstil ohne Steiner neu würdig-ten, entdeckten wieder andere den Expressionisten Steiner.Wie und wo immer man die anthroposophischen Anfängeformal zuordnen möchte, die anhaltende Entwicklung anthro-posophischer Kunst- bzw. Designformen stellt im Rahmeneiner alternativen Designgeschichte ein ungewöhnliches undunerforschtes Phänomen dar.

Wenn sich heute neueste und international erfolgreicheanthroposophisch orientierte Gestaltung113 auch im postmo-dernen form follows feeling Kontext lesen lässt, so ist dasfür eine »alternative« Kunstgeschichte keine Überraschung,denn es bestätigt den skizzierten emotionalen Zusammenhang.

Nimmt man den »lila« Faden in die Hand und sucht nachdessen Ursprüngen, so gelangt man zunächst zurück zumverwickelten Zeitgeist der sozialistischen, mystischen, dio-nysischen, utopistischen Synthesen der bildenden Künste, derArchitektur und des Kunstgewerbes, wie sie auf je eigeneWeise von der Arts and Crafts-Bewegung,114 vom Jugend-stil, vom frühen Bauhaus, vom Expressionismus und in Dorn-ach angestrebt wurden.

Unter dem Druck »rationaler«, andersartiger politischerund vor allem kommerzieller Interessen konnten sie sich je-doch nicht entfalten, weil die tayloristische Ökonomiegesin-nung mit dem Funktionalismus des Internationalen Stils amzweckmäßigsten bedient war. Das künstlerisch ambitionier-te less is more van der Rohes wurde am monetären Ende zurkapitalistischen Effizienzgleichung less architecture is morebuilding umgemünzt. Gefühl, insbesondere Gerechtigkeits-gefühl, d.h. soziales Mitgefühl blieb dabei größtenteils aufder Strecke.

Die emotionale Ödnis der less is more Betonwüsten kom-mentierte der postmoderne Architekt Venturi mit der Persi-flage: less is a bore. Andererseits riss das historische Gewe-be »irrationalen« Architektur-Designs mit durchgehend an-throposophischen Fäden auch in der dominanten Phase des

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internationalen »Stils« nie ab. An den Fünfziger Jahre StilNuovo eines Carlo Mollino und an die drop cities115 der Hip-pies sei erinnert: freilich nur blumige Stadtranderscheinun-gen und nierenförmige Dellen am anhaltenden Triumph desmaterialistischen »Warenhausstils«, wie ihn Steiner voraus-schauend bezeichnete.116

Die von Rudolf Steiner selbst geflochtene Genealogieseiner Kunst, seines Designs, gleicht dagegen einem mit bun-ten Bildern durchwirkten Teppich aus Tausend und einerNacht, weit in die Vergangenheit zurück reichend: in der Tra-dition der Freimaurer bis zum Salomonischen Tempel, denMysterienbauten Ägyptens und zur Arche Noahs – und weitnach oben: die Engelshierarchien sternenwärts bis zu Gott,eben dorthin, wo alle Design-Mythologien urständen. DieDesign-Etymologie legt es zumindest nahe: »The OxfordEnglish Dictionary says the word ‘designer’ was first recordedin 1649, in that this is the earliest occurence of the freemasonictrope that God is the great designer of the universe.«117 Sogesehen keine Genealogie von »abartigem Design« also, viel-mehr eine Genealogie »ab arte designationis divinae«.118

Fünfte Annäherung:Seit dem Tode Rudolf Steiners wurden die von ihm in-

spirierten Gestaltungsimpulse weiter aufgegriffen und ange-wendet – bis dato.119 Warum blieben Kunst und DesignSteiners (und seiner Nachfolger) so lange unbeachtet? Ha-ben nicht weit weniger bedeutende und weniger einflussrei-chere Künstler bzw. Designer ihren »Platz in der Kunstge-schichte« gefunden? Warum geriet die anthroposophischeKunst Rudolf Steiners und seiner Nachfolger zum kunsthis-torischen Problemfall?

Probleme kunstgeschichtlicher Zuordnungen stellten undstellen sich bereits bei Steiner auf formaler Ebene (Jugend-stil? Expressionismus? Surrealismus?) und bestehen fort beiseinen Nachfolgern, deren Formgebungen »typisch anthro-posophisch« anmuten können, wie so viele Waldorfschulbau-ten, oder die auf den ersten Blick nicht als solche erkennbar

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sind, wie beispielsweise Interieurs der Interregio und der ers-ten ICE Züge der Deutschen Bundesbahn, die eine »anthro-posophische« Prägung erfuhren.120

Weiter gab und gibt es Unklarheiten auf der inhaltli-chen Ebene »hinter« den Formgebungen, weil diese sich ent-weder ausdrücklich auf anthroposophische Inhalte, auf spe-zifisch anthroposophische Gestaltungsgrundsätze berufenoder aber unausgesprochen beziehen. Man fragt sich: wel-che Kriterien überhaupt anthroposophische Kunst, anthro-posophisches Design ausmachen, – ob es sich um anthropo-sophische Kunst oder um Kunst von Anthroposophen han-delt oder eines »wahrscheinlichen« Anthroposophen wieBeuys.

Unter den anthroposophischen Künstlern werden ebendiese Fragen kontrovers diskutiert: Die einen suchen nachdem wahren Kanon anthroposophischer Kunst und meinen,ihn unter Berufung auf Rudolf Steiner zu vertreten, die an-deren relativieren oder negieren den Begriff »anthroposophi-sche Kunst«, betonen aber ihre »anthroposophische Haltung«,aus der heraus sie gestalten, gleichfalls unter Berufung aufSteiner. Dass man sich in Sachen anthroposophischer Kunstnach Steiners Tod auf dessen Mitteilungen und Schriftenberufen muss, versteht sich. Schwerer verständlich sind jeneKünstler, deren künstlerischer Auftrag sich auf das aktuelleEinvernehmen mit dem jenseitigen Steiner bezieht. So teilteetwa Beuys mit, Steiner hätte ihn beauftragt im Sinne derAnthroposophie zu wirken.121

Die Phänomene anthroposophischen Designs bereitenalso einer präzisen Definition zur Erfassung des Corpus derzum Rudolf Steiner Design gehörigen Objekte erhebliche Pro-bleme, wenn man sich bei der Gegenstandserfassung nichtallein auf die Werke Steiners beschränken möchte. Definito-rische Schwierigkeiten ergeben sich andererseits aus der an-throposophischen Kunstanschauung, denn schon bei Steinergab es weder in seinem Schaffen noch in seinen Theorieneinen prinzipiellen Unterschied zwischen Kunst und Design.So konzipierte er nicht nur Objekte, die man gleichermaßenbeiden Bereichen zuordnen kann, sondern auch kompositio-

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nelle Relationen zwischen beispielsweise gebauten Stühlenund gemalten Stühlen im ersten Goetheanum, d.h. zwischenfunktionalen Designobjekten (die formal einem Skulpturen-ensemble entsprechen) und Inhalten der Deckenmalerei. Dasgeht so weit, dass das Verständnis spezifischer Gestaltungs-merkmale einiger Designobjekte sich erst über ein Verständ-nis der malerisch oder architektonisch, d.h. »rein künstle-risch« formulierten Intentionen Steiners entschlüsseln lässt.

Auf begrifflicher Ebene hat Steiner seine gestalterischenIntentionen wiederholt in Selbstinterpretationen seiner Wer-ke, sowie in allgemein gehaltenen theoretischen Darlegun-gen zum Ausdruck gebracht. Hier stößt die kunstgeschichtli-che Hermeneutik auf ein spezielles Problem. Unter den vonSteiner im Kontext Kunst verwendeten wichtigen Terminitauchen anthroposophische Fachbegriffe auf, wie beispiels-weise Astralleib, Ätherleib, Geistesmensch, etc. Die Inhaltesolcher Begriffe korrespondieren zwar mit deren – beispiels-weise theosophischen – Begriffsgeschichte, leiten sich jedochbei Steiner primär aus dessen geistigen Schauungen über-sinnlicher Welten her und finden sich mit hohen reformeri-schen Ansprüchen verknüpft, die sich grundlegend auf eineneue, erweiterte Anthropologie als Anthroposophie beziehen:

»Übrigens führt der Name Anthroposophie weiter zu-rück in der Literatur. Man brauchte ihn auch schonim 18. Jahrhundert; ja auch früher. Der Name ist alsoalt; wir wenden ihn für Neues an. Uns soll der Namenicht bedeuten «Wissen vom Menschen». Das ist dieausdrückliche Absicht derjenigen, die den Namen ge-geben haben. Unsere Wissenschaft selbst führt unszu der Überzeugung, daß innerhalb des Sinnes-menschen ein Geistesmensch lebt, ein innerer Mensch,gewissermaßen ein zweiter Mensch. Während nundasjenige, was der Mensch durch seine Sinne unddurch den an die Sinnesbeobachtung sich haltendenVerstand über die Welt wissen kann, «Anthropolo-gie» genannt werden kann, soll dasjenige, was derinnere Mensch, der Geistesmensch wissen kann, «An-

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throposophie» genannt werden. [...] Nun muß dieGeisteswissenschaft [synonym für Anthroposophiegebraucht], wenn sie für den Geist dasselbe sein willwie die Naturwissenschaft für die Natur, ganz andersforschen als die letztere. Sie muß Mittel und Wegefinden, um in das Gebiet des Geistigen einzudringen,das nicht wahrgenommen werden kann mit äußerenphysischen Sinnen, nicht begriffen werden kann mitdem Verstande, der an das Gehirn gebunden ist. [...]Und da die Geisteswissenschaft etwas Neues ist –nicht ein neuer Name für etwas Altes, sondern etwaswirklich Neues –,so wie die Naturwissenschaft ge-genüber der mittelalterlichen Naturwissenschaft et-was Neues ist, so wird auch ihre Kunst gegenüberbestehenden Kunstwerken etwas Neues sein müs-sen«.122

Das »Neue« anthroposophischer Kunst kündet, entstehtoder stammt aus einer geistigen Metaebene, die für das wis-senschaftliche Verstandesbewusstsein hermetisch verschlos-sen ist. Der Kunsthistoriker findet sich mit jenem hermeneu-tischen Ideal, nach dem es gelte, einen Künstler besser zuverstehen, als er sich selber verstanden hat123, vom KünstlerSteiner in ein gleichsam platonisches Höhlen-Reich unzu-länglicher Begriffsschatten versetzt. Welche Hermeneutikhätte auch je über »Karmaschauen erweckende Formen«124

von Architektur und Plastik reflektiert?In der Vergangenheit gab es gegensätzliche Richtungen,

nach denen man kunsthistorisch mit den skizzierten Proble-men verfahren ist: Meist ignorierte man die Existenz anthro-posophischer Kunst gänzlich, oder hütete sich in den selte-nen Fällen einer Bearbeitung vor einer eingehenderen Ausei-nandersetzung mit Steiners begrifflichen Vermittlungen desUnbegreiflichen, weshalb wenig kunstwissenschaftlich Be-friedigendes zur Ikonografie der Kunst Steiners, noch weni-ger zu den Werken seiner Nachfolger, beigetragen werdenkonnte. Diejenigen Kunsthistoriker, die den entgegengesetz-ten Weg einschlugen, waren in aller Regel Anthroposophen,

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die mit ihren Arbeiten im allgemeinen wissenschaftlichen Fo-rum kaum oder keine Beachtung fanden, – und meist auchkeine suchten.

Die vorliegende Schrift will einen Beitrag zur kunstwis-senschaftlichen Bearbeitung der genannten Problemfelder lie-fern.125 Der Fokus der Untersuchung konzentriert sich in ersterLinie auf Rudolf Steiners eigenes Interieur-Design, sowie De-signwerke multipler Autorenschaft, hervorgegangen ausSteiners Kooperation mit Künstlern und Architekten. Mehr-fach handelt es sich um Gegenstände und faktische Zusam-menhänge, die aufgrund der Recherchen für diese Untersu-chung in Archiven und Lagern aufgefunden wurden und hiererstmals abgebildet bzw. publiziert werden.

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»Rudolf Steiner – »Design«?

Zum Begriff »Rudolf Steiner Design« und zum»Designbegriff« Rudolf Steiners

Noch vor wenigen Jahrzehnten hätte es kaum Sinn ge-macht, in Verbindung mit dem künstlerischen bzw. kunstge-werblichen Werk Rudolf Steiners, von »Design« zu sprechen– zu sehr wäre der Begriff Design auf die Bereiche industri-eller Produktgestaltung eingeschränkt gewesen. Heute ste-hen wir einem beachtlich erweiterten Designbegriff gegenü-ber, der Perspektiven bietet, die nicht nur die Bezeichnungdes in Rede stehenden Corpus begründen, sondern auch des-sen Eigenarten verdeutlichen.

Mit den Sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts hat-te sich der Anglizismus »Design« als Synonym für die Be-griffe »Entwurf« und »Formgebung« etabliert. Designer derPraxis verstanden und formierten sich als »Industrie-Desig-ner VDID«.126 Im theoretischen Diskurs wurde allerdingsschon früh konstatiert, dass auf Grund der Vieldeutigkeit undInterpretierbarkeit des Designbegriffs, sowie der weitauseinander gehenden Auffassungen in der Fachliteratur undden Lehrmeinungen, keine klaren Begriffsbestimmungen von»Design« gemacht werden könnten.127 Und doch erscheintder damalige Definitionsbereich des Industrie-Designbegriffsnoch relativ eingegrenzt und unangefochten, verglichen mitder Diskurssituation, die durch die Forderungen der Post-moderne nach einem Paradigmenwechsel im Design entfachtwurde. Die bunten Inszenierungen postmodernen Designs ig-norierten erfolgreich die jüngst gezogenen Grenzen zwischenDesign, Kunsthandwerk und Kunst. Vom Gesichtspunkt desIndustrie-Designers gebärdeten sich die Designer der Acht-ziger Jahre wie fauves und vollzogen mit ihren Interieur-Ob-jekten ein cross-over in die Kunstszene (u.a. mit einer Teil-nahme an der documenta 8), das allen Theorien über »GuteForm« Hohn sprach. Zwar scheinen heute die »wilden Jah-re« der medienwirksamen Designspektakel vorüber, doch die

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Phänomene einer Expansion in der Anwendung des Design-begriffs auf Domänen der Kunst haben zugenommen. Undwie es scheint, vollzieht sich die zunehmende Austauschbar-keit der semantischen Bezüge von Kunst und Design zuguns-ten des Designbegriffs.128

Damien Hirst, bekanntes enfant terrible der zeitgenös-sischen Kunstszene, hat kürzlich provokativ und pointiertgeäußert: »Ich – ein Künstler? Ich bin ein Markenname!«129

Hirst weiß, wovon er redet: Sein »Markenname« innerhalbdes YBA Labels (Young British Artists) lässt sich durchausunter der Perspektive eines »Designprodukts« des Kunst-sammlers Charles Saatchi betrachten, der als Werbefachmanndie internationale Präsenz seiner YBA Künstler mit Strategi-en der Werbung und der Vermarktung durchgesetzt hat.130

Es handelt sich um komplexe Vorgänge und Verhältnisse, aufdie Hirst mit seiner Aussage deutet. Hier soll nur angemerktwerden, dass für die Etablierung seines »Markennamens«die nachstehenden Designbegriffe eine bedeutende Rollespiel(t)en: Werbedesign, Informationsdesign, Corporate De-sign, Identity Design, Lifestyle Design sind Gestaltungsbe-griffe, die aus den älteren Bezeichnungen Werbegraphik undGraphikdesign hervorgegangen sind.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gestalteten noch nam-hafte Künstler, vor allem des Jugendstils (Alphonse Mucha,Peter Behrens, Henry van de Velde, Henri de Toulouse-Lautrec) grafische Reklameblätter und sorgten für visuelleErscheinungsbilder von Firmen und Markenzeichen. Derkunsthistorische Rückblick in das Mittelalter verbucht nochnahezu alle Domänen der Gestaltung im weitesten Sinne alsKunst oder Kunsthandwerk. Noch und nicht nur ein Jacques-Louis David, der Maler der Revolution und Hofmaler Napo-leons, entwarf seinerzeit Möbel.131 Um 1800 wird in Frank-reich das Entwurfszeichnen für große Manufakturen erstmalsein selbständiger Beruf, den Künstler ausübten. Der Künst-ler wurde peu à peu zuerst dessinateur und dann Designerund blieb als Entwerfer doch immer derselbe, ganz gleichauf welche Objektbereiche er mit seinem Entwurf zielte. Heutereden wir im Hinblick auf die allgemeine Sphäre des

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Entwerfens immer weniger von Kunst, – selten noch hörtman im Diskurs die Stimme eines Künstlers wie Joseph Beuys,der erklärte, an einen Tisch sei »genau dieselbe Anforderunggestellt wie an einen griechischen Tempel.«132 Beuys (derübrigens auch Möbel entworfen hat) ist eine der Ausnah-men, welche die Regel bestätigen.

Die neueste Kunst, gerahmte Bilder zu gestalten, heißtWeb Design. Und unter dem Begriff Interface Design ver-steht man nicht mehr nur allein die Gestaltung der Benutzer-oberflächen von Softwareprogrammen. Interface Design ge-staltet die Interaktion zwischen Benutzer und Artefakt(gleichviel ob Gebrauchsgegenstand, [Designer-] Droge oderSoftware), d.h. die Interaktion zwischen Mensch und Um-welt (als erweitertes Environmental Design), bis hin zur In-teraktion zwischen Menschen. Mit den Worten des Design-Theoretikers Gui Bonsiepe:

»Design als eine Domäne menschlichenHandelns löst es aus dem engen Rahmen der Ent-wurfsdisziplinen, mit denen in der Regel der Aus-druck ‘Design’ verknüpft wird, das heißt IndustrialDesign, Graphikdesign, Modedesign und Innenein-richtung. [...] Design ist eine Domäne, die sich injedem Bereich menschlicher Kenntnis und Praxis ma-nifestieren kann. [...] In allen diesen Bereichenmenschlicher Praxis existiert das Design als Erzeu-gung einer neuen Wirklichkeit. In dem Augenblick,da man sich der Zukunft öffnet, betritt man die Do-mäne des Design. Zukunft ist nicht gegeben. Zukunftwird entworfen – zumindest von mündigen Subjek-ten.«133

Würde man in den vorangegangenen Sätzen das Wort»Design« durch »Kunst« ersetzen, dann hätte auch von der»Sozialen Plastik« des Joseph Beuys die Rede sein können.Es scheint aber, dass sich gegenüber dem »erweiterten Kunst-begriff« ein erweiterter Designbegriff durchgesetzt hat. BazonBrock bot für annähernd denselben Inhalt, auf den die »So-

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ziale Plastik« zielte, die Bezeichnung »Sozio-Design«134 –mithin ein vermutlich zukunftsträchtigeres Name Design.

»Alles Design?«135

Bei dem, was heute die zitierte designtheoretische Auf-fassung Bonsiepes beansprucht, handelt es sich nicht um dieunangemessene Aufladung eines inflationär gebrauchten Mo-debegriffs, wie man vielleicht meinen könnte. Der theoreti-sche Diskurs und der praktische Gebrauch des Begriffs »De-sign« haben die definitorische Enge des Industrie-Designsgesprengt und nehmen gegenwärtig wieder eine Bedeutungs-dimension an, die dem Begriff in seiner Vergangenheit längstinnewohnte.136 Die Auffassung vom »Designer als Erzeugereiner neuen Wirklichkeit« deckt sich letzten Endes mit demschon erwähnten ersten freimaurerischen Gebrauch des Wor-tes, wonach Gott »the great Designer«, der große Entwerferdes Universums sei. Im Hinblick auf die italienische Her-kunftslinie des Designbegriffs könnte man von einer weit-greifenden Renaissance desjenigen Disegno-Begriffs spre-chen, wie er im engeren Rahmen der florentinischen Kunst-theorie verwendet und erhöht wurde. Cennino Cennini be-zeichnete den Disegno, die zeichnerische Formgebung nebender Farbgebung als die »Grundlage der Künste«, die mittelsder Hände ausgeführt werden.137 Giorgio Vasari titulierte denDisegno als »Vater« der drei bildenden Künste Architektur,Skulptur und Malerei.138

Schon damals erörterte man den übergeordneten Kon-zeptions- und Formfindungsprozess mittels des zeichnerischenEntwurfs nach seiner sichtbaren und nach seiner unsichtba-ren Seite hin. In erster Linie handelte es sich um die Fragenach jener sprichwörtlich gewordenen »ersten Linie«.Benvenuto Cellini und Federico Zuccari verfolgten und kon-statierten die Herkunft des Konzeptuellen, des Imaginativenals Herabkunft eines metaphysischen Entwurfs aus einer gött-lich schöpferischen Sphäre, vom »Disegno Divino« zum»Disegno Angelico«, herab zum menschlichen »Disegno«, –ein Wort in dessen Lautlichkeit noch die göttliche Herkunftals »segno di dio in noi« nachklinge (Zuccari).139

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Also wurde der Disegno zum wirklichkeitserzeugendenPrinzip schlechthin erklärt – in Formulierungen, die sich in-haltlich mit jenem Design-Universalismus des modernen The-oretikers Bonsiepe durchaus decken: »denn der Mensch kannnichts schaffen, ohne sich des Disegno zu bedienen« – »derDisegno [ist] das einzige und wahre Licht aller Handlungendes Menschen in jedem Geschäft. Denn der Disegno ist vonzweierlei Art. Die erste ist die, welche in der Einbildung(Imaginativa) geschieht, die zweite geht aus der ersten hervorund zeigt sich in Linien...« (Cellini).140

Die universelle Bedeutungsdimension des Disegno alskreativ-prozessualer Umschlagplatz (interface) von Imma-teriellem, Imaginativem hinüber zu Materiellem und Visuel-lem wurde innerhalb der Kunst-Theorie erörtert, wobei dieTheoretiker meist auch ausübende Künstler und Kunsthand-werker (also nach heutiger Terminologie »Designer«) wa-ren. Leonardo da Vinci, herausragender homo universalis,demonstrierte den Disegno als ein universales Ausdrucks-mittel für künstlerische und bekanntermaßen auch für wis-senschaftlich-technisch zukunftsträchtige Konzeptionen. DassBild-Erfindungen als geistige Bilder vor »das innere Auge«treten, versteht sich, weniger bekannt ist, dass dies auch fürdie technischen Erfindungen und Produktgestaltungen der In-genieurswissenschaften zutrifft.141

Auf der universalen Konzeptionsebene des Disegno oderdes Design oder der Kunst kann man schwerlich Grenzenzwischen Design und Kunst ziehen. Die Quelle desHervortretens von Intuitionen, des Entwerfens von Utopienund Visionen gleicht einem geistigen Ausgangs-Punkt, vondem »blitzartig« oder allmählich »dämmernd« »Einfälle«,»Erleuchtungen« ausgehen, die sich zu gedanklichen oderbildlichen Figuren formen. Der Verfolg des kreativenHervorbringens jeglichen Menschenwerks142 kann, so gese-hen, auf einen imaginären Punkt gebracht werden. Vielleichtnur im Hinblick auf diesen Universalpunkt, der realiter auseinem Sternenkosmos von einzelnen »Leuchten« in den Köp-fen der (kreativen) Menschen besteht, lässt sich mit Rechtdavon sprechen, dass »jeder Mensch ein Künstler« sei

Rudolf Steiner:Skizze für Signet

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(Beuys); dass »der Disegno das einzige und wahre Licht al-ler Handlungen des Menschen in jedem Geschäft« sei, »derMensch nichts schaffen kann, ohne sich des Disegno zu be-dienen« (Cellini) und, dass »in allen Bereichen menschlicherPraxis das Design als Erzeugung einer neuen Wirklichkeit«existiere (Bonsiepe).

Unter dem Blickwinkel eines derart weitgefassten undauf den Quellpunkt gebrachten Designbegriffs konturiert sicheine Eigenart von Rudolf Steiners Schaffen: Steiner war imeminentesten Sinne Entwerfer – auf nahezu allen Lebensge-bieten. Er war weder ausgebildeter Architekt, noch gelernterLandwirt, noch studierter Pädagoge, usw., aber Entwerfereines neuen organischen Architekturmodells, Entwerfer ei-ner neuen Reformpädagogik, Entwerfer einer neuen ökolo-gischen Landwirtschaft, usw. Gemessen am heutigen Ver-ständnis von Design ist es deshalb nicht nur möglich von»Rudolf Steiner Design« zu sprechen, weil Steiner als Desi-gner im engeren Sinne tätig war, d.h. Möbel, etc. entwarf,sondern in mehrfacher Hinsicht sinnvoll und erhellend.

Vor der Folie designhistorischer Vergleiche erscheintRudolf Steiners Werk in der Designgeschichte situiert undüber vorhandene historische Bezüge begehbar und versteh-bar. Ich erinnere an den Vergleich mit William Morris unterder Überschrift »Redesigning the World«, sowie den Bezugzum spirituellen Funktionalismus des amerikanischen Sha-ker-Designs. Der designhistorische Rückblick auf denflorentinischen Disegno erweist eine bemerkenswerte Näheder theoretischen Auffassungen von Steiner und FedericoZuccari insbesondere bezüglich des Disegno Angelico: »Al-les, was geschaffen wurde von der Gottheit, war erst im Bil-de da, wie auch der Maler ein geistiges Bild vor Augen hat,ehe er es auf die Leinwand bringt.« Ob hier aus Florenz oderDornach zitiert wird? Es hört sich nach Florenz an, stammtaber von Steiner.143

Ein anderer Grund für die Verwendung des gegenwärtiggebrauchten Wortes Design in der Bezeichnung »RudolfSteiner Design« ergibt sich daraus, dass original SteinerschesGrafikdesign – beispielsweise als Firmenzeichen der Weleda

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AG – bis in die Gegenwart herein Verwendung findet.144

Weiterhin wurde nach Steiners Tod »anthroposophisches«Design oder sogenanntes »goetheanistisches Bauen und Bil-den«145 durchgehend bis heute praktiziert – unter dezidierte-rer Berufung auf Rudolf Steiner als auf Goethe, was in derNamensgebung »Rudolf Steiner Design« eindeutiger zumAusdruck kommt.

Dabei handelt es sich neben »metamorphosierten« Be-zügen zu Steiners Design bzw. Designkonzepten, die wenigoffensichtlich sind (wie bei einem Thonet-Möbel oder einemZuginterieur), auch um solche Gestaltungen, die als offen-kundiges Nachfolge-Design von Steiner gelten dürfen, wiez.B. die Produkte der Dornacher Leuchtenfirma Dörfler oderdiverse Möbel, Glasfenster, etc. unterschiedlichster Prove-nienz und Datierung. Wobei die Produkte der DornacherKünstlerkolonie hinsichtlich Kontinuität und Produktivitätvermutlich an erster Stelle zu nennen wären, aber die Bei-spiele reichen vom Interior Design des Threefold VegetarianRestaurant in New York City (Ende der Zwanziger Jahre)über diejenigen der Künstlerkolonie Runa im Spessart (Fünf-ziger Jahre) bis in die Gegenwart.146

Wem die von mir gebrauchte Bezeichnung, trotz der an-gegebenen Gründe, als so oder so unangemessene, d.h. mög-licherweise herabwürdigende oder aufwertende Projektiondes zeitgenössischen Begriffs Design auf Rudolf SteinersKunst bzw. angewandte Kunst erscheinen mag, für den seinoch Folgendes angefügt: Es gibt eine auf Verkauf und Seri-enproduktion angelegte Werkgruppe Steiners, die man alspädagogisches Arbeitsmaterial bezeichnen kann, nämlich diesogenannten Eurythmiefiguren, die heute noch hergestellt wer-den. 147

Auf der Rückseite eines erhaltenen Prototypen, denSteiner eigenhändig bemalte, findet sich die Signatur RudolfSteiners direkt neben der für die Figuren obligatorisch ge-dachten Aufschrift »Copyright Design«.148 Freilich meinte»Copyright Design« damals die englische Übersetzung desurheberrechtlichen Vermerks »Nachahmung verboten«, derebenfalls und gleich unterhalb der englischen Version auf

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der Prototyprückseite geschrieben steht. Nichts desto weni-ger bezeugt der Vermerk »Copyright Design« die Vertraut-heit Steiners mit dem Begriff Design, gerade im Hinblick aufdessen ökonomische Dimension. Die Figuren waren auch fürden Verkauf und den Export nach England bestimmt, woSteiner mehrfach pädagogische Vorträge gehalten hatte.149

In Oxford am 24. August 1922 äußerte er sich in einerWeise über die Eurythmiefiguren, die seine Anschauung vonKunst und »Kunstgewerbe« prinzipiell zu erhellen vermag(Den damals gebräuchlichen deutschsprachigen Ausdruck»Kunstgewerbe« benutzte Steiner selten). Im Vortrag nennter die Eurythmiefiguren »eine Art Expressionskunst«150 – sowie er sonst auch in aller Regel Objekte, die man seinerzeitals Kunstgewerbe bezeichnet hätte, als Kunst auffasste undentsprechend bezeichnete.

Für die Unterscheidung der beiden »Kunstarten« freieKunst und Kunstgewerbe verwendete er auch die Bezeich-nungen »das abstrakt Künstlerische« und das »konkretKünstlerische«151, in ähnlicher Weise wie einmal Goethe imWilhelm Meister (Wanderjahre, 3. Buch, 12. Kapitel) allegestaltenden Handwerke zu Künsten erklärte und die Kunstnach »freier Kunst« und »strenger Kunst« unterschied. AmAnfang des Zwanzigsten Jahrhunderts stand das Kunstge-werbliche, im Gegensatz zum Kunsthandwerklichen, deut-lich unter dem Zeichen der maschinellen und industriellenProduktion. Was Steiner diesbezüglich mit seiner – wie erselbst formulierte –Expressionskunst 152 der Eurythmiefigu-ren beabsichtigte, folgt im Wortlaut der Vortragsnachschrift:

»[...] zu pädagogisch-didaktischen Zwecken, dassage ich eben nur in Parenthese – können solche Fi-guren auch gekauft werden. Und werden sie gekauft,dann können sie eventuell in Dornach gemacht wer-den. ... Die Figuren, die hier ausgestellt sind, wer-den in ihrer Gesamtheit etwa kosten 10 Pfund 10Shilling. Das ist zunächst der Preis für dasjenige,was hier ist. Denn es wird wahrscheinlich noch lan-ge keine Art Maschinenfabrikation eintreten können,

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Rudolf Steiner:Heizkörpervorsatz

sondern Handarbeit sein müssen. Und so können siezunächst nicht billiger gemacht werden. Wir habenausgerechnet, wenn wir etwa 3000 [!] Bestellungenhaben, dann können wir die Sache mehr maschinellmachen und zu größerer Billigkeit kommen.«153

Die Planrechnung zur Maschinenfabrikation der male-risch-expressionistischen Eurythmiefiguren steht als spre-chendes Beispiel dafür, dass Rudolf Steiners Kunstbegriff»Design« im Sinne des modernen »Kunstgewerbes« jener Zeitumfasste. Die Aspekte eines funktional wie ökonomisch aus-gerichteten Designbegriffs wurden nach Möglichkeit ange-wandt, jedoch ohne Abstriche am künstlerischen Expressio-nismus, an den künstlerischen Intentionen zu machen, ob essich nun um ein so ungewöhnliches Produkt wie die Euryth-miefiguren oder um eine Heizkörperverkleidung des erstenGoetheanum handelte, die ungegenständliche freie Skulpturist – und serielles Produkt, hergestellt im Gussverfahren. EinCharakteristikum von Steiners bildnerischem Schaffen er-gibt sich gerade durch das wechselseitig integrative Verhält-nis von sogenannter freier Kunst zu funktional-nützlicher All-

Rudolf Steiner: Entwurf eines Heizkörpervorsatzes für das Haus Duldeckeingezeichnet in eine Skizze Hermann Ranzenbergers.

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tagsgestaltung, ein Verhältnis das als »Design-Maxime« in-nerhalb der schon zitierten Verse in Steiners viertem Myste-riendrama ausgedrückt ist:

»Was nützlich ist und edle Schönheit trägt – Gewerbesoll mit Kunst zur Einheit werden«.

Das Einswerden von Gebrauchsgegenständen und Kunst-gegenständen unter dem einen Begriff der Kunst umschließtbei Steiner alle menschengemachte Umwelt und Prozessge-staltung (im Sinne von Interface Design gleich Gesamtkunst-werk), wobei anthroposophische Architektur, Plastik undMalerei nicht im üblichen Sinne als »freie« Künste verstan-den werden, sondern auf allen Gebieten spirituell wirksameFunktionen ausüben sollen.

Als »Spiritual Functionalism«154 könnte man daher denroten Faden bezeichnen, der spirituelle und materielleFunktionalitäten zur Einheit verwebt, – ein spiritueller Funk-tionalismus, der sich von der Steinerschen Grundsatzformelherleitet: »Geist ist niemals ohne Materie, Materie niemalsohne Geist«155 Denn nach Steiners Beobachtung zeitigt jedeArt der Gestaltung von Materie differenzierte geistige Wir-kungen, die unbewusst Geist und Psyche des Menschen nach-haltig prägen. Zwei ausführliche Zitate Rudolf Steiners ausder Anfangszeit seiner gestalterischer Laufbahn mögen denkonkreten Bezug der Geist-Materie Formel zur anthroposo-phischen Umweltgestaltung hervorheben. Aus einem Vortragvor Mitgliedern der theosophischen Gesellschaft im Jahre1907:

»Die Gotik, die gotischen Dome und Kirchen,lösen ganz bestimmte Seeleneindrücke aus bei dem,der sie betritt. Es ist, als trete man in eine Art vonHain in diesem hohen gewölbten Dome mit den auf-strebenden Säulen. Der Aufenthalt dort wirkt ganzanders auf die Seele, als wenn Sie zum Beispiel inein gewöhnliches Haus gehen oder in ein Bauwerk,das eine Renaissance-Kuppel oder eine Kuppel ro-

Rudolf Steiner: Modell einesHeizkörpervorsatzes

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manischen Stiles hat. Es gehen ganz bestimmte Wir-kungen von den Formen aus. Der gewöhnlicheMensch wird sich dessen nicht bewußt, für ihn lebtdies alles im Unbewußten, in seinem Unterbewußt-sein. Verstandesmäßig macht der Mensch sich nichtklar, was in seiner Seele vorgeht, wenn er solche For-men um sich hat. Und was da vorgeht, ist je nach derBeschaffenheit seiner Umgebung sehr verschieden.Viele Menschen glauben, daß der Materialismus un-serer modernen Zeit davon herrühre, daß so viele ma-terialistische Schriften gelesen werden. Aber der Ok-kultist weiß, daß dies nur einen geringen Einfluß hat.Das, was das Auge sieht, ist von weit größerer Wich-tigkeit, denn es hat Einfluß auf Vorgänge der Seele,die mehr oder weniger im Unbewußten verlaufen.Das hat eine eminent praktische Bedeutung. [...] DerGeisteswissenschafter weiß, wieviel davon abhängt,ob der Mensch in dieser oder in jener Formenweltlebt.«156

Wieviel von der die Menschen umgebenden Formenweltabhänge, konkretisierte Steiner zwei Jahre später, wieder ineinem Vortrag vor Mitgliedern der theosophischen Gesell-schaft, deren Gros eher von einer östlich orientierten Spiri-tualität geprägt und deshalb gewohnt war, die materielle Um-welt tendenziell als Maya, als Schein aufzufassen. DassSteiner sogar die Moralität des Menschen, die Kernsphäredes spirituellen Seins in Abhängigkeit zur Beschaffenheit deralltäglichen Umgebung setzte, dürfte nicht wenige Theoso-phen schockiert und provoziert haben:

»Wer den Zusammenhang der geistigen Tatsa-chen erkennen und zu beurteilen vermag, der weißganz gut, daß Sitten, Gewohnheiten, Seelenneigun-gen, gewisse Beziehungen des Guten und des Böseneines Zeitalters davon abhängen, wie die Dinge be-schaffen sind, an denen wir vom Morgen bis zumAbend vorbeigehen, unter denen wir vom morgen bis

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zum Abend sind. Was die Menschen der heutigen Zeitvom Morgen bis zum Abend zumeist umgibt, das ist- verzeihen sie den harten Ausdruck - oftmals haar-sträubend. Um nichts kümmert sich der Mensch heuteoft weniger als um das, was den Tag über in seinerUmgebung ist! Hat er sein Urteil, sein Auge, seinenGeschmack dabei, wie man seinen Tisch, seinen Stuhlgestaltet? Das Unmöglichste auf diesem Gebiet istheute möglich. Von unseren Fabriken werden irgend-welche Verzeichnisse ausgegeben: so und so sindStühle geformt, so und so sind Tische geformt. Undin den meisten Fällen, wenn einem das nicht gefällt,was ein abstrakter, unpraktischer Geschmack intausenden und tausenden Exemplaren in die Welt hi-nausschickt, wird man zur Antwort bekommen: Jaanderes kann man eben nicht haben! – Die Menschenmerken nicht, dass sie in dem Augenblick andereshaben würden, wenn sie nur anderes haben wollten.Der einzelne vermag dabei natürlich wenig. Aber die-jenigen Gesellschaften, die gemeinsame Ideale pfle-gen, sollten auch darauf halten, daß in dem, was sieumgibt, ein Ausdruck ist davon, was in ihren Her-zen, in ihrem Urteil lebt. [...] Das, was geistig lebt,kann sich nämlich durchaus in den Formen, in denFarben unserer Umgebung ausprägen und uns wiederentgegentreten in dem, was wir um uns herum wahr-nehmen. Was um uns herum ist, kann in einer gewis-sen Beziehung ein Echo sein dessen, was wir in un-seren Seelen und in unseren Herzen empfinden. Indieser Beziehung soll Theosophie immer mehr unserganzes Kulturleben durchdringen, eben durchaus Le-bensblut unserer geistigen Entwickelung werden.Man kann in dieser Beziehung sagen, daß unserhöchstes Ideal gerade mit dem zusammenhängt, waswir auf Schritt und Tritt im Leben um uns herumhaben. [Hervorhebung RJF]«157

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In den ersten zwei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts wur-den gestalterische Ideale ungewöhnlich heftig diskutiert undformuliert: vom »Sieg der deutschen Form« (Werkbund), vom»Ornament als Verbrechen« (Adolf Loos) oder vom »klas-senlosen neuen Bau der Zukunft« (Bauhaus) war die Rede,auch davon dass »Architekturwollen nur Religionwollen«(Bruno Taut) sei.158 Gegenüber verwandten sozialreformeri-schen, naturorganischen oder religiös tangierten Formge-bungs-Idealen, die der Umweltgestaltung ebenfalls einen prä-genden Einfluss auf die Verfassheit der menschlichen Psy-che, und folglich der Gesellschaft beimaßen, unterscheidetsich Rudolf Steiners »Designbegriff« durch eine besonderespirituelle Determiniertheit. Alle Details anthroposophischerGestaltung und Gestaltungstheorie erscheinen bei näheremZusehen von spirituellen Funktionen bestimmt. Man hat die-sen spirituellen Funktionalismus nur im Hinblick auf Steinerals Künstler (und meist nur unter Anthroposophen) erörtert,obwohl der Begriff die Brücke zum Design beziehungsweisezu Steiner als Designer nahelegt.

Erst im Jahre 1907, sechsundvierzigjährig also, anläss-lich des theosophischen Kongresses in München, nimmtRudolf Steiners »kunstschöpferische Periode« ihren Anfang.Dass der »geborene Künstler« Steiner genau genommen we-der im damaligen noch im heutigen Sinne als »Künstler« sei-ne gestalterische Laufbahn begann, sondern als »Designer«,darauf wurde bis dato noch nicht hingewiesen.159 Die obenzitierten Aussagen Steiners aus den Jahren 1907 und 1909belegen unmissverständlich die Gestaltungsabsichten in Rich-tung all desjenigen, »was wir auf Schritt und Tritt im Lebenum uns herum haben«. Die ersten und alle weiteren künstle-rischen Bemühungen Steiners bilden eine Synthese von Kunstund Design, deren Kompositionsmuster sich nicht ohne wei-teres in zwei gesonderte Linien – »Kunst« hier und »Design«dort – auftrennen lassen, ohne die von Steiner intendiertespirituelle Einheit der Umweltgestaltung nach der einen oderanderen Seite hin zu verlieren.

In der mittlerweile umfangreichen Literatur über denKünstler bzw. Architekten Steiner hat man den Designer

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Steiner vernachlässigt, ja größtenteils übersehen, obwohl sichsein bildnerisches Schaffen der ersten Periode (1907 bis 1914)vorwiegend dem Gebiet der »Innendekoration« (so der da-malige Ausdruck für Interior Design), sowie des Bühnen-und Grafikdesigns zuordnen lässt. Belegen und veranschau-lichen wird dies der im Folgenden dargestellte Überblick überdie zuschreibbaren Entwürfe und Werke Steiners aus der Pe-riode vor der Planung des ersten Goetheanums in Dornach,beginnend mit dem »historischen Auftakt« zur Gestaltungdes Theosophischen Kongresses in München 1907.

Die Darstellung der Werke folgt einer chronologischenHauptlinie, die von thematischen Vorgriffen aus späterenSchaffensphasen begleitet sein wird, um durchgängige Ge-staltungsphänomene mittels vergleichender Reihung sichtbarzu machen. Werkbeschreibungen werden begleitet von Selbst-interpretationen Steiners in Form ausführlicher Zitate, diedirekt werkbezogen sind – oder geeignet, allgemeine Grund-linien seines spirituellen Funktionalismus zu skizzieren. Umden Designer Steiner sichtbar zu machen, genügen teilweisebloße Werkbeschreibungen in der Terminologie des Designs,dort wo bislang allein von Kunst gesprochen und genügsamikonografisch-ikonologisch interpretiert wurde. So beschrän-ke ich mich mancherorts auf das Neu-Beschreiben des Wort-sinns, des sensus litteralis, indem ich durch eine andere Wort-wahl einen anderen Deutungsaspekt sichtbar zu machen su-che, was manchem Leser, der mit dem künstlerischen WerkSteiners und der entsprechenden Interpretations-literatur wenig vertraut ist, als Mangel an sensusspiritualis erscheinen mag. Wenn beispielsweiseim Folgenden von »apokalyptischen Siegeln«,oder einer »Rosenkreuz-Abbildung« im Kontextvon Design die Rede sein wird, geht es zunächstnicht um die Anwendung kunstgeschichlicherHermeneutik auf diese malerischen Motive, son-dern um die Freilegung von damit verbundenenDesign-Komponenten, die bislang keine Berück-sichtigung in der Literatur gefunden haben.

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Rudolf Steiner: Skizze zu einer Eintrittskarte

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Der Münchner Kongress 1907An der Stelle, wo Rudolf Steiners Autobiografie »Mein

Lebensgang« unvollendet abbricht, findet sich ein kurzerRückblick auf den Theosophischen Kongress 1907, dessenOrganisation und Programmgestaltung der Deutschen Sek-tion der Theosophischen Gesellschaft oblag. Worin die»Hauptsache« dieser Veranstaltung in München lag, wurdevon Steiner hervorgehoben: »der Kongreß hatte Künstleri-sches in sich.« – im Kontrast zu vorhergehenden theosophi-schen Kongressen, die formal »den gelehrten Kongressennachgebildet waren«.

»An alledem wurde in München manches modi-fiziert. Den großen Konzertsaal, der für die Tagungdienen sollte, ließen wir – die Veranstalter – mit ei-ner Innendekoration versehen, die in Form und Far-be künstlerisch die Stimmung wiedergeben sollte, dieim Inhalt des mündlich Verhandelten herrschte.Künstlerische Umgebung und spirituelle Betätigungim Raume sollten eine harmonische Einheit sein.«160

Dreierlei lässt sich aus dem Gesagten in Bezug auf dasbis anhin Dargestellte entnehmen: erstens, dass Steiner wiesonst auch »Innendekoration« als Gestaltungsgebiet des all-gemein Künstlerischen auffasste, und zweitens, dass die wei-ter oben zitierten, ausführlicheren Aussagen von 1907 und1909 in den Kontext der Absichten des Münchner Kongres-ses passen, und drittens, dass die Forderung, spirituelle Be-tätigung solle mit der künstlerisch zu gestaltenden Umge-bung eine harmonische Einheit bilden, dem erwähnten Geist-Materie Grundsatz gemäß verstanden werden darf.

Eine mit dem Satz »Geist ist niemals ohne Materie, Ma-terie niemals ohne Geist« verbundene Konsequenz in um-weltgestalterischer Hinsicht führte Steiner den Mitgliedernder theosophischen Gesellschaft anlässlich »der Grundstein-legung des ersten nach seinen okkult-künstlerischen Gesichts-punkten gestalteten Hauses am 3. Januar 1911 in Stuttgart«161

drastisch vor Augen:

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»Wir sollten uns klar darüber sein: solange wirgezwungen sind, in solchen Sälen zusammenzukom-men, deren Formen einer untergehenden Kultur an-gehören, muß unsere Arbeit mehr oder weniger dochdas Schicksal dessen treffen, was dem Untergang ge-weiht ist. Die spirituelle Strömung wird erst die neueKultur, die sie zu bringen berufen ist, heraufführenkönnen, wenn es ihr vergönnt sein wird zu wirkenbis hinein in das rein physische Gestalten, selbst derMauern, die uns umgeben. Und anders wird spiritu-elles Leben wirken, wenn es hinausfließt aus Räu-men, deren Maße Geisteswissenschaft bestimmt, de-ren Formen aus Geisteswissenschaft erwachsen.»162

Das seit dem Münchner Kongress 1907 beabsichtigteWechselspiel in der Entsprechung von spiritueller Betätigungund künstlerischer Gestaltung konnte Steiner in Münchennur ansatzweise und ephemer durchführen, im theosophischenHaus in Stuttgart für eine permanente Nutzung umsetzen undmit seinem späteren ersten Goetheanumbau in Dornach amweitgehendsten realisieren. Auf dem Wege von München überMalsch und Stuttgart nach Dornach transponierte Steiner zen-trale Gestaltungsmuster – wie die Motive der Säulenkapitel-le – ohne wesentliche Änderungen. So gesehen kann man diesieben auf hohe, rechteckige Bretter gemalten Säulen der In-nendekoration des Münchner Kongresses auch als Entwürfefür die plastischen Säulen aus Stein in Stuttgart und für diehölzernen plastischen Säulen im ersten Goetheanum auffas-sen. Zumal Steiner, der in Berlin am 12. 6. 1907 in einemVortrag über den Kongress berichtet, von den Münchner Säu-lenmotiven nicht nur zurückblickend, sondern vorausschau-end äußert: »Dann gibt es die sieben Säulenmotive für dieZeit, in welcher der Theosophie auch einmal Gebäude ge-baut werden können.«163 Ein bekannter, von Steiner mehr-fach angeführter Vergleich, der deutlich veranschaulicht, wasmit dem später ausgeführten ersten Goetheanumbau »gemeint

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war«, charakterisiert die spirituell-seelische Gestaltungsfunk-tionalität der Münchner Innendekoration:

»[...] unser Bau ist gemeint – und das ist ebender schmählich triviale Vergleich – wie ein Gugel-hupftopf, wie ein Napfkuchentopf, der nicht da istum seinetwillen, sondern für den Napfkuchen. Dar-auf kommt es an, daß das, was darinnen ist, die Formbekommt, und wenn er leer ist, so zeigt er eigentlich,daß er zu etwas da ist, der Napfkuchentopf. Was eraus dem Napfkuchen macht, darauf kommt es an.Und bei unserem Bau kommt es darauf an, was dieSeele in ihren tiefsten Gründen, indem sie sich dar-innen aufhält in diesem Bau, erlebt, wenn sie bis andie Grenzen der Formen dieses Baues kommt. Alsodas Kunstwerk wird eigentlich nur angeregt durchdas, was an Formen da ist. Das Kunstwerk ist dasje-nige, was die Seele erlebt, indem sie den Formenentlang erlebt. Das Kunstwerk ist der Napfkuchen.Das, was gebaut worden ist, ist der Napfkuchentopf[...]«164

Rudolf Steiner:Gugelhupftopf,Tafelzeichnungvom 28. 12. 1921

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»Veranstaltungsdesign« – Vignetten, Siegel, Säulen

Nach heutigen »deutschsprachigen« Begriffen handeltees sich bei der Gestaltung des Münchner Kongresses um Ver-anstaltungsdesign – allerdings erweist sich der deutscheSprachgebrauch anglophil: der Ausdruck Event Design er-zielte per www-Suchmaschine über 36 000 Treffer fürdeutschsprachige Internetseiten, »Veranstaltungsdesign« da-gegen nur etwa 120. Die von Steiner gebrauchten Bezeich-nungen »Innendekoration« und » künstlerische Ausgestaltungdes Kongresses« umschreiben den gestalterischen Sachver-halt im Hinblick auf die Gesamtgestaltung des Kongressesnur ganz allgemein. Spätere Publikationen über den Münch-ner Kongress beschreiben bis dato ausschließlich vom Ge-sichtspunkt der »künstlerischen Ausgestaltung« und nichtvom Aspekt der »Innendekoration«.

Steiner aber konzipierte den Kongress in nahezu allenDetails, vom Programm bis zum Programmheft, vom Gra-fikdesign der Einladungskarte bis zur Regie und den Kostü-men der Schauspielaufführung, etc. – für diese übergeordne-te Gestaltungsdimension benutzte Steiner entweder den Be-griff des »Künstlerischen« oder er umschrieb kunstbezogendie beabsichtigte spirituelle Funktionalität, beispielsweise wiefolgt: »[...] bei einem solchen Kongresse, [wurde] gezeigt,wie man das Leben, das in der Seele lebt, auch in der Form,in der Kunst und im Zusammensein ausprägen kann.«165 Mankönnte also im Sinne Steiners retrospektiv allein mit den Be-griffen Kunst oder Gesamtkunstwerk operieren, so wie dasbisher geschehen ist.166

Allerdings erweist sich für den gegenwärtigen For-schungsstand und Sprachgebrauch, dass die vielfältigen De-signprojekte Steiners, die er für den praktischen Gebrauchentwarf (ob Schirmgriff oder Werbegrafik) nur dann zwang-los unter diese Begriffe zu bringen sind, wenn man – wieschon gesagt – dem Kunstbegriff den Designbegriff subsum-miert. Denn ein zeitgemäßes und präzises begriffliches Er-fassen der gestalterischen Leistungen Steiners bieten die heutegebräuchlichen und entsprechend differenzierten Designbe-

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griffe: Unter dem Oberbegriff Veranstaltungsdesign (oderEvent Design) findet sich denn auch der spezifische Aus-druck »Kongressdesign«, der alle erforderlichen oder gefor-derten Gestaltungsaufgaben eines Kongresses, ob konzepti-oneller, räumlicher oder prozessualer Art einschließt. Je nachAnspruch an das Veranstaltungsdesign kommen aufeinanderabgestimmte Designbereiche zum Tragen: Corporate Design,Identity Design, Grafik Design, Interior Design, Farb De-sign, Ausstellungsdesign. Die diversen und im Zunehmenbegriffenen Design-Wortverbindungen signalisieren bewußteingesetzte, gestalterisch-funktionale Komponenten, dielängst nicht mehr nur das äußere Erscheinungsbild betref-fen, sondern psychologisch stimulierende (um nicht zu sa-gen »manipulierende«), meist marketing-relevante Funktio-nen ausüben.

All die aufeinander abgestimmten, spirituell-funktiona-len Gestaltungskomponenten des Münchner Kongressdesigns,entwarf Rudolf Steiner bis in kleinste Details von Anfangan. Marie von Sivers, die spätere Marie Steiner, berichtetein einem Brief an Edouard Schuré vom 10. November 1906:»Während der zwölf Tage dort [in München] haben wir auchden Plan für den Kongress entworfen [Hervorhebung RJF]und die Säle gemietet. Diese sind nach unserem Geschmack– würdig, weiträumig, wohlproportioniert und frei von Ver-zierungen, so dass die Dekoration unsere Sache sein wird.«167

Die Planung des Kongresses sowie die Auswahl des Veran-staltungsortes erfolgte demnach im Herbst 1906 in München,– laut Briefstelle zusammen mit Marie von Sivers, der da-maligen Assistentin Steiners. In diesem Brief bittet sie Schuréum Erlaubnis, dessen Werk »Das heilige Drama von Eleusis«im Rahmen des Kongresses aufführen zu dürfen, andernfallswürde »Dr. Steiner selbst etwas im Sinne der antiken Myste-rien verfassen«. Steiner verteilte nicht nur die Rollen für dasSchurésche Drama und führte die Regie, sondern entwarfdafür auch die Kulissen und Kostüme. Näheres zu diesenEntwurfsarbeiten ist nicht überliefert, erst über die Auffüh-rungen der von Steiner selbst verfassten »Mysteriendramen«in München ab 1910 liegen Bildmaterial und Dokumente vor,

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die zeigen wie erstaunlich weit das gestalterische Engage-ment Steiners reichte.

In einem Brief aus Erlangen vom 21. Januar 1907schickte Steiner das Kongress-Programm an Marie vonSivers: »Beifolgend schicke ich Dir das Kongreß-Programm.Ich habe es nun fertig in dem Zustande, daß es der Druckerbekommen kann ... bitte laß es nun sofort drucken und zwarganz genau nach dem Manuskript...«.168 In dem vorab ver-schickten Programmheft finden sich als künstlerische Pro-grammpunkte: »Die bildende Kunst «, »Musik«, »Die Poe-tische Kunst« (und unter »Abhandlungen und Vorträge«übrigens auch der Programmpunkt »Kunstwissenschaften«).Im Text zur bildenden Kunst formulierte Steiner die Ab-sicht der ganzheitlichen ästhetischen Stimmungsfunktion:

»Es besteht die Absicht, alles was auf diesemGebiete geboten werden soll, mit der ganzen Veran-staltung zu einem harmonischen Ganzen zu verknüp-fen. Daher wird eine Ausstellung nicht in einem ab-gesonderten Raume, sondern in dem geräumigen undsympathischen Festsaal des Kongresses selbst statt-finden. Und es soll in der Wahl der auszustellendenKunstwerke, sowie in den dekorativen Verbindungs-gliedern eine Harmonie geschaffen werden, die füralles übrige eine Grundstimmung des Raumes lie-fern soll.«169

In einem Bericht über den Theosophischen Kongress von1907 in der Zeitschrift »Lucifer-Gnosis« erläuterte RudolfSteiner zunächst die rote Farbgestaltung des Veranstaltungs-saales, im weiteren die okkulte Bedeutung der Säulenmotiveund kam schließlich auch auf das Programmheft zu spre-chen:

»Den Stimmungsgrundton, den wir in unserem«Innenraum» zum Ausdrucke bringen wollten, such-ten wir auch schon in dem Programmbuch darzu-stellen, das den Besuchern in die Hand gegeben wur-

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de. Über die rote Farbe des Umschlages dieses Bu-ches braucht wohl nicht noch Besonderes gesagt zuwerden, nachdem die Bedeutung der roten Farbe inder esoterischen Symbolik oben [anläßlich der rotenAuskleidung des Veranstaltungssaales, RJF] bespro-chen worden ist. Auf diesem Umschlag (in der lin-ken oberen Ecke) ist im blauen ovalen Feld einschwarzes Kreuz, mit roten Rosen umwunden, zusehen; rechts von diesem die Buchstaben: E. D. N. –I. C. M. – P. S. S. R. – Dies sind die zehn Anfangs-buchstaben der Worte, durch welche das wahre Ro-senkreuzertum in einen Zielsatz zusammengefaßtwird: «Ex deo nascimur, in Christo morimur, perspiritum sanctum reviviscimus. [...]

In dem Programmbuche findet man fünf Zeich-nungen. Es sind die in Vignettenform umgesetztenMotive der ersten fünf der oben erwähnten [im Saalausgestellten, RJF] sieben Säulenkapitäle.«170

Den »Stimmungsgrundton« intonierend gestaltete Steineralso nochmals, ein diesmal farbig gedrucktes »Programm-buch«, das als erstes gestalterisches Werk des künstlerischenImpulses von Steiner betrachtet werden darf – ein Werk, dasdem Gebiet des Grafik Designs zuzuordnen ist. Vermutlichbekamen es die Besucher vor ihrem Eintritt in denKongresssaal ausgehändigt und insofern vermittelte es mitseinem leuchtend roten Farbton tatsächlich den ersten Ein-druck der beabsichtigten Stimmung. Neben der Farbgebungdes »Programmbuches«, das mit der roten Farbgebung desSaales in ein einheitliches Farbdesign-Konzept eingebundenwar, zeigte das Heft eine Rosenkreuz-Vignette » im blauenovalen Feld« auf der Umschlagseite und fünf weitere abs-trakt-lineare Vignetten, die den Programmtext der vier Ver-anstaltungstage (18. – 21. Mai) jeweils ganzseitig einrahm-ten.

Steiner selbst wies auf den Zusammenhang der rotenGrundfarbe des Programmheftes mit der Wand- und Decken-verkleidung aus roten Stoffbahnen, die er auch über alle Licht-

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öffnungen und Emporen hängen ließ, und so dem Saaltagsüber einen roten Lichtschimmer verliehen. Das Farbde-sign des Innenraumes hätte sogar noch deutlicher mit demroten Grund und dem ovalen blauen Feld des Programmhef-tes korrespondieren sollen, da Steiner wohl geplant hatte, dieDecke des Saales bogenförmig mit blauem Tuch auszuklei-den.171 Im Saal, links und rechts vor der Bühnenöffnung,waren zwei weitere Säulen aufgestellt: eine rote und eineblaue, dazwischen Büsten der Philosophen Fichte, Hegel undSchelling. 172 Die Ausführlichkeit mit der Steiner über dieBedeutung und Wirkung von Raumfarben in mehreren Vor-trägen und Berichten spricht, unterstreicht den hohen Stel-lenwert, den er der spirituellen Funktionalität der Farbe zu-maß. Er berücksichtigte dabei verschiedene Wirkungsebe-nen, wie jene der psychischen Stimulierung, die Goethe als»sinnlich-sittliche« beschrieben hatte, bis hin zu unbewuss-ten esoterischen Farbwirkungen, die sich vor demhellseherischen Auge hinsichtlich spiritueller Tätigkeiten jenach Farbe als günstig oder ungünstig erweisen würden.173

Die Farbkorrespondenz des Programmheftes mit seinerroten Grundfarbe und einem schwarzen Kreuz mit acht Ro-sen auf blauem Oval erstreckte sich auch auf die sieben, so-

genannten »apokalyptischenSiegel«, die in Formgroßformatiger Tondi, alter-nierend mit den Säulen an dreiSaalwänden umlaufend ange-bracht waren. Auf dem rotenGrund der Stoffbahnen warenalle malerischen Motiveschwarz umfasst und erschie-nen auf einem blauen Rund.Das siebente Siegel zeigte aufder schwarzen Fassung dieBuchstabenfolge des Pro-grammheftes: E D N I C M PS S R. Die sieben Malereiender aus okkulter Tradition

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stammenden »apokalyptischen Siegel« (die von Steiner über-nommen oder variiert wurden174), bildeten zusammen mit densieben Säulenmotiven der Kapitelle den eigentlichen Kerneiner Ausstellung, die Steiner arrangierte. Mehrere plasti-sche und malerische Kunstwerke von zeitgenössischen, ver-mutlich theosophischen Künstlern waren im Raum verteilt,spielten aber eine untergeordnete Rolle gegenüber den buch-stäblich alles überragenden sieben Brett-Säulen und siebenapokalyptischen Siegeln. Auf der abgebildeten Fotografiesind vier Siegel und zwei der Säulen gut erkennbar.175 DieBrettsäulen wurden nach Steiners Entwürfen zwar male-risch ausgeführt, aber in schwarz-weiß und nicht farbig,weil sie eigentlich plastisch, rein nach ihren Formen, d.h.Formveränderungen, Formmetamorphosen aufgefasst wer-den sollten.

Die »schwarz-weißen« Grafiken des Programmheftes ge-ben nach Steiner die »in Vignettenform umgesetzten« Kapi-tellmotive der Säulen im Saal wieder. Die Bedeutung dieserVignetten wird unterstrichen von ihrer späteren Verwendung.So wurden die vergrößerten und um zwei zusätzliche Meta-morphosen ergänzten Vignetten-Motive 1911 von Steiner aufgroßen Tafeln für die zentrale Innendekoration des StuttgarterHauses verwendet, und nach Angaben Steiners in Reliefaus-führung aus verschiedenen Metallen gefertigt. Die Übertra-gung in das Relief demonstrierte eine Rückführung der line-aren Formensprache in den plastischen Ausdruck, der sichjenem der Säulen wieder näherte. Die gegenseitigen Bezügeformaler Art finden sich auf inhaltlicher Ebene wieder. Sichformal entsprechende Vignetten und Säulen wurden

Rudolf Steiner: Siebtes apoka-lyptisches Siegel, ausgeführtvon Clara Rettich.

Rudolf Steiner: Vignetten, auchals »Planetensiegel« bezeichnet.

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gleichermaßen mit denselben Planetensymbolen und in der-selben Abfolge gekennzeichnet, die der inhaltlichen Bestim-mung durch Steiner entsprach:

»Es sind die in Vignettenform umgesetzten Mo-tive der ersten fünf der oben erwähnten sieben Säu-lenkapitäle. Auch in diesen fünf Zeichnungen ist et-was von dem gegeben, was man ›okkulte Schrift‹nennt. Wer sich mit ganzer Seele in die Linienfor-men und Figuren einlebt, dem wird etwas von deminnerlich aufleuchten, was man als für die Erkennt-nis der menschlichen Entwickelung wichtigen Zu-stände (Saturn-, Sonnen-, Mond-, Mars- und Mer-kurzustand) bezeichnet.«176

Menschliche Entwicklungszustände in sieben aufein-ander folgenden Stufen werden nach Steiner auch in den Bil-dern der apokalyptischen Siegel dargestellt: »Es ist die Ent-wickelung der Menschheit, [...] was in diesen sieben Siegelnzum Ausdruck kommt.«177

Auf die spezifischen Bedeutungen der einzelnen Siegel,Programm-Vignetten und Kapitellmotive – so wie sie vonSteiner oder anderen erklärt wurden – sei hier nicht nähereingegangen.178 Betont sei lediglich, dass die Formenspra-che der Säulenkapitelle und Vignetten zwar auf den erstenBlick als reines Ornament erscheinen, aber von Steinerkeineswegs als bloße Dekoration nach heutigen Maßstäbengemeint waren, wenngleich er selbst den Ausdruck »Innen-dekoration« für die Ausgestaltung des Kongresssaales ge-braucht hatte. Was Steiner über die Herkunft dieser Form-,Bild,- und Farbzusammenhänge und ihre Funktionen äußer-te, ist für das Verständnis all seiner gestalterischen Absich-ten relevant. Eine der allgemeinen Ausführungen, die vonder Herkunft der Siegel und Säulen als »Zeichen« jener obenzitierten »okkulten Schrift« spricht, gab Steiner als Einfüh-rung zu der von ihm im Oktober 1907 herausgegebenenMappe mit vierzehn Reproduktionen der apokalyptischen

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Siegel und den Säulenmotive. Er versichert darin:

»Diese [Geisteswissenschaft] erfindet nicht ausdem Verstande oder der willkürlichen Phantasie heraussolche «Zeichen», sondern gibt in ihnen nur wieder,was der geistigen Wahrnehmung in den übersinnli-chen Welten wirklich als Anschauung vorliegt. KeineSpekulation, keine – wenn auch noch so geistreiche –Verstandeserklärung ist gegenüber solchen Zeichen an-gebracht, da sie eben nicht ausgedacht sind, sondernlediglich eine Beschreibung dessen liefern, was der so-genannte «Seher» in den unsichtbaren Welten wahr-nimmt. Bei den hier wiedergegebenen Zeichen handeltes sich um die Beschreibung von Erlebnissen der «as-tralen» und der «geistigen» (devachanischen) Welt. Die«Siegel» der ersten sieben Tafeln stellen solche wirk-liche Tatsachen der astralen Welt dar und die sieben«Säulen» ebensolche der geistigen Welt. Während aberdie Siegel unmittelbar die Erlebnisse des «geistigenSchauens» wiedergeben, ist das bei den sieben Säulennicht in gleicher Art der Fall. Denn die Wahrnehmun-gen der geistigen Welt lassen sich nicht mit einem«Schauen», sondern eher mit einem «geistigen Hören»vergleichen. Bei diesem muß beachtet werden, daß manes nicht zu sehr dem «Hören» in der physischen Weltähnlich denken soll, denn obwohl es sich damit ver-gleichen läßt, ist es ihm doch sehr unähnlich. In einemBilde lassen sich die Erlebnisse dieses geistigen Hörensnur ausdrücken, wenn man sie aus dem «Tönen» indie Form übersetzt. Das ist bei diesen «Säulen» ge-schehen, deren Wesen aber nur verständlich ist, wennman sich die Formen plastisch (nicht malerisch) denkt.Im Sinne der Geisteswissenschaft sind die Ursachenzu den Dingen der physischen Welt im Übersinnlichen,Unsichtbaren gelegen. Was sich physisch offenbart,hat seine Urbilder in der astralischen Welt und seinegeistigen Urkräfte (Urtöne) in der geistigen Welt.«179

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»Disegno Astrale«? »Disegno Divino«?Der bisherige Überblick hat zu zeigen versucht, dass

das komplette Veranstaltungsdesign im Sinne eines spiritu-ellen Corporate Design konzipiert war, anscheinend bis indie Details der musikalischen Darbietungen, der von Steinergebotenen Vortragsinhalte, des Dramas, und des Bühnende-signs. Äußerungen wie die folgende, legen es nahe: »Dochnicht nur das Spiel auf der Bühne war nach den Angaben desHerrn Dr. Steiner gestaltet worden, auch die Kostüme, dieDekorationen und alle Einzelheiten der Szenerie wurden nachseinen Intentionen ausgeführt.«180 Ein Beispiel aus dem Kos-tümdesign mag das illustrieren, selbst wenn es nur wahr-scheinlich und nicht sicher ist, dass das abgebildete Kostümschon 1907 verwendet wurde. Das Foto zeigt rechts MarieSteiner als Kleonis in Edouard Schurés »Die Kinder desLuzifer«, München 1909. Die Bordüre des Kostüms lässtnoch deutlich genug das Motiv der vierten Säule des Kon-gresses erkennen.

Eine Teilnehmerin an den Aufführungen in München imJahre 1912 erinnerte sich, dass am Eingang zum Saal zweiDamen empfingen und die Karten prüften. »Nach dem RatDr. Steiners immer bei feierlichen Anlässen« war die eine inHellblau, die andere in Hellrosa gekleidet,181 – gewiss imSinne einer farblichen Einstimmung und vermutlich schon1907. Auch Randerscheinungen des Münchner Kongressde-signs fügten sich also zu einer Steinerschen »Gugelhupfform«,deren Modell er wiederum aus einem Bezirk übersinnlicher»Urbilder und Urtöne« herleitete. Nach Steiner dorther, woer den göttlichen Plan der menschlichen Evolution urbildhaftin einer »okkulten Zeichensprache« ausgedrückt sah, – dieer entzifferte und andeutungsweise in farbigen Bildern undarchitektonisch-plastischen Formen zu übersetzen suchte:

»Der Gedanke der Evolution der Menschheitsollte in den Säulen angedeutet sein. Er ist so ausge-drückt, wie er immer in der okkulten Zeichenspra-che ausgedrückt worden ist. Die Stätten des Okkul-tismus waren symbolisch gegliedert und ausgestal-

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tet. In der Form, im Bilde, in der Farbe sollte manschauen, was in der Seele lebt. Von Außen her solluns entgegenglänzen, was in der Seele lebt, dann hatman im Sinne der Weltentwickelung gearbeitet. Daßwir an diese große Evolution selbstlos denken müs-sen, das ist vor allem unsere Aufgabe. Sie wird er-füllt, wenn wir ganz und gar das Innenleben einflie-ßen lassen in das Äußere.«182

In einem Bericht vom Sommer 1907 über den Kongressgibt Steiner überraschend konkret Auskunft über eine der»Stätten des Okkultismus«. Er kommt auf die gemalten Säu-len des Kongresses zu sprechen, die stellvertretend für wirk-liche Säulen gemalt worden seien:

»[...] sie mußten zum Ersatz gemalt werden.Doch sind sie durchaus als wirkliche architektoni-sche Formen gedacht und entsprechen den «siebenSäulen» des «wahren Rosenkreuzertempels». (Na-türlich entspricht die Anordnung in München nichtganz der in dem «Rosenkreuzerinitiationstempel»,denn da ist jede Säule doppelt, so daß, wenn manvon der Rückwand gegen vorne geht, man durch vier-zehn Säulen schreitet, von denen sich je zwei gleichegegenüberstehen.Dies nur zur Andeutung für solche,die den wahren Tatbestand kennen; bei uns sollte nurim allgemeinen eine Vorstellung von dem Sinne die-ses Säulengeheimnisses erweckt werden.)«183

Der theosophische Leserkreis der Zeitschrift Luzifer-Gnosis dürfte mit dem Gedanken des Vorhandenseins okkul-ter Stätten in Form unsichtbarer Tempel vertraut gewesensein, da Steiner in einem seiner Hauptwerke, das zuerst ineiner Reihe von Aufsätzen in dieser Zeitschrift erschienenwar, schon einmal auf die Existenz geistiger Tempel hinge-wiesen hatte. In Wie erlangt man Erkenntnisse höherer Wel-ten? heißt es: »In alten Zeiten, die vor unserer «Geschichte»liegen, waren die Tempel des Geistes auch äußerlich sicht-

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bare; heute, wo das Leben so ungeistig geworden ist, sind sienicht in der Welt vorhanden, die dem äußeren Auge sichtbarist. Aber sie sind geistig überall vorhanden; und jeder, dersucht, kann sie finden.«184 Darf man demnach folgern, dasssich Steiner für die Ausgestaltung des Münchner Kongres-ses an einem ihm bekannten unsichtbaren «Rosenkreuzerin-itiationstempel» modellhaft orientiert hatte?

Im Sinne des beabsichtigten Zusammenstimmens vonäußeren Formen und Farben mit Gedankenfiguren und See-lenstimmungen thematisierte Steiner die spirituelle Strömungder »Rosenkreuzer« in seinen beiden Kongressvorträgen mitden Titeln »Die Einweihung des Rosenkreuzers« – »Plane-tenentwicklung und Menschheitsentwicklung«, und kündig-te noch im Programmheft einen »Kursus über die Theoso-phie nach Rosenkreuzer-Methode« an, der sogleich im An-schluss an den Kongress am 22. Mai begann. Am 21. Mai.erläuterte er die Ausgestaltung des Kongressraumes als »imSinne der rosenkreuzerischen Weltanschauung«.185

So eigenartig es auch klingen mag, der DesignbegriffCorporate Design, im Konnex mit Veranstaltungsdesign,trifft das Phänomen des Münchner Kongresses unter Einbe-ziehung des Rosenkreuzeraspektes relativ präzise, da es sichbei den »Rosenkreuzern«186 um eine Corporation handelt,deren Corporate Design u.a. die Elemente einer spezifischenCorporate Architecture zu realisieren suchte. Von der ge-genwärtigen designbegrifflichen Perspektive aus gesehen,könnte das Rosenkreuz auf dem Programmheft als Logo in-terpretiert werden, vom kunsthistorischen Gesichtspunkt auswürde man eher auf die Begriffe Emblem und Symbol rekur-rieren. Beide Begriffsaspekte von Kunst und Design über-schneiden oder decken sich bei Steiner, weil einerseits, histo-risch gesehen, Linien der modernen Nutzung (Beispiel LogoWeleda) und Linien künstlerisch esoterischer Traditionen(Beispiel Rosenkreuz) aufeinandertreffen – andererseits, weilSteiners Kunstbegriff Gestaltung nicht getrennt nach »Sach-gebieten«, nach high und low behandelte, sondern oft diesel-be Formgebung aus einem üblicherweise der Kunst zuge-ordneten Bereich in einen anderen transponierte.

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Ich erinnere an die Kapitellformen, die Steiner dem»devachanischen«, also durchaus sakralen Bereichen zuord-nete und von denen er eine Form als fortlaufendes Mustereines Kostüms verwendete, das allerdings im Kontext derbeabsichtigten Feierstimmung des Kongresses vorgeführtwurde. Gestaltung erfüllte bestimmte Stimmungsfunktionen.Der Kohärenzgedanke der wechselseitigen Entsprechung vonäußerer Gestaltung und innerer Stimmung hatte bei Steinerfunktionale, psychisch-spirituelle Aspekte. Hierin differen-zierte Steiner nach »high« und »low«, nach Stimmungslagenund entsprechenden Formen, die nach der einen Richtunggestalthaft »höhere Wesen und Welten« zum Ausdruck brin-gen sollten, gegenüber solchen, die mit alltäglicheren Stim-mungslagen korrespondierten.

Wie schon eingangs zitiert, maß er der Wirkung von Um-gebungsformen einen überraschend weitgehenden Einflusszu. Hätte nicht Steiner als respektierte Autorität auf demGebiet okkulter Forschung davon gesprochen, dass die Wir-kung von konventionellen Raumformen die theosophischenGedanken und Impulse negativ beeinflussen, so hätten ver-mutlich die meisten damaligen Theosophen eine solche Äu-ßerung für übertrieben oder abwegig gehalten. Diesbezüg-lich warnte Steiner davor, die Wirkung der Siegel-, Vignet-ten- und Kapitellformen zu unterschätzen, die er als Bild-mappe im Oktober 1907 herausgab. Den ikonografischenErläuterungen zu den Abbildungen war folgenderer Absatzangefügt, der die beabsichtigte Formfunktion als weckendeWirkung auf latente Geisteskräfte hervorhebt, – eine Wir-kung, die jedoch eine bestimmte Seelenverfassung erfordere,ohne die sich positive Wirkungen in ihr Gegenteil verkehrenwürden:

»Man beachte, daß die Abbildungen lebendigeDaseinskräfte der höheren Welt wiedergeben; und die-se höheren Geisteskräfte wirken tief auf den Betrach-ter der Bilder. Sie wirken direkt auf Kräfte, die, ih-nen entsprechend, in jedem Menschen schlummern.Aber ihre Wirkung ist nur eine richtige, wenn man

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diese Bilder mit der rechten inneren Seelenverfas-sung betrachtet. Wer mit theosophischen Vorstellun-gen im Kopfe und mit theosophischen Gefühlen imHerzen die Bilder betrachtet, der wird aus ihnen einHeiligstes empfangen. Wer sie sich an einen beliebi-gen Ort hängen oder stellen wollte, wo er ihnen mitalltäglichen Gedanken und Empfindungen gegenü-bertritt, der wird eine ungünstige Wirkung verspü-ren, die bis zur schlimmen Beeinflussung des kör-perlichen Lebens gehen kann. Man richte sich dar-nach und trete zu den Bildern nur in ein Verhältnis,das im Einklange steht mit einer Hingabe an die geis-tigen Welten. Zum Schmucke eines dem höheren Le-ben dienenden Raumes sollen solche Bilder dienen;nimmermehr soll man sie an Orten finden oder be-trachten, wo die Gedanken der Menschen nicht mitihnen im Einklange sind.«187

In einem Vortrag in Berlin am 19. Oktober 1907 über»Symbole und Zeichen als Wirkungen des Chaos« kamSteiner auf die Ausgestaltung des Kongresssaales zu spre-chen und ergänzte das oben Zitierte um weitere Aspekte.Neben der erneut ausgesprochenen Warnung vor deplazierterHängung und inadäquater Seelenstimmung des Betrachterswurde die beabsichtigte spirituelle Funktionalität deutlich aus-gesprochen. Die Betrachter sollten sich empfindend in har-monisierende und weckende Formen einleben, um die eigenePsyche zu »ordnen« und um spirituell »Neues« rezipieren zukönnen:

» Wenn Sie diese Säulenkapitäler betrachten,werden Sie finden, daß sie in Ihnen wirken. WennSie empfindend sich hineinleben, dann finden Sie das-jenige, was Ihr Empfinden so ordnet, wie es niemalsgeordnet werden könnte aus der sinnlichen Weltheraus, und was Ihnen einen Begriff verschaffen kannvon jener geistigen Musik oder Sphärenharmonie, diedas Devachan ist. Diese Kapitäler sind direkt eine

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Anregung, um unsere Gefühle herauszuheben aus denalten Zusammenhängen und sie in völlig neue zu brin-gen. Dadurch allein kann etwas Neues entstehen, daßunsere Gefühle herausgerissen werden aus alten Zu-sammenhängen und neue Zusammenhänge bilden.Wir dürfen sie aber nicht sinnlos herausreißen, sonstzerreißen wir uns selber. [...] Sie können sich über-zeugen, daß diese Bilder wirken. Sie können aber auchin einer sehr schlimmen Weise wirken. Diese Bildersind dazu da, daß sie den Menschen in die schönstegeistige Harmonie hineinführen. Derjenige, der sie inwahrer theosophischer Gesinnung betrachtet, und anOrten, wo das theosophische Leben fließt, wird fin-den, daß sie auf ihn seelenbefreiend und erquickendwirken. Würden Sie sie zum Beispiel im Speisezim-mer aufhängen und mit alltäglichen Gedanken be-trachten, dann verderben Sie sich Ihren physischenOrganismus bis auf die Verdauung hin. Nicht mitunheiliger Seele können diese Dinge genossen wer-den, sondern nur in der richtigen Stimmung.«188

Im Speisezimmer sollte man sich diesen »Gugelhupf-formen« also nicht aussetzen. Mit etwas Humor könnte maneinen psychotherapeutischen »Bei-Backzettel« assoziieren,die vor Risiken und Nebenwirkungen warnt. Wie immer mandie Warnung aufzufassen geneigt sein mag, anhand des Zi-tierten wird die beabsichtigte spirituelle Funktionalität inmerkwürdiger Schärfe sichtbar – und cum grano salis –hoffentlich nur angenehm spürbar, denn die Warnung gilt jaauch dem Leser dieser Zeilen respektive dem Betrachter derhier wiedergegebenen Abbildungen.

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Farbdesign: Raumstimmung undStimmungsräume

Die Münchner Farbkammern

Rudolf Steiner verfolgte aus okkulter Sicht psychisch»ordnende«, sozial harmonisierende, hygienisch-therapeuti-sche, zweckgerichtete spirituelle Gestaltungsfunktionen, de-ren Vorgaben seiner Hellsicht nach in geistigen Weltenurständen und urtönen.189 Wenn jemand nicht nur annimmt,sondern wahrnimmt, wie bestimmte Farben und Formen bisin physiologische Prozesse des Körpers hinein »erquickend«oder »verderblich« wirken, dann werden dessen Farb- undFormgestaltungen nicht nach üblichen ästhetischen Maßstä-ben konzipiert oder auf »Kunst« im engeren Sinne beschränktsein können. Tatsächlich gibt es einen dokumentierten Ge-staltungsansatz Steiners, den man bisher nicht seinem künst-lerischen Werk zugerechnet hat. Es handelt sich um den Baubzw. das Design – inklusive Möblierung – von zwei »Farb-kammern«, einer roten und einer blauen, zum Zwecke einerFarbentherapie.

In Bezug auf Farbwirkungen gab es schon zu SteinersZeiten Publikationen der medizinische Forschung über dietherapeutische Anwendung von Farben. In Steiners Biblio-thek befand sich das chromotherapeutische Werk »ThePrinciples of Light and Color« des Arztes Edwin D. Babitt.;ferner in den nachgelassenen Papieren Steiners ein Aufsatzaus der Vossischen Zeitung aus dem Jahre 1895 von CarusSterne mit dem Titel »Der Farbenreiz bei Mensch und Tier –eine Betrachtung zu Goethes Farbenlehre«. In beiden Wer-ken wird über eine Heilweise mittels Farbe berichtet, die schonim 14. Jahrhundert bei Pockenseuchen erfolgreich angewen-det worden sei und die noch im 18. Jahrhundert in mehrereneuropäischen Ländern, sowie in Indochina und Japan beiPocken indiziert war. Diese farbtherapeutische Methode be-stand ganz einfach darin, dass die Pockenkranken durch Ver-

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hängen eines Raumes mit roten Tüchern, roten Vorhängen,etc. ganz in Rot gehüllt wurden.

Es ist nicht bekannt, ob Steiner diese Literatur schonvor 1907 kannte, oder ob er darauf durch den NeurologenDr. Felix Peipers aufmerksam gemacht wurde, der ein aktivmitwirkender Theosoph des Münchner Kongresses war undin den Jahren 1906 bis 1915 eine Privatklinik in Münchenführte. Hatte Peipers sich möglicherweise aufgrund des mitroten Tüchern verhängten Münchner Kongresssaales anSteiner gewandt? Jedenfalls befragte er ihn – soviel wird be-richtet – im Jahre 1908 nach den Möglichkeiten einer Farb-therapie, worauf Steiner eine Therapie mittels einer blauenund einer roten Farbkammer konzipierte.

Auch in diesem Falle bieten die zeitgenössischen De-signbegriffe eine präzisere und umfassendere Beschreibungder gestalterischen Leistung, da es sich bei dem Projekt umweit mehr als das realisierte Kammerdesign handelte. Heutewürde man von einem komplex strukturierten Therapiede-sign sprechen können, das musik- und kunsttherapeutischeElemente integrierte, und daher rückblickend als Pioniertatauf dem Gebiet der Kunsttherapie anerkannt werden muss.190

Vom Kammer-Design im engeren Sinne blieb nur dierote Kammer als Fragment ohne Decke und Interieur erhal-ten (Maße der erhaltenen Kammer: Länge 2,90 m, Breite2,50 m, Höhe 2,22 m, Standort Goetheanum, Dornach). ZumInterieur gehörten je Kammer ein speziell entworfenes »Lie-gebett«, das ausklappbare Vorrichtungen besaß, um dem dar-auf liegenden Patienten die Möglichkeit zu geben, mitabgewinkelten Armen und Beinen annähernd die Spitzen ei-ner Pentagrammform zu bilden. Beide Liegen waren ebensowie die Innenwände jeweils in dem gleichen Kammerfarbtonleuchtend blau bzw. rot gebeizt und glänzend lackiert.

Am Kopfende der Liege befand sich eine Projektions-vorrichtung für drei Transparente (ein Hexagramm, ein Pen-tagramm und ein Rosenkreuz), unterhalb Lampen für farbi-ges Licht.191

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»Bei entzündlichen Krankheiten wurde in derroten Kammer (absolut mit rotpoliertem Holz aus-gekleidet, unter dem roten Liegebett waren rote elek-trische Lampen) begonnen, dann in der blauen fort-gesetzt und in der roten wieder geendet. Bei den ent-gegengesetzten Krankheiten (Verhärtungen, Ge-schwulst-Grundlagen) wurde in der blauen Kammerbegonnen und geschlossen. Die Behandlung selbstverlief neben medikamentöser nach Anweisungenmeditativer Art von Dr. Steiner.«192

Rudolf Steiner äußerte sich über diese »Farbenthera-pie«, wie er sie nannte, in einem öffentlichen Vortrag in Berlin,am 14. Januar 1909. Seine Aussagen sind geeignet, die the-rapeutischen Aspekte seines spirituellen Funktionalismus,speziell seines Farbdesigns dem Gugelhupf-Vergleich anzu-fügen. Nachvollziehbar werden sie allerdings nur in demMaße, wie man die zugrunde liegenden theosophisch-anthro-posophischen Anschauungen berücksichtigt.193

Rudolf Steiner:Farbkammer

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»Wer heute glaubt, auf den Menschen könntenin gesundem Sinne wirken nur stoffliche, physisch-chemische und physiologische Einflüsse, der wirderstaunt sein, daß die Menschen in eine besonderseigenartig gefärbte Kammer geführt werden, und daßda durch die Kräfte einer gewissen Farbe und durchandere Dinge, die hier nicht weiter erörtert werdenkönnen, auf die menschliche Seele gewirkt wird.Allerdings kann dabei nicht auf die Oberfläche ge-wirkt werden. Da müssen Sie aber sehen den Unter-schied Kammer-Therapie, einer Art Farben-Thera-pie, und dem, was man Licht-Therapie nennt zwi-schen dieser Wirkungsweise in den Kammern, alsoeiner Art. Wenn der Mensch mit Licht bestrahlt wird,so liegt dem der Gedanke zugrunde, das Licht, dasphysische Licht, unmittelbar wirken zu lassen, so daßman sich sagt, wenn man diesen oder jenen Licht-strahl auf den Menschen wirken läßt, so werde durchdie Wirkung von außen auf den Menschen gewirkt.Darauf wird bei der erwähnten Farben-Therapie nichtRücksicht genommen.

Bei dieser der Geisteswissenschaft entnomme-nen Heilweise, die unser Freund Dr. Peipers einge-richtet hat, ist nicht darauf gerechnet, was die Licht-strahlen als solche, unabhängig von der menschli-chen Seele, auf den Menschen bewirken, sondern esist Rücksicht darauf genommen, was als Vorstellungeiner Seele – sagen wir unter Einwirkung der blauenFarbe, nicht des Lichtes – auf dem Umwege durchdie Seele bewirkt wird. Es ist beabsichtigt, dadurchauf den ganzen körperlichen Organismus zurückzu-wirken. [...] Man muß wissen, daß Farben in sichKräfte enthalten, die dann in Erscheinung treten,wenn sie uns nicht nur bestrahlen, sondern in unse-rer Seele wirken. Man muß wissen, daß gewisse Far-ben etwas sind, das fördernd wirkt, daß eine andereFarbe etwas ist, was Sehnsuchtskräfte auslöst, daßeine dritte Farbe etwas ist, was die Seele über sich

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selbst erhebt, und eine andere Farbe etwas, das dieSeele unter sich herunterdrückt. Wenn wir auf diesephysisch-geistige Wirkung sehen, dann wird sich unszeigen, was der Urgrund des Physischen und Ätheri-schen ist: daß unser astralischer Leib der eigentlicheBildner des Physischen und Ätherischen ist. Das Phy-sische ist nur eine Verdichtung des Geistigen, unddas Geistige kann wieder zurückwirken auf das Phy-sische, wenn es in der richtigen Weise durchwirktund durchlebt wird.«194

Steiner kam es demnach darauf an, ein Farberlebnis inder Seele, im Geiste des Menschen hervorzurufen, ein Farb-erlebnis, das eine physiologisch-somatische Wirkung hervor-rufen könne. An einer anderen Stelle des Vortrags weist erdarauf hin, dass es nicht belanglos für die Gesundheit sei,welche Gedanken und Vorstellungen man hege. Für Steinerbesaßen Gedankenformen und Gefühlsfarben einen ebensohohen Wirklichkeitsgrad wie physische Formen und Farben– sogar einen höheren, wenn sie »in der richtigen Weise durch-wirkt und durchlebt« werden, d.h. vom Disegno Divino her,vom göttlichen »Urgrund des Physischen« (»Ex DeoNascimur«). Die »Urbilder in der astralischen Welt und geis-tigen Urkräfte (Urtöne) in der geistigen Welt« können nachSteiner in begrifflich, gedanklicher Form als auch in zeich-nerischen, architektonischen und skulpturalen Formen, so-wie in Farben malerisch zum Ausdruck kommen. Von sei-nem philosophischen Hauptwerk, der Philosophie der Frei-heit, sagte Steiner: »Ich würde zum Beispiel sehr gern denInhalt meiner „Philosophie der Freiheit“ zeichnen. Das lie-ße sich ganz gut machen. Nur würde man es heute nicht le-sen können. Man würde es nicht empfinden können, weil manheute auf das Wort dressiert ist.«195

Steiner hatte die Sprache der Urkräfte und Urtöne wie-derholt als künstlerischen »Text« in sieben »Kapiteln« for-muliert: sieben Siegel, sieben Kapitellmetamorphosen undsieben Vignetten. Die einfache Farben- und Formenspracheder rechteckigen, rot-blauen Kammern hätte ebenfalls eine

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komplex formulierte Siebener-Struktur erhalten sollen: Fürdas in München projektierte erste Goetheanum (damals nochmit dem Namen »Johannesbau«) hatten Peipers und Steinerein Therapeutikum vorgesehen, für das sieben Kammern mitjeweils unterschiedlichen Farben und Formen konzipiert wa-ren. Zur Ausführung kamen jedoch nur sieben Modelle, vondenen vier erhalten geblieben sind. Eine noch vorhandeneSkizze von Felix Peipers nach den Vorgaben Rudolf Steinersvermerkt zwei kugelförmige und fünf pentagondodekaeder-förmige Kammern mit der Farbfolge »lila – violett – rosa –blau – grün –gelb – rot«.196

Gebaut wurden die sieben therapeutischen Form- undFarbräume meines Wissens nie, das Prinzip des roten undblauen Farbraums dagegen wurde und wird in der anthropo-sophischen Medizin angewandt.197

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Die Kunstzimmer und der Berliner Zweigraum

Als eine andere Art von »Farbkammern« könnte mandie seit den Jahren 1908/09 eingerichteten, sogenanntenKunstzimmer betrachten, die in Folge des Münchner Kunst-impulses als soziale Kunstinitiativen für die Öffentlichkeiteingerichtet wurden (zwei in Berlin und zwei in München).Wie der Kongresssaal waren diese Zimmer ganzheitlich inroter Farbe gestaltet. Zweige der theosophischen Gesellschaft,die Steiners künstlerischen Intentionen folgten, koloriertenihre Lokale hingegen in blauen Farbtönen – gemäß den Er-läuterungen Steiners über die verschiedenen Farbwirkungenvon roter und blauer Raumumgebung. Rot empfahl Steinerfür festliche Anlässe, Blau für die immer wiederkehrende the-osophische Arbeit im Zweig.198

Auch Privatzimmer von Theosophen wurden anhin ganzin einer Farbe ausgestaltet. So berichtete eine Besucherinder Wohnung von Marie von Sivers in Berlin: »Auch in ihrerWohnung waren Dr. Steiners Raumgestaltungs-Versuche zu

Rudolf Steiner: Farb-design Bibliotheks-zimmer im Haus Duld-eck, Dornach. Aquarellvermutlich von demArchitekten HermannRanzenberger.

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spüren. Staunend sah man schöne Mahagonimöbel mit di-cker violetter Ölfarbe überstrichen, der Farbe der Wände ent-sprechend.«199 Für das in Blau gehaltene Bibliothekszimmerim Haus Duldeck, dessen differenzierte Farbgestaltung vonRudolf Steiner stammt, wurden die Möbel und Fußboden-leisten hingegen in rotvioletter Farbe entworfen, wie ein er-haltenes Aquarell zeigt. Oder handelte es sich bei der nach-träglich eingefügten Notiz »Ecksopha überz. Indigoblau« umeine Farbkorrektur Steiners, welche die Möbelfarbe wiederden Blautönen der Wände annähern sollte?

Eine weitere aquarellierte Ansicht200 samt einer genauenBeschreibung Steinerschen Farbdesigns liegt vom BerlinerZweiglokal Geisbergstraße vor, in dem Rudolf Steiner zurEinweihung am 5. Mai 1909 in eindrücklichen Worten201 aufdie tiefgehenden und nachhaltigen Wirkungen der gebautenUmwelt hinwies. Von der Beschreibung und Ansicht desZweigraumes kann man auf die Kunstzimmer und auf dieAusgestaltung weiterer theosophischer Zweigräume Rück-schlüsse ziehen. Der Raum war einschließlich der Möblierungkomplett in differenzierten Blautönen gehalten.

Zweigraum Geisbergstraße in Berlin

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»In gesättigtem Blau gemalte Wände und nochdunkler blau die Tür, der Fußboden, Fenster undStühle. Auch das seitlich gestellte Rednerpult wardunkelblau, darauf ein Strauß leuchtend roter [!] Ro-sen. Die Vorhänge an den Fenstern waren hellblau,und auch die Decke war mit hellblauem Stoff be-deckt, der, in den Nähten fester angezogen, in merk-würdigen Wellen nach unten gebauscht herunterhing.Das war ungewollt, doch viel Sorgfalt war verwen-det worden, aus dem Deckenstoff als Übergang zuden dunkleren Wänden tropfenartige Formen zu bil-den. Die Büsten von Hegel, Schelling, Fichte undNovalis, sowie zwei Radierungen von Raffaels Stan-zen nahmen die Räume zwischen den Fenstern ein.«202

Die auf dem Aquarell sichtbaren, hellblauen Tropfen-formen vor dunkelblauem Grund befinden sich jeweils überden Büsten derselben Philosophen, die schon vor der Bühnedes Münchner Kongresses zu sehen waren. Die Anordnungder sich von Oben hereinsenkenden Formen über den Köp-fen dürfte kein Zufall gewesen sein, und dass dem zunächstunscheinbaren, »dekorativen« Formmotiv von Steiner einebesondere Bedeutung beigemessen wurde, bestätigt ein hand-schriftlicher Vermerk auf der Rückseite des aquarelliertenBlattes: »[...] Oben „Saturn-Tropfen“. Oft von Dr. Steinerselbst aufgemacht und gezeigt.« Der Ausdruck erinnert andie Planetensiegel und Planetensäulen, die tatsächlich alsHauptmotiv die Begegnung eines »von Oben« mit einem »vonUnten« kommenden Formprozesses aufweisen, eines Prozes-ses in Form meist tropfenartiger Gebilde.

Ein Bezug zu den therapeutischen Farbkammern ergibtsich nicht allein aufgrund des ungewöhnlich ganzheitlichenFarbdesigns in Blau (die Farbe, zu der Steiner in einem No-tizbuch notierte: »Im Ätherblau ruht des Geistes Sehn-sucht«203 Vermutlich sollte Sehnsucht nach »höherem« Geis-tigen ausgelöst werden, das »von Oben« herabkommt).

Die erkennbare Abbildung eines Ausschnitts derSixtinischen Madonna Raffaels erinnert an die Betrachtung

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von Madonnenbilder Raffaels, die den Aufenthalten in denFarbkammern voranging. All diese Bezüge veranschaulichenerneut wie sich Design- Kunst- und sogar Kunsttherapie-Aspekte im gestalterischen Werk Steiners überlagern unddurchdringen. So wird denn auch in einer der Erinnerungenan die »Kunst-Stuben« in München »von der heilenden Wir-kung« des darin dargebotenen Künstlerischen gesprochen:

»Die Wände waren in einem hellen farbigen Tonglatt gestrichen und mit schönen Wiedergaben alterund neuer Meisterwerke geschmückt. Jeden Abendder Woche gab es hier für jedermann, der von derStraße hereinkommen wollte, eine andere Veranstal-tung: Lichtbilderabende mit Erläuterungen der ge-zeigten Kunstwerke, literarische Abende mit Vorle-sen von wertvollen Werken der Dichtkunst und Pro-sa, Märchenabende für Kinder und Mütter, Puppen-spiele und musikalische Darbietungen. Die eigentli-che anthroposophische Studienarbeit vollzog sich imZweig. Was dort an tieferem Eindringen in das We-sen des Geistigen und seiner Offenbarung im Künst-lerischen errungen wurde, das wollte hier der Allge-meinheit dienen, indem die Teilnehmer an diesenAbenden in einer Zeit der immer mehr einreißendenkulturellen Verwilderung die geistige Wohltat desErlebens echter Kunst an sich erfahren konnten. Wirhatten das Glück, ernste Künstler in den verschiede-nen Gebieten als mitwirkende Freunde zu haben, sodaß von Dilettantismus nicht die Rede sein konnte.Bald fühlten sich immer mehr Menschen von der hei-lenden Wirkung solcher selbstlos gegebener Darbie-tungen angezogen, und die in verschiedenen Stadt-teilen entstehenden Kunst-Stuben bekamen eine ArtGemeinde von gerne wiederkehrenden Besuchern.«204

Marie Steiner hat ihre Erinnerungen an die Kunstzim-mer so festgehalten:

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»Diese Kunstzimmer waren fürs breite Volk ge-dacht, als gastfreie Stätten, die nicht nur Wärme undBehaglichkeit, sondern auch Schönheit, Ästhetik undgeistige Anregung bieten sollten. Die Wände warenmit farbigen Rupfen bespannt, alles bis auf die Be-stuhlung dem gewählten Tone angepaßt; Bilder-Aus-stellungen wechselten jeden Monat: gute Reproduk-tionen klassischer Kunstwerke und Gemälde zeitge-nössischer Künstler; Abendveranstaltungen gab esmit musikalischen und rezitatorischen Darbietungen,einen Einführungskurs in Geisteswissenschaft, auchin andere Wissensgebiete, – kleine dramatische Dar-stellungen, wie z.B. die ‹Geschwister› von Goetheund ähnliches. Hier war es auch, wo in Berlin dieWeihnachtsspiele aus altem Volkstum eingeführtwurden, die dann von Mitspielern nach anderen Stät-ten gebracht werden konnten. Es darf vielleicht er-wähnt werden, daß es nach den Anstrengungen desTages nicht immer leicht war, bei Nacht und Nebeldie weiten Wege in den Osten Berlins mit Untergrund-bahn oder Tram zurückzulegen und zuletzt in abge-legenen dunklen Straßen im Schnee zu stapfen. Dochdas tägliche Beispiel des unermüdlichen SchaffensDr. Steiners wirkte anfeuernd. Und man lernte auseigener Erfahrung die Bedeutung des Kontrastes ken-nen, wenn man aus der trostlos steinernen Umge-bung öder Arbeiterquartiere in die warme Umhül-lung eines in gedämpftem Rot erstrahlenden Rau-mes trat und das Auge auf Kunstwerke fiel, die denBlick fesselten und das Herz erfrischten, so daß esin Sammlung dem Gebotenen in Wort und Ton fol-gen und sich von der Last des Alltags einigermaßenbefreien konnte. In bescheidenem und kleinem Rah-men war es doch Nahrung für die Seelen der Geist-suchenden aus der arbeitenden Bevölkerung. In die-sem Sinne war ja so manches in Briefen zum Aus-druck gekommen, die Rudolf Steiner erhalten hatte,als er noch in der Arbeiterbildungsschule Berlins

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wirkte. Ihm wurde dafür gedankt, daß er den Glau-ben habe, der Arbeiter brauche auch das geistige Brot,nicht nur das physische.

Der Weltkrieg brachte Veränderungen auch indiesen Betrieb. Das große Kunstzimmer in der Motz-straße mit seinen Nebenräumen wurde in einen Kin-derhort umgewandelt, in dem das aus dem bolsche-wistischen Rußland geflüchtete Fräulein Samwebereine hingebungsvolle Tätigkeit entfaltete, opferfreu-dig unterstützt in der auf Spenden beruhenden Ver-pflegung und Hütung der Kinder durch Damen deranthroposophischen Gesellschaft. Licht, Luft undFreude hatten sie in den schönen Räumen des Vor-derhauses; Dr. Steiner begnügte sich mit den viel be-scheideneren Zimmern des Hinterhauses. Das ist ne-bensächlich, doch für ihn symptomatisch.»205

Diese Erinnerungen Marie Steiners finden sich unter fol-gender Überschrift abgedruckt: »Die Wiederbelebung derWeihnachtsspiele aus altem Volkstum in den Berliner Kunst-zimmern«. Das Augenmerk wurde deshalb auf die Weih-nachtsspiele gerichtet, weil diese »zum festen Bestandteil deranthroposophischen Bewegung« geworden seien. Dass RudolfSteiner diese Spiele inszenierte und sich wie bei den Münch-ner Aufführungen um »Design-Details« der Bühnengestal-tung und der Kostüme kümmerte, wird nicht überraschen.Ein Detail sei hier kurz erwähnt, da es sich auf unser bisherbehandeltes Farbdesign und einen umgkehrten »DisegnoDivino« bezieht: Im Paradeis-Spiel, dem ersten der drei Weih-nachtsspiele, tritt nämlich Gott auf: in Rot-Blau gekleidet,mit weißem Haar und mit rot-blau-weißer Dreieckszeichnungauf der Stirn.

Nach Angaben RudolfSteiners geschminkterund kostümierterDarsteller Gottvaters

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Altarräume der Waldorfschulen

»Wir brauchten eigentlich ein neues Wort für Religionund Religionsunterricht, um nicht mißverstanden zu werden.Es geht um das religiöse Element, das das Herz erwärmt unddas es in die Sicherheit führt, daß sich des Menschen Seelezu allen Zeiten finden kann im Geistesreich, in der eigentli-chen Heimat des „Ich selbst“.« Diese Sätze wenden sich anWaldorflehrer und stammen aus Helmut von KügelgensSchrift Hinweise zu den Handlungen des freien christlichenReligionsunterrichts und zur Raumgestaltung. Für Waldorf-schüler, die nicht einen anderen konfessionsgebundenen Re-ligionsunterricht besuchten, etablierte Rudolf Steiner zwarkein neues Wort für Religion, aber eine neue religiöse Erleb-nismöglichkeit, deren kultische Formen ein eigenes Designbeinhalteten.

Die Entstehungszeit dieses Designs liegt um das Jahr1920, also nicht in der chronologischen Folge des bisher Dar-gestellten und weist Gestaltungselemente auf, die ich späterausführlicher besprechen werde. Was in die Abfolge passt,und ihr eine neue Nuance einfügt, ist das Farbdesign derHandlungsräume und ihrer Möblierung.

Nach den Angaben Steiners sollten die Räume durchVorhänge rundum in jenes starke Rot gekleidet werden kön-nen, das »kraftvoll weder Zinnober noch Karmin ist«. Vongleicher Farbe sollten der erhöhte Altar und die zwei Stühlesein, und in gedämpftem Rot sollten zwei Läufer in Kreuz-form unter dem Altar liegen. Der Altarentwurf war ausge-sprochen schlicht: eine Quaderform, dessen Frontansichtziemlich genau ein »Goldenes Rechteck« zeigt, wo Längeund Breite im Verhältnis des Goldenen Schnittes stehen undnach dem auch die Höhen von Altar und Altaraufsatz pro-portioniert sind. Die Spitzen des Altaraufsatzes und der Stühleenden in geschnitzten Pentagonen. Der schmälere Aufsatzgleicht schematisch der Giebelansicht eines Hauses mit leichtgestrecktem Quadrat, dem ein annähernd gleichseitig-recht-winkliges Dreieck aufsitzt. »Giebeldreieck« und »Fassaden-quadrat« werden von einem »Fenster« verbunden, das in ei-

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nem blauen Rahmen die helle Abbildung eines Christuskop-fes von Leonardo da Vinci zeigt (Entwurf zum Abendmahls-bild).

In einem seiner Farbvorträge, gut sieben Jahre nach demMünchner Kongress, beschrieb Rudolf Steiner welche Wir-kung von einem »stark zinnobrig leuchtenden« Rot ausgeht,wenn es den Menschen ganz umhüllt und er es im Innerender Seele so intensiv empfindet, bis ein moralisches Erlebendes Rot resultiere.

»Wenn man so gleichsam die Welt durch-schwimmt als Rot, identisch geworden ist mitdem Rot, wenn einem also selbst die Seele undauch die Welt ganz rot ist, so wird man nichtumhin können, in dieser rot gewordenen Welt,mit der man selber rot ist, zu empfinden, alswenn diese ganze Welt im Rot zugleich unsdurchsetzt mit der Substanz des göttlichenZornes, der uns von allen Seiten entgegen-strahlt für alles dasjenige, was an Möglich-keiten des Bösen und der Sünde in uns ist. Wirwerden uns gleichsam in dem unendlichen ro-ten Raum wie in einem Strafgerichte Gottesempfinden können, und unser moralischesEmpfinden wird wie eine moralische Empfin-dung unserer Seele im ganzen unendlichenRaum sein können. Und wenn dann die Reak-tion kommt, wenn irgend etwas auftaucht inunserer Seele, wenn wir uns also im unendli-chen Rot erleben, ich könnte auch sagen, imeinzigen Rot erleben, so kann es nur so sein,daß man es bezeichnen möchte mit dem Wor-te: Man lernt beten.«206 [Hervorhebung RJF]

Steiners Schilderungen des moralischen erlebten Rot alsEmpfindung göttlichen Zorns vermitteln einen dynamischenFarb-Verlauf, während dessen sich die Zorn-Empfindung indiejenige der göttlichen Güte und Barmherzigkeit verwande-

Altar einer Waldorfschule nachAngaben Rudolf Steiners.

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le, und sich das Gefühl einstelle, dass inmitten des Rot eine»Art Rosaviolett« punktförmig auftauche, »als hineinstrah-lend in das auseinanderstiebende Rot«. Diese Schilderungenbieten sich als literarische Referenz für eine Analyse der Ge-staltung des Altarraumes an: Inmitten des kräftigen, raum-umfassenden Rot des schulischen Handlungsraumes soll »be-ten gelernt« werden, und als entsprechender Mittelpunkt gött-licher Barmherzigkeit in hellen rötlich-rosa Tönen könnte dasChristus-Bild interpretiert werden, das im Lichte von siebenKerzen erstrahlt. Ein Münchner Programmheft- respektiveRosenkreuzer-Bezug wäre ebenso gegeben durch die auf demAltaraufsatz sowie auf dem Programmheft vorhandene blaueRahmung auf rotem Grund mit der Korrespondenz von Chris-tusbild und sieben Kerzen auf schwarzen Ständern hier, unddem schwarzem Kreuz mit sieben Rosen dort (das rote Pro-grammheft hatte eine schwarze Rückseite – die Handlungs-haltenden tragen schwarze Kleidung). Schließlich sei nocheine andere Analogie erwähnt: Die optische Abfolge von Rot(Altaraufsatz) – Blau (Bilderrahmen) – Hell (Christusabbil-dung) des dreieckig abschließenden Aufsatzes, entspricht derFarbfolge des Dreiecks auf der Stirn Gottvaters in einem derWeihnachtsspiele, die als beliebte Tradition immer noch invielen deutschsprachigen Waldorfschulen aufgeführt werden.

Stuttgarter Altarund Stühle nachAngaben RudolfSteiners.

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Farbdesign der Waldorfschulbauten

Als eine weitere Art von »Ton-in-Ton Farbdesign« könnteman die provisorische »Hofbaracke« der im Herbst 1919gegründeten Waldorfschule Stuttgart bezeichnen, da derenKlassenräume sämtlich in einem bläulichen Lila gehaltenwaren, abgestuft nach verschiedenen Helligkeitsgraden fürWände und Decken (die Gänge kontrastierten in Gelb undallein der Gesangssaal war indigofarben gehalten). »Fernerwurde für die Räume ausdrücklich eine farbige Behandlungder Schulmöbel bestimmt und zwar mit der Wandfarbe ver-wandt.«207 Der violette Farbton, der als Farbmischung ausRot und Blau entsteht, wurde durch das komplementäre Gelbder Gänge zur Grundfarben-Harmonie nach dem GoetheschenFarbkreises geschlossen. Für das Farbdesign des StuttgarterNeubaus 1923, sowie für zwei weitere Schulbauten inHamburg 1920 und London 1925 entfaltete Steiner den Far-benkreis regenbogenartig, wobei den ersten Klassen die wär-meren Rot- und Gelbtöne zugeordnet wurden, den höherenKlassenstufen die bläulichen Farbtöne. Gleiche Tönungenstuften sich in der Klassenzimmerabfolge teilweise nach Hel-ligkeitsgraden ab. Vergleicht man dazu noch die differenzier-ten Angaben für die einzelnen Fachunterrichtsräume, wirddie Sorgfalt und Wichtigkeit, die Steiner der farbpsychologi-schen Konzeption beimaß, deutlich. Eine derartige Konzep-tion von Farbdesign, die in ihrer differenzierten Buntheit Bo-denbeläge, Vorhänge und Möblierung umfasste, dürfte ih-resgleichen seinerzeit vergeblich gesucht haben.

Man bedenke hier das revolutionäre Gesamtkonzept derWaldorfschule, die zunächst für die Arbeiter- und Angestell-tenkinder einer Zigarettenfabrik als Ganzheitsschule begrün-det worden war und die für alle Kinder gleichermaßen einemindestens zwölfjährige Schulbildung einforderte.

Steiner, der sich auch an der Arbeiterbildungsschule inBerlin engagierte, sprach im Mai des Revolutionsjahres 1919in Stuttgart eindringlich über Volkspädagogik. Folgender Pas-sus aus seinen Ausführungen soll wiederum ein Licht aufAnliegen und Kontext seiner Gestaltungsimpulse werfen, die

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Kunst nicht von Design, d.h. vom praktischen Leben trenn-ten, sondern »eine Ehe von Kunst und Leben anstrebten«208

und die beispielsweise vom Kunstmaler auch praktische Ma-lerarbeiten erwarteten.

»Oh, welcher Jammer, meine lieben Freunde, daßunsere Kinder in Schulstuben geführt werden, diewahrhaftig barbarische Umgebungen für die jungenGemüter sind! Man denke sich jede Schulstube –nicht in der dekorativen Weise künstlerisch ausge-staltet, wie man sich das heute oftmals denkt, aberman denke sie sich von einem Künstler so ausgestal-tet, daß dieser Künstler die einzelnen Formen in Ein-klang gebracht hat mit dem, worauf das Auge fallensoll, während es das Einmaleins lernt.

Die Gedanken, die sozial wirken sollen, könnennicht sozial wirken, wenn nicht, während diese Ge-danken sich formen, in einer Nebenströmung des geis-tigen Lebens in die Seele dasjenige einzieht, was auseiner wirklich lebensgemäßen Umgebung herkommt.Dazu aber bedarf es auch, sagen wir, für dasKünstlertum eines ganz anderen Lebensganges, alsihm heute gegönnt ist während des Heranwachsens.Es wird ja heute gerade derjenige, der den künstleri-schen Trieb in sich fühlt, gar nicht die Möglichkeithaben, dem Leben nahezukommen. Fühlt er in sich,sagen wir, den Trieb, Maler zu werden, dann drängtihn das Leben dazu, möglichst früh irgendwelcheSchinken anzustreichen, denn er meint, es käme dar-auf an, irgend etwas zu schaffen, was innere Befrie-digung gibt. Selbstverständlich kommt es darauf an;aber es handelt sich darum, ob zuerst der Impuls fürdiese innere Befriedigung den Weg hinaus ins Lebengefunden hat, so daß man die größte innere Befriedi-gung dann empfindet, wenn man das Leben zuerstfrägt: was ist zu schaffen? und wenn man auch immerdie Verpflichtung, die gewissenhafte Verpflichtungfühlt, daß man dem Leben nichts entnimmt, was man

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ihm nicht wieder zurückgibt. Dadurch daß heute, sa-gen wir, die Maler Landschaften liefern für diejeni-gen Leute, die doch nicht viel verstehen davon,dadurch wird nicht Kunst gefördert, sondern Kunstin den Abgrund hineingeworfen. Wir haben so eineunnötige Luxuskunst neben einer barbarischen Ge-staltung unserer Lebensumgebung.«209

Farbschemata RudolfSteiners für dieWaldorfschulenStuttgart, Hamburgund London

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Viele reformerische Anliegen Rudolf Steiners wurden inStuttgart mehr als in anderen Städten begeistert aufgenom-men und beispielgebend umgesetzt. Es war die erste anthro-posophische Reformschule, die im Herbst 1919 auf derStuttgarter Uhlandshöhe begründet wurde. Neben den sozia-len und pädagogischen Neuerungen spielte die »lebensge-mäße Umgebung« eine wichtige Rolle, d.h. zu dem pädago-gischen und sozialen Lebensumfeld gehörte das künstleri-sche Environment unabdingbar hinzu. Nach Steiner vereintschulisches Environmental Design die Funktionalität einestypischen Zweckbaus mit der Funktion eines Formfaktorsder geistigen Entwicklung: »Ein Schulbau ist ein künstle-risch gestalteter Utilitätsbau.« – so die, manchen noch immeretwas paradox klingende, Formulierung Steiners.210

Die Stuttgarter Schulinitiative strebte folglich einenSchulneubau an, der das Farbdesign der provisorischen Ba-racken um Formaspekte ergänzte. Auf der Abbildung siehtman das Eingangsportal mit zwei Säulen und einemausgekragten, gewölbten Architravband, – Formelemente, die

in ihrer Ausführung formalschon in Richtung des zwei-ten Goetheanum weisen.

Stuttgart blieb beispielge-bend für die meisten nachfol-genden Waldorfschulgründun-gen, sowohl in der Vermittlungpädagogischer Methodik undDidaktik, als auch im An-spruch an die Gestaltung desschulischen Ambientes, was inder Regel zu Schulneubautenmit charakteristischen Form-und Farbgebungen samt neuentwickelten Schulmöbelnführte.

Waldorfschule Stuttgart

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Der Stuttgarter Bau

Neben dem ersten Stuttgarter Waldorfschulbau wird inder anthroposophischen Literatur von dem sogenannten»Stuttgarter Bau« gesprochen, mit dem das erste eigene Ge-sellschaftsgebäude in der Geschichte der anthroposophischenBewegung gemeint ist, welches 1911 in der Landhausstraße70 in Stuttgart errichtet wurde. Infolge des Verbotes der An-throposophischen Gesellschaft in Deutschland seitens der Na-tionalsozialisten musste das Haus 1935 aufgegeben und dieInneneinrichtung entfernt werden.

Die Planung des Hauses wurde nach Angaben RudolfSteiners von dem Architekten und Gesellschaftsmitglied CarlSchmid-Curtius ausgeführt. Im Vergleich mit der Fassadeder später gebauten Waldorfschule oder gar derGoetheanumbauten in Dornach fügte sich das Gebäude äu-ßerlich unauffällig in die Häuserzeile der Straße ein. Esscheint, dass Rudolf Steiner die Gestaltung des äußeren Er-scheinungsbildes mehr oder weniger dem Architekten über-lassen hatte, dagegen die Innenraumgestaltung bis in die De-tails vorgab. Dafür spricht eine Äußerung Steiners, die er imDezember 1911 im Hinblick auf den Münchner Johannesbau,aber auch unter Erwähnung des Stuttgarter Baus machte.Darin bringt er das Auftreten des nach außen hin unsichtba-ren Spirituellen im Innern des Menschen mit der Ausgestal-tung eines Innenraumes für spirituelle Zwecke in Verbindungund formuliert die Ziele anthroposophischen Bauens nochexklusiv für das Interieur. Es käme einzig auf die dem Spiri-tuellen entsprechende Gestaltung des Innenraums an, ganzabgesehen davon, wie der Bau sich nach außen hin darstel-len würde:

»Da könnte er von allen Seiten mit Stroh umhüllt sein –das ist ganz gleichgültig. Der äußere Anblick ist für die äu-ßere profane Welt da, die das Innere nichts angeht. Der In-nenraum wird das sein, um was es sich handelt.«211

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Meines Wissens findet sich be-züglich des Stuttgarter Baus keineÄußerung Steiners oder eines Kom-mentators überliefert, die das äuße-re Erscheinungsbild des Baues er-wähnt, dafür gibt es viele ausführli-che Schilderungen über die Innen-raumgestaltung, die keinen Zweifelan der Urheberschaft Steiners lassen.Die untergeordnete Rolle des Archi-tekten brachte dieser selbst in seinerAnsprache zur Einweihung zum Aus-druck: »In diesen Räumen sind dieokkulten Motive nach einer grundle-genden Idee unter höherer Leitungund Genehmigung angeordnet; wirwissen, daß alles, was uns hier um-gibt, der Ausdruck eines Geistigenist.«212 Mit »alles« (was uns hier um-gibt) war weitgehend alles im Sinnevon Designaufgaben gemeint: vonder Farbgebung des gesamten Inte-rieurs bis zum Design beispielsweiseder Stühle und Beleuchtungskörper.

Nach dem Münchner Kongresshandelte es sich auch bei der Gestal-tung des Stuttgarter Zweighauses umAufgaben, die Rudolf Steiner nachheutigen Begriffen als Innenarchitektund als Designer, weniger als Archi-tekt und »Künstler« durchführte.Wieder wurde versucht, Versamm-lungsräume für theosophische Veran-staltungen spirituell zweckentspre-chend einzurichten; wieder wurdendie Räume in der Farbpolarität vonRot und Blau getönt. Rot war der alsBesprechungszimmer und Emp-

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fangsraum dienende Vorraum. Der daran anschließende Ver-anstaltungsraum im Erdgeschoss war einheitlich in blauenTönen213 gehalten, die sich zur Decke hin heller abstuften:unten die kräftig blau gebeizte Holzverkleidung, darüber einePutzzone in hellerem Blau und schließlich die nochmals hel-lere, schräg herabgezogene blaue Decke. Die erhaltenen Fo-tografien zeigen ornamentale Bänder, welche die verschie-denen Zonen miteinander verbinden, indem sie von unten nachoben oder von oben nach unten in die mittlere Zone hineinra-gen. Wie in dem Berliner Zweigraum senkten sichtropfenförmige Motive von Oben herab – in Stuttgart streb-

ten ihnen vom Rand der Holzvertäfelung sich öffnende, »emp-fangende« Motive entgegen. Bei den oberen Formen, in ih-rem Wechsel zwischen langen »Tropfen« und kurzen Spit-zen, handelte es sich zweifelsohne um eine Reihung der obe-ren Kapitellformen der sogenannten Sonnensäule. Entspre-chend scheinen die unteren Formen in jeweils zwei Variantendie unteren Kapitellformen wiederzugeben, wobei eine Vari-ante als verbundene Reihung unterhalb der Planetensiegelan der Emporenbrüstung erscheint, die andere als lose Reihejeweils am Ende der Abdeckleisten der hölzernen Verklei-dungstafeln angebracht wurde.

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Licht und Schattenverhältnisse der Abbildungen legeneine reliefartige Ausführung der ornamentalen Muster nahe.Wie schon erwähnt und bezüglich der Säulenkapitelle zitiert,handelt es sich bei Steinerschen Ornamenten nicht um »lee-ren« oder beliebigen Zierrat, sondern um funktionale Ge-staltungselemente, um Motive einer sphärenmusikalischenKomposition, um »überphysische« Kräfte in physischen For-men, die auf den Betrachter spirituell förderliche Wirkungenausüben sollten.

Das durchgängige Grundthema der Säulenkapitelle wur-de von Steiner als Zusammenspiel eines Oberen und Unterencharakterisiert: »Dasselbe Motiv geht durch alle siebenKapitäler: eine Kraft von oben und eine Kraft von unten, diesich entgegenstreben, dann sich erreichend, zusammenwir-ken.«214 Analog könnte der Hauptzweck des theosophisch-anthroposophischen Versammlungsraumes unter dem Motivder nach »Erkenntnis höherer Welten« strebenden Seelen be-

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schrieben werden. Dieses Strebens- und Durchdringungsmo-tiv des irdisch-menschlichen »Unten« mit dem geistig-göttli-chen »Oben« findet sich auch in der Symbolik des Hexa-gramms, das die Gestaltung des Saals entschieden prägte.Steiner beschrieb das Hexagramm – von ihm auch »Salomo-nischer Schlüssel« genannt – als zwei ineinander geschobe-ne Dreiecke, ein oberes und ein unteres; als Aufwärts- undAbwärtsströmung im Menschen; als realsymbolisches Mit-tel zur Erkenntnis jener Linien, »welche von der Götterseiteher in die Welt hineingezeichnet waren, um die Welt zu kon-stituieren.«215

In der Art zweier ineinander geschobener Dreiecke fin-det sich der Sechsstern im oberen Feld der bleiverglastenfarbigen Fenster des Saals. Quasi als »Grundton« wurde derSiegelreihe an der Empore ein Hexagon unterlegt und hexa-gonale Elemente finden sich an den oberen Abschlüssen derTüren und Fenster, sowie eines portal- oder chorartigenRaumeinschnitts hinter der später eingebauten Bühne. Dieauf dem hellblauen Grund der Empore aufgereihten siebenPlanetensiegel waren nunmehr komplettiert, d. h. die fünfMünchner Vignetten des Programmheftes waren um zweiweitere Siegel ergänzt. Die golden ausgeführten Linien derSiegelfiguren glänzten auf einer runden dunkelblauen Schei-be über einem blauen Sechseck. Ein Umbau in den Jahren1921/22 erweiterte den Veranstaltungsraum um Bühne, Ne-benräume und Säulen. Die höhergelegte Bühne besaß eineBrüstung von sechs gleichen Siegeln in Form durchbrochenerHolztafeln. Es scheint sich formal um eine Mischform desersten und zweiten Planetensiegels gehandelt zu haben. Aufder Fotografie kann man eine siebte gleichartig ausgeführte,aber unterschiedlich gestaltete Siegelform erkennen, die ei-ner Vignette gleicht, die Rudolf Steiner für sein erstes Dra-ma »Die Pforte der Einweihung. Ein Rosenkreuzermysteri-um.« entworfen hatte.

Vermutlich handelte es sich bei den sechs Siegeltafelnum Teile einer abnehmbaren Brüstung (da die Bühnenebeneaugenscheinlich auch für eine bestuhlte Nutzung diente) undbei dem siebten Siegel um den »schmückenden« Teil eines

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Rednerpultes. Rednerpulte gehörten normalerweise zur Stan-dardausstattung eines anthroposophischen Veranstaltungsrau-mes, da Steiner dem In-Erscheinung-Treten des Geistes durchdas gesprochene Wort stets einen würdigen Rahmen zu ver-leihen suchte. Denn: »Wo tritt uns noch eine Andeutung ent-gegen von dem überphysischen Menschen in dem äußerenphysischen Menschen? Nirgends anders als da, wo derMensch dem Worte das einverleibt, was in seinem Innernlebt, wo er spricht, wo das Wort Weisheit und Gebet wirdund – ohne die gewöhnliche oder irgendeine sentimentale Ne-benbedeutung dieser Worte – in der Weisheit und im Gebetedem Menschen[leibe] sich anvertrauend, Weltenrätsel um-hüllt!«216

Aus dem Zitierten und den bis anhin erörter-ten Maximen des spirituellen FunktionalismusSteiners geht der hohe Stellenwert eines Redner-pultes für anthroposophische Mitteilungen hervor.Das erste Goetheanum in Dornach wurde vonSteiner mehrfach als »Haus des Wortes« bezeich-net, und dementsprechend gestaltete er den Ort desgesprochenen Wortes, nämlich das Rednerpult,höchst ungewöhnlich als funktionale Skulptur. Eswird bei der Besprechung dieses »Pultes« zu zei-gen sein, inwiefern man quasi von einem anthro-posophischen Kultus des Wortes – im Sinne der

Vermittlung göttlicher Worte – sprechen könnte, zu dessenBestandteil ein adäquat gestaltetes Rednerpult gehörte.

Kultische Handlungen innerhalb der damaligen theoso-phischen Gesellschaft nach Art freimaurerischer Riten wur-den in der sogenannte Esoterischen Schule Rudolf Steinersbis zum Ausbruch des ersten Weltkrieges abgehalten. Fürdiese symbolisch-kultischen Handlungen wurde durch die In-itiative des Architekten Schmid-Curtius und des Gesell-schaftsmitgliedes E. A. Carl Stockmeyer im Kellergeschossdes Stuttgarter Hauses eigens ein Saal eingerichtet, der nachAngaben ausgeführt wurde, die Steiner für ein Architektur-modell gegeben hatte. Zu dem Bau eines begehbaren Mo-dellbaus kam es, weil Stockmeyer, der als einundzwanzig-

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jähriger Student an dem Münchner Kongress teilgenommenhatte und unter dem starken Eindruck der künstlerischen Ge-staltung 1908 Rudolf Steiner nach der Architektur fragte,die zu den damals gezeigten Säulen gehören würde. Dieserskizzierte ihm kurzerhand auf, wie die Säulen in zwei gegen-überliegenden Reihen einen elliptischen Raum umfassen undeine Kuppel in Form eines dreiachsigen Ellipsoids tragensollten. Hinter den Säulen sollte ein, gleichfalls von Ellipso-iden »muschelartig« überdeckter, Umgang sein. Mit bis inEinzelheiten gehenden Erläuterungen versehen, unternahmStockmeyer den Bau eines Modells, das als der »Modellbauvon Malsch« in die anthroposophische Architekturgeschich-te einging.217

Von der Grundsteinlegung des Malscher Baus haben sichErinnerungsnotizen erhalten, die für das Verständnis der For-mensprache des oberen Stuttgarter Saals dienlich sind, davergleichbare Aufzeichnungen der Stuttgarter Grundsteinle-gung mit Ausnahme eines Fragments nicht mehr vorliegen.Erstaunlich genug ist schon die Tatsache einer feierlichenGrundsteinlegung für einen Modellbau, anlässlich dererSteiner eine festliche Ansprache hielt und eigenhändig eineGrundstein-Urkunde mit einer symbolischen Zeichnung ver-fasste. Von dem Festakt, der in der Nacht vom 5. auf den 6.April 1909 beim Aufgehen des ersten Frühlingsvollmondesvollzogen wurde, berichtete ein Teilnehmer:

»Rudolf Steiner trat vor den Tisch, hinter demwir standen, mit der von ihm verfassten Urkunde.Erst erklärte er das Zeichen des Makrokosmos, daser mit einfachen Linien darauf gezeichnet hatte. Umden aus zwei sich durchkreuzenden Dreiecken gebil-deten Sechsstern schlossen sich zwei Drachen, wel-che sich gegenseitig in den Schwanz bissen. Obenein weißer, beflügelter Drache, untenhin ein vertrock-neter, dunkler. Rechts standen untereinander dieWorte:‹Oben alles wie unten.›, und man las links vonunten beginnend nach aufwärts: ‹Unten alles wieoben›.«218

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Es ist anzunehmen, dass die Stuttgarter Grundsteinle-gung ebenfalls mit einer derartigen Feier samt vergleichba-rer Urkunde begangen wurde. Jedenfalls bietet das »Zeichendes Makrokosmos« eine Erklärung für die von einem Kreisumschlossenen Hexagramme der Saalfenster, die hexagona-len Gestaltungselemente an den oberen Abschlüssen von Fens-tern, Türen und Stühlen, sowie für das Sich-Ineinanderfü-gen von oberer und unterer Ornamentik. Die in theosophi-schen Kreisen bekannte hermetische Lehre von der Entspre-chung des himmlischen Makrokosmos mit dem irdischen Mi-krokosmos, des »Oben alles wie unten – Unten alles wie oben«dürfte auch als Gestaltungsaufgabe verstanden worden sein,als andere Form des Satzes: »Kein Geist ohne Materie – kei-ne Materie ohne Geist«. In der Wiedergabe der AnspracheSteiners nach dem Gedächtnis einer Teilnehmerin heißt es:»Unter Schmerzen hat unsere Mutter Erde sich verfestigt.Unsere Mission ist es, sie wieder zu vergeistigen, zu erlösen,indem wir sie durch die Kraft unserer Hände umarbeiten zueinem geisterfüllten Kunstwerk.«219

Eigentlich hätte sich Steiner den Modellbau als großenRaum, als »Rosenkreuzertempel« unterirdisch, in den Fel-sen gehauen gewünscht, am besten in Granit. Die Säulensollten wenn möglich aus grünlichem sibirischem Syenit her-gestellt werden, die Wände leuchtend rot und die Decke blaugefärbt sein. »Unterirdisch«, sprich im Kellergeschoss desStuttgarter Zweighauses wurde nach den raumangepasstenVorgaben des Malscher Modellbaus dieser sogenannte »Säu-lensaal« eingebaut. Das Makrokosmische fand seinen Aus-druck in eben diesen Planetensäulen (die nicht in Syenit, son-dern in rotem Sandstein ausgeführt wurden) und in symboli-schen Malereien der zwölf Tierkreiszeichen an der Kuppel-decke.

Mit dem Entwurf für den Modellbau von Malsch bezie-hungsweise den Stuttgarter Säulensaal wird Steiners archi-tektonische Imaginationsgabe sichtbar – und gleichfalls einsich oft wiederholendes Muster der Entstehung seiner Ent-würfe: Jemand tritt mit einer Frage, Idee, einem Wunsch oder

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Vorschlag an Steiner heran, er antwortet, greift zum Stiftund entwirft.

Nur wenige dieser primären Entwurfsskizzen liegen nochvor, öfter finden sich sekundäre Skizzen oder Pläne, die aufder Grundlage der Primärskizzen oder mündlichen »Skiz-zen« angefertigt wurden. Manchmal finden sich darin einge-zeichnete Korrekturen von Steiners Hand. Eine sekundärePlanzeichnung für die Bestuhlung des Säulensaals blieb er-halten. Sie zeigt die zwei Arten der Saalstühle, die in derFormgebung der Lehne dem jeweils eckigen und runden For-menduktus der Säle angepasst waren. Da die Fertigstellungdes Säulensaals später als diejenige des oberen Versamm-lungsraums erfolgte, datiert die Zeichnung für die Nachbe-stellung der Säulensaal-Stühle auf den 12. 3. 1912. Die An-zahl von zwölf Stühlen weist auf die kultisch-symbolischeBestimmung des Saals.220

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Zwischenbemerkung:Unter dem Gesichtspunkt einer designfokussierenden Be-

trachtung gilt es hervorzuheben, dass sich die bildnerisch-schöpferischen Leistungen Steiners am Stuttgarter »Bau«ausschließlich auf die Innenarchitektur221, auf das Design desInterieurs richteten, gemäß seiner Aussage: »Der Innenraumwird das sein, um was es sich handelt.« Diese Aussage warauch auf das zuerst für München projektierte erste Goethea-num gemünzt – damals noch »Johannesbau« genannt. MitAusnahme der Entwürfe für dieses Münchner Gebäude wid-mete sich Steiner erst mit den Bauten für Dornach dem ar-chitektonischen Exterieur und trat als Architekt der Goethe-anumbauten, sowie als »Architekt von Wohn- und Zweck-bauten« in Erscheinung.222 Das architektonische WerkSteiners wurde relativ gut dokumentiert und erforscht – dasGebiet des Design nur teilweise. Schmuckdesign wurde un-ter dem Begriff »Kleinodienkunst« innerhalb der Gesamt-ausgabe erfasst. Den erwähnten Eurythmiefiguren wurde eineigener Band gewidmet, ebenso den Glasfenstern der Goe-theanumbauten. Weiter finden sich Bände über RudolfSteiners grafische, malerische und plastische Werke. Wasbislang gefehlt hat, und was die bisherige Untersuchung zei-gen sollte, war einerseits die Relevanz der modernen Design-begriffe für ein umfassenderes Verständnis der bildnerischenWerke Steiners. Was weiterhin fehlte, und was andererseitshier dargestellt werden soll, ist eine Werkgruppe, die zu demgehört, was einen Innenraum ausmacht, nämlich dessenMöblierung.

Die bisherige Darstellung folgte einem Zoomvorgang,der jedes neue Kapitel nach dieser Richtung hin »vergrößer-te«: Einleitend die Annäherungen: weitgefasste Ansichten,ein mehrfaches Unter-die-Lupe-Nehmen des kunsthistorischschillernden Problemfalls Steiner. Dann der eingrenzendeWechsel von der bunten kunsthistorischen Übersicht zumBlick auf die Bezeichnung Rudolf Steiner Design durch äl-tere und neuere Designbegriffe. Endlich wurde mit dem In-Augenschein-Nehmen konkreter Ereignisse und Werke, wiedenen des Münchner Kongresses, eine Art Originalgröße her-

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gestellt, deren überblicksartige Einstellung für das Farbde-sign beibehalten wurde. Denn für die nun nachfolgenden Ob-jekt-Betrachtungen, die einen Lupensprung von der Über-sicht zur Einzelansicht vollziehen werden, erschien mir einegewisse Kenntnis der Steinerschen Farbauffassung grundle-gend wichtig, da Steiner in aller Regel den farbigen Innen-raum gestaltete und als dessen Bestandteil das farbige Mö-bel.

Ein Problem des Themas hatte ich schon eingangs er-wähnt. Die unglaubliche Fülle der Schriften und Vortrags-nachschriften war das eine, das andere besteht in den geradezuorganisch ineinander gewachsenen Gedanken und inhaltli-chen Bezügen der Anthroposophie, aus denen sich schwerlicheine Gedankenlinie isolieren lässt. Ein strikt »geradliniger«Aufbau der Darstellung von Designkomponenten aus demSteinerschen Werk, erschien dadurch nicht nur erschwert,sondern zuweilen auch inadäquat. Aus den verzweigten Ge-dankenläufen, die oft unterirdisch ab- und an unvermuteterStelle wieder auftauchen, sollte hier kein langweiliges Ka-nalsystem erstellt werden, weshalb dem Leser – wie er si-cher schon bemerkt hat – einige »Sprünge« zugemutet wer-den, insofern zusammengehörige Aspekte an verschiedenenStellen im Text auftauchen.223

Ich habe diese Zwischenbemerkung an einer Stelle ein-geschoben, wo der weitere Gang der Darstellung mit einerersten kunsthistorischen Gegenstandserfassung224 der Mö-bel und Möbelentwürfe Rudolf Steiners fortfahren wird. DieTextstelle handelt jedoch nicht nur einfach von Stühlen undihrer mehr oder weniger interessanten Gestaltung, sondernvon einem kultischen Gebrauch der Stühle, der ihre Gestal-tung mit bestimmte. Der Begriff Spiritueller Funktionalis-mus birgt im esoterischen Kern Prozess- und Objektgestal-tungen für kultisch-spirituelle Verrichtungen und Funktio-nen. Nach dem Sinngefüge der Anthroposophie soll Esoterikzunehmend zu exoterischem Allgemeinwissen werden, umjenen menschheitlichen Kulturprozess zu befördern, der be-stimmt sei, die ganze Erde in ein »geisterfülltes Kunstwerk«zu metamorphosieren.

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Auf komplexe Weise findet sich in Steiners anthroposo-phischer Weltsicht nahezu alles mit allem verknüpft: Esote-risches mit Exoterischem, Mikrokosmisches mit Makrokos-mischem, Vergangenes mit Zukünftigem.

Beispiel Stuhl: Zwar verlaufen einige Erkenntnisliniender allgemeinen Kulturgeschichte mit der anthroposophischengemeinsam, was die Besonderheit des Sitzens auf Stühlenanbelangt, deren sich heutige Zeitgenossen selten bewusstsind. So etwa die Verbindungen vom Stuhl zum Thron, unddie damit verbundene Tatsache, dass dem Sitzen auf einemStuhl seit alters Ehre beigemessen wurde, oder dass Stühleimmer noch als Insignien der Recht- bzw. Machtsprechungdienen.225 Doch selbst die Geschichte des Sitzens brachteSteiner mit kosmischen Weiten in Verbindung, die sich derhellseherischen Forschung erschließen:

»[...] der Mensch, der in jenen alten Zeiten sei-ne Erlebnisse ausdrückte, die er hatte als [...] wol-lender Mensch, [hat] nicht gesagt: Ich gehe. – Schonin den Worten lag das nicht. Er hat auch nicht ge-sagt: Ich setze mich. – Wenn man die alten Sprachenauf diese feinen Inhalte prüfen würde, würde manüberall finden, daß für die Tatsache, die wir bezeich-nen als: Ich gehe –, das alte Orientalische hatte: Marsimpulsiert mich, Mars ist in mir tätig. [...] Das Nie-dersetzen war die Jupitertätigkeit in dem Menschen.[...] Also man fühlte in seinen Gliedmaßen die Wei-ten des Kosmos draußen.«226

Spielte bei Steiner dieser esoterische Aspekt des Sitzensals makrokosmisch-planetarisches Jupitererlebnis für dieFormgebung von Stühlen eine Rolle? Was verstand Steinerunter »Jupitertätigkeit im Menschen«? Die nachfolgendeFokussierung der Darstellung auf die Möbel und Möbelent-würfe Steiners wird nicht jede ikonografische oder ikonolo-gische Bezugslinie aufnehmen können, wie etwa dasJupitererlebnis227 innerhalb des planetarischen Kosmos derAnthroposophie oder die historischen Bezüge des esoterisch-

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kultischen Gebrauchs der Stuttgarter Säulensaalstühle zu denRitualen der Freimaurer. Die Erfassung des physischen Kor-pus der Möbel wird jedoch Kontexte und Aura des Meta-physischen nicht aus dem Blickfeld rücken.

Die Beschreibung der Möbelentwürfe Rudolf Steinerswird weiterhin von Zitaten begleitet sein, weil sie die Grund-lage für das Verständnis formaler Elemente auf dem Gebietder Möbelgestaltung liefern, und zu dem bisher erörtertenspirituellen Funktionalismus neue Aspekte beitragen werden.

Stühle

Werfen wir nochmals einen Blick auf die Planzeichnungfür die Stuttgarter Stühle. Im Vergleich mit der damals zeit-genössischen Formgebung, die noch überwiegend den Ge-schmack nach Historismus-Möbeln (Jugendstilnachklängeinbegriffen) befriedigte, weisen die Steinerschen Entwürfeeine entschiedene Absage an traditionelles Dekor auf und ord-nen sich in ihrer schlichten Strenge dem damaligen Lagerder schnörkellos modernen Maschinenmöbel zu. Allein dieleuchtenden Farben der Stühle dürften eher ungewöhnlichgewesen sein.228

Die Zeichnung der Säulensaalstühle zeigt, dass man ander formalen oder konstruktiven Bogenführung verschiede-ne Varianten besprochen haben könnte, da eine nachträgli-che Markierung und ein dadurch entstandener unterschiedli-cher Bogenansatz erkennbar ist. Eine weitere Änderung er-folgte durch die Streichung der Angabe »rot gebeizt«. Esbleibt nach der derzeitigen Kenntnislage offen, ob nun allevierzehn Stühle rot gebeizt waren oder nur die zwölf mit run-der Lehne oder überhaupt keiner. Ein weiterer Plan vom 20.März 1912 nennt drei Stühle mit lila Beizung und hexagona-lem Lehenabschluss in Höhe der Säulensaalstühle. Tatsäch-lich haben sich blaue Stühle mit gewinkelter Lehne in zweiHöhen erhalten. Warum man nochmals weitere Stühle miteckigem Lehnenabschluss in lila und roter Farbgebung extrabestellt haben könnte, darüber kann heute nurmehr speku-

Rudolf Steiner:Stuttgarter Stuhl,ca. 1912

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liert werden. Im Vergleich mit der blauen Saalbestuhlungfehlte den Einzelbestellungen die hintere Traverse als Fuß-stütze. So wird es sich auch bei den zwölf Stühlen mit Bo-genlehne nicht um Teile einer üblichen Saalbestuhlung ge-handelt haben. Dem kultischen Verwendungszweck nach,dürften bei der kultischen Benutzung der zwölf Stühle reprä-sentative Bezüge zu den zwölf Tierkreiszeichen bestandenhaben, da diese zwölf Zeichen auch reihum als Deckenmale-reien im Säulensaal ausgeführt waren.229 Die Verbindungzwischen zwölf unterschiedlich gestalteten Stühlen und ent-sprechenden Motiven der Deckenmalerei wurde später imersten Goetheanum erneut vollzogen.

Doch: Alle diese Überlegungen sind lediglich Annah-men, die auf den Zeichnungen des Architekten beruhen, dabis zu deren Auffindung gar keine Quelle über das Vorhan-densein von lila und roten Stühlen vorlag. Nur die erfolgteBenutzung des Säulensaals für Veranstaltungen der Esoteri-schen Schule wird erwähnt, weshalb die zwölf roten Stühlehöchstwahrscheinlich vorhanden waren. Ob noch Exempla-re davon existieren, ist mir nicht bekannt. Selbst von denzahlreichen Stühlen der oberen Saalbestuhlung sind nur mehrwenige erhalten.

Mit der Zeichnung des runden Säulensaalstuhls liegt eindatiertes Dokument jenes Stuhlentwurfs vor, der mehrfachin Serie gebaut wurde: als blau gebeizte Bestuhlung für denBerner Zweigraum und als sogenannter »Schreinereistuhl«in Dornach, der bis heute im Foyer des zweiten Goetheanumsbenutzt wird. Unterlagen am Goetheanum datierten den Ent-wurf bisher in die Bauzeit des ersten Goetheanum um etwa1915, was mit der Auffindung der Planzeichnung korrigiertund präzisiert werden kann. Es gibt zwei gebaute Variantender »Schreinereistühle« mit jeweils unterschiedlichen Leh-nenbögen. Eine geometrisch-mathematische Untersuchungwürde wahrscheinlich erweisen, dass es sich um elliptischeoder Cassinische Kurven handelt, wie der Augenschein imVergleich mit derart verwendeten Bögen am ersten Goethea-num und Äußerungen Rudolf Steiners über die Bogenfor-men der Hyperbel, der Ellipse, des Divisionskreises und der

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Cassinischen Kurve vermuten lassen.230 Diese Ausführun-gen dürfen als wichtiger Bestandteil einer nicht systematischdargestellten anthroposophischen Formenlehre angesehenwerden, welche in enger Beziehung mit der anthroposophi-schen Wahrnehmungspsychologie steht. Es würde zu weitführen, Rudolf Steiners komplexe Wahrnehmungslehre dar-zustellen, die bewusste und unbewusste Wahrnehmungspro-zesse mit übersinnlich wahrnehmbaren Wesensschichten desMenschen verknüpfte. Steiner beschrieb – über den »siebtenSinn« hinausgehend – zwölf körperliche Sinnesbezirke diezusammen mit ätherisch- astralleiblichen und ichorganisiertenProzessen die menschliche Wahrnehmung konstituieren wür-den.231

Der Begriff des Astralleibes umfasst nach Steiner dieseelischen Phänomene der Empfindungen und Gefühle, wel-che die unbewusste Wahrnehmungen der physisch-physiolo-

Rudolf Steiner:Schreinereistühle mitverschiedenen (vermutlichcassinischen) Bogenformen

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gischen Sinnesebene begleiten und bewusst bzw. fühlbar ma-chen. Immer wieder betonte Steiner die Wichtigkeit eines le-bendigen Formenfühlens. Die gefühlte, aber in Begriffeschwer fassbare »Harmonie« einer Formgebung wurde vonSteiner für gewisse Fälle überraschenderweise »mathema-tisch exakt« erklärt. Das ästhetisch-harmonische Gefühl beider Betrachtung einer geometrischen Kurve sei neben ande-rem das Ergebnis einer unbewussten Rechenoperation desAstralleibes, der in der Anschauung blitzartig die Richtig-keit des Kurvenverlaufs rechnend nachvollziehe:

»Stücke von der Ellipse, Stücke von der Hyper-bel werden Sie in unserem Bau überall finden; aberauch Stücke der Cassinischen Kurve, der Lemniska-te, werden Sie an unserem Bau finden, und Ihr As-tralleib wird in diesem Bau genügend Gelegenheit ha-ben, solche [Rechen-] Operationen zu machen. Ichwill nur das eine erwähnen: Wenn einmal in unseremBau die Menschen zur Brüstung sehen werden, wodie Orgel steht und wo die Sänger sein werden, dannwird die Seele Gelegenheit haben, diese Multiplika-tion auszuführen; wenn die Seele es auch nicht weiß,aber in ihren Tiefen erfühlt sie das, weil die Linie desUmbaues um die Orgel diese Linie ist. Diese Liniefindet sich vielfach an unserem Bau.«232

Überhaupt beruhe nach Steiner das Erlebnis von Formen-schönheit darauf, dass im menschlichen Astralleib (Sternen-leib) unbewusst kosmische Erlebnisse wachgerufen würden,ob das nun die Geometrie astronomischer Sternenbahnen odersonstige »Mysterien des Weltalls« beträfe. Zu einem von ihmwährend eines Vortrags gezeichneten Diagramm kosmischerStrömungslinien zwischen Sonne, Erde und Mond erläuterteSteiner Folgendes:

»Wenn nun jemand das, was ich hier gezeichnethabe, zur Figur machte, das heißt aus dem Kosmosabzeichnete, und das in irgendeinem Motiv erblicken

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würde, so würde er einfach in diesem Form-zusammenhang ein tiefes Weltgeheimnis empfinden.Wenn irgendein Linienzusammenhang zugrunde liegteiner solchen Figur, und vielleicht nur einzelne vondiesen Linien ausgedrückt sind, die anderen in ganzanderer Weise, so würde derjenige, der Sinn hat nichtfür verstandesmäßiges Auffassen der Sache, sondernfür unmittelbare Empfindungen, die auf ihn wirkenin diesem Formzusammenhang selbst ein Geheimnisdes Weltenalls empfinden, das heißt, er würde sagen:Ja, was drückt mir denn diese Form aus? Ich weiß esnicht, ich kann es nicht wissen, aber ich ahne es, ichempfinde es, daß damit ein Geheimnis ausgedrücktist. Das ist es zuweilen, was uns die Seele in Begeis-terung versetzt, was uns das Herz höher schlagen läßt,wenn wir irgendwelche Formen empfinden. Wir kön-nen uns nicht immer zum Bewußtsein bringen, wasdarinnen liegt, aber unser Astralleib, unser Unterbe-wußtsein, in dem Sinne, wie ich es im letzten Vortraghier angeführt habe, wie er das Mathematische ent-hält, so enthält er die Geheimnisse des Kosmos undempfindet es in der Tiefe. Wenn der Mensch sagt: Ichempfinde irgend etwas als Schönheit, aber ich kannmir nicht erklären, was es eigentlich ist, ja, danngeht in seinem Astralleib irgend etwas vor. Das, wasvorgeht in ihm, könnte man etwa ausdrücken, indemman sagt: er fühlt tief geheimnisvolle Mysterien desWeltalls, und das drückt sich nicht aus in ihm durchVorstellungen und Gedanken, sondern durch ein Ge-fühl: Ach, schön ist diese Form! Der Grund, warumer dies als Wärme durch seine Seele, durch sein Herzziehen fühlt, der Grund ist der, daß in diesem Augen-blick, wenn er im Astralleibe so bewußt wäre wie imIch, er eine tiefe Erkenntnis durchschauen würde inbezug auf den Kosmos.«233

Solche Aspekte des Steinerschen spirituellen Funktio-nalismus betreffen direkt unser Thema, denn wenn Steiner

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sagte, dass man »überall Stücke von der Ellipse, Stücke vonder Hyperbel in seinem Bau finden werde«, dann bestätigtesich das auch an seinen Bauentwürfen für die Dornacher undStuttgarter Stühle, deren Lehnenbögen demnach kosmischgestimmt waren. Vor dem Hintergrund eines spirituell ge-fassten Begriffs von Formen-Fühlen, das sich mittels des As-tralleibes im Verein mit allen Sinnen vollziehe, kritisierteSteiner die vorwiegend visuelle Wertschätzung eines Stuhlsgegenüber einer angemessen »erfühlten« Beurteilung:

»Wir haben es doch tatsächlich im Laufe des19. Jahrhunderts dahin gebracht, daß wir unsere Mö-bel für das Auge machen, z. B. einen Stuhl für dasAuge machen, während er den Charakter an sich tra-gen sollte, daß man ihn fühlt, wenn man darauf sitzt.Darnach soll er gestaltet sein. Man soll den Stuhlerfühlen, er soll nicht bloß schön sein, er soll denCharakter an sich tragen, daß ein Mensch darauf sitzt.Das ganze Zusammenwachsen des Gefühlssinnes(mit dem Stuhl) und sogar des geformten Gefühls-sinnes - durch die Art, wie Armlehnen am Stuhle sindusw. - indem der Mensch seine Stütze an dem Stuhlsucht, sollte an dem Stuhl zum Ausdruck kom-men.«234

Diese Worte richtete Rudolf Steiner 1919 in Stuttgartan die Lehrer der Waldorfschule. Den Handarbeitslehrer derStuttgarter Waldorfschule Max Wolffhügel betraute Steinermit der Herstellung jener zwei Stühle, die den schon bespro-chenen Altar für die freichristlichen Sonntagshandlungen inder Schule flankierten. Die beiden Stühle zeigen ein neuesplastisches Gestaltungsanliegen, das Steiner zuvor schon imersten Goetheanum zur Ausführung gebracht hatte. Allerdingsnicht an den in Serie produzierten Schreinereistühlen, son-dern an den zwölf Sockelsitzen auf der Bühne, die vermut-lich für einen vergleichbaren esoterisch-kultischen Zweckgebaut worden waren. Die drei Stuttgarter Stuhlmodelle sindauf eigentümliche Weise miteinander verwandt. Der erste

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Stuhlentwurf in Blau für den oberen Saal hat eine üblicheLehnenhöhe, diejenige des (sehr wahrscheinlich roten) Stuhlsfür den Säulensaal liegt um einiges höher, gerade noch imRahmen der »Stühle-Konventionen«. Die Lehnenhöhe desroten Handlungsstuhls dagegen wurde für eine geschlosseneLehnenform ungewöhnlich hoch gesetzt und noch dazu miteinem plastisch herausgearbeiteten Pentagonmotiv an obers-ter Stelle betont. Das pentagonale Relief an der Lehnenspit-ze befand sich je nach Größe des Sitzenden etwa in Höhe desKopfes oder knapp darüber. Der untere Winkel des Lehnen-kopfstücks entspricht exakt dem Fünfeckwinkel von 108Grad. Der »Gefühlssinn« des Sitzenden erhielt demnach eineFormung, die sicherlich nach okkulten Aspekten des spiritu-ellen Funktionalismus gestaltet wurde.

Als die Lehrer der Stuttgarter Waldorfschule RudolfSteiner in einer Konferenz (16. 11. 1921) nach esoterischenStunden fragten, nannte er die religiösen Sonntagshandlun-gen »eine esoterische Angelegenheit« auch für die Erwach-senen. Die roten Altarstühle hatten und haben ihren festenPlatz links und rechts neben dem Altar in der StuttgarterWaldorfschule, als unverrückbare Requisiten der religiösenZeremonie. Nimmt man sie in die Hand und betrachtet dieRückseite, sieht man, dass sie unbearbeitet und ungebeiztbelassen wurde. Die Rückseite überrascht mit zwei Lehnen-kopfstücken, also mit zwei Winkelspitzen, einer nach vornenicht sichtbaren, niedriger gelegenen hexagonalen und deroberen pentagonalen. Hatte der Stuhl zuerst die niedrigereLehne und wurde diese dann nochmals erhöht?

Eine nähere Untersuchung zeigt, dass Wolffhügel zweiblaue Stühle der Stuttgarter Saalbestuhlung als konstrukti-ven Kern für die Altarstühle verwendete235, indem er dieserundum (die Rückseite ausgenommen) mit einer neuen Holz-schicht beleimte, deren Oberfläche er dann plastischbeschnitzte und rot beizte. Ich bezweifle, dass Wolffhügelsich diese eigenwillige Ausführung ohne Rücksprache ge-leistet hätte. Zu Steiner jedenfalls würde es passen, wenn erWolffhügel jene zwei Saalstühle samt Anweisung für die Ap-plikation und Gestaltung übergeben hätte.

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Neben den Stuttgarter Stühlen entstanden noch weitereStuhlentwürfe Rudolf Steiners in München, die sehr wahr-scheinlich in die Zeit vor 1914 fallen. Zwei der Stühle besit-zen ebenfalls eine außergewöhnlich hohe Lehne. Die beidenin Dornach befindlichen Exemplare des sogenannten Medi-tationsstuhl wurden möglicherweise schon im Jahre 1910anlässlich der ersten Aufführung des Mysteriendramas alsBühnenrequisiten entworfen und gleichen in der Art der Leh-ne dem Stuttgarter Säulensaalstuhl. An ihnen sieht man wiederdeutlich, worauf die gestalterische Aufmerksamkeit nahezuausschließlich gerichtet war: Die überhöhte Lehne, die sichvon der tiefliegenden Steghöhe an als ein durchgängiges Brettbis zu dem geometrisch präzise geformten oberen Abschlusserstreckt, zeichnet diesen Stuhl aus. Heute erscheinen dieStühle auf den ersten Blick nur auf der Rückseite rotviolettgebeizt, eine genauere Prüfung zeigt jedoch an allen lichtge-schützten Stellen Reste einer rötlichen Farbgebung, die soverlaufen, dass man eine ursprünglich vollständige, nichtlichtechte Rotfärbung der Stühle annehmen muss. Im Sinneder Steinerschen »Gefühlsformung« könnte man sagen, dasSitzgefühl könnte oder sollte starken geistigen Rückhalt undeine feierlich erhebende Stimmung vermitteln. Die tief- undhochreichende, nach oben bogenförmig abschließende Leh-ne und der Name des Meditationsstuhls lassen den am Bau-me angelehnten Meditierenden assoziieren.

Dass das Empfinden des Hinteren und Oberen in Kopf-höhe betont wurde, mag mit einer Sichtweise zusammenhän-gen, die Rudolf Steiner beiläufig in die anthroposophischeInterpretation des bekannten Sinnbildes vom KampfeMichaels mit dem Drachen eingeflochten hatte. Als maleri-sche Imagination skizzierte Steiner eine Variante des altenBildes, als Kampf im Innern des Menschen, aus dessen see-lischen Untergründen der Drache aufsteige und dem derMensch mit einem inneren Abbilde des hinter und über ihmstehenden Erzengels begegnen könne – »weil der Menschdas Höhere mit dem Hinterhaupt sieht«.236

Geistige Wahrnehmung und Inspiration, die dem Haup-te des sitzenden Menschen von hinten und oben zukommt,

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Rudolf Steiner:Meditationsstuhl.

wurde in der Kunst seit alters dargestellt, – am eindrück-lichsten vielleicht in der ägyptischen Dioritstatue des thro-nenden Pharao Chefren, dessen Hinterhaupt vom Horusfalkenumfasst wird (als »großartigste Formung der Schutzengel-idee«237 wie Leo Bruhns meinte). Eine Vielzahl von Bildwer-ken religiöser Kunst hinterlegte das Haupt von Erleuchtetenund Heiligen mit dem bekannten, kreisförmigen Nimbus, dervermutlich neben seiner Bedeutung als Attribut für Heilig-keit und Erleuchtung einen geistig-körperlichen Erlebnisbe-zirk des Numinosen lokalisierte. Hält man die kunsthistori-sche Folie des Thronenden mit Nimbus vor die Stuhlentwür-fe und die spirituellen Kontexte Steiners, so decken sich er-staunlich viele Konturen.

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Von einem thronartigen Möbelentwurf Steiners, der inDornach in vielen Varianten gebaut wurde und der heute nochin der Goetheanum-Bibliothek mit eckiger Lehnenvarianteverwendet wird, berichtete der russische Schriftsteller AndrejBelyi wie folgt:

»Als nach dem Umzug aus München nach Dorn-ach die Requisiten der Aufführung der Mysterien-dramen in den Gängen abgestellt wurden, stießen wiruns während der Arbeit am Bau, wie wir das Goe-theanum nannten, immer wieder an den verstaubtenAltären der drei Hierophanten, die wir in Münchenvom Zuschauerraum aus so ehrfurchtsvoll betrach-tet hatten; die Altäre der Hierophanten standen nunnicht mehr oben, und die beiden Sessel, die auf derBühne wie Feuer geglüht hatten, standen plötzlichim Eßzimmer des Doktors, wo Tee getrunken wur-de: sie wurden benutzt wie jedes andere Möbelstückauch, verliehen allerdings dem Raum eine künstleri-sche, extravagante Note.«238

Rudolf Steiner:Mysteriendramensessel.Die sichtbaren Holzteile desblockartig geschlossenen Sesselsmit hoher bogenförmiger Lehnewaren rot gebeizt, die Flächen mitleuchtend rotem Stoff bezogen.

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Bei den bisher besprochenen Stühlen bleibt die Zuschrei-bung der Entwürfe problematisch, weil keine von Steiner si-gnierten Entwurfszeichnungen vorliegen. Die zeitgenössi-schen Berichte, beispielsweise über die detaillierten Anga-ben zur Bühnengestaltung, lassen zwar keinen anderenSchluss zu, als dass die Form- und Farbgebung des Sesselsoder Meditationsstuhls von Steiner herrührt, dennoch blei-ben es Schlussfolgerungen. Gestützt werden sie von mündli-chen Überlieferungen, die in Dornach tradiert wurden undvon Fotos in den Archiven, die teilweise entsprechende Ver-merke tragen.

Im Falle der roten Sessel besteht allerdings eine Bezie-hung zu Rudolf Steiners Entwurf für das rosa Glasfensterder Südseite im ersten Goetheanum, der einen Meditieren-den in eben einem solchen Sessel mit hoher Kopf- und ge-rundeten Armlehnen skizziert. Die nach diesem EntwurfSteiners ausgeführte Zeichnung von Assja Turgenieff zeigtdie geschlossenen Augen des Meditierenden, der von seinenübersinnlichen Schauungen umgeben ist. Einerseits ist er nachhinten und oben orientiert, eingefasst in den Strahlenkranzeiner nächtlichen Sonne, die über seinem Haupte (er)leuchtetund andererseits befindet er sich vis-á-vis einer Lichtgestaltmit menschlichem Antlitz, deren Hinterhaupt einer sternemp-fangenden Mondenschale angleicht – bildliche Expressionender Auffassung Steiners, der Mensch sehe »das Höhere mitdem Hinterhaupt«? Assja Turgenieff:

Skizze Mittelmotiv RosaFenster, handschriftlicherTitel von Rudolf Steiner

Rudolf Steiner:Skizze für dasRosa Fenster

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Entwürfe von Sesseln und Stühlen wie für das »Wohn-zimmer Frl. R.«, die formal und zeitlich zu den bisher be-sprochenen Möbeln passen, könnten ebenfalls auf Angabenoder Skizzen Steiners zurückgehen. Die in Dornach aufbe-wahrten Pläne stammen vom Architekten Schmid, der zu je-ner Zeit eng mit Steiner zusammenarbeitete. Da sich die The-osophen der damaligen Zeit in nahezu allen LebensfragenRat bei Steiner holten – wie Belyj eindrücklich berichtete –scheint es wahrscheinlich, dass Steiner in Fragen der Innen-raumgestaltung sich mit einer solchen Anfrage befasst hatte.Und so wie Schmid sich über die geistige Herkunft der For-men des Stuttgarter Zweighauses geäußert hatte, erscheintes wiederum unwahrscheinlich, dass er ohne Rücksprachemit Steiner Variationen von dessen Stuttgarter Entwürfen an-gefertigt hätte.

Von einem anderen Armlehnstuhl, der – wahrscheinlich– nach Entwürfen Rudolf Steiners gefertigt wurde und sichin Dornach befindet, gibt es lediglich eine Referenz in derZeitschrift Stil, worin der Armlehnstuhl abgebildet und mitder Bildlegende »Stuhl, Entwurf Rudolf Steiner« versehenwurde. 239 Zu einer Archivfotografie, die den Armlehnstuhlzusammen mit einem gleichartigen Stuhl abbildet, wurde ver-merkt »Stuhl mit und ohne Armlehnen bezogen mit violettemCord. München Johannes-Bauverein. Entwurf RudolfSteiner.« Die Farbgebung in Violett und die nach einem re-gelmäßigen Achteck gebildeten Winkel der Lehnenkopfstü-cke sprechen dafür.

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Rudolf Steiner:Münchner Stühle

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Die Aufzeichnungen des anthroposophischen Architek-ten Hermann Ranzenberger für den Zeitraum von 1914 bis1917 berichten von zwei Arten seiner Zusammenarbeit mitSteiner. Erstens von der schon vermuteten, insofern Steinerauf eine Frage hin einen Entwurf skizzierte.

»Auf Befragen hin nach einem einflügligen Schrank inAhnlehnung an schon ausgeführte mehrtürige Schränke inrunder Stilgebung machte Rudolf Steiner eine Skizze.«240

Zweitens berichtete Ranzenberger, dass er eigene Ent-würfe Steiner zur Begutachtung vorlegte, – wobei die vorge-legten Entwürfe sich am Stil und an gegebenen BeispielenSteiners orientiert hatten. Ranzenbergers Entwürfe wurdendann entweder akzeptiert oder korrigiert: »Er [Steiner] hatteauf die Zeichnung geblickt und gesagt: «Ja, aber hier musses so sein.» Und damit war die Korrektur erledigt.«241

Die Abbildungen geben Beispiele eines von Steiner kor-rigierten Stuhlentwurfs mit niedriger Lehne, sowie eines ge-bauten Armlehnstuhls, dessen Gestaltung sich deutlich amTypus Mysteriensessel und den plastischen Rundungen der

Rudolf Steiner,HermannRanzenberger:Armlehnstuhl

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Rudolf Steiner,HermannRanzenberger:Stuhlentwurf.

Rahmenelemente des ersten Goetheanum orientierte. DieZeichnung trägt unten rechts den Vermerk »korrig. Dr.Steiner«. Auf was sich die Korrektur bezogen haben mag,kann nicht mit Sicherheit festgestellt werden; vermutlich wa-ren es die Armlehnen, da dort zwei verschiedene Linienfüh-rungen verlaufen. Zudem könnte von Steiner das Grifflochabgelehnt worden sein, da all seine Stuhlentwürfe eine ge-schlossene Rückenlehne aufweisen.

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Zum Verhältnis seiner Zusammenarbeit mit RudolfSteiner schrieb Ranzenberger: »Nachdem Rudolf Steiner sichso in positiver Art zu manchen meiner Möbelstücke verhal-ten konnte und sogar daran gearbeitet hatte, fühlte ich michverpflichtet, solche Entwürfe nicht zu verbreiten, ohne daßman von seiner Mithilfe gewußt hätte. Ich fragte ihn deshalbdarüber, und er sagte: ‹Sie können dieses Verhältnis so aus-drücken, indem Sie die entsprechenden Möbelentwürfe alsmit meinem Einverständnis entworfen bezeichnen.›«242

Das sich hereinwölbende plastische Kopfstück der Leh-ne kennzeichnet einen Entwicklungsschritt von der flächigenzur betont plastischen Formgebung, die Rudolf Steiner zuerstan den Kapitellen der Stuttgarter Säulen realisiert hatte unddie später während der Bauzeit am ersten Goetheanum füralle Gebiete der Architektur und des Design charakteristischwurde. An den zwei roten Altarstühlen, deren Entstehung indiese Zeit fällt, erstreckt sich das Plastische, das Relief schonüber die ganze sichtbare Gestalt. Die Stühle stellen einen

Rudolf Steiner:ErstesGoetheanum

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kuriosen Einzelfall dar, der zwar neue Anliegen erkennenlässt, aber improvisiert und prototypisch wirkt. Die Zusam-menarbeit Steiners mit Ranzenberger gestaltete sich profes-sioneller, die Synthesen zwischen preisgünstig herzustellen-den, flächig gehobelten und plastisch ausgeformten Bautei-len erscheinen wie aus einem Guss und zeitigten bemerkens-wert originelle Möbelkreationen.

Rudolf Steiner,HermannRanzenberger:Schrank undArmlehnstuhl fürdas Haus Duldeck

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Vom damals noch weitgehend unmöblierten ersten Goe-theanum lassen sich zwei Stuhlentwürfe Rudolf Steiners do-kumentieren: die Bestuhlung für großen Saal und die Sockel-stühle im kleinen Bühnenraum. Dass noch weitere Möbelent-wicklungen beabsichtigt waren, wenn der Bau nicht vor sei-ner Fertigstellung abgebrannt wäre, bezeugte der Schreiner-meister Heinrich Liedvogel, der fast zwei Jahrzehnte dieSchreinerei am Goetheanum leitete. Steiner habe zu ihm ge-sagt: »Wenn der Bau fertig ist, Liedvogel, werden Sie undich zusammen Möbel entwickeln.«243

Erhalten gebliebene Zeichnungen, Modelle und Fotogra-fien geben Bilder nurmehr von den fest installierten Säulen-stühlen im kleinen Kuppelraum, die man als künstlerisch-überphysische Gegenstücke zu den seriellen und physisch-funktionalen Saalstühlen betrachten könnte. Von den einge-bauten Saalstühlen konnte ich keine Fotografie auffinden, dieden Stuhl in toto gezeigt hätte, nur der obere Lehenabschlusswird in wenigen Fotos vom Saal sichtbar. Dafür lassen sichanhand von Modellstühlen und einer verworfenen Plan-zeichnung gestalterische Entwicklungsschritte rekonstruieren,die das schon zitierte Verhältnis von optischer und form-fühlender Beurteilung nachvollziehen lassen.

Ich erinnere mich an eine Besucherführung durch dasGoetheanum, an der ich vor gut zwanzig Jahren teilnahm.Damals standen noch zwei Modellstühle für die Saal-bestuhlung des ersten Goetheanum in einem der besichtigtenRäume. Der ältere Herr, der führte, bemerkte mein Interesseund fragte mich, welcher der beiden Stühle wohl die ersteverworfene Fassung und welcher die schließlich verwendeteFormgebung aufweise. Nach einer kurzen Pause fügte er hin-zu, dass ich ruhig vergleichende Sitzproben machen solle, dadas visuelle Urteil allein in die Irre führe.

Meine Wahrnehmungsversuche im Sitzfühlen konntenzwar nur physisch ertastbare Unterschiede an den Armleh-nen registrieren und nicht die unterschiedliche Lehnenführunghinter dem Rücken erfühlen, dennoch wurde mir rasch klar,welchen Stuhl man verworfen hatte. Man hätte durchaus spe-kulieren können, dass der formal rundere Stuhl zu den run-

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den Kuppeln des Baus optisch besser gepasst hätte, aber mansaß wegen der höheren Armlehnen »gefühlsmäßig« schlech-ter. Ohne überphysische Wahrnehmung mag man vielleichtnoch empfinden, dass die weich gerundeten Armlehnen in derHand eher schläfrig stimmen könnten als die »wacheren« kan-tigen, aber angesichts der erheblichen Änderungen dürftendurchaus andere Kriterien beziehungsweise eine sensiblereDimension des Formfühlens ausschlaggebend gewesen sein.

Im Goetheanum fällt es ja leicht Goethe zu assoziieren,der für solche Versuche des Formfühlens sicher aufgeschlos-sen gewesen wäre, da er eine vergleichbare und ähnlich rät-selhafte Art der Architekturempfindung propagierte:

»Man sollte denken, die Baukunst als schöne Kunst ar-beite allein fürs Auge; allein sie soll vorzüglich, und woraufman am wenigsten acht hat, für den Sinn der mechanischenBewegung des menschlichen Körpers arbeiten; wir fühlen eineangenehme Empfindung, wenn wir uns im Tanze nach ge-wissen Gesetzen bewegen; eine ähnliche Empfindung solltenwir bei jemand erregen können, den wir mit verbundenenAugen durch ein wohlgebautes Haus hindurch führen.«244 Rudolf Steiner:

Korrekturen an denModellstühlen für den Saalim ersten Goetheanum

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Ein erhaltener Plan von derersten Stuhlvariante mit dem Ti-tel Normastuhl zeigt noch einenrunden Lehnenabschluss, der amvorhandenen ersten Modellstuhlmehrfach abgeschrägt wurde.245

Der zweite Prototyp weist einewaagerechte obere Kante mitzwei Schrägen auf, die den Win-keln eines regelmäßigen Zehn-ecks entsprechen. Eine Fotogra-fie der Orgel im ersten Goethea-num lässt am Fuße der Säule dieeingebaute Saalbestuhlung er-kennen, deren obere Lehen-führung dem zweiten Modell-stuhl entspricht. Die mittlereArchitravform über der Orgelkorrespondierte mit der erstenrunden Fassung auf dem Plan,während die anderen Architrav-bögen mehr der eingebautenLehnenführung ähnelten. Offen-sichtlich wurde auch hier wiedereine formale Beziehung »nachOben« hergestellt.

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Die hervorgehobene Linieentspricht der Vorderan-sicht des oberen Lehnenab-schlusses. Im Plan sindmehrere Ebenen undSchnitte ineinander-gezeichnet.

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Auf der gegenüber liegen-den Seite im kleinen Kuppel-raum des ersten Goetheanuminszenierte Rudolf Steiner Be-ziehungen von der Bühne untennach oben zur Deckenmalerei.Hoch oben im Farbenmeer derineinander flutenden Motivewaren teilweise jene gemalten»Stühle« zu erkennen, die mandirekt darunter an den Sockelnder zwölf Säulen als große, festeingebaute Bühnenplastikenvom Zuschauerraum aus er-blickte. In seinen spärlichenKommentaren zu den thron-artigen Sockelplastiken gabRudolf Steiner lediglich lapida-re understatements, wie:

»Die Sockel der zwölfSäulen, die im Umkreise deskleinen Kuppelraumes waren,hatte man zu zwölf Stühlenumgebildet. Man konnte einenVersammlungsraum für einebeschränkte Zahl von Teilneh-mern erkennen«246 – oder er be-merkte in einem Lichtbilder-vortrag nicht mehr als: »DieSockel der Säulen sind umge-staltet zu Sitzen.«247

Kein Wort zur höchst un-gewöhnlichen Gestaltung, zurDimension, noch zur Funktionbeziehungsweise zur Art derVersammlungen, für die diese»Sitze« gebaut wurden.

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William Scott Pyle: Zeichnung. Durchblick von der großen in die kleine Kuppel

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Dennoch gab Steiner sprechende Hinweise auf den Sinn– weniger den Zweck – der Thronsitze in Form von Skizzenund Kuppelmalereien, insofern die skizzierten und gemaltenThrone innerhalb des Bildprogramms der Deckenmalerei ihreFunktion zum Ausdruck bringen. Die Skizze zum »griechi-schen« Thron zeigt deutlich die Konturen des Sockelsitzes.Aus Steiners Erläuterungen zur Deckenmalerei geht hervor,dass es sich bei der Sitzenden um Pallas Athene handelt, hin-ter der Apollo mit der Leier und ein Engelwesen als – so derAusdruck Steiners – Inspiratoren erscheinen. »Diese Gestalt[der Athene ...] wird von einer Art Apollogestalt inspiriert.«248

Rudolf Steiner: Thronsockel-modell und Skizze

141

Für die Gestaltung der Throne dürften AnschauungenSteiners, wie die nachfolgend ausführlich zitierten, maßge-bend gewesen sein:

»Der Mensch stellt sich so dar, daß wir sagen:Er hat den physischen Leib als unterstes Glied seinerWesenheit. Nun gibt es Wesenheiten, die einen solchgroben physischen Leib in ihrer gegenwärtigenEntwickelungsstufe nicht haben, sondern den Äther-leib als unterstes Glied ihrer Wesenheit aufweisen,die aber tatsächlich vorhanden sind. SolcheWesenheiten kann nun der Mensch, mehr als es ohnesein Zutun geschieht, in seine Kreise hereinbannen.In der Tat besteht ein Teil der Kulturentwickelungdarin, daß ein Verkehr gesucht wird mit diesenWesenheiten, die zum untersten Gliede den Ätherleibhaben. Ein solcher Verkehr wird geschaffen dadurch,daß der Mensch in gewisser Weise physischeLeiblichkeiten schafft, welche diese Wesenheiten be-nützen können, um sich förmlich an sie anzulegen,sich durch sie zu ergänzen; auf diese Weise werdenVerbindungsbrücken geschaffen zu diesenWesenheiten. Denken Sie sich, wir würden uns in die-sem Blumenkorb, der hier auf dem Pulte steht, eineLeiblichkeit vorstellen, die so wäre, daß sie in ihrenFormen entsprechen würde gewissen Formen desÄtherleibes der genannten höheren Wesenheiten, sowürden diese die Neigung haben, sich da niederzu-lassen, den Blumenkorb zu umspielen, sich mit ihmzu verbinden. Wir würden sehen, wie dieser KorbVeranlassung gibt, daß da geistige Wesen sich nieder-senken, die ihn liebevoll umklammern und sich wohlfühlen, in dieser Weise in die Gemeinschaft der Men-schen heruntersteigen zu können. Wir brauchen nurdie geeigneten Formen zu schaffen, dann schaffenwir solche Brücken zwischen uns und solchenWesenheiten. Und immer haben das die Menschengetan in gewissen Zeiten durch dieses oder jenes. So

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haben die Menschen tatsächlich in der Zeit der grie-chischen Kultur in hohem Maße die Gabe gehabt,Verkehr mit den geistigen Wesenheiten, die sie ihreGötter genannt haben, zu schaffen. Denn diese grie-chischen Götter sind nicht Erdichtungen der Volks-phantasie, sondern diese griechischen Götter sindwahre Wesenheiten, sind vorhanden und zu nehmenals solche Wesenheiten – dieser Zeus, diese PallasAthene und so weiter –, die zum untersten Glied denÄtherleib haben. Und wie haben die Griechen dieseGötter in ihren Kreis hereingebannt? – Dadurch, daßsie, diese Griechen, sich im hohen Maße angeeignethaben, was wir nennen können: architektonischesRaumgefühl.

Der Mensch, der vom Standpunkt der Geistes-wissenschaft aus den Raum studiert, weiß, daß die-ser Raum nicht jene abstrakte Leere ist, von der un-sere gewöhnlichen Mathematiker träumen, unserePhysiker und Mechaniker träumen, sondern etwassehr Differenziertes. Er ist etwas, was in sich selberLinien hierhin und dorthin, Linien nach allen Rich-tungen, Kräftelinien von oben nach unten, von rechtsnach links, von vorne nach hinten, gerade und rund,in allen Richtungen hat. Es sind Druckwirkungen imRaum geistiger Art, Zugwirkungen, kurz, man kannden Raum fühlen, ihn gefühlsmäßig durchdringen.[...]

In neuerer Zeit ist das lebendige Raumgefühlverlorengegangen. Als architektonischen, als bau-künstlerischen Gedanken hatten das die Griechen. Eingriechischer Tempel ist ein kristallisierter Raum-gedanke im reinsten Sinne des Wortes. Die Säule, dieda trägt, was horizontal oder geneigt aufliegt, istnichts Ausgedachtes, sondern etwas, was für denje-nigen, der Raumgefühl hat, im Raume schon dar-innenliegt und was gar nicht anders sein darf. Derganze Tempel ist aus dem konkreten Raum heraus-geboren; das sieht derjenige, der die Raumlinien sieht.

Rudolf Steiner:Thronsockelmodell

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Und der braucht gar nichts anderes zu machen, alsda, wo er die Linien sieht, hineinzufügen das Stein-material, um das, was ideal vorgezeichnet ist, lediglichauszufüllen mit dem physischen Material. Im grie-chischen Tempel ist die Geistigkeit des Raumes gänz-lich verwandelt in eine sichtbare Gestalt. Dadurch,daß man auf diese Weise den kristallisierten Raum-gedanken geschaffen hat, hat man solche Formen ge-schaffen, daß jene geistigen Wesenheiten, die denÄtherleib zum untersten Glied haben, in den dadurchgeschaffenen abgeschlossenen Raum sich hinein-senken können und an den Formen des Raumes Ge-legenheit finden, da zu sein.«249

Derart spirituellgefasste Begriffe von»architektonischemRaumgefühl«, Raum-wahrnehmung undmöglicher Wesens-In-härenz architektoni-scher Objekte gebenEinblick in SteinersGestaltungsabsichtenund ergänzen die dies-bezügliche Aussage-kraft der Thronskizzenund -malereien. Nebender Skizze, die ein gött-liches Wesen (Athene)auf dem Thron zeigt,gibt es eine weitereZeichnung, wo einägyptischer Eingeweih-ter, ein von Göttern in-spirierter Mensch aufdem Nachbarsitzthront.

Rudolf Steiner:Der ägyptische Eingeweihte,Bleistiftskizze, 1914

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Griechische und ägyptische Mysterien als Inspirations-quellen für historische Kulturepochen werden in der Anthro-posophie immer wieder thematisiert.

Fünfeck und Sechseck spielten bei zwei Thronsitzen einebuchstäblich überragende Rolle und »offenbaren« deutlicher,was bei den bisher besprochenen Stühlen in der Gestaltungder oberen Abschlüsse nur anklang. Je nach architektonisch-plastischer Formgebung hätte ein solcher Sitz vermutlich diespirituelle Funktion eines »Inspirationsverstärkers« bzw. ei-ner »Antenne« für Geistiges einnehmen sollen.

Wenn man die irdische Funktion des Bühnenraums insAuge fasst, der ja als Teil eines Theaterbaus ursprünglichspeziell für die Aufführung der Steinerschen Mysteriendramenkonzipiert war, so könnte man die Rolle der Thronsitze freilichauch unter diesem Aspekt betrachten. Dazu findet sichwiederum ein aussagekräftiges bildliches Dokument, das vondem Maler Hermann Linde im Auftrag von Rudolf Steinerausgeführt wurde.

Innerhalb einer Reihe von zwölf Bildern, in einer Misch-technik aus Aquarell und Pastell, die für den Zweigraum deranthroposophischen Gesellschaft in Mannheim bestimmt wa-ren, gibt das elfte Bild eine Verwendung der Thronsitze anden Säulensockeln wieder. Die Bilderserie entstand unter derintensiven Mitwirkung Steiners, der Hermann Lindes Atelierteilweise täglich aufsuchte und weshalb man sicher sein darf,dass die Inhalte und Motive auf Steiner zurückgehen oderzumindest von ihm autorisiert waren.250 Die Bilderserie zeigtSzenen, die aus einer Mischung von Steiners Mysteriendrama»Die Pforte der Einweihung« und Goethes »Märchen von dergrünen Schlange« bestehen. Die Szene des elften Bildes spieltim kleinen Kuppelraum, der nach oben hin geöffnet ist unddie Sternbilder eines nachtblauen Himmels hereinleuchtenlässt. Anstelle der Architrave wurden über den zwölf Säulenmit den je sechs spiegelbildlich gleichen Thronen die Tier-kreiszeichen in durchlaufender Folge dargestellt. In der vonHermann Linde gemalten Szene sind nur die zwei spiegel-bildlichen Throne unterhalb der jeweils zweiten Säule – vonWesten nach Osten gezählt – in Verwendung. Beide zeigen

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Ausschnitt aus HermannLinde: Elftes Bild derSerie »Imagination«

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eine stehende, priesterlich-königliche Figur, die mit einemHammer auf eine der zwei Thronstelen schlägt oder dieseberührt. Ob man auf Grund dieses Szenenbildes auf eine ge-plante kultisch-esoterische Verwendung schließen darf?251

Immerhin erinnern der hohe Hut des »Meisters vom Stuhl«und der Gebrauch des Hammers an freimaurerische Riten.Zudem liefert das Bild eine Erklärung für die Funktion dersogenannten Prismen, von denen je zwei zu einem Thron ge-hörten. Diejenigen des ersten und sechsten Throns waren vondreieckigem Querschnitt, diejenigen des zweiten und fünftenvon quadratischem und die beiden mittleren von fünfeck-eckigem Querschnitt. Die Stelenhöhe der ersten drei Thronewar relativ niedrig, diejenige der folgenden drei relativ hoch,so dass die ausgestreckten Arme der Benutzer jeweils einsich hebendes oder sich senkendes Dreieck gebildet hätten.

Derart in Bewegung vorgestellt, könnte man auch andie Nutzung der Bühnensitze für eine Eurythmie-Aufführungdenken, da die eurythmischen Gesten, die Rudolf Steiner ent-wickelte, samt den zugehörigen Eurythmiekleidern durchauszu der Formensprache der Sitze passen würden. Steinersprach nämlich davon, dass die Bauformen des erstenGoetheanums teilweise als »ruhende Eurythmie« zu verste-hen seien und im Wechselspiel dazu, dass »die Formen derEurythmie fortlaufend im Erleben dessen gestaltet wurden,was im Zustandekommen der Bauformen erlebt werden konn-te.«252 In diesem Sinne äußerte sich Steiner über das Verhält-nis der Formgebung des kleinen Bühnenraums zu derjenigen

Rudolf Steiner:Thronsockelmodelle

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des großen Zuschauerraums des ersten Goetheanums:

»Wie gehen die Formen des kleinen Raumes ausdenen des großen Raumes hervor? Die Antwort ist:Es versuche jemand, nach eurythmischen Gesetzendie Formen des großen Raumes des Baues tanzen zulassen, dann werden die Formen des kleinen Raumesdes Baues daraus. Man versuche sich vorzustellen,es vereinige ein Mensch alles das in seinen eurythmi-schen Bewegungen, was im großen Rundbau zumAusdruck kommt und tanze das hinein in den kleinenRaum und strahlte aus von da, was er tanzt, dannwürde die Zwölfheit der Säulen und die Kuppel deskleinen Raumes von selber daraus.«253

Im Vergleich mit den anderen vorgestellten Stuhl-entwürfen Rudolf Steiners, die alle leuchtend farbig waren,kann man sich angesichts der naturbelassenen Saalbestuhlungund der Sockelsitze fragen, warum diese nicht ebenfalls far-big ausgeführt wurden. Im Falle der Bühnensitze könnte esfolgende Gründe für das naturbelassene Holz gegeben ha-ben: Erstens hatten sie einen stark plastischen Charakter –und sie bildeten zusammen mit der Figur des Menschheits-repräsentanten ein Skulpturenensemble. Zweitens spielte dasdifferenziert eingesetzte Material Holz eine wichtige Rolle,da jede Säule samt zugehörigem Sitz aus verschiedenen Holz-arten gearbeitet war: Der erste Sitz aus heller Esche, der zweite

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aus rötlichem Kirschbaumholz, der dritte aus Eiche, der vierteaus Rüster – aus Rüster waren auch die die Saalstühle undwurde der Menschheitsrepräsentant geschnitzt – der fünfteSitz aus Ahorn, der sechste aus Birke.254 Die sechs verschie-denen Hölzer ergaben zum einen unterschiedlich »farbige«Holztöne, zum anderen war für die Bühne eine Beleuchtungs-technik vorgesehen, die den Bühnenraum vollständig in far-biges Licht hätte tauchen können. Ein Effekt der in abge-schwächter Form auch im Zuschauerraum auftrat, sobald dieSonne durch die farbigen Glasfenster strahlte.

Blick auf dieWeißbuchensäuleim großen Saaldes erstenGoetheanums,vom farbigenFenster beleuch-tet. Aquarell vonWilfried Norton.

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RednerpulteDie zwölf Säulensitze des kleinen Kuppelraums bieten

durch ihr vielschichtiges Beziehungsgefüge vielfältige Mög-lichkeiten zur Interpretation: Eine Christusfigur umgeben vonzwölf Sitzen lässt die zwölf Apostel assoziieren oder die»Christus-Sonne«255 im Lauf durch die zwölf Tierkreiszei-chen. Als Säulensitze in unterschiedlichen Holzarten korres-pondierten sie mit den Säulen des großen Saals, die ebenfallsin den genannten Holzarten ausgeführt waren. Da dort zweiReihen zu sieben statt sechs Säulen standen, gab es eine Holz-art mehr. Das erste Säulenpaar war aus Weißbuchenholz, wo-rauf die Säulen in Esche, Kirsche, Eiche, Rüster, Ahorn undBirke folgten – analog der Säulenreihe im kleinen Kuppel-saal. Deren erste Eschensäulen hatten einen fünfeckigen Kernaus Weißbuche und die folgenden jeweils einen Kern aus demAußenholz der vorhergehenden Säule. Verbindet man die sechsInterkolumnien-Mitten der sieben Säulen in der großen Kup-pel mit den sechs Mittelpunkten der Säulen in der kleinenKuppel, dann markieren die Schnittpunkte den Standort desRednerpultes, dort wo sich die Längsachse des Baus mit derQuerachse kreuzte.256

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Verbindet man Säule zu Säule in der sich überkreuzendenAnordnung, dann markieren die zwei versetzten Schnittpunktedie Breite des Rednerpultes. Das Rednerpult besaß buch-stäblich einen zentralen Stellenwert im Haus der Sprache257

– wie eine andere Bezeichnung Rudolf Steiners für das Goe-theanum lautete.

Auch vom darin gesprochenen Wort erhoffte sich Steiner,dass es »tanzen« werde: »Und dann hoffe ich, dass noch et-was eurythmisch tanzen wird im Bau: das Wort!«258

Gehörte das versenkbare Rednerpult zum »eurythmi-schen« Skulpturenensemble auf der Bühne? Stellt man sichdie durch Rednerpult und Sockelsitze vorgegebenen Plätzevon Menschen benutzt vor, dann hätte man wieder die Zwölf– und den Dreizehnten als Redner in Richtung Zuschauer-raum, der von dort aus gesehen, eine optische Zugehörigkeitzur Christusfigur im Hintergrund gebildet hätte. Der durchdas Rednerpult erhöhte Sprecher wäre, vergleichbar der höl-zernen Figur, auf einem »Sockel« gestanden, – mit ihr aufeiner Linie – und auf ähnliche Weise von ihr überragt gewe-sen, wie die Sitzenden auf den gemalten Thronen der De-ckenmalerei von ihren inspirierenden Geistwesen.

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Rednerpult im zweiten Goetheanum. Vorderansicht. Seitlich von hinten.Höhe: ca. 260 cm, Breite: 332 cm, Tiefe: 213 cm Standhöhe: 75cm

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Das Pult erscheint als begehbare Skulptur, als behaue-ner, hölzerner Felsen mit seitlich eingelassenen Stufen, diezur Standfläche des Redners hinauf führen. Die Abbildungenzeigen Aufnahmen des Rednerpultes im zweiten Goetheanum,das als maßstabsgetreue Kopie des im ersten Goetheanumverbrannten Pultes gefertigt wurde. Nimmt man die Anre-gung Steiners auf und imaginiert Gesten eines eurythmischenTanzes, die in die Formen des Pultes eingegangen sein könn-ten, dann greifen die zwei seitlichen Formen wie Arme nachhinten und oben.

Der Blick der Zuhörer gleitet von den oberen Endenherunter zum plastisch hervortretenden Frontmotiv, das diebeiden Gesten vereint und nach unten hin verdichtet. Kommtder Blick von unten, so erhebt sich das Motiv wie eine Säulevon der Sockelbasis nach oben und breitet sich den beidenGesten entgegen. Die Schauseiten des Pultes bildeten einkomplexes Relief, dessen Oberflächenstruktur, so wie alleübrigen hölzernen Flächen und Wände des Innenraums,beschnitzt war. Über diese zum Relief gebildeten undbeschnitzten Wände äußerte Rudolf Steiner:

»Wie der lebendige Organismus Erhöhungen undVertiefungen gegliedert aus sich herauswachsen läßt,so wachsen aus der Wand die Formen heraus, unddie Wand wird damit zu einem Lebendigen. [...]

Und wenn wir einmal im Innern unseres Gebäu-des werden herumgehen können, dann werden wirviele plastische Formen finden: eine fortlaufendeReliefskulptur an den Kapitälen, den Sockeln, denArchitraven. Welchen Sinn haben sie? Den Sinn ha-ben sie, daß sie aus der Wand herauswachsen, ja,daß sie aus der Wand so herauswachsen, daß dieWand der Grund und Boden ist, ohne den sie nicht dasein könnten. Nun, meine lieben Freunde, viel, vielsolch Reliefartiges in Holzschnitzerei wird sich fin-den in unserem Innenraum. Lauter Formen werdenda zu finden sein, die nicht in der physischen Weltsonst vorhanden sind, die aber eine fortlaufende Ent-

Rudolf Steiner: Plastilinmodell desRednerpults. Höhe 17 cm.

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wickelung darstellen, wie wennman mit einigen kräftigen Tak-ten hinten zwischen denSaturnsäulen beginnen würdeund so symphonisch in Harmo-nie fortgehen würde, um mit ei-nem Finale im Osten zu schlie-ßen. Aber Formen sind es, For-men, die ebensowenig in der äu-ßeren physischen Welt vorhan-den sind, wie Melodien äußer-lich vorhanden sind. Diese For-men sind lebendig gewordeneWände. Physische Wände wer-den nicht lebendig, aber Äther-wände, geistige Wände werdenlebendig. [...]

Belauschen wir die Orga-ne der Götter, die sie selbst ge-schaffen haben, die sie alsElohim der Erde den Menschengegeben haben, belauschen wirdie ätherischen Formen derPflanzen und bilden wir sie nachin unseren Formen an den Wän-den, dann schaffen wir – so wiedie Natur im Menschen denKehlkopf zum Sprechen ge-schaffen hat –, dann schaffenwir die Kehlköpfe, durch die dieGötter zu uns sprechen kön-nen;«259

Form und Dimension des Pultes machten so gesehen ei-nen hohen Anspruch an den Vortragenden geltend, wollte ermit seiner Rede den Gesten des Pultes gerecht werden, die ineinen göttlich-geistigen Raum zu greifen beanspruchten undvon dort her zum Publikum »sprechen« sollten.260

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Im ersten Goetheanums gab es noch ein anderes Pult andessen Entwurf Rudolf Steiner beteiligt war. Bei dem Ent-wurf handelte es sich um das schon erörterte ZusammenspielHermann Ranzenbergers mit Steiner. Ranzenberger war mitdem Entwurf für ein Rednerpult beauftragt worden und ent-warf es in Variaton vorhandener Kapitell-Vorbilder Steiners,entsprechend der Jupiter Planetensiegelformen, welche die-ser schon für ein früheres Pult verwendet hatte. Das vonRanzenberger eingefügtes Kreuz wurde von Steiner »korri-giert«. Ranzenberger selbst schrieb: »Die einzige Korrekturdie Rudolf Steiner jedoch vollzog, bestand in der Entfernungdes Kreuzes. Die grundsätzliche Bedeutung einer solchen Kor-rektur ist außerordentlich. Es wurde ein Symbol, ein konven-tionell und stilistisch starr gewordenes Element entfernt.«261

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Ein weiteres Rednerpult, das nach Skizze oder AngabenRudolf Steiners vermutlich 1923 gefertigt wurde, befindetsich im Goetheanum in Dornach. Nach mündlicher Überlie-ferung hatte es Steiner zur Weihnachtstagung 1923/24erstmals benutzt. Es überrascht durch die Materialwahl, sei-ne Strenge und Schlichtheit: Eine Rahmenkonstruktion ausHolz bildet einen elliptisch, halbrunden Korpus, der sich nachoben weitet, und mit weißem Filz bespannt wurde.

Den Schritt, auf theosophische, rosenkreuzerisch-christ-liche Symbolik auf dem Gebiet der Architektur und Interieur-gestaltung zu verzichten, hatte Rudolf Steiner in Dornachkonsequent vollzogen. Frühere Entwürfe aus der Zeit zwi-schen 1910 und 1914 zeigen noch Kreuze, Hexagramme undPentagramme, wie etwa die Komposition von Rosenkreuz undPult für den Berner Zweigraum. Der Pultentwurf wird RudolfSteiner zugeschrieben, wofür das von ihm stammendeJupitersiegel auf der Front und Überlieferungen sprechen, dieEntwurf und Benutzung in Bern durch Steiner verbürgen.

Rudolf Steiner: Rednerpult,1923. Das Pult befand sichzum Zeitpunkt der Aufnahmein unrestauriertem Zustand.

Zeichnung vom ArchitektenSchmid-Curtius

Rudolf Steiner: Rednerpult für den Berner Zweigraum

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SchränkeEin stilistisch zum Berner Rednerpult passender Schreib-

schrank – in Dornach »Berner Bücherschrank« genannt –zeigt wie einige andere Schrankentwürfe aus der Zeit zwi-schen 1910 und 1914 theosophisch-rosenkreuzerische Sym-bolik – an prominenter Stelle: Den hohen Kranzaufsatz desheute schwärzlich nachgedunkelten, früher blauen Schranksschmücken die Buchstabenkürzel des Rosenkreuzerspruchesund ein farbiges Pentagramm, das ein Rosenkreuz umschließt.Die zugehörige Zeichnung gleicht derjenigen eines Vitrinen-schrankes mit der Überschrift »Schrank für Karlsruhe«. Wiediese tragen die meisten Zeichnungen jener Periode entwe-der den Stempel von Schmid-Curtius oder dessen Signatur.Ob oder wie maßgeblich Rudolf Steiner an den einzelnenEntwürfen beteiligt war, bleibt ungewiss. Allein den gebau-ten Berner Schreibschrank kann man wie das Berner Redner-pult nur wieder aufgrund von vorhandenen Notizen am Goe-

theanum und mündlichen Überlieferungen relativsicher Rudolf Steiner zuschreiben. Für die Zusam-mengehörigkeit der Berner Möbel sprechen stilis-tische und materiale Kriterien, wie z.B. die Farbeund die Verwendung von Jupitersiegel (Pult) undJupitersäulenkapitell (Schreibschrank).

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Kolorierte Zeichnung ei-nes Sekretärs mit gelbemHexagramm auf weißemGrund

Der erste Entwurf dieser Art wurde wahrscheinlich alsSchrank für die Möblierung der Steinerschen Mysterien-dramen gebaut. Nach einer Figur der Dramen wird dieserrötlich-orange gebeizte Schrank heute als »Theodora-Schrank« bezeichnet. Die beiden vergoldeten Säulenkapitellewurden motivisch nach Art der Merkursäulen gestaltet.

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In Räumen der Rudolf Steiner Nachlassverwaltung be-findet sich ein Schrank, der als »Berliner Schrank« bezeich-net wird, weil überliefert wurde, er stamme noch aus SteinersBerliner Wohnung. Gut möglich, da Marie Steiner schriftlichbezüglich des Umzugs nach Dornach festhielt: »[...] Schrän-ke und Regale wurden in die Schweiz verfrachtet.«262

Dieser Schrank ist deshalb interessant, weil es sichscheinbar um einen vorhandenen, konventionellen Schrankhandelte, an dem Steiner zwei gestalterische Eingriffe vor-nahm. Zwei Maßnahmen, die zeigen, worauf es ihm ankam:

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Erstens erhielt der Schrank eine rotviolette Farbgebung undzweitens wurde der Deckel bzw. Kranz ausgetauscht. DieElemente der Farbgebung und des oberen Abschlusses kenn-zeichnen – wie schon bei seinen Stuhlentwürfen – Steinersgestalterisches Anliegen, und unterscheiden es durch ihre spi-rituelle Funktionsbestimmung von anderen zeitgenössischenGestaltungsansätzen. Im Laufe der folgenden Betrachtungenwerden sich die spirituellen Funktionsabsichten der Gestal-tung des »oberen Abschlusses« noch näher bestimmen las-sen.

Die gestrichelteLinie dürfte inetwa der Größedes entfernten De-ckels entsprechen.

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Der neue, voluminöse Deckelaufsatz wurde möglicher-weise zusammen mit einem anderen Schrank gleicher Kranz-führung und Farbe neu gefertigt, von dem man ebenfalls an-nahm, er stamme aus Berlin. Gegen diese Annahme sprichteine Planskizze im Archiv am Goetheanum, die höchst wahr-scheinlich für diesen vermeintlich zweiten Berliner Schrankals Vorlage gedient hatte. Die Skizze zeigt drei verschiedeneTürrahmen-Varianten, von denen die linke Rahmenform –vom Betrachter aus gesehen – realisiert wurde. Vermutlichvon Ranzenberger erstellt263, trägt die Zeichnung den hand-schriftlichen Vermerk: »2 Schränke mit Schubfächern, teilen– Villa Hansi«. Da Rudolf Steiner in der Dornacher VillaHansi wohnte, darf man davon ausgehen, dass er den Schrank,der tatsächlich in zwei Teilen und mit Schubfächern ausge-führt wurde, entworfen und hatte bauen lassen. Eine weitereSchrankskizze gleicher Handschrift zeigt ebenfalls die Beto-

Der Goldene Schnitt teilt eine Stre-cke in eine Major-Länge (M) undeine minor- Länge (m) im Verhält-nis M : m = (M+m) : M

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nung des oberen Abschlusses als voluminösen Aufsatz, derwie eine Art Kopf auf dem eigentlichen Möbelkorpus auf-sitzt. Das Bauteil besitzt keinen praktischen Gebrauchswert,da es schwerlich als Stauraum dienen könnte und auch nichtdient. Es erinnert an die dachartigen Aufsätze alter Giebel-schränke, deren Dreieckform eher einem symbolischen, denneinem praktischen Zweck diente.

Die Schrägführungen der Aufsätze in beiden Schrank-skizzen folgen einem Proportionsrhythmus im GoldenenSchnitt: Bei der Skizze des dreitürigen Schrankes, steigt dieTeilung beginnend mit der kurzen Senkrechten in drei »gol-denen« Längenschritten zur Höhe der horizontalen Firstlinie.Damit wäre an diesem wie an weiteren oberen Abschlüssenein proportionaler Bezug zum Pentagramm gegeben, das inden Teilungsverhältnissen seiner Linien den goldenen Schnittaufweist.

Südtiroler Giebelalmer, 15./16. Jh.

Mosaik, Mausoleum der GallaPlacidia, Ravenna, 5. Jh.

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Die Skizze eines zweitürigen Schrankes, der ohne Halb-säulen gebaut wurde, besitzt ebenfalls einen hohen Aufsatzmit drei im Goldenen Schnitt proportionierten Strecken. Eswurde ja schon darauf hingewiesen, dass und warum mathe-matisierte Proportionierungen (z.B. durch Ellipse undCassinische Kurve) bei Steiner eine wichtige Rolle spielten.Ranzenberger wusste von dieser Gewichtung, wofür ein Bei-spiel angeführt sei, das mit der Gestaltung eines Einbauschran-kes zusammenhängt und illustriert, wie sich auch in anderenFällen die Zusammenarbeit zwischen Steiner undRanzenberger abgespielt haben dürfte: An den Seitenwändenjenes Saales im Goetheanum, in dem sich das kleine Redner-pult nach Ranzenbergers Entwurf und Steiners Korrektur be-fand, gab es Einbauschränke, für die Ventilationsöffnungenvorgesehen waren.

Verhältnisse im Goldenen Schnitt

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Ranzenberger berichtete: »Für diese Öffnungen bat ichRudolf Steiner um einen Entwurf. Ungesäumt zeichnete ereinen solchen in seiner ruhigen, bedächtigen Art auf das Pa-pier. Hierbei bemerkte er Verschiedenes bezüglich dem Kor-respondieren der Ausschnittslinien untereinander und derenProportionierung. Es ergab sich ein vom feinsten Mathema-tismus durchzogenes Motiv, das trotz seiner Strenge [...]Mannigfaltigkeiten in sich birgt.«264

Die Ventilationsöffnungen sind in der Abbildung alsVierergruppe oberhalb der Notenständer erkennbar. Das ge-samte Interieur mit Stuhl und Notenständer, dem plastischenHeizkörpervorsatz, den Konturen der Emporenbrüstung undder Durchgänge, stammt von Rudolf Steiner.

Zeichnung Ranzenbergers. m : M -Verhältnisse vom Autor eingefügt.

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Von Rudolf Steiners Hand stammende Entwürfe für Ein-bauschränke im Haus Brodbeck unterhalb des Goetheanumsliegen vielleicht deshalb noch vor, weil sie eine handschrift-liche Anmerkung und die Signatur Steiners aufweisen. Alldiesen originalen Steiner-Entwürfen gemeinsam sind die obenabgeschrägten Ecken der Türrahmen, die sich zur Mitte hinbzw. einander zu neigen.

Einbauschrank im Haus Brodbeck nach einem Entwurf Rudolf Steiners,davor Varianten eines Mysterienspiel-Sessels und eines runden StuttgarterStuhls, der in blauer Ausführung auch für den Berner Zweigraum gebaut

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Für das Haus Brodbeck entwarf Rudolf Steiner einenAnbau, dessen Innenarchitektur inklusive Einbauschränkeneinen gestalterischen Schritt in das Plastische vollzog. Wo erdie plastische Erweiterung an den Schränken anbrachte, über-rascht nach dem bisher Erörterten nicht mehr. Zusammenmit den Entwürfen für die »Berliner Schränke«, deren ge-schrägte »Giebel« in anderer Form den oberen Abschlussbetonen, und den Möbeln im alten Haus Brodbeck stellen sieOriginal-Vorlagen für den späteren anthroposophischen Mö-bel-Kubismus dar.

Anbau Haus Brodbeck.Eine Aufnahme aus derZeit der Herstellung

Anbau Haus Brodbeck.Eine neuere Aufnahme.Die meisten Details derhier abgebildeten Einbau-ten dürften nach Anga-ben bzw. VorbildernSteiners gestaltet wordensein.

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Rudolf Steiner gebrauchte jedoch nicht allein die »ku-bistische« Formensprache der schrägen Kanten: Sein Spek-trum des formalen Ausdrucks umfasste sowohl das Eckige inallen Winkellagen, als auch das Runde, ob in der Fläche oderim plastischen Raum des Konkaven und Konvexen, auf dener sich stilistisch zu entwickelte und in dem er seine spiritu-ell-funktionalen Absichten als Relief »lebendiger Oberflä-chen« realisieren konnte. Ob Möbel rund oder eckig, schlichtoder aufwendig gestaltet wurden, hing in der Regel vom Gan-zen des Raumes und dessen Funktionen ab.

Typische Gestaltungsmerkmale, wie sie an den »ecki-gen« Schrankbeispielen erörtert wurden, treten auch an den»runden« Schrankentwürfen Steiners auf. Ranzenberger über-lieferte eine Entwurfskizze, – ob von Steiners oder der eige-nen Hand bleibt unklar – die er folgendermaßen kommentier-te: »Dieser Entwurf ist wie ein lebendiger Protest gegen dasweitverbreitete Vorurteil, dass man nicht ohne großen Auf-wand an Formmitteln, wie geschweiften, möglichst doppeltoder mehr gekrümmten Flächen etwas im Goetheanumstil ent-werfen könne.«265

Von Ranzenberger überlieferte (gezeich-nete?) Skizze eines Schrankentwurfsvon Rudolf Steiner

Rudolf Steiner:Schrank für HausVreede, Dornach.

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In Rudolf Steiners Sterbezimmer in Dornach, steht einaußergewöhnlicher Schrank, der als Korrekturbeispiel vonRanzenberger angeführt wurde. Von diesem aufwendig plas-tisch gestalteten Schrank sind neben den »Vorher-Nachher«-Zeichnungen Ranzenbergers sogar Modelle erhalten, was dieBesonderheit des Schranks unterstreicht. Auffällig erscheintzunächst – frontal betrachtet – die von unten nach oben sichausdehnende Breite; von der Seite gesehen wölbt sich auchdie Stirnseite über den Türen ungewöhnlich weit nach vorn,so dass die Rahmenelemente des Korpus von unten nach oben,sowie seitlich und nach vorne plastisch auskragen. LautRanzenberger geht diese Weitung der oberen Schrankzoneauf die Korrektur Rudolf Steiners zurück – vergleichbar derAusweitung an einem Buffetentwurf, von dem es ebenfallsvergleichende Zeichnungen Ranzenbergers gibt.266 Die plas-tisch überwölbten, sich zueinander neigenden Formen derMöbeltüren entsprechen denjenigen von Türen (und Fenstern)am ersten Goetheanumbau, die Steiner einmal folgendermaßenkommentierte:

»Vielfach finden Sie in den Architraven und densonstigen Formen dieses eigentümliche Zeichen [eswird zu zeichnen begonnen]. An keiner Stelle ist die-ses Eigentümliche ohne inneren Wert. Wie nichts imKehlkopf des Menschen ohne inneren Wert ist undwie nicht ein Wort herauskommen würde, wenn derKehlkopf nicht am entsprechenden Orte eine entspre-chende Form hätte, so auch, wenn Sie hier eingra-

»Eingrabung mit Überdachung«(Die hier wiedergegebenen, ge-strichelten Zeichnungen der zi-tierten Buchausgabe stammennicht von Steiner.)

Sterbezimmerschrank

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ben, wenn sich hier die Hohlform eingräbt und hierdarüber eine Art Bedachung sich wölbt [es wirdweitergezeichnet]: so entspricht das ganz genau derTatsache, daß erfüllt sein soll dieser Bau von denEmpfindungen der Herzen, die in Liebe zusammen-strömen sollen. So wirkt im Grunde genommen indieser ganzen Architektur nichts für sich allein. Nichtsist so angeordnet, daß es für sich allein ist. Das einestrebt zum andern, und jedes strebt dem andern ent-gegen. Oder, wenn es dreigliedrig ist, so schließt dieMitte die beiden Formen zusammen. Das sind, etwasradikal gezeichnet, die Fenster und Türformen:«267

Modelle der Vorschlags- undKorrekturversion.

Buffetentwurf

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Zur zitierten Äußerung Steiners passt die Überlieferungeines damaligen Mitarbeiters, dass am Goetheanum »[...] al-les mit Liebe verrichtet werden sollte.«268

Steiner selbst sagte: »[Der Bau] wird das sein, was inliebevollem Schaffen, in echtem zusammenwirkendem Schaf-fen diejenigen hingestellt haben, die daran gewirkt haben. [...]Arbeiten wir daran, [...] daß diejenigen, die kommen, um ihnanzuschauen, unbewußt versetzt werden in jene Sphäre derLiebe, mit der er aufgebaut ist!«269 Steiner suchte im Aus-druck seiner Figur des Menschheitsrepräsentanten bzw. desChristus, diesen als »die verkörperte Liebe« zu gestalten :»[...] aus den Formen, aus dem Künstlerischen heraus wirdman es empfinden müssen.«270

Auf dieser Abbildung wurde der Schrank vom Autor in Rich-tung der ursprünglichen Farbgebung koloriert.

Rudolf Steiner: Detail einerChristuskopf- Studie

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Die Formen der Stirn-Augen-Partie des Antlitzes derChristusfigur entsprechen in auffallender Weise prinzipielljenen Skizzen zur »Hohlform mit darüber gewölbter Beda-chung« bzw. den Türformen, wie sie auch der Schrank imSterbezimmer aufweist. Aber nicht nur die frontale Stirnseitedes Schrankes korrespondiert mit den Augenbrauenbögen undAugenhöhlen des Antlitzes, sondern auch die Seitenansichtmit der vorgewölbten mittleren Zone zwischen den Türen ent-spricht der vorgewölbten Kontur der Augenbrauenpartie desChristus-Antlitzes.

Zufällige Formenverwandtschaft oder Absicht? DieseFrage anthropomorpher Formprojektionen wird weiter untennoch ausführlich erörtert werden.

Rudolf Steiner:Christuskopf- Studie

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Ranzenberger berichtete von einem anderen Schrank, derebenfalls jenes »eigentümliche Zeichen« der Zuneigung auf-wies, aber dessen Korrektur im Hinblick auf die Ausbiegungenmöglicherweise entgegengesetzt verlief: »Für das Haus Duld-eck in Dornach entwarf ich einen dreitürigen Schrank in An-lehnung [!] an die dreigliedrigen Fenstermotive des erstenGoetheanums. Mein Entwurf wies eine Ausbiegung links undrechts auf, welche korrigiert wurde.«271 Es bleibt bei dieserAussage ohne entsprechende Zeichnung unklar, ob lediglichdie Form der Ausbiegung verändert wurde und die Ausbiegungals solche erhalten blieb, oder ob die Ausbiegung ganz zu-rück genommen wurde.

Die erhaltene Skizze eines zweitürigen Schrankentwurfskönnte, vergleichbar dem dreibögig-viertürigen Entwurf, sokorrigiert worden sein, dass die »Ausbiegungen« zurückge-

Eine Zeichnung Ranzenbergers, die einedreibögig-viertürige Variante zu dem gebau-ten zweitürigen Schrank darstellt.

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Eingeblendetes Detail einer Christus-kopf-Studie Rudolf Steiners

nommen wurden und Steiner hingegen das Zueinander-Nei-gen der Türen, sowie die Verbindung der plastischen Stirn-wölbung mit dem Mittelsteg zwischen den Türen ausgestal-tete, wie das Korrekturbeispiel eines ehemals blauen, heuteschwärzlich nachgedunkelten, zweitürigen Schrankes für dasHaus Duldeck zeigt. Die Qualitäten des Zueinanderneigensund des »Miteinanders« der formalen und konstruktiven Ele-mente mangeln dem Entwurf weitgehend, da sie additiv kom-poniert sind. Der plastische Kranz wirkt im Entwurf perücken-artig, auch im übertragenen Sinne aufgesetzt, und bleibt vomsteglosen Mittelfeld zwischen den Türen getrennt, währendall diese Teile im gebauten Schrank organisch miteinanderverwachsen erscheinen.

Die Mitte des oberen Abschlusses, dessen Verortung nochnäher zu bestimmen sein wird, gestaltete Steiner mehrfach

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Türrahmendetail erstesGoetheanum

sowohl in der Architektur als auch im Möbelbau auf eineWeise, welche an die durch einen Schlussstein mittenbetonteBogenstirn in der Architektur erinnert.

Fensterbogen mit zu einem Kopfgeformten Schlussstein.

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Schrankentwürfe vermutlichvon Ranzenberger

Türe vom ersten Goetheanum.

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Metamorphosen

Projektion – ReflektionZum Verständnis der Gestaltung oberer Abschlüsse in

der Architektur, dem Innenraum- und Objektdesign RudolfSteiners findet sich unter dessen verstreuten theoretischen Aus-führungen über Kunst und Architektur eine architektonisch-anthropologische Kernaussage. Steiner formulierte sie im ers-ten Vortrag über »Umwandlungsimpulse für die künstleri-sche Evolution der Menschheit« in Dornach aus dem Jahre1914 als ein projektives Wechselverhältnis von Mensch undGestaltungsobjekt. Vom Gesichtspunkt seiner Menschenkundebeschrieb er, wie die einzelnen Künste als Projektionsprozesseaus den verschiedenen Wesensschichten des Menschen ge-setzmäßig hervorgehen. Physischer Leib, Ätherleib, Astral-leib und Ich entsprechen demnach – vereinfacht ausgedrückt– dem Vier-Schichtenmodell von Körper, Leben (Ätherleib),Seele (Astralleib) und Geist (Ich, Geistselbst, Lebensgeist),wobei die inneren Gesetzmäßigkeiten des physischen Leibes(eingeprägt vom Ätherleib) mit der Architektur korrespon-dieren (die des Ätherleibes mit der Skulptur und die des As-tralleibes mit der Malerei). Bezüglich der Architektur-projektion heißt es:

»Der physische Leib könnte ein reiner Raumes-leib genannt werden, eine räumliche Organisation.Das aber, was als ätherischer Leib im physischen Leibdrinnensteckt, oder, wie Sie wissen, über den physi-schen Leib auch hinausragt und in intimer Verbin-dung steht mit dem kosmischen Ganzen, das ist nichtzu betrachten, wenn man nicht die Zeit zu Hilfenimmt. Denn im Grunde genommen ist alles im äthe-rischen Leib Rhythmus, zyklischer Ablauf von Be-wegungen, von Betätigungen, und einen räumlichenCharakter trägt der Ätherleib nur dadurch, daß erden physischen Leib ausfüllt. Für die menschlicheimaginative Anschauung ist es allerdings notwendig,

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daß der ätherische Leib auch in Raumesbildern vor-gestellt wird [...]. Wir lernen sozusagen das Äußer-lichste unseres Wesens, das was durch die Wirkungunseres Ätherleibes auf unseren physischen Leib vor-geht, in einem räumlichen Linien- und Kräftesystemkennen. Wenn wir dieses räumliche Linien- und Kräf-tesystem, das im Grunde genommen in uns fortwäh-rend wirksam ist, hinaustragen in die Welt und dieMaterie anordnen nach diesem Kräftesystem, wennwir loslösen dieses Kräftesystem von uns und dieMaterie danach anordnen, dann entsteht die Baukunst.[...] Alles, was an Gesetzen in der Zusammenfügungder Materie baukünstlerisch vorhanden ist, ist auchdurchaus zu finden im menschlichen Leibe. Ein Hin-ausprojizieren der eigenen Gesetzmäßigkeit desmenschlichen Leibes außer uns in den Raum ist dieBaukunst, die Architektur.«272

Steiner erläuterte nicht, um welche Gesetzmäßigkeitenes sich im Einzelnen handelt, aber es scheint, dass er seineFeststellung in »imaginativen Anschauungen« illustrierte, dieals Fensterbilder im ersten Goetheanum zu sehen waren. DieGlasradierungen zeigten sowohl die sinnlich-räumliche Au-ßenseite einer projizierten Architektur, als auch die mensch-liche Innensicht dieser Architektur als imaginativ-übersinnli-che Schau. In anthroposophischer Terminologie ausgedrückt,handelte es sich jeweils um eine Ansicht vor und eine solchejenseits der Schwelle zur geistigen Welt. Die Entwürfe zuden Fensterbildern trugen zumindest die entsprechenden Ti-tel, insofern die äußere Ansicht des Goetheanum-Westportalsals Architektur »Die Schwelle verhüllt sich« lautete, und dieinnere Schau dieser Architektur als menschliches Antlitz mit»Die Schwelle offenbart sich« betitelt wurde. Zudem wan-delt sich in den Bildern der Tag zur Nacht, in der eine Sonneals Chiffre der Geistesschau leuchtet, gemäß dem Spruche:»Die Sonne schaue um mitternächtige Stunde«.273

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Die Zeichnungen der seitlichen Fenstermotive von AssjaTurgenjeff ergänzte Steiner um weitere Titel: »Ich schaue denBau« für die sinnliche Anschauung, »Und der Bau wirdMensch« für die übersinnliche Anschauung. Das Mittelmotivkönnte die zwischenliegende Meditation vorstellen, währendder sich ein Schwellenübergang von sinnlicher zu übersinnli-cher Anschauung vollzieht und sich aus dem sterblichen »nie-deren Ich« das kosmisch-unsterbliche »höhere Ich« schau-end erhebt: »Aus dem Bilde der niederen Persönlichkeit herauswird die Gestalt des geistigen Ich sichtbar.«274

Die Seitenfenster stehen in verschiedenen spiegelbildli-chen Inversionen zueinander: die Komposition der hellen unddunklen Grundzonen kehrt sich vom linken zum rechten Fens-ter um; an Stelle der drei abwärts gerichteten Totenschädelfinden sich drei aufwärts blickende Gesichter; und die Stirn-seite der Goetheanumarchitektur verwandelt sich in ein Ant-litz, aus dessen Stirn eine Pflanze hervorwächst.

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Rudolf Steiner schilderte verschiedentlich, dass der Ge-sichtspunkt des übersinnlichen Bewusstseins eine spiegelbild-liche Umkehrung der sinnlichen Verhältnisse darstelle, – dassZeitliches rückwärts verlaufe, eine Zahl wie beispielsweise365 der Zahl 563 entsprechen würde, oder dass sich der Orteiner physischen Körperform im Geistigen zum von Formenumflossenen Hohlraum wandle.275

Allesamt Aussagen Steiners, die eine Interpretation derinvers spiegelbildlichen Beziehung von Architekturmotiv imlinken Fenster und Antlitz mit »Pflanze« im rechten Fensterstützen. Die Titel: »Ich schaue den Bau« für die sinnlicheAnschauung, »Und der Bau wird Mensch« für die übersinn-liche Anschauung können daneben als kausale Folge gelesenwerden, wenn man eine andere Aussage Steiners heranzieht,die ebenfalls eine Beziehung von Bauform und menschlichemAntlitz konstatierte. Steiner legte nämlich dar, dass frühereBauformen (er nannte das Beispiel der Gotik) aus okkultenUntergründen und Absichten heraus entstanden seien, ummittels dieser Bauformen die Gemüter der Menschen teleo-logisch zu prägen – und, dass diese seelische Prägung in dernächsten Wiederverkörperung das Antlitz jener Betrachterformen würde: »Erst sieht der Mensch die Bauformen, siewirken auf sein Gemüt, und das Gemüt wirkt wiederum ineinem späteren Leben auf die Physiognomie, auf das Antlitzdes Menschen.«276

Was an der spiegelbildlichen Entsprechung von Bau-form und Antlitz auffällt, ist einerseits das »dekorativ«-skulp-turale Element an der Stirnseite des Goetheanumbaus undentsprechenderseits das Pflanzenmotiv an der Stirn des Ant-litzes. Dass hier eine Formkorrespondenz gesucht wurde,welche die »Stirn« von Bau und Haupt mittig betonte, bele-gen weitere künstlerische Ausführungen, die nach denselbenFensterskizzen Steiners von anderen Künstlern angefertigtworden sind. Eine Zeichnung von Franciszek Siedlecki zeigtstatt des Pflanzenmotivs eine lineare Figuration auf der Stirndes Antlitzes. Die Ausarbeitung in Glas zeigt wiederum eineandere Variante, die den Punkt zwischen den Augenbraueneinschließt.

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Beiden Formen gemeinsam ist wiederum ein formalerBezug zur Stirnfigur am Bau durch die zwei bzw. vier Sei-tenlinien am entsprechenden Ort. Diese plastische Figur be-fand sich in verschiedenen Varianten innerhalb einer einfa-chen topologischen Struktur, die funktionale Bauteile wiePortale, Türen und Fenster seitlich mit Stützelementen (meistHalbsäulen) und oberhalb mit einem Stirnfläche schaffen-den Bogen oder Dach umschloss. Bogenstirnen bzw. Giebel-flächen (Tympana) wurden meist mittig durch jenen plasti-schen oder linearen Akzent hervorgehoben. Allein das Pen-tagon oder Pentagramm trat als symbolisch bestimmbare Fi-gur unter den Akzentuierungen hervor. Nach einer Zeich-nung Steiners hätte die Struktur mit »einer schützenden Ge-stalt über dem Haupte«277 (und Pentagon in der Mitte) aucham zweiten Goetheanum an der westlichen Stirnseite des Ge-bäudes realisiert werden sollen.

Die Anwendung des topologischen Strukturprinzips anMöbeln lässt die hohe gestalterische Relevanz der tympana-len Fläche erkennen, weil der dahinter liegende Raum keinenpraktischen Zweck erfüllen konnte, wie das in der Architek-

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tur der Fall war. Was als typisches und wesentliches Stilmit-tel platziert wurde, war also der »kosmisch-mathematisier-te«, bogenförmige oder geschrägte obere Abschluss, der einetympanale, oft plastisch gestaltete und mittebetonte Flächespannte.

Fragt man nach der Anwendung des Steinerschen Sat-zes vom »baukünstlerischen Hinausprojizieren der Gesetz-mäßigkeiten des physischen Leibes« auf die topologischeStruktur Steinerschen Bauens, so rückt die en face Bezie-hung von menschlichem Antlitz zur Fassade, zu Türen undFenstern oder z.B. Schränken (auch ein Schrank ist ja einBaukörper, ein Korpus) in den Vordergrund. Ausdrücke wie»Baukörper« und »Körperhaus« stehen ganz allgemein fürin reichen Mustern geknüpfte Wechselbeziehungen, deren di-verse Fäden sich innerhalb der Literatur278 (beispielsweiseanthropologischen oder ästhetischen) ausgebreitet finden. Dasnach Oben – Unten – Links – Rechts – Hinten –Vorne quali-tativ differenzierte leibliche Raumerleben findet dabei einenspiegelbildlichen Ausdruck am Baukörper, dessen Formge-bung das Oben anders gestaltet als das Unten, und die eine»organisch-lebendige« Beziehungen der Bauteile zum Gan-zen des Baukörpers sucht. Schrankzeichnungen

Oben: vermutlich Schmid-CurtiusUnten: vermutlich Ranzenberger

Die Ventilations-öffnung am oberenSchrankabschluss:Eine Metamorphosedes Stirnmotivs?

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Originalität in diesem Kontext dürfen Steiners spirituel-le Bezüge einerseits und deren Anwendung andererseitsdurchaus beanspruchen. Im Hinblick auf das anthroposo-phische Design soll hier das vielleicht originellste Element,nämlich der mittebetonte obere Abschluss, näher untersuchtwerden. Denn er wurde in seiner Eigenart an Monumental-bauten ebenso wie an kleinen kunsthandwerklichen Objek-ten angewandt – und er dürfte eine wichtige Rolle im spiri-tuellen Funktionalismus Rudolf Steiners eingenommen ha-ben.

Blicken wir zurück auf das Rosa Südfenster im erstenGoetheanum und auf den Zusammenhang von Haupt undWestportal des ersten Goetheanums, den Steiner selbstfolgendermaßen kommentierte:

»Daß hier versucht worden ist, wirklich den Leibzu metamorphosieren, können Sie daraus ersehen, daßdie Motive hier in den Glasfenstern zum Teil solcheMotive sind, die sich ergeben als Bilder des Seelen-lebens. Sehen Sie zum Beispiel das rosafarbige Fens-ter hier an. Sie werden an dem linken Flügel sehen,wie da etwas herauskommt wie das Westportal desBaues; am rechten Flügel sehen Sie eine Art Kopf.Links sehen Sie einen Menschen am Abhang sitzen,der zum Bau und rechts einen anderen, der zu demKopf hinblickt. Damit ist nichts spekulativ Mysti-sches gemeint, damit ist ein unmittelbares inneres

Beispiel für ein typisches Bil-derrahmen-Design aus der»Dornach-Schule «.

Standuhr. »Dornach-Schule.«

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Carl Kemper: Schmuckkastenfür Marie Steiner. PlastischesModell, Frontansicht.

Rudolf Steiner: Not-leuchte für das ersteGoetheanum, Bronze.

ING Bank, Amsterdam.

Anschauungserlebnis gemeint. Dieser Bau hat nichtanders entstehen können, als daß man die Kopfformdes Menschen in einer geheimnisvollen Weise in ihmempfand, und aus der organischen Kraft einerseitsund der Form des menschlichen Hauptes andererseitsergibt sich empfindungsmäßig die Gestalt der Bau-form. Daher schaut der an dem Abhang sitzendeMensch in seiner Seele die Metamorphose des Bauesan: einmal als menschliches Haupt, das andere Malals Bau, sich nach außen offenbarend.«279

Man kann aus dem Zitierten das »Hinausprojizieren«von organischer Kraft und Form des Hauptes herauslesenund an dem Portal wieder(emp)finden, wenn man die Wöl-bung des menschlichen Schädels in der Dachform und dieentsprechende Stirnfläche unterhalb des Daches wiedererken-nen möchte.

Was jedoch metamorphosierte und projizierte sich alsStirnfigur? Gäbe es eine innere »organische Kraft«, die dem-jenigen zugrunde liegt, was an den Stirnen der menschlichenAntlitze in verschiedener Figuration auftritt? Entspräche die-sen Figuren das sogenannte »dritte Auge«, wie es uns alsreligiöses und künstlerisches Phänomen vor allem von Asienher bekannt ist? Steiner beschrieb in Übereinstimmung undin Kenntnis östlicher Quellen ein überphysisches blumen-artiges Organ das geistig wahrnehmbar zwischen den physi-schen Augen lokalisiert sei. In seiner Beschreibung nannte er

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auch die in theosophischen Kreisen bekannten hinduistischenbzw. buddhistischen Bezeichnungen »Lotusblumen« undChakrams (»Räder«):

»Diejenigen Organe, die hier zunächst besprochenwerden sollen, werden in der Nähe folgender physi-scher Körperteile geistig wahrgenommen: das erstezwischen den Augen, das zweite in der Nähe des Kehl-kopfes [...]. Diese Gebilde werden von den Geheim-kundigen «Räder» (Chakrams) oder auch «Lotusblu-men» genannt. Sie heißen so wegen der Ähnlichkeitmit Rädern oder Blumen; [...] Wenn nun ein Geheim-schüler mit seinen Übungen beginnt, so ist das erste,daß sich die Lotusblumen aufhellen; später beginnensie sich zu drehen. Wenn dies letztere eintritt, so be-ginnt die Fähigkeit des Hellsehens. Denn diese «Blu-men» sind die Sinnesorgane der Seele.«280

Im Zeitalter der spirituellen »Postmoderne«, dem NewAge, sind uns Begriffe wie »drittes Auge« oder »Chakram«allenthalben geläufiger geworden, weniger bekannt mag dieim Buddhismus vorkommende Anschauung eines geistleiblich-architektonischen Anthropomorphismus des dritten Augessein. Ein Pali-Text, der in seiner Aussage das impliziert, wasder Vergleich von Stupa-Gebäude und Buddhafigur veran-schaulicht, stellt lapidar fest: »The stupa is the Buddha, andthe Buddha is the Stupa.«281

Anthropomorphe oder anthropometrische Bezüge von Ar-chitektur zu menschlichem Körper kennt auch die abendlän-dische Architekturgeschichte, die darin zwar keine Beziehungzum »dritten Auge« herstellte (wie das Marc Chagall in sei-nem Gemälde Das grüne Auge möglicherweise tat), jedochgenügend Material aufweist, um eine Verwandtschaft der to-pologischen Bezüge erkennen zu lassen.282 Hier sei nur aufdie Relation von Kopf und Stirn zum dreieckigen Hausgiebelhingewiesen, wie sie beispielsweise in Architekturzeichnungenvon Fassaden vorliegt. Die Kopf-Dach Beziehung wurde auchin der psychologischen Literatur283 dokumentiert, wo sie »ar-

»Kopf« einer nepalesischenStupa mit drittem Auge

Die Illustration aus »TheSymbolism of the Stupa«blendet Körper desBuddha und Gebäude-körper ineinander.

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chetypisch« im kindlichen Haus-mit-Dach-Schema (Viereckmit aufgesetztem Dreieck) vorkommt – signifikant oft mitrundem Fensterchen inmitten des Giebeldreiecks.

Auf welche äußeren »Einflüsse« oder »geheimnisvollenorganischen Kräfte des Hauptes« gründen sich die gestalteri-schen Bezüge zwischen menschlicher Stirnmitte und bauli-cher Stirnseite bei Rudolf Steiner? In einem Vortrag über»Mysterienstätten des Mittelalters – Rosenkreuzertum undmodernes Einweihungsprinzip« berichtete er von den esote-rischen Lehrinhalten einer kleinen Mysterienschule. Nach-dem Steiner ein dort gepflegtes Wissen zur Anatomie der vor-deren Gehirnpartie dahingehend erläutert hatte, dass darinansatzweise ein kleines strukturelles Abbild der menschlichenGestalt veranlagt sei, bemerkte er zur Konzentration auf denPunkt zwischen den Augenbrauen Folgendes:

»Sie sehen, etwas anderes tritt da ein, etwas, wasnun wirklich dem ganzen abendländischen Anschau-en ähnlicher ist als dasjenige, was man oftmals ausdem Morgenlande herübernimmt. Auch das Morgen-land hat ja dieses Konzentrieren auf die Nasenwur-zel, dieses Konzentrieren auf den Punkt zwischen denAugenbrauen. Damit wird der Ort angegeben. Aberin Wahrheit ist es dieses Konzentrieren auf jenen klei-nen Menschen, der da drinnen liegt und der astralischerfaßt wird. Und wird er astralisch erfaßt, wird tat-sächlich eine Meditation so gestaltet, daß man etwaserfaßt in jener Gegend, die damit bezeichnet wordenist, so ist es, wie wenn man in jener Gegend einenkleinen Menschen innerlich wie embryonal ausbildenwollte. Diese Anleitung hat der Schüler bekommen injener kleinen Schule, tatsächlich eine Art embryonaleAusbildung eines kleinen Menschen in einem starkkonzentrierten Gedanken. Dadurch bekamen die Schü-ler, die dazu die Fähigkeit hatten, die zweiblättrigeLotusblume ausgebildet.«284

Marc Chagall: Das grüne Auge,Ausschnitt

Francesco di Giorgio Martini:Kirchenfassade, 1480/90.

Griechische Vasenmalerei,Giebelfeld mit Punkt

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Die bildliche Metamorphose von stirnseitigem Tympa-nalmotiv des Goetheanum-Westportals zur pflanzlichen Ge-stalt bzw. zweiblättrigen Lotusblume auf der Stirn eines Ant-litzes wurde von Rudolf Steiner am Rosa Südfenster ver-gleichsweise en miniature dargestellt, – eine architektonischeVerwandlung in großem Maßstab war für die Besucher desBaus von außen nach innen inszeniert. Denn schon der ei-gentliche Weg zum Haupteingang des Baus führte auf einerlangen Geraden die Blicke der Besucher zur en face Ansichtdes Westportals, und nachdem die Betrachter der Außenseiteim Innern die bogenförmig geschwungenen Treppen zum Saalerstiegen hatten, strahlte ihnen seitlich ein großes rot-leuchtendes Antlitz mit einer zweiblättrigen Lotusblume aufder Stirn von dem Fenster entgegen, das von außen gesehendirekt unterhalb des Tympanalmotivs platziert war.

Die Komplexität der topologischen Bezüge reichten wahr-scheinlich über das Motiv der zweiblättrigen Lotusblume hi-naus, wie das große Rote Fenster im Westen mit dem zurStirn gehörigen Planeten und den zwei Engelsfiguren vor-führt. Auf die Engelkomponente könnte sich jene BemerkungSteiners von der »schützenden Gestalt« über der Stirnseitedes zweiten Goetheanums bezogen haben. Ebenso werfen dieEntwürfe zum Roten Fenster Fragen auf, da die buchstäbli-

Rudolf Steiner: Zeichnung auseinem Notizbuch

Rudolf Steiner: Rotes Fenster.Links: Ausführung in Glas durchJadwiga Siedlecka. Mitte und rechts:Skizzen Rudolf Steiners.

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che »Zweiblättrigkeit« an den Pflanzen- und Wirbelgestaltennicht eindeutig oder überhaupt nicht bestimmbar ist. Ob zwei-blättrige Lotusblume, Pentagon, Pentagramm, Pflanzen-blätter, Baummotiv, Wirbel oder »kleiner Mensch« – alleKontexte verbanden die Motive mit der Dimension des Spiri-tuellen. In aller Regel ging es um »Ausbildung, Weckung,Belebung und Aufhellung« eines Organs zur Wahrnehmungjener geistigen Welten, zu denen Steiner mit seiner Anthropo-sophie einen Weg bahnen wollte. Der erste Satz des erstender anthroposophischen Leitsätze lautete: »Anthroposophieist ein Erkenntnisweg, der das Geistige im Menschenwesenzum Geistigen im Weltenall führen möchte.«285 Dieser Satzließe sich im Hinblick auf die gestalterischen AnliegenSteiners paraphrasieren, denn auch die Gebiete des Künstle-rischen und des Design korrespondierten mit dem transzen-dentalen Weg der Anthroposophie.

Die Steinersche Methode der Projektion von »organischenGesetzmäßigkeiten« des physischen Leibes oder von im phy-sischen Leib veranlagten überphysischen Erkenntnisorganen,kam einerseits vor allem am ersten Goetheanum baulich poin-tiert zum Vorschein und drückte sich andererseits auch in»gemäßigteren« Formen aus. Das Verständnis der unschein-baren und doch typischen Gesten anthroposophischer Archi-

Rudolf Steiner: Zeichnung auseinem Notizbuch

Rudolf Steiner: Skizze links zum Ro-ten Fenster, mittlere zum Rosa Fens-ter. Rechts: Modell Menscheitsreprä-sentant

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tektur erschließt sich erst unter Berücksichtigung der topolo-gischen Beziehungen ihrer spiritueller Grundlagen hinrei-chend. Übersieht oder übergeht man Zusammenhänge wie dieder »zweiblättrigen Lotusblume«, so erscheinen gewisse bau-liche Gesten als formales Spiel am Bau oder am Möbel undentziehen sich der begrifflichen Wahrnehmung, entschwin-den innerhalb allgemeiner Gestaltungsprinzipien organischenBauens, die den Baukörper als »lebendigen Organismus« auf-zufassen suchten, was zu »lebendigeren« Bauformen und zurVermeidung »toter«, additiver Strukturen führen sollte.

Man konstatierte so gesehen und im Hinblick auf SteinersArchitektur unzutreffend die Vermeidung des rechten Win-kels als typisch für »anthroposophisches« Design, ohne Kennt-nis der eigentlichen spirituellen Bezüge und Funktionen (EinErkenntnisdefizit auch unter manchen »anthroposophischen«Architekten, das zu epigonalen, lediglich äußerlich formali-sierten »anthroposophischen« Bauten und Möbeln führt(e)?).

Weder an allen Bauten Steiners, noch an allen Möbelntrat die Betonung der Stirnmitte auf. Stirnzonen oder Stirn-flächen an oberen Abschlüssen wurden durchwegs berück-sichtigt, ebenso wie die Symmetrie des menschlichen Antlit-zes, des Körpers en face und wohl auch jenes »eigentümlicheZeichen der Zuneigung«, das organisch den Lidlinien der Au-gen oder Brauenbögen entspräche. Nur an Gestaltungsauf-gaben, die, gemäß dem erwähnten Vergleich von Bau undGugelhupf bzw. demjenigen von Nuss und Nussschale, keinhumanes Innenleben bargen oder hervorrufen sollten, kamenauch andere Gestaltungsmerkmale zum Vorschein, wie an demHeizhaus für das Goetheanum, worin sich in erster Linie tech-nisch gefasste Verbrennungsprozesse vollzogen. Dort neigensich die Fensterformen nicht wie am Goetheanum »liebevoll«zueinander, sondern streben in spitzen Gesten auseinander.

»Normale« anthroposophische Wohnhäuser wiederumweisen gegenüber dem Goetheanumbau tendenziell »gemä-ßigtere« anthropomorphe Projektionen auf: Die »Hutkrempe«des meist komplex geformten Daches hebt sich zugunsteneiner »offenen Stirn« (die zurückgekämmte utilitaristische

Hermann Ranzenberger:TuschezeichnungSchranksessel

Hermann Ranzenberger:Bleistiftzeichnung Schrank

Rudolf Steiner:Heizhaus

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Rudolf Steiner:Haus Blommestein

Rudolf Steiner:Eurythmiehaus

Dachrinne fällt nicht mehr ins Auge) und die Bögen derAugenfenster neigen sich »freundlich« zueinander.

Je nach Auftraggeber und Auffassungsgabe wurden auchMöbelentwürfe den unterschiedlichen Bauten und den unter-schiedlich stark anthroposophisch orientierten Lebens-entwürfen angepasst – vor allem nach Steiners Tod. EineMöblierung des Goetheanums durch Steiner erfolgte nichtmehr, sein Möbelœuvre blieb Fragment. Gleichfalls fragmen-tarisch blieb vermutlich das konkrete Wissen um Projektio-nen »organischer Kraft« von Haupt, Stirn und Lotusblume.Ein Wissen, dem ja nach Steiner authentische spirituelle Er-fahrungen zugrunde lagen.

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MetamorphoseDie Gestaltung des Goetheanums und seiner Nebenbauten

wurde von Rudolf Steiner mit dem Begriff der Metamorpho-se verknüpft, der von ihm auf Goethes Schriften über dieBildung und Umbildung organischer Naturen und darin vorallem auf Die Metamorphose der Pflanzen bezogen wurde.286

Sowohl bei Steiner selbst, als auch in der Literatur überSteiners Bauten wurde die Anwendung des Metamorphose-Prinzips ausführlich erörtert.

Goethe erblickte die morphologische Abfolge der Blatt-bildung entlang des Pflanzenstängels bis zu den Blütenblätternund Staubgefäßen als die Verwandlung eines Prinzips, näm-lich dasjenige des Blattes. Und auf übergeordneter Ebene sahGoethe alle Pflanzenbildungen als Metamorphosen einerUrpflanze hervorgehen, deren Gesetzmäßigkeiten er zu er-kennen suchte. Steiner knüpfte an die damit gegebene spiri-tuelle Dimension der naturwissenschaftlich geartetenGoetheschen Metamorphoselehre auf künstlerische Weise an.Schon anlässlich des Münchner Kongresses 1907 gestalteteer die Kapitelle der dort aufgestellten sieben Brettsäulen alsMetamorphosenreihe. Die Metamorphose nach Art derKapitellverwandlungen war ein wesentliches Element der or-ganischen Gestaltungsdimension Steiners. Sowohl bei Stein-er selbst, als auch in der anthroposophischen Literatur überSteiners Architektur wurde die Anwendung des Metamorpho-se-Prinzips ausführlich erörtert – in der Sekundärliteratur vor-rangig. Gegenüber einer »kritischen« Öffentlichkeit, derenToleranz gegenüber dem anthroposophisch Spirituellen nied-rig und deren assoziatives Reaktionsvermögen mit Anthro-posophie allzu oft keine anderen Begriffe als »Ideologie« oder»Sektierertum« verbinden konnte, gebrauchten die anthropo-sophischen Interpreten bevorzugt den Konnex mit Goethe undden Kontext der organischen Architektur zur Darstellung derArchitektur Steiners und seiner Nachfolger.

Mit der Generation Steiners suchte das neue Jahrhun-dert neue Formen, und nicht wenige Zeitgenossen besannensich auf ihre Wurzeln im natürlichen Sein. Hinwendung zurNatur – in der Architektur, im Design kennzeichnete den Ju-

Rudolf Steiner: Möbel für Haus Vreede

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gendstil. Unter historischen und allgemeinen Gesichtspunktendarf Rudolf Steiner als ein Vertreter der organischenArchitekturströmung seiner Generation angesehen werden, zuder große Namen wie Louis Sullivan (1856-1924), Frank LloydWright (1869-1956), Antoni Gaudi (1852-1926), Henry vande Velde (1863-1957) und Hugo Häring (1882-1958) zählen.Und doch liegen »geistige Welten« zwischen Steiners spirituel-lem Funktionalismus und den übrigen theoretischen Ansätzen,wie beispielsweise dem von Sullivan organisch aufgefasstenForm follows funktion.

Im Folgenden wird unter dem Titel »Metamorphose« we-der die Verbindung mit der organischen Architekturströmung,noch jene Metamorphose der Kapitellverwandlungen erörtertwerden. Diese Metamorphose spielte für das Möbel- undObjektdesign keine ersichtliche Rolle. Ob etwa die Form-variationen beispielsweise der Heizkörpervorsätze im erstenGoetheanum als Metamorphosen von Formen des Heizhauseszu verstehen seien – wie vermutet wurde287 – wird sich ohneentsprechende Quellen bei Steiner schwerlich entscheiden las-sen.

Möbel Steiners für das Haus Vreede wurden von ihm for-mal einheitlich gestaltet, werden jedoch kaum als Metamor-phosen vom einen zum anderen Möbel auseinander hervorge-gangen sein. Vorstellbar wäre die Anwendung des Metamor-phose-Prinzips als Abfolge von Formen an einem Objekt ebensowie innerhalb einer Objektgruppe – realisiert hatte sie RudolfSteiner meines Wissens nicht.

Was an den Möbelentwürfen Steiners als topologischeStruktur, als typische Merkmale des oberen Abschlusses schonbesprochen wurde, kann nach Steiners eigenen Aussagen alskunstgeschichtliche Metamorphosenreihe interpretiert werden,an deren Ende Steiner den Goetheanum Bauimpuls setzte. ImHinblick auf das zu errichtende Goetheanum sprach er in ei-nem Vortrag in Berlin am 5. Februar 1913 von einer kulturge-schichtlichen Notwendigkeit in der Abfolge der Baustile, dasie zu Rhythmen der psychischen Entwicklung im Rahmen vonKulturepochen in Beziehung stünden.

Rudolf Steiner: Möbel für Haus Vreede

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Die anthroposophische Psychologie lokalisiert die Seelezwischen Leib und Geist, gegliedert in die nach leiblicherSeite mit dem Astralleib verbundene Empfindungsseele, indie Verstandes- oder Gemütsseele und in die Bewusstseins-seele, die mit dem Geist als Geistselbst verbunden sei. Dieallmähliche Ausbildung und Entwicklung der seelischen Glie-der habe die verschiedenen Formen der Architekturstile her-vorgebracht; einen Parallelismus, den Steiner nur exempla-risch in großen Etappen skizzierte: vom ägyptischenPyramidenbau (Empfindungsseele) zur griechisch-römischenBaukunst (Verstandesseele) hin zur Gotik (Bewusstseinsseele).

Die gotische Domarchitektur mit ihren »durchbrochenenWänden« und dem »Licht, das sich in den bunten Fensternbricht«, erschien Steiner als »der rechte Vorbote, dessen, wasjetzt kommen soll«288 – eine neue Baukunst, die denEntwicklungsschritt von Bewusstseinsseele zu Geistselbstcharakterisiert. Als exemplarische Schritte in Richtung die-ser neuen Baukunst, die »vom notwendigen Gang derMenschheitsentwickelung« gefordert sei, nennt er im Jahre1913 die Versuche am Stuttgarter Gesellschaftsbau und dasBauvorhaben in Dornach. Als ein Wesentliches der neuen Bau-kunst kennzeichnete er die nach dem Geistigen hin »offenenWände«, deren Oberflächen durch Malerei und Formgebungder Seele einen Ausblick in die Weiten des geistigen Kosmoserschließen sollten: »hinaus in den Kosmos, in die Welten-räume, so wie die Bewusstseinsseele, wenn sie einmündet indas Geistselbst.«289

Wenn die Gotik als Vorbote der neuen Baukunst desGoetheanums aufgefasst wurde, so liegt es nahe, konkreternach einem »Metamorphose«-Schritt von gotischen Bau-formen zu goetheanistischen Bauformen zu fragen. Zumal esauffallend viele Äußerungen Steiners im Kontext von Kunstund Design über die Gotik gibt und Steiner ja wahrscheinlichdie wandöffnenden farbigen Glasfenster des gotischen Domsals Vorboten der farbigen Fenster des Goetheanums verstan-den zu haben scheint. Auch eine von der Freien Hochschuleam Goetheanum herausgegebene Schrift über die Goethea-num-Glasfenster stellt einen Zusammenhang mit der Gotik

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anhand des Roten Westfensters her. Nach Betrachtung derzwei- und sechzehnblättrigen Lotusblume an Stirn und Kehl-kopf des roten Antlitzes formuliert der Autor folgende (ge-wagte) These:

»Das Organ in der Nähe des Kehlkopfes ist die«sechzehnblättrige Lotusblume». Durch sie kann eingeistiger Einblick gewonnen werden in die Gedanken-art eines anderen Seelenwesens, ebenso in die wah-ren Gesetze der Naturerscheinungen. Es ist nicht ohneBedeutung, daß gerade am Westfenster diesesechzehnblättrige Lotusblume erscheint. Die Bau-meister der gotischen Dome, die vom inneren Zusam-menhange eines Baues mit dem Wesen des Menschengute überlieferte Kunde hatten, brachten deswegenan der Westfassade ihrer großen Bauwerke das Ge-bilde einer sechzehnblättrigen «Rose » an. Auch siewurde vom Innern des Domes in Farben strahlenderblickt:«290

Stützen kann sich diese Behauptung – anthroposophischgesehen – auf die schon zitierte Aussage Steiners über dieteleologisch konzipierten und psychisch prägenden Bauformender Gotik, deren nachhaltiger Eindruck für den Hellsichtigenam Antlitz des reinkarnierten Beschauers wieder erkennbarwäre. »Weit, weit hinaus in ferne Zukunft der Menschheitsehen die Eingeweihten. Deshalb formen sie in einer bestimm-ten Zeit äußere Kunstformen, äußere Baustile im großen. Sowird in die Menschenseele der Keim für zukünftigeMenschheitsepochen gelegt.«291

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Diese Aussage Rudolf Steiners dürfte auch auf ihn selbstzu beziehen sein, da er, wie beispielsweise in seinem BuchDie Geheimwissenschaft im Umriß (1910) Ausblicke in diefernste Zukunft der Menschheit schilderte und Funktionender Kunst immer wieder hinsichtlich ihrer zukünftigen ok-kulten Wirkungen erörterte.

Die Äußerungen Steiners im Zusammenhang mit derGotik legen den hier dargestellten bildlichen Zusammenhangeiner Metamorphose gotischer zu goetheanistischen Bau-formen nahe. Die Abbildungen von Fenstern der AbteikircheSt. Germer entsprächen den »frühen Formen« und zeigen wiejene des Fensters der Verkündigungsszene des IsenheimerAltars und eines Portals der Kathedrale von Chester die schonerörterte topologische Struktur in solchen Variationen, dieman formal als »Vorboten« der Formgebungen Steiners be-trachten könnte. Die bildlichen Vergleiche lassen offen, aufwelche Weise die Bezüge zur Gotik von Steiner metamor-phosiert wurden – vermutlich nicht äußerlich transponierend,sondern bezogen auf »Seeleneindrücke« der Transzendenz,auf Erlebnisse des Spirituellen, wie sie in den Rosetten derGotik konzentriert wurden. Dazu nochmals Sätze Steinersaus dem schon zitierten Vortrag von 1907, dem Jahr seinesersten Wirkens als Designer:

»Die Gotik, die gotischen Dome und Kirchen, lö-sen ganz bestimmte Seeleneindrücke aus bei dem, dersie betritt. Es ist, als trete man in eine Art von Hain indiesem hohen gewölbten Dome mit den aufstrebendenSäulen. Der Aufenthalt dort wirkt ganz anders auf dieSeele, als wenn Sie zum Beispiel in ein gewöhnlichesHaus gehen oder in ein Bauwerk, das eine Renaissance-Kuppel oder eine Kuppel romanischen Stiles hat. Esgehen ganz bestimmte Wirkungen von den Formen aus.Der gewöhnliche Mensch wird sich dessen nichtbewußt, für ihn lebt dies alles im Unbewußten, in sei-nem Unterbewußtsein. Verstandesmäßig macht derMensch sich nicht klar, was in seiner Seele vorgeht,wenn er solche Formen um sich hat. Und was da vor-

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geht, ist je nach der Beschaffenheit seiner Umgebungsehr verschieden. Viele Menschen glauben, daß derMaterialismus unserer modernen Zeit davon herrüh-re, daß so viele materialistische Schriften gelesenwerden. Aber der Okkultist weiß, daß dies nur einengeringen Einfluß hat. Das, was das Auge sieht, istvon weit größerer Wichtigkeit, denn es hat Einflußauf Vorgänge der Seele, die mehr oder weniger imUnbewußten verlaufen. Das hat eine eminent prakti-sche Bedeutung. Und wenn die Geisteswissenschafteinmal in Wahrheit die Seele ergreifen wird, dann wirddiese praktische Wirkung auch im öffentlichen Le-ben bemerkbar werden. Ich habe öfters schon daraufaufmerksam gemacht, daß es etwas anderes war alsheute, wenn man im Mittelalter durch die Straßenging. Rechts und links, an jeder Häuserfassade trugalles das Gepräge dessen, der es verfertigt hatte. Je-der Gegenstand, alles, was die Menschen umgab, je-des Türschloß, jeder Schlüssel, war aufgebaut ausetwas, worin die Seele des Verfertigers ihre Gefühleverkörperte. Mit Liebe war alles gemacht. MachenSie sich einmal klar, wie der einzelne Handwerkerseine Freude an jedem Stück hatte, wie er seine Seeleda hineinarbeitete. In jedem Ding war ein Stück sei-ner Seele. Und wo in der äußeren Form Seele ist, daströmen auch die Seelenkräfte über auf den, der essieht und ansieht. Vergleichen Sie das mit einer Stadtvon heute. Wo ist heute noch Seele in den Dingen?Da ist ein Schuhwaren-, ein Messergeschäft, einMetzgerladen, dann ein Bierhaus und so weiter. Neh-men Sie nur unsere Plakatkunst; was für Produktebringt sie hervor? Eine gräßliche Plakatkunst habenwir! Alt und Jung wandert durch ein Meer solcherscheußlicher Erzeugnisse, die die schlimmsten Kräf-te der Seele im Unterbewußtsein auslösen. Die theo-sophische Erziehungskunst wird darauf aufmerksammachen, daß das, was das Auge sieht, den Menschentief beeinflußt.«292

196

Design als Therapie

Was Steiner wohl über die okkulten Wirkungen zeitgenössi-scher »Plakatkunst«, oder gar über die heutige Bilderflut derIllustrierten und des Fernsehens sagen würde? Die pädagogi-sche und therapeutische Aktualität der Frage nach »verbor-genen« negativen Bildwirkungen auf die kindliche oder labi-le Psyche ist heute offenkundig. Rudolf Steiner, der die musi-kalischen und schauspielerischen Künste im Zeitalter ihrerersten technischen Reproduzierbarkeit erlebte, untersuchte ok-kult »hellsehend und hellhörend« das entstehende Filmwesen,die Kinematographie, ebenso wie die Klänge des Grammo-phons.294

»Beim Grammophon ist es so, dass die Menschheitin das Mechanische die Kunst hereinzwingen will.Wenn die Menschheit also eine leidenschaftliche Vor-liebe für solche Dinge bekäme, wo das, was als Schat-ten des Spirituellen in die Welt herunterkommt, me-chanisiert würde, [... dann könnten ihr nur noch] dieGötter helfen.«295

Überschaut man die Äußerungen Steiners über das Film-wesen, so wird deutlich, dass er vom »schauderhaften Fun-kelbilde des Kinematographen« prinzipiell die gleiche me-chanisierende Wirkung wie beim Grammophon ausgehen sah.Das bewegte Filmbild mache das Denken passiv, materiali-siere das Unterbewusstsein und schädige den menschlichenÄtherleib:

»Der Mensch wird ätherisch glotzäugig. Er be-kommt Augen wie ein Seehund, nur viel größer, wenner sich dem Kinematographen hingibt. Ätherisch mei-ne ich das. Da wirkt man nicht nur auf dasjenige,was der Mensch im Bewußtsein hat, sondern auf seintiefstes Unterbewußtes wirkt man materialisierend.Fassen Sie das nicht auf wie eine Brandrede gegen

Es reißt der Zusammenhangmit dem Geiste, wenn er nichtdurch die Schönheit erhaltenwird. Die Schönheit verbindetdas »Ich« mit dem Leibe.293

Rudolf Steiner

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Der Ansatz Steiners und Jan Stutenszu einer neuen Licht-Spiel-Kunstwurde im historischen Kontext ver-gleichbarer synästhetischer Kunst-projekte von Wolfgang Veit unter-sucht. Er verglich beispielsweiseKandinskys Der gelbe Klang undSkrjabins Prométhée mit der ReiheStuten/Steiner.Die Abbildung oben zeigt das Titel-blatt der Symphonie Prométhée vonJean Delville.Die Abbildung links zeigt ein Bild ausder Reihe Stuten/Steiner.298

den Kinematographen. Es soll ausdrücklich nocheinmal gesagt werden: Es ist ganz natürlich, daß esKinematographen gibt; die Kinematographenkunstwird noch immer mehr und mehr ausgebildet wer-den. Das wird der Weg in den Materialismus sein.Ein Gegengewicht muß geschaffen werden.«296

Die Kinematographenkunst komme der unbewusstenSehnsucht nach geistig Imaginativem, dem Hunger nach derWelt der Bilder entgegen – allerdings aus einer problemati-schen Richtung. Es sei eine kulturell wichtige Aufgabe ge-genüber den die Phantasie und den Ätherleib des Menschenschädigenden Wirkungen des Films eine anthroposophischspiritualisierte neue Kunstform bewegter – von Menschenund nicht von Maschinen gefühlter und geführter – musikali-scher Licht-Bilder für die Bühne zu entwickeln, mit der päd-agogisch und therapeutisch gewirkt werden könne. Fragmentgebliebene Ansätze dazu unternahm der Künstler Jan Stuten,von dem eine malerische Bilderreihe erhalten blieb, deren Ent-stehung Steiner angeregt, begleitet und korrigiert hatte.297

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Ob neue Licht-Bilderkunst, neue Bewegungskunst (dieEurythmie wurde mehrfach im Sinne eines »Gegengewich-tes« genannt), ob neue Ansätze in Malerei, Musik, Architek-tur oder Design: Rudolf Steiner wies immer wieder auf päd-agogisch-therapeutische Aspekte einer spirituell erneuertenKunst und unternahm konkrete Anstrengungen die Kunst derHeilkunst und Heilendes der Kunst zu integrieren: Therapeu-tisches Malen und Zeichnen in der Pädagogik und Heilpäda-gogik, pädagogische Eurythmie und Heileurythmie, anthro-posophische Musiktherapie, intermediale Kunsttherapie imKlinikum Peipers in München schon im Jahre 1908. Allekunsttherapeutischen Ansätze waren spirituell konzipiert undwider die einseitig technizistisch-materialistischen Zeit-tendenzen gerichtet.

Spiritualisierte Bildlichkeit, »richtige« Bilder disponie-ren nach Steiners Auffassung zu Gesundheit, »falsche« Bil-der dagegen zu Krankheiten:

»Das Bild wirkt von der Seele auf den Organismus,gesunde Disposition des Leibes wird durch wahre Bil-der bewirkt. Falsche Bilder prägen sich auch ein. Sieerzeugen das, was uns in Seelenstörungen entgegen-tritt, die später zu Leibesstörungen werden.«299

Diese Feststellung stammt aus einem öffentlichen Vortrag inBerlin 1907, worin Steiner auf Krankheitstendenzen wies,die auf »einseitigen Bildern eines materialistischen All-tags«300 beruhen würden. Dem gegenüber notwendig wäreeine Weitung des geistig-seelischen Horizontes mittels Bilderder großen kosmischen Zusammenhänge von Mensch undWelt. Im Kapitel »Veranstaltungsdesign« – Vignetten, Sie-gel, Säulen wurde dargelegt, dass Rudolf Steiner seit demJahr 1907 solche kosmischen Bilder in architektonischen, plas-tischen und malerisch-zeichnerischen Formen künstlerisch zuvermitteln suchte – und auf deren heilmittelartigen Wirkun-gen aufmerksam gemacht hatte. Dazu zählten die sogenann-ten apokalyptischen Siegel, die im Münchner Kongresssaal1907 ausgestellt waren. Über deren malerische Ausführung

„Ein Münchner Arzt heiltmit Farben, die Dr. Steinerbestimmt. Er schickt auchKranke in die Pinakothekmit der Vorschrift, vor ei-nem bestimmten Bild einehalbe Stunde oder längersich zu konzentrieren.“

Franz Kafka28. März 1911Tagebücher 1910-1923.

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wurde von einem Tagungsteilnehmer gegenüber Steiner ge-äußert, sie sei unkünstlerisch, worauf er antwortete: »Aberrichtig«.

Steiner skizzierte in einemBrief die Problematik, dass erdem Vorwurf des Unkünstleri-schen zwar zustimmen könneund er »sehr, sehr gerne dieseDinge künstlerisch gehabt« hät-te, aber für den Okkultisten seidas realistisch Machbare wich-tiger.301 Er versuchte demnachokkult-inhaltlich »richtige« Bil-der, die er schaute und entwarf,künstlerisch zu realisieren bzw.realisieren zu lassen – was nichtimmer zufriedenstellend ausfiel.

In den Kontext von Kunstals Therapie gehört eine Äuße-rung Steiners aus dem Jahre1908 über das archetypischeBild der »Mutter mit dem Kin-de«, wie es beispielsweise alsägyptisches Isisbild oder christ-liches Madonnenbild in derKunst dargestellt wurde. Expli-zit nannte er die Sixtinische Ma-donna Raffaels ein »Heilmit-tel«.302 Kunsttherapeutisch-re-zeptive Betrachtungen von Ma-donnenbildern303 (siehe Abbil-dungen) wurden im KlinikumPeipers mit Patienten durchge-führt – oft als vorangehender Be-standteil der schon erwähntenFarbkammertherapie.

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Das Betrachten bzw. Ignorieren von »guten« Gemäldenberge laut Steiners Reinkarnations-Forschung noch einen weit-reicherenden Aspekt: es spiele eine nicht unwesentliche Rollefür die physische Befindlichkeit des gegenwärtigen Lebens,welche künstlerischen Interessen seelisch in einer vorange-gangenen Inkarnation durchlebt wurden. Das nachstehendeZitat mag fantastisch klingen, es unterstreicht jedoch zwei-fellos die enge Verknüpfung von Kunst mit »Gesundheits-oder Krankheitsstimmung des Körpers« innerhalb Steinersanthroposophischer Weltanschauung:

»Es gibt ja heute Menschen, denen es ganz gleichgül-tig ist, ob sie irgendeine malerische Scheußlichkeit ander Wand hängen haben oder irgendein sehr gut ge-maltes Bild. So hat es auch in der Zeit, in der dieSeelen, die heute leben, in früheren Erdenleben vor-handen waren, solche Menschen gegeben. Ja sehenSie, meine lieben Freunde, ich habe niemals einenMenschen gefunden, der ein sympathisches Gesichthat, einen sympathischen Gesichtsausdruck hat, dernicht seine Freude an der Malerei in einem früherenErdenleben gehabt hat. Menschen mit unsympathi-schem Gesichtsausdrucke was ja auch im Karma desMenschen eine Rolle spielt, was für das Schicksal eineBedeutung hat, waren immer solche, die stumpf undgleichgültig, phlegmatisch an Bildwerken vorbeige-gangen sind. [...] Menschen, welche in unserer heuti-gen Zeit zum Beispiel absolut kein Interesse für Mu-sikalisches haben, denen das Musikalische gleichgül-tig ist, die werden ganz sicher in einem nächsten Er-denleben entweder asthmatisch oder mit Lungenkrank-heiten wiedergeboren werden, beziehungsweise fürLungenkrankheiten oder Asthma geeignet geborenwerden. Es ist tatsächlich so, daß sich dasjenige See-lische, das sich ausbildet in einem Erdenleben durchdas Interesse an der sichtbaren Welt, in der Gesund-heits- oder Krankheitsstimmung des Körpers im nächs-ten Erdenleben zum Ausdruck bringt.«304

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Über hellseherischen Forschungen zum Thema Reinkarnati-on und Karma äußerte sich Steiner erst in seinem letztenSchaffensjahr gegenüber den Mitgliedern der anthroposophi-schen Gesellschaft detaillierter. Mehr als achzig Vorträge zu-sammenfassend, liegen sechs Bände mit dem Titel »Esoteri-sche Betrachtungen karmischer Zusammenhänge« vor. Diehier zitierten Schilderungen finden sich als Beispiele inner-halb dieser Vorträge illustrierend eingestreut. Darunter aucheine Ausführung über Architektur als Heilmittel, in der Steinereine ungewöhnliche therapeutische Funktion anthroposophi-scher Gestaltung darstellte.

Steiner sprach von einer Sinnesschädigung, insbesonderedes Sehsinns, die eintreten würde, wenn der Mensch aus-schließlich Natureindrücke um sich hätte. Er verglich die ein-tretende »Auszehrung der Sinne« mit den Mangelerscheinun-gen, wie sie eine anhaltende Unterernährung zur Folge habe.

»Aber man wußte auch, wodurch diese Auszehrungausgeglichen wird. Man wußte, wenn man hinschautebei der Tempelarchitektur auf das Ebenmaß des Tra-genden und Lastenden oder wie im Orient auf die For-men, die eigentlich in äußerer Plastik Moralisches dar-stellten, wenn man hinschaute auf das, was in denFormen der Architektur sich dem Auge, dem Wahr-nehmen überhaupt darbot, oder was dann eben wirk-lich an Architektur wiederum musikalisch sich dar-bot, daß darinnen das Heilmittel liegt gegen die Aus-zehrung der Sinne, wenn diese bloß in die Natur hin-ausschauen. Und wenn noch der Grieche in seinenTempel geführt wurde, wo er das Tragende und Las-tende sah, die Säulen, darüber den Architrav und soweiter, wenn er das wahrnahm, was da an innerer Me-chanik und Dynamik ihm entgegentrat, dann wurdeder Blick abgeschlossen. In der Natur dagegen stiertder Mensch hinaus, der Blick geht eigentlich ins Un-endliche, und man kommt nie zu Ende. Man kann jaeigentlich Naturwissenschaft für jedes Problem ohneEnde treiben: es geht immer weiter, weiter. Aber es

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schließt sich der Blick ab, wenn man irgendeine wirk-liche Archtitekturarbeit vor sich hat, die darauf aus-geht, diesen Blick zu fangen, zu entnaturalisieren. [...]Die dem heutigen modernen Menschen angemesseneArchitektur, die seinen Blick in der richtigen [!] Weiseabfangen könnte und die sein naturalistisches Schau-en, das ihm das Karma verdeckt und verfinstert, all-mählich in die Anschauung hätte hereinbringen kön-nen, die stand da draußen in einer gewissen Form da.[abgebranntes Goetheanum, RJF, ...] Aber hoffen wir,daß in Bälde an derselben Stelle wiederum Karma-schauen erweckende Formen vor uns stehen!«305

»Karmaschauen erweckende Formen«? Hängt diese spi-rituelle Funktion mit der von Steiner konstatierten Projektions-gesetzmäßigkeit von Körperbau und Baukörper zusammen?Die betont gestaltete Zone des oberen Abschlusses am Bau,am Designobjekt stand ja in der schon erörterten Relationzum Bereich des »dritten Auges«, das ein Schauen des Geis-tigen ermöglichen soll. Die Formen der Entsprechungszonehätten demnach eine »erweckende« Funktion inne gehabt.Schlüssig wäre diese Interpretation auch im Hinblick auf dieMetamorphosebeziehung von Gotik und Goetheanum, die denkausal-funktionalen Reinkarnationsaspekt ebenfalls beinhal-tete.

Bezüglich der von Steiner formulierten Projektions-gesetzmäßigkeit zwischen Architektur und Mensch finden sichim anthroposophischen Schrifttum wenig konkrete Angaben.Ein Steiner-Zitat, das die Projektionsgesetzmäßigkeit an ei-nem Beispiel konkretisiert und die Thematik von »richtigeroder falscher« Gestaltung für das Architekonische ergänzt,lautet wie folgt:

»Der Mensch muß empfinden, daß die Säule aus demrichtigen Material bestehen muß. Wenn wir eineEisensäule anstreichen, die dünn ist und dasselbe trägtwie eine dickere Steinsäule, so lügt [!] sie uns etwasvor.«306

203

Die zwei unten abgebildeten Skizzen nach einer Ästhe-tik-Studie von Erich Schwebsch – der von Rudolf Steiner andie Stuttgarter Waldorfschule als Lehrer berufen worden war– illustrieren das von Steiner gemeinte Empfindungserlebnis.Zur ersten Zeichnung heißt es bei Schwebsch, dass wir unsdieses Gebilde »körperlich kräftig« in Stein vorstellen sollen.Kräftig genug vorgestellt, würden wir »ein unbehaglichesEmpfinden um die Magengrube, aber auch in der Kopfgegendnicht loswerden.« Vom Empfindungserlebnis gegenüber dernächsten Zeichnung heißt es: »Die unbehaglich empfunde-nen Spannungen sind draußen in der Form gelöst und dadurchin uns selbst ausgeglichen.«307

Selbst wer die geschilderten ästhetischen Empfindungennicht unmittelbar nachvollziehen kann308 , wird vielleicht zu-stimmen, dass bei Steiner und dessen Mitarbeitern sehr früharchitekturpsychologische Problemstellungen präsent waren,die für den Themenkomplex Design als Therapie relevantsind.

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Der Ästhetik-Essay von Schwebsch verfolgte nicht diemedizinisch-psychologischen Implikationen, die »unbehag-lich empfundene Spannungen« auf Dauer psychosomatischzur Folge haben könnten. Aufgrund Steiners Aussagen lässtsich jedoch folgern, dass er die »lügende Eisensäule« sehrwahrscheinlich als »falsches Bild«, d.h. krankmachendes ar-chitektonisches »Bild« betrachtet hätte.309

Aus postmoderner Perspektive dürfte die Koppelung äs-thetischer Kategorien mit logischen oder moralischen Kate-gorien, wie sie in den Formgebungsdiskussionen des vorigenJahrhunderts anzutreffen war, befremdlich und obsolet er-scheinen. Man kann logisch gesehen, falsche oder richtigeSchlüsse ziehen, Rechenaufgaben falsch oder richtig lösen, –aber kann man von richtigen oder falschen Kunstwerken, vonguter oder schlechter Formgebung sprechen? De gustibus nonest disputandum: Über Geschmack ließe sich nicht streiten,weil das ästhetische Urteil subjektiv und nicht objektiv sei?Alle Beurteilungen hängen von Kriterien ab und variierendementsprechend. Postmodern gefärbte Urteile über Gestal-tung fußen auf anderen Kriterien als Urteile der Moderne. ImGegensatz zur Auftragskunst früherer Zeiten, die vorher de-finierte religiöse, soziale, repräsentative, etc. Funktionen vomKünstler einforderte, herrscht heute die postundmodernekünstlerische Freiheit des originellen nachher. Vorab defi-nierte Maßstäbe zur Beurteilung von noch zu schaffendenKunstwerken oder Formgebungen treffen wir eigentlich nurauf der funktionalen Ebene von Architektur und Design an.Vorab geforderte Funktionen eines Bauwerks müssen vomBauwerk erfüllt werden: form follows function.

Darüber hinaus umfasst der zeitgenössische Kriterien-katalog für Architektur und Design mittlerweile ein weitesSpektrum von Anforderungen, die nicht allein von modernenund postmodernen Architekten formuliert wurden, sondernauch von Soziologen, Psychologen und Medizinern. Für dieBeurteilungen anhand der aktuell interdisziplinären Kriteri-en finden sich die Adjektive richtig und falsch, gut undschlecht, gesund und krankmachend. Gegenwärtig suchenMediziner, Psychologen und Baubiologen nach Ursachen des

Ein polemischer Steiner-Ex-kurs über künstlerische Frei-heit:

»Ein schöner Grundsatz ist das,denn nehmen wir an, der Bau-herr bestellt ein Warenhaus, sowürde er doch nicht sehr zu-frieden sein, wenn der «freieKünstler» ihm eine Kirche hin-baute. Nun, solcher Schlag-worte gibt es viele. Aber manist durch Aufgabe und Materi-al beschränkt. Da hat das Wort«freier Künstler» einfach kei-nen Sinn. Denn ich möchtewissen, was der «freie Künst-ler» machen wird, wenn er dieAbsicht hat, aus der freienKünstlerschaft heraus ein plas-tisches Kunstwerk auszufüh-ren, den Ton formt und eineVenus schaffen will, und stattder Venus daraus ein Schafwird? Ist er dann ein freierKünstler? Hat das Wort «freie»Kunst den geringsten Sinn,wenn Raffael den Auftrag be-kommt, die Sixtinische Madon-na zu malen und es wäre eineKuh daraus geworden?«310

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sick building syndroms, – möglicherweise würde RudolfSteiner es als Bestandteil eines sick art syndroms diagnos-tizieren. Wenn heute auf dem Gebiet der Architektur nichtallein mechanisch-zweckhafte, physisch-nützliche Funkti-onen, sondern auch psychische Wirkungen, d.h. psychi-sche Funktionen und pathogene Wirkungen, d.h. salutogeneFunktionen ins Blickfeld gerückt sind, – so hatte Steinerdie erweiterten psychischen, salutogenen und spirituellenFunktionen schon damals für alle Gebiete der Kunst expli-zit angestrebt.

Wie kam Rudolf Steiner auf diese Zusammenhänge?Mit seinem Schaffen versuchte er dem zeitgenössischenMaterialismus spirituelle Lebensentwürfe entgegen zu set-zen. Er betonte zwar die relative Gültigkeit der materialis-tischen Weltanschauung auf dem Feld der unbelebten Ma-terie, wo sie erfolgreich mechanische, physikalische Ge-setzmäßigkeiten erforscht habe, – er bekämpfte jedoch de-ren totalen Welterklärungsanspruch, weil er (nach Steinererkenntnistheoretisch naiv) die je eigenen Gesetze des Or-ganischen, Psychischen und Spirituellen auf rein materiel-le Vorgänge reduziere. Grundsätzlich verursache ein derarteinseitiges, d.h. falsches Weltbild Erkrankungen. Als Krank-heit des konsequent gedachten Materialismus bezeichneteSteiner den Atheismus: »Atheismus ist nicht bloß eine lo-gische Unrichtigkeit, Atheismus ist wirklich eine Krank-heit.« Denn so Steiner:

»Wenn wir von der gewöhnlichen gegenständlichenErkenntnis in diejenige heraufsteigen, welche an-throposophische Geisteswissenschaft anwendet,dann müssen wir beginnen, von gesund und krankzu sprechen. Denn die Beobachtung nötigt unsdazu, solche, jetzt nicht mehr Ideen und Begriffe,sondern Erlebnisse – denn gesund und krank sindErlebnisse – in der übersinnlichen Welt zu finden,in die wir eintreten. Wir müssen, was wir in dersinnlichen Welt mit dem bloßen Abstraktum «wahr»bezeichnen, in der übersinnlichen Welt als das

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Oben: FundstückRömermuseum SchwarzachRechts: Kammermodelle nachAngaben Rudolf Steiners

Gesunde haben. Und was wir in der sinnlichen Weltals «unwahr», «unrichtig» bezeichnen, müssen wirerlebend in der übersinnlichen Welt als das Krank-hafte haben.311

Offensichtlich boten sich Rudolf Steiner übersinnlicheErlebnisse des Gesunden im Anblick »richtiger« geometri-scher Formen, insbesondere des Pentagondodekaeders, derals einer der sogenannten platonischen Körper von Platonmit der Form des Weltalls in Verbindung gebracht wurde(Timaios, 54c). Gott habe diese »fünfte Zusammenfügungfür das Weltganze benutzt« und »Figuren darauf angebracht«.Auch der Astronom Johannes Kepler sah in den platonischenKörpern Zustände höchster Harmonien. In seinem Kosmos-modell bewegen sich die Planeten auf Kugelschalen, denendie fünf platonischen Körper eingeschrieben sind – nächstum die Erdsphäre legte er den Pentagondodekaeder.

Der Archäologie sind mehr als achzig etwa faustgroßeDodekaederfunde aus römisch-keltischen Schichten bekannt,wovon einer die lateinischen Namen der Tierkreiszeichen aufseinen zwölf Flächen trug.313

Das für München geplante erste Goetheanum – damalsnoch Johannesbau genannt – zeigte anschaulich die formalenVerwandtschaften seines Baukörpers mit jenen therapeuti-schen Kammerformen, die für diesen Bau projektiert waren.Fünf der sieben Kammerentwürfe hatten Pentagondodekae-der-Formen, zwei waren kugelförmig.

Erstaunlich:»Die Wiederkehr und Gültig-keit der ursprünglich speku-lativen kosmischen Raum-vorstellung [Keplers] zeigtsich in der Welt des moleku-laren Mikrokosmos. [...] Wer-den die Lithium-Ionen (blaueKugeln) mit topologischenLinien wie im Fall des Phos-phor-Ikosaeders verbunden,so resultiert ein Pentagondo-dekaeder als komplementärerKörper des Ikosaeders.«»Aufgrund von neuen For-schungsdaten, welche eineSonde der ‹Nasa› zur Erdegesendet hat, kommen For-scher [...] zu dem Schluß, daßder Weltraum eine dodekae-drische Struktur aufweist.«312

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Links: Aufsicht Modell-detail. Im Modell rechtsoben außen.Rechts: Aufsicht Modelldes Ensembles

Tuschezeichnung vom»Pentagondodekaeder«-Gebäudeteil

Über die anthroposophische Symbolik des Pentagon-dodekaeders erfahren wir Näheres durch Berichte überdie Grundsteinlegung des ersten Goetheanums in Dorn-ach. Der Grundstein bestand aus zwei aneinander ge-fügten kupfernen Pentagondodekaedern und wurde vonRudolf Steiner in der Ansprache zur Grundsteinlegungals Sinnbild der mikrokosmischen Menschenseele be-zeichnet:

»Er ist uns Sinnbild in seiner doppelten Zwölfgliedrig-keit der strebenden, als Mikrokosmos in den Makro-kosmos eingesenkten Menschenseele.«313

Kupferne Grundstein-Dodekaeder. ImInnern zwei schwebend aufgehängte Pyrit-kristalle; im größeren Körper ein kleinerer,im kleinen der größere. Länge: 96cm.

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In Form und Symbolik des Grundsteins kommt einegrundlegende Geste der Anliegen Rudolf Steiners zumAusdruck: Verbindungen der mikrokosmischen Men-schenseele, des Menschengeistes mit der Weltenseele, demgeistigen Makrokosmos zu schaffen. Ob sich der mikro-kosmische Pentagondodekaeder mit dem makro-kosmischen direkt verbindet, wie die größere Goethea-num-Kuppel mit der kleineren, oder ob das platonischeSymbol des himmlischen Weltalls mit den Tierkreis-Fi-guren als Decken-Leuchte von Oben in die Welt des irdi-schen Unten als Grundstein hereinleuchtet: Steiner ent-warf auf allen Schaffensgebieten mit dem Gestus einerspirituellen Brückenfunktion, denn alle irdischen – vomMaterialismus dominierten – Lebensfelder sollten mit-tels Anthroposophie spiritualisiert, erneuert, befruchtetund – therapiert werden.

Erinnern wir uns an die für das erste Goetheanumzentrale Figur des Menschheitsrepräsentanten, die ein in-dividuell-menschlich zu erringendes Gleichgewichtsver-hältnis zwischen irdischen und geistigen Kräften reprä-sentiert und gleichzeitig eine Christusfigur darstellt. Ver-körpert nach christlicher Lehre nicht die Gestalt des Chris-tus jene Geste der Verbindung zwischen geistig-göttlicherVaterwelt und irdischer Welt? Erinnern wir uns weiter andas rosenkreuzerisch-anthroposophische Credo desMünchner Kongresses 1907:

»Ex deo nascimur. In Christo morimur. Per spiri-tum sanctum reviviscimus.« – und hören dazu einige Sätzeaus demselben Vortrag, in dem Steiner den Atheismus alsKrankheit bezeichnete. Ohne den Kontext lassen sich dieAussagen zwar kaum nachvollziehen, dennoch lassen sieden hohen Stellenwert des Therapeutischen erkennen, denSteiner dem Christlichen beimaß.

»[...] was aus der modernen geistigen Forschungwiederum anerkannt werden muß: daß man ausdem Vater heraus geboren wird, daß es eineKrankhaftigkeit ist, den Vater nicht anzuerken-

Ausschnitt aus Jacopo de Barbari:Porträt des Luca Pacioli. (neben dem»offenen Buch« – ein Symbol ver-siegelter Kenntnisse?)

Rudolf Steiner: Deckenleuchte imStuttgarter Säulensaal

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nen, daß es aber für den ichbegabten Menscheneinen Heilprozeß, einen überirdischen Heiler ge-ben muß, und das ist der Christus. [...] Und nurdiejenigen Zeitalter haben noch eine genügendeVorstellung bekommen können von der Art, wieder Christus in unser Leben eintritt, die ihn alsArzt, als universellen Arzt betrachtet haben. Dasist für übersinnlich-anthroposophische For-schung keine Phrase, das ist nicht etwas, wasbloß allegorischen und symbolischen Sinn hat:Christus der Arzt, Christus der Heiland oder Hei-ler [...].«315

Wohl alle Aussagen Steiners, die sich auf Formge-bung beziehen, können vor dem Hintergrund seiner de-zidiert christlich-therapeutischen Spiritualisierungsab-sicht gesehen werden. Welche weitreichenden therapeu-tischen Möglichkeiten der spirituelle Funktionalismus aufdem Gebiet der Gestaltung, des Designs zukünftig bein-halten könne, erläuterte Steiner anläßlich der Einweihungdes Künstlerateliers in Dornach am 17. Juni 1914:

»Meine lieben Freunde, laßt noch so viel dieMenschen nachsinnen, wie sie durch äußere Ein-richtungen Verbrecherisches und Vergeherischesaus der Welt schaffen: wahre Heilung [!] vomBösen zum Guten wird in der Zukunft für dieMenschenseelen darin liegen, daß die wahreKunst jenes geistige Fluidum in die menschli-chen Seelen und in die menschlichen Herzen sen-den wird, so daß diese Menschenseelen und -herzen – wenn sie das Fluidum auf sich wirkenlassen von dem, was geworden ist in architekto-nischer Skulptur und anderen Formen – dann,wenn sie lügnerisch veranlagt sind, aufhören zulügen; daß, wenn sie friedensstörerisch veran-lagt sind, aufhören, den Frieden ihrer Mitmen-schen zu stören.«316

Zwei Bildbeispiele für die Verwendungpentagonedrischer Körper.317

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Artiges Design?Annähernd hundert Jahre historischer Abstand zu

Rudolf Steiner: die emotionalen Wogen um sein Werkhaben sich geglättet. Ein anthroposophischer Vortrag ineiner europäischen Großstadt zieht nicht mehr tausendevon Zuhörern an und immer weniger Leser verlangen nachden Bänden der Rudolf Steiner Gesamtausgabe. Der vonSteiner gegen Ende des 20. Jahrhunderts erwartete hoheMitgliederzuwachs der anthroposophischen Gesellschaftblieb aus. Und doch wächst geichzeitig das öffentlicheBewusstsein für die anhaltende anthroposophische Pra-xis: Immer mehr Konsumenten greifen zu Demeter undWeleda (letztere erhielt 2002 den Preis für Ökomanagmentgestiftet von der Zeitschrift Capital und dem WWF).318

Ein kürzlich erschienener Artikel der Tageszeitungtaz über organische Architektur vermeldet ein Seminar-angebot der Technischen Universität Berlin über Orga-nisch anthroposophisch geprägte Architektur mit stei-gender Nachfrage der Studierenden: »Zwischen 100 und150 Studierende wollen mittlerweile pro Semester an demSeminar teilnehmen.«319 Die praxisorientierten Außensei-ten anthroposophischen Gestaltens, die architektonischen»Gugelhupf-Formen« haben relativ große Verbreitung undwachsendes Interesse gefunden, vom spirituellen »Ku-chen« des anarchischen Außenseiters Steiner kosten da-gegen weniger.

Neuere »anthroposophische Bauten« treten zuneh-mend gemäßigter, um nicht zu sagen angepasster, auf.Ob sich mit zeitlicher Verschiebung an den Fassaden ab-spielt, was sich im Innern der Gebäude längst ereignete?Das anthroposophische Interieur jedenfalls scheint passézu sein, obwohl sich Steiners »Kern«-Anliegen auf des-sen Gestaltung richtete, wie ja schon die Nussschalen-Kuchenform-Vergleiche verdeutlichten. Zugespitzt formu-liert: Statt dass wir heute auf anthroposophische Möbel-häuser à la IKEA treffen – am Maßstab Demeter undWeleda gemessen – treffen wir auf IKEA Interieurs inanthroposophischen Häusern.

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Hinsichtlich origineller Möbel, wie sie noch ein OswaldDubach und andere in den zwanziger und dreißiger Jahrenaufgrund entsprechender Nachfrage entwarfen und produ-zierten, findet sich heute kein vergleichbares Angebot. Ebensowenig begegnet man noch Schiller Möbel-Inseraten, in de-nen Anfang der dreißiger Jahre etwa zweihundert (!) Modellenach Entwürfen des Architekten Felix Kayser angebotenwurden.

Wo sind – neben Weleda und Demeter – die »Anthropo-sophen-Möbel« der Anthroposophen geblieben?

Schreibzimmer imHaus de Jaager inDornach.Möbelentwürfe W.von Heydebrand. Be-achtenswert sind dieintegrierenden Ver-hältnisse kubistischenMöbeldesigns mitMalerei und Plastik.

»Diese ganze Anthropo-sophie war eine früheForm von Futurismus.Ein Höhepunkt unter denvielen Visionen von einerneuen Welt. Heute nichtmehr vorstellbar, dass dajemand kommt und einGesamtkonzept entwirft.Philosophie, Erziehung,Ernährung, Medizin,Kosmetik, Architektur,Design, Schriften - ei-gentlich war das alles fürdie Arbeiter, und was istübrig geblieben? DiesesStück Weleda-Seife?«

William Gibson: Hui! DieZEIT, Nr. 44, 26.10.2000,Leben.

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Handelt es sich bei ihrem »Verschwinden« umeinen historisch unvermeidlichen Prozess der Inte-gration anthroposophisch orientierter Gestaltungs-prinzipien in das stets wechselnde Formen- und Be-griffsvokabular des jeweiligen Zeitgeistes? – um diemainstream-artige Konventionalisierung unkonven-tioneller Gestaltungsimpulse? – oder wird sich amEnde ein Frank O. Gehry wie seinerzeit Joseph Beuysals »Anthroposoph« outen? – oder existieren undentstehen anthroposophische Interieurs irgendwo jen-seits der Design-Bühnen und Lifestyle-Magazine?

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Werkliste MöbelEin detaillierter Werkkatalog der Möbelentwürfe

Rudolf Steiners konnte im Rahmen dieser Arbeit nicht er-stellt werden. Die Werkliste möchte in ihrer Beschränkungund »Bedürftigkeit« (an Maßangaben, etc.) einerseits nichtviel mehr als eine bildliche Übersicht geben, andererseits aufden Bedarf einer weiterführenden kunsthistorischen Bearbei-tung aufmerksam machen.

Farbkammer290 x 250 x 222 cmRot gebeiztes und poliertesHolz; Deckel und zugehöri-ges »Liegebett« nicht erhal-ten.Datierung: Um 1913Standort: Goetheanum

»Münchner« Stühle93 x (59) 45 x (53) 43 cmBuche; violett gebeizt, violet-ter Cordbezug.Zwei Armlehnstühle und fünfStühle sind laut Archiv-dokumentation aus demMünchner Bauverein erhal-ten. Ein Armlehnstuhl und einStuhl wurden vom Autor imGoetheanum mit abgeschlif-fener Oberfläche und ohneBezug vorgefunden.Datierung: Um 1913Standort: Goetheanum

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»Stuttgarter« Stühle105 (96) x 43 (42) x 46 cmBuche; blau gebeiztVon der Saalbestuhlung imStuttgarter Gesellschaftshaus(Landhasstraße) stammend,zwei Exemplare mit unter-schiedlichen Lehnenhöhen.Datierung: Um 1911Standort: Goetheanum

Altar und Altarstühle138 x 45 x 45 cmAufgedoppelte StuttgarterSaalstühle, beschnitzt, rot ge-beizt als Altar-Ensemble kon-zipiert. Ausführung MaxWolffhügel.Datierung: Um 1920Standort: Freie Waldorfschu-le Uhlandshöhe, Stuttgart

Modellstühleca. 99 x 57 x 64 cmfür die Saalbestuhlung desersten Goetheanums. Rechts:Erster Entwurf nach Zeich-nung »Normalstuhl«, umge-baut für eine Nutzung alsEinzelmöbel. Mitte: EckigeVersion, ebenfalls umgebaut.Linkes Doppel: vermutlichdie endgültige Fassung.Datierung: Um 1923Standorte: Goetheanum

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»Meditationsstuhl«140 x 53 x 43 cmEhemals rotviolett gebeizt,Farbe nur noch auf der Rück-seite der Lehne sichtbar.Zwei Exemplare. Vermutlichschon für die MünchnerMysteriendramen verwendet.Datierung: Um 1912Standort: Goetheanum

»Mysteriendramensessel«120 x 54 x 44 cmÄltere Exemplare, rot gebeiztmit roten Bezügen, die ver-mutlich schon für die Münch-ner Mysteriendramen ver-wendet wurden (ehemals 12Exemplare).Diverse (auch neuere) Form-varianten mit rundem odereckigem Lehnenabschluss inBlau.Standort: Goetheanum

»Mysteriendramensofa«120 x 150 x 52 cmÄlteres Exemplar, rot gebeiztmit roten Bezügen, passendzu den oben abgebildetenroten »Mysteriendramen-sesseln«.Standort: Goetheanum

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»Schreinereistuhl«ca. 103 x 44 x 43 cmZuerst 1911 für das Stuttgar-ter Zweighaus gebaut, rot(Stuttgart) und blau (BernerZweigraum) gebeizte Exem-plare. Später für Veranstal-tungsräume im Goetheanumund der Goetheanum-Schrei-nerei gefertigter Saalstuhl.Standort: Goetheanum

Rundsessel96 x 58 x 55 cmÄlteres Exemplar, ehemalsblau gebeizt mit blauem Be-zug. Vergleichbar den Vari-anten zum Mysteriendramen-sessel, von denen ebenfallsnicht mehr festgestellt wer-den kann, ob und in welchemMaße Rudolf Steiner mitge-wirkt hatte, die jedoch vomAlter und formal zuschreib-bar erscheinen.Standort: Goetheanum

Duldeck-Lehnstuhl144 x 55 x 50 cmBlau gebeizt und lackiert.Helle Variante mit beige-gol-denem Stoffbezug.Wie erör-tert, aus der Zusammenarbeitmit Hermann Ranzenbergerhervorgegangen.Datierung: Um 1917Standort: Haus Duldeck amGoetheanum

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Erster ThronsitzModell von Rudolf Steiner.Ausführung in Birke mit demersten Goetheanum Silvester1922/23 verbrannt.Datierung: Um 1913

Zweiter ThronsitzModell von Rudolf Steiner.Ausführung in Ahorn mitdem ersten Goetheanum Sil-vester 1922/23 verbrannt.Datierung: Um 1913

Dritter ThronsitzModell von Rudolf Steiner.Ausführung in Rüster mitdem ersten Goetheanum Sil-vester 1922/23 verbrannt.Datierung: Um 1913

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Vierter ThronsitzModell von Rudolf Steiner.Ausführung in Eiche mit demersten Goetheanum Silvester1922/23 verbrannt.Datierung: Um 1913

Fünfter ThronsitzModell von Rudolf Steiner.Ausführung in Kirsche mitdem ersten Goetheanum Sil-vester 1922/23 verbrannt.Datierung: Um 1913

Sechster ThronsitzModell von Rudolf Steiner.Ausführung in Esche mit demersten Goetheanum Silvester1922/23 verbrannt.Datierung: Um 1913

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Einbaumöbel HaldeLaut Archivdokumentationdie Fotografie eines für dieRudolf-Steiner-Halde ent-worfenen Einbaus. Die Bankähnelt in ihrem plastischenDuktus der Rondell-Bankunten.Datierung: Nach 1921Standort: Rudolf-Steiner-Halde am Goetheanum

Rondell-BankGefertigt nach einem (erhal-tenen) Wachsmodell Steiners.Ein frühes Beispiel für denkubistisch plastischen Stil.Datierung: Um 1916Standort: Rondell, HausDuldeck am Goetheanum

RednerpultAus massivem Ulmenholzvon Oswald Dubach nach ei-nem (erhaltenen) Wachs-modell Steiners geschnitzt.Replik des verbrannten Pul-tes vom ersten Goetheanum.Datierung: Nach 1925Standort: Goetheanum

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RednerpultFür den Berner Zweigraumgebaut, ehemals indigoblaugebeizt.Datierung: Um 1912Standort: Goetheanum

RednerpultIm weißen Saal des erstenGoetheanums verbrannt. Ausder Zusammenarbeit mitHermann Ranzenberger her-vorgegangen.Datierung: Um 1920

RednerpultVon Rudolf Steiner für dieWeihnachtstagung 1923-24verwendet. Holzgestell mitweißem Samt bezogen.Datierung: 1923Standort: Goetheanum

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»Theodora« SchrankFür die Mysteriendramengebaut, heute orange-rötli-cher Farbton der Beizung.Seitlich abgebildet ein zuge-höriger Beistelltisch.Datierung: Um 1912Standort: Haus Duldeck amGoetheanum

Berner SchrankFür den Berner Zweigraumgebaut, indigoblau gebeizt,passend zum Berner Redner-pult.Datierung: Um 1912Standort: Goetheanum

»Villa Hansi« SchrankLaut Plan für die Villa Hansigebaut. Rötlich-violett ge-beizt.Datierung: Um 1914Standort: Dornach

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SchrankFür Villa Hansi um 1914oder später für Haus Brod-beck bzw. die Rudolf-Steiner-Halde gebaut. Röt-lich-violett gebeizt.Standort: Dornach

Einbauschrank BrodbeckFür Haus Brodbeck gebaut.Rötlich-violett gebeizt. Zuden Einbauschränken liegensechs Zeichnungen Steinersvor.Datierung: Nach 1921Standort: Rudolf-Steiner-Halde am Goetheanum

Einbauschrank BrodbeckFür Haus Brodbeck gebaut,rötlich-violett gebeizt (diesezweite Abbildung exempla-risch für die restlichen Ein-bauschränke im Haus Brod-beck).Datierung: Nach 1921Standort: Rudolf-Steiner-Halde am Goetheanum

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Duldeck Schrank224 x 150 x 68 cmFür das Haus Duldeck ent-worfen, ursprünglich rot-violett gebeizt, heute natur-farben. In Zusammenarbeitmit Hermann Ranzenberger.Datierung: Um 1917Standort: Haus Duldeck amGoetheanum

Duldeck Schrank197 x 148 x 54 cmFür das Haus Duldeck ent-worfen, ursprünglich blaugebeizt. In Zusammenarbeitmit Hermann Ranzenberger.Datierung: Um 1917Standort: Haus Duldeck amGoetheanum

»Sterbezimmer« Schrank230 x 209 x 80 cmUrsprünglich rotviolett ge-beizt, heute naturfarben. InZusammenarbeit mit Her-mann Ranzenberger. Model-le nach Steiners »Korrektur«liegen vor.Datierung: Um 1917Standort: Goetheanum

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Dreitüriger Schrank224 x 181 x 60 cmIn Zusammenarbeit mit Her-mann Ranzenberger. In den80er Jahren renoviert, erneu-erte rotviolette Beizung.Datierung: Um 1917Standort: Goetheanum

Duldeck Bett150 x 215 x 136 cmWeißer Schleiflack auf Holz.In Zusammenarbeit mit Her-mann Ranzenberger.Datierung: Um 1917Standort: Goetheanum

Duldeck Schränkchen(100 x 43 x 36 cm).Weißer Schleiflack auf Holzmit Marmor- und Glasplatte.In Zusammenarbeit mit Her-mann Ranzenberger.Datierung: Um 1917Standort: Goetheanum

Duldeck Spiegelkommode186 x 102 x 63 cmWeißer Schleiflack auf Holzmit Marmor und Spiegel. InZusammenarbeit mit Her-mann Ranzenberger.Datierung: Um 1917Standort: Goetheanum

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Vreede Eckschrank190 x 85 x 43 cmFür das Haus Vreede entwor-fen, ursprünglich blau ge-beizt, heute fast schwarz.Datierung: Um 1920Standort: Goetheanum

Vreede Schrank186 x 100 x 53 cmFür das Haus Vreede entwor-fen, rotviolett gebeizt, restau-riert 1994.Datierung: Um 1920Standort: Goetheanum

Vreede Schreibtischfür das Haus Vreede entwor-fen, vormals vermutlich blaugebeizt, heute holzfarben.Datierung: Um 1920Standort: Goetheanum

Vreede Spiegel65 x 45 cmFür das Haus Vreede entwor-fen, vormals blau, rotviolettrestauriert 1994.Datierung: Um 1920Standort: Goetheanum

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Vreede Regalschrank170 x 110 x 38 cmVermutlich für das HausVreede entworfen, rotviolettgebeizt, restauriert.Datierung: Um 1920Standort: Goetheanum

Vreede BettFür das Haus Vreede entwor-fen, rotviolett gebeizt, restau-riert.Datierung: Um 1920Standort: Goetheanum

Vreede Tische78 x 115 (105) x 80 (74) cmBeide für das Haus Vreedeentworfen, ursprünglich blaugebeizt, heute fast schwarz.Datierung: Um 1920Standort: Goetheanum

Vreede Nachtschränkchen55 x 51 x 51 cmFür das Haus Vreede entwor-fen, rotviolett gebeizt, restau-riert 1994.Datierung: Um 1920Standort: Goetheanum

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De Jaager Tisch und StühleDie Möbel für das Haus deJaager, wurden von RudolfSteiner, dem Entwerfer desHauses, »mitbetreut«, waswohl mitgestaltet bedeutete.Datierung: Um 1923Standort: Goetheanum

Das komplexe skulpturale Interieur und die Möbelentwürfedes Hauses de Jaager kunsthistorisch zu erfassen, wäre eineder Aufgaben, wie ich sie, die Werkliste einleitend, im Sinnhatte.

De Jaager Sessel

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DankEntscheidende Anregung für die hier vorgelegte Arbeit ver-danke ich dem allzu früh verstorbenen Tobias Nöthiger, dermich nach Dornach an das Goetheanum einlud und mir hin-sichtlich der dort verborgenen Möbelschätze Augen und Tü-ren öffnete. Dank nach Dornach auch dem Archiv am Goe-theanum, der Sektion für Bildende Künste an der Freien Hoch-schule für Geisteswissenschaft am Goetheanum und derEvidenzgesellschaft für deren Unterstützung.Besonderen Dank schulde ich Prof. Dr. Felix Thürlemann,der mir mit dem Außenseiterthema »Rudolf Steiner Design«Zutritt zum kunstwissenschaftlichen Kolloquium an der Uni-versität Konstanz gewährte und meine Arbeit wissenschaft-lich betreute.Dank auch meiner Frau Heidi, die meine diversen »Abwe-senheiten« während der Arbeit an diesem Buch familiär mit-getragen hat.

»Allen Gebern herzlichen Dank«Rote Aufschrift auf der rotenGoetheanum-SpendenbüchseGrafikdesign: Rudolf Steiner

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Anmerkungen:1 Diese und weitere Abbildungen in Felix Kayser (Hg.): Ar-

chitektonisches Gestalten. Stuttgart: Wedekind, 1933. S. 39-41.(Eine der Abbildungen zeigt die Dissertation Bachmanns, sieheAnmerkung 2)

2 Wolfgang Bachmann: Die Architekturvorstellungen derAnthroposophen: Versuch einer Deutung und Wertung. Köln;Wien: Böhlau, 1981. TH Aachen, (Dissertationen zur Kunstge-schichte 13). S.218. Es ist eine der wenigen Arbeiten, die teilweiseanthroposophisches Design berücksichtigen. Möglicherweise in-terpretierte der Autor ohne Kenntnis der Originale, nur anhandvon Fotos, die Möbelentwürfe des Bildhauers Oswald Dubach.Er war ein enger Mitarbeiter Rudolf Steiners am ersten Goethe-anum, folgte Steiners »kubistischer« Linie im Design und präg-te diese Richtung anthroposophischen Möbelbaustils. Vom Tsche-chischen Kubismus wußte Bachmann während der Abfassungseiner Arbeit scheinbar noch nichts, denn im Vergleich mitDubach wären ihm dann die augenfälligen formalen Analogiennicht entgangen und er hätte leicht »klassifizieren« können. »[...]man [kann] die dramatischen Entwürfe Oswald Dubachs nichternsthaft klassifizieren. Die von ihm vorgestellten Interieurswirken wie Staffagen zu einem Frankensteinfilm der DreißigerJahre. Die Gebärde der Möbel heißt nicht „den Menschen“, son-dern nur dessen Abartigkeit, wie sie seinerzeit Boris Karloff le-gendär verkörpert hat, willkommen.« Das polemische Vokabu-lar des Autors über »abartige Kunst« entgleist wiederholt. DieWissenschaftlichkeit dieser Dissertation lässt nicht nur in dieserHinsicht zu wünschen übrig.

Weitere Dissertationen zur Architektur Steiners, die an ei-nigen Stellen Innenarchitektur oder Design marginal berücksich-tigen:

Eugene Anthony Santomasso: Origins and Aims of GermanExpressionist Architecture: An Essay into the Expressionist Fra-me of Mind in Germany, especially as Typified in the Work ofRudolf Steiner. Dissertation, Columbia University, USA, 1972.Santomasso bietet zahlreiche kunst- und religionsgeschichtlicheBezüge als Verweise auf mögliche Quellen des steinerschen »Syn-kretismus«. Behandelt wird u.a. das Interieur des erstenStuttgarter Zweighauses der anthroposophischen Gesellschaft.

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Andreas Mäckler: Lichtoffene Farbigkeit: Grundlinien deranthroposophisch-orientierten Lasurmalerei. Voraussetzung undErscheinungsform. Schaffhausen: Novalis, 1992. Diese Arbeitwurde 1989 als Dissertation in Marburg vorgelegt unter demTitel: Die Farbentheorie und Malpraxis der Anthroposophie –Voraussetzungen und Erscheinungsformen. Ich führe diese Dis-sertation hier an, weil sie sich unter den Gesichtspunkten vonFarbe und Malerei auch der Innenarchitektur zuwendet und dieFarbgebung ein relevanter Faktor für das Design Steiners ist.Mäcklers provokative Äußerungen zur Verdrängungsgeschichteder anthroposophischen Malerei und Kunsttheorie überraschen.

Rainer Köllner: Beschreibung und kritische Betrachtungder Anfänge und der Entwicklung anthroposophischer Architek-tur. TU Berlin: Dissertation, 1981. Köllner gibt eine knapp zu-sammenfassende Auswertung der damals vorhandenen anthro-posophischen Literatur.

Sonja Ohlenschläger: Rudolf Steiner (1861-1925): Das ar-chitektonische Werk. Petersberg: Imhof, 1999. Dieser Band istdie überarbeitete Dissertation von 1991. Hier erhält man einenguten Überblick über das architektonische Werk mit bislang un-veröffentlichten Abbildungen. Der im Jahre 1998 realisierte, neueSaalausbau des zweiten Goetheanums wurde ebenfalls berück-sichtigt. Gegenüber der gründlichen bildlichen Gegenstandser-fassung lassen einige Textstellen tiefere Kenntnisse der Kunst-anschauung Steiners vermissen, was im Kapitel über »Die an-throposophische Kunstanschauung« besonders deutlich wird. Diehier und andernorts vorliegende Problematik werde ich beispiel-haft anhand der Steiner-Interpretationen von Beat Wyss erör-tern.

3 Die Begriffe »Designgeschichte« und »Designwissen-schaft« werden (wie die Architekturgeschichte) von mir im Rah-men und im Sinne von Kunstgeschichte und Kunstwissenschaftverwendet, wobei Kunstwissenschaft/Designwissenschaft syno-nym mit Kunstgeschichte/Designgeschichte gemeint sind. ZuAuffassungen eines gegenüber der Kunstwissenschaft selbstän-digen Faches Designgeschichte bzw. Designwissenschaft siehebeispielsweise:

John Walker: Designgeschichte: Perspektiven einer wissen-schaftlichen Disziplin. (Design history and the history of design,London, 1989). München: scaneg, 1992.

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Holger van den Boom: Betrifft: Design. Unterwegs zur De-signwissenschaft in fünf Gedankengängen. (Art in science –science in art; Band 5). Alfter: VDG, 1994.

4 Eckhard Henscheid; Gerhard Henschel: Jahrhundert derObszönität: Eine Bilanz. 2000. Berlin: Alexander Fest Verlag,2000. S 139. Die schwerwiegenden Vorwürfe werden nicht di-rekt belegt. Die angeführten, aus dem Kontext isolierten Zitateesoterischer Vorträge Steiners sind so komponiert, dass dem Le-ser ohne gründliche Kontextkenntnisse wahrlich keine andereWahl bleibt, als dem Autor zuzustimmen beziehungsweise des-sen Folgerungen für richtig zu halten.

5 Ebenda S. 141.

6 Joseph Huber: Astral-Marx: Über Anthroposophie, einengewissen Marxismus und andere Alternatiefen. In: Sekten, Kurs-buch 55. Berlin: Kursbuch, 1979.

Umfassend (als Habilitationsschrift) wurde das VerhältnisMarxismus und Anthroposophie von Christoph Strawe untersucht(Stuttgart: Klett-Cotta, 1986). Bemerkenswert: Der Autor warBundesvorsitzender des Marxistischen StudentenbundesSpartakus (1971-1974), sowie im Präsidium der Vereinigung derVerfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (1978-1981), danach als anthroposophischer Verlagslektor tätig (bis1984).

7 Pforzheimer Anzeiger, 61. Jg., Nr. 8, vom 10. Januar 1934.Das Zitat stammt aus einer Artikelserie, die eine gekürzte Fas-sung der Schrift »Rudolf Steiner – ein Schwindler, wie keiner.«wiedergibt. Darin wurde u.a. »bewiesen«, dass Steiner Jude war.

Zitiert nach Uwe Werner: Anthroposophen in der Zeit desNationalsozialismus 1933-1945. München, 1999. S. 43. Eineempfehlenswerte, auf breiter Quellenbasis beruhende historischeUntersuchung. Das Standardwerk zum Thema.

8 Ebenda S. 62

9 Ebenda S. 7. Artikel »Staatsmänner oder Nationalverbre-cher« von Hitler im »Völkischen Beobachter« vom 15. März1921. Erweitert zitiert nach einem vom Autor Uwe Werner freund-licherweise übermittelten Auszug der betreffenden Stelle.

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10 Die Bemerkung Steiners an Anna Samweber. In AnnaSamweber: Aus meinem Leben. Basel, 1981. S.44. zitiert nachUwe Werner, S. 8.

Man hat verschiedentlich versucht »die beiden berühmtenÖsterreicher« zu parallelisieren. Auch die kunstwissenschaftli-che Annäherung an Steiner, den »Österreicher, der auch alsKünstler dilettierte«, sieht sich mit dem Faschismus-Vorwurf kon-frontiert. Soweit ich den Faschismus-, Antisemitismus- und Ras-sismusvorwürfen im Hinblick auf Rudolf Steiner nachgegangenbin, haben sie sich als unhaltbar oder absurd erwiesen, wenngleichproblematische zeit- und kontextbedingte Äußerungen Steinersvorliegen, die sich allerdings nur dann dazu verwenden lassen,einen »faschistoiden« Steiner zu rekonstruieren, wenn die Basishistorischer Fakten nicht bekannt oder ausgeblendet ist.

11 Eine eher wohlmeinende Zitatkomposition im kunstwis-senschaftlichen Kontext findet sich in:

Harald Szeemann: Der Hang zum Gesamtkunstwerk: Euro-päische Utopien seit 1800. Aarau; Frankfurt a. M.: Sauerländer,1983. Siehe das Kapitel »Rudolf Steiner«.

12 Die Problematik der von Steiner nicht autorisierten Nach-schriften seiner Vorträge im Verhältnis zu seinen Schriften darfnicht übersehen werden. Viele Titel von Vortragszyklen Steinersstammen ebensowenig von Steiner wie die Formulierungen desgesamten Inhalts, da es sich allein um eine Komposition nach-träglicher Erinnerungsnotizen von Zuhörern handeln kann.Genaugenommen kann man sich nicht einmal sicher sein, oballe Inhalte tatsächlich von Steiner herrühren. Verlässlicher sindhingegen Vortragsstenographien, wenngleich auch diesen gegen-über Vorbehalte angebracht sind. Allein die Schriften RudolfSteiners können als Originaltexte Steiners gelten. Da selbst Ori-ginal-Zitate eines Autors aus dem Zusammenhang gerissen wer-den können, ist gegenüber »Steiner-Zitaten« ein weitaus höhe-res Maß an Skepsis angebracht, da solchen »Zitaten« oft genugder entsprechende Hinweis fehlt, dass es sich um Text handelt,von jemand, der zu erinnern meint, was Steiner gesagt hätte.

13 Wolfgang Pehnt: Die Architektur des Expressionismus.Stuttgart: Hatje, 1973. S. 148.

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14 Wie scheinbar kleine Zahlenirrtümer zu großen Fehlein-schätzungen führen können, zeigt die nachfolgende Textanaly-se. Hier seien noch weitere »Kleinigkeiten« angemerkt.

Wyss: »1913 trat Steiner als Generalsekretär der Theoso-phischen Gesellschaft zurück und gründete die Anthroposophi-sche Gesellschaft; im gleichen Jahr erfolgte die Grundsteinle-gung für die Dornacher Mysterien-Spielstätte. Das Richtfest wur-de 1914 gefeiert, zwei Jahre später war das ›Goetheanum‹ voll-endet.«

Tatsächlich war Steiner nicht Generalsekretär der Theoso-phischen Gesellschaft, sondern Generalsekretär der deutschenSektion der Theosophischen Gesellschaft; die Anthroposophi-sche Gesellschaft wurde nicht 1913 gegründet, sondern am 28.Dezember 1912; und das Goetheanum war nicht zwei Jahre nach1913 vollendet, sondern verbrannte Silvester 1922/23 unvollen-det.

Beat Wyss: Der Wille zur Kunst: Zur ästhetischen Mentali-tät der Moderne. Köln: DuMont, 1997. S. 142.

Ein anderes Beispiel aus einer Design-Enzyklopädie: »Themost bizarre and extraordinary, however, was Rudolf Steiner’sGoetheanum II, built of concrete in 1925-8 at Dornach to replacean identical wooden building erected in 1913 but destroyed byfire in 1925.« Richtig ist: Die Grundsteinlegung des erstenGoetheanums aus Holz erfolgte am 20. September 1913, Richt-fest am 1. April 1914 (nicht erected? 1913), es verbrannte Sil-vester 1922/23 (nicht 1925) und war keineswegs identisch(identical) mit dem zweiten Goetheanum.

Ian Bennett: Design and Designers: Germany and Austria.In: Philippe Garner (Hrg.): The Enzyclopedia of Decorative Arts1890-1940. New York: Van Nostrand Reinhold, 1979 (!). S.210.

15 Wyss (1997): S. 165/166.

16 Rudolf Steiner: Der Baugedanke des Goetheanum. Vor-trag vom 29. Juni 1921. Dornach: Verlag am Goetheanum, 1986.Textheft.

Dass bei Steiners Motiv des Menschheitsrepräsentanten, derzwischen einer oberhalb zurückweichenden und einer unterhalbkauernden Figur steht resp. schreitet, tatsächlich eine bemer-kenswerte Verwandtschaft zu einem anderen Bild gleichen Mo-tivs existiert, wurde jüngst festgestellt. Es handelt sich umWilliam Blakes Illustration der Nativity Ode IV: Apollo und die

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heidnischen Götter. Im Hinblick auf die weiter unten erörtertenBeziehungen ein interessanter Zusammenhang. Georg Maier:Vorstufe zur ›plastischen Gruppe‹? William Blakes Illustrationzu einem Milton Gedicht. Wochenschrift Das Goetheanum. (CH)Nachrichtenblatt 1-2/2000.

17 Hier ist Christa Lichtenstern beizupflichten, die daraufhingewiesen hat, dass es irreführend ist »das erste Goetheanumals ›Kultbau‹ zu bezeichnen [...] Das Goetheanum steht nicht imDienst einer Kultgemeinschaft oder einer Kirche. Schon 1923sah sich Steiner zur Klarstellung veranlasst: ›Irgend etwas, dasdiesem zweigliedrigem Raum [Bühne u. Zuschauerraum, R.J.F.]den Charakter eines Tempel- oder Kultgebäudes verliehen hätte,gab es nicht ...‹«.

Zitiert nach der Habilitationsschrift von Christa Lichten-stern: Die Wirkungsgeschichte der Metamorphosenlehre Goethes.Von Philipp Otto Runge bis Joseph Beuys. Weinheim: 1990. S.78, Anm. 8. Die von Lichtenstern zitierte Stelle stammt ausRudolf Steiner: Das Goetheanum in seinen zehn Jahren. II 23-26, 14. Jan., 4. u. 18. Feb. , 4. u. 18. März 1924, in: Der Goethe-anumgedanke inmitten der Kulturkrisis der Gegenwart. Gesam-melte Aufsätze 1921-1925 aus der Wochenschrift »Das Goethe-anum« Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1961. S. 314.

Von Steiner selbst wurde erläutert, was er direkt unterhalbdes besagten Gemäldes zu platzieren gedachte: »Es ist also obenim Kuppelraum Christus zwischen Luzifer und Ahriman gemalt,und darunter wird später stehen – sie ist noch lange nicht fertig– die neuneinhalb Meter hohe Holzgruppe, in der Mitte derMenschheitsrepräsentant, der Christus [...] zwischenAhrimanisches und Luziferisches hineingestellt.« Rudolf Steiner:Vortrag vom 29. Juni 1921. Der Baugedanke des Goetheanum.Dornach: Verlag am Goetheanum, 1986. Textheft, S. 51. Zwei-fellos war das Goetheanum funktional als Theaterbau konzipiert,der jedoch kultische Funktionen nicht ausschloss – und hier mussdie Ausschließlichkeit Lichtensterns korrigiert werden, denn dieBühne mit dem Menschheitsrepräsentanten und den zwölf »Stüh-len« hatte Steiner auch »einen Versammlungsraum für eine be-schränkte Zahl von Teilnehmern« genannt. Ob dieser »Versamm-lungsraum« kultischen Zwecken gedient hätte? Im Hinblick aufdie esoterische Tradition der Theosophen muss der Ausschließ-lichkeit einschränkend entgegen – und damit Wyss zugute –ge-halten werden, dass von Steiner im Rahmen der sogenannten

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»Esoterischen Schule« (»E.S.« oder »E.T.S.« für »Esoteric Schoolof Theosophy«), nach Art des Freimaurertums kultusartige Hand-lungen abgehalten wurden, die er nach Ausbruch des ersten Welt-krieges nicht weiter fortsetzte. Im Hinblick auf einen »Kult derder drei Altäre und zwei Säulen« gibt es aber im Zusammen-hang mit dem ersten Goetheanum eine Aussage, die auf einegeplante Wiederaufnahme kultischer Handlungen deutet: »AlsMittelpunkt sollte unter der kleinen Kuppel die Statue desMenschheitsrepräsentanten stehen, unter ihr der Ostaltar.«

Zitiert aus E. A. Karl Stockmeyer: über die Einheit von Tem-pel und Kultus im Zusammenhang mit der Goetheanum Bau-idee. In Rudolf Steiner: Bilder okkulter Siegel und Säulen. DerMünchner Kongress Pfingsten 1907 und seine Auswirkungen.GA 284. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1977. S. 163.

Zur E.S. siehe Rudolf Steiner: Zur Geschichte und aus denInhalten der ersten Abteilung der Esoterischen Schule 1904 –1914. GA 264. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1984.

18 Im abgelegenen Dornach wurden fremde Besucher vomdortigen Mitarbeiter- und Künstlerkreis um Steiner in aller Re-gel wahrgenommen und vermerkt. Das Goetheanum war rundum die Uhr bewacht. Eine Besichtigung inkognito wäre kaummöglich gewesen. Zudem hatte sich Kandinskys Interesse an derAnthroposophie Rudolf Steiners schon vor dem ersten Weltkriegabgekühlt, weshalb nichts für die relativ aufwendige Besichti-gungsreise nach Dornach spricht. Reproduzierte veröffentlichteDetailabbildungen der Deckenmalerei gab es meines Wissens(z.B. in Zeitschriften) damals keine.

Zur »maliziösen Bemerkung«: Mit viel Phantasie oder In-tention kann man Ähnlichkeit in eine undeutliche Abbildunghineinsehen. Aber erhalten sind Fotografien, Zeichnungen undauch plastische Kopfstudien, die dokumentieren, worauf Steinerbei der Gestaltung des Christusantlitzes Wert legte. Unterhalbdes gemalten »Menschheitsrepräsentanten, war der plastischevorgesehen, als überlebensgroße Holzfigur, die das Motiv derDeckenmalerei samt den zwei Widersachern wiederholte. Da diePlastik zum Zeitpunkt des Brandes noch nicht im Goetheanumaufgestellt war, blieb sie im nahegelegenen Atelier erhalten undkann im Hinblick auf »Ähnlichkeiten« der Gesichtszüge vergli-chen werden, da sie öffentlich zugänglich ist. Der beste Vergleichbietet sich im Sterbezimmer Steiners, wo dessen Totenmaske und

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eine plastische Studie des Kopfes vom Menschheitsrepräsentan-ten aufbewahrt werden.

19 Sonja Ohlenschläger stellt wohl zurecht fest, dass derBruch schon sehr viel früher, nämlich 1907 mit dem von Steinerorganisierten Theosophischen Kongress in München einsetzte:»Tatsächlich war durch diesen Kongress der Bruch RudolfSteiners mit der Theosophie bereits eingeleitet.«

Sonja Ohlenschläger: Rudolf Steiner (1861-1925): Das ar-chitektonische Werk. Petersberg: Imhof, 1999. S.63.

20 Aufgrund des Fehlens verlässlicher Standardwerkeeinerseits und des Vorhandenseins zahlreicher irrtümlicher Quel-len, sowie weiterer Besonderheiten des Themas, riskiert einKunsthistoriker, der Steiner in einen größeren Kontext einbe-zieht, leicht unzutreffende Interpretationen. Wyss hat das Ge-spür und den Mut »schwierige« Themen anzusprechen, dass sichdabei an der von mir zitierten Stelle Unzutreffendes konzent-riert, ist eine Besonderheit und hinsichtlich der Forschungs- undQuellenlage »entschuldbar«, – ebenso hoffentlich, dass ich die-se Stelle isoliert und für meine Argumentation weidlich ausge-nutzt habe.

Davon abgesehen enthält das Buch von Wyss einen Schlüs-sel zum Verständnis der schwer begreiflichen Polarisierungen (undPolemisierungen). Im Prolog beklagt Wyss den dionysischen Sa-tyr Marsyas, der es frevlerisch gewagt hatte, den apollinischen»Gesetzesgott« zu einem musikalischen Wettstreit herauszufor-dern, in welchem jener unterlag und ihm zur Strafe bei lebendi-gem Leibe die Haut abgezogen wurde. Ein Aspekt des Bildes vonder Schindung des Marsyas liegt darin, dass der dionysischeMarsyas sich frevlerisch mit dem Anspruch auf Ebenbürtigkeit,ja Überlegenheit auf das Gebiet apollinischer Wissenschaft undKunst wagte. Im Schema des Mythos kann der »dionysische Ok-kultist« Rudolf Steiner wie ein moderner Marsyas erscheinen,der seine Erfahrungen auf dem Gebiet des Visionären mit demAnspruch von Wissenschaft, von Kunst vorstellte und umsetzte –worauf er von den Vertretern Apollos entsprechend geschundenwurde. Warum hat sich ausgerechnet Wyss in die apollinischeRolle des überlegenen Richters begeben, der den »Prediger«Steiner »überführt«, dessen »Abrakadabra« entlarvt und ihmmittels bestechender Rhetorik das esoterische Fell über die Oh-ren zieht?

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In der Richterrolle des Entlarvers »entmythologisiert« manSteiner immer wieder unter Verlust der Wissenschaftlichkeit. Diebedauerlichen Fehleinschätzungen von Wyss, die ich hier bei-spielhaft aufgezeigt habe, werden vermutlich weiter Vorurteiletradieren. Vgl. Angela Schneider: Kosmos – Geist – Sensibili-tät: Wassily Kandinsky und Yves Klein. Ausstellungskatalog,Neue Nationalgalerie: Das XX. Jahrhundert: Ein Jahrhundertder Kunst. 4.9.99 – 9.1.2000. Berlin: Staatl. Museen zu Berlin,Nicolai, 1999. Von Angela Schneider – die gleich eingangs Wysszitiert – wird Steiners marsyanische Seite als: »mystisch-heil-versprechende Weltanschauung« tituliert. Weder Steiners über-lieferte Schauungen waren »heilversprechend« (im Gegenteil oftapokalyptisch), noch seine diesbezüglichen philosophischen An-schauungen, die gegenüber Heilsfatalismen betonten, dass dieHumanevolution von der »moralischen Phantasie« der Indivi-duen abhänge (vgl. Rudolf Steiner: Die Philosophie der Frei-heit).

In demselben Katalog ist im Beitrag von Moritz Wullen»Wellen und Strahlen – Wege ins Licht« im Zusammenhang mitSteiner pauschal von »Farbmystik«, im weiteren wieder von»Heilsgewißheit« und »Münchhausen« die Rede.

Die eingangs zitierte kunstwissenschaftliche Dissertationvon Wolfgang Bachmann verfährt in der Beurteilung Steinersauf die gleiche Art wie Wyss. Ich schließe mich der Beurteilungvon Bachmanns Arbeit Christa Lichtenstern an. Vgl. Lichten-stern (1990) über Bachmanns Verkennung der Sachverhalte undoberflächliche Werturteile. Ein neues Beispiel für das »InstantJudgment« gutgemeinter »Entmythologisierungs«-Literatur bie-tet Marcus Hammerschmitt: Instant Nirvana: Das Geschäft mitder Suche nach dem Sinn. Aufbau-Verlag, 1999. Dort wird der»Schwindler« Steiner bezeichnet als »Irrationalist, dessen spät-romantische Schwärmerei, okkulte Geisteshuberei und dessenspirituell verbrämter Rassismus starke Affinitäten zur faschisti-schen Antiaufklärung haben.« (S. 57).

Wyss, der in seinem Buch die Bedeutung Schopenhauersfür das künstlerische Schaffen der Moderne hervorhebt, sollteden Fall Steiner nochmals aufrollen und nach einer Quellenre-vision der falschen Indizien u.a. mitberücksichtigen, dass dieHerausgabe von Schopenhauers sämtlichen Werken (samt Kurz-biografie)1894 bei Cotta von Rudolf Steiner besorgt wurde. ZurHerausgabe von Schopenhauers Werken vgl. Lindenberg (1988)S. 110-111. Sowie: Christa Weber: Systemtheoretische Ansätze

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in der Geisteswissenschaft. Mit besonderer Berücksichtigung vonJohann Wolfgang v. Goethe und Rudolf Steiner. Frankfurt a. M.:Verlag für Interkulturelle Kommunikation, 1993. S. 34.

Von Steiner wurde – passend zum Marsyas-Kontext – eineder frühesten Nietzsche-Monografien geschrieben, darüber hin-aus war er als Herausgeber der großen Nachlasszusammenstel-lung »Der Wille zur Macht« vorgesehen und ist als erster öffent-licher Ankläger gegen die Intrigen von Elisabeth Förster-Nietzsche hervorgetreten. Rudolf Steiner: Friedrich Nietzsche,ein Kämpfer gegen seine Zeit. (1895) Dornach: Rudolf SteinerVerlag, 1963. Vgl. auch Rudolf Steiner und das Nietzsche-Ar-chiv. Briefe von Rudolf Steiner, Elisabeth Förster-Nietzsche, FritzKoegel, Constantin Georg Naumann, Gustav Naumann und ErnstHorneffer, 1894 – 1900. Herausgegeben, eingeleitet und kom-mentiert von David Marc Hoffmann. Dornach: Rudolf SteinerVerlag, 1993. Sowie Christoph Lindenberg: Rudolf Steiner: EineChronik 1861-1925. Stuttgart: Freies Geistesleben, 1988. S. 174.

Von dionysischen, faustischen Wesenzügen Steiners gibt esverschiedentlich Schilderungen. Beispielsweise berichtete StefanZweig: »In seinen dunklen Augen wohnte eine hypnotische Kraft,und ich hörte ihm besser und kritischer zu, wenn ich nicht aufihn blickte, denn sein asketisch-hageres, von geistiger Leiden-schaft gezeichnetes Antlitz war wohl angetan, nicht nur auf Frau-en überzeugend zu wirken. [...] gelegentlich trug er uns Kom-mentare zur Farbenlehre Goethes vor, dessen Bild in seiner Dar-stellung faustischer, paracelsischer wurde. Es war aufregend ihmzuzuhören, denn seine Bildung war stupend und großartig viel-seitig [...].« Zweig bemerkt die Wesenspolarität an Steiners»phantastischen und zugleich profundem Wissen«. Stefan Zweig:Die Welt von Gestern: Erinnerungen eines Europäers. Frank-furt a. M.: Fischer/Bertelsmann, 1953. S.112-113.

Aus Steiners Wiener Zeit und den Anfängen in Berlin istüberliefert, dass er gerne in geselliger Runde ziemliche MengenAlkohol trank und »ein häufiger Besucher dunkler Gaststätten«war. So schreibt er in einem Gruß von 1888: »Morgen wol Katerin zweiter Potenz. Wir tranken und tranken und könnennimmermehr.« Zitiert nach Christoph Lindenberg: RudolfSteiner: Eine Biographie.(Zwei Bände). Stuttgart: Freies Geis-tesleben, 1997. Erster Band (1861-1914), S. 284. Ich stimmebezüglich der Biografie Lindenbergs dem zu, was Klaus vonSieglitz im Materialdienst der evangelischen Zentralstelle fürWeltanschauungsfragen 6/98 äußert: »Man kann sagen, daß

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durch diese Steiner-Biographie das Gespräch zwischen Theolo-gie und Anthroposophie eine neue Qualität erhält. Niemand wirdsich fortan daran ernsthaft beteiligen können, der dieses Buchnicht einbezieht.«. Von Stieglitz sieht übrigens in der Freiheits-philosophie Steiners ein marsianisch-titanisches Aufbegehren:»Titanik. Alles vollbringt der Mensch selbst, das Denken unddas Handeln. Er ist auf kein Oben und kein Außen angewiesen.[...] Die Titanik führt zur heftigen Absage an jede Form einesWeltenlenkers«. In Klaus von Stieglitz: Einladung zur Freiheit.Gespräch mit der Anthroposophie. Stuttgart, 1996. S. 33. (Dassüberhaupt ein »Gespräch zwischen Theologie und Anthroposo-phie« stattfinden kann, scheint jüngeren Datums, wie die Be-merkung des evangelischen Theologen im Ruhestand HellmutHaug hinsichtlich neuerer theologischer Dissertationen und Ha-bilitationen, die sich mit Steiner befassen, erkennen lässt: »Mankompromittiert sich nicht mehr, wenn man sich mit dem ‹Sek-tengründer› im akademischen Raum beschäftigt.« Hellmut Haug:Über den ‹kosmischen Christus›. Eine theologische Monogra-phie – Anthroposophie in der ‹Außenperspektive›. WochenschriftDas Goetheanum 51-52/2002. S. 963.)

21 Posthum erschien ein Vortragszyklus als zweibändigeKunstgeschichte als Abbild innerer geistiger Impulse. Bemer-kenswert scheint mir die Auffassung von Steiners Biograf Lin-denberg, der berichtet, Steiner sei sich klar darüber gewesen,dass er sich mit seinem Eintreten für die Theosophie kompro-mittieren würde und er diesen Weg möglicherweise nicht be-schritten hätte, sondern von Berlin nach Wien zurückgekehrtwäre, wenn 1902 in Wien seine Verhandlungen um den Postenals Feuilletonchef der renommierten Wochenschrift Die Zeit er-folgreich gewesen wären. In Wien hatte Rudolf Steiner schoneinmal (1888) die Redaktion für eine Zeitschrift (Deutsche Wo-chenschrift) übernommen und vorwiegend politische Ereignissekommentiert. Wegen eines kritischen Artikels (von EngelbertPernerstorfer) wurde die Zeitschrift von den Behörden konfis-ziert. Vgl. Lindenberg (1997): S. 340.

Der Begriff »Okkultist« darf in Bezug auf Steiner so ver-standen werden, wie er selbst die Begriffe »Geheimwissenschaft«und »Geheimwissenschaftler« im Einleitungskapitel »Charak-ter der Geheimwissenschaft« seines Buches Die Geheimwissen-schaft im Umriß eingeführt hat.

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22 Der Titel der Dissertation lautete: »Die Grundfrage derErkenntnistheorie mit besonderer Rücksicht auf Fichtes Wissen-schaftslehre. Prolegomena zur Verständigung des philosophi-schen Bewußtseins mit sich selbst.« Die Buchausgabe erschienin Weimar 1892 mit dem neuen Titel »Wahrheit und Wissen-schaft. Vorspiel einer ›Philosophie der Freiheit‹.«

23 Ebenda: Kap. 18-23.Friedrichshagener: In einer »Veröffentlichung aus dem Ar-

chiv der Rudolf Steiner Nachlassverwaltung« (Heft Nr. 79/80 –1983) wird unter der Kapitelüberschrift »Die Friedrichshageneroder: von den Anfängen der ›Grünen‹ in Deutschland« der pol-nische Schriftsteller Stanislaw Przybyszewski zitiert: »Sprachman von Friedrichshagen, dann nicht von einer Ortschaft, son-dern von den literarischen Strömungen des Jungen, vielmehrdes Grünen Deutschland, denn die boshafte deutsche Kritik hat-te aus Jung-Deutschland Grün-Deutschland gemacht.«

24 Vgl. Lindenberg (1997): Das Bismarck-Zitat auf S.279,das Theosophen-Zitat auf S.333. Das Motto »An Gottes Stelleden freien Menschen!!!« aus:

Walter Kugler: Feindbild Steiner. Stuttgart: Freies Geistes-leben, 2001. S. 68.

25 Der erste Rektor der Hebrew University in Jerusalem, HugoBergmann hat einen wesentlichen Grund für Steiners Ablehnungso formuliert: » Rudolf Steiner steht in der Geschichte der neuerenPhilosophie des Westens einzig da dadurch, daß sich sein philo-sophisches Werk nicht als bloße Gedankenarbeit darstellt, son-dern sich gründet und begründet auf geistige Erlebnisse. Was inder östlichen Welt selbstverständlich ist, daß der große Denkerauch zugleich ein großer Yogi ist und sein System nicht aufge-baut ist auf der Spekulation allein, sondern auf unmittelbaremErlebnis, das ist in der westlichen Philosophie unerhört. Daherdas große Mißtrauen, mit welchem man Steiner in der philoso-phischen Welt begegnete.«

Hugo Bergmann: Rudolf Steiner als Philosoph. In: Der 100.Geburtstag Rudolf Steiners in der Hebrew University inJerusalem. Rudolf Steiner als Philosoph. Ein Vortrag in der Phi-losophischen Gesellschaft. Zeitschrift: Die Drei, Nr. 1, 1962.

Als Beispiel einer prominenten Ausnahme sei hier (fürKunsthistoriker) der Archäologe Walter Andrae genannt, der zu

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den Mitbegründern der Berliner Rudolf Steiner Schule zählte(Vgl. Andraes Autobiografie »Erinnerungen eines Ausgräbers«)

26 Rodin Vergleich in: Rudolf Niederhäuser: Zur Geschich-te des Hauses Jaques de Jaager. In: Der Plastiker Jaques de Jaagerund das Haus de Jaager von Rudolf Steiner. Herausgegeben vonder Sektion für schöne Wissenschaften der Freien Hochschulefür Geisteswissenschaft Goetheanum. Dornach: Verlag am Goe-theanum, 1985. S. 19.

Rainer Maria Rilke: Briefwechsel mit den Brüdern Reinhardt1919-1926. Frankfurt, 1988. S.155 f. Zitiert nach Peter Selg:Das eigene Blut. Die Leukämie-Erfahrung Rainer Maria Rilkes.In: Zeitschrift »Das Goetheanum« (Schweiz), Nr. 26/2000. DerDichter und Maler Albert Steffen wurde nach Steiners Tod 1925dessen Nachfolger als Vorsitzender der Allgemeinen Anthropo-sophischen Gesellschaft.

27 Alexander von Bernus bot Steiner für den Bau des Goe-theanum ein Gelände in der Nähe seines Stifts Neuburg beiHeidelberg zum Geschenk an. Vgl. Lindenberg (1997), S. 522-524.

28 »Der Mann ist sicher ein ganz merkwürdiges Phänomen,das man versuchen sollte, ernst zu nehmen. Er verkündigt eini-ge Lehren, an die ich lange geglaubt habe, unter anderem, dasses in unserer Zeit nicht angeht, eine Religion voll unbewiesenerWunder anzubieten: sondern die Religion muss eine Wissenschaftsein, die bewiesen werden kann, es gilt nicht mehr zu glauben,sondern zu wissen. Weiter, dass man sich selber durch ein festes,bewusstes, systematisches Denken Kenntnis von der Geisteswelterwerben kann. Man soll nicht dasitzen wie ein träumender Mys-tiker, sondern durch Anstrengung seines ganzen Denkvermö-gens dahin gelangen, die Welt, die uns sonst verborgen ist, zusehen. Das ist wahr und richtig, und dazu ist alles bei ihm ver-trauenswürdig und klug ohne Charlatanerie. In einigen Jahrenwird seine Lehre von den Kanzeln verkündet werden.« SelmaLagerlöff zitiert nach Walter Kugler: Feindbild Steiner. Stuttgart:Freies Geistesleben, 2001. S. 61.

29 »Unter anderem unterschrieben zwei Mitglieder der deut-schen Nationalversammlung, Hugo Sinzheimer und WilhelmVershofen, bekannte Gelehrte wie Hans Driesch, Walter Götz

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und Paul Natorp, Künstler wie Hermann Hesse, WilhelmLehmbruck und Jakob Wassermann« Vgl. Lindenberg (1997),S. 650 ff.

Der Aufruf »An das deutsche Volk und die Kulturwelt!«findet sich als Anhang in Rudolf Steiner: Die Kernpunkte dersozialen Frage in den Lebensnotwendigkeiten der Gegenwartund Zukunft. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1961.

30 Christa Lichtenstern hat ausführlich das Verhältnis vonKlee zu Steiner anhand von Tagebucheintragungen und Briefenuntersucht. Es scheint ambivalent gewesen zu sein, wobei dieAblehnung deutlich überwog. Über das Buch Theosophie. Ein-führung in übersinnliche Welterkenntnis und Menschenbestim-mung schrieb Klee: »Ich gebe zu, daß manches drin steht, wo-durch selbst Erkanntes befestigt wird. Und das ist immer einwertvolles Moment.« (aus einem Brief an seine Frau vom10.10.1917). Nachdem man scheinbar Rudolf Steiner Arbeitenvon Klee gezeigt hatte, heißt es: »Das Schweigen des DoktorSteiner über mich ist leicht zu deuten, es kommt jedenfalls einerAblehnung (mit Mißtrauen vermischt, ganz wie bei mir) gleich.«(Briefpassus vom 21.2.1918). Christa Lichtenstern (1990): S.83-84.

Zu Oskar Schlemmer siehe K. v. Maur: Oskar SchlemmerI, Monographie. München, 1979. S. 108. Zitiert nach Lichten-stern. S.24.

31 Sixten Ringbom: Kandinsky und das Okkulte. (Darin derAusdruck Ringboms von Kandinskys »Steiner-Notizbuch«) Six-ten Ringbom: Die Steiner-Annotationen Kandinskys. Beide imAusstellungskatalog der Städtischen Galerie im Lenbachhaus:Armin Zweite (Hrsg.): Kandinsky und München: Begegnungenund Wandlungen 1896-1914. München: 1982, S.85-106. SixtenRingbom: Überwindung des Sichtbaren: Die Generation der ab-strakten Pioniere, in: Maurice Tuchmann; Judy Freeman (Hrsg.):Das Geistige in der Kunst: Abstrakte Malerei 1890-1985.Stuttgart: Urachhaus, 1988. S.131-153. Die zwei Jahre zuvorerschienene englische Ausgabe begleitete die Ausstellungen inLos Angeles, Chicago und Den Haag unter dem Titel: The Spiri-tual in Art – Abstract Painting 1890-1985. Weitere Veröffentli-chungen Ringboms: Art in the Epoch of the Great Spiritual:Occult Elements in the Early Theory of Abstract Painting, in:Journal of the Warburg and Courtauld Institutes, XXXIX, 1966,

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S. 386-418. Sixten Ringbom: The Sounding Cosmos, A Study inthe Spiritualism of Kandinsky and the Genesis of AbstractPainting, Acta Academiae Aboensis, A 38:2. Finnland 1972

32 Vgl. Walter Kugler: Wenn der Labortisch zum Altar wird- Die Erweiterung des Kunstbegriffs durch Rudolf Steiner. In:Schirn Kunsthalle und Veit Loers (Hrsg.): Okkultismus und Avant-garde: Von Munch bis Mondrian 1900-1915. Ostfildern: EditionTertium, 1995. S. 50. In einer Anmerkung der Verweis auf un-veröffentlichte Studien von F. R. Hildebrandt unter dem Titel:Werkmetamorphosen und Anthroposophie Jawlenskys. Alfter,1983. Hinweis auch bei: Clemens Weiler: Jawlensky, Köpfe-Ge-sichte-Meditationen. Hanau, 1970. Zitiert nach der Zeitschrift»Das Goetheanum« (Schweiz), Nr.23/1985.

33 Mondrian, Fidus: Zu Mondrian siehe bei OhlenschlägerS. 28-29, sowie den vollständig abgedruckten Brief im Anhang.Der Anfang des Briefes lautet: »Monsieur, ayant lu plusiers devos livres, je voudrais savoir si vous aurai le temps de lire mabrochure ›Le-Néoplasticisme‹, cijointe.« Zu Fidus ebenda dasKapitel »Rudolf Steiner und Fidus, der Tempelkünstler«. SonjaOhlenschläger: Rudolf Steiner (1861-1925): Das architektoni-sche Werk. Petersberg: Imhof, 1999. Nähere Quellenangaben dort.

34 Neutra: Der ehemalige ZEIT Feuilletonchef WalterAbendroth veröffentlichte besagten Brief an Rudolf Steiner un-gekürzt in: Walter Abendroth: Rudolf Steiner und die heutigeWelt: Ein Beitrag zur Diskussion um die um die menschlicheZukunft. Frankfurt a. M.: Fischer, 1982. S.177-178. Die expres-sionistischen Formensprachen des ersten Goetheanum und desEinsteinturms weisen teilweise große Ähnlichkeiten auf: Könn-te partiell eine formale Bezugnahme möglich gewesen sein, daeine geistige explizit gewünscht war?

Gläserne Kette: Iain Boyd Whyte; Romana Schneider(Hrsg.): Die Briefe der Gläsernen Kette. Berlin: Ernst, 1986.

Taut, Finsterlin, Gösch: Der Ausdruck »sympathisierten«zitiert Wolfgang Pehnt: Rudolf Steiner: Goetheanum, Dornach.Berlin: Ernst, 1991. S.34. Wolfgang Pehnt: Die Architektur desExpressionismus. Stuttgart: Hatje, 1973. S.47. Vgl. ebenda eineabgebildete Zeichnung Göschs mit einer Detailaufnahme vomersten Goetheanum.

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Le Corbusier: Vgl. den Bericht von Falk-Ebell in: Rex Raab;Arne Klingborg; Ake Fant: Sprechender Beton: Wie RudolfSteiner den Stahlbeton verwendete. Philosophisch-Anthroposo-phischer Verlag, 1972. Dornach. S.16 das Zitat von Ebbell: »Ichglaube er [Le Corbusier] hat den Eindruck sein ganzes Lebenhindurchgetragen, und dann ist es später bei ihm wieder heraus-gekommen – in seiner Kapelle etwa.«

Zu erwähnen wäre noch, dass J. L. Mathieu Lauweriks, einKollege von Peter Behrens Steiners Werk gut kannte und schein-bar auch Frank Lloyd Wright und Eero Saarinen davon wussten(und im Falle Wrights die Doppel-Kuppelkonstruktion des ers-ten Goetheanum als Werk eines »genius or very daringarchitectural engeneer« gewürdigt wurde.) Vgl. David Adams:Journal of the Society of Architectural Historians (51, 2, June1992). S. 202-203.

35 Das gilt nicht nur für die künstlerischen Werke Steiners,sondern auch für die Werke all der Künstlerinnen und Künstler,die sich zur Bauzeit des ersten Goetheanum zu einer Künstler-kolonie formierten und die nach dem Tode Steiners dessen Im-pulse für die Kunst zu verwirklichen suchten. Hier sei an AndreasMäckler im eingangs zitierten Motto erinnert, der sich über dieIgnoranz der Kunsthistoriker wunderte.

36 Henry van de Velde, Frank Lloyd Wright, Hans Scharoun,Frank Gehry: Der Ausdruck »Komplimente« zitiert WolfgangPehnt: Rudolf Steiner: Goetheanum, Dornach. Berlin: Ernst,1991. Auf S.38 der Hinweis auf die Besuche der genannten Ar-chitekten.

37 Rudolf Schwarz in: Baukunst und Werkform, 1956, S.117-118. Zitiert nach: Christian Borngräber: Stil Novo: Design inden 50er Jahren, Phantasie und Phantastik. Frankfurt: VerlagDieter Fricke, 1979.

Man könnte im Hinblick auf die Beiträge Steiners und sei-ner Nachfolger zur Architektur und zum Design des 20. Jahr-hunderts Titelworte eines Aufsatzes von Werner Oechslin para-phrasieren: Die Tabuisierung des anthroposophischen Beitragszur modernen Architektur. Vgl. Werner Oechslin: DieTabuisierung des russischen Beitrages zur modernen Architek-tur. In: Moderne entwerfen: Architektur und Kulturgeschichte.Köln: DuMont, 1999.

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Noch 1993 (!) erschien eine mehrbändige Architekturge-schichte, die weder Steiner noch das Goetheanum erwähnt. Vgl.Spiro Kostof: Geschichte der Architektur. (Band 3 [Gegenwart])Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt, 1993.

Im Jahr 1999 erscheint ein architekturgeschichtlicher Bild-band, der von der Cheops-Pyramide über den Pariser Eiffelturmbis zum Guggenheim-Museum in Bilbao nur 86 Bauwerke aus-wählt, die »die Welt bewegten«: darunter SteinersGoetheanumbauten. Klaus Reichold; Bernhard Graf: Bauwerke,die die Welt bewegten. München; London; New York: Prestel,1999.

Verständlich, dass eine Revue des Designs im 20. Jahrhun-dert Rudolf Steiner (noch) nicht kennt, doch rätselhaft bleibt,wieso ein im Jahr 2000 erschienenes »Kunstlexikon des 20. Jahr-hunderts«, das sich als Standardwerk mit 1700 Einträgen prä-sentiert, Steiner nicht nennt (vgl. dazu meine folgende Annähe-rung zum Erfolg der Ausstellungen von Steiners Wandtafelzeich-nungen).

Uwe Abendroth (Hrg.): Das Designbuch: 1 Jahrhundert 400Designer 1000 Objekte. Augsburg: Battenberg, 1999.

Karin Thomas (Hrg.): Kunstlexikon des 20. Jahrhunderts -Künstler, Stile und Begriffe. Köln: DuMont, 2000.

38 Eduard Trier: Figur und Raum. Berlin, 1960. Trier wirdder Verdienst zugesprochen, »das zweite Goetheanum als Ar-chitekturplastik erkannt und der Fachliteratur zugeführt zu ha-ben.« (vgl. Lichtenstern, 1990, S. 79). Hier muss einschränkendbemerkt werden, dass schon 1933 anthroposophische Autorendas zweite Goetheanum in der Publikation Architektonisches Ge-stalten vorgestellt und auf das »plastizierende Element« hinge-wiesen haben. Felix Kayser (Hrg.): Architektonisches Gestalten.Stuttgart: Akademischer Verlag Dr. Fritz Wedekind, 1933.

Wolfgang Pehnt: Die Architektur des Expressionismus.Stuttgart: Hatje, 1973.

Wolfgang Pehnt: Rudolf Steiner: Goetheanum, Dornach.Berlin: Ernst, 1991.

Dennis Sharp: Modern Architecture and Expressionism.London: Longmans, Green and Co Ltd.,1966.

Dennis Sharp: A Visual History of Twentieth- CenturyArchitecture. London: Heinemann Ltd., Secker & Warburg, 1972.(Deutsche Ausgabe. München: Edition Praeger, 1973).

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In der Reihe »The Pelican History of Art.« findet sichSteiners extremer »skulpturaler Expressionismus« früh mit ei-nem Satz erwähnt: »The extreme point of this sort of abstractsculptural Expressionism in the twenties is found in the work ofno architect but in the mountainous cult edifice [sic] called theGoetheanum at Dornach in Switzerland, designed by the creatorof anthroposophy Rudolf Steiner and begun in 1923.«

Henry-Russell Hitchcock: Architecture Nineteenth andTwentieth Century. (Edited by Nikolaus Pevsner) [!] Baltimore:Penguin, 1967. S.364. (Reprint 1967 der 2. Aufl. 1963)

Einen eigenwilligen Beitrag, der auf Rudolf Steiners Ar-chitektur begeistert aufmerksam machte, lieferte der Maler ErnstFuchs 1966 in seiner Veröffentlichung Architectura Caelestis:Die Bilder des verschollenen Stils. Salzburg: Residenz Verlag,1966.

Das Goetheanum wurde jüngst unter den 80 erlesensten»Highlights« der Weltarchitektur aller Zeiten präsentiert. KlausReichold; Bernhard Graf: Bauwerke, die die Welt bewegten. Mün-chen; London; New York: Prestel, 1999.

39 Dennis Sharp: A Visual History of Twentieth- CenturyArchitecture. London: Heinemann Ltd., Secker & Warburg, 1972.Zitate auf S.46, S.91.

40 Wolfgang Pehnt: Die Architektur des Expressionismus.Stuttgart: Hatje, 1973. Zitate auf S.137, S.148. Die viel zitierteStelle S. 148 »eine der großartigsten architekturplastischen Er-findungen« wurde in der neuen Ausgabe von 1998 (S. 212) ge-ändert: vom Adjektiv »großartigsten« zu »eigenartigsten«.

41 Die amerikanischen Zeitschriften sind zitiert in: Rex Raab;Arne Klingborg; Ake Fant: Sprechender Beton: Wie RudolfSteiner den Stahlbeton verwendete. Dornach: Philosophisch-An-throposophischer Verlag, 1972. S.16. Weitere Rezeptionsbeispieleaus Architekturzeitschriften ebenda S. 11-22.

42 Peter Ferger; Mike Schuyt; Jost Elffers (Hrsg.): RudolfSteiner und seine Architektur. Köln: DuMont, 1980.

Eine weitere Monographie erschien von Wolfgang Pehnt:Rudolf Steiner: Goetheanum, Dornach. Berlin: Ernst, 1991.

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43 Beispiele für anthroposophische Fachliteratur, deren Ver-ständnis anthroposophische Grundkenntnisse voraussetzt: Danielvan Bemmelen: Das erste Goetheanum als Menschheitsbau. (Stu-dienmaterial der Freien Hochschule für Geisteswissenschaftenam Goetheanum), Dornach: Philosophisch-anthroposophischerVerlag, 1975.

Rudolf Grosse: Die Weihnachtstagung als Zeitenwende.Dornach: Philosophisch-Anthroposophischer Verlag, 1981.

Armin J. Husemann: Das Wort baut: Goetheanumformenals sichtbare Sprache. Stuttgart: Freies Geistesleben, 1988.

44 Dieter Koepplin: Beuys aktualisiert Steiner. In: RudolfSteiner: Tafelzeichnungen- Entwürfe - Architektur. Hrsg. vonMartin Hentschel. Ostfildern: Edition Tertium, 1994. S.98.

Ein eigenes Rudolf Steiner Kapitel findet sich in der BeuysBiographie von Heiner Stachelhaus: Joseph Beuys: Jeder Menschist ein Künstler. München: Heyne, 1993.

In »einem Interview sagte er [Beuys], sich selbst paraphra-sierend: ›Jeder Mensch ist Anthroposoph‹.« Zitiert aus: VolkerHarlan: Universelle Kreativität. Joseph-Beuys-Symposion inBudapest. Wochenschrift Das Goetheanum, Nr. 50, 10.12.2000.

45 Vergleiche das eingangs zitierte Motto (nachstehend aus-führlicher zitiert): »Fakten aus bisher mehr als siebzig Produk-tionsjahren wurden in der allgemeinen Kunstgeschichtsschrei-bung schlichtweg ignoriert. Keine nennenswerte Notiz gibt es inder Malereigeschichte [resp. Designgeschichte, R.J.F.] des 20.Jahrhunderts über den Anteil ›der Anthroposophen‹. [...] Ichmöchte zwei Generationen von Kunsthistorikern nicht unterstel-len, sie seien ›blind‹ gegenüber der umfangreichen Bilderweltdieser Weltanschauungsbewegung gewesen. Aber sie haben siein ihren Publikationen eindeutig verschwiegen, vielleicht auchverschweigen müssen. Die Arbeit des Kunsthistorikers bestehtnämlich zweifellos darin, Rezipienten zur Konsumption artifi-zieller Produkte zu erziehen [Anm.: Peter Joerissen 1979: Kunst-erziehung und Kunstwissenschaft im Wilhelminischen Deutsch-land 1871-1918.]. Und wie kaum in einem anderen Wirtschafts-sektor hängt hier der Markt davon ab, welchen Wert finanzstar-ke Minoritäten jeweiligen Werken und ihrem Kontext zukom-men lassen. Daran muß sich der Kunstvermittler weitgehendhalten, solange er im pekuniären Abhängigkeitsverhältnis stehtund gezielte Geschmacksbildung im zu interessierenden Publi-

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kum zu leisten hat. Arbeiten aus dem Umfeld der Anthroposo-phie sollten offenbar nicht aufbereitet werden – anders kann dieseeinmalige Verdrängungsleistung in der Kunstgeschichte des 20.Jahrhunderts nicht plausibel sein.« Andreas Mäckler: Lichtoffe-ne Farbigkeit: Grundlinien der anthroposophisch-orientiertenLasurmalerei. Voraussetzung und Erscheinungsform. Schaffhau-sen: Novalis, 1992. Diese Arbeit wurde 1989 als Dissertationangenommen von Wolfgang Kemp an der Universität Marburgunter dem Titel: Die Farbentheorie und Malpraxis der Anthro-posophie – Voraussetzungen und Erscheinungsformen.

Es hat sich keineswegs nur um das »Schweigen« derKunsthistoriker gehandelt hat, sondern auch um das Schweigender Anthroposophen: Schon Steiner hatte sich explizit dem kom-merziellen Kunstbetrieb und einer »Kunst für Ausstellungen«verweigert (Siehe Anmerkung 57), – eine Haltung, an der mansich im Kreis der Künstler um Steiner orientierte.

46 Rudolf Steiner: Wandtafelzeichnungen zum Vortragswerk.Ca. 1000 farbige und schwarzweiße Abbildungen in 28 Bänden.GA K 58, 1-28. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, div. Erschei-nungsjahre.

Benedikt Marzahn (Hrsg.): Rudolf Steiner, Signaturen desGeistigen. Auswahl von 24 Wandtafelzeichnungen mit Wortlau-ten Rudolf Steiners. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1994. WalterKugler: Rudolf Steiner. Wenn die Erde Mond wird. Wandtafel-zeichnungen. Köln: DuMont, 1992.

Dieter Koepplin und Günter Metken in: Martin Hentschel(Hrsg.): Rudolf Steiner: Tafelzeichnungen- Entwürfe - Architek-tur. Katalog zur Ausstellung im Württembergischen Kunstver-ein Stuttgart. Ostfildern: Edition Tertium, 1994. MichaelBockemühl; Walter Kugler: DenkZeichen und SprachGebärde:Tafelzeichnungen Rudolf Steiners. Stuttgart: Urachhaus, 1993.

Konstantin Adamopoulos: Das andere Auge der Götter. Kol-loquium zu den Wandtafelzeichnungen von Rudolf Steiner. Vonder klassischen Moderne in der Gegenwart. Köln: König, 1997.

Walter Kugler (Hrsg.): Rudolf Steiner: Wandtafelzeichnun-gen 1919-1924. Katalogbuch anlässlich der Ausstellung: RudolfSteiner - Andrej Belyj - Joseph Beuys - Emma Kunz. Richtkräftefür das 21. Jahrhundert. Kunsthaus Zürich (21.5.-1.8.1999).Köln: DuMont, 1999.

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47 Schirn Kunsthalle und Veit Loers (Hrsg.): Okkultismusund Avantgarde: Von Munch bis Mondrian 1900-1915. Ostfildern:Edition Tertium, 1995.

48 Saul Bellow: Der Welt in die Augen sehen. Interview mitSaul Bellow von J.M. Hudtwalcker und P.N. Waage. In: KasparHauser - Europäische Halbjahresschrift. Band 8. 10/1985. » Ichhoffte, daß dies mithelfen könnte, in der allgemeinen Kultur-welt ein gewisses Interesse für Steiners Gedanken und Problem-stellungen zu wecken. Es ist ja praktisch nie der Fall, daß mo-derne Denker und Intellektuelle ihn erwähnen oder sich gar aufihn beziehen - trotz seines gigantischen Lebenswerkes und sei-ner tiefen Einsichten.« Der Titel der steinerschen Vortragsreihelautet: »The Boundaries of Natural Science«.

49 Jorge Luis Borges: Einhorn, Sphinx und Salamander. Wer-ke in 20 Bänden. Band 8. Frankfurt a. M.: Fischer, 1993. S. 189.

50 Nach Steiner kann sich Geistiges, als höhere Erlebnis-oder Offenbarungsebene über dem Gedanklichen, sowohl in Formvon Ideen, als auch in Form von Kunst auf je eigene Art, dochauf quasi gleichwertiger Ebene ausdrücken. Allegorischer odersymbolischer Ausdruck von Ideen innerhalb einer Kunst zweiterOrdnung unterhalb der ideellen Ebene (wie bei Platon) wurdevon Steiner abgelehnt. In Bezug auf das Goetheanum heißt esbei Steiner: »Da mußte dasjenige, was Anthroposophie sonst inIdeen hervorbrachte, in künstlerischen Formen hervorbringen.Es war dasselbe nur in anderer Weise geoffenbart. [...] So ist dasGoetheanum als Architektur, wenn ich mich des harten Ausdrucksbedienen darf, ganz ideenlos entstanden, bloß indem die For-men gefühlt worden sind, aber aus dem Geiste heraus gefühltworden sind. Und so sollte man das Goetheanum auch anschau-en, nicht erklären. [...] das Goetheanum ist zum Anschauen da,nicht zum erklären.«

Rudolf Steiner: Das Künstlerische in seiner Weltmission.Vortrag vom 18.5.1923 Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1961.S. 115-116.

Dennoch sieht Steiner auch den ikonografischen Aspekt desVerstehens: »Wenn etwa gesagt würde: Aber man muß doch diegeisteswissenschaftlichen Gedanken kennen, wenn man verste-hen will, was man da sieht – ja, das hat aber die Kunst des Dorn-acher Baues mit jeder anderen Kunst gemein. Nehmen wir die

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Sixtinische Madonna, nehmen wir das wunderbare Mutterbildmit dem Jesuskinde: Ich denke, wenn ein Mensch, der niemalsetwas vom Christentum gehört hat, vor die Sixtinische Madon-na sich hinstellt, dann muß man ihm auch erklären, was das ist,dann wird er auch aus seinen Empfindungen heraus, die Sachenicht unmittelbar verstehen können. So ist es selbstverständlich,daß man in der ganzen Strömung der Geisteswissenschaft lebenmuß, wenn man ihre Kunst verstehen will, wie man im Chris-tentum drinnen stehen muß, wenn man zum Beispiel dieSixtinische Madonna verstehen will.« S. 208.

Rudolf Steiner: Die Aufgabe der Geisteswissenschaft undderen Bau in Dornach. In: Philosophie und Anthroposophie. Ge-sammelte Aufsätze 1904-1918. Dornach: Rudolf Steiner Verlag,1965.

51 »Die Schwester meiner Mutter war auf tragische Art ge-storben. Der Ort, an dem sie lebte, war ziemlich weit von demunsrigen entfernt. Meine Eltern hatten keine Nachricht. Ich sah,sitzend im Wartesaal des Bahnhofs im Bilde das ganze Ereignis.Ich machte einige Andeutungen in Gegenwart meines Vaters undmeiner Mutter. Sie sagten nur ›Du bist a dummer Bua‹. In eini-gen Tagen sah ich, wie mein Vater nachdenklich wurde durcheinen erhaltenen Brief, wie er dann, ohne mein Beisein nacheinigen Tagen mit meiner Mutter sprach und diese dann tagelangweinte.» Vgl. Lindenberg (1997), S. 30-31

52 Vgl. Lindenberg, (1997): S 50-52.

53 Detlef Hardorp: Was will Waldorfpädagogik? Inwww.waldorfnet.de, Juli 2000.

Vgl: R. Steiner: Geisteswissenschaftliche Impulse zur Ent-wicklung der Physik. Vortrag vom 12.03.1920 (GA 321).

54 Arthur Zajonc: Die gemeinsame Geschichte von Licht undBewußtsein. Originalausgabe: Catching the Light: The EntwinedHistory of Light and Mind. New York: Bantam, 1993. Hamburg:Rowohlt, 1997. S. 256.

55 In der Dissertation von Wolfgang Zumdick findet sichein ausführlicher Literaturüberblick. Das angeführte Zitat stammtaus: Wolfgang Zumdick: Auf schwarzem Grund. Notizen zuRudolf Steiners Projekt einer ‘künstlerischen Wissenschaft’. In:

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Walter Kugler (Hrsg.): Rudolf Steiner: Wandtafelzeichnungen1919-1924. Köln: DuMont, 1999. S. 42. Das vorangestellteSteiner-Zitat: Rudolf Steiner: Architektur, Plastik und Malereides ersten Goetheanum. Vortrag vom 25.1.1920. Dornach: RudolfSteiner Verlag, 1982. Einzelausgabe. S. 46.

Wolfgang Zumdick: Über das Denken bei Joseph Beuysund Rudolf Steiner. Basel: Wiese, 1995. Dissertation RWTHAachen.

Christa Lichtenstern untersucht die Verbindung von Beuyszur Anthroposophie am Beispiel der Metamorphosenlehre.Christa Lichtenstern: Die Wirkungsgeschichte der Metamorpho-senlehre Goethes. Von Philipp Otto Runge bis Joseph Beuys.Weinheim: 1990.

Die Dissertation von Christa Weber untersucht Hinweiseauf Steiner bei Beuys für die Bereiche Soziale Dreigliederungund Erkenntnistheorie. Christa Weber: Vom ‹Erweiterten Kunst-begriff› zum ‹Erweiterten Pädagogikbegriff›. Frankfurt a. M.:1991. In einer weiteren Schrift von ihr werden Steiners Ansätzevor dem Hintergrund des erörterten wissenschaftstheoretischenParadigmenwechsels gewürdigt. Hier liegt eine empfehlenswer-te, knapp gehaltene Einführung in das steinersche Denken (samtbiografischer Chronologie) vor: Christa Weber: Systemtheoreti-sche Ansätze in der Geisteswissenschaft. Mit besonderer Berück-sichtigung von Johann Wolfgang v. Goethe und Rudolf Steiner.Frankfurt a. M.: Verlag für Interkulturelle Kommunikation, 1993.

Über Entwicklung und Methodik der imaginativen Erkennt-nis bei Steiner siehe Martina Maria Sam: Bildspuren der Imagi-nation. Rudolf Steiners Tafelzeichnungen als Denkbilder. Moti-ve der Konzeption – Prämissen der Rezeption. Dornach: RudolfSteiner Verlag, 2000.

56 Aus einem Brief an Walter Gropius vom 3.1.1927. Dasnachfolgende Zitat: Brief vom 16.2.1927. In Hannes Meyer. Bau-en und Gesellschaft. Hrsg.: Léna Meyer-Bergner. Dresden, 1980.S. 42/44. Zitiert nach Magdalena Droste: Bauhaus. Köln: Ta-schen, 1991. S. 166. Zeitweise scheint Meyer der Anthroposo-phie nahe gestanden zu haben. In einem Artikel von David Adamsim Journal of the Society of Architectural Historians (51, 2,June 1992). S. 203, heißt es: »Even the severely rationalisticHannes Meyer, a later director of the Bauhaus, had been an an-throposophist from 1909 to 1912 in Berlin.«

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57 Rudolf Steiner selbst hat im Zusammenhang mit seinenauf religiöse Inhalte bezogenen Ausführungen wiederholt dar-auf hingewiesen, »daß diese Bewegung nicht da sein kann, umirgendeinen neuen Glauben oder gar eine neue Sekte oder der-gleichen zu stiften. Die Zeiten, in welchen innerhalb der Mensch-heitsentwicklung geradezu neue Glaubensbekenntnisse oder neueSpezialreligionen begründet werden konnten, sind vorüber, unddie Zukunft der religiösen Entwicklung liegt in der Ausgestal-tung der bestehenden Religionen zu einer großen, einheitlichenReligion der Menschheit. Die Bewegung für Geist-Erkenntniswill nicht den Menschen eine neue Religion predigen. Sie willlediglich ein Instrument sein, um die tiefen religiösen Wahrhei-ten, die in den Religionsurkunden enthalten sind, zu begreifen,zu verstehen.« Rudolf Steiner: Ursprungsimpulse der Geistes-wissenschaft. Vortrag vom 25.3.1907. Dornach: Rudolf SteinerVerlag, 1974. S. 250.

58 Zitiert nach Christian Borngräber: Stil Novo: Design inden 50er Jahren, Phantasie und Phantastik. Frankfurt: VerlagDieter Fricke, 1979. S. 32. Aus einem Interview mit dem Archi-tekten Carlo Mollino. Domus 1950 (245), S.20-21. Übersetzungaus dem Italienischen von Toni Stoos.

59 Für die Kunsthistoriker könnte Analoges konstatiert wer-den. Hans Belting erörterte »die Zeit der Monologe«, die Kon-sensschwierigkeiten unter Kunsthistorikern mit ihrem je verschie-denen, »individuellen Verständnis« allgemeiner Begriffe. Ver-gleiche das erste Kapitel in: Hans Belting: Das Ende der Kunst-geschichte: Eine Revision nach zehn Jahren. München: Beck,1995.

60 Die anthroposophischen Pionierleistungen auf dem Ge-biet der Kunsttherapie sind erstaunlich. Schon seit 1908 bis zumAusbruch des ersten Weltkriegs beinhaltete die sogenannte Farb-kammertherapie im Münchner Klinikum des anthroposophischenNervenarztes Felix Peipers intermediale kunsttherapeutische Be-handlungen. In der Veröffentlichung von Rudolf Steiner zusam-men mit der Ärztin Ita Wegmann: Grundlegendes für eine Er-weiterung der Heilkunst nach Geisteswissenschaftlichen Erkennt-nissen (1925) gibt es ein Kapitel über Heileurythmie. In den Jah-ren von 1930 bis 1935 erschienen in der Zeitschrift Natura aus-führliche Aufsätze der anthroposophischen Ärztin Margarethe

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Hauschka »Zur künstlerischen Therapie« – darunter der Titel»Die Elemente der künstlerischen Therapie«. Der ersten kunst-therapeutischen Ausbildungsstätten waren anthroposophische In-itiativen.

61 Zur Ausstellung formulierte Steiner in einem Vortrag: »In-dem das Malen den Übergang gefunden hat vom Malen für dieKirche, für das Haus zum Bilde, schon da, möchte ich sagen,verliert es den richtigen Sinn. [...] Nicht wahr, eine Zeit, dieüberhaupt in Ausstellungen etwas sieht, etwas Mögliches sieht,hat eben den Zusammenhang mit der Kunst verloren. Und Siesehen einfach an dem, was alles an geistiger Kultur zu gesche-hen hat, um wiederum den Weg zum Geistig-Künstlerischen zu-rückzufinden. Die Ausstellung zum Beispiel ist durchaus zu über-winden.« Rudolf Steiner: Das Künstlerische in seiner Weltmis-sion. Vortrag vom 9.6.1923 Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1961.S. 107.

62 »In den ärmsten Volksschulen«: Rudolf Steiner: Anwei-sungen für eine esoterische Schulung. Vortrag vom 16.1.1908.Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1979. S.116-117. »jeder Löf-fel«: »[...] eine soziale Bedeutung wird es für die Menschen ha-ben, wenn das, was sie im Leben unmittelbar umgibt, in künstle-rischer Formung vor die Menschenseele tritt, wenn jeder Löffel,wenn jedes Glas nicht eine Form hat, die zufällig ist für denDienst, für den es gewidmet ist, sondern wenn die Form wohlangepaßt ist diesem Dienst, wenn man der Form unmittelbaranschaut und es auch als schön empfindet, wie die Sache imLeben drinnensteht.«, in: Rudolf Steiner: Soziale Zukunft. Vor-trag vom 28.10.1919. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1977.S.130-131.

Ansonsten wird Max Bill mit dem Ausspruch zitiert: Ge-staltung habe »vom Löffel bis zur Stadt« zu gehen. Vgl. ein In-terview mit Max Bill in Herbert Lindinger (Hrg.): Hochschulefür Gestaltung Ulm: Die Moral der Gegenstände. Berlin: W.Ernst & Sohn Verlag, 1987.

63 Rudolf Steiner zitiert nach Hedwig Hauck: Handarbeitund Kunstgewerbe: Angaben von Rudolf Steiner. (Auflage 1993mit dem Titel: Kunst und Handarbeit) Stuttgart: Freies Geistes-leben, 1977. S. 85.

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64 Ebenda S. 222

65 Vgl. auch: »Siegfried Pütz – Vom sozialen Wirken derKunst« in Manfred Krüger: Ästhetik der Freiheit: Gedanken-schau und Kunst-Gedanken. Dornach: Philosophisch-Anthropo-sophischer Verlag, 1992. Siehe ferner Leo de la Houssaye: Sozi-al-Kunst und ihre Quellen. (Anregungen zur anthroposophischenArbeit, 12) Stuttgart: Freies Geistesleben, 1893.

66 »Wenn die Welt wiederum spirituelles Leben erzeugenwird, dann wird alles möglich sein. Dann werden wir es erleben,daß von allem, was uns anschaut, die menschliche Seele unsentgegenleuchtet, so wie in einer mittelalterlichen Stadt in je-dem Türschloß, in jedem Schlüssel der Geist sich aussprach.«

Rudolf Steiner: Das Hereinwirken geistiger Wesenheiten inden Menschen. Vortrag vom 1.6.1908. Dornach: Rudolf SteinerVerlag, 1984. S. 212.

67 In einem Vortrag konstatierte Steiner, dass gegenüber frü-heren Kunstepochen eine Entfremdung zwischen dem, was die»Kunstwelt« beschäftigt und dem, was die übrige Gesellschaftbewegt, eingetreten sei: »Und so ist es dann gekommen, daßjenes nicht nur kühle, sondern kalte Verhältnis der Menschheitzur Kunst eingetreten ist, das gegenwärtig besteht. Man denkesich heute einen Menschen in einer modernen Stadt, der durcheine Bildergalerie oder Bilderausstellung geht. Ja, meine liebenFreunde, da schaut nicht auf ihn dasjenige, was seine Seele be-wegt, womit er innerlich vertraut ist, sondern da schaut etwasihm entgegen, was, radikal ausgedrückt, in einem gewissen Sin-ne für ihn zu einer Summe von Rätseln wird, die er erst lösenkann, wenn er sich einigermaßen vertieft in das besondere Ver-hältnis, das dieser oder jener Künstler zur Natur oder zu irgendetwas anderem hat. Da stehen wir vor lauter individuellen Rät-seln oder Aufgaben. Und während man glaubt – das ist das Be-deutsame an der Sache –, während man glaubt, künstlerischeRätsel zu lösen, löst man eigentlich im höchsten Maße fortwäh-rend unkünstlerische Aufgaben, nämlich psychologische Aufga-ben der Art, wie der oder jener Künstler heute die Natur an-schaut, oder Aufgaben der Weltanschauung, oder dergleichenAufgaben, die aber gar nicht in Betracht kommen, wenn mansich in die großen Kunstepochen vertieft.«

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Zur Anteilnahme der Florentiner an der Aufstellung desDavid vergleiche die Schilderungen bei Hermann Grimm: Le-ben Michelangelos. Wien; Leipzig: Phaidon, o.J. S. 187. »SeineAufstellung war ein Naturereignis, nach dem das Volk zu rech-nen pflegte. Man findet: so uns so viele Jahre nach der Aufstel-lung des Giganten. Das wird angeführt in Aufzeichnungen, indenen sonst keine Zeile für die Kunst übrig war.« Ein heutigerKunstszene-Witz, den mir der Künstler Thom Barth erzählte,kontrastiert trefflich das von Steiner geschilderte »Erkalten« derGesellschaft gegenüber den zeitgenössischen Kunst-Produktio-nen. »Frage: Was ist der Unterschied zwischen Michael Jacksonund zeitgenössischer Kunst? Antwort: Bei Michael Jackson ste-hen fünfzig Leute auf der Bühne und zehntausend schauen zu.Bei der Kunst stehen zehntausend auf der Bühne und fünfzigschauen zu.«

68 Rudolf Steiner: Geistige und soziale Wandlungen in derMenschheitsentwicklung. Vortrag vom 6.2.1920. GA 196. Dorn-ach: Rudolf Steiner Verlag, 1966. S. 165-166.

69 Vgl. Rudolf Steiner: Der Tod als Lebenswandlung. Vor-trag vom 9.10.1918. »Was tut der Engel in unserem Astralleib?«Rudolf Steiner Verlag, 1976.

70 Alan Gowans: Spiritual Functionalism in ShakerFurniture. In: Edward D. Andrews: Religion in Wood: a Book ofShaker Furniture. Bloomington; London: Indiana UniversityPress, 1966. S. 17.

71 Eine Auflistung der rund dreißig Erfindungen und Ver-besserungen, die den Shakern zugeschrieben werden, finden sichaufgelistet bei Karl Mang; Wendt Fischer: Die Shaker: Lebenund Produktion einer Commune in der Pionierzeit Amerikas.(Ausstellungskatalog der Neuen Sammlung München) München:Die Neue Sammlung, 1974.

72 Thomas Merton in der Einleitung zu: Edward D. Andrews:Religion in Wood: a Book of Shaker Furniture. Bloomington;London: Indiana University Press, 1966. S. xiii.

Was am Beispiel Kandinskys »Innerer Stimme«, welche diekünstlerische Gestaltung geradezu diktieren könne, von FelixThürlemann als transzendenter innerer Destinateur bezeichnet

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wurde, erhält bei den Shakern und noch konkreter bei Steinertatsächlich eine transzendentale personale Existenz (und somitauch einen anthropologisch zu betrachtenden Aspekt).

Felix Thürlemann: Kandinsky über Kandinsky: der Künst-ler als Interpret eigener Werke. (Schriftenreihe der Stiftung vonSchnyder von Wartensee; 54) Bern: Benteli, 1986. S. 158 ff.

73 Vgl. Rudolf Kutzli: Langobardische Kunst: Die Spracheder Flechtbänder. Stuttgart: Urachhaus, 1986. S. 117-119.

Diether Rudloff: Unvollendete Schöpfung: Künstler imzwanzigsten Jahrhundert. Stuttgart: Urachhaus, 1982. S. 141:»Kunst im Michael-Zeitalter«.

Ewald Koepke: Bewußtsein und Kunstentwicklung: Von derEiszeit bis zur Gegenwart. Schaffhausen: Novalis, 1997. S. 159ff.

74 »[...] Castle was definetly the first artist-craftsman to useit [stack lamination ...] in furniture construction.« JosephGiovannini (u.a.): Furniture by Wendell Castle. Detroit Instituteof Arts (Hrsg.), New York: Hudson Hills Press, 1989. S. 26.

Eine Zusammenstellung von Zitaten aus Vorträgen in de-nen Steiner auf die Entwicklung der Pflanzenfarben hinweist,siehe: Günter Meier: Pflanzenfarben: Forschung, Herstellung,Anwendung. Dornach: Verlag am Goetheanum, 1994.

75 Vgl. Günter Meier: Pflanzenfarben: Forschung, Herstel-lung, Anwendung. Dornach, Verlag am Goetheanum, 1994.

76 Rainer Wick: Zwischen Kunst und Design: Neue Formender Ästhetik. Zeitschrift: Kunstforum International, Band 66, 10/83, Okt.

Vgl. auch die Kunstforum Bände Nr. 82 und Nr. 99.Sowie: Wolfgang Pöhlmann und Peter Straßl: Möbel als

Kunstobjekt. (Katalog, hrsg. vom Kulturreferat der Landeshaupt-stadt München) München: Wolf, 1987

Kirk Varnedoe; Adam Gopnik: High & Low: Moderne Kunstund Trivialkultur. (Originaltitel: High and Low: Modern Art andPopular Culture.) München: Prestel, 1990.

77 »The senior figure of the movement was Wharton Esherick(1887-1970). His home and studio at Paoli, Pennsylvania, builtby hand in the 1930s, is generally regarded as the mecca of thewood-craftsman movement in America today. His unconventional,

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freeform, sculptural furniture has been a source of inspiration toat least two generations of younger craftsmen.«

Elisabeth B. Bates; Jonathan L. Fairbanks: AmericanFurniture: 1620 to the Present. New York: R. Marek, 1981, S.496.

Künstlerportraits dieser Bewegung darunter Esherick undCastle unter dem Gesichtspunkt des Studio Woodworking sieheMichael Stone: Contemporary American Woodworkers. Layton:Gibbs M. Smith, 1986.

78 »He [Esherick] was familiar with the writings of anthro-posophist Rudolph Steiner of Dornach, Switzerland, whose bookWays to a New Style in Architecture may have had an impactupon Esherick’s designs. Steiner wrote that the interiors ofbuildings should reveal „a continuous relief sculpture . . . oneplastic form.“ Esherick’s interiors most certainly do present aharmonious sculptural plasticity.« Elisabeth B. Bates; JonathanL. Fairbanks: American Furniture: 1620 to the Present. NewYork: R. Marek, 1981, S. 514.

79 Adams Studie über Early Anthroposophical Design inNorth America konzentriert sich auf den amerikanische Archi-tekten und Designer Fritz Westhoff, der am deutlichsten undvielleicht früher als Esherick Steiners Impulse berücksichtigte.Bezüglich Esherick und Steiner heißt es: »Expressionist stagesets seen while designing scenery for the Hedgerow Theater inMoylan, Pennsylvania, during the 1920s; and oddly enough, thearchitectural ideas of Rudolf Steiner. Esherick owned a copy ofSteiners Ways to a New Style in Architecture. One should alsoadd that Esherick had just returned from a trip to Germany andScandinavia in 1931, when he began exploring Expressionist-like designs. However, a case can be made for connecting hiswork of this period to that of Westhoff, other than the sharedinterest in Steiner. Esherick was probably made aware ofSteiners’s ideas while attending the summer singing camps ofThe Ruth Doing School of Rhythmics, held on Lake Chateaugayin the northern Adirondack Mountains. Personal friends of RuthDoing, the Esherick family came to the camp every summerduring the 1920s and into the 1930s. There Esherick must havemet several members of the Threefold Commenwealth Group[Rudolf Steiners soziale »Dreigliederungsbewegung«, R.J.F.] whoalso came to the camp, especially Louise Bybee, a pianist who

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regularly read lectures by Steiner to members of the camp whocared to listen. In 1923 Esherick built a large table for the campand participated with some of the Threefold students in carvingdesigns on its borders expressing specific musical experiences.«

Paper read by David Adams to Design Forum session atCollege Art Association Annual Meeting, New York City,February 14, 1990. Early Anthroposophical Design in NorthAmerica: The Architecture and Furniture of Fritz Westhoff (1902-1980). Zitiert nach dem unveröffentlichten Manuskript.

80 In der Wochenschrift die ZEIT (Nr. 44, 26.10.2000) wirddie Abbildung einer Seifenverpackung der Firma Weleda, derenDesign eine Grafik von Steiner integriert, wie folgt kommen-tiert. »Diese ganzen Rudolf-Steiner-Dinge, die immer wieder auf-tauchen überall auf der Welt. Interessant eigentlich, dass der auchKosmetik gemacht hat, oder? Toller Architekt! Sehr durchge-knallt, was der sich alles ausgedacht hat. Diese ganze Anthropo-sophie war eine frühe Form von Futurismus. Ein Höhepunkt un-ter den vielen Visionen von einer neuen Welt. Heute nicht mehrvorstellbar, dass da jemand kommt und ein Gesamtkonzept ent-wirft. Philosophie, Erziehung, Ernährung, Medizin, Kosmetik,Architektur, Design, Schriften – eigentlich war das alles für dieArbeiter, und was ist übrig geblieben?«. William Gibson: Hui!.Wochenschrift: Die ZEIT, Nr. 44, 26.10.2000, Leben.

In einem Bericht des Magazins Focus über Designtrendsder Mailänder Möbelmesse 1999 heißt es, die Objekte der »Mö-belmode 2000 „könnten problemlos jede Waldorfschule schmü-cken“, konstatiert auch der deutsche Designprofessor WolfgangLaubersheimer. Unter weitgehendem Verzicht auf rechte Win-kel schwelgen Sofas und Sessel in lustvollen Kurven, nach allenSeiten abgerundete Kommoden und Beistelltische haben ihrenüchterne Strenge verloren – der 1925 verstorbene Anthropo-soph Rudolf Steiner wäre wahrscheinlich entzückt, wenn er se-hen könnte, wie die Gestalter zum Ende des Jahrhunderts dochwieder seinem Design-Diktat von der Harmonie der Linien ge-horchten.« Werner H. Dagefor: Sanfter Sitzen. Bilanz der Mai-länder Möbelmesse. Magazin Focus, 28.06.99.

In der FAZ vom 12.10.00 wird quasi das eckige Gegenteilbehauptet: »Als „Anthroposophischen Expressionismus“ bezeich-net man diesen Baustil, eine Corporate Identity, die sich vomSchriftschnitt bis zur Fenstergestaltung hauptsächlich dadurchauszeichnet, daß es überall „abbe Ecken“ gibt, wie ein Frankfur-

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ter sagen würde.« Wie ignorant auch immer der Artikel den üb-lichen Klischee-Cocktail (Sekte, Müsli) über Steiner und die An-throposophen ausgießt, muss man dem Schreiber dennoch zweioriginelle Beiträge zu den Goetheanum-Negativassoziationenzubilligen: »mutierter Betonkäfer« und »petrifiziertes Stadtfahr-zeug«. Oliver M. Schmitt: Frankfurter Allgemeine Zeitung,12.10.2000, S.R4.

Vage Kenntnis »anthroposophischen Designs« wird allemjournalistischen Anschein nach, als zur zeitgenössischen Allge-meinbildung gehörig vorausgesetzt. Da dennoch (eigenartiger-weise) keine wissenschaftliche Literaturbasis zum Thema vor-liegt, können mitunter selbst in renommierten Zeitschriften his-torische Fakten zu horrendem Nonsens mutieren.

81 Siehe Pieter van der Ree: Organische Architektur: DerBauimpuls Rudolf Steiners und die organische Architektur im20. Jahrhundert. Stuttgart: Freies Geistesleben, 2001. S. 109, S.111. »Thonet«: Wulf Schneider: Sinn und Un-Sinn: Umwelt sinn-lich erlebbar gestalten in Architektur und Design. Wiesbaden;Berlin: Bauverlag, 1987. S. 37.

82 »Wie sich die Philosophie als Kunst zur Freiheit des Men-schen verhält, was die letztere ist, und ob wir ihrer teilhaftigsind oder es werden können: das ist die Hauptfrage meinerSchrift.«

Rudolf Steiner: Die Philosophie der Freiheit: Grundzügeeiner modernen Weltanschauung - Seelische Beobachtungsre-sultate nach naturwissenschaftlicher Methode. Dornach: RudolfSteiner Verlag, 1987. S. 269-270.

83 Vgl. das Steiner-Kapitel in: Harald Szeemann: Der Hangzum Gesamtkunstwerk: Europäische Utopien seit 1800. Aarau;Frankfurt a. M.: Sauerländer, 1983. S. 221.

84 Felix Kayser (Hg.): Architektonisches Gestalten. Stuttgart:Wedekind, 1933. Unter diesem übergreifenden Titel werden Ge-bäude und Möbel anthroposophischer Gestalter vorgestellt.

85 Peter Stansky: Redesigning the World: William Morris,the 1880s, and the Arts and Crafts. Princeton: PrincetonUniversity Press, 1985. Die Einleitung beginnt mit den Worten:»William Morris is so protean a figure [...]«

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86 Von Nikolaus Pevsner, Sigfried Giedion und Henry-RusselHitchcock erschienen zahlreiche Publikationen zur Geschichteder Kunst, der Architektur und des Design. Hervorgehoben sei-en die Standardwerke: Nikolaus Pevsner: Pioneers of ModernDesign. From William Morris to Walter Gropius. (Erstmals 1936erschienen unter dem Titel Pioneers of Modern Movement); dt.:Wegbereiter moderner Formgebung von Morris bis Gropius.Köln: DuMont, 1983.

Sigfried Giedion: Space, Time and Architecture. Cambridge,Mass., 1941; dt.: Raum, Zeit, Architektur: Die Entstehung einerneuen Tradition. Ravensburg: Otto Maier, 1965.

Henry-Russell Hitchcock; Philip Johnson: The Internatio-nal Style, Architecture since 1922. New York, 1923; dt.: Derinternationale Stil. Braunschweig: Vieweg, 1985. In ArchitectureNineteenth and Twentieth Century. (Edited by Nikolaus Pevsner)Baltimore: Penguin, 1967 (Reprint 1967 der 2. Aufl. 1963) fin-det sich der schon erwähnte Hinweis auf Steiner. Der Herausge-ber Pevsner müsste also mit der Existenz des Goetheanumbausbekannt gewesen sein.

87 Nikolaus Pevsner: Pioneers of Modern Design.Harmondsworth, 1960, zitiert nach Wolfgang Pehnt: Nachwortzu: Nikolaus Pevsner: Wegbereiter moderner Formgebung vonMorris bis Gropius. Köln: DuMont, 1983. Pehnt zeigt, dassPevsners einseitiges Eintreten für die Moderne bzw. dessen se-lektive Geschichtsschreibung, ihn selbst als Protagonisten derfunktionalistischen Moderne ausweist. Allerdings hätte Pevsner»selbstkritisch«, wie Pehnt zugesteht, eine »Gegendarstellung«mit herausgegeben, die freilich Steiner immer noch ausgeklam-mert ließ: Nikolaus Pevsner; J. M. Richards: The Anti-Rationalists. London: The Architectural Press, 1973.

88 William J. R. Curtis: Architektur im 20. Jahrhundert. (Mo-dern Architecture, Phaidon, 1987) Stuttgart, Deutsche Verlags-Anstalt, 1989. S. 236.

Noch ein weiteres Beispiel einer anderen Lesart sei ange-führt, worin Rudolf Steiner Erwähnung findet:

Tilo Schabert: Die Architektur der Welt: Eine kosmologi-sche Lektüre architektonischer Formen. München: Fink, 1997.S. 107-109: »Neuere Forschungen spüren mehr und mehr diemystischen, theosophischen, spiritualistischen Quellen auf, ausdenen maßgebliche Architekten und Städtebauer des 20. Jahr-

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hunderts geschöpft haben – Le Corbusier, F. L.Wright, WalterBurley Griffin, Patrick Geddes, Hannes Meyer, Walter Gropius.Le Corbusier hat in seiner Kindheit und Jugend die Kenntnisseempfangen, die ihn hinführten zur Kosmologie der Architektur.Über sein Elternhaus kam er mit dem Gnostizismus der Katha-rer in Berührung, und auf einer frühen Wanderschaft machte er1907 in der Kartause von Ema in der Toskana die Erfahrungeiner menschlichen Gemeinschaft in Harmonie mit der Welt.Doch zuvor schon, an der Handwerksschule in seiner Heimat-stadt, La Chaux-de-Fonds, war Le Corbusier dem Lehrer begeg-net, der ihn in prägender Weise einführte in die Erfahrungswelteiner kosmologisch inspirierten Existenz: Charles L’Eplattenier,seinem Zeichenlehrer. So las L’Eplattenier zum Beispiel mit sei-nem fünzehnjährigen Schüler das Werk, das Edouard Schuré,führender Theosoph, über Les grands initiés verfaßt hatte.[Schuré verbindet eine enge theosophische Zusammenarbeit mitRudolf Steiner; das Buch Les grands initiés wurde von SteinersMitarbeiterin und späterer Frau Marie von Sivers ins Deutscheübersetzt. R.J.F. ...]

Frank Lloyd Wright wählte sich zu seiner geistigen Orien-tierung ein Pantheon von Dichtern, Weisen und Religionsstif-tern aus, das scheinbar ganz eklektisch zusammengestellt war.Wird seine Auswahl jedoch mit der von Theosophen verglichen,stellt sich heraus, daß diese einander in auffälliger Weise ent-sprechen. [...]

Walter Burley Griffin gehörte der anthroposophischen Be-wegung Rudolf Steiners an, Patrick Geddes interessierte sich fürdie Lehre des hinduistischen Mystikers Sri Ramakrishna. [...]

Im Bauhaus fanden sich Künstler und Baumeister zusam-men, die im Schein der Modernität andere Wege als die der Mo-derne gingen. Johannes Itten und Wassily Kandinsky folgtenmystischen Orientierungen, Theo von Doesburg ließ sich anre-gen von der Theosophie, Lázló Moholy-Nagy arbeitete mit derGeometrie des Spiritualismus. Und Walter Gropius, der berühm-teste Repräsentant des Bauhauses, deutete sein Schaffen als kos-mische Architektur, ganz im Sinne des Spiritualismus, wie er1930, als Gropius sich diesbezüglich äußerte, auf dem MonteVerità in Ascona kultiviert wurde.«

89 Vgl. die aufgeführten Literaturbeispiele in der Dissertati-on von Andrea Schlieker über Die Theoretischen Grundlagender „Arts and Crafts“-Bewegung (Universität Bonn, 1986).

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Dort nicht erwähnt: Peter Fuller: The search for a postmo-dern aesthetic. In: John Thackara: Design after Modernism:Beyond the Object. London: Thames and Hudson, 1988. Darinwird auch die Pevsnersche Vereinnahmung von Charles RobertAshbee mit Verweis auf Alan Crawford’s Monografie C.R. Ashbeeabgelehnt.

90 Muthesius: »Unter den Schülern Norman Shaws istWilliam Lethaby unbedingt an erster Stelle zu nennen. [...]Lethaby hat vielleicht mehr als in der Architektur im Kunstge-werbe auf seine Zeit beeinflussend gewirkt und zwar in seinerEigenschaft als Direktor der 1897 gegründeten Central Schoolof Arts and Crafts in London, in welcher er zum ersten Male denWerkstättengedanken grundsätzlich und bis zur letzten Folge-rung verkörperte.« Zitiert nach Julius Posener: Anfänge des Funk-tionalismus: Von den Arts and Crafts zum Deutschen Werkbund.Berlin: Ullstein, 1964. S. 134 ff.

Godfrey Rubens: »The influence of Ruskin and WilliamMorris on the radical development of late nineteenth-centurydesign and architecture is now better understood and it hasbecome increasingly arguable that Lethaby’s work had equalsignificance.« Aus Rubens’ Einleitung zu: William R. Lethaby:Architecture, Mysticism and Myth. London: The ArchitecturalPress, 1974 (Erstausgabe 1891). S. V.

Peter Stansky hat die außerordentlich einflussreiche Rollevon Lethaby unterstrichen: »The most important figure in thegroup [The Art Workers Guild, Vorläufer der Arts and CraftsExhibition Society. R.J.F.] – certainly in terms of his ultimateinfluence – was W. R. Lethaby (1857-1931).« Peter Stansky:Redesigning the World: William Morris, the 1880s, and the Artsand Crafts. Princeton: Princeton University Press, 1985. S. 132.

Die Dissertation von Andrea Schlieker über Die Theoreti-schen Grundlagen der „Arts and Crafts“-Bewegung (Universi-tät Bonn, 1986) beschäftigt sich mit den »bedeutendsten Prota-gonisten der ‘Arts and Crafts’-Bewegung im 19.Jahrhundert,nämlich William Morris, William Richard Lethaby und CharlesRobert Ashbee«.

In Pevsners Standardwerk »The Pioneers ...« bleibt Lethabyvöllig unberücksichtigt. Kurz erwähnt wird Lethaby im Sinneder Linie »vom Handwerk zum Industrieentwurf« in: NikolausPevsner: Der Beginn der modernen Architektur und des Design.

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Köln: DuMont, 1971, S. 125. (Originalausgabe 1968 bei Thamesand Hudson in London erschienen).

91 Lethaby’s Buch wurde seinerzeit lebhaft diskutiert, nachweniger als einem Jahr vergriffen, erschien es in zweiter Aufla-ge. Es scheint, dass darin die erste »präpostmoderne« Architek-turtheorie vorgestellt wurde: »Architecture, Mysticism and Mythis Lethaby’s first book and it has a unique place in the history ofarchitectural theory for it advanced the then new idea thatpsychological and philosophical notions found symbolicexpression in architectural forms.« Zitiert aus der Einleitung vonGodfrey Rubens zu: William R. Lethaby: Architecture, Mysticismand Myth. London: The Architectural Press, 1974 (Erstausgabe1891). In dieser Publikation finden sich Ausführungen über dieTradition der sieben Planetensphären samt Abbildungen, die füreine Ikonografie des ersten Goetheanums erhellende Aspekte lie-fern. Interessant wäre zu wissen, ob Steiner möglicherweiseLethabys Buch kannte.

92 Jüngst erschien ein Katalog anlässlich einer Ausstelllungvon Arbeiten der anthroposophischen Künstlergruppe Runa, diemeiner Ansicht nach als Dornacher Dependance (eine von vie-len?) gelten dürften, da maßgebliche Mitarbeiter in Dornach ihrekünstlerisch-kunsthandwerkliche Ausbildung absolvierten.

Leonhard Tomczyk (Hrg.): RUNA: Eine Künstlerkolonie der50er Jahre. (Katalog zur Ausstellung vom 5.04. - 30.09.2001).Lohr: Spessartmuseum, 2001.

93 Alfred Hummel zitiert nach Hella Krause-Zimmer: Her-mann Ranzenberger: Ein Leben für den Goetheanum-Bauimpuls.Dornach: Verlag am Goetheanum, 1995. S. 101.

Die hölzernen Oberflächen des ersten Goetheanums warensämtlich von Hand mit Schlegel und Hohleisen überarbeitet bzw.plastisch gestaltet. Rudolf Steiner gab genaue Anleitung zur Be-arbeitungstechnik und zur seelischen Empfindung des Künst-lers während seiner Arbeit:

»Hier [es wird auf eine Form gedeutet] soll es so sein, daßman die Form innerlich erlebt, so daß man, indem man das Grab-eisen in gewisser Weise hält, lieben lernt die Fläche, die manhier ausführt, die man hier mit dem Schlegel entstehen läßt. Undich muß gestehen, ich kann nicht anders, als eine solche Flächeimmer etwas zu streicheln, wenn sie entstanden ist. Es handelt

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sich darum, daß man sie lieb gewinnen kann, so daß man in ihrlebt mit innerlicher Empfindung und nicht als etwas, was bloßmit dem Auge angeschaut werden soll.«

Rudolf Steiner: Wege zu einem neuen Baustil. GA 286, Vor-trag vom 7.6.1914. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1982. S.58.

94 Vgl. Witold Rybczynski: Wohnen. Über den Verlust derBehaglichkeit. München: Kindler, 1987. S. 229.

95 Lethaby: »Der Unterschied zwischen einem Gegenstand,der von einem Menschen gemacht wurde und einem, der kom-merziell hergestellt ist, ist so ähnlich wie der Unterschied zwi-schen einem Edelstein und einer Nachahmung. Auf den erstenBlick mag man den Unterschied nicht erkennen, aber wenn manihn einmal erkannt hat, fühlt [!] man den größeren Wert desEdelsteins ganz genau.« Zitiert nach Julius Posener: Anfängedes Funktionalismus: Von den Arts and Crafts zum DeutschenWerkbund. Berlin: Ullstein, 1964. S. 37.

Josef Frank (1923): »Die Arbeit des von der Maschine ausvielen Gebieten verdrängten Kunsthandwerks ist auf ein einzi-ges Gebiet beschränkt worden, in dem wir von ›Betrieb‹ nichtswissen wollen: die Wohnung, in deren Atmosphäre sich derMensch von der Unruhe der Geschäftigkeit in andersgearteterUmgebung zu erholen wünscht. Wir umgeben uns zu Hause mitErzeugnissen des Handwerks, weil wir erkannt haben, daß dieseviel beruhigender wirken als die der Maschine, indem sie unsdie Ruhe mitteilen, mit der die sorgsame Handwerkerhand sie inlangdauernder Arbeit hergestellt hat. In einem mit solchen Ge-genständen eingerichteten Raum fühlen wir uns wohler als zwi-schen Einrichtungsstücken, deren hastige und lieblose Herstel-lung eine ebenso flüchtige Betrachtung erfordert.«Josef Frank: Handwerks- und Maschinene rzeugnis. Die Abgren-zung beider Gebiete (1923). Zitiert aus: Eva B. Ottilinger: AdolfLoos: Wohnkonzepte und Möbelentwürfe. Salzburg; Wien: Resi-denz Verlag, 1994. S. 14-15.

96 Julius Posener: Anfänge des Funktionalismus: Von denArts and Crafts zum Deutschen Werkbund. Berlin: Ullstein, 1964.S. 14. »Kunstgewerbe ist keine genaue Übersetzung dieses Aus-drucks [Arts and Crafts]. Rein sprachlich gesehen mag das Wortangehen; was man aber in Deutschland unter dem Wort Kunst-

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gewerbe verstanden hat und noch versteht, hat kaum jemals denAnspruch erhoben, wichtigstes Agens in einer Reform des gan-zen Lebens zu sein: nicht nur eine bessere Umwelt herzustellen,sondern zu bewirken, dass das Leben selbst wieder wirklich wer-de. Das aber ist der Sinn der Arts-and-Crafts-Bewegung in Eng-land und das Verlangen, welches Männer wie Lethaby und Ashbeeimmer und immer wieder vortrugen: daß das Leben wieder wirk-lich werde.«

97 Eindrücklich formulierte der Russe Viktor Sklovskij inseiner Auferweckung des Wortes (1914): »wir gleichen einemGeiger, der den Bogen und die Saiten nicht mehr fühlt, im all-täglichen Leben sind wir nicht mehr Künstler, wir lieben unsereHäuser und Kleider nicht mehr und trennen uns leicht von ei-nem Leben, das wir nicht mehr empfinden. Nur das Schaffenneuer Formen in der Kunst kann dem Menschen das Erleben derWelt zurückgewinnen, die Dinge auferwecken und den Pessi-mismus töten.« In Sklovskijs Programmschrift Kunst als Ver-fahren (1916) heißt es: »So kommt das Leben abhanden undverwandelt sich in nichts. Die Automatisierung frißt die Dinge,die Kleidung, die Möbel, die Frau und den Schrecken des Kriegs.«Zitiert nach Franz Koppe: Grundbegriffe der Ästhetik. Frank-furt a. M.: Suhrkamp Verlag, 1983. S. 192.

Dass Modernisten und Futuristen die Maschine und denMaschinenstil als neue Lebnswirklichkeit anstrebten, die »Käl-te« modernen Designs erfrischend »cool« erlebten, ist von spe-zifisch künstlerischen Standpunkten (Minimalismus, Konzep-tualismus) her gesehen ebenso nachvollziehbar, wie von spezi-fisch psychischen Konfigurationen, die beide zusammenhängenmögen. Die komplexen psychologischen Gewinn-und-Verlust-Gefühle der in Rede stehenden Umbruchszeit besonders im Hin-blick auf den Vergleich von allgemeinem Lebensgefühl mit dem-jenigen der diversen Avantgardisten, können hier nicht nähererörtert werden.

98 Zitiert aus Magdalena Droste: Bauhaus. Köln: Taschen,1991. S. 18.

Vgl. dazu Wolfgang Pehnt: »Die in den Entstehungsjahrender Goetheanum-Bauten oft beschworene Gemeinde aller Bau-enden, im Kreise um die Berliner Revolutionsarchitekten oderim frühen Weimarer Bauhaus herbeigesehnt – auf dem Dorn-acher Hügel war sie ebenso Wirklichkeit geworden, wie die Ver-einigung der Künste ›unter den Flügeln einer neuen Baukunst

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... Dann gibt es keine Grenze zwischen Kunstgewerbe und Plas-tik und Malerei, alles ist eins: Bauen.‹ Der Ausspruch stammtnicht von Rudolf Steiner, sondern von Bruno Taut, dem BerlinerArchitekten, Utopisten und Organisator. Steiner erfüllte einenWunsch seiner Epoche, die Sehnsucht nach dem Gesamtkunst-werk.« Wolfgang Pehnt: Rudolf Steiner: Goetheanum, Dornach.Berlin: Ernst, 1991. S. 26.

99 Zitiert aus Magdalena Droste: Bauhaus. Köln: Taschen,1991. S. 136.

100 Zitiert nach Lionel Richard (Hrg.): Lexikon des Expres-sionismus. Köln: Nottbeck, 1978. S. 19.

Das aus dem Französischen übersetzte Lexikon führt imVerzeichnis auch Rudolf Steiner bzw. dessen Goetheanumbauten.

Paul Fechter in seinem 1914 erschienen Buch Der Expres-sionismus wies gleichfalls auf die religiösen wie sozialen Kom-ponenten der expressionistischen Strömung hin und apostrophier-te in diesem Zusammenhang Steiner: »Der soziale Wille der vor-hergehenden Generation scheint bereits unmittelbares Gemein-gut geworden zu sein [...] Es ist eben der gleiche Gesamtgeist,der alle diese so verschiedenen Bestrebungen speist, der die neuensublimierten religiösen Bestrebungen trägt, die trotz aller libe-ralen und monistischen Halbheiten mehr und mehr zutage tre-ten, der Wille, der hinter den geisteswissenschaftlichen Versu-chen Rudolf Steiners steht und diesem seltsamen Menschen eineimmer wachsende Gemeinde zuführt. Es ist mehr als Zufall, daßman in den Schriften dieses Propheten einer neuen GeistigkeitVisionen geschildert findet, die vor allen kubistischen, futuristi-schen und expressionistischen Bildern aufgezeichnet, wie vor-weggenommene Beschreibungen moderner Darstellungen wir-ken. Ich will ein Beispiel hersetzen in Steiners „Erkenntnis hö-herer Welten“, dessen dritte Auflage bereits 1909 vorlag, heißtes: „Der Hellseher ... kann für jeden Gedanken, für jedes Natur-gesetz eine Form nennen, in denen sie sich ausprägen. Ein Ra-chegedanke z.B. kleidet sich in eine pfeilartige, zackige Figur,ein wohlwollender Gedanke hat oft die Gestalt einer sich öff-nenden Blume usw. Bestimmte bedeutungsvolle Gedanken sindregelmäßig, symmetrisch gebildet, unklare Begriffe haben ge-kräuselte Umrisse.“«

Paul Fechter: Der Expressionismus. München: Piper, 1914.S. 49-52.

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101 William Morris: Die Schönheit des Lebens. In WilliamMorris: Wie wir leben und wie wir leben könnten. (Hrg.: Hans-Christian Kiersch). Köln: DuMont, 1992. S. 119.

102 Rudolf Steiner: Anweisungen für eine esoterische Schu-lung. Vortrag vom 16.1.1908. Dornach: Rudolf Steiner Verlag,1979. S.116-117.

103 Ebenda S. 116. Oder auch: Rudolf Steiner: Kunst im Lich-te der Mysterienweisheit. Vortrag »Technik und Kunst« vom28.12.1914. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1980.

104 Der erste Zitatteil stammt von Rudolf Steiner: Wege zueinem neuen Baustil. GA 286, Vortrag vom 7.6.1914. Dornach:Rudolf Steiner Verlag, 1982. S. 59. – der zweite Teil stammt vonMarie Steiner aus dem Vorwort zur ersten Auflage dieses Bu-ches. Ebenda S. 13.

105 Ich zitiere hier Formulierungen Albert Steffens, die einepädagogische Vortragsreihe Steiners referieren, und die das Le-bensgefühl gegenüber dem schädlich erlebten maschinellen »Ge-triebe« und »Donnern« drastisch ausdrücken. Albert Steffen: Dieanthroposophische Pädagogik. (Zuerst erschienen in der Zeit-schrift »Das Goetheanum« ab Nr. 37 vom 22.4.1923) Dornach:Philosophisch-Anthroposophischer Verlag, 1983.

Die Originalstelle bei Steiner lautet: »Und man muß fra-gen: Gibt es einen Weg für das eigentlich schulpflichtige Alterzwischen Zahnwechsel und Geschlechtsreife, der geeignet ist,aus dem ganzen Menschen ein geschicktes, ein anstelliges We-sen zu machen? – Und da, wenn man auf das wirkliche Leben,nicht auf Theorien hinsieht – wenn man sich eben vom Lebenleiten läßt, nicht von den abstrakten Ideen–, wird man gerade,wenn man die Tendenz verfolgt, den Menschen praktisch zumachen, dazu geführt, in der Zeit vom Zahnwechsel bis zur Ge-schlechtsreife möglichst viel vom Schönen, vom wirklich künst-lerischen Erfassen des Lebens an den Menschen heranzubrin-gen. Je mehr man dem Menschen Verständnis beibringt für dasSchöne, je mehr er sich durchdringt mit innerem Verständnisfür das Schöne, desto besser wird er vorbereitet sein, im ge-schlechtsreifen Alter an das wirklich Praktische heranzutreten,ohne daß ihm für das ganze weitere Leben Schaden zugefügtwird. Man kann erst dann im Grunde genommen ungefährdet

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an das Verständnis eines Tramwaywagens, an das Verständniseiner Lokomotive herantreten, wenn man im richtigen Lebens-alter sich das ästhetische Verständnis für ein Gemälde oder einePlastik angeeignet hat.«

Rudolf Steiner: Die gesunde Entwicklung des Leiblich -Phy-sischen als Grundlage der freien Entwicklung des Seelisch-Geis-tigen. Vortrag vom 5.1.1922. Dornach: Rudolf Steiner Verlag,1976. S. 261.

106 Rudolf Steiner hat beispielsweise mehrfach die Lokomo-tive als Gestaltungsaufgabe erwähnt:»Aber wenn man wiederfühlen wird, was Formen sein sollen, dann wird man fühlen,daß man die Lokomotive architektonisch gestalten kann, unddaß der Bahnhof etwas sein könnte, was sich zur Lokomotiveverhält, wie die äußere Umhüllung zu dem, was die Lokomotivein ihren architektonischen Formen ausdrückt.«

Rudolf Steiner: Das Hereinwirken geistiger Wesenheiten inden Menschen. Vortrag vom 11.6.1908. Dornach: Rudolf SteinerVerlag, 1984. S. 228.

Über Lokomotive und Luftschiff im zitierten Sinne sprichtSteiner drei Tage später nochmals:

Rudolf Steiner: Natur- und Geistwesen, ihr Wirken in unse-rer sichtbaren Welt. Vortrag vom 14.6.1908 Dornach: RudolfSteiner Verlag, 1983. S. 251-252.

107 Zitiert aus der Satzung nach Julius Posener: Anfänge desFunktionalismus: Von den Arts and Crafts zum Deutschen Werk-bund. Berlin: Ullstein, 1964. S. 23. Ebenda auf S. 22 ist einaufschlußreicher Ausschnitt aus Fritz Schumachers Rede bei derGründung des Bundes im Oktober 1907 in München zitiert:

»Aus einer unhemmbaren wirtschaftlichen und technischenEntwicklung der Zeit hat sich eine große Gefahr an der Wurzelkunstgewerblichen Lebens herausgebildet, die Gefahr der Ent-fremdung zwischen dem ausführenden und dem erfindendenGeiste. Diese Gefahr läßt sich nicht verschleiern, auch aus derWelt zu schaffen ist sie nie wieder, solange es eine Industriegibt. Man muß also versuchen, sie zu überwinden, dadurch, daßman die entstandene Trennung zu überbrücken trachtet. Das istdas große Ziel unseres Bundes. Wenn sich Kunst mit der Arbeiteines Volkes enger verschwistert, so sind die Folgen nicht nurästhetischer Natur. Nicht etwa nur für den feinfühlenden Men-schen, den äußere Disharmonien schmerzen, wird gearbeitet,

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nein, die Wirkung geht weit über den Kreis der Genießendenhinaus. Sie erstreckt sich zunächst vor allem auf den Kreis derSchaffenden, auf den Arbeitenden selber, der das Werk hervor-bringt. Spielt in sein Tun der Lebenshauch [sic] der Kunst her-ein, so steigert sich sein Daseinsgefühl, und mit dem Daseinsge-fühl steigert sich seine Leistungskraft. Jeder, der als Erfindermit Arbeitenden zu tun gehabt hat, wird diese Beobachtung alseinen der schönsten Eindrücke seines Berufes kennengelernthaben. Die Freude an der Arbeit müssen wir wiedergewinnen,das ist gleichbedeutend mit einer Steigerung der Qualität. Undso ist Kunst nicht nur ästhetische, sondern zugleich eine sittli-che Kraft, beides zusammen aber führt in letzter Linie zur wich-tigsten der Kräfte: der wirtschaftlichen Kraft...«

Im Werkbund wurde die Trennung zwischen Entwerfer undausführenden Arbeitern akzeptiert. Wieviel der »Lebenshauch«der Kunst den Arbeiter am Fließband noch zu erfrischen ver-mag, hat der Redner scheinbar nie selbst ausprobiert. Als denwichtigsten Aspekt kehrt er eindeutig den kommerziellen hervor– der sozialreformerische verblieb in England.

108 Rudolf Steiner: Der Seelen Erwachen. Seelische und Geis-tige Vorgänge in szenischen Bildern. In: Vier Mysteriendramen:Die Pforte der Einweihung. Die Prüfung der Seele. Der Hüterder Schwelle. Der Seelen Erwachen. Dornach: Rudolf SteinerVerlag, 1981. S. 399.

109 Lethaby stellt diese Unterscheidung an den Beginn sei-ner Einleitung von Architecture, Mysticism and Myth: »Thehistory of architecture, as usually written, with its theory ofutilitarian origins from the hut and the tumulus, and furtherdevelopments in that way – the adjustment of forms to theconditions of local circumstance; the clay of Mesopotamia, thegranite of Egypt, and marble of Greece – is rather the history ofbuilding: of ‘Architecture’ it may be, in the sense we so often usethe word, but not the Architecture which is the synthesis of thefine arts, the commune of all the crafts. As the pigments are butthe vehicle of painting, so is building but the vehicle ofarchitecture, which is the thought behind form, embodied andrealised for the purpose of its manifestation and transmission.Architecture, then, interpenetrates building, not for satisfactionof the simple needs of the body, but the complex ones of theintellect. I do not mean that wo can thus distinguish between

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architecture and building, in those qualities in which they meetand overlap, but that in the sum and polarity of them all; thesepoint to the response of future thought, those to the satisfactionof present need; and so, although no hut or mound, howeverearly or rude, but had something added to it for thought’s sake,yet architecture and building are quite clear and distinct as ideas- the soul and the body.« S. 2-3.

110 Vgl. Andrew Wilton; Robert Upstone (Hrg.): Der Sym-bolismus in England: 1860 - 1910. (Ausstellungskatalog Hausder Kunst München, 1.2. - 26.4.1998) Ostfildern: Hatje, 1998.

»Im Zeitalter des Goldenen Zweigs [James G. Frazer’s mehr-bändige Studie über Magie und Religion, R.J.F.] und der For-schungen Breuers und Freuds setzte sich die Auffassung durch,daß die Symbole, die in die alten Mythen eingeflossen waren,nicht nur als kulturelle Archetypen zu deuten seien. Sie galtennun als Komponenten einer tiefgründigeren Sprache der Furcht,der Sehnsucht und des Begehrens, welche die dunklen Instinkteund Neurosen der menschlichen Psyche artikulierte. Mit dieserSprache des ›Unbewußten‹ beschäftigten sich Künstler undSchriftsteller, schon lange bevor Freud oder Jung die Existenzeiner solchen individuellen oder kollektiven Größe postulierten.Im Rückbezug auf eine wesentlich ältere epistemologische Tra-dition – nämlich derjenigen, die Frazer rational zu erfassen ver-suchte – formulierten die Künstler der nachromantischen Gene-ration intuitiv ihre eigenen ›Analysen‹ verschiedener Aspekteder Psyche. Die einflußreiche Bewegung des späten 19. Jahr-hunderts, die heute unter dem Begriff »Symbolismus«zusammengefaßt wird, beschäftigte sich mit genau dieser The-matik.«

»Seelische Beobachtungsresultate« zitiert aus dem Titel von:Rudolf Steiner: Die Philosophie der Freiheit: Grundzüge einermodernen Weltanschauung - Seelische Beobachtungsresultatenach naturwissenschaftlicher Methode. (1894)

111 »Wenn es richtig ist, daß das Ornament in der Magieseinen Ursprung hat – was man an der Tätowierung vielleichtam leichtesten einsehen kann –, wenn also seine bannende Kraft,sein Zauber schreckend nach außen gerichtet ist, gegen die viel-fach anstürmende feindliche Natur, so liegen im Falle des Ju-gendstils die Dinge eher umgekehrt. Der Bann des Jugendstilor-naments richtet sich nicht nach außen, sondern nach innen. Auch

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hier allerdings ist’s der Versuch, von neuem einen magischenZirkel zu ziehen, sich mit Zeichen zu umgeben, aber nicht so-wohl, um das von draußen Drohende zu schreien, als vielmehr,um die drinnen Lebenden einzuschließen und auf diese passiveWeise zu schützen. Was aber draußen bleibt, ist längst nicht mehrdie wilde, ungebändigte Natur, sind nicht die Lanzen und Schwer-ter der Feinde vor den Türen, – es ist das Dröhnen der Städte,das ungeheure Toben nicht der Elemente, sondern der Industri-en, die alles überziehende Macht der modernen Verkehrswirt-schaft, die Welt der Betriebe, der technisierten Arbeit und derMassen, welche den Menschen des Jugendstils als ein allgemei-ner, erstickender und chaotischer Lärm erschien.«

Dolf Sternberger: »Jugendstil: Begriff und Ornamentik«(1934) in Jost Hermand (Hrg.): Jugendstil. Darmstadt Wissen-schaftliche Buchgesellschaft, 1971. S. 33.

Nachfolgendes Zitat »gegen Materie ...« ist zitiert nachLionel Richard (Hrg.): Lexikon des Expressionismus. Köln:Nottbeck, 1978. S. 19.

112 Dolf Sternberger: »Jugendstil: Begriff und Ornamentik«(1934) in Jost Hermand (Hrg.): Jugendstil: Ein Forschungsbe-richt 1918-1964. Darmstadt Wissenschaftliche Buchgesellschaft,1971. S. 42-43.

Ebenda schreibt Jost Hermand: » Näher mit dem Jugendstilverbunden sind die sektiererischen Reformtendenzen um 1900:die Kleiderreform, die vegetarischen Bünde, die Mazdaznan-Be-wegung, die Pansfeste, der Giordano-Bruno-Bund, die Freikör-perkultur und vieles andere. Doch hier erhebt sich die Frage,wie weit man diesen Kreis ziehen soll. Gehört das alles in denBereich des Jugendstils? Auch die Theosophie, der Spiritismus,der Charon Kreis, das Münchener Kartell, der Okkultismus, derFidussche St. Georgs-Bund, der Kreis um Johannes Müller, dieNeue Gemeinschaft der Gebrüder Hart – oder wo liegt hier dieGrenze? [...] Als dem Jugendstil besonders wesensverwandt hatman stets die Anthroposophie empfunden. So bezeichnet DolfSternberger den ›Astralleib‹, wie ihn ›Rudolf Steiner gesehenund erlebt hat‹, als eins der charakteristischsten Symbole für die›vegetabilische Seele› des Jugendstil-Menschen.«

Weitere Beispiele wie Steiners Formgebungen dem Jugend-stil zugeordnet wurden: »der Jugendstil [wird] auch über daserste Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts hinaus fortgesetzt. RudolfSteiners Ästhetik und die Kunst der Anthroposophen führen Ideen

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und Formen weiter.« Hans H. Hofstätter im Kapitel »Malerei«aus Helmut Seling (Hrg.): Jugendstil: Der Weg ins 20. Jahrhun-dert. München: Keysersche Verlagsbuchhandlung, 1959. S. 164.

Ebenda in der Einleitung von Kurt Bauch: »Ein Stil liegtallen Gebieten der Kunst zugrunde -und nicht nur der Kunst.Was um die Jahrhundertwende auf den anderen Gebieten geisti-ger Schöpfung geschah, strebt in die gleiche Richtung. Der Sym-bolismus der frühen französischen Dichter und der belgischenLiteratur, der Monismus in Deutschland lassen sich zusammen-sehen mit der Stilbewegung. Es war das Streben, über den Natu-ralismus und Materialismus, aber auch über den Klassizismusund Historismus hinauszugelangen ohne Romantik, vielmehr inder Richtung auf eine umfassende neue Einheit. Auch die Ju-gendbewegung und was alles mit ihr zusammenhängt, hat ihreWurzeln in der Nähe. Damals entstand auf der einen Seite dieAnthroposophie Steiners, und ein Blick auf ihre Malerei, ihreSchnitzereien, auch auf das eigenwillige Goetheanum in Dorn-ach, zeigt die Verwandtschaft mit dem Jugendstil (dieses freie,von Symmetrie und Tradition unabhängige Modellieren in Be-ton ist erst von dem Schweizer Le Corbusier auf neuer Ebenewieder aufgenommen worden, etwa in Ronchamp). [...] DasKunstgewerbliche, das im Kern des ganzen saß und alles mitbe-stimmte, läßt sich im Literarischen, Weltanschaulichen, Mensch-lichen der Zeit wiederfinden.« S. 32-33

113 Ein prominentes Beispiel: Die holländische ING Bankvon Architekt Ton Alberts (1987) hat einschließlich der Innen-architektur anthroposophische Konzepte umgesetzt, gilt in Hol-land als das populärste Bankgebäude und weltweit als eines derenergiesparendsten Großgebäude überhaupt.

Literatur: ING Bank Communication Department: Buildingwith a Difference: ING Bank Head Office. Amsterdam: INGBank, o.J.

114 »Architecture which is the synthesis of the fine arts, thecommune of all the crafts«.William R. Lethaby: Architecture,Mysticism and Myth. London: The Architectural Press, 1974, S.1. (Erstausgabe 1891).

»Lila« hat als Synonoym für »anthroposophisch« vielfach– meist journalistische – Verwendung gefunden.

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115 Vgl. Horst Schmidt-Brümmer: Alternative Architektur:Lehm-und Hüttenbauten, Hausboote und Wohnwagen, Recycling-Architektur, Hausbegrünung und Altbausanierung. Köln:DuMont, 1983. S. 14 ff.

116 »Einen Stil, der wirklich neu ist, hat ja unsere Zeit, dasist der Baustil des Warenhauses.«

Rudolf Steiner: Natur- und Geistwesen, ihr Wirken in unse-rer sichtbaren Welt. Vortrag vom 14.6.1908 Dornach: RudolfSteiner Verlag, 1983. S. 251.

117 Zitiert nach Stephen Bayley: The Designer Cult. In:Commerce and Culture: From-Industrial Art to PostindustrialValue. London: Design Museum Books, 1989, S. 83. Dieses Zi-tat fand ich als Motto auf der ersten Seite Design-Kursbuchesbei Daghild Bartels: Design-Mythos: Die Verheissungen desneuen Mobiliars. In: Alles Design. Kursbuch 106. Berlin:Rowohlt, 1991. Die dortige Übersetzung lautet: »›Gott, der gro-ße Designer des Universums‹ - Freimaurer-Formulierung von1649, in der das Wort ›Designer‹ zum ersten Mal auftaucht.«

118 Um des Wortspieles willen sei die vielleicht nicht ganzkorrekte lateinische Formulierung gestattet: »ab artedesignationis divinae« gleich »von einer Kunst göttlichen Plans«.

119 Für den Bereich der Architektur sei auf Publikationenverwiesen, die überblicksartig diese Entwicklung dokumentie-ren. Die erstgenannte zeigt eine beeindruckende Fülle an Bei-spielen (teilweise auch von Design) weltweit: Pieter van der Ree:Organische Architektur: Der Bauimpuls Rudolf Steiners und dieorganische Architektur im 20. Jahrhundert. Stuttgart: Freies Geis-tesleben, 2001. Rex Raab: Die Waldorfschule baut: 60 Jahre Ar-chitektur der Waldorfschule. Stuttgart: Freies Geistesleben, 1982.

120 Zu ICE und Interregio Zügen siehe Pieter van der Ree:Organische Architektur: Der Bauimpuls Rudolf Steiners und dieorganische Architektur im 20. Jahrhundert. Stuttgart: Freies Geis-tesleben, 2001. S. 109.

Zur Problematik der Bezeichnung »anthroposophisch« be-züglich Kunst und Design siehe:

Reinhold J.Fäth: Was macht die Kunst der Anthroposophen?Das Goetheanum (CH) Nr.19, 1999.

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121 Es kursiert die Geschichte, Beuys habe erzählt, dass ihm»der schwarzgekleidete Steiner« erschienen sei und ihn beauf-tragt habe. Gestützt (oder verursacht) wurde diese erstaunlicheGeschichte von einem Brief, den Beuys verfasste:

«Sehr geehrter, lieber Herr Schradi,es liegen noch etwa 1000 unbeantwortete Anfragen vor mir.

Entschuldigen Sie bitte deswegen, daß diese Antwort zunächstnicht tiefer eingehen kann. Nehmen Sie aber bitte entgegen: ihreWorte haben mich tiefberührt weil Sie mir damit den NamenRudolf Steiners zuriefen über den ich seit meiner Kindheit immerwieder nachdenken muß weil wie ich weiß gerade von ihm einAuftrag an mich erging auf meine Weise den Menschen die Ent-fremdung und das Mißtrauen gegenüber dem Übersinnlichennach und nach wegzuräumen. Im politischen Denken, dem Ackerden ich täglich zu bearbeiten habe gilt es die Dreigliederung soschnell wie möglich Wirklichkeit werden zu lassen. Diese Ideemuß aus den Menschen herausgeholt werden da sie in jedemeinzelnen in verschiedenem Grade vorgebildet ist. Sie muß er-stehen als die freie Leistung des Menschen selbst. Die großeLeistung Steiners ist es gewesen garnichts «erfunden» zu habensondern (nur!) aus der unendlich gesteigerten Wahrnehmungheraus vorgetragen zu haben was des Menschen höhere Sehn-sucht ist wenn er es auch noch nicht weiß. Behutsamkeit,lndirektheit, Unmerklichkeit, auch oft ‹Antitechniken› sind meineMöglichkeiten. Nicht ein Überfluten mit ‹anthroposophischemMuseum›. Denn mit der ‹Gesellschaft› haben sehr viele auch ichselbst nicht recht überzeugende um nicht zu sagen üble Erfah-rungen gemacht. Und ich kenne zu gut das Mißtrauen, ja sogarden Ekel allzuvieler.

Wo dieses Mißtrauen auch nur ganz gering Eingang gefun-den hat ist man immer bereit den Schatz mit dem Unwert zu-sammenzuwerfen und zu verwerfen. Dann aber wird man blindfür den einzig gangbaren Weg.

Mit herzlichen Grüßen Ihr Joseph Beuys»Zitiert nach Wolfgang Zumdick: Über das Denken bei

Joseph Beuys und Rudolf Steiner. Basel: Wiese, 1995. S. 8.

122 Rudolf Steiner: Die Aufgabe der Geisteswissenschaft undderen Bau in Dornach. In: Philosophie und Anthroposophie. Ge-sammelte Aufsätze 1904-1918. Dornach: Rudolf Steiner Verlag,1965. S. 176-177, 183, 209.

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123 Zum Phänomen der Selbstinterpretation in der bilden-den Kunst vgl.: Felix Thürlemann: Kandinsky über Kandinsky:der Künstler als Interpret eigener Werke. (Schriftenreihe der Stif-tung von Schnyder von Wartensee; 54) Bern: Benteli, 1986.

124 In einem Vortrag (27.4.1924) u.a. über Architekturwir-kungen erwähnt Steiner die Karmaschauen erweckenden Form-wirkungen des ersten Goetheanums: »Diese Erziehung zum kar-mischen Schauen, sie muß in die moderne Zivilisation herein.[...] Aber hoffen wir, dass in Bälde an derselben Stelle wiederumKarmaschauen erweckende Formen vor uns stehen!« RudolfSteiner: Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhän-ge. (Zweiter Band, GA 236). Dornach: Rudolf Steiner Verlag,1988. S. 96.

125 Während der Annäherungen an mein Thema habe ichbemerkt, dass bei manchen Kunsthistorikern noch mystische Ne-bel pauschaler Mutmaßungen über historischen Fakten schwe-ben, in die ich mich unversehens eingehüllt sah. Ohne gegenü-ber einem zögerlichen Verständnis der Kunsthistoriker den wis-senschaftsmoralischen Zeigefinger zu heben, sei es gestattet, fol-genden Satz im Hinblick auf Steiner zu zitieren: »Erst allmäh-lich verstanden sie, daß es nicht um Ablehnung oder Zustim-mung ging, sondern um das Gegenteil von Parteinahme, um Er-kenntnis. Das heißt zunächst Kenntnis. Der Augenblick ist ge-kommen, jene europäische Bewegung historisch zu sehen, ersteinmal festzustellen, was überhaupt geschehen ist.«

Kurt Bauch bezüglich des Jugendstils in seiner Einleitungzu: Helmut Seling (Hrg.): Jugendstil: Der Weg ins 20. Jahrhun-dert. München: Keysersche Verlagsbuchhandlung, 1959.

126 VDID für: Verband Deutscher Industrie Designer

127 »Begriffsbestimmungen über Design gehen in der Fach-literatur wie in den Lehrmeinungen von heute weit auseinander.Der ratsuchende Unternehmer, Manager oder Experte wird nichtselten verwirrt, da die Auffassungen von technisch-künstleri-schen, kulturell-normativen bis zu absatz- und fertigungswirt-schaftlichen Interpretationen verwandter Begriffe wie ‘Formge-bung’ bis ‘Produktgestaltung’ nicht klar definiert werden kön-nen.«

277

Aus: Ekkehard Merz; Thilo Rusinat; Manfred Zorn: Pro-duktkritik, Entwicklungen und Tendenzen in der Brd. Diskussi-onspapier 5, hrg. Vom Institut für Umweltplanung (IUP) an derUniversität Stuttgart, Ulm 1971. Zitiert nach: Gert Selle: Ideo-logie und Utopie des Design: Zur gesellschaftlichen Theorie derindustriellen Formgebung. Köln: DuMont, 1973. S.25.

128 Das in jüngster Vergangenheit verschiedentlich bemerk-te Phänomen vom »Verschwinden der Kunst« darf teilweise alsWieder-Erscheinen von Kunst unter anderem Namen interpre-tiert werden. Die Phänomene des Neu- und Wieder-Erscheinensim Design und beispielsweise in der Kunsttherapie haben bislangkaum Beachtung in der Kunstwissenschaft gefunden.

129 Zitiert nach dem Artikel »Ich – ein Künstler? Ich bin einMarkenname!«von Georges Waser in der Neuen Zürcher Zei-tung, 4./ 5. August 2001.

130 »Saatchi-Gütesiegel« diesen anderen Ausdruck für Mar-kenname gebrauchte Heidi Bürklin: »[Damien Hirst, Marc Quinn,Sarah Lucas, Jake und Dino Chapman, Tracey Ermin ...] allediese Künstler profitierten vom Saatchi-Gütesiegel – durch Pu-blicity und einen rasch steigenden Marktwert.«

Heidi Bürklin: Noch eine Sensation? Sammler Charles Saat-chi rückt der Tate Modern auf den Leib. Kunstzeitung, Nr. 66 /Februar 2002.

131 Vgl. Nikolaus Pevsner: Architektur und des Design: Vonder Romantik zur Sachlichkeit. München: Prestel, 1971. S. 223-224.

132 Volker Harlan: Was ist Kunst? Werkstattgespräch mitBeuys. Stuttgart: Urachhaus, 1986. S.43:

»Die nächste Anforderung an den Tisch, wenn man so ge-sagt hat: Wir brauchen hier einen Tisch, wir sind soundso vielPersonen, der muß groß genug sein für eine Familie mit dreiKindern, also fünf zusammen, dann muß die Proportion stim-men, das heißt die Maße, der Rhythmus, die Größen, die Mas-sen müssen stimmen, und dort ist genau dieselbe Anforderunggestellt wie an einen griechischen Tempel. Der muß genau sogut sein wie der Tempel von Paestum letztendlich oder auch einanderes Bauwerk.«

278

» Beuys (der übrigens auch Möbel entworfen hat)« zitiertnach:

Götz Adriani; Winfried Konnertz; Karin Thomas: JosephBeuys: Leben und Werk. Köln. Dumont, 1981. S.58.

133 Gui Bonsiepe: Interface: Design neu begreifen. Mann-heim: Bollmann, 1996. S.25; S.188.

Ergänzend eine aktuelle (Oktober 2001), zukunftgerichteteDefinition aus dem Internet: »Im Allgemeinen versteht man De-sign als eine Disziplin, die Problemlösungen für die Beziehungdes Menschen zu seiner Umwelt entwirft. Das Wort Designkommt von italienischen Disegno, ein Begriff, der seit der Re-naissance den Entwurf, die Zeichnung und allgemein die einerArbeit zugrunde liegende Idee bezeichnet. An der Ulmer Schulewurden die Beziehungen zwischen Wissenschaft und Gestaltunggründlich thematisiert und dadurch erreicht, dass wissenschaft-liche Erkenntnisse den Entwurf optimieren und besser begründ-bar machen. Das ist das wichtigste Legat der Hochschule fürGestaltung, Ulm. Heute im 21. Jahrhundert, im Übergang vonder Industrie- in die Informationsgesellschaft, stehen Designervor neuen Fragenstellungen und Aufgaben, denn die Gegenständ-lichkeit scheint zusehends zu schwinden. Es sind nicht nur Ob-jekte, sondern Prozesse und deren Wirkungen, Gegenstände derheutigen Gestaltung. Design als eine weit gefasste Aufgabe – sowie sie an der HfG Ulm praktiziert wurde – definiert und löstProbleme und überträgt dem Designer eine gesellschaftliche Ver-antwortung.« (http://www.standort-deutschland.com/deu/bl01/buch003/page/56inhalt.htm)

134 »Bazon Brock versucht, die planerisch-gestalterische Ak-zentverschiebung im Begriff ‘Sozio-Design’ zu fassen, der denbisher geläufigen Kategorien des Produktdesign und desEnvironmental Design nach traditionellem Verständnis eindeu-tig übergeordnet ist, aus der Erkenntnis, daß gesellschaftlicheUmwelt nicht durch die Summe der Gegenstände, Einrichtun-gen und Systeme der materiellen Umwelt voll bestimmt wird.

Sozio-Design als Dimension des Denkens, Planens undEntwerfens bezieht sich also nicht primär auf die Dinge, son-dern auf die Interaktionsprozesse, auf das, was an der dingli-chen Umwelt gesellschaftlich vermittelnd wirkt oder das –dazwischenliegend als Verhaltens- und Vorstellungsform sichnicht verdinglichen läßt:

279

›Sozio-Design ist die Inszenierung nicht nur der physika-lisch-kulturellen Objekte in einem bestimmten Segment der Le-benswirklichkeit, sondern auch die Inszenierung des Umgangsmit und Gebrauchs dieser Objekte sowie der Handlungsweisen,Beziehungsformen und Sprache der in diesem Segment vorhan-denen sozialen Wesen.

In einem konkreten Hinweis würde das bedeuten, daß etwaArchitekten oder Ökologen oder Erzieher nicht jeweils isoliertnur die materiale Gestalt einer sozialen Umgebung vorgeben dür-fen, indem sie Räume, Möbel, Kleidungsstücke, klimatische Be-dingungen, Spielzeug, Lehrmittel, Landschaft konstruieren undvorgeben. Sie sind in gleichem Maße auf Entwurf und Vorgabevon Verhaltensweisen, von Beziehungsformen, von Sprachfor-men, Vorstellungsformen verwiesen.‹ Der Begriff Sozio-Designbeinhaltet Hinweise auf eine Strategie der Veränderung gesell-schaftlicher Umwelt auf der materiellen Ebene wie auf der Ebe-ne des Bewußtseins ihrer ‘Bewohner’.«

Gert Selle: Ideologie und Utopie des Design: Zur gesell-schaftlichen Theorie der industriellen Formgebung. Köln:DuMont, 1973. S.170. Darin zitiert: Bazon Brock: Umwelt undSozio-Design. In: Format, Nr. 36/1972, S.60.

135 So der gleichnamige Titel des Kursbuchs 106, Alles De-sign. Berlin: Rowohlt, 1991.

136 Der designtheoretische Diskurs hat längst noch nicht dasForum und die Rolle innerhalb der Kunstwissenschaften, die derkunstrelavanten Bedeutung und dem neueren Gebrauch des De-signbegriffs entsprechen würden. Auch wenn sich die Situationseit dem nachstehenden Zitat »gebessert« hat, kann man nochimmer Walter Grasskamp beipflichten: »Es gibt wohl kaum eineandere Kunst, die so sehr um Anerkennung ringt, nach Überhö-hung verlangt, wie das Design. Aber in der nivellierten Kon-sumgesellschaft müssen Designer ihre Heroisierung schon sel-ber betreiben, wobei sie allerdings den Verdacht der Kunden-werbung nie ganz loswerden. Es paßt ins Bild, daß sich hierfürkein Meisterdenker bereit findet. Kein nouveau philosophe, keincharismatischer Ausstellungsmacher, kein seriöser Kunsthisto-riker, kein kluger Feuilletonist nimmt das von den Musen ver-schmähte Kind auf den Schoß – die wenigen Ausnahmenhierzulande bestätigen immer noch die Regel. Vielmehr drän-gen alle dorthin, wo stilechtes Prestige zu erwerben ist, zu den

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nachdenklichen Podiumsdiskussionen über die Lage der Kunst,zu schwungvollen Eröffnungsreden über die letzten Wilden, indie Kataloge der Kunstmarkthelden oder die Regalmeter der Re-naissanceforschung, neuerdings auch in eine eher kryptischeMedientheorie. Dagegen steht kaum eine brauchbare Geschich-te des Design in den Buchregalen, dort, wo sich die Weltgeschich-ten der Kunst in Metern messen lassen.«

Walter Grasskamp: Das gescheiterte Gesamtkunstwerk. In:Alles Design. Kursbuch 106. Berlin: Rowohlt, 1991.

137 Cennino Cennini: Il libro dell’arte. Cap. IV. Ed. F.Brunello. 6: »El fondamento dell’arte, (e) di tutti questi lavoriidi mano il principio, è il disegno e’l colorire.« Roggenkamp,nach dem ich hier zitiere, merkt mit Recht Folgendes an: »Wel-che Künste im einzelnen damit angesprochen werden sollten,muß offen bleiben. Daß Cennini die drei Bildenden Künste mein-te, wie L. Grassi (1947) behauptete, kann zwar nicht ausgeschlos-sen, aber auch nicht einfach angenommen werden.«

Ich selbst nehme an, dass bei Cenninis Formulierung Kunst-handwerkliches mit eingeschlossen war, was mit heutiger Ter-minologie eben auch Gebiete des Design beinhalten würde.

Vgl. Bernd Roggenkamp: Die Töchter des „Disegno“: ZurKanonisierung der drei Bildenden Künste durch Giorgio Vasari.Münster: Lit, 1996. (Köln, Univ., Diss., 1995). S. 12.

138 »Perchè il Disegno padre delle tre arti nostre, Architettura,Scultura e Pittura ...« Giorgio Vasari: Le vite. Ed. R. Bettarini /P. Barocchi, I 111. Hier zitiert nach Bernd Roggenkamp: DieTöchter des „Disegno“: Zur Kanonisierung der drei BildendenKünste durch Giorgio Vasari. Münster: Lit, 1996. (Köln, Univ.,Diss., 1995). S. 13.

139 Vgl. Erwin Panofsky: Idea: Ein Beitrag zur Begriffsge-schichte der älteren Kunsttheorie. Berlin: Bruno Hessling, 1960.S. 49: »Wir müssen darauf verzichten, wiederzugeben, wieZuccari nun aus diesem „Disegno interno“ (das er zum Schlußseines Werkes auch etymologisch als ein Zeichen der Gottähn-lichkeit deutet – Disegno = segno di dio in noi) ...«.

Das lateinische designare hat ja auch die Richtung des vonoben herab (de-signare) Bezeichnens, des Ernennens und – zuTage Förderns.

281

140 Cellini zitiert nach Übersetzungen in: Wolfgang Kemp:Disegno: Beiträge zur Geschichte des Begriffs zwischen 1547und 1607. Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft, Band 19.Marburg: Verlag des Kunstgeschichtlichen Seminars der Uni-versität Marburg/Lahn, 1974. S. 222.

141 Vgl. Eugene S. Ferguson: Das innere Auge: Von der Kunstdes Ingenieurs. Basel: Birkhäuser, 1993.

142 Auf dieser allgemeinen Ebene des »Schöpferischen« decktsich der Design-, wie der Disegno-Begriff weitgehend mit demneueren Begriff von Kreativität. Es wäre eine interessante Auf-gabe die umfangreiche Literatur über Kreativität im Einzelnenmit jener über Design und Disegno in Beziehung zu setzen.

143 Rudolf Steiner: Farbenerkenntnis: Ergänzungen zu demBand «Das Wesen der Farben». GA 291a Dornach: Rudolf SteinerVerlag, 1990. S. 191.

Zum Disegno Angelico: Es wäre eine kunstwissenschaft-lich wie anthropologisch interessante Aufgabe die Rolle der En-gel in der inspirativ-imaginativen Vermittlung von Kunst undDesign zu untersuchen: beispielsweise in welchen Fällen einesolche Rolle zugeschrieben wird, ob es sich jeweils um visionä-res Erleben oder spirituelle Theorie handelt. Bei Zuccari undSteiner scheint bezüglich der Angeli eine inhaltliche Verwand-schaft vorzuliegen, die teilweise bis in Details (Schutzengel,Aufgabengebiete) geht. Beide gehen in ihrer Ausführlichkeit weitüber die Überlieferungen des Engelglaubens der Shaker hinaus.Aufmerksam auf diesen Zusammenhang wurde ich durch:Kristina Herrmann Fiore: Gli angeli nella teoria e nella pitturadi Federico Zuccari. In: Bonita Cleri (Hrg.): Federico Zuccari:Le idee, gli scritti. Mailand: Electa, 1997.

144 In der ersten Publikation von 1941, die das grafischeWerk Steiners vorstellte, hatte man in Anlehnung an den vonRudolf Steiner verwendeten Ausdruck »Illustrative Kunst«, dieheute mit Grafikdesign zu bezeichnende Werkgruppe (Firmen-logos, etc.) unter dem Begriff »Kunst« subsummiert.Emil Schweigler: Rudolf Steiner als illustrierender Künstler.Dornach: Sektion für redende und musische Künste, 1941.1979 erschien eine vergleichbare Folgepublikation von HildegartGerbert; Walther Roggenkamp: Bewegung und Form in der Gra-

282

phik Rudolf Steiners. Stuttgart: Verlag Freies Geistesleben, 1979.Rudolf Steiner: Wesen und Bedeutung der illustrativen Kunst.Dornach: Sektion für redende und musische Künste, 1940.

145 Vergleiche die Zeitschrift: STIL: Goetheanistisches Bil-den und Bauen, Kirchzarten: Verlag »Bilden und Bauen», (über20 Jahrgänge, ISSN 0171-3817). Architektur und Design desGoetheanums in Dornach realisierte ein Bauprinzip, das Steineraus der naturwissenschaftlichen Anschauung Goethes über dieMetamorphose der Pflanzen auf das künstlerische Schaffen über-tragen hatte.

146 Siehe Pieter van der Ree: Organische Architektur: DerBauimpuls Rudolf Steiners und die organische Architektur im20. Jahrhundert. Stuttgart: Freies Geistesleben, 2001.

Leonhard Tomczyk (Hrg.): RUNA: Eine Künstlerkolonie der50er Jahre. (Katalog zur Ausstellung vom 5.04. - 30.09.2001)Lohr: Spessartmuseum, 2001.

147 Vgl. Rudolf Steiner: Die Eurythmiefiguren von RudolfSteiner: Malerisch ausgeführt von Annemarie Bäschlin. GA K26aDornach: Rudolf Steiner Verlag, 1987.

Annemarie Bäschlin hebt im Anhang die Bedeutung derFiguren als »Arbeitsmaterial« hervor.

148 Ebenda: Abbildung 24.

149 Die ersten Entwürfe entstanden um 1921; die erste öf-fentliche Präsentation der Figuren geschah in Dornach am 4.August 1922 im Anschluss an einen Vortrag des Zyklus »Eu-rythmie als sichtbare Sprache«. In England präsentierte sie RudolfSteiner im Rahmen eines pädagogischen Kongresses in Oxfordvom 15. bis 29. August 1922. Steiner hielt zwölf Vorträge. Ichvermute, dass die Aufschrift Copyright Design wegen der öf-fentlichen Präsentation in England erfolgte, – dass sie jemandnachträglich unter Steiners Signatur gesetzt hätte, kann ich mirkaum vorstellen.

Bemerkenswert ist die Anerkennung Steiners innerhalb derenglischen Wissenschaftswelt, immerhin stand der Kongress über»Spiritual Values in Education and Social Life« unter dem Pa-tronat des englischen Unterrichtsministers Dr. H. A. Fisher, so-

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wie des Leiters des Manchester College der Universität Oxford,Principal L. P. Jacks.

150 Der Ausdruck »in einer Art Expressionskunst« in: RudolfSteiner: Die geistig-seelischen Grundkräfte der Erziehungskunst:Spirituelle Werte in Erziehung und sozialem Leben. Vortrag vom24. August 1922. GA 305. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1979.S. 161.

151 »Es würde zum Beispiel ganz gut sein, wenn wir nach undnach die Möglichkeit entwickeln könnten, von dem bloßen abs-trakt Künstlerischen, das der Mensch aus seiner Lust am Schö-nen hervorbringt, überzugehen zu dem konkret Künstlerischen,zu dem Kunstgewerblichen, denn gar sehr bedarf die Menschheitheute des Hineinstellens eines wirklich Kunstgewerblichen in dasallgemeine Kulturdasein.«

Rudolf Steiner: Erziehungskunst: Methodisch-Didaktisches.GA 294. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1966. S. 42.

152 Inwiefern dieser Ausdruck durchaus zutreffend ist, wirddeutlich, wenn man Steiners Darstellungen bezüglich seinerkünstlerischen Intentionen im Vortrag folgt.

153 Ebenda S.259. Diese aussagekräftige Passage wurde fürden Vortragstext vom Herausgeber nicht berücksichtigt, findetsich aber glücklicherweise noch in einer Anmerkung.

154 Alan Gowans: Spiritual Functionalism in ShakerFurniture. In: Edward D. Andrews: Religion in Wood: a Book ofShaker Furniture. Bloomington; London: Indiana UniversityPress, 1966. S. 17.

Werner Blaser bezeichnete Steiners Architektur als »geis-tig verstandenen Funtionalismus«. Sein Bildband würdigtSteiners organische Architektur (enthält ein Kapitel über Lands-cape Design) mit den anerkennenden Erläuterungen eines Ken-ners. Werner Blaser: Natur im Gebauten. Nature in Building:Rudolf Steiner in Dornach. Basel: Birkhäuser, 2002. S. 124.

155 Rudolf Steiner: Wahrspruchworte. GA 40. Dornach:Rudolf Steiner Verlag, 1961. Aus dem Spruch: »Suchet das wirk-lich praktische Leben«, S.116.

Dabei gilt nach Steiner der Primat des Geistes:

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»Kein Mensch, kein Tier, keine Pflanze, kein Stein kannsein, ohne daß der Geist die Grundlage dieses Wesens ist. Hierfürgebrauche ich gerne ein Bild. Wir denken uns einen Wasserbe-hälter, in dem das Wasser allmählich abgekühlt wird. Dadurchmöge etwas entstehen wie ein teilweiser Einschlag von Eisbro-cken, so daß wir schwimmend darin haben einige Eisbrocken.Nehmen wir nun an, irgendein Wesen habe nicht die Fähigkeit,Wasser wahrzunehmen, sondern nur Eis. Da würde eben nur ausdem Wasser heraus das Eis auftauchen, das Wasser selbst aberwürde dieses Wesen leugnen. «überall ist nur Eis vorhanden,Wasser aber nicht», würde dieses Wesen sagen. Ähnlich verhal-ten sich nun die Menschen zu Geist und Stoff. So wie in unse-rem Bilde das Eis aus dem Wasser sich verhärtet, so entsteht dieMaterie aus dem Ursprünglichen, aus dem Geist. Materie istnichts anderes als verdichteter Geist. Sie taucht für den Sehen-den auf aus dem Geist, dagegen für den, der nicht sehen kann,aus dem Nichts. Alles im Weltenraum ist verdichteter Geist. Wennnun der Materialist kommt und sagt: «Das, was du Geist nennst,ist nicht vorhanden», so steht es mit seiner Logik schlecht, denner dürfte eigentlich nur zugeben, daß er den Geist nicht wahr-nehmen könne. Und einer, der eine gesunde Logik hat, solltemit einer solchen nur reden von etwas, dessen Existenz er zuge-geben hat, also von der Materie.«

Rudolf Steiner: Wo und wie findet man den Geist? Acht-zehn öffentliche Vorträge gehalten zwischen dem 15. Oktober1908 und dem 6. Mai 1909 im Architektenhaus zu Berlin. GA57. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1961. S. 12.

156 Rudolf Steiner: Mythen und Sagen - Okkulte Zeichenund Symbole. Vortrag vom 14. September 1907. GA 101. Dorn-ach: Rudolf Steiner Verlag, 1987. S. 158.

157 Rudolf Steiner: Bilder okkulter Siegel und Säulen. Vor-trag vom 5.5.1909. GA 284. Dornach: Rudolf Steiner Verlag,1977. S. 125.

158 Zu »Sieg der deutschen Form« (Werkbund), »klassenlo-sen neuen Bau der Zukunft« (Bauhaus) siehe bei Magdalena Dros-te: Bauhaus. Köln: Taschen, 1991. S. 16, S. 18.

Zu »Ornament als Verbrechen« siehe bei Eva B. Ottilinger:Adolf Loos: Wohnkonzepte und Möbelentwürfe. Salzburg; Wien:Residenz Verlag, 1994. 16.

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Zu »Architekturwollen ist nur Religionwollen« siehe IainBoyd Whyte; Romana Schneider (Hrsg.): Die Briefe der Gläser-nen Kette. Berlin: Ernst, 1986. S. 84.

159 Die Ausdrücke »kunstschöpferische Periode«, »gebore-ne Künstler« und nachfolgend »historischen Auftakt«: Zitiertaus der Einleitung des Herausgebers: Rudolf Steiner: Bilder ok-kulter Siegel und Säulen. Der Münchner Kongress Pfingsten 1907und seine Auswirkungen. GA 284. Dornach: Rudolf Steiner Ver-lag, 1977. S.11.

In der anthroposophischen Literatur werden Steiners ge-stalterische Arbeiten für den Münchner Kongress als künstleri-sche Arbeiten des Künstlers Steiner gesehen.

160 Rudolf Steiner: Mein Lebensgang. (Eine nicht vollende-te Autobiographie, mit einem Nachwort herausgegeben von Ma-rie Steiner 1925). GA 28 Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1983Taschenbuchausgabe. S. 348.

161 Die zitierte Stelle mit dem Ausdruck »okkult-künstle-risch« stammt aus der Einleitung des Herausgebers, der SteinersWorte zur Grundsteinlegung des Stuttgarter Hauses (der deut-schen Sektion der Theosophischen Gesellschaft) quasi als Leit-satz für die Gestaltungsabsichten Steiners dem Band voranstellt.Dieser gut dokumentierte Band darf als eines der wenigen Grund-lagenwerke gelten, auf das sich nachfolgende Publikationen ab-stützten. Eine Neuauflage sollte durch Bildmaterial, das in mei-ner Arbeit erstmals veröffentlicht wird, zumindest stellenweiseergänzt werden.

162 Rudolf Steiner: Bilder okkulter Siegel und Säulen. DerMünchner Kongress Pfingsten 1907 und seine Auswirkungen.Vortrag vom 3. 1.1911. GA 284. Dornach: Rudolf Steiner Ver-lag, 1977. S.140.

163 Rudolf Steiner: Ursprungsimpulse der Geisteswissen-schaft. Vortrag vom 12.6.1907 in Berlin. GA 96. Dornach: RudolfSteiner Verlag, 1974. S. 330.

»Dann gibt es die sieben Säulenmotive für die Zeit, in wel-cher der Theosophie auch einmal Gebäude gebaut werden kön-nen. Die Motive der Säulen sind aus den Lehren der Eingeweih-ten herausgeholt, aus uralten Zeiten. Die Theosophie wird dieMöglichkeit haben, wirklich neue Säulenmotive der Architekto-nik zu geben. Die alten Säulen sagen eigentlich dem Menschen

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schon längst nichts mehr. Die neuen haben Bezug auf Saturn,Sonne, Mond, Mars, Merkur, Venus. Die Gesetzmässigkeit drück-te sich in den Kapitellen aus. Zwischen den Säulen hatten wirdie sieben apokalyptischen Siegel in Rosenkreuzerart angebracht.Das Gralsiegel ist zum ersten Mal vor der Öffentlichkeit erschie-nen.

Die Theosophie kann man auch bauen: Man kann sie bau-en in der Architektonik, in der Erziehung und in der sozialenFrage. Das Prinzip des Rosenkreuzertums ist, den Geist in dieWelt einzuführen, fruchtbare Arbeit für die Seele zu leisten.«

Hinter dem Ausdruck »Rosenkreuzertum« darf man die vonSteiner vertretene christlich-okkulte Strömung innerhalb der da-maligen Theosophie erkennen, die an die historischen Rosen-kreuzer anschloss und die er später Anthroposophie genannt hat.

164 Rudolf Steiner: Kunst im Lichte der Mysterienweisheit.Vortrag vom 28.12.1914. »Technik und Kunst« GA 275. Dorn-ach: Rudolf Steiner Verlag, 1980. S. 36-37.

Steiner benutzte statt des Gugelhupfform-Napfkuchen-Ver-gleichs in derselben Weise den Nussschale-Nusskern-Vergleich

Das Zitat aus dem Vortrag »Technik und Kunst« ist nochvon einem anderen Gesichtspunkt aus interessant, der in denAnnäherungen zur Sprache kam. Es handelt sich um den Bezugzur Technik, die Steiner als »ahrimanisch« bezeichnet. Sich ent-wickelnde Kunst muss sich nach Steiner in ein bestimmtes Ver-hältnis zur technischen Entwicklung setzen. Nachstehend dasZitat im erweiterten Kontext:

»Die Kunst mußte selbstverständlich anders sprechen zueiner Seele, die weniger den ahrimanischen [gleich technischen]Einflüssen ausgesetzt war, als sie sprechen muß zu den heutigenSeelen, die diesen Einflüssen viel mehr ausgesetzt sind. Die al-lerersten Schritte zu einer solchen Kunst, wirklich die allerers-ten Schritte, nichts Vollkommenes, sollten mit unserem Bau ge-macht werden. Wie versucht worden ist, in diesem Bau wirklicheine Kunst zu schaffen, die appelliert an die Aktivität der Seele:im Zusammenhang mit der ganzen Auffassung vom modernenLeben, aber mit der spirituellen Auffassung vom modernen Le-ben. Erinnern Sie sich noch einmal an den ganz schmählichtrivialen Vergleich, den ich in bezug auf den Bau vor einigenWochen gegeben habe. Ich habe gesagt: Wie verhält sich das,was unser Bau werden soll, zu dem, wie ein älterer Bau, überhauptein altes Kunstwerk wirkte? Ein altes Kunstwerk wirkte durch

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das, was in seinen Formen und Farben war. Die Formen undFarben machten Eindruck. Schematisch gezeichnet also, wenndies die Form war, so wirkte auf das Auge diese Form (es wirdgezeichnet). Dasjenige, was in dem Raum darinnen war, den dieForm ausfüllte, das wirkte. Und ebenso ist es mit den Farben.Die Farbe, die an der Wand war, die wirkte. Ich habe gesagt, soist es nicht gemeint mit unserem Bau, sondern unser Bau istgemeint – und das ist eben der schmählich triviale Vergleich –wie ein Gugelhupftopf, wie ein Napfkuchentopf, der nicht da istum seinetwillen, sondern für den Napfkuchen. Darauf kommt esan, daß das, was darinnen ist, die Form bekommt, und wenn erleer ist, so zeigt er eigentlich, daß er zu etwas da ist, der Napfku-chentopf. Was er aus dem Napfkuchen macht, darauf kommt esan. Und bei unserem Bau kommt es darauf an, was die Seele inihren tiefsten Gründen, indem sie sich darinnen aufhält in die-sem Bau, erlebt, wenn sie bis an die Grenzen der Formen diesesBaues kommt. Also das Kunstwerk wird eigentlich nur angeregtdurch das, was an Formen da ist. Das Kunstwerk ist dasjenige,was die Seele erlebt, indem sie den Formen entlang erlebt. DasKunstwerk ist der Napfkuchen. Das, was gebaut worden ist, istder Napfkuchentopf, und daher mußte auch versucht werden,nach einem ganz neuen Prinzip hier zu verfahren.

Auch das, was malerisch zu finden sein wird in unseremBau, ist nicht da, um durch sich als solches zu wirken, wie es beider alten Kunst der Fall war, sondern um die Seele, indem sie andas stößt, was da ist, erleben zu lassen dasjenige, was ihr Erle-ben zu einem Kunstwerke macht. Dadurch allerdings geschiehteine Umformung - ich kann das alles nur andeuten - eines altenkünstlerischen Prinzips in ein neues, welches so bezeichnet wer-den kann, daß man sagt: Das plastische, das bildhafte Elementwird, indem es weitergeführt wird um eine Etappe, hineinge-führt in ein gewisses musikalisches Erleben. Es gibt auch denumgekehrten Weg, aus dem Musikalischen zurück in das Plas-tisch-Bildhafte. Das sind Dinge, die nicht willkürlich erzeugtwerden von der Menschenseele, sondern die zusammenhängenmit den innersten Impulsen, die wir durchzumachen haben, in-dem wir im ersten Drittel der fünften nachatlantischen Kultur-epoche stehen. Das wird uns gleichsam vorgeschrieben von dengeistigen Wesenheiten, die diese Entwickelung leiten.«

Im Folgenden wird eine Stelle zu Steiners Nussschale-Nuss-kern-Vergleich zitiert:

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» Deshalb kann ich, wenn ich gefragt werde, wie die ein-zelne Form aus dem Ganzen heraus empfunden ist, nur die fol-gende Antwort geben. Ich kann nur sagen: Man betrachte zumBeispiel eine Nuß. Die Nuß hat eine Schale. Diese Nußschale,sie ist nach denselben Gesetzen um die Nuß herum gebildet, umden Nußkern, nach denen die Nuß selber, der Nußkern entstan-den ist, und die Schale können Sie sich nicht anders denken, alssie ist, wenn einmal der Nußkern so ist, wie er ist. Nun kenntman die Geisteswissenschaft. Man trägt die Geisteswissenschaftvor aus ihrem inneren Impulse heraus. Man gestaltet sie in Ideen.Man bringt sie in Ideen zusammen. Man lebt also in dem gan-zen innerlichen Sein dieser Geisteswissenschaft – verzeihen Sie,es ist ein trivialer Vergleich, aber es ist eben ein Vergleich, derveranschaulicht, wie man aus dem Naiven heraus schaffen muß,wenn man so etwas, wie es der Dornacher Bau ist, schaffen will–, man steht darinnen wie in dem Nußkern und hat darinnen dieGesetze in sich, nach denen man die Schale, den Bau, ausführenmuß. Ich habe früher oftmals noch einen anderen Vergleich ge-macht. Sehen Sie, in Österreich nennt man eine besondere Artvon Mehlspeise »Gugelhupf«. Ich weiß nicht, ob der Ausdruckhier auch gebräuchlich ist. Und ich habe gesagt, man solle sichvorstellen, anthroposophische Geisteswissenschaft ist der »Gu-gelhupf«, und der Dornacher Bau ist der Gugelhupf–Topf, indem er gebacken wird. Der Gugelhupf und der Topf, beide müs-sen durchaus zusammenstimmen – das ist das Richtige, wennbeide zusammenstimmen, das heißt, wenn sie nach denselbenGesetzen sind wie Nuß und Nußschale.«

Rudolf Steiner: Der Baugedanke des Goetheanum. Vortragvom 29. Juni 1921. GA 289/290 (geplant). Dornach: Verlag amGoetheanum, 1986. S. 20.

165 Rudolf Steiner: Bericht über den Kongress bei der sechs-ten Generalversammlung der Deutschen Sektion der Theosophi-schen Gesellschaft. In: Bilder okkulter Siegel und Säulen. DerMünchner Kongress Pfingsten 1907 und seine Auswirkungen.Berlin, am 20. Oktober 1907. GA 284. Dornach: Rudolf SteinerVerlag, 1977. S. 89.

166 Vgl. Harald Szeemann: Der Hang zum Gesamtkunstwerk:Europäische Utopien seit 1800. Aarau; Frankfurt a. M.: Sauer-länder, 1983. Siehe das Kapitel »Rudolf Steiner«.

289

»Steiner erfüllte einen Wunsch seiner Epoche, die Sehn-sucht nach dem Gesamtkunstwerk.« Wolfgang Pehnt: RudolfSteiner: Goetheanum, Dornach. Berlin: Ernst, 1991. S. 26.

In der »anthroposophischen« Literatur wird Steiner meinesWissens ausschließlich als bildender Künstler bezeichnet. Selbsteine publizierte Übersicht über Steiners Schaffen auf dem Ge-biet des Grafik-Designs wurde betitelt mit »Rudolf Steiner alsillustrierender Künstler«.

Emil Schweigler: Rudolf Steiner als illustrierender Künst-ler. Dornach: Sektion für redende und musische Künste am Goe-theanum, 1941.

167 Der für den Theosophischen Kongress gemietete Veran-staltungsraum befand sich in der 1944 zerstörten Tonhalle Mün-chen (Kaim-Säle, Türkenstraße 5), neben dem Odeon damalsder größte Konzertsaal Münchens.

Zitat abgedruckt in: Rudolf Steiner: Bilder okkulter Siegelund Säulen. Der Münchner Kongress Pfingsten 1907 und seineAuswirkungen. GA 284. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1977.S. 23. Dieser vorzüglich ausgestattete Band bietet nach wie vordie besten Quellen an Bild- und Textmaterial für den MünchnerKongress.

168 Ebenda: S. 24

169 Ebenda: S. 25. Hier sei angemerkt, dass gegenwärtig dieRolle des Ausstellungsdesigners, noch dazu wenn er kuratorischAusstellungsobjekte auswählen kann, eine dem ausgestelltenKünstler gleichrangige, unter Umständen spektakulärere Rolleeinnehmen kann. Als Beispiel nenne ich die Ausstellung »IsamuNogushi – Sculptural Design« im Vitra Design Museum (Januar2002), deren Ausstellungsdesign von Robert Wilson besorgt wur-de. Im Programmheft findet sich der Untertitel in folgender For-mulierung und Schreibweise:

»Isamo Noguchi – Sculptural Design – eine Installation vonROBERT WILSON.«

170 Rudolf Steiner: Bilder okkulter Siegel und Säulen. DerMünchner Kongress Pfingsten 1907 und seine Auswirkungen.GA 284. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1977. S. 41-42.

Die Übersetzung der Sprüche »Ex deo nascimur, in Christomorimur, per spiritum sanctum reviviscimus« lautet wörtlich:

290

Aus Gott werden wir geboren, in Christus sterben wir, durchden Heiligen Geist leben wir wieder auf.

Nicht zustimmen kann ich der »freien Übersetzung« vonSonja Ohlenschläger (Rudolf Steiner: Das architektonische Werk,S. 59 ): »Übersetzt lautet der Spruch: Aus Christus bin ich gebo-ren, in Christus sterbe ich, durch den heiligen Geist werde ichwiedergeboren.« Ich meine, es heißt doch Ex Deo nascimur nicht»Ex Christo natus sum«, auch nicht »renascor«, sondernreviviscimus. Dass Steiner in erster Linie eine geistige Belebungund Erweckung im Bereich des Gedanklichen im Sinne hatte,geht aus seiner eigenen, schriftlich formulierten, Wiedergabe derSprüche hervor: »Aus dem Göttlichen weset die Menscheit – Indem Christus wird Leben der Tod – In des Geistes Weltgedankenerwachet die Seele.« Rudolf Steiner: Wahrspruchworte. GA 40.Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1961. S. 181-183. Selbst wennOhlenschläger auf eine andere freie Wiedergabe Steiners, die in-nerhalb eines entsprechenden Vortragskontextes zu verstehen ist,verwiesen hätte, wäre ihre »Übersetzung« immer noch fragwür-dig. Diese »Steinersche« Wiedergabe kann nicht sicher Steinerzugeschrieben werden, da es sich einerseits um eine »ungefähreWiedergabe aus dem Gedächtnis« handelt und andererseits umeinen bestimmten vorangegangenen Kontext: »Aus Gott bin ichgeboren, In Christo sterbe ich, Durch den heiligen Geist aufer-stehe ich.«

Rudolf Steiner: Bilder okkulter Siegel und Säulen. DerMünchner Kongress Pfingsten 1907 und seine Auswirkungen.GA 284. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1977. S. 113.

171 Vermutlich nach mündlicher Überlieferung findet sichdiese Mitteilung in:

Hilde Raske: Das Farbenwort: Rudolf Steiners Malerei undFensterkunst im ersten Goetheanum. Stuttgart: Verlag FreiesGeistesleben, 1983. S. 23.

Die Behauptung wird von einer Aussage Steiners gestützt:»Sollte der Raum im Sinne der rosenkreuzerischen Weltanschau-ung vollständig ausgestaltet sein, dann müßten sich oben nochblaue Bögen erheben.«

Rudolf Steiner: Erläuterungen zur Einrichtung und Ausge-staltung des Kongress-Saales. Bilder okkulter Siegel und Säu-len. Der Münchner Kongress Pfingsten 1907 und seine Auswir-kungen. GA 284. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1977. S. 63.

291

172 Die rote Säule links war mit einem großen »J«, die rech-te mit einem großen »B« und darunter jeweils mit folgendenSprüchen beschriftet:

JIm reinen Gedanken findest duDas Selbst, das sich halten kann.

Wandelst zum Bilde du den Gedanken,Erlebst du die schaffende Weisheit.

BVerdichtest du das Gefühl zum Licht,Offenbarst du die formende Kraft.

Verdinglichst du den Willen zum Wesen,So schaffest du im Weltensein.

Eine eigene Interpretation zu den Säulen samt Sprüchengibt Steiner in seinen »Erläuterungen zur Einrichtung und Aus-gestaltung des Kongress-Saales« am 21. 5. 1907 in München.In: Rudolf Steiner: Bilder okkulter Siegel und Säulen. DerMünchner Kongress Pfingsten 1907 und seine Auswirkungen.GA 284. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1977. S. 63 ff.

Die drei Büsten werden in Berichten über den MünchnerKongress erwähnt, z.B. von Mathilde Scholl: »[...] vor der Büh-ne [...] die Büsten von Schelling, Hegel und Fichte und zweikräftige Rundsäulen mit kugelförmigem Abschlusse«. Ebenda:S. 99-100.

173 In den meisten Vorträgen und Berichten Steiners im BandBilder okkulter Siegel und Säulen. Der Münchner KongressPfingsten 1907 und seine Auswirkungen. spricht Steiner überdie rote Farbgebung des Kongresses. Im weiteren Verlauf dieserArbeit werde ich einige Stellen zitieren bzw. veranschaulichen –ohne tiefer in die Komplexität der Steinerschen Farbenlehre ein-zuführen, die Stoff für eine separate Arbeit bietet. Man machesich klar, dass neben den farbrelevanten Stellen in den Grundla-genwerken und den Kommentaren zu Goethes Farbenlehre,nochmals zwei spezielle Bände der Gesamtausgabe (mit zusam-men annähernd 800 Seiten!) ausschließlich der Farbe gewidmetsind: Rudolf Steiner: Das Wesen der Farben. GA 291. Dornach:

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Rudolf Steiner Verlag, 1973. Rudolf Steiner: Farbenerkenntnis:Ergänzungen zu dem Band »Das Wesen der Farben«. GA 291a.Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1990.

Rudolf Steiner: Bilder okkulter Siegel und Säulen. DerMünchner Kongress Pfingsten 1907 und seine Auswirkungen.GA 284. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1977.

174 Im Anhang des GA Bandes »Bilder okkulter Siegel undSäulen« sind Darstellungen der apokalyptischen Siegel nachEliphas Levi abgedruckt, die mit Ausnahme des siebten Siegelsannähernd die gleichen Motive aufweisen.

Von Walter Weber wurde darauf hingewiesen, dass das siebteSiegel von Steiner eine auffällige Ähnlichkeit mit der Titelvig-nette der 1616 erschienen Ausgabe der »Chymischen Hochzeitdes Christian Rosenkreuz, Anno 1459« aufweist, die Steiner ver-mutlich kannte. Er hatte über diese Rosenkreuzerschrift einenAufsatz publiziert. Siehe dazu:

Walter Weber (Hrg.): Die Chymische Hochzeit des Christi-an Rosenkreuz Anno 1459, aufgezeichnet durch Johann ValentinAndreae. Basel: Zbinden, 1978.

Die Abbildung der Siegel in: Rudolf Steiner: Bilder okkul-ter Siegel und Säulen. Der Münchner Kongress Pfingsten 1907und seine Auswirkungen. S. 172.

175 Im Buch von Sonja Ohlenschläger (Rudolf Steiner (1861-1925): Das architektonische Werk. Petersberg: Imhof, 1999. S.51) wurde die Teilnehmer-Fotografie neben einer »Rekonstruk-tion« des Grundrisses abgebildet. Rekonstruktion und Fotogra-fie widersprechen sich aber. Dass »bei der Aufstellung der Säu-len eine Verwechslung in der Reihenfolge geschehen sein dürf-te«, wie die Autorin meint, halte ich angesichts der präzisen De-tailplanung und Funktionsabsicht für ausgeschlossen. Man kannnicht mehr als feststellen, dass die damalige Anordnung derzeitnicht mit Sicherheit bestimmt werden kann. Dass durchaus ver-schiedene Anordnungen der apokalyptischen Siegel möglich sind,zeigt die Darstellung nach Eliphas Levi. Steiner selbst berichte-te lediglich: »Zwischen je zwei Siegeln war eine Säule einge-fügt.« In: Rudolf Steiner: Bilder okkulter Siegel und Säulen. DerMünchner Kongress Pfingsten 1907 und seine Auswirkungen.GA 284. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1977. S. 39.

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Nach den Entwürfen Steiners wurden die Siegel von ClaraRettich und die Säulen von Karl Stahl malerisch ausgeführt. Spä-ter von Assja Turgenjeff. Siehe ebenfalls: GA 284.

176 Rudolf Steiner: Bilder okkulter Siegel und Säulen. DerMünchner Kongress Pfingsten 1907 und seine Auswirkungen.GA 284. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1977. S. 41-42.

177 Rudolf Steiner in einem Bericht über den Kongress inder Zeitschrift »Luzifer-Gnosis«. In: Rudolf Steiner: Bilder ok-kulter Siegel und Säulen. Der Münchner Kongress Pfingsten 1907und seine Auswirkungen. GA 284. Dornach: Rudolf Steiner Ver-lag, 1977. S. 37.

178 Ins Einzelne gehende Interpretationen liegen nicht aufder allgemein gehaltenen »Design-Linie« dieser Arbeit, zumalüber die betreffenden Einzelheiten schon reichlich publiziert wur-de. Zunächst gibt Rudolf Steiner selbst wiederholt Erläuterun-gen über die Kapitell- bzw. Vignettenformen, sowie über das Ro-senkreuz in den Vorträgen und Berichten des nachstehenden Ban-des: Rudolf Steiner: Bilder okkulter Siegel und Säulen. DerMünchner Kongress Pfingsten 1907 und seine Auswirkungen.GA 284. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1977. S. 43 ff.

Weitere Ausführungen zu den Formmetamorphosen siehez.B.:

Rudolf Steiner: Der Baugedanke des Goetheanum. Vortragvom 29. Juni 1921. GA 289/290 (geplant). Dornach: Verlag amGoetheanum, 1986. S. 27 ff.

Rudolf Steiner: Der Dornacher Bau als Wahrzeichen ge-schichtlichen Werdens und künstlerischer Umwandlungsimpul-se. GA 287. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1985.

Die ausführlichsten Interpretation der Vignetten siehe bei:Friedrich Kempter: Rudolf Steiners sieben Zeichen der pla-

netarischen Entwicklung. Dornach: Philosophisch-Anthroposo-phischer Verlag, 1981.

Carl Kemper: Der Bau: Studien zur Architektur und Plastikdes ersten Goetheanum. Stuttgart: Verlag Freies Geistesleben,1984. S. 121 ff.

179 Rudolf Steiner: Bilder okkulter Siegel und Säulen. (ZurEinführung in die Mappe mit den vierzehn Bildtafeln Oktober1907). In: Bilder okkulter Siegel und Säulen. Der Münchner Kon-

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gress Pfingsten 1907 und seine Auswirkungen. GA 284. Dorn-ach: Rudolf Steiner Verlag, 1977. S. 91.

180 Mathilde Scholl: Der Kongress in München. In: Bilderokkulter Siegel und Säulen. Der Münchner Kongress Pfingsten1907 und seine Auswirkungen. GA 284. Dornach: Rudolf SteinerVerlag, 1977. S. 99.

Eine Schilderung Marie Steiners bestätigt die AussageScholls: »Am Tage probten wir; in der Nacht schrieb RudolfSteiner seine in Gedanken schon fertig gestalteten Dramen.Dazwischen leitete und überwachte er die verschiedenen Werk-stätten, in denen nach seinen Angaben geschreinert, gezimmert,gemalt, modelliert, genäht und gestickt wurde. Schnell entstandunter seinen Fingern das Modell, nach dem der ausführendeKünstler sich richten konnte. So schritt er einher, und überallunter seinen Schritten keimte es, sproßte es, fruchtete es zu neuemLeben heran. Da lagen sie, in den großen Speichern derSchrannenhalle, die Riesenleinenstücke, aus denen die Kulissenwurden; da gab er sie an, die Maße und Ornamente der Säulender Sonnentempel, der unterirdischen Tempel, die Wolkengebil-de des Geistgebietes, die Kluften, Felskegel und Kristalle ausAhrimans Reich, die Zaubergebilde in Luzifers Landen [...]«

Marie Steiner: Über die Mysterienspiele in München. (Zuerstabgedruckt in: Was in der anthroposophischen Gesellschaft vor-geht. Nachrichten für deren Mitglieder. II/33.) In: Rudolf Steinerund die redenden Künste: Eurythmie, Sprachgestaltung und dra-matische Kunst. Gesammelte Aufsätze und Berichte. (ZweiterBand der Gesammelten Schriften) Dornach: Rudolf Steiner Ver-lag, 1974.

181 Assja Turgenieff: Erinnerungen an Rudolf Steiner unddie Arbeit am ersten Goetheanum. Stuttgart: Freies Geistesle-ben, 1993. S. 29.

182 Rudolf Steiner: Bilder okkulter Siegel und Säulen. DerMünchner Kongress Pfingsten 1907 und seine Auswirkungen.GA 284. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1977. S. 70.

183 Rudolf Steiner in einem Bericht über den Kongress inder Zeitschrift »Luzifer-Gnosis«, Nr. 34. In: Rudolf Steiner: Bil-der okkulter Siegel und Säulen. Der Münchner Kongress Pfings-

295

ten 1907 und seine Auswirkungen. GA 284. Dornach: RudolfSteiner Verlag, 1977. S. 39-40.

184 Rudolf Steiner: Wie erlangt man Erkenntnisse der höhe-rer Welten? (1904/05). GA 10. Dornach: Rudolf Steiner Verlag,1992. S. 19.

Man berücksichtige hier die in der okkultistischen Litera-tur bzw. in okkultistischen Kreisen gängig Vorstellung, dass durcheine esoterische Schulung die Fähigkeit zu einem körperunab-hängigen Bewusstsein entwickelt werde, das leibfrei »Astralrei-sen« unternehmen könne.

185 Diese Formulierung von Rudolf Steiner in: Erläuterun-gen zur Einrichtung und Ausgestaltung des Kongress-Saales. Bil-der okkulter Siegel und Säulen. Der Münchner Kongress Pfings-ten 1907 und seine Auswirkungen. GA 284. Dornach: RudolfSteiner Verlag, 1977. S. 63.

In einer Ansprache am 15.12.1911, abgedruckt unter demTitel »Ein Esoterisch-Sozialer Zukunftsimpuls – Versuch zur«Stiftung» einer Gesellschaft für Theosophische Art und Kunst«,spricht Steiner von der »künstlerischen Vertretung desrosenkreuzerischen Okkultismus«.

Rudolf Steiner: Zur Geschichte und aus den Inhalten derersten Abteilung der Esoterischen Schule 1904 - 1914. GA 264.Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1984. S.427.

186 Unter der Bezeichnung »Rosenkreuzer« firmierten bisin die Gegenwart diverse Gruppierungen. Rudolf Steiner hatteeine eigene Auffassung vom »wahren Rosenkreuzertum«, die erin einem Bericht über den Kongress, worin er auf das Rosen-kreuz des Programmhefts zu sprechen kam, folgendermaßen skiz-zierte: »Auf diesem Umschlag (in der linken oberen Ecke) ist imblauen ovalen Feld ein schwarzes Kreuz, mit roten Rosen um-wunden, zu sehen; rechts von diesem die Buchstaben: E. D. N. –L C. M. - P. S. S. R. - Dies sind die zehn Anfangsbuchstaben derWorte, durch welche das wahre Rosenkreuzertum in einen Ziels-atz zusammengefaßt wird: «Ex deo nascimur, in Christo morimur,per spiritum sanctum reviviscimus.» Das Kreuzsinnbild, von Ro-sen umwunden, drückt esoterisch den Sinn des Rosenkreuzertumsaus. Bei dem Verhältnis, in das unsere Veranstaltung sich durchsolche Dinge zum Rosenkreuzertum stellte, erscheint es wohlnotwendig, auf schwere Mißverständnisse hinzuweisen, welche

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diesem entgegengebracht werden. Man hat sich da und dort aufGrund geschichtlicher Überlieferungen eine Vorstellung zu bil-den versucht von dem Rosenkreuzertum. Von denen, welche aufdiese Weise von ihm Kenntnis genommen haben, sehen es eini-ge gegenwärtig mit einem gewissen Wohlwollen an; die meistenaber sehen in ihm Scharlatanerie, Schwärmerei oder ähnliches,vielleicht auch Schlimmeres. Es kann nun ohne weiteres zuge-standen werden: wäre die Rosenkreuzerei das, als was sie denenerscheinen muß, welche sie aus bloßen geschichtlichen Urkun-den und Überlieferungen kennen, so wäre sie sicherlich nichtwert, daß ein vernünftiger Mensch sich mit ihr beschäftigt. Abervon der wahren Rosenkreuzerei weiß gegenwärtig überhaupt nie-mand noch etwas, der ihr nicht durch die Mittel der Geheimwis-senschaft nahegetreten ist. Außerhalb des Kreises der Geheim-wissenschaft gibt es keine wirklichen Urkunden über sie, die derName ist für die hier erwähnte Geistesströmung, die seit dem14. Jahrhundert im Abendlande die tonangebende ist. Erst jetztdarf begonnen werden, der Öffentlichkeit etwas von den Geheim-nissen des Rosenkreuzertums mitzuteilen. – Indem wir in Mün-chen aus dieser Quelle schöpften, wollten wir sie natürlichkeineswegs als die alleinseligmachende der theosophischen Be-wegung hinstellen, sondern nur als einen der Wege, auf denendie spirituellen Erkenntnisse gesucht werden können. Man kannnicht sagen, daß wir einseitig dieser Quelle den Vorzug gegebenhätten, während doch die theosophische Bewegung gleichmäßigalle Religionsformen und Wahrheitsbahnen berücksichtigen solle.Der theosophischen Bewegung kann es aber nie und nimmerobliegen, die Mannigfaltigkeit der Religionen als Selbstzweckzu studieren; sie muß durch die religiösen Formen zu deren Ein-heit, zu ihrem Kerne gelangen; und wir wollten durchaus nichtzeigen, wie das Rosenkreuzertum aussieht, sondern durch dasRosenkreuzertum wollten wir die Perspektive zu dem einen Wahr-heitskerne in allen Religionen zeigen. Und dies ist eben die wahreMission der theosophischen Bewegung.«

Rudolf Steiner in einem Bericht über den Kongress in derZeitschrift »Luzifer-Gnosis«, Nr. 34. In: Rudolf Steiner: Bilderokkulter Siegel und Säulen. Der Münchner Kongress Pfingsten1907 und seine Auswirkungen. GA 284. Dornach: Rudolf SteinerVerlag, 1977. S. 41-42.

Einen allgemeinen Literaturüberblick zum Rosenkreuzer-tum gibt: Walter Weber: Neuere Literatur zum Rosenkreuzer-tum. In: Ausätze zur Chymischen Hochzeit des Christian Ro-

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senkreuz von Dr. Walter Weber. Aus: Walter Weber (Hrg.): DieChymische Hochzeit des Christian Rosenkreuz, Anno 1459, auf-gezeichnet durch Johann Valentin Andreae. Basel: Zbinden, 1978.

187 Rudolf Steiner: Bilder okkulter Siegel und Säulen. (ZurEinführung in die Mappe mit den vierzehn Bildtafeln Oktober1907). In: Bilder okkulter Siegel und Säulen. Der Münchner Kon-gress Pfingsten 1907 und seine Auswirkungen. GA 284. Dorn-ach: Rudolf Steiner Verlag, 1977. S. 96.

188 Rudolf Steiner: Symbole und Zeichen als Wirkungen desChaos. Vortrag in Berlin am 19. 10. 1907. In: Bilder okkulterSiegel und Säulen. Der Münchner Kongress Pfingsten 1907 undseine Auswirkungen. GA 284. Dornach: Rudolf Steiner Verlag,1977. S. 86-87.

189 Erwähnenswert scheint mir die Nähe zu Kandinsky, dereine zumindest vergleichbare Auffassung von der psychisch wirk-samen Realität von Formen und Farben hatte. Immerhin spracher in seinem Buch Über das Geistige in der Kunst symptoma-tisch-anerkennend über theosophisches Gedankengut, das, wennman es kennt, mit den Ausführungen seiner Schrift einen ge-meinsamen »inneren Klang« aufweist. Beispielsweise wennKandinsky Form als »geistiges Wesen« bezeichnete oder nacheinem Hinweis auf die Wirkungen der Chromotherapie sagte:»Der Künstler ist die Hand, die durch diese oder jene Taste zweck-mäßig die menschliche Seele in Vibration bringt.«

Wassily Kandinsky: Über das Geistige in der Kunst. Bern:Benteli, 10. Auflage, o. J. S. 64, 68.

190 Die Behandlungen wurden mit einer Bildbetrachtung(überwiegend Madonnenbilder von Raffael) in bestimmter Rei-henfolge direkt vor dem Aufenthalt in der Kammer eingeleitet,teilweise wurden vor oder während des Kammeraufenthaltes ein-zelne Töne oder Melodien (Harmonium, Glocken) angestimmt.

Rudolf Steiner: Farbenerkenntnis: Ergänzungen zu demBand «Das Wesen der Farben». GA 291a. Dornach: RudolfSteiner Verlag, 1990. S. 470 ff.

Die Pionierleistungen der anthroposophischen Kunstthera-pie für den deutschsprachigen Raum sind unbestritten. So wur-de der Begriff »Kunsttherapie« oder »Künstlerische Therapie«im 20. Jahrhundert zuerst von anthroposophischer Seite ge-braucht: In den Jahren von 1930 bis 1935 erschienen in der Zeit-schrift Natura ausführliche Aufsätze der anthroposophischen

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Ärztin Margarethe Hauschka »Zur künstlerischen Therapie«.Und selbst das Berufsbild des Kunsttherapeuten wurde von demAnthroposophen Siegfried Pütz konzipiert, dem Begründer derFreien Kunststudienstätte Ottersberg, der die erste Berufsbe-schreibung für die amtlichen »Blätter zur Berufskunde« der deut-schen Arbeitsämter verfasste. Die Fachhochschule Ottersberg istgegenwärtig die größte europäische Ausbildungsstätte für Kunst-therapie.

191 Mehrere Augenzeugenberichte über die Farbkammer-Therapie haben sich erhalten, aus ihnen den geht jedoch nichteindeutig hervor, welche verschiedenen Rollen die Transparentespielten. Die Berichte sind abgedruckt in: Rudolf Steiner: Far-benerkenntnis: Ergänzungen zu dem Band «Das Wesen der Far-ben». GA 291a. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1990. S. 467 ff.

192 Nach Erinnerungsnotizen von Hilde Boos-Hamburger,der Dr. Felix Peipers im Jahre 1911, als sie längere Zeit im Hau-se Peipers lebte, den Verlauf der farbigen Behandlung erklärthatte und bei einer Erkrankung bei ihr durchgeführt hatte.

Rudolf Steiner: Farbenerkenntnis: Ergänzungen zu demBand «Das Wesen der Farben». GA 291a. Dornach: Rudolf Stein-er Verlag, 1990. S. 473.

193 Für das Farbverständnis und Farberlebnis Steiners spieltder Begriff des »Astralischen« eine wesentliche Rolle. Die Be-griffe »Physischer Leib – Ätherleib – Astralleib – Ich« werdenin seinen Werken Theosophie und Geheimwissenschaft im Um-riss im Sinne einer anthroposophischen Anthropologie als grund-legende Begriffe eingeführt. Materiell und mit körperlichen Sin-nen wahrnehmbar sei allein der physische Leib des Menschen;übersinnlich wahrnehmbar sei der Ätherleib, der als »unsicht-barer Architekt« das materielle Formgefüge, die vegetativen, phy-siologischen Prozesse steuere; ebenfalls nur übersinnlich wahr-nehmbar sei der Astralleib, als seelischer Träger der menschli-chen Triebe, Empfindungen und Gefühle; unsichtbar sei weiterder geistige Wesenskern Menschen, das Ich. Die seelisch-geisti-gen Vorgänge des Fühlens und Denkens seien für die hellseheri-sche Beobachtung in einer Farbenaura beobachtbar. Über die ver-schiedenen übersinnlichen Farbenarten siehe vor allem in derTheosophie das Kapitel Von den Gedankenformen und dermenschlichen Aura.

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194 Rudolf Steiner: Wo und wie findet man den Geist? Acht-zehn öffentliche Vorträge gehalten zwischen dem 15. Oktober1908 und dem 6. Mai 1909 im Architektenhaus zu Berlin. GA57. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1961. S. 207.

195 Rudolf Steiner: Wesen und Bedeutung der illustrativenKunst. Dornach: Sektion für redende und musische Künste, 1940.S. 16.

Bemerkenswert ist, dass Steiner in seinem ersten Kongress-vortrag in München seine Philosophie der Freiheit als Anlei-tungsbuch für die Rosenkreuzerschulung bezeichnete: »Studi-um im Rosenkreuzersinne ist nicht das, was im gewöhnlichenLeben Studium genannt wird. Im Rosenkreuzersinne ist es das,was man eigentlich nennen müßte: leben im reinen Gedanken.Was das heißt, ist von vornherein gar nicht so leicht zu fassen.Gerade Hegel wiederum hat sich sein ganzes Leben hindurchbemüht, den Deutschen beizubringen, was es heißt: leben imreinen Gedanken. Und zehn Jahre nach seinem Tode war es ganzvergessen, was Hegel zur Vertiefung der Deutschen gebracht hat.Heute sind wir noch nicht so weit, daß Hegel wiederum verstan-den würde. Und doch wären seine Werke ein gutes Mittel, zuzeigen, was es heißt, im reinen sinnlichkeitsfreien Gedanken zuleben. Die neueren Philosophen, zum Beispiel Eduard von Hart-mann, leugnen es überhaupt, daß wir uns einen Gedanken bil-den können, der nicht von der Sinnlichkeit beeinflußt ist. Manhat darauf geschworen, daß nichts im Intellekt ist, was nicht inden Sinnen war. Was nicht von den Sinnen sei, das sei nichtreal. Wären diese Worte wahr, so gäbe es keine Mathematik. DieGnostiker nannten das Geistesleben eine «Mathesis», nicht weilsie sich eine Mathematik darunter vorstellten, sondern weil esauf den höheren Ebenen ein reines Denken und Erkennen gibt,wie es in der Mathematik, in bezug auf Formen, ein sinnlich-keitsfreies Denken gibt. Dieses reine Denken geht nicht von Ge-genständen aus, sondern flutet von Gedanken zu Gedanken. Fürdie, welche sich einleben wollen in ein ganz sinnlichkeitsfreiesDenken, versuchte ich ein Buch zu schreiben wie das meiner«Philosophie der Freiheit». Es ist kein persönliches Werk. Es istso entstanden wie ein Organismus: es ist ein Gedankenorganis-mus, und eine Anleitung für das, was man im Rosenkreuzersin-ne Studium nennt.«

Rudolf Steiner: »Die Einweihung des Rosenkreuzers«, in:Bilder okkulter Siegel und Säulen. Der Münchner Kongress

300

Pfingsten 1907 und seine Auswirkungen. GA 284. Dornach:Rudolf Steiner Verlag, 1977. S.48-49.

196 Da sich Peipers mit der Skizze, die vermutlich nach demVorbild einer Zeichnung von Steiner angefertigt wurde, an dendamaligen Architekten Schmid-Curtius wandte, nehme ich an,dass die Entwurfsskizzen Steiners sich in den Händen des Ar-chitekten befanden. Das erhaltene Blatt Peipers vermerkt unter-halb des Datums (28. 4. 1911?) eine römische Eins, weshalbman annehmen kann, dass es das erste von zwei oder mehrerenBlättern war. Dass eine Entwurfsskizze Steiners vorhanden war,kann nicht mit Sicherheit behauptet werden, aber die Komposi-tion der Abfolge im Bogen, mit ihren gegenseitigen Entspre-chungen (»innen« – »außen«) trägt m. E. die HandschriftSteiners, der in der Regel auch bei weniger komplexen Formge-bungen seine Entwürfe zu skizzieren pflegte.

Die Skizze Peipers ist abgedruckt in: Rudolf Steiner: Far-benerkenntnis: Ergänzungen zu dem Band «Das Wesen der Far-ben». GA 291a. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1990. S. 459.

197 Siehe Roswitha Bader, Peter Baukus, Andreas Brennen-stuhl: Kunst und Therapie: Eine Einführung in Geschichte, Me-thode und Praxis der Kunsttherapie. Nürtingen: Verlag der Stif-tung für Kunst und Kunsttherapie Nürtingen, 1999. Abb. S. 61.

In dieser Publikation werden diverse kunsttherapeutischeAnsätze auch mehrere anthroposophische vorgestellt, darunterdie »Farbkammer- und Farblichttherapie« mit einem eigenen Ka-pitel.

198 Aus der Abendansprache Rudolf Steiners zur Einwei-hung des Stuttgarter Zweighauses am 15. Oktober 1911: »Wirsind in diesem Raum in der Hauptsache von einem [blauen] Far-benton umgeben, der für diesen Raum angewendet worden ist.Daß es uns auf Farbenabstimmungen ankommt in mancher Hin-sicht, das werden Sie auch gesehen haben aus der Art und Wei-se, wie wir uns bemühten, die Mysterienaufführungen einzuklei-den und auch aus der Farbengebung sonstiger Räume, die wirder theosophischen Betrachtung haben widmen können. Nun istes durchaus nicht gleichgültig, von welchem Farbenton des ab-gegrenzten Raumes der Mensch in irgendeiner Verfassung sei-ner Seele umgeben ist. Und weiterhin ist es nicht gleichgültig,welcher Farbenton in der Hauptsache auf einen Menschen von

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diesem oder jenem Temperament, Intellektualität, Charakterwirkt. Auch ist es nicht gleichgültig für die gesamte Menschen-organisation, ob irgendein Farbenton lange Zeit in oft und oftwiederkehrender Wiederholung wirkt, oder ob er nur vorüberge-hend wirkt. Sie werden sich erinnern, daß wir jenen Saal, deruns 1907 für den Kongreß diente, mit einem gewissen roten Far-benton auskleideten. Da durfte nicht der Schluß gezogen wer-den, daß wir auf die rote Farbe schwören als richtige räumlicheUmkleidung. Diesen Raum hier haben wir mit einem anderenGrundton ausgekleidet [blau]. Und wenn wir nach den Gründenfragen, so erhalten wir die Antwort: jener Saal in München dienteeinige Tage hindurch einer besonders festlichen Gelegenheit,einem in ein paar Tagen vorüberrauschenden Ereignis und soll-te die Stimmung hervorrufen, die diesem Umstande angemessenwar. Hier haben wir einen Arbeitsraum; er soll dazu bestimmtsein, daß unsere Stuttgarter Freunde immer wieder und wiedervon Woche zu Woche hier ihre theosophischen Betrachtungenund Arbeiten vollbringen. Im wesentlichen haben wir es mit ei-nem Raum für Betrachtungsversammlungen, die immer wieder-kehren, zu tun.«

Rudolf Steiner: Bilder okkulter Siegel und Säulen. DerMünchner Kongress Pfingsten 1907 und seine Auswirkungen.GA 284. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1977. S. 148.

»Der Okkultist weiß, daß das Rot eine besondere Wirkungauf die gesunde Seele hat. Es löst in der gesunden Seele die ak-tiven Kräfte aus, diejenigen Kräfte, welche zur Tat anspornen,diejenigen Kräfte, welche die Seele aus der Bequemlichkeit indie Unbequemlichkeit des Tuns versetzen. Ein Raum mit Feier-tagsstimmung muß rot austapeziert sein. Wer ein Wohnzimmerrot austapeziert, der zeigt, daß er keine Feiertagsstimmung mehrkennt und die rote Farbe profaniert.«

Ebenda: S.72.

199 Assja Turgenieff: Erinnerungen an Rudolf Steiner unddie Arbeit am ersten Goetheanum. Stuttgart: Freies Geistesleben,1993. S. 35. Differenzierte Farbangaben für die Räume der pri-vaten Wohnhäuser Duldeck und Vreede finden sich bei Erich Zim-mer: Rudolf Steiner als Architekt von Wohn- und Zweckbauten.Stuttgart: Verlag Freies Geistesleben, 1971. S. 87 und 107.

Haus Duldeck: »Die Innenräume sind farbig behandelt, heutemeist renoviert, wobei vielleicht nicht überall die ursprünglichen

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Farben beibehalten wurden. Man kann annehmen, daß die Farben-wahl für die verschiedenen Räume auf Angaben Rudolf Steinerszurückgeht. Das Wohnzimmer ist in dunklem Indigoblau gehal-ten, die Bibliothek in einem leuchtenderen Blau, Küche, Anrich-te, Bäder in hellem Beige, die Verkehrsräume, Vorplatz, Trep-penhaus, Flur in Orange, die Räume des Obergeschosses in Lila,der große Mittelraum des Erdgeschosses in hellem Rosa. Das mitt-lere hintere Zimmer des Obergeschosses war in einem früherenZustand rot gehalten. Die lasierende Methode wurde noch nichtangewendet, jedoch wurden bereits Versuche in dieser Richtunggemacht.«

Haus Vreede: »Wie im Haus Duldeck erhielt der Vorraummit Treppe wie-der eine orangene Farbgebung. Das Zimmer vonE. Vreedes Mutter bekam ein Violett, das Wohnzimmer ein dunk-leres Violett, das Zimmer von E. Vreede selbst ein kräftiges Blau,alle anderen Zimmer wie auch die Küche bekamen blaue Töne.«

200 Beide Aquarelle befinden sich im Archiv am Goethea-num. Sie werden hier meines Wissens zum erstenmal veröffent-licht.

201 Es handelt sich um die schon weiter unten zitierten Ausfüh-rungen:

»Wer den Zusammenhang der geistigen Tatsachen erken-nen und zu beurteilen vermag, der weiß ganz gut, daß Sitten,Gewohnheiten, Seelenneigungen, gewisse Beziehungen des Gu-ten und des Bösen eines Zeitalters davon abhängen, wie die Din-ge beschaffen sind, an denen wir vom Morgen bis zum Abendvorbeigehen, unter denen wir vom morgen bis zum Abend sind.Was die Menschen der heutigen Zeit vom Morgen bis zum Abendzumeist umgibt, das ist - verzeihen sie den harten Ausdruck -oftmals haarsträubend. Um nichts kümmert sich der Mensch heuteoft weniger als um das, was den Tag über in seiner Umgebungist! Hat er sein Urteil, sein Auge, seinen Geschmack dabei, wieman seinen Tisch, seinen Stuhl gestaltet? Das Unmöglichste aufdiesem Gebiet ist heute möglich. Von unseren Fabriken werdenirgendwelche Verzeichnisse ausgegeben: so und so sind Stühlegeformt, so und so sind Tische geformt. Und in den meisten Fäl-len, wenn einem das nicht gefällt, was ein abstrakter, unprakti-scher Geschmack in tausenden und tausenden Exemplaren in dieWelt hinausschickt, wird man zur Antwort bekommen: Ja ande-res kann man eben nicht haben! – Die Menschen merken nicht,

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dass sie in dem Augenblick anderes haben würden, wenn sie nuranderes haben wollten. Der einzelne vermag dabei natürlich we-nig. Aber diejenigen Gesellschaften, die gemeinsame Ideale pfle-gen, sollten auch darauf halten, daß in dem, was sie umgibt, einAusdruck ist davon, was in ihren Herzen, in ihrem Urteil lebt.[...] Das, was geistig lebt, kann sich nämlich durchaus in denFormen, in den Farben unserer Umgebung ausprägen und unswieder entgegentreten in dem, was wir um uns herum wahrneh-men. Was um uns herum ist, kann in einer gewissen Beziehungein Echo sein dessen, was wir in unseren Seelen und in unserenHerzen empfinden. In dieser Beziehung soll Theosophie immermehr unser ganzes Kulturleben durchdringen, eben durchausLebensblut unserer geistigen Entwickelung werden. Man kannin dieser Beziehung sagen, daß unser höchstes Ideal gerade mitdem zusammenhängt, was wir auf Schritt und Tritt im Leben umuns herum haben.«

Rudolf Steiner: Bilder okkulter Siegel und Säulen. DerMünchner Kongress Pfingsten 1907 und seine Auswirkungen.GA 284. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1977. S. 125-126.

202 Assja Turgenieff: Erinnerungen an Rudolf Steiner unddie Arbeit am ersten Goetheanum. Stuttgart: Freies Geistesle-ben, 1993. S. 34-35.

203 Rudolf Steiner: Farbenerkenntnis: Ergänzungen zu demBand «Das Wesen der Farben». GA 291a. Dornach: Rudolf SteinerVerlag, 1990. S. 207.

204 Alexander Strakosch: Lebenswege mit Rudolf Steiner. Er-innerungen. Dornach: Philosophisch-Anthroposophischer Ver-lag, 1994. S. 141.

205 Marie Steiner zitiert aus: Hella Wiesberger: Marie Steiner-von Sivers: Ein Leben für die Anthroposophie. Dornach: RudolfSteiner Verlag, 1988. S. 317.

206 Rudolf Steiner: Das Wesen der Farben. GA 291 Dorn-ach: Rudolf Steiner Verlag, 1973. S. 99.

207 Rex Raab: Freie Waldorfschule Engelberg: EinheitlicheVolks- und höhere Schule. Bedeutung und Aufgabe der Farbe im

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Schulbau. Sonderdruck aus „DAS DEUTSCHE MALERBLATT“40. Jahrgang, Heft 17. Stuttgart: DVA. S. 930.

208 Nachstehend füge ich diejenigen Sätze an, die dem obenZitierten unmittelbar vorangingen und die einen »ikonologi-schen« Gesichtspunkt der Kunstauffassung Steiners hervortre-ten lassen:

»Nur auf dem Boden eines sich selbst verwaltenden Geis-teslebens kann zum Beispiel auch wirkliche Kunst gedeihen. Undwirkliche Kunst ist Volkssache; wirkliche Kunst ist im eminen-testen Sinne etwas Soziales. Derjenige, der den griechischen,den romanischen, den gotischen Baustil studiert in dem Sinne,wie das heute oftmals geschieht, der weiß über das, was in Be-tracht kommt, im Grunde genommen noch recht wenig. Erstderjenige kennt, was im griechischen, im romanischen, im goti-schen Baustil liegt, welcher weiß, wie die ganze soziale Strukturder Zeit, als diese Stile herrschten, in Formen, in Linienfüh-rung, in Abbildlichkeit innerhalb dieser Stile zu sehen war, wiedie Kunst fortschwang in den menschlichen Seelen. Was derMensch im Alltag tat, bis in die Fingerbewegung hinein, warein Fortschwingen desjenigen, was er sah, wenn er diese Dingebetrachtete, die ihm die Möglichkeit boten, die wirklich realeWesenheit, sagen wir, eines Baustiles in sich aufzunehmen. Manbedarf heute der Einsetzung der Ehe zwischen Kunst und Le-ben, die aber nur auf dem Boden eines freien Geisteslebens ge-deihen kann.«

Rudolf Steiner: Geisteswissenschaftliche Behandlung sozi-aler und pädagogischer Fragen. GA 192. Dornach: RudolfSteiner Verlag, 1964. S. 137.

209 Ebenda. Übrigens erweist gerade der letzte Satz von der»unnötigen Luxuskunst neben einer barbarischen Gestaltung un-serer Lebensumgebung« wie nahe Steiners Auffassungen denenvon Hannes Meyer am Bauhaus waren, der die Devise »Volksbe-darf statt Luxusbedarf« formulierte.

210 Zitiert nach Rex Raab: Die Waldorfschule baut: 60 Jah-re Architektur der Waldorfschule. Stuttgart: Freies Geistesleben,1982. s. 29.

Raab nennt zentrale 14 Motive des Waldorfschulkonzepts,die er jeweils kommentiert und von mir nur als Überschriften

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(teilweise verkürzt) wiedergegeben werden. Das für den hier be-handelten Zusammenhang wichtigste ist das vierzehnte Motiv.

1. Zwölf volle Schuljahre für alle jungen Menschen. 2. Wis-senschaft, Kunst und körperliche Erziehung in einem ausgewo-genen Verhältnis (deshalb erscheinen Waldorfschulen kunst- undhandwerksbetont gegenüber anderen Schulkonzepten). 3. Zu-gangsmöglichkeiten für alle gesellschaftlichen Schichten und allegeistigen und manuellen Veranlagungen. Kein Sitzenbleiben. 4.Koedukation. 5. Berücksichtigung der ethnischen Hintergrün-de, vor allem der religiösen Freiheit. 6. Methodenschule, nichtWeltanschaungsschule. 7. Öffentlichkeit (des Konzepts als Mo-dellschule). 8. Vorschul- und Nachschulbetreuung. 9. Schule, ver-standen als Organ eines freien (autonomen) Geisteslebens. 10.Wirtschaftliche Basis (skizziert Steiners politisches Dreigliede-rungskonzept). 11. Zusammenwirken von Lehrern und Eltern.12. Kollegiale Selbstverwaltung. 13. Schule als Kulturzentrum.14. Ein architektonisches Schulmilieu im Sinne der Integrationder Künste, das der pädagogischen Arbeit entspricht, sie be-gleitet und unterstützt.

211 Das Zitat mit etwas mehr Kontext: »In der äußeren phy-sischen Vollendung des Menschen, was ist da der übersinnlicheMensch? Wo tritt uns noch eine Andeutung entgegen von demüberphysischen Menschen in dem äußeren physischen Menschen?Nirgends anders als da, wo der Mensch dem Worte das einver-leibt, was in seinem Innern lebt, wo er spricht, wo das Wort Weis-heit und Gebet wird und – ohne die gewöhnliche oder irgendei-ne sentimentale Nebenbedeutung dieser Worte – in der Weisheitund im Gebete dem Menschen[leibe] sich anvertrauend, Welten-rätsel umhüllt! Das Wort, das in dem Menschen Fleisch gewor-den ist, das ist der Geist, das ist die Spiritualität, die sich aus-drückt auch im physischen Menschen. Und wir werden entwe-der den Bau schaffen, den wir schaffen sollen oder wir werdendies nicht tun, sondern es zukünftigen Zeiten überlassen müs-sen. Wir werden es tun, wenn wir in der Lage sind, unserenInnenraum zum ersten Male in entsprechender Weise zu gestal-ten, so vollkommen als es heute geht, ganz abgesehen davon,wie der Bau nach außen sich darstellen wird. Da könnte er vonallen Seiten mit Stroh umhüllt sein – das ist ganz gleichgültig.Der äußere Anblick ist für die äußere profane Welt da, die dasInnere nichts angeht. Der Innenraum wird das sein, um was essich handelt.«

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Rudolf Steiner: Wege zu einem neuen Baustil. Vortrag vom12.12.1911. GA 286. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1982. S.25.

Eine weitere, rückblickende Aussage Steiners von 1919über die gescheiterte Münchner Bauinitiative: » In München sollteer dann so gehalten sein, daß er eigentlich nur den Gedankeneiner Innenarchitektur notwendig gemacht hätte. Denn der Bausollte umgeben sein von einer Anzahl von Häusern, die bewohntworden wären von Freunden, welche die Möglichkeit gehabt hät-ten, sich dort anzusiedeln. Diese Häuser hätten den Bau umrahmt,der möglichst unansehnlich hätte aussehen können, weil man ihnunter den Häusern nicht gesehen hätte. So war der ganze Bau alsInnenarchitektur gedacht. Innenarchitektur in solchem Falle hatnur einen Sinn, wenn sie eine Umrahmung, eine Einfassung des-sen ist, was drinnen geschieht. Aber sie muß es künstlerisch sein.Sie muß wirklich das - nicht jetzt abbilden, sondern künstlerischzum Ausdruck bringen, was dadrinnen geschieht. Deshalb habeich vielleicht trivial, aber doch nicht unzutreffend, denArchitekturgedanken unseres Baues immer mit dem Gedankeneines «Gugelhupfs», eines Topfkuchens, verglichen. Den Kuchen-topf macht man, daß der Kuchen darin gebacken werden kann,und die Form, der Gugelhupftopf, ist dann richtig, wenn sie denKuchen in richtiger Weise umfaßt und werden läßt. Dieser«Gugelhupftopf» ist hier die Umrahmung des ganzen Betriebesunserer Geisteswissenschaft, unserer geisteswissenschaftlichenKunst und alles dessen, was drinnen gesprochen und gehört undempfunden wird. Dies alles ist der Kuchen, und alles andere istder Topf, und das mußte in der Innenarchitektur zum Ausdruckkommen.«

Rudolf Steiner: Erdensterben und Weltenleben. Anthro-posophische Lebensaufgaben. Bewußtseins-Notwendigkeiten fürGegenwart und Zukunft. Einundzwanzig Vorträge, Berlin 1918.GA 181. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1967.

212 Rudolf Steiner: Bilder okkulter Siegel und Säulen. DerMünchner Kongress Pfingsten 1907 und seine Auswirkungen.Vortrag vom 5.5.1909. GA 284. Dornach: Rudolf Steiner Verlag,1977. S. 141.

213 Die erhaltenen Schwarzweiß-Fotografien zeigen klar ab-gestufte Grautöne und lassen zusammen mit überlieferten For-mulierungen wie »Der Veranstaltungsraum war einheitlich blau«

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nur diesen Schluss zu. Vermutlich war auch der Fußboden blau.Möglicherweise gab es neben blauen Fensterscheiben (?) rotesFensterglas im roten Vorraum, weil Steiner in seinem Abendvor-trag anlässlich der Einweihung über die Wirkungen der Raum-farben sprach, u.a. auch über diejenige von durchsichtigem leuch-tendem Rot. Möglicherweise gab es sogar im Saal selbst roteGlaselemente in den relativ aufwändig gestalteten Fenstern.

214 Rudolf Steiner: Bilder okkulter Siegel und Säulen. DerMünchner Kongress Pfingsten 1907 und seine Auswirkungen.Vortrag vom 5.5.1909. GA 284. Dornach: Rudolf Steiner Verlag,1977. S. 95.

215 Rudolf Steiner: Mysterienstätten des Mittelalters, Ro-senkreuzertum und modernes Einweihungsprinzip. Vortrag vom12.Januar 1924. GA 233a. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1980.S. 73.

216 Rudolf Steiner: Wege zu einem neuen Baustil. Vortragvom 12.12.1911. GA 286. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1982.S. 25.

217 Erich Zimmer: Der Modellbau von Malsch und das ers-te Goetheanum. Stuttgart: Verlag Freies Geistesleben, 1979.

218 Rudolf Steiner: Bilder okkulter Siegel und Säulen. DerMünchner Kongress Pfingsten 1907 und seine Auswirkungen.Vortrag vom 5.5.1909. GA 284. Dornach: Rudolf Steiner Verlag,1977. S. 112.

219 Ebenda S. 112.

220 Die Stühle für den oberen Saal waren blau gebeizt, wahr-scheinlich waren die neuen Stühle mit runder Lehne für den ro-ten Säulensaal rot gebeizt. Warum nochmals zwei Stühle mit ecki-ger Lehne? Möglicherweise wollte man zwei rote »Wächterstühle«bestellen, die vor dem Säulensaal aufgestellt gewesen wären.Ich habe diese Zeichnung im Archiv am Goetheanum entdeckt.Sie wird hier erstmals publiziert.

221 Am Stuttgarter Bau wurden vermutlich erstmals innen-architektonische Konzepte für die Architektur maßgebend. Jenach Definition und Anwendung des Begriffs Innenarchitektur

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kann sich die Korrespondenz und Einflussnahme der Innenar-chitektur auf die Architektur schon im Planungsprozess geltendmachen oder sie kann lediglich als nachträgliches Einrichtenschon bestehender Architektur verstanden werden.

222 Erich Zimmer: Rudolf Steiner als Architekt von Wohn-und Zweckbauten. Stuttgart: Verlag Freies Geistesleben, 1971.

223 Was dem Autor nicht als Mangel an Stringenz ausgelegtwerden möge.

224 Mit einer »ersten« Gegenstandserfassung meine icheinerseits, der erste zu sein, der sich mit der hier versuchtenGründlichkeit dem Thema gewidmet hat, aber andererseits aucheine erste Erfassung im Sinne von anfänglich, da ich weder Zeitnoch Mittel zur Verfügung hatte, um eine wirklich archivarischeGegenstandserfassung aller Details leisten zu können.

225 Sprichwörtliches wie »Wer zu den Bänken nicht gebo-ren ist, soll um den Stuhl bitten« findet man im GrimmschenWörterbuch. Anmerkungen zum Stuhl bzw. Faldistorium als herr-schaftliche Insignie siehe Franz Windisch-Graetz: MöbelEuropas. Von der Romanik bis zur Spätgotik: Mit einem Rück-blick auf Antike und Spätantike. München: Klinkhardt & Bier-mann, 1982. S. 31. Siehe auch den Aufsatz von WolfgangSchepers über die »Sitzreglementierungen in der höfischen Ge-sellschaft« in Michael Schwarz; Michael Andritzky (Hrg.): z.B.Stühle: Ein Streifzug durch die Kulturgeschichte des Sitzens.(Werkbund-Archiv 8) Gießen: Anabas, 1987.

226 Rudolf Steiner: Die Weltgeschichte in anthroposophischerBeleuchtung. Vortrag vom 24.12.1923. GA 233. Dornach: RudolfSteiner Verlag, 1980. S. 18.

227 Dieses Thema wurde mit – für heutige Designbegriffe –teilweise absurd anmutenden Schlussfolgerungen in folgendemAufsatz ausführlich behandelt: E. C. Merry: Die Formen derMöbel, ihre Beziehung zu kosmischen Kräften und menschli-cher geistiger Betätigung. In: Natura, Zeitschrift zur Erweite-rung der Heilkunst nach geisteswissenschaftlicher Methode. 5.Jahrgang 1931/32. Arlesheim (Schweiz): Natura, 1981.

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228 Auffällig an beiden Stuttgarter Stühlen ist noch – waszumindest dem Kenner von Stuhlkonstruktionen ein Rätsel auf-gibt – das unscheinbare aber aufwändige Detail der kleinen senk-rechten Stege zwischen Tiefzargen und Seitenstegen (siehe dieabgebildeten Seitenansichten der Zeichnung).

229 Sonja Ohlenschläger behauptet in ihren Ausführungenzum Säulensaal: »Das für die Kuppel des Malscher Baus angege-bene Bildprogramm, der Tierkreis, wurde aus nicht nachvollzieh-baren Gründen nicht berücksichtigt.« Dieser Behauptung kannnicht zugestimmt werden, können doch auf den zwei erhaltenenund in dem entsprechenden Band der Gesamtausgabe abgebilde-ten Fotografien zwölf Teile des Tierkreises abgezählt werden,wenngleich auch höchst eigenwilligen Bildformen des »Tierkrei-ses« gewählt wurden. Karl Kemper sprach von »zwölf Sonnen-stimmungen«, die im Stuttgarter Säulensaal in Gold an der De-cke gemalt gewesen seien. Welche Rolle das von Ohlenschlägerallein genannte Viergetier in Verbindung mit dem Tierkreis spielt,mag ein Satz aus der anthroposophischen Studie »Tierkreis undMenschenwesen« zeigen: »Das astralische Kreuz, das die Stern-bilder des Viergetiers umfaßt, bildet [...] das Grundgerüst des gan-zen Tierkreises.« (Bei dem von Luther sogenannten Viergetierhandelt es sich um eine Vison des Propheten Ezechiel).

Michael Aschenbrenner: Tierkreis und Menschenwesen.Studienmaterial der Freien Hochschule für Geisteswissenschaf-ten am Goetheanum. Dornach: Philosophisch-AnthroposophischerVerlag am Goetheanum, 1972. S. 26.

Hilde Raske (Hrg.): Der Bau: Studien zur Architektur undPlastik des ersten Goetheanum von Carl Kemper. Stuttgart: Frei-es Geistesleben, 1966. S. 108.

Sonja Ohlenschläger: Rudolf Steiner (1861-1925): Das ar-chitektonische Werk. Petersberg: Imhof, 1999. S. 75.

230 Rudolf Steiner: Wege zu einem neuen Baustil. Vortragvom 28. 06. 1914 und 5. 07. 1914 GA 286. Dornach: RudolfSteiner Verlag, 1982. S.75. Der Titel des zweiten Vortrags lautet»Die wahren ästhetischen Formgesetze«.

231 Es gibt umfangreiche anthroposophische Literatur zu die-sem Thema. Die wichtigsten Werke Steiners:

Rudolf Steiner: Anthroposophie: Ein Fragment aus dem Jah-re 1910. GA 45. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1980.

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Rudolf Steiner: Von Seelenrätseln. GA 21. Dornach: RudolfSteiner Verlag, 1960.

Eine zentrale Vortragsreihe zur Sinneslehre:Rudolf Steiner: Anthroposophie - Psychosophie - Pneuma-

tosophie. Zwölf Vorträge, Berlin 1909-1911. GA 115. Dornach:Rudolf Steiner Verlag, 2001.

Ein Beispiel aus der Sekundärliteratur:Ernst Lehrs: Vom Geist der Sinne: Zur Diätetik des

Wahrnehmens. Frankfurt am Main: Vittorio Klostermann, 1982.

232 Rudolf Steiner: Wege zu einem neuen Baustil. Vortragvom 28. 06. 1914 GA 286. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1982.S. 81.

233 Rudolf Steiner: Die wahren ästhetischen Formgesetze.In Wege zu einem neuen Baustil. Vortrag vom 5. 07. 1914 GA286. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1982. S. 91.

234 Rudolf Steiner: Erziehungskunst: Methodisch-Didakti-sches. GA 294 Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1966. S. 42.

235 Die Unterseiten der Stühle zeigen am Kernstuhl blaueBeizspuren und die eingestemmten Reststücke der abgesägten,kleinen senkrechten Stege, wie sie sich an den Saalstühlen be-fanden. Deshalb wird es sich kaum um nachbestellte Rohlingefür einen Applikationsstuhl gehandelt haben, zumal man diesegleich mit der richtigen Lehne hätte versehen lassen können.

236 Rudolf Steiner: Der Jahreskreislauf als Atmungsvorgangder Erde und die vier großen Festeszeiten. Die Anthroposophieund das menschliche Gemüt. Vortrag vom 27.9.1923 in Wien.GA 223. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1985. S. 101.

237 Leo Bruhns: Geschichte der Kunst an ihren Meisterwer-ken dargestellt. Buch I/II: Antike und frühes Mittelalter.Hamburg: Standard-Verlag, 1954. S. 38.

238 Andrej Belyj: Verwandeln des Lebens. Basel: ZbindenVerlag, 1977. S. 335.

239 »Über die Notwendigkeit des Konkret-Künstlerischen«Stil I, Heft 4, 1980, S. 20.

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240 Hella Krause-Zimmer: Hermann Ranzenberger: Ein Le-ben für den Goetheanum-Bauimpuls. Mit den Korrekturbeispie-len Rudolf Steiners. Dornach: Philosophisch-AnthroposophischerVerlag am Goetheanum, 1995. S. 41.

241 Ebenda S. 32.

242 Ebenda S. 41.

243 Zitiert aus: Rex Raab: Möbel für Menschen am BeispielTisch und Stuhl. Sonderdruck aus der Fachzeitschrift der deut-sche schreiner, Heft 11/69.

244 Johann Wolfgang Goethe: Baukunst (1795), Handschriftaus dem Nachlass. Zitiert nach der Artemis TB Ausgabe von1977, S. 109-110.

245 In der Abbildung des Plans wurde die Umrisslinie derLehne vom Autor hervorgehoben.

246 Rudolf Steiner: Das Goetheanum in seinen zehn Jahren.II 23-26, 14. Jan., 4. u. 18. Feb., 4. u. 18. März 1924. In: Der Goetheanumgedanke inmitten der Kulturkrisis der Ge-

genwart. Gesammelte Aufsätze 1921-1925 aus der Wochenschrift„Das Goetheanum“. GA 36. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1961.S. 314.

247 Rudolf Steiner: Der Baugedanke des Goetheanum.Lichtbildervortrag vom 29. Juni 1921. GA 289/290 (geplant).Dornach: Verlag am Goetheanum, 1986. S. 42 zu Bild 120.

248 Rudolf Steiner: Der Baugedanke des Goetheanum. Vor-trag vom 29. Juni 1921. GA 289/290 (geplant). Dornach: Verlagam Goetheanum, 1986. S. 46

249 Rudolf Steiner: Natur- und Geistwesen, ihr Wirken inunserer sichtbaren Welt. Vortrag vom 9.6.1908. GA 98 Dornach:Rudolf Steiner Verlag, 1983. S. 243.

250 Von dem Herausgeber der in Buchform publizierten Bilder-serie wurde die »intensive« Mitwirkung Steiners hervorgehoben.Hermann Linde:Imagination. Goethes »Märchen von der grünen

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Schlange« verwoben mit Rudolf Steiners »Pforte der Einweihung«in einer Folge von 12 farbigen Bildern. Dornach: Verlag WalterKeller, 1988. S. 56.

251 Im Aufsatz Zwölf Throne. meint Martin Barkhoff: »Die-ser Gebrauch des Hammers war ein Grundelement der kultischenEsoterik Rudolf Steiners [...]«

Martin Barkhoff: Zwölf Throne. Das Urbild des Zusammen-wirkens im Ersten Goetheanum. In der Wochenschrift Das Goe-theanum. Nr. 39, 26.11.1993. S. 395.

252 Rudolf Steiner: Das Goetheanum in seinen zehn Jahren.II 23-26, 14. Jan., 4. u. 18. Feb., 4. u. 18. März 1924. In:

Der Goetheanumgedanke inmitten der Kulturkrisis der Gegen-wart. Gesammelte Aufsätze 1921-1925 aus der Wochenschrift„Das Goetheanum“. GA 36. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1961.S. 321.

253 Rudolf Steiner: Okkultes Lesen und okkultes Hören. GA156. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1987. S.109.

254Angaben nach Carl Kemper: Der Bau: Studien zur Archi-tektur und Plastik des ersten Goetheanum. Stuttgart: Verlag FreiesGeistesleben, 1984. S. 106.

255 »Christus-Sonne«: ein Ausdruck Rudolf Steiners. RudolfSteiner: Wahrspruchworte. GA 40. Dornach: Rudolf Steiner Ver-lag, 1961. S. 185.

256 Ausführliche Untersuchungen zum Grundriss hat CarlKemper angestellt. Vergleiche das Kapitel »Grundriß« in CarlKemper: Der Bau: Studien zur Architektur und Plastik des ers-ten Goetheanum. Stuttgart: Verlag Freies Geistesleben, 1984. S.187.

257 Siehe den Vortrag »Der Dornacher Bau – Ein Haus derSprache« in Rudolf Steiner: Wege zu einem neuen Baustil. GA286, Vortrag vom 7.6.1914. Dornach: Rudolf Steiner Verlag,1982. S. 74.

258 Rudolf Steiner: Okkultes Lesen und okkultes Hören. GA156. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1987. S.109

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259 Rudolf Steiner: Wege zu einem neuen Baustil. GA 286,Vortrag vom 7.6.1914. Donach: Rudolf Steiner Verlag, 1982. S.70.

260 Da von Rudolf Steiner keine Selbstinterpretationen desPultes vorliegen, enthalte ich mich der Interpretationen, wie siein anthroposophischen Kreisen kursieren, nach denen das Pultdem menschlichen Kehlkopf nachgebildet sei, – sowie jener In-terpretationen bzw. Projektionen, die einzig den Kanzel-Cha-rakter anthroposophischer Christus Verehrung oder einen faschis-toiden »Brutalismus« des Pultes erkennen möchten.

261 Hella Krause-Zimmer: Hermann Ranzenberger: Ein Le-ben für den Goetheanum-Bauimpuls. Dornach: Verlag am Goe-theanum, 1995. S. 81.

262 Marie Steiner in der Einleitung zu Rudolf Steiner: DieWeihnachtstagung zur Begründung der Allgemeinen Anthropo-sophischen Gesellschaft 1923/24. GA 260. Dornach: RudolfSteiner Verlag, 1985. S. 17.

263 In Frage käme auch noch der Architekt Schmid-Curtius.Eine eingehendere vergleichende Untersuchung der Bleistift-führungen und Papiere von jeweils signierten mit unsigniertenZeichnungen konnte ich leider nicht durchführen.

264 Hella Krause-Zimmer: Hermann Ranzenberger: Ein Le-ben für den Goetheanum-Bauimpuls. Dornach: Verlag am Goe-theanum, 1995. S. 74.

265 Ebenda S. 41.

266 In Dornach hörte ich eine vereinzelte Meinung, dass inder Veröffentlichung von Hella Krause-Zimmer, aus der die hierabgebildeten Zeichnungen entnommen sind, eine Verwechslungvorliege. Man hätte gar Vorschlag und Korrektur verwechselt undirrtümlicherweise die Vorschlagsversion statt der korrigierten Fas-sung gebaut. Das halte ich gerade in diesem Fall für höchst un-wahrscheinlich. Ich nehme an, dass Ranzenberger selbst den Baudes Schrankes veranlasst und beaufsichtigt hatte. Als Faktum fürdie Herstellung während der Anwesenheit Ranzenbergers in Dorn-ach scheinen mir die Farbreste eines rotvioletten Farbauftrags in

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den lichtgeschützten Türfälzen des Schrankes zu sprechen, diegleichfalls an Schränken für das Haus Duldeck festgestellt wer-den konnten und in beiden Fällen an den belichteten Flächengänzlich verblasst sind.

267 Rudolf Steiner: Wege zu einem neuen Baustil. GA 286,Vortrag vom 7.6.1914. Donach: Rudolf Steiner Verlag, 1982. S.71.

268 Hella Krause-Zimmer: Hermann Ranzenberger: Ein Le-ben für den Goetheanum-Bauimpuls. Dornach: Verlag am Goe-theanum, 1995. S. 110.

269 Rudolf Steiner: Okkultes Lesen und okkultes Hören. GA156. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1987. S. 167.

270 Rudolf Steiner: Der Baugedanke des Goetheanum. Vor-trag vom 29. Juni 1921. GA 289/290 (geplant). Dornach: Verlagam Goetheanum, 1986. S. 51-52.

271 Hella Krause-Zimmer: Hermann Ranzenberger: Ein Le-ben für den Goetheanum-Bauimpuls. Dornach: Verlag am Goe-theanum, 1995. S. 37.

272 Rudolf Steiner: Kunst im Lichte der Mysterienweisheit.Vortrag vom 29. 12. 1914. GA 275. Dornach: Rudolf SteinerVerlag, 1980. S. 40-41, 43.

273 Rudolf Steiner: Wahrspruchworte. GA 40. Dornach: RudolfSteiner Verlag, 1961. S. 75.

Der Spruch könnte durchaus korrespondierend zu dem Bild-programm des Rosa Fensters gelesen werden:

Wintersonnenwende

Die Sonne schaueUm mitternächtige Stunde.Mit Steinen baueIm leblosen Grunde.

So finde im NiedergangUnd in des Todes NachtDer Schöpfung neuen Anfang,Des Morgens junge Macht.

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Die Höhen laß offenbarenDer Götter ewiges Wort;Die Tiefen sollen bewahrenDen friedevollen Hort.

Im Dunkel lebendErschaffe eine Sonne.Im Stoffe webendErkenne Geistes Wonne.

274 »Geistige Bilder sind es also, welchen der Menschzunächst auf seiner Bahn zur höheren Welt begegnet. Denn dieWirklichkeit, welche diesen höheren Bildern entspricht, ist ja inihm selbst. Reif muß demnach der Geheimschüler sein, um aufdieser ersten Stufe nicht derbe Realitäten zu verlangen, sonderndie Bilder als das Richtige zu betrachten. Aber innerhalb dieserBilderwelt lernt er bald etwas Neues kennen. Sein niederes Selbstist nur als Spiegelgemälde vor ihm vorhanden; aber mitten indiesem Spiegelgemälde erscheint die wahre Wirklichkeit des hö-heren Selbst. Aus dem Bilde der niederen Persönlichkeit herauswird die Gestalt des geistigen Ich sichtbar. Und erst von demletzteren aus spinnen sich die Fäden zu anderen höheren geisti-gen Wirklichkeiten.

Und nun ist die Zeit gekommen, um die zweiblätterige Lo-tusblume in der Augengegend zu gebrauchen. Fängt sie an sichzu bewegen, so findet der Mensch die Möglichkeit, sein höheresIch mit übergeordneten geistigen Wesenheiten in Verbindung zusetzen. Die Ströme, welche von dieser Lotusblume ausgehen, be-wegen sich so zu höheren Wirklichkeiten hin, daß die entspre-chenden Bewegungen dem Menschen völlig bewußt sind. Wiedas Licht dem Auge die physischen Gegenstände sichtbar macht,so diese Strömungen die geistigen Wesen höherer Welten.«

Rudolf Steiner: Wie erlangt man Erkenntnisse der höhererWelten? (1904/05). GA 10. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1992.S. 153-154.

275 Rudolf Steiner: Theosophie. Einführung in übersinnli-che Welterkenntnis und Menschenbestimmung. (1904). GA 9.Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1978. S. 125.

Rudolf Steiner: Menschheitsentwicklung und Christus-Er-kenntnis. GA 100. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1981. S. 50-53.

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276 Rudolf Steiner: Mythen und Sagen - Okkulte Zeichenund Symbole. Vortrag vom 14. September 1907. GA 101. Dorn-ach: Rudolf Steiner Verlag, 1987. S. 161.

277 Rudolf Steiner: Wege zu einem neuen Baustil. Vortragvom 1.1.1924. GA 286. S. 117. Dornach: Rudolf Steiner Verlag,1982.

Von symbolischen Darstellungen wie Rosenkreuz, Hexa-gramm, Pentagramm nahm Steiner in der Dornacher Zeit Ab-stand. Dazu Steiner:

»Denn glücklich werden wir uns schätzen, wenn wir denalten Unfug der Theosophen überwunden haben, der bei jedemMärchen, bei jeder Gestalt, bei jedem Mythus fragt: Was bedeu-tet dieses, was bedeutet das? - Unsere Formen sind alle real inder geistigen Welt, sie sind wirklich in der geistigen Welt vor-handen und bedeuten daher nur sich selbst und nichts anderes,sie sind keine Symbole, sondern geistige Realitäten. Sie finden,wenn Sie den ganzen Bau durchschauen, nirgends ein Penta-gramm, nirgends die Form eines Pentagramms, nirgends die Ver-anlassung zu fragen: Was bedeutet diese oder jene Form?Höchstens ganz dezent angedeutet, könnte man an einer Stelleein Pentagramm hineinsehen, aber nur mit demselben Recht,wie Sie in jeder fünfblättrigen Pflanze ein Pentagramm hinein-sehen können.«

Rudolf Steiner: Wie erwirbt man sich Verständnis für diegeistige Welt? GA 154. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1985. S.102.

Dass man das Pentagramm nur an einer Stelle am Bau desersten Goetheanums sehen könne, bezieht sich auf das Pentagonam hintersten Bühnenarchitrav über dem für den Menschheits-repräsentanten vorgesehenen Platz. Daneben war das Pentagrammmehrfach an den Glasfenstern als Sternmotiv zu finden.

278 Das Wechselverhältnis in der Wahrnehmung vonmenschlichem Körper und Architektur untersuchte beispielsweisedie »ästhetische Theorie in Form einer Psychologie«von MoritzGeiger:

»Ästhetisch hingegen ist der Körper in erster Linie ein ar-chitektonisches Gebilde; die ästhetische Anschauung bedarf nichtdes rechnenden Verstandes, um Kräfte und Kräftespannungen,Funktionen des Lastens und Tragens in ihm zu sehen; sie werdenästhetisch unmittelbar vorgefunden, angeschaut. In dem Gewicht

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der Arme liegen für unsere Auffassungen Kräfte, die nach untenziehen, wie in den Schultern haltende und tragende Kräfte. DerRumpf drückt nach dem Boden hin, in den Beinen halten em-porstrebende Kräfte diesem Druck stand. Zugleich aber beherrschtneben diesen Kräften der einzelnen Teile des Körpers eine Gesamt-tendenz den Körper als Ganzes: der Körper richtet sich auf. Er istnicht nur da, er steht aufgerichtet (im Gegensatz zu einem sich indie Breite erstreckenden Gegenstand, einer Truhe etwa, die fürunsere Auffassung zu liegen scheint), und dies sein Aufrichtenist energisch oder schwächlich, nachlässig oder gestrafft, lauterMomente, die über die stoffliche Materie hinausgehen. Es sinddies alles vitale Charakteristika, Lebensmomente.«

Moritz Geiger: Zugänge zur Ästhetik. Leipzig: Der NeueGeist Verlag, 1928. S.101

Der Architekturkritiker Hugo Kükelhaus ordnete das Bau-prinzip der tektonischen Verstrebung, wozu z.B. das Balkengefügedes Fachwerkbaus gehört, dem Skelett-Muskelsystem des mensch-lichen Körperbaus zu. Wir kennen den Entsprechungsaspekt desIneinandergefügtseins der Knochen des Skeletts und der Balkendes Fachwerkbaus, wie er namentlich in der sogenanntenSkelettbauweise zum Ausdruck kommt. Kükelhaus erweitert dieEntsprechung dieser Bauweisen auf die Bänder und Sehnen desKörpers: Der Bauten »strukturelle Sprache ähnelt in anatomi-scher Entsprechung den Bebänderungen der Sehnen« und meint,dass Körperbau und Baukörper sich einander – gleich resonie-renden Schall-Körpern – in Schwingung versetzen, wobei dasverbindende Medium die sinnliche Wahrnehmung im körperli-chen Umgang sei. Rhythmus werde durch Rhythmik erregt; Kör-per durch Körperhaftes; Balance durch Balancierendes.

Hugo Kükelhaus: Unmenschliche Architektur: Von der Tier-fabrik zur Lernanstalt. Köln: Gaia, 1983. S.37-38

279 Rudolf Steiner: Die Goetheanum Fenster: Sprache desLichts. (Text- u. Bildband). GA K12 Dornach: Rudolf Steiner Ver-lag, 1996. S. 17.

280 Rudolf Steiner: Wie erlangt man Erkenntnisse der höhe-rer Welten? (1904/05). GA 10. Dornach: Rudolf Steiner Verlag,1992. S. 117.

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281 Adrian Snodgrass: The Symbolism of the Stupa. New York:Cornell Southeast Asia Program, 1985. Kapitel: The Identity ofthe Stupa and the Buddha. S. 362.

282 Materialien finden sich u.a. bei: Marcus Frings: Menschund Maß: Anthropomorphe Elemente in der Architekturtheoriedes Quattrocento. Weimar: VDG, 1999. CD-ROM.

Paul von Naredi-Rainer: Architektur und Harmonie: Zahl,Maß und Proportion in der abendländischen Baukunst. Köln:DuMont,1982. S.16.

283 Einen Überblick geben: Edda Klessmann; HanneloreEibach: Wo die Seele wohnt: Das imaginäre Haus als Spiegelmenschlicher Erfahrungen und Entwicklungen. Bern: VerlagHans Huber, 1993.

284 Rudolf Steiner: Mysterienstätten des Mittelalters, Rosen-kreuzertum und modernes Einweihungsprinzip. GA 233a. Dorn-ach: Rudolf Steiner Verlag, 1980. S. 78-79.

285 Rudolf Steiner: Anthroposophische Leitsätze. (1924-1925). GA 26. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1982. S. 14.

286 Johann Wolfgang Goethe: Bildung und Umbildung orga-nischer Naturen. 1. Band der Naturwissenschaftlichen Schriften(1883). Nachdruck nach der Erstauflage in »Deutsche National-Litteratur« (1883-1897) hg. von Rudolf Steiner. Dornach: RudolfSteiner Verlag, 1973.

287 Erich Zimmer: Rudolf Steiner als Architekt von Wohn-und Zweckbauten. Stuttgart: Verlag Freies Geistesleben, 1971. S.62.

288 Rudolf Steiner: Wege zu einem neuen Baustil. Vortragvom 5.2.1913 GA 286. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1982. S.35.

289 Ebenda: S. 36.

290 Georg Hartmann: Goetheanum-Glasfenster. Dornach:Philosophisch-Anthroposophischer Verlag, 1971. S. 23-24.

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291 Rudolf Steiner: Mythen und Sagen - Okkulte Zeichen undSymbole. Vortrag vom 14. September 1907. GA 101. Dornach:Rudolf Steiner Verlag, 1987. S. 160.

292 Ebenda: S. 158.

293 Rudolf Steiner: Wahrspruchworte. Aus einem Notizbuchaus dem Jahre 1918. GA 40. Dornach: Rudolf Steiner Verlag,1961. S. 233.

294 Auf die Frage nach der damals technisch möglichgewordenen farbigen Reproduzierbarkeit der Goetheanum-Kuppelmalereien gab Steiner eine eigentümlich originelle Ant-wort: »Was da in der Kuppel aus den Farben heraus gemalt ist,das muß aus den Farben heraus gemalt verstanden werden. Ver-sucht man, das durch Photographie zu reproduzieren, so könntehöchstens etwas dabei herauskommen, wenn man es ebenso großmacht, als es da auf der Kuppel ist. Es handelt sich nicht darum,irgend etwas bloß zu reproduzieren. Je weniger entsprechend dieBilder sind denen von der Kuppel, desto besser ist es. DasSchwarz-Weiß weist dann nur darauf hin; das schreit nach derFarbe. Dieses unkünstlerische Reproduzieren, da würde ich michnie damit einverstanden erklären. Das ist alles Surrogat. Ich möch-te keine Farbenphotographie aus der Kuppelmalerei haben. DieReproduktion soll nicht für sich etwas sein. Ich möchte dies sohaben, daß dasjenige, worauf es nicht ankommt, gegeben wird.Es ist geradeso mit den Glasfenstern. Wenn Sie versuchen wür-den, durch Reproduktion etwas zu erreichen, würde ich mich da-gegen auflehnen. Diese Dinge muß man nicht versuchen,möglichst treu wiederzugeben. Es ist doch auch nicht wünschens-wert, daß man ein musikalisches Stück durch irgendeine täuschendnachahmende phonographische Platte wiedergibt. Ich will, ichmöchte das nicht. [...]. So wie diese Bilder in der Reproduktionerscheinen, so geben sie nie das wieder; es ist nur das Novellisti-sche daran, gerade das, worauf es nicht ankommt.«Rudolf Steiner: Konferenzen mit den Lehrern der Freien Wal-dorfschule in Stuttgart 1919 bis 1924. (Erster Band). GA 301 I.Fragenbeantwortung 14. Juni 1920. S. 154.

295 Rudolf Steiner: Vortrag 29.9.1923, GA 227, zitiert nach:Werner Schäfer: Rudolf Steiner über die technischen Bild- undTonmedien. Eine Dokumentation. Hg.: Verein für Medien-

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forschung und Kulturförderung Bremen. Freiburg: Wege, 1997.S. 31.

296 Rudolf Steiner: Vortrag 27.2.1917, GA 175. Ebenda zi-tiert nach Werner Schäfer, S. 12. Bei Schäfer auf S. 18 wird Steineraus einem Vortrag vom 9. 8. 1922, GA 214 zitiert: »Wenn dieMenschen das Denken liebten, würden sie nicht so gerne sichheute in alle möglichen Kinovorstellungen und dergleichen hin-einbegeben, denn dabei kann man nicht und braucht man nichtzu denken, da rollt alles ab.«

297 Helmut von Kügelgen (Hg.): Märchen, Puppenspiele, Far-bige Schatten: Von dem Wesen der technischen Medien und dergeistigen Wirklichkeit im künstlerischen Spiel. Stuttgart: Inter-nationale Vereinigung der Waldorfkindergärten e.V., 1975. S. 62.

Stuten berichtete: »Dr. Steiner regte die Empfindung an, eineEmpfindung musikalisch zu entwickeln, durch eineMetamorphosenreihe, ähnlich wie die der Kapitälen des großenKuppelraumes und dazu imaginative Bilder auf die Bühne zubringen, die sich in derselben Weise metamorphosieren. AlsGrundmotiv gab er das Erlebnis der Furcht an. Die letzten Bildersind nur Andeutungen, da hier das farbbewegte Bild ganz vonder Musik bestimmt wird, während bei der ersten Hälfte die Mu-sik mehr vom Bild beeinflußt gedacht ist. Die erste Reihe zurOrientierung wurde 1918 skizziert.«

Wolfgang Veit: Bewegte Bilder: Der Zyklus »Metamorpho-sen der Furcht« von Jan Stuten. Entwurf zu einer neuen Licht-Spiel-Kunst nach einer Idee von Rudolf Steiner. Stuttgart:Urachhaus, 1993. S. 29.

298 Vergleiche und Abbildungen ebenda S. 48/91.

299 Rudolf Steiner: Die Erkenntnis der Seele und des Geis-tes. Fünfzehn öffentliche Vorträge gehalten zwischen dem 10.Oktober 1907 und dem 14. Mai 1908 in Berlin und München.GA 56. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1965. S. 205.

300 Ebenda S. 205. Die Vorträge lauten: Der Krankheits-wahn im Lichte der Geisteswissenschaft (3. Dezember 1907). DasGesundheitsfieber im Lichte der Geisteswissenschaft (5. Dezem-ber 1907).

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301 Rudolf Steiner: Bilder okkulter Siegel und Säulen. DerMünchner Kongress Pfingsten 1907 und seine Auswirkungen.Briefentwurf an Unbekannt vom 12.April 1909 GA 284. Dorn-ach: Rudolf Steiner Verlag, 1977. S. 14.

302 Rudolf Steiner: Welt, Erde und Mensch. GA 105. Dorn-ach: Rudolf Steiner Verlag, 1956. S. 41.

303 In der Bildfolge wechseln die Bildorte des Kindes so, dassdieses annähernd eine Bewegung im Pentagramm vollzieht. Nä-heres dazu in: Walther Bühler: Das Pentagramm als Schöpfungs-prinzip. Stuttgart: Freies Geistesleben, 1996. S. 452.

304 Rudolf Steiner: Esoterische Betrachtungen karmischerZusammenhänge. (Erster Band). Vortrag vom 1.3.1924. GA 235.Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1988. S. 92-93.

305 Rudolf Steiner: Esoterische Betrachtungen karmischerZusammenhänge. (Zweiter Band). Vortrag vom 27.4.1924. GA236. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1988. S. 93.

306 Rudolf Steiner: Natur- und Geistwesen, ihr Wirken in un-serer sichtbaren Welt. Vortrag vom 9.6.1908. GA 98. Dornach:Rudolf Steiner Verlag, 1983. S. 110.

307 Erich Schwebsch: Der Weg der Architektur durch denMenschen: Eine Studie über ästhetische Grundprobleme. In: Zurästhetischen Erziehung. Stuttgart: Freies Geistesleben, 1954. Fol-gende Zitate und Abbildungen S.132-135.

308 Ich glaube, dass unsere heutigen Wahrnehmungserleb-nisse nicht unbedingt den skizzierten Empfindungen folgen»müssen«, da wir »zu dünne« Stahlträger durchaus gewohnt sind.Zudem hat die moderne Architektur auf diese Weise gegenteili-ge Empfindungen des Schwebens von Baumassen zu erzeugenversucht. Dennoch »funktioniert« das Beispiel von Schwebsch,allerdings nur mit der wirklich »kräftigen« Vorstellung Stein,denn mit einer anderen Oberfläche des Volumens, könnte mansich auch ein zeppelinartiges Gebilde vorstellen, das an zweidicken Tauen nach oben zieht.

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309 Der Architekturkritiker Hugo Kükelhaus sprach – annä-hernd im Sinne Steiners – von den negativ wirksamen Seitender Dingwelt, von »unmenschlichen, »falschen«, instabilen, ent-fremdeten und entfremdenden modernen Möbelformen, dieinsbesondere auf das psychische Gleichgewicht von Kindern per-manent destabilisierende Wirkungen ausüben. Als anschaulichesBeispiel führte er interessanterweise die dünnen Metallbeine aneinem Möbelkorpus an. In: Hugo Kükelhaus: Werde Tischler.Berlin: 1936. S.14. Siehe auch: Hugo Kükelhaus: Unmenschli-che Architektur: Von der Tierfabrik zur Lernanstalt. Köln: Gaia,1983.

310 Rudolf Steiner: Wege zu einem neuen Baustil. Vortragvom 5.2.1913 GA 286. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1982.S. 37. Nachstehend das erweiterte Zitat:

»Da hat zu unserem lieben Freunde, der uns als Architekthier hilft, einer, der ein freier Künstler sein will, gesagt, daß derBaumeister sich nicht niederzwingen lassen müsse vom Bauherrn,sondern als freier Künstler schaffen, so wie er will. Ein schönerGrundsatz ist das, denn nehmen wir an, der Bauherr bestellt einWarenhaus, so würde er doch nicht sehr zufrieden sein, wenn der«freie Künstler» ihm eine Kirche hinbaute. Nun, solcher Schlag-worte gibt es viele. Aber man ist durch Aufgabe und Materialbeschränkt. Da hat das Wort «freier Künstler» einfach keinenSinn. Denn ich möchte wissen, was der «freie Künstler» machenwird, wenn er die Absicht hat, aus der freien Künstlerschaft herausein plastisches Kunstwerk auszuführen, den Ton formt und eineVenus schaffen will, und statt der Venus daraus ein Schaf wird?Ist er dann ein freier Künstler? Da wäre Raffael ein «freier»Künstler gewesen - aber er hätte keine Sixtinische Madonna ge-schaffen! So wie man zu gewissen Dingen nur eine Zunge braucht,so braucht es auch hier nur eine Zunge. Denn solches Argumen-tieren hat nichts zu tun mit den notwendigen realen Bedingun-gen der Menschheitsentwickelung, sondern es kommt darauf an,ob man eine Wahrheit im Sinne hat, die sich auf Tun, auf Wir-ken, die sich auf Arbeiten bezieht. Denn Wahrheiten, die frucht-bar sein sollen, die «wahr» sein sollen, müssen so begründet seinin den Notwendigkeiten der Menschheitsentwickelung.»

311 Rudolf Steiner: Die Wirklichkeit der höheren Welten.Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1962. S. 212/216.

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312 Das erste Zitat stammt von Prof. Dr. Matthias Drieß,Anorganische Chemie I, Fakultät für Chemie, http://www.ruhr-uni-bochum.de/rubin/rbin1_01/natur/Beitrag3/seite2.html. Ab-bildung dort.

Das zweite Zitat wird hier nochmals ausführlicher wieder-gegeben: »Aufgrund von neuen Forschungsdaten, welche eineSonde der ‹Nasa› zur Erde gesendet hat, kommen Forscher einesTeams um Jean-Pierre Luminet und Roland Lehoucq zu demSchluß, daß der Weltraum eine dodekaedrische Struktur aufweist.Auch ein amerikanisches Team unter Leitung des Mathemati-kers Jeffrey Weeks kam unabhängig davon zu einem ähnlichenResultat. In einem von den zwei Teams gemeinsam verfaßtenArtikel, der im Herbst in der Zeitschrift ‹Nature› publiziert wur-de, wird die dodekaedrische Raumstruktur als mögliche Erklä-rung für gewisse Abweichungen der kosmischen Hintergrunds-strahlung postuliert.«

Aus Bernhard Steiner: Ein Symbol der Himmelsmaterie. InDas Goetheanum 3/2004. Darin auch die Quellenangabe:

Jean-Pierre Luminet, Jeffrey R. Weeks, Alain Riazuelo,Roland Lehoucq, Jean-Philipe Uzan: Dodecahedral spacetopology as an explanation for weak-wideangle temperaturecorrelations in the cosmic microwave background, Nature Nr.425/2003, S. 593-595.

313 Die Archäologen rätseln über Sinn und Zweck der Penta-gondodekaeder. Angaben aus einem Interview mit Prof. Dr. AlfonsKolling am 7.2.2000 im Mannlichzimmer des Edelhauses inSchwarzenacker: http://www.hom.shuttle.de/hom/spg/roep-032.htm. Abbildung des Pentagondodekaeders aus dem Römer-museum Schwarzach: http://www.hom.shuttle.de/hom/spg/roep-254.htm

314 Rudolf Grosse: Die Weihnachtstagung als Zeitenwende.Dornach: Philosophisch-Anthroposophischer Verlag, 1981. S. 32-33.

315 Rudolf Steiner: Die Wirklichkeit der höheren Welten. GA79. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1962. S. 219.

316 Rudolf Steiner: Wege zu einem neuen Baustil. Vortragvom 17.6.1913 GA 286. Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 1982.S. 64.

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317 Die obere Abbildung zeigt einen Ausschnitt vom Frontis-piz des in der Mitte des 18. Jahrhunderts in London erschiene-nen Buches The Complete Body of Architecture von Isaac Ware –mit dem Pentagondodekaeder als Attribut einer allegorischenArchitectura? Darunter Dürers Melancholie.

318 Informationen aus diversen Meldungen in der Wochen-schrift Das Goetheanum der Jahre 2002-2003. Zur Preis-verleihung: Artikel Ein „capitaler“ Macher in der Tageszeitungtaz (überregional) vom 3.5.2003.

319 Lars Klaassen: Eine runde Sache. Tageszeitung taz (über-regional) vom 3.5.03.

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AbbildungsverzeichnisMit Ausnahme der nachstehend unter Sonstige Quellen aufge-listeten Abbildungen stammen alle weiteren, nicht einzeln auf-geführten, entweder vom Archiv am Goetheanum, von der RudolfSteiner Nachlassverwaltung oder vom Autor. Erstmals publiziertwurden Archivfunde (Skizzen) und meines Wissens bisherunveröffentliche Objektbestände aus Dornach nach Fotografiendes Autors:Möbel: S. 42, 122-125, 135, 155-162, 167, 175, 190-191, 195,211 unten, 212 (gleich Umschlagabbildungen).Skizzen und Pläne: S. 62, 113, 128, 131, 137, 155-157, 160, 162,172, 175, 181, 188. Aquarelle: S. 92, 93.

Sonstige Quellen:S. 6-7 aus Felix Kayser: Architektonisches Gestalten.S. 9 aus Architectural Digest (1/2-1997/98) mit freundlicher Ge-nehmigung von Helmut Federle. S. 46 Foto von Karlheinz Flau,Ottersberg. S.103 aus Rex Raab: Freie Waldorfschule Engelberg.S. 104 aus Rex Raab: Die Waldorfschule baut. S. 125 oben ausLeo Bruhns: Geschichte der Kunst. S. 161 oben rechts aus Ed.Tab Cart, Ravenna. Unten rechts aus: Franz Windisch-Graetz:Möbel Europas. S. 182-183 aus ING Bank CommunicationDepartment. S. 184 links unten aus: Adrian Snodgrass: TheSymbolism of the Stupa. S. 185 oben aus: Paul von Naredi-Rainer:Architektur und Harmonie. Mitte aus: Ingo F. Walther, RainerMetzger: Marc Chagall: Malerei als Poesie. Unten aus: Ellen D.Reeder: Pandora: Frauen im klassischen Griechenland. S. 193aus: Georg Hartmann: Goetheanum-Glasfenster. S. 194 aus:Lottlisa Behling: Gestalt und Geschichte des Maßwerks. S. 197aus: Wolfgang Veit: Bewegte Bilder: Der Zyklus „Metamorpho-sen der Furcht“ von Jan Stuten. S. 199 Illustration des Autors. S.206 oben aus: www.ruhr-uni-bochum.de/rubin/rbin1_01/natur/Beitrag3/seite2.html. Unten: http://www.hom.shuttle.de/hom/spg/roep-254.htm. S. 208 unten: www.kusem.de/lk/akad/geome.htm.S. 209 oben: Frontispiz von: Isaac Ware: The Complete Body ofArchitecture. Osborne/Shipton. London MDCCLVI. Von http://www.lambertrosenbusch.de/startseite/Theorie/wolf/bild15/bild15.html. Unten: Dürers MELENCOLIA I aus H. Th. Mus-per: Albrecht Dürer. Stuttgart: Kohlhammer, (ohne Jahresangabe).

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S. 211 oben aus: Rudolf Niederhäuser: Zur Geschichte des Hau-ses Jaques de Jaager. In: Der Plastiker Jaques de Jaager unddas Haus de Jaager von Rudolf Steiner.

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