+ All Categories
Home > Documents > Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

Date post: 15-Jan-2017
Category:
Upload: nguyenthuan
View: 215 times
Download: 1 times
Share this document with a friend
51
Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924 Source: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, 42. Jahrg., H. 1 (1925), pp. 165-214 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40907577 . Accessed: 15/06/2014 04:27 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AM All use subject to JSTOR Terms and Conditions
Transcript
Page 1: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August1924Source: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, 42. Jahrg., H. 1 (1925), pp. 165-214Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40907577 .

Accessed: 15/06/2014 04:27

Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at .http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp

.JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range ofcontent in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new formsof scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected].

.

Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access toFinanzArchiv / Public Finance Analysis.

http://www.jstor.org

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 2: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924.

(R.G.Bl. 1924 II, Nr. 32, S. 272.)

Der Reichstag hat das folgende Gesetz beschlossen, das mit Zustimmung des Reichsrats hiermit verkündet wird, nachdem festgestellt ist, dass die Er- fordernisse verfassungsändernder Gesetzgebung erfüllt sind:

§ 1.

Errichtung der Gesellschaft.

(*) Das Deutsche Reich errichtet durch dieses Gesetz zum Betriebe der Reichs- eisenbahnen eine Gesellschaft mit der Firma „Deutsche Reichsbahn- Gesellschaft".

(2) Die anliegende Gesellschaftssatzung ist ein Bestandteil dieses Gesetzes.

§2. Geschäftsführung.

Die Gesellschaft hat ihren Betrieb unter Wahrung der Interessen der deutschen Volkswirtschaft nach kaufmännischen Grundsätzen zu führen.

§3. Aktien.

(x) Das Grundkapital der Gesellschaft beträgt 15 Milliarden GM. ; es ist eingeteilt in 2 Milliarden Vorzugsaktien und 13 Milliarden Stammaktien.

(2) Die Vorzugsaktien lauten auf den Inhaber. Die Stammaktien werden auf den Namen des Deutschen Reichs oder auf Verlangen der Reichsregierung auf den Namen eines deutschen Landes ausgestellt. Zur Verfügung über diese Stammaktien ist die Zustimmung des Reichsrats und des Reichstags mit der im Art. 76 Abs. 1 Satz 2 und 3 der Reichsverfassung vorgesehenen Zweidrittelmehrheit erforderlich.

§4.

Reparationsschuldverschreibungen. Reparations- hypothek.

(x) Die Gesellschaft gibt alsbald nach ihrer Errichtung hypothekarisch ge- sicherte Schuldverschreibungen im Nennwert von 11 Milliarden GM. aus (Repara- tionsschuldverschreibungen). Die Inhaber der Schuldverschreibungen werden durch einen Treuhänder vertreten, der von der Reparationskommission ernannt wird. Die Schuldverschreibungen sind ihm unverzüglich auszuhändigen.

(2) Zugunsten der Gläubiger dieser Schuldverschreibungen entsteht kraft Gesetzes eine erststellige, allen bereits eingetragenen Hypotheken und allen sonstigen Pfandrechten im Range vorgehende Gesamthypothek an allen Grundstücken, die zum Reichseisenbahnvermögen gehören, sowie an allen Grundstücken, die Eigen- tum der Gesellschaft sind (Reparationshypothek) ; die Hypothek erstreckt sich auch auf alles Zubehör dieser Grundstücke, soweit es Eigentum des Reichs oder der Gesellschaft ist; als Zubehör im Sinne dieser Bestimmung gelten auch alle Fahr-

165

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 3: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

Jgß ReichBges.über d.Deutsche Reichsbahn-Gesellsch. (Reichsbalmges.).Vom30. Aug. 1924.

zeuge und alle sonstigen beweglichen Sachen der Reichseisenbahnen und der Gesellschaft.

(3) Die Reparationshypothek erstreckt sich kraft Gesetzes ohne weiteres auch auf künftig erworbene Grundstücke samt Zubehör.

(4) Die in Abs. 2 und 3 genannten Sachen unterliegen der Reparations- hypothek so lange, als sie Eigentum des Reichs oder der Gesellschaft sind.

(5) Die Rechte, die durch die Reparationshypothek an den belasteten Grund- stücken und ihrem Zubehör entstehen, sowie der Zinsen- und Tilgungsdienst der Reparationsschuldverschreibungen regeln sich aussohliesslich nach diesem Gesetz und der Gesellschaftssatzung.

(6) Alle Zahlungen für den Zinsen- und Tilgungsdienst der Reparations- schuldverschreibungen sind von jeder unmittelbar die Zahlung belastenden deut- schen Steuer frei.

Betriebsrecht. Uebernahme der Rechte und Pflichten.

(*) Das Reich übertragt der Gesellschaft unter den Bedingungen, die sich aus diesem Gesetz und der Gesellschaftssatzung ergeben, das ausschliessliche Recht zum Betriebe der Reichseisenbahnen. Das Betriebsrecht endet am 31. Dezember 1964, vorausgesetzt, dass alsdann sämtliche Reparationsschuldverschreibungen und sämtliche Vorzugsaktien getilgt, zurückgekauft oder eingezogen sind.

(2) Wenn die Tilgung, der Rückkauf und die Einziehung bereits zu einem früheren Zeitpunkt abgeschlossen ist, kürzt sich das Betriebsrecht entsprechend ab und endigt zu diesem früheren Zeitpunkt. Wenn dagegen die Tilgung, der Rückkauf oder die Einziehung am 31. Dezember 1964 noch nicht abgeschlossen sind, verlängert sich das Betriebsrecht unter den gleichen Bedingungen bis zur Beendigung der Tilgung, des Rückkaufs und der Einziehung.

(3) Das Betriebsrecht umfasst die Reichseisenbahnen mit allem Zubehör einschliesslich der deutschen Bodenseedampfschiffahrt und der sonstigen Neben- betriebe nach dem Stande am Tage des Ueberganges des Betriebsrechts auf die Gesellschaft.

(4) Mit dem Betriebsrecht gehen unbeschadet der Vorschriften dieses Gesetzes, insbesondere des § 43, und unbeschadet der Vorschriften der Gesellschaftssatzung auf die Gesellschaft alle mit den Reichseisenbahnen und alle mit dem Unter- nehmen „Deutsche Reichsbahn" verbundenen Rechte und Pflichten über, ein- schliesslich solcher aus Betriebsverträgen. Dieser Uebergang der Rechte und Pflichten hat Rechtswirksamkeit auch gegenüber den bisherigen Vertragsgegnern des Unternehmens.

(5) Ebenso gehen die Rechte und Verpflichtungen aus den Beteiligungen des Unternehmens „Deutsche Reichsbahn" an anderen Unternehmungen auf die Gesellschaft über, soweit sie am Tage des Ueberganges des Betriebsrechts dem Unternehmen „Deutsche Reichsbahn" gehören.

(6) Gleichzeitig gehen die Betriebsvorräte und Kassenbestände sowie die Bankguthaben des Unternehmens „Deutsche Reichsbahn" unentgeltlich in das Eigentum der Gesellschaft über. Die Betriebsvorräte müssen in einer für Fort- führung des ordnungsmässigen Betriebs ausreichenden Menge vorhanden sein.

(7) Alle bei der Deutschen Reichsbahn vorhandenen Bücher, Urkunden, Pläne und sonstigen Schriftstücke sind der Gesellschaft zu überlassen. Ent- sprechend sind nach Ablauf des Betriebsrechts alle Bücher, Urkunden, Pläne und sonstigen Schriftstücke dem Reiche herauszugeben.

§6. Reichseisenbahnvermögen.

(*) Die Reichseisenbahnen einschliesslich der Beteiligungen der Reichs- eisenbahnverwaltung und des Unternehmens „Deutsche Reichsbahn" an anderen Unternehmungen bleiben Eigentum des Reichs (Reichseisenbahnvermögen). Grundstücke und alle Zubehörstücke einschliesslich. der Fahrzeuge fallen, wenn

166

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 4: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

Reichsges. über d. Deutsche Reichsbahn-Gesellsch. (Reichsbahnges.)«Vom30. Aug. 1924. Jg^

die Gesellschaft sie für Zwecke der Reichseisenbahnen erwirbt, mit dem Erwerbe durch die Gesellschaft kraft Gesetzes in das Eigentum des Reichs.

(2) Die Gesellschaft darf über Gegenstände, die zum Reichseisenbahnvermögen gehören, verfügen, soweit sie dies mit einer ordnungsmassigen Betriebführung für vereinbar hält. Dabei ist die Gesellschaft unbeschadet der Bestimmungen des § 8 verpflichtet, vor einer Verfügung über Gegenstände, deren Wert 250,000 GM« übersteigt, die Einwilligung der Reichsregierung und, solange die Reparations- schuldverschreibungen nicht getilgt oder zurückgekauft sind, die Einwilligung des Treuhänders einzuholen. Der Erlös ist von der Gesellschaft nach den Grund- sätzen zu verwenden, die zwischen ihr und dem Treuhänder vereinbart sind.

§ 7. Beschränkte Haftung des R eie hs eisenb ahn ver mögens

für Reichsschulden. Das Reichseisenbahnvermögen haftet für Verpflichtungen des Reichs nur

insoweit, als sie aus der bisherigen Verwaltung der Reichseisenbahnen herrühren. Zu diesen Verpflichtungen gehören auch die Verpflichtungen aus dem Staatsvertrag über den Uebergang der Staatseisenbahnen auf das Reich (R.G.BL 1920, S. 774), die von der Gesellschaft nach § 43 übernommen werden.

§8. Kreditaufnahme.

Í1) Die Gesellschaft hat das Recht, selbständig Kredite aufzunehmen, deren Lasten vor dem 1. Januar 1965 endigen, und dafür das Reichseisenbahnvermögen hypothekarisch zu belasten. Solche Hypotheken stehen der Reparationshypothek im Range nach; dabei sind die Bestimmungen in § 9 der Geseflschaftssatzung zu beachten.

(2) Kredite, deren Lasten sich über den 1. Januar 1965 hinaus erstrecken, darf die Gesellschaft nur nach vorheriger Verständigung mit der Reichsregierung aufnehmen.

(3) In beiden Fällen (Abs. 1 und 2) trägt das Reich die Lasten, die auf die Zeit nach Ablauf des Betriebsrechts entfallen.

(4) Die Gesellschaft ist verpflichtet, sich bei der Ausgabe von Anleihen mit der Reichsregierung über die Anleihebedingungen ins Einvernehmen zu setzen.

§9. Betriebsführung.

Í1) Die Gesellschaft ist verpflichtet, den Betrieb der Reichseisenbahnen sicher zu führen und die Reichseisenbahnanlagen nebst den Betriebsmitteln und dem sonstigen Zubehör auf ihre Kosten nach den Bedürfnissen des Verkehrs sowie nach dem jeweiligen Stande der Technik gut zu unterhalten und weiterzuentwickeln.

(2) Innerhalb dieser Richtlinien und der sonstigen gesetzlichen Vorschriften sowie in den durch die Aufsicht des Reichs (vgl. §§ 31 ff.) bestimmten Grenzen ist die Gesellschaft berechtigt, den Betrieb so zu führen, wie sie es für angemessen erachtet.

§ 10. Ausschliesslichkeit des Betriebsrechts»

(*) Die Gesellschaft hat das ausschliessliche Recht zum Betrieb aller Eisen- bahnen, die am Tage des Inkrafttretens dieses Gesetzes von dem Unternehmen „Deutsche Reichsbahn" betrieben werden, gleichviel ob sie dem allgemeinen Ver- kehre dienen oder nicht, sowie aller Eisenbahnen des allgemeinen Verkehrs, die später Eigentum des Reichs werden.

(2) Die Gesellschaft hat ferner das ausschliessliche Recht, neue Eisenbahnen des allgemeinen Verkehrs, soweit sie in Zukunft zugelassen werden, auf ihre Kosten

187

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 5: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

2 gg Reichsges. über d. Deutsche Reichsbahn-Gesellsch. (Reichsbahnges.). Vom 30. Aug. 1924.

zu bauen und zu betreiben. An den von ihr betriebenen Eisenbahnen kann sie auf ihre Kosten die nötigen Aenderungen und Ergänzungen vornehmen.

(3) Die Reichsregierung kann der Gesellschaft jederzeit den Bau und Betrieb neuer Eisenbahnen des allgemeinen Verkehrs auferlegen, auch wenn die Gesell- schaft glaubt, dass der Bau und Betrieb dieser neuen Eisenbahnen des allgemeinen Verkehrs nicht ertragreich sei oder dass sie den anderen Strecken der Gesellschaft unbilligen Wettbewerb bereiten. In diesen Fällen gehen Bau und Betrieb, sofern die Gesellschaft es beantragt, auf Rechnung des Reichs. Ausserdem hat die Gesell- schaft gegen das Reich einen Anspruch auf Ersatz der Ausfälle, die die neuen Bahnen dem Betriebe der übrigen Strecken des Netzes verursachen. Wenn jedoch die neuen Bahnen für den Betrieb der übrigen Strecken einen Vorteil bringen, so ist dieser Vorteil auf den dem Reiche etwa zur Last fallenden Zuschuss für den Betrieb der neuen Bahnen anzurechnen.

(4) Wenn die Gesellschaft an dem Bau oder Betrieb einer neuen Bahn des allgemeinen Verkehrs nicht interessiert ist, so kann das Recht zum Bau oder Betrieb einem Dritten verliehen werden.

(5) Der Bau neuer Strecken zur Erweiterung bestehender privater Eisen- bahnen des allgemeinen Verkehrs und die Umwandlung von nicht dem allgemeinen Verkehre dienenden Eisenbahnen in solche des allgemeinen Verkehrs kann nur zugelassen werden, wenn dadurch den Strecken der Gesellschaft kein unbilliger Wettbewerb bereitet wird. Das Reich wird der Gesellschaft das Vorhaben solcher Bauten oder Umwandlungen rechtzeitig mitteilen.

§ 11.

Entscheidung über die Bedeutung der Bahnen.

Ob eine Eisenbahn als solche des allgemeinen Verkehrs zu gelten hat, ent- scheidet der für die Aufsicht über die Eisenbahnen zuständige Reichsminister nach Anhörung der beteiligten Landesregierung und der Gesellschaft.

§ 12.

Weiterübertragung des Betriebsrechts.

Ohne Genehmigung der Reichsregierung und des Treuhänders kann die Gesell- schaft das Betriebsrecht weder ganz noch teilweise auf Dritte übertragen.

§ 13.

Leistungen für andere Verwaltungen.

Leistungen der Gesellschaft für die Reichspost- und die Reichstçlegraphen - Verwaltung und für sonstige Verwaltungen des Reichs, der Länder oder der Gemeinden (Gemeindeverbände) sowie Leistungen dieser Verwaltungen für die Gesellschaft sind gegenseitig nach den im geschäftlichen Verkehr üblichen Sätzen angemessen abzugelten. Die bestehenden Vergünstigungen für Militärtransporte bleiben aufrechterhalten, solange und soweit sie nicht durch neue Vereinbarungen zwischen der Reichsregierung und der Gesellschaft abgeändert werden.

§ 14.

Steuerbefreiung. Die Gesellschaft ist von jeder neuen direkten Steuer auf ihre Rein- oder Roh-

einnahmen, auf ihr bewegliches oder unbewegliches Eigentum oder auf ihr Personal und von jeder sonstigen neuen direkten Steuer des Reichs, der Länder, der Ge- meinden (Gemeindeverbände) und sonstiger öffentlicher Körperschaften befreit. Als neue Steuer gilt jede Steuer, der das Unternehmen „Deutsche Reichsbahn" am 12. Februar 1924 nicht unterworfen war.

168

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 6: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

Reichsges. über d. Deutsche Reichsbakn-Gesellsch. (Reichsbahnges.). Vom 30. Aug. 1924, ^ 69

§15. Beförderungssteuer.

(*) Die Gesellschaft hat die Beförderungssteuer nach dem am 1. April 1924 geltenden Tarif zu erheben. Zwischen der Reichsregierung und der Gesellschaft kann eine vereinfachte Berechnung des Steuerbetrags vereinbart werden; jedoch darf dadurch keine Verminderung des Gesamtaufkommens dieser Steuer eintreten.

(2) Im ersten Geschäftsjahr hat die Gesellschaft den ganzen Steuerertrag an das Reich abzuführen. Im zweiten Geschäftsjahr hat die Gesellschaft 250 Mill. GM. auf das Konto des Agenten für Reparationszahlungen bei der „Neuen Bank" und den Rest des Steuerertrags an das Reich abzuführen. In den folgenden Ge- schäftsjahren hat die Gesellschaft bis zum Ablauf des Betriebsrechts einschliess- lich etwaiger Verlängerungen jährlich 290 Mill. GM. an den Agenten für Reparations- zahlungen und den Rest des Steuerertrags an das Reich abzuführen. Die Zahlungen der Gesellschaft sind monatlich zu leisten.

§ 16. Geltung der Gesetze.

(') Die Gesellschaft unterliegt den Bestimmungen über Handelsgesellschaften nur insoweit, als sie durch dieses Gesetz oder die Gesellschaftssatzung für an- wendbar erklärt werden.

(2) Die §§ 178, 179 Abs. 1, 181, 210 Abs. 1, 211, 213, 214 Abs. 1, 217 Abs. 1 und 3, 225, 228-230, 231 Abs. 1, 232. Abs. 1, 235-237, 239,245, 248,249 Abs. 1, 2 und 4, 312 und 314 Abs. 1 Ziff. 1 und Abs. 2 und 3 des Handelsgesetzbuchs gelten für die Gesellschaft sinngemäss mit der Massgabe, dass an Stelle der Generalver- sammlung und des Aufsichtsrats der Verwaltungsrat tritt.

(3) Die für die Eisenbahnen allgemein geltenden Gesetze und Verordnungen sind auf die Gesellschaft insoweit anzuwenden, als sie diesem Gesetz oder der Gesellschaftssatzung nicht widersprechen. Soweit sie sich lediglich auf Privat - bahnen, insbesondere auch auf deren Zulassung, Betriebführung oder Beauf- sichtigung beziehen, sind sie auf die Gesellschaft nicht anzuwenden.

(4) Die Gesellschaft kann für sich und ihre Bediensteten die Sonderstellung in Anspruch nehmen, die für die Verwaltungen des Reichs und deren Bedienstete auf dem Gebiete des Versicherungs-, Wirtschafts-, Arbeits-, Fürsorge- und Woh- nungsrechts jeweils besteht, in diesen Fällen übt das Verfassungsrecht der für die Aufsicht über die Eisenbahnen zuständige Reichsminister aus; im übrigen werden die Zuständigkeiten der Obersten Reichsbehörde vom Generaldirektor wahrgenommen.

(5) Die Vorschriften der Gewerbeordnung sind auf den Betrieb der Deutschen Reichsbahn nicht anzuwenden.

(6) Die Vorschriften des Handelsgesetzbuchs über die Eintragung in das Handelsregister und deren rechtliche Folgen sind auf die Deutsche Reichsbahn- gesellschaft nicht anzuwenden.

§ 17.

Befugnisse der Reichsbahnstellen. Die Stellen der Deutschen Reichsbahn- Gesellschait sind keine Behörden oder

amtlichen Stellen des Reichs. Sie behalten jedoch die öffentlich-rechtlichen Be- fugnisse in gleichem Umfang, wie sie bisher den Stellen des Unternehmens „Deutsche Reichsbahn" zustanden. Die Gesellschaft ist berechtigt, ein Dienstsiegel mit dem Reichsadler zu führen.

§ 18.

Organe. Organe der Gesellschaft sind: der Verwaltungsrat und der Vorstand. Ihre

Zuständigkeit regelt die Gesellschaftssatzung. 169

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 7: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

270 Reichsges. über d. Deutsche Reichsbahn-Gesellsch.íReichsbahnges.). Vom 30. Aug. 1924.

§ 19.

Rechts- und Dienstverhältnisse der Bediensteten.

(*) Die Rechts- und Dienstverhältnisse der Bediensteten der Gesellschaft werden durch eine Personalverordnung geregelt, die von der Gesellschaft unter Beachtung der nachstehenden Bestimmungen zu erlassen ist.

(2) Die auf dem Gebiete des Arbeits-, Fürsorge- und Versicherungsrechts allgemein geltenden Gesetze und Verordnungen gelten, soweit sie nicht diesem Gesetz oder der Gesellschaftssatzung widersprechen, auch für die Beamten, An- gestellten und Arbeiter der Gesellschaft.

(3) Durch ein besonderes Reichsgesetz (Reichsbahnpersonalgesetz), das gleichzeitig mit diesem Gesetz in Kraft treten soll, sind die bisherigen gesetzlichen Vorschriften über die Rechts- und Dienstverhältnisse der Bediensteten mit den Bestimmungen dieses Gesetzes in Uebereinstimmung zu bringen.

(4) Bis zum Inkrafttreten der Personalordnung bleiben für die Bediensteten die für das Unternehmen „Deutsche Reichsbahn'4 geltenden Bestimmungen und Dienstvorschriften massgebend, soweit nicht die Bestimmungen dieses Gesetzes entgegenstehen.

§ 20.

Wahrung erworbener Rechte.

(1) Die im Dienste des Unternehmens „Deutsche Reichsbahn" stehenden Reichsbeamten werden mit Ausnahme der Beamten für den Dienst der Aufsichts- behörde mit dem Uebergange des Betriebsrechts auf die Gesellschaft Reichsbahn- beamte. Ihnen werden an Diensteinkommen, Wartegeld, Ruhegehalt und Hinter- bliebenenversorgung die Ansprüche gewährleistet, die sie als Reichsbeamte hatten; dies gilt auch für die Fortgewährung des gesamten Diensteinkommens bei Krank- heit und Erholungsurlaub.

(2) Beamte, denen ein Rücktrittsrecht zum Unternehmen „Deutsche Reichs- bahn" zusteht, können dieses Recht der Gesellschaft gegenüber ausüben.

(3) Die Gesellschaft übernimmt die im Dienste des Unternehmens „Deutsche Reichsbahn" stehenden Angestellten und Arbeiter mit den beiderseitigen Rechten und Verpflichtungen.

§ 21. Landsmannschaftlicher Charakter.

Die Beamten, Angestellten und Arbeiter der Gesellschaft sollen in der Regel in ihrem Dienstbezirke Landesangehörige sein. Sie sind auf ihren Wunsch in ihren Heimatgebieten zu verwenden, soweit dies möglich ist und nicht Rücksichten auf ihre Ausbildung oder Erfordernisse des Dienstes entgegenstehen.

§ 22.

Personalordnung, (*) Die von der Gesellschaft zu erlassende Personalordnung soll unter Beach-

tung der Bestimmungen dieses Gesetzes insbesondere regeln: a) die Vorschriften über die Einstellung und die Laufbahn der Reichsbahn-

beamten, b) die Dienstbezeichnungen der Reichsbahnbeamten, c) das Diensteinkommen, das Wartegeld und alle übrigen Dienstbezüge der

Reichsbahnbeamten sowie das Ruhegehalt und die Hinterbliebenenversorgung, d) die Arbeitszeit (Dienst- und Ruhezeiten) der Reichsbahnbeamten, e) die Beschäftigungsbedingungen sowie die Besoldungs- und Lohnverhält-

nisse der Angestellten und Arbeiter, soweit sie nicht vereinbart werden, f) die Einstellungs- und Anstellungsbedingungen der Versorgungsanwärter. (2) Die Gesellschaft kann die jeweils für Reichsbahnbeamte geltenden Dienst-

vorschriften über die Arbeitszeit auf die Angestellten und Arbeiter übertragen. 176

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 8: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

Reichsges. über d. Deutsche Reichsbahn-Gesellsch. (Reichsbahnges.). Vom 30. Aug. 1924. 1 7 j

(3) Die Personalordnung hat die Rechts- und Dienstverhältnisse der Reichs- bahnbeamten unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse der Gesellschaft in Anlehnung an die für Reichsbeamte geltenden Vorschriften zu regeln.

§ 23. Pflichten der Reichsbahnbeamten.

(*) Der Reichsbahnbeamte ist verpflichtet, das öffentliche Interesse und das Interesse der Gesellschalt zu wahren.

(2) Ein Reichsbahnbeamter, der die ihm obliegenden Pflichten verletzt, wird unter sinngemässer Anwendung des Dienststrafrechts der Reichsbeamten zur Rechenschaft gezogen. Als oberste Reichsbehörde gilt der Generaldirektor, der seine Befugnisse auf andere Stellen der Gesellschaft übertragen kann.

(3) Der Generaldirektor ist der höchste Vorgesetzte aller Reichsbahnbe- diensteten.

§ 24.

Versetzung auf andere Dienstposten und Versetzung in den einstweiligen Ruhestand.

Die Gesellschaft kann Reichsbahnbeamte auf Dienstposten von geringerer Bewertung versetzen, wenn das dienstlich Bedürfnis es erfordert. Der Reichsbahn- beamte kann unter Bewilligung von Wartegeld einstweilen in den Ruhestand versetzt werden.

§ 25.

Versorgungsanwärter. Bei künftig notwendiger Einstellung von Reichsbahnbeamten und -angestell-

ten hat die Gesellschaft für 15 v. H. der freien Plätze Versorgungsanwärtern des Heeres, der Marine und der Polizei den Vorrang einzuräumen.

§ 26. Festsetzung der Dienstbezüge,

(*) Die Gesellschaft hat die Dienstbezüge der Reichsbahnbeamten mit Aus- nahme der leitenden Beamten unter Berücksichtigung der Verhältnisse der Reichs- beamten festzusetzen.

(2) Im Falle einer Erhöhung der Dienstbezüge von Klassen der Reichsbahn- beamten mit Ausnahme der leitenden Beamten hat die Gesellschaft ihre Absichten vor der Durchführung der Reichsregierung mitzuteilen. Die Reichsregierung kann innerhalb 20 Tagen gegen die Absichten Einspruch erheben oder ihre Aende- rung verlangen, wenn sie geeignet sind, infolge der Rückwirkung auf die Verhält- nisse der Reichsbeamten eine ernstliche Belastung des Reichs herbeizuführen. Bei Meinungsverschiedenheit zwischen der Reichsregierung und der Gesellschaft kann diese das besondere Gericht (§44) anrufen; bis zur Entscheidung des Gerichts bleiben die bisherigen Dienstbezüge bestehen.

(3) Durch diese Vorschrift wird das Recht der Gesellschaft nicht berührt, in besonderen Fällen Vergütungen zu gewähren, solange diese nicht 5 v. H. des gesamten Aufwandes für die Dienstbezüge der Beamten übersteigen.

(4) Die Gesellschaft bestimmt die Dienstbezüge der leitenden Beamten selbständig; der Kreis dieser Beamten wird vom Verwaltungsrate festgesetzt.

Einheit des Unternehmens. Bei organisatorischen Massnahmen der Gesellschaft muss der Charakter

des Unternehmens als einer einheitlichen Verkehrsanstalt, insbesondere auf dem Gebiete der Tarife und Finanzen, gewahrt werden.

171

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 9: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

J 72 Reichsges. über d. Deutsche Reichsbahn-Gesellsch. (Reichsbahnges.). Vom 30. Aug, 1924.

§ 28. Gerichtsstand.

Der allgemeine Gerichtsstand der Deutschen Reichsbahn- Gesellschaft wird durch den Sitz der Stelle bestimmt, die nach der Geschäftsordnung berufen ist, die Gesellschaft in dem Rechtsstreit zu vertreten.

§ 29. Rechnungsführung.

Die Rechnung der Gesellschaft ist nach kaufmännischen Grundsätzen so zu führen, dass die Finanzlage des Unternehmens jederzeit mit Sicherheit festgestellt werden kann.

§30. Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung.

( !) Die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung der Gesellschaft sollen innerhalb einer Frist von 6 Monaten nach Ablauf eines jeden Geschäftsjahres ver- öffentlicht werden.

(2) Die Reichsregierung hat das Recht, jederzeit die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung der Gesellschaft nachprüfen zu lassen, in alle Buchungen für die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung Einsicht zu nehmen, die sich bei der Hauptverwaltung befinden, und sich alle erforderlichen Auskünfte erteilen zu lassen. Jedoch dürfen hierdurch der Gesellschaft keine besonderen Kosten entstehen.

(3) Die Reichshaushaltsordnung findet auf die Gesellschaft keine Anwendung.

§ 31. Aufsichtsr echt der Reichsregierung.

Der Reichsregierung bleibt gegenüber der Gesellschaft vorbehalten: 1. die Aufsicht darüber, dass die Reichseisenbahnen samt allen Anlagen

und Betriebsmitteln in betriebssicherem Zustand erhalten werden und dass der Betrieb zufriedenstellend geführt wird (vgl. § 9 Abs. 1);

2. die Genehmigung a) zur dauernden Einstellung des Betriebs einer Reichsbahnstrecke oder

eines wichtigen Bahnhofs, b) zu allgemeinen grundlegenden Neuerungen oder Aenderungen technischer

Anlagen, insbesondere die Genehmigung zur Ausdehnung oder Einschränkung der elektrischen Zugförderung und zu Systemänderungen im Sicherungswesen. Die konstruktive Durchbildung ist ausschüesslich Sache der Gesellschaft;

3. die Genehmigung zum Erwerb anderer Unternehmungen oder zur Be- teiligung an anderen Unternehmungen, die nicht dem Betriebszweck der Reichs- bahn dienen;

4. die Mitwirkung bei Aufstellung der Tarife nach Massgabe des § 33; 5. die Mitwirkung bei Aufstellung der regelmässigen Fahrpläne des Personen-

verkehrs nach Massgabe des § 35; 6. die Genehmigung zur Abschaffung einer bestehenden Personenwagen-

klasse ; 7. die Ueberwachung der Vorkehrungen zur Sicherung eines Notbetriebs.

§ 32. Auskunftsrecht der Reichsregierung.

Die Reichsregierung kann von der Gesellschaft jede Auskunft finanzieller Art und innerhalb ihres Aufsichtsrechts jede Auskunft administrativer und technischer Art verlangen. Dabei dürfen jedoch der Gesellschaft keine überflüssigen Kosten verursacht werden.

172

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 10: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

Reifchsges. über d. Deutsche Reichsbahn-Gesellsch. (Reichsbahnges.). Vom 30* Aug. 1924. j 73

§ 33. Tarife.

(x) Die Gesellschaft hat vom Tage ihrer Errichtung an die zu diesem Zeit- punkt geltenden Tarife anzuwenden. In der Folgezeit können diese Tarife nach den folgenden Bestimmungen geändert werden. Die in Staatsverträgen enthaltenen Bestimmungen über Tarife sind von der Gesellschaft einzuhalten.

(2) Aenderungen der Ausführungsbestimmungen zur Eisenbahnverkehrs- ordnung, Aenderungen der Normaltarife einschliesslich der allgemeinen Tarif - Vorschriften, der Gütereinteilung und der Nebengebühren sowie Einführung, Aenderung und Aufhebung von internationalen Tarifen und von Ausnahme- tarifen sowie aller sonstigen Tarifvergünstigungen bedürfen der Genehmigung der Reichsregierung.

(3) Die Genehmigung gilt als erteilt, wenn der Gesellschaft nicht innerhalb von 20 Tagen auf ihren Antrag von dem für die Aufsicht über die Eisenbahnen zuständigen Reichsminister Antwort zugeht. In allen Fällen wird die Reichs- regierung der Gesellschaft auf die von dieser vorgelegten Tarifvorschläge die ab- schliessende Entscheidung in möglichst kurzer Frist erteilen. Die bisherigen Tarife bleiben in Kraft, bis die Reichsregierung entschieden hat, oder bei Meinungs- verschiedenheiten zwischen der Reichsregierung und der Gesellschaft über diese Entscheidung bis zur Entscheidung des besonderen Gerichts oder des Schieds- richters gemäss §§44 und 45.

(4) Die Reichsregierung kann auf die vorherige Genehmigung von Tarif- massnahmen verzichten, die von geringerem öffentlichen Interesse sind. Auch in diesem Falle sind die Tarifänderungen unverzüglich der Reichsregierung an- zuzeigen.

(5) Die Reichsregierung kann ferner Ermässigungen der Personen- oder Gütertarife und sonstige Aenderungen der Tarifbestimmungen verlangen, die sie im Interesse der deutschen Volkswirtschaft für notwendig erachtet. Bei Meinungs- verschiedenheiten zwischen der Reichsregierung und der Gesellschaft entscheidet das besondere Gericht oder der Schiedsrichter nach den Bestimmungen der §§ 44 und 45.

§34. Rücksichtnahme auf den Zinsen- und Tilgungsdienst,

Die Aufsicht über den Betrieb und die Tarife der Gesellschaft auf Grund dieses Gesetzes ist von der Reichsregierung so auszuüben, dass die Gesellschaft dadurch nicht gehindert wird, die Einnahmen zu erzielen, die für den Zinsen- und Tilgungs- dienst der Schuldverschreibungen sowie für die Vorzugsdividende und die Ein- ziehung der Vorzugsaktien erforderlich sind.

§35. Fahrpläne.

(x) Die Gesellschaft hat der Reichsregierung die Entwürfe der Jahres- und Halbjahresfahrpläne des Personenverkehrs mitzuteilen. Die Entwürfe der Fahr- pläne internationaler Züge sind vor deren internationaler Beratung mitzuteilen.

(2) Die Gesellschaft soll die ihr gemachten Aenderungsvorschläge der Reichs- regierung möglichst berücksichtigen.

§ 36.

Verhandlungen mit ausländischen Regierungen. Die Gesellschaft darf Verhandlungen mit ausländischen Regierungen nur mit

vorheriger Zustimmung der Reichsregierung einleiten. Die endgültige Genehmigung zu Vereinbarungen mit ausländischen Regierungen bleibt der Reichsregierung vorbehalten.

173

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 11: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

174 Reichsges. über à. Deutsche Reichsbahn-Gesellsch. (Reichsbahnges.). Vom 30. Aug. 1924.

§37. Bauten.

(*) Der Bau neuer Reichsbahnstrecken, der Erwerb bestehender Eisenbahn- strecken und die Umwandlung einer von der Gesellschaft betriebenen Nebenbahn in eine Hauptbahn und umgekehrt sind nur mit Zustimmung der Reichsregierung zulässig.

(2) Die Pläne für den Bau neuer und die Veränderung bestehender Reichs- eisenbahnanlagen, soweit darüber zwischen der Gesellschaft und einer Landes - Polizeibehörde Meinungsverschiedenheiten bestehen, sowie die Pläne für neue Reichsbahnstrecken sind von der Reichsregierung endgültig festzustellen. In diesen Fällen hat die Gesellschaft die Pläne - soweit nach Art. 94 Abs. 1 der Reichsverfassung erforderlich, mit dem Gutachten der Landesbehörde - dem für die Aufsicht über die Eisenbahnen zuständigen Reichsminister zur Feststellung vorzulegen.

(3) Die Baupläne werden von der Gesellschaft selbständig festgestellt, soweit nicht ihre Feststellung nach Abs. 2 der Reichsregierung vorbehalten ist.

(4) In allen Fällen gilt die Feststellung der Baupläne, soweit Enteignung erforderlich wird, als eine vorläufige.

(5) Die Gesellschaft hat dafür einzustehen, dass ihre Bauten allen Anforde- rungen der Sicherheit und Ordnung genügen. Behördliche Abnahmen finden nicht statt.

§ 38. Enteignung.

(*) Die Gesellschaft hat zur Erfüllung ihrer Aufgaben das Enteignungsrecht. (2) Die Zulässigkeit der Enteignung im Einzelfalle wird auf Antrag der

Gesellschaft durch den Reichspräsidenten endgültig festgestellt. Die endgültige Entscheidung über die Zulässigkeit der Inanspruchnahme fremder Grundstücke zur Ausführung von Vorarbeiten trifft der für die Aufsicht über die Eisenbahnen zuständige Reichsminister nach Anhörung der zuständigen Landespolizeibehörde. Die endgültige Entscheidung über die Art der Durchführung und den Umfang der Enteignung trifft, soweit sie nicht in einem Verwaltungsstreitverfahren ergeht, der für die Aufsicht über die Eisenbahnen zuständige Reichsminister nach An- hörung der Landespolizeibehörde. Im übrigen gelten die Enteignungsgesetze der Länder.

(8) Die Enteignung von Teilen des Reichseisenbahnvermögens und von Grundstücken der Gesellschaft ist nur nach vorheriger Genehmigung der Reichs- regierung zulässig.

§39. Eisenbahn- und Wegerecht.

Wenn an einer Kreuzung der Reichsbahn mit einem öffentlichen Verkehrs- weg infolge Vermehrung des Verkehrs oder sonstiger Veränderung der Verhältnisse die Anlagen der Reichsbahn oder des Verkehrswegs oder beider geändert werden müssen, so sind die Kosten von der Gesellschaft allein zu tragen, wenn die Verände- rung allein durch den Reichsbahnverkehr veranlagst war, allein vom Wegebau- pflichtigen, wenn sie allein durch den Wegeverkehr veranlagst war. Die Kosten sind zwischen beiden angemessen zu verteilen, wenn die Veränderung sowohl durch den Reichsbahn-, als auch durch den Wegeverkehr veranlagst war. Bei Streit über die Verteilung der Kosten wird die endgültige Entscheidung, soweit sie nicht in einem Verwaltungsstreitverfahren ergeht, von dem für die Aufsicht über die Eisenbahnen zuständigen Reichsminister getroffen.

§ 40. Aufsicht über Privatbahnen.

Die Reichsregierung kann einzelnen Stellen der Gesellschaft, namentlich den Reichsbahndirektionen, Geschäfte der Reichsaufsicht über nicht von der

174

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 12: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

Reichsges. über d. Deutsche Reichsbahn-Gesellsch. (Reichsbahnges.). Vom 30. Aug. 1924. j 7 g

Gesellschaft betriebene Eisenbahnen (Art. 95 der Reichs Verfassung) übertragen. Die Aufsicht ist nach den Weisungen der Reichst egierung auf deren Rechnung zu führen. Reichsbahnangestellte, die mit solchen Aufsichtsgeschäften betraut werden, sind für diese Amtsgeschälte besonders in Pflicht zu nehmen.

§41. Ablauf des Betriebsrechts.

(*) Mit dem Ablauf des Betriebsrechts hat die Gesellschaft der Reichsregierung unentgeltlich die Reichseisenbahnen samt allem Zubehör und den zur ordnungs- mäasigen Betriebführung nötigen Betriebsvorräten sowie mit allen Nebenbetrieben lastenfrei in ordnungsmässigem Zustand zu übergeben und alle Beteiligungen an anderen Unternehmungen auf das Reich zu übertragen. Mit der Uebergabe gehen alle aus der laufenden Betriebführung sich ergebenden Rechte und Verbind- lichkeiten auf das Reich über.

(2) Nach Ablauf des Betriebsrechts tritt das Reich in alle von der Gesellschaft abgeschlossenen laufenden Verträge an deren Stelle ein.

§42. Liquidation.

Nach Ablauf des Betriebsrechts hat die Gesellschaft unverzüglich ihre liqui- dation durchzuführen. Das Vermögen der Gesellschaft, das nach Berichtigung aller Schulden verbleibt, soweit sie nicht vom Reiche übernommen werden, fällt dem Reiche zu.

§ 43. Staatsvertrag.

(*) Die Gesellschaft übernimmt die Rechte und Pflichten des Reichs, die sich aus den Bestimmungen des Staatsvertrags über den Uebergang der Staatseisen- bahnen auf das Reich, des Schlussprotokolls dazu sowie des Reichsgesetzes vom 30. April 1920 (R.G.B1. S. 773) ergeben, jedoch mit Ausnahme der Bestimmungen der §§3-7, 17, 20, 25, 33, 37 und 43 des Staatsvertrags und des Schlussprotokolls zu § 22 Ziff. 2 und 3, zu § 24 Ziff. 2 und 3 letzter Satz, zu § 36 Ziff. 2 und zu § 37.

(2) Streitigkeiten über die Auslegung oder Anwendung des Abs. 1 und der danach für die Gesellschaft geltenden Bestimmungen sind, wenn die Gesellschaft an dem Streite beteiligt ist, ausschliesslich vor den in den §§44 und 45 genannten Stellen auszutragen. Die Länder führen den Streit nur durch Vermittlung des Reichs.

§ 44. Besonderes Gericht.

(*) Streitfälle zwischen der Reichsregierung und der Gesellschaft über die Auslegung der Bestimmungen dieses Gesetzes und der Gesellschaftssatzung, über Massnahmen auf Grund des Gesetzes oder der Satzung oder über sonstige ähnliche Fragen sind der Entscheidung eines besonderen Gerichts zu unterbreiten.

(2) Das Gericht wird beim Reichsgerichte gebildet. Es besteht aus einem Vorsitzenden und zwei Beisitzern. Der Vorsitzende und gleichzeitig ein Stell- vertreter für den Fall der Behinderung des Vorsitzenden werden vom Reichsgerichts- präsidenten für 5 Jahre bestellt. Beide müssen deutsche Richter von besonderer Erfahrung sein. Ihre Wiederbestellung ist zulässig. Die Beisitzer werden jeweils für jeden Streitfall vom Reichsgerichtepräsidenten bestellt, und zwar der eine Beisitzer auf Vorschlag der Reichsregierung, der zweite Beisitzer auf Vorschlag der Gesellschaft. Im übrigen gelten für das Gericht die Vorschriften der §§19 Satz 2 und 3, 20-22, 24-26, 28 Abs. 1, 29 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 und § 30 des Gesetzes über den Staatsgerichtshof (R.G.B1. 1921 S. 905) sinngemäss. Die näheren Bestimmungen über das Verfahren werden durch eine Geschäftsordnung geregelt, die vom Reichsgerichtepräsidenten erlassen und im Reichegesetzblatte veröffentlicht wird.

175

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 13: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

2 "j g Reichsges. über d. Deutsche Reichsbahn-Gesellsch. (Reichsbahnges.). Vom 30. Aug. 1924.

(3) Glaubt die Reichsregierung oder die Gesellschaft, dass bei Durchführung der Entscheidung des Gerichts der Zinsen- und Tilgungsdienst der Reparations- schuldverschreibungen gefährdet wird, so kann jeder der beiden Teile binnen einer Frist von einem Monat seit Verkündung der Entscheidung den Schiedsrichter (§ 45) anrufen.

(4) Die Reichsregierung und die Gesellschaft können ferner den Schieds- richter (§45) anrufen, wenn binnen eines Jahres, bei Tarif fragen binnen 3 Monaten seit Eingang des ersten Antrags beim Gericht dessen Entscheidung nicht ver- kündet ist, und wenn sich daraus eine Gelährdung des Dienstes der Reparations- schuldverschreibungen ergibt. Nach Anrufung des Schiedsrichters ist das Ver- fahren vor dem Gericht einzustellen.

§ 45. Schiedsrichter.

(x) Streitfälle zwischen der Reparationskommission oder einer in ihr ver- tretenen Regierung oder dem Treuhänder oder dem zur Wahrung der Rechte der Schuldverschreibungsgläubiger bestellten Eisenbahnkommissar einerseits und der Reichsregierung und der Gesellschaft oder einer dieser beiden anderseits oder zwischen der Reichsregierung und der Gesellschaft, in diesem Falle jedoch nur unter den im § 44 bestimmten Voraussetzungen, über die Auslegung der Bestim- mungen dieses Gesetzes und der Gesellschaftssatzung, über Massnahmen auf Grund des Gesetzes oder der Satzung oder über sonstige ähnliche Fragen sind bis zur vollständigen Tilgung der Reparationsschuldverschreibungen durch einen Schieds- richter zu entscheiden.

(2) Der Schiedsrichter ist von dem jeweiligen Präsidenten des Ständigen Internationalen Gerichtshofs zu ernennen und soll, falls eine der beteiligten Par- teien es wünscht, neutrale Staatsangehörigkeit besitzen. Seine Entscheidung ist endgültig und unanfechtbar.

§ 46. Goldmark.

Alle Zahlungen, die an den Agenten für Reparationszahlungen auf Grund dieses Gesetzes und der Gesellschaftssatzung zu leisten sind, sind in Goldmark oder deren Gegenwert in deutscher Währung zu leisten. Als Goldmark im Sinne dieser Bestimmung gilt der Preis von V2790 kg Feingold. Dieser Preis ist auf Grund der Londoner Goldpreise am dritten Börsentage vor der Fälligkeit der einzelnen Leistungen festzustellen. Der Umrechnung in die deutsche Währung ist der Mittelkurs der letzten amtlichen Berliner Notierung für Auszahlung London am dritten Börsentage vor der Fälligkeit der einzelnen Leistungen zugrunde zu legen. Bei früheren Zahlungen tritt für die Berechnung der Goldmark an Stelle des Fälligkeitstages der Tag der Zahlung.

§47. Uebergangsbestimmungen.

Í1) Dieses Gesetz tritt mit dem auf seine Verkündung folgenden Tage in Kraft1). (2) Der Uebergang des Betriebsrechts auf die Gesellschaft vollzieht sich nach

folgenden Vorschriften: (3) Sobald die Reichsregierung und der Treuhänder die von ihnen auf Grund

dieses Gesetzes zu ernennenden Mitglieder des Verwaltungsrats ernannt haben, teilen sie dies dem „Organisationskomitee der Deutschen Reichsbahn- Gesellschaft" mit, das die erste Sitzung des Verwaltungsrats einberuft.

(4) Der Verwaltungsrat wählt sodann seinen Präsidenten und einen oder mehrere Vizepräsidenten und ernennt den Generaldirektor der Gesellschaft, dessen Ernennung der Bestätigung durch den Reichspräsidenten zu unterbreiten ist.

(5) Dem Generaldirektor obliegt es, unter Vorbehalt der Zustimmung des

x) Am 31. August 1924. 176

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 14: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

Reichsges. über d. Deutsche Reichsbahn-Gesellsch. (Reicksbahnges.) . Vom 30. Aug. 1924. j y y

Verwaltungsrats im Einvernehmen mit dem Reichsverkehrsminister alle nötigen Vorbereitungen für den Uebergang des Betriebsrechts zu treffen.

(6) Der Reichs verkehrsminister und der Generaldirektor werden eine über- schlägliche Feststellung des Wertes der Betriebsvorräte aller Art, der Kassen - bestände und der Bankguthaben des Unternehmens „Deutsche Reichsbahn" vornehmen, soweit sie auf die Gesellschaft übergehen. Die Betriebsvorräte müssen insgesamt annähernd dem Stande entsprechen, wie er in der vom Reichsverkehrs- minister dem Organisationskomitee am 8. Juli 1924 übersandten Uebersicht geschätzt ist. Bei der Schätzung des Wertes der Bestände ist nach den gleichen Grundsätzen zu verfahren wie bei der Schätzung vom 8. Juli 1924. Die Ueber- sicht vom 8. Juli 1924 enthält auch eine Schätzung aller wichtigeren Verbindlich- keiten des Unternehmens „Deutsche Reichsbahn", die von der Gesellschaft zu übernehmen sein werden.

(7) Der Reichs verkehrsminister und der Generaldirektor können sich im Falle einer Meinungsverschiedenheit an das Organisationskomitee wenden, das endgültig entscheidet.

(8) Wenn alle Vorbereitungen für den Uebergang des Betriebsrechts ordnungs- mässig getroffen sind, teilen der Reichsverkehrsminister und der Generaldirektor dies gemeinschaftlich dem Organisationskomitee mit. Das Komitee zeigt darauf der Reichsregierung an, dass die Gesellschaft bereit ist, den Betrieb zu übernehmen. Der Uebergang des Betriebsrechts wird damit rechtswirksam. Der Tag des Ueber- ganges ist im Reichsgesetzblatte bekanntzumachen1). Mit dem gleichen Tage tritt die Verordnung über die Schaffung eines Unternehmens „Deutsche Reichsbahn" vom 12. Februar 1924 2) (R.G.B1. I S. 57) ausser Kraft.

Begründung des Gesetzentwurfs über die Deutsche Reichsbahn- Gesellschaft (Reichsbahngesetz) vom 22. August 1924 3).

I. Allgemeines.

1. Die Verselbständigung der Deutschen Reichsbahn. Schon vor dem Kriege ist der Gedanke einer Umgestaltung der deutschen

Eisenbahnen zu wirtschaftlicher Selbständigkeit und die Forderung ihrer Ver- einigung zu einem einheitlichen Unternehmen laut geworden. Im Jahre 1920 wurde der Zusammenschluss der deutschen Staatseisenbahnen durchgeführt. Die Umgestaltung der Reichsbahn zu dem im Art. 92 der Reichsverfassung vor- gesehenen selbständigen wirtschaftlichen Unternehmen konnte jedoch erst im Winter 1923/24 verwirklicht werden, als die Wirkungen der Inflation zu einer alsbaldigen völligen Loslösung der Reichsbahn Wirtschaft von der übrigen Finanz - Wirtschaft des Reichs zwangen. Durch die Notverordnung vom 12. Februar 1924 (R.G.B1. 1924 I S. 57) wurde die Reichsbahn zu einem Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit und eigener Finanzwirtschaft gemacht, ohne dass jedoch aus dieser Umbildung bereits die notwendigen Folgerungen für die weitere Um- gestaltung des Unternehmens gezogen worden wären. Insbesondere war eines der hauptsächlichsten Ziele für die Ausgestaltung der neuen Rechtsform, nämlich die Trennung der Aufsicht von der Leitung des Unternehmens, noch nicht ver- wirklicht worden. Dieses Ziel ging dahin, die Aufsicht über die Reichsbahn nach wie vor dem Reiche als Träger der Eisenbahnhoheit zu belassen, dagegen die Leitung des Unternehmens in die Hand eines Vorstandes und eines aus sach- verständigen Geschäftsleuten bestehenden unabhängigen Verwaltungsrats zu legen.

Das Gutachten der Sachverständigen vom 9. April 1924 sieht die Ein- gliederung der Deutschen Reichsbahn in den Reparationsplan vor. Das Projekt

i) Der Tag des Uebergangs war der 11. Oktober 1924. Bekanntmachung vom 14. Okto- ber 1924 (R.G.B1. 1924 II Nr. 39. S. 386).

*) Mitgeteilt im Finanzarchiv 41 (1924) S. 408. 3) Reichstag 2. Wahlperiode 1920|24. Drucks. Nr. 452.

Finanzarchiv. XXXXII. Jahrg. 177 12

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 15: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

J y g Reichsges. über d. Deutsche Reichsbahn-Gesellsch. (Reichsbahnges.). Vom 30. Aug. 1924.

für die Umgestaltung der Deutschen Reichsbahn ist in Teil IX B dieses Planes enthalten, während die Anlage 4 die Einzelheiten näher ausführt. Der Plan ver- langt die Umgestaltung der Deutschen Reichsbahn in ein Gesellschafts- unternehmen, ferner die Belastung dieser Gesellschaft mit einer Repara- tionsschuld von 11 Milliarden GM. und die Festlegung einer ding- lichen Haftung für diese Schuld.

Ein besonderes Organisationskomitee hat die nunmehr vorliegenden Ent- würfe eines Reichsbahngesetzes und der einen Bestandteil dieses Gesetzes bilden- den Gesellschaftssatzung ausgearbeitet.

Die in dem Sachverständigenplane verlangte Zustimmung der Reparations- kommission zu dem Gesetz und der Satzung ist erteilt.

2. Die neue Reichsbahn -Gesellschaft. A. Der Sachverständigenplan hat den Grundsatz aufgestellt, dass die Bei-

behaltung des Staatsbetriebs, als die auch die Gestaltung des Unternehmens Deutsche Reichsbahn in der augenblicklichen Form angesehen werden kann, nicht in Frage kommen könne, sondern dass es nötig sei, das Unternehmen in eine Gesellschaft umzuwandeln. Die Deutsche Regierung hat von jeher den Standpunkt eingenommen und hält an ihm auch heute grundsätzlich fest, dass die Bildung einer besonderen Körperschaft des öffentlichen Rechts unter An- wendung privatwirtschaftlicher Formen, d. h. der Ausbau der bestehenden Organi- sation des Unternehmens Deutsche Reichsbahn in der von Anfang an vorgesehenen Art und Weise (vgl. Begründung zu § 10 der Verordnung über die Schaffung eines Unternehmens „Deutsche Reichsbahn" vom 12. Februar 1924)1) zur Erreichung des Zieles ausgereicht haben würde. Wenn nunmehr der weitere Schritt zur Bildung einer Gesellschaft getan wird, so hat die Reichsregierung dieser Mass- nahme, abgesehen von der Unmöglichkeit, die Reparationsfrage in anderer Weise zu lösen, auch deshalb zustimmen können, weil die öffentlichen Belange des Reichs sowohl in den Aufsichtsbefugnissen der Reichsregierung wie in wesentlichen organisatorischen Bestimmungen des Gesetzes und der Gesellschaftssatzung be- rücksichtigt worden sind. Die Aufsichtsbefugnisse der Reichsregierung und die öffentlich-rechtlichen Zusammenhänge in der neuen Gesellschaft sind an anderer Stelle (4) behandelt.

Das wesentlichste Erfordernis für die Bildung einer derartigen Gesellschaft musste sein, dass ihre Organe überwiegend deutsch sind und dass dadurch die Beachtung der deutschen allgemeinen Interessen wie der Interessen der deutschen Volkswirtschaft insbesondere sichergestellt wird.

Dass die Gesellschaft eine deutsche ist, geht einmal aus ihrem Namen hervor, indem sie ausdrücklich als „Deutsch eu Reichsbahn- Gesellschaft be- zeichnet wird. Ferner müssen der Generaldirektor und die Direk- toren Deutsche sein (§ 19 der Gesellschaftssatzung). Ihre Ernennung, die durch den Verwaltungsrat erfolgt, bedarf der Bestätigung des Reichspräsidenten. Auch das gesamte Beamtenpersonal der Reichsbahn ist deutsch. Ferner ist die deutsche Mehrheit des Verwaltungsrats sichergestellt. Die Deutsche Regierung hat bei Bildung der Gesellschaft das Recht, neun Mitglieder, d. h. die Hälfte aller Mitglieder zu ernennen (§11 Abs. 2 der Gesellschaftssatzung); damit ist die deutsche Staatsangehörigkeit für die Hälfte der Mitglieder sichergestellt. Die Reichsregierung verliert allerdings das Ernennungsrecht bis zur Höchstzahl von 4 Sitzen an die Vertreter der Inhaber der Vorzugsaktien (§ 10 Abs. 3 der Gesellschaftssatzung), die aber gleichfalls Deutsche sein müssen. Da der Präsident des Verwaltungsrats ebenfalls ein Deutscher sein muss (§ 14 Abs. 1 der Gesell- schaftssatzung) und da ferner seine Stimme bei Stimmengleichheit den Ausschlag gibt, so ist die deutsche Mehrheit des Verwaltungsrats für die ganze Dauer des Betriebsrechts der Gesellschaft gesichert. Dazu kommt, dass auch der Treu- händer in der Lage ist, von den durch ihn zu ernennenden 9 Mitgliedern des Ver- waltungsrats bis zu 5 Deutsche zu bestimmen, so dass, wie schon der Sachver-

l) Mitgeteilt im Finanzarchiv 41 (1924) S. 408. 178

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 16: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

It eichsges. über d. Deutsche Reichsbahn-Gesellscli. (Reichsbahnges.). Vom 30. Aug. 1924. J 7g

ständigenplan ausführt, unter Umständen 14 deutsche Mitglieder dem Verwaltungs- rat angehören werden. Der Arbeitsausschuss des Verwaltungsrats, dem der Verwaltungsrat seine Befugnisse nach Gutdünken übertragen kann, besteht nach § 17 der Gesellschaftssatzung aus je 3 Vertretern der deutschen Seite und der Treuhänderseite. Unter letzteren muss sich mindestens ein ausländisches Mitglied befinden; auch hier ist demnach der deutsche Einfluss gesichert.

B. Die neue Gesellschaft entspricht keiner der im deutschen Handelsrechte vorgesehenen Gesellschaftsformen, sondern bildet eine Gesellschaft eigenen Rechtes mit privatwirtschaftlichem Charakter, aber mit starkem öffentlich-rechtlichem Einschlag. Die Bestimmungen des Handelsgesetzbuchs über Gesellschaften finden demgemäss auf sie nur insoweit Anwendung, als sie im Gesetze selbst bezeichnet sind (§16 des Gesetzes). Die Abweichung vom Aktienrecht besteht hauptsächlich darin, dass es bei der neuen Gesellschaft an der Generalversammlung fehlt. Deren Aufgaben liegen dem Verwaltungsrat ob. Auch in den Bestimmungen über die Ausgabe der Aktien, über die Rechte der Aktionäre und in anderen Punkten finden sich im Gesetz und in der Satzung so wesentliche Unterschiede von den für die Handelsgesellschaften geltenden Bestimmungen, dass die Aktien der Deutschen Reichsbahn- Gesellschaft den Aktien des deutschen Handelsrechts nicht ohne weiteres gleichstehen.

C. Die Aufgaben der neuen Gesellschaft decken sich im wesentlichen mit denen, die die deutschen Staatsbahnen und die Deutsche Reichsbahn stets ver- folgt haben. Die Erzielung eines Reinertrags aus den Einnahmen der Staats- bahnen war von jeher das Ziel deutscher Eisenbahnpolitik, und dieses Ziel wurde, wie auf S. 182 näher ausgeführt ist, namentlich in den letzten Jahren vor dem Kriege in grossem Umfang erreicht. Die neue Gesellschaft soll bis zur Höchst- grenze zu den Kosten der Reparationen herangezogen werden und muss zu diesem in jedem Jahre starke Ueberschüsse abwerfen. An anderer Stelle (S. 182) ist gezeigt, dass diese Ueberschüsse bei einem ordnungsmässigen Funktionieren der deutschen Wirtschaft, auf dem überhaupt der gesamte Reparationsgedanke beruht, voraussichtlich zu erreichen sind. Wie aber dort schon erwähnt ist, dürfen unter diesen Rücksichten auf Erzielung von Gewinn die volkswirtschaft- lichen Belange der deutschen Wirtschaft keinen Schaden leiden. Die Wahrung der Interessen der deutschen Volkswirtschaft ist deshalb der Gesellschaft zur besonderen Pflicht gemacht (§ 2 des Gesetzes). Auf dem besonders wichtigen Gebiete der Tarife ist die Wahrung dieser volkswirtschaftlichen Interessen ausser- dem durch das Aufsichtsrecht der Regierung hinsichtlich aller Tarife und durch einen Anspruch der Regierung auf Ermässigung der Tarife „im Interesse der deutschen Volkswirtschaft" gesichert (§ 33). Auch die Möglichkeit der Aufrecht- erhaltung der bestehenden Tarifgrundsätze ist durch diese Bestimmungen ge- währleistet.

D. Die Organe der Gesellschaft sind der Verwaltungsrat und der Vor- stand. Der Verwaltungsrat überwacht die Geschäftsführung und entscheidet über alle wichtigen, grundsätzlichen oder allgemein bedeutsamen Fragen (§ 16 der Gesellschaftssatzung). In die Angelegenheiten der laufenden Verwaltung hat er sich anderseits grundsätzlich nicht einzumischen. Er bestellt den General- direktor und die übrigen Mitglieder des Vorstandes und beschliesst über ihre Abberufung. Seine Befugnisse sind somit zwar umfangreicher als die eines Auf- sichtsrats einer Aktiengesellschaft, sie gehen aber nicht so weit wie die des Board of Directors einer englischen Gesellschaft.

Der Vorstand der Reichsbahn- Gesellschaft ist kraft eigenen Rechtes zur Vertretung der Gesellschaft und zur alleinigen und verantwortlichen Ent- scheidung in allen Fragen berufen, die nicht ausdrücklich dem Verwaltungsrat übertragen sind, oder die dieser nicht nach den erwähnten Grundsätzen an sich zieht (§ 20 der Gesellschaftssatzung). Das Nähere wird durch eine Geschäfts- ordnung der Gesellschaft festgesetzt, die der Verwaltungsrat erlässt. Der Vor- stand besteht aus dem Generaldirektor und einem oder mehreren Direktoren (§ 19 Abs. 2 der Gesellschaftssatzung), jedoch trägt der Generaldirektor allein für die Geschäftsführung der Gesellschaft die Verantwortung (§ 20 Abs. 1 der Gesellschaf tssatzun g ) .

179

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 17: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

1 gO Reiclisges. über d. Deutsche Reichsbahn-Gesellscli. (Reichsbahnges.). Vom 30. Aug. 1921.

E. Als Gegenstand des Unternehmens der Reichsbahn- Gesell- schaft bezeichnet die Gesellschaftssatzung „den Betrieb der Reichseisenbahnen einschliesslich der künftigen Erweiterungen sowie die Ausführung aller damit zusammenhängenden oder dadurch veranlassten Geschäfte" ( § 2 der Gesellschafts- satzung).

Das Reich überlässt der Gesellschaft das ausschliessliche Recht zum Be- triebe der Reichseisenbahnen bis zum 31. Dezember 1964, vorausgesetzt, dass alsdann sämtliche Reparationsschuldverschreibungen und sämtliche Vorzugs- aktien getilgt, zurückgekauft oder eingezogen sind. Ist das nicht der Fall, so verlängert sich das Betriebsrecht entsprechend. Ist dagegen die Tilgung zu einem früheren Zeitpunkt abgeschlossen, so kürzt sich das Betriebsrecht entsprechend ab.

Das Betriebsrecht umfasst die Reichseisenbahnen in demselben Umfang, in dem sie von dem Unternehmen Deutsche Reichsbahn zur Zeit des Ueberganges auf die Gesellschaft verwaltet werden, also einschliesslich der Nebenbetriebe, wie z. B. der Bodenseedampfschiffahrt, der Fährbetriebe nach Dänemark und Schweden und einschliesslich der Beteiligungen, wie z. B. der Beteiligung am Mitteleuropäischen Reisebüro.

In das Eigentum der Gesellschaft gehen nur die Betriebsvorräte, Kassen- bestände und Bankguthaben des Unternehmens Deutsche Reichsbahn über. Grundstücke und Grundstückszubehör, das rollende Material und das sonstige Inventar, das von dem Unternehmen Deutsche Reichsbahn nur fiduziarisch verwaltet wird, wird auch von der Gesellschaft nur in der gleichen Weise ver- waltet werden. Sie bleiben Eigentum des Reichs und bilden das sog. „Reichs- eisenbahnvermögen".

Die Gesellschaft kann den für Reparationszwecke von ihr jährlich auf- zubringenden Betrag nur herauswirtschaften, wenn der Ertrag ihres Netzes nicht durch den Wettbewerb neuer Linien geschmälert wird. Deshalb war es notwendig, das Monopol, das heute schon das Reich für die Reichseisenbahnen auf Grund der Reichsverfassung (Art. 94 Abs. 1) hat, auf den Betrieb der Gesellschaft zu übertragen (§ 10 des Gesetzes).

F. Die Umwandlung des Unternehmens Deutsche Reichsbahn in eine Ge- sellschaft privatwirtschaftlichen Charakters und eigenen Rechtes bedingt auch eine Umstellung der Rechtsverhältnisse des Personals und gewisse Sonderregelungen auf Rechtsgebieten, die mit der Personalverwaltung im Zusammenhange stehen. Die erforderliche Neugestaltung der Rechtsverhält- nisse des Personals bringt der Entwurf des Reichsbahngesetzes in den §§16 Abs. 4, 19-26, während die Einzelheiten in einem besonderen Gesetzentwurf über die Personalverhältnisse bei der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahnperso- nalgesetz) enthalten sind. Dabei war zunächst davon auszugehen, dass die Rechte des vorhandenen Personals ungeschmälert erhalten bleiben, soweit dies mit der neuen Form des Unternehmens irgendwie vereinbar ist. Deshalb ist im § 20 Abs. 3 des Gesetzes zum Ausdruck gebracht, dass die im Dienste des Unternehmens Deutsche Reichsbahn stehenden Angestellten und Arbeiter mit den beiderseitigen Rechten und Verpflichtungen zu übernehmen sind und dass auch die erworbenen Ansprüche der im Dienste des Unternehmens Deutsche Reichsbahn stehenden Reichsbeamten an Diensteinkommen, Wartegeld, Ruhegehalt und Hinterbliebenen- versorgung einschliesslich des Rechtes auf Fortgewährung des Gesamtdienst- einkommens bei Krankheit und Erholungsurlaub aufrechterhalten werden.

Die bei dem Unternehmen Deutsche Reichsbahn beschäftigten Beamten sind unter der gegenwärtigen Herrschaft der Verordnung über die Schaffung eines Unternehmens Deutsche Reichsbahn noch Reichsbeamte mit allen Rechten und Pflichten solcher. Reichsbeamte können aber die zur neuen Gesellschaft übergehenden Beamten nicht bleiben, da ihr Dienstherr nicht mehr das Reich, sondern die Gesellschaft ist. Es hätte daher in Frage kommen können, die Reichs - beamten in Angestellte umzuwandeln. Der Entwurf geht diesen Weg nicht, weil er, abgesehen von dem Gesichtspunkte, wohlerworbene Rechte der Beamten in grösstmöglichem Umfang bestehen zu lassen, das Berufsbeamtentum mit seinen Vorzügen für eine geordnete und leistungsfähige Geschäftsführung dem neuen Unternehmen erhalten will.

180

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 18: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

Reichsges.überd.DeutscheReichsbahn-Gesellsch.íReichsbahnges.)- Vorn 30. Aug. 1924. jgj

Das Gesetz erreicht das Ziel, auf dem Gebiete des Personalwesens den neuen Rechtszustand aus dem bisherigen Zustand organisch zu entwickeln und aus der Vergangenheit beizubehalten, was sich bewährt hat, durch die Schaffung eines neuen Beamtentyps, des Reichsbahnbeamten. Dieser ist Beamter im Sinne der Reichsverfassung; er ist Beamter eigenen Rechtes, dessen Rechte und Pflichten durch die vorliegenden Gesetzentwürfe in enger Anlehnung an das Reichsbeamten- gesetz umschrieben sind. Unter Beachtung dieser Grundsätze sollen die Rechts- und Dienstverhältnisse der Bediensteten im einzelnen durch eine von der Gesell- schaft zu erlassende Personalordnung geregelt werden.

Dass die Reichsbahn- Gesellschaft als Dienstherr eines öffentlichen Dienst- verhältnisses auftreten kann, liegt darin begründet, dass sie Träger eines öffent- lichen Unternehmens ist und damit in die Reihe jener Dienstherren eintritt, die, abgesehen von Reich und Land, als Träger eines Zweiges der öffentlichen Ver- waltung Herren öffentlicher Dienstverhältnisse zu sein pflegen, wie Gemeinden, Kommunalverbände, Religionsgesellschaften. Die Bedeutung der Reichsbahn für das Gemeinwesen ist nach den ihr zugedachten Aufgaben und Rechten so über- ragend, dass sie die besondere Treue und Hingabe, die das Kennzeichen des öffent- lichen Dienstverhältnisses bildet und im Gegensatze zu den bloss schuldrechtlichen Verpflichtungen eines privaten Dienstvertrags steht, ebenso beanspruchen kann wie der Staat selbst.

Das Reichsbahngesetz hält den landsmannschaftlichen Charakter des Perso- nals, wie er in der Reichsverfassung (Art. 16) für die bei den Verwaltungen des Reichs beschäftigten Reichsbeamten angeordnet ist, ausdrücklich auch für die Beamten der neuen Gesellschaft aufrecht (§21 des Gesetzes). Weiter ist vor- gesehen, dass die Personalverhältnisse der Reichsbahnbeamten in Anlehnung an die für Reichsbeamte geltenden Vorschriften zu regeln sind (§ 22 Abs. 3 des Ge- setzes). Die Berücksichtigung der öffentlichen Interessen neben den Interessen der Gesellschaft wird im § 23 von den Reichsbahnbeamten gefordert. Pflicht- verletzungen werden unter sinngemässer Anwendung des Dienststrafrechts der Reichsbeamten geahndet (§ 23 Abs. 2 des Gesetzes).

Die Unkündbarkeit der Reichsbahnbeamten wird, wie bisher beim Reichs- beamten, grundsätzlich beizubehalten sein. Es muss aber für die neue Gesell- schaft ein Ventil geschaffen werden, um nötigenfalls Bedienstete auf andere Stellen von geringerer Bedeutung zu versetzen und, sofern es nicht zu umgehen ist, unter Bewilligung von Wartegeld einstweilen in den Ruhestand zu versetzen (§ 24 des Gesetzes).

Durch eine besondere Bestimmung ist die Unterbringung von Versorgungs- anwärtern in einer dem bisherigen Verhältnis entsprechenden Zahl bei der neuen Gesellschaft sichergestellt ( § 25 des Gesetzes). Schliesslich ist Vorsorge getroffen, dass die Festsetzung der Dienstbezüge des Reichsbahnpersonals unter Berück- sichtigung der Verhältnisse der Reichsbeamten erfolgt, indem bei Erhöhungen ein Mitwirkungsrecht der Reichsregierung festgelegt ist (§ 26 des Gesetzes).

G. Eine innere Umgestaltung des neuen Unternehmens wird an- gebahnt werden, sobald das Unternehmen in die neue Form übergeführt ist. Eine solche Umgestaltung wird schon dadurch nötig, dass an die Stelle der bisherigen der Staatsverwaltung entlehnten Form der Wirtschaftsführung eine solche nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen und Formen treten muss. Anderseits wird hierbei an bewährten Grundsätzen des Staatsbetriebs, die mit der neuen Art und Form der Wirtschaftsführung vereinbar sind, festzuhalten sein.

Im engen Zusammenhange hiermit steht die Ausgestaltung der eigentlichen Betriebsorganisation des Unternehmens, die unter Festhaltung der bewährten Grundsätze der früheren Staatseisenbahnverwaltungen und der von der Reichs- bahn seit ihrem Bestehen eingeführten Vereinheitlichungen weiter ausgebaut werden wird. Hierbei wird die schon angebahnte Dezentralisation festzuhalten sein. Für die Finanzleitung des Unternehmens wird stets vornehmste Sorge bleiben müssen, nicht durch übermässige Anspannung der Tarifschraube, sondern durch verständige Wirtschaftsführung und grösste Wirtschaftlichkeit auf allen Gebieten der Verwaltung die notwendigen Erträge zu sichern.

181

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 19: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

182 Reichsges. über d. Deutsche Reicksbahn-Gesellseh. (Reichsbahnges.) . Vom 30. Aug. 1924.

3. Die Finanzen der neuen Gesellschaft. A. Neben den im vorhergehenden Abschnitt (2) behandelten volkswirtschaft-

lichen Belangen ist vom deutschen Standpunkt aus entscheidender Wert darauf zu legen, dass die neue Gesellschaft nicht mit finanziellen Auflagen belastet wird, die ihre Lebensfähigkeit gefährden und die Erfüllung ihrer volkswirtschaftlichen Aufgaben in Frage stellen könnte. Die Ziffern der Vorkriegszeit und die voraus- sichtliche Entwicklung des deutschen Verkehrs geben, soweit ein Blick in die Zukunft überhaupt möglich ist, die Gewähr dafür, dass die dem Unternehmen auferlegten Lasten die Grenze des Möglichen nicht übersteigen.

Die deutschen Staatseisenbahnen haben vor dem Kriege bei einem blühenden Wirtschaftsleben erhebliche Ueberschüsse an die Staatskassen abliefern können. Für die Jahre 1910-1913 ergibt sich folgendes Bild:

TT Ueberschuas i»Ä„ «i „™ Schulden- Rein- TT Ueberschuas i»Ä„ «i „™ dlenst überschuss

1910 .... 921,083,851 450,900,000 470,183,851 1911 .... 1,055,695,403 457,800,000 597,895,403 1912 .... 1,058,567,684 471,700,000 586,867,684 1913 .... 997,982,419 493,802,749 504,179,670

Bemerkenswert ist hierbei, dass von dem Ueberschüsse, den man für 1910-1913 auf durchschnittlich 1 Milliarde GM. beziffern kann, fast die Hälfte auf den Schul- dendienst entfiel und etwas mehr als die Hälfte sich als Reinüberschuss darstellt.

Trotz der schweren Wunden, die der Krieg und seine Folgen den Eisen- bahnen geschlagen hatten, war es schon im Jahre 1922 gelungen, den Eisenbahn- haushalt ohne Fehlbetrag abzuschliessen. Allerdings hat die Ruhrbesetzung und ihre Folgen auf dem Währungsgebiete die Weiterführung einer geordneten Finanz- wirtschaft unmöglich gemacht. Auch die Stabilisierung der Währung und die Abtrennung der Eisenbahnfinanzen vom allgemeinen Reichshaushalt (15. No- vember 1923) haben vorübergehend eine weitere Erschütterung gebracht. Aber es ist gelungen, die finanzielle Entwicklung wieder in geordnete Bahnen zu lenken, und trotz aller Hemmnisse hält sich das Unternehmen heute aus eigener Kraft aufrecht, ohne dabei seine Verpflichtungen für die deutsche Volkswirtschaft zu vernachlässigen.

B. Die finanziellen Belastungen der neuen Gesellschaft werden sich folgen- dermassen belaufen:

a) Für eigentliche Reparationszwecke sind zu zahlen: im 1. Jahre nach dem Uebergange des Betriebsrechts 200 Millionen GM., im 2. Jahre nach dem Uebergange des Betriebsrechts 595 Millionen GM., im 3. Jahre nach dem Ueber- gange des Betriebsrechts 550 Millionen GM. und vom 4. Jahre ab 660 Millionen GM.

b) Ferner wird sich nach der Begebung von Vorzugsaktien in Höhe von 2 Milliarden GM. und bei Annahme der Festsetzung der Vorzugsdividende auf 7 v. H. eine weitere Belastung von 140 Millionen ergeben.

Die sich so ergebende Gesamtbelastung in Höhe von 800 Millionen GM. bleibt hinter den Erträgnissen der Staatseisenbahnen im Frieden zurück, lässt also im besonderen Raum für die erforderlichen Rücklagen.

Die von der neuen Gesellschaft weiter zu erhebende Beförderungssteuer für den Personen- und Güterverkehr belastet finanziell die Gesellschaft nicht, da sie in ihren Büchern als durchlaufender Posten erscheint. Vom Standpunkt des Verkehrs und der Tarifgestaltung bedeutet allerdings der Betrag von etwa 250-300 Millionen, der für diese Beförderungssteuer anzusetzen ist, eine Mehr- belastung, die als ein Teil der Reparationsverpflichtung der deutschen Wirtschaft anzusehen ist.

C. Die Grundlage des finanziellen Aufbaues der Gesellschaft bildet das Aktienkapital von insgesamt 15 Milliarden GM., von denen 2 Milliarden Vorzugsaktien und 13 Milliarden Stammaktien sind. Die Vorzugsaktien werden nach d : m eigenen Bedürfnis der Gesellschaft ausgegeben. Jedoch ist festgelegt, dass wahrend der ersten beiden Jahre nach dem Uebergange des Betriebsrechts an die Gesellschaft 500 Millionen Vorzugsaktien ausgegeben werden sollen. Dabei

182

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 20: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

Reichsges. über d- Deutsche Reichsbahn-Gesellsch. (Reichsbahnges.) . Vom 30. Àug. 1924. j gß

ist vorgesehen, dass dem Reiche auf sein Verlangen der Erlös aus dieser Ausgabe zur Erfüllung der von ihm geschuldeten Reparationszahlungen aus den beiden ersten Jahren zufliesst. Die Vorzugsaktien erhalten eine Vorzugsdividende, die aus dem Gewinne der folgenden Jahre nachzuzahlen ist, wenn ihre Zahlung in einem Jahre nicht möglich sein sollte (kumulative Vorzugsdividende, § 4 Abs. 1 der Gesellschaftssatzung). Ausserdem erhalten die Vorzugsaktien eine Zusatz - dividende entsprechend § 25 der Gesellschaftssatzung. Ausgabebedingungen und Ausgabekurs stehen im Ermessen der Gesellschaft mit den sich aus § 4 Abs. 2 ergebenden Einschränkungen. Für die Vorzugsaktien ist spätestens vom Jahre 1935 ab eine Rücklage zu ihrer Einziehung anzusammeln, deren Höhe sich nach den wirtschaftlichen Verhältnissen der Gesellschaft richten muss.

Die Stammaktien sind auf den Namen des Reichs oder eines Landes aus- zustellen; zur Verfügung über sie ist die Zustimmung des Reichstags und des Reichsrats mit der im Art. 76 Abs. 1 Satz 2 u. 3 der Reichsverfassung vorgesehenen Zweidrittelmehrheit erforderlich. Die Stammaktien gewähren kein Recht auf Kapitalrückzahlung. Eine Rücklage für ihre Einziehung wird nicht gebildet. Die Stammaktien geben den Anspruch auf eine Dividende gemäss den Bestim- mungen im § 25 der Gesellschaftssatzung. Ob und inwieweit eine solche Dividende auf die Stammaktien ausgeschüttet werden kann, wird sich aus der Gesamtlage der deutschen Wirtschaft und der Finanzlage der Gesellschaft ergeben. Es wird jederzeit sorgfältig abgewogen werden müssen, ob es im Hinblick auf die Inter- essen des Unternehmens und der deutschen Volkswirtschaft richtiger ist, grössere Dividenden herauszuwirtschaften oder den etwa schonungsbedürftigen deutschen Verkehr von zu grossen Lasten für Beförderungsgebühren frei zu lassen.

Neben den 15 Milliarden Aktien gibt die Reichsbahn- Gesellschaft Repara- tionsschuldverschreibungen im Betrage von 11 Milliarden GM. aus; die hiernach zu zahlenden Jahresleistungen sind auf S. 182 angeführt. Die Zahlungen für den Dienst dieser Schuldverschreibungen sind zu gleichen Teilen halbjährlich zu ent- richten. Für alle Zahlungen der Gesellschaft aus den Reparationsschuldverschrei- bungen ist die Goldmark zugrunde gelegt (§ 46 des Gesetzes). Die Schuldver- schreibungen selbst sind nicht von der Gesellschaft, sondern vom Treuhänder auf den Markt zu bringen. Durch die im § 8 der Gesellschaftssatzung vorgesehene Mitwirkung der Reichsschuldenverwaltung sind die Belange des Reichs hinsicht- lich des Zinsen- und Tilgungsdienstes sichergestellt. Es ist vorgesehen, dass sowohl die Reichsregierung wie die Gesellschaft die Reparationsschuldverschreibungen vorzeitig einlösen kann mit der Folge, dass dadurch die Zeit des Betriebsrechts für die Gesellschaft abgekürzt wird und die für die Reparationsschuldverschrei- bungen geschaffenen Sicherungen aufhören, insbesondere die Tätigkeit des unten behandelten Eisenbahnkommissars erlischt.

D. Um stärkeren Konjunkturschwankungen gegenüber gerüstet zu sein, hat die Gesellschaft für hinreichende Rücklagen zu sorgen. Näheres ergibt § 25 der Gesellschaftssatzung. Es wird besonders darauf zu achten sein, dass je nach den Kräften der Gesellschaft Mittel zur Verfügung stehen, um die notwendige Ausgestaltung des Unternehmens und die Berücksichtigung der Erfordernisse des technischen Fortschritts sicherzustellen.

E. Die vorgesehene Belastung der Gesellschaft ist nur dadurch möglich, dass sie von jeder Leistung für die Abfindung nach dem Staats vertrage vom Jahre 1920 sowohl gegenüber den Ländern selbst wie gegenüber den Gläubigern der früheren Eisenbahnländer befreit wird (§ 43 des Gesetzes). Sie darf ferner mit keiner neuen direkten Steuer belastet werden (§ 14 des Gesetzes) und muss ent- sprechende Vergütungen für Leistungen zugunsten der Reichspost- und Reichs- telegraphenverwaltung und sonstiger Verwaltungen des Reichs, der Länder und Gemeinden (Gemeindeverbände) erhalten (§ 13 des Gesetzes).

F. Die vorgesehene Regelung der Finanzwirtschaft wird auch die Herein- nahme fremden Geldes erleichtern, und zwar zur etwa notwendigen Verstärkung der Betriebsmittel sowie für ausserordentliche Ausgaben zur Verbesserung und Vermehrung des Reichseisenbahnvermögens, soweit sie nicht aus Rücklagen (vgl. auch oben unter D) gemäss § 25 der Gesellschaftssatzung gedeckt werden können. Die Inanspruchnahme des Kapitalmarktes ist sowohl durch die Ausgabe

18:5

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 21: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

134 Reichsges. über d. Deutsche Reiehsbahn-Gesellsch.CReichsbahnges.). Vom 30. Aug. 1924.

des der Gesellschaft zustehenden Betrags von 1500 Millionen GM. Vorzugsaktien möglich, wie auch durch Aufnahme fundierter und unfundierter Kredite, ersteren- falls unter Verpfändung des Reichseisenbahnvermögens. Die Voraussetzungen hierfür sind im § 8 des Gesetzes und im § 9 der Gesellschaftssatzung angegeben.

G. Die Reparationsschuld von 11 Milliarden GM. mit einer Art Real- sicherung zu versehen, war eine der schwierigen Aufgaben in der Ausarbeitung des Eisenbahnplans. Dass diese Realsicherung nicht in der herkömmlichen Form einer Pfandsicherung getroffen werden konnte, war klar. Es galt eine neue Rechts- form zu finden, für die, wenn man ihr auch die Bezeichnung „Hypothek" beliess, in ihrer Begründung, ihrem Umfang und ihrer Realisierung ausschHesslich Sonder- vorschriften gelten. Die Begründung der Hypothek erfolgt durch das Gesetz selbst, eine Eintragung in ein Grundbuch, in ein besonderes Bahngrund- buch od. dgl. ist nicht erforderlich. Der Umfang der Hypothek ist weit gefasst. Nur dadurch war es möglich, das vom Sachverständigenplan beabsich- tigte, im Ausland vielfach übliche Pfand am Unternehmen (Floating Charge) zu vermeiden, das dem deutschen Recht fremd ist. Der Hypothek unterliegen die gesamten von der Reichsbahn- Gesellschaft verwalteten Grundstücke des Reichs samt Zubehör (im Gesetz als „Reichseisenbahnvermögen" bezeichnet) sowie die eigenen Grundstücke der Gesellschaft samt Zubehör, wobei als Zubehör die Fahr- zeuge und alle sonstigen beweglichen Sachen der Reichseisenbahnen und der Gesellschaft zu gelten haben. Die Realisierung der Hypothek nach Eintritt der Pfandreife erfolgt durch das von der Gesellschaftssatzung geregelte Eingreifen des Eisenbahnkommissars.

Dieser Eisenbahnkommissar wird von den ausländischen Mitgliedern des Verwaltungsrats gewählt. Ihm liegt die Wahrung der Rechte der Schuldverschrei- bungsgläubiger ob. Sein Amt beginnt mit der Schaffung der Gesellschaft und endet mit der Tilgung der Reparationsschuld. Solange der Schuldendienst von der Gesellschaft erfüllt wird, hat der Kommissar ein Informationsrecht, dessen Umfang sich aus § 22 der Satzung ergibt. Wenn der Kommissar den Schuldendienst für gefährdet hält, hat er das Recht, die Frage mit dem Generaldirektor zu erörtern und, wenn dieser seinen Anregungen nicht Folge leisten will, die Angelegenheit vor den Verwaltungsrat zu bringen, der endgültig entscheidet. Erst wenn die Gesellschaft mit dem Schuldendienst in Verzug kommt, tritt ein Rechtszustand ein, der in gewissem Sinne als Pfandverfall be- zeichnet werden kann und dessen Wirkungen in dem Inkrafttreten von Aus- nahmebefugnissen des Kommissars bestehen. Der Kommissar ist in diesem Falle zu unmittelbarem Eingreifen in die Verwaltung berechtigt. Hierbei bilden seine Befugnisse eine Stufenleiter, die eine schrittweise Verschärfung dar- stellen, verschiedenen Voraussetzungen unterliegen und sich wie folgt auswirken:

a) Der Kommissar kann den Fortfall bestimmter Ausgaben oder Tarif- erhöhungen anordnen. Er kann ferner einen Wechsel in der Person des General direktors verlangen. Der Verwaltungsrat hat insoweit seinen Wünschen nach- zukommen, bleibt aber im übrigen nach wie vor massgebendes Organ der Ver- waltung.

b) Sollte auch nach Ablauf von 6 Monaten nach Fälligkeit der Zinsen- und Tilgungsbeträge eine Deckung des Fehlbetrags nicht erreicht sein, so kann der Kommissar im Einvernehmen mit dem Treuhänder als dem Vertreter der Schuld- verschreibungsgläubiger die Verwaltung der Gesellschaft in eigene Hand nehmen. Auch kann er Gegenstände, die zur Betriebsführung entbehrlich sind, veräussern.

c) Als äusserste Massregel ist vorgesehen, dass der Kommissar das Betriebs - recht ganz oder zum Teil verpachtet. Die Massnahme ist jedoch abhängig von der Entscheidung des neutralen Schiedsrichters, der zu prüfen hat, ob die Massnahme an sich nötig und geeignet ist, die Durchführung des Schulden- dienstes sicherzustellen.

Ist der fehlende Betrag gedeckt und die Zahlung des nächsten Zinsbetrags sichergestellt, so enden die dem Eisenbahnkommissar nach dem Vorstehenden ausnahmsweise zustehenden Befugnisse. Hierbei ist zu bemerken, dass das Reich jederzeit berechtigt ist, die Deckung des Fehlbetrags selbst zu übernehmen und damit die Einwirkungen des Kommissars abzuwenden.

184

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 22: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

Reichsges. über d. Deutsche Reichsbahn-Gesellsch. (Reichsbahnges.). Vom 30. Aug. 1924. j §5

Nur in der durch die vorgenannten Befugnisse des Kommissars gekennzeich- neten Form vollzieht sich die Realisierung der Reparationshypothek. Insbesondere ist der Verkauf der Reichsbahn oder einzelner Teile - abgesehen von den für den Betrieb entbehrlichen Sachen - in jedem Stadium ausgeschlossen. Es wird Aufgabe einer geschickten Verwaltung der Gesellschaft und der Ausübung der Aufsicht seitens der Reichsregierung sein, dieses Eingreifen des Kommissars durch rechtzeitig zu ergreifende Massnahmen unter allen Umständen zu vermeiden.

4. Das Verhältnis der Gesellschaft zum Reiche. Die Beziehungen der Reichsbahn- Gesellschaft zum Reiche sind in doppelter

Hinsicht rechtlich von Bedeutung. Einmal ist zu beachten, dass das Reich sein Eigentum an den Bahnen nicht aufgibt, sondern der Gesellschaft nur das Betriebs- recht überlässt; sodann ist wichtig, dass die öffentliche Bedeutung und der öffent- lich-rechtliche Charakter des Eisenbahnbetriebs auch durch die Uebertragung an die selbständige Gesellschaft nicht verloren geht. Es handelt sich im ersten Falle um das Verhältnis des Nutzungsberechtigten zum Eigentümer, im zweiten Falle um das hoheitsrechtliche Verhältnis des betriebsführenden Unternehmens zum Staate als dem Träger der Eisenbahnhoheit.

A. Als Verwalter fremden Eigentums hat die Gesellschaft die Bahnen samt allem Zubehör in gutem Zustand zu erhalten und sie nach Ablauf des Betriebs- rechts lastenfrei und in ordnungsmässigem Zustand zurückzugeben. Um der Gesellschaft eine rationelle Bewirtschaftung der Bahnen möglich zu machen, ist es erforderlich, ihr mit dem Verwaltungsrecht auch ein beschränktes Ver- fügungsrecht über das Reichseigentum einzuräumen. Sie darf über Gegen- stände, die zum Reichseisenbahnvermögen gehören, im Rahmen einer ordnungs- mässigen Wirtschaft verfügen, wie im Gesetz näher ausgeführt ist. Diese Be- schränkung gilt nicht für Verfügungen über das Eigenvermögen der Gesellschaft. Gerade in diesem Punkte wird der Unterschied praktisch zwischen den Gegen- ständen, die in das Eigentum der Gesellschaft übergehen (Betriebs Vorräte, wie Kohlen, Schienen, Metalle u. dgl., Kassenbestände und Bankguthaben), und den Gegenständen, die nur ihrer Verwaltung unterliegen.

Um gewissen Gefahren vorzubeugen, die durch eine allzu selbständige An- leihepolitik der Gesellschaft der Anleihepolitik des Reichs drohen könnten, ist bestimmt, dass die Gesellschaft sich bei Ausgabe von Anleihen über die A n- leihebedingungen mit der Reichsregierung ins Einvernehmen zu setzen hat.

B. Ueberall, wo der Staat nicht selbst als Unternehmer auftritt, ist zum Bau und Betrieb von Eisenbahnen ein besonderer staatlicher Akt der Ueber- tragung notwendig, durch den für den Beliehenen besondere öffentliche Rechte und Pflichten entstehen. Die Festlegung dieser Rechte und Pflichten der Gesellschaft gegenüber dem Reiche ist bei den grossen finanziellen Auflagen der Gesellschaft von ausschlaggebender Bedeutung. Die Aufsichts- befugnisse des Reichs mussten stark ausgebaut werden. Sie müssen aber ander- seits der Gesellschaft die nötige Bewegungsfreiheit belassen; ihre Ausübung wird nur nach Massgabe des tatsächlichen Bedürfnisses und der staatlichen Notwendig- keiten zu erfolgen haben.

Im einzelnen ist auf folgendes hinzuweisen: I. Die Gesellschaft ist als deutsche Gesellschaft dem deutschen

Rechte unterworfen. Die für Eisenbahnen allgemein geltenden Gesetze und Verordnungen, mögen sie zur Zeit bereits in Kraft sein oder in Zukunft erst erlassen werden, sind auf die Gesellschaft anzuwenden, soweit sie dem Reichs- bahngesetz oder der Gesellschaftssatzung nicht widersprechen. Wo ein Wider- spruch vorliegt, gehen diese Sondergesetze den allgemeinen Gesetzen vor (§ 16 des Gesetzes).

Unter den Gesetzen, denen die Gesellschaft unterworfen ist, ist in erster Linie die Reichsverfassung selbst zu erwähnen. Aus der Reichsverfassung kommen vor allem in Betracht: Art. 89-96, die das Eisenbahnwesen im engeren Sinne betreffen, und Art. 128-131, die von den Grundrechten der Beamten handeln.

185

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 23: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

1 g(j Reichsges. über d. Deutsche Reichsbahn-Gesellsch. (Reichsbahnges.). Vom 30. Aug. 19Î4.

Hierbei ist jedoch zu beachten, dass das Reichsbahngesetz in manchen Punkten den Charakter eines verfassungsändernden Gesetzes trägt.

Ausser Kraft gesetzt ist bis auf weiteres die Bestimmung des Art. 89, dass es Aufgabe des Reichs ist, die dem allgemeinen Verkehre dienenden Eisenbahnen zu verwalten. Diese Verwaltung wird vielmehr bis auf weiteres Sache der Ge- sellschaft sein. Auch die Bestimmung des Art. 92, dass der Haushalt der Reichs- eisenbahnen in den allgemeinen Haushalt des Reichs einzugliedern ist, wird durch das neue Reichsbahngesetz undurchführbar.

Von diesen Ausnahmen abgesehen, behält es jedoch bei den Bestimmungen der Reichsverfassung sein Bewenden. Insbesondere gelten die Bestimmungen der Art. 91 u. 96 der Reichs Verfassung unverändert auch für die neue Gesellschaft.

Auch der Art. 129, nach dem die wohlerworbenen Rechte der Beamten unverletzlich sind, behält für die Reichsbahnbeamten seine Geltung. Zwar greift das Reichsbahngesetz selbst durch die Bestimmungen über die Neuordnung des Personalwesens in wohlerworbene Rechte der derzeitigen Beamten ein, aber der Grundsatz, dass ein solcher Eingriff nur durch verfassungsänderndes Gesetz er- folgen darf, bleibt aufrechterhalten.

Zu den Gesetzen und Verordnungen, die allgemein für die Eisenbahnen gelten und mithin auch die Rechtsverhältnisse der Gesellschaft bestimmen sollen, gehören ferner alle Bestimmungen des bürgerlichen und des Handelsrechts, die die Beförderungsgeschäfte der Eisenbahn regeln, der Beförderungszwang, die Rechte und Pflichten aus dem Frachtvertrage, die Haftung für Personen und Sachschäden.

II. Der Betrieb der Gesellschaft unterliegt der AufsichtdesReichs. Dieses Aufsichtsrecht ist gerechtfertigt wegen der Gefahren, die die technische Eigenart des Eisenbahnwesens mit sich bringt, und wegen des Interesses, das die Oeffentlichkeit an der reibungslosen und den Erfordernissen des Verkehrs gerecht werdenden Abwicklung des Betriebs hat.

Die Betriebspflicht der Gesellschaft ist das natürliche Gegenstück zu dem ihr übertragenen Betriebsrecht. Die Gesellschaft hat den Betrieb den Bedürfnissen des Verkehrs entsprechend zu führen und fortzuentwickeln (§§ 9 u. 10 des Ge- setzes). Zur Einstellung des Betriebs einer Reichsbahnstrecke oder eines wichtigen Bahnhofs sowie zu grundlegenden Neuerungen in den technischen Anlagen ist die Genehmigung der Reichsregierung erforderlich (§ 31 Ziff. 2 des Gesetzes).

Die Gesellschaft wird allen Anweisungen der Reichsregierung nachzukommen haben, die diese in Ausübung ihres Aufsichtsrechts im Interesse der Betriebs- sicherheit der Eisenbahnanlagen erlässt. Ein Ausfluss der Betriebsaufsicht ist ferner die Ueberwachung der Vorkehrungen zur Sicherung eines Notbetriebs und die Mitwirkung bei Aufstellung der regelmässigen Fahrpläne des Personenverkehrs (§ 31 Ziff. 1, 5 u. 7 des Gesetzes).

III. Abgesehen von dieser Betriebsaufsicht sind dem Reiche auf Grund seiner Hoheit gewisse Entscheidungen gegenüber der Gesellschaf t vor- behalten.

a) Insbesondere hat das Reich eine derartige Entscheidungsbefugnis, wenn es sich um eine Ausdehnung des Unternehmens, sei es in räumlicher, sei es in sachlicher Beziehung, handelt.

Eine Ausdehnung in räumlicher Beziehung ist vor allem bei dem Baue neuer Strecken gegeben. Dieser ist nur mit Zustimmung der Reichsregierung zulässig (Art. 94 Abs. 1 der Reichsverfassung und §§10 Abs. 2 u. 37 Abs. 1 des Gesetzes). Der Reichsregierung liegt ferner die Planfeststellung für den Bau neuer Strecken und unter gewissen Voraussetzungen auch für den Bau neuer und die Veränderung bestehender Reichsbahnanlagen ob (§ 37 des Gesetzes). Die Entscheidung über die Planfeststellung ist ebenso wie die Erteilung oder Ablehnung der Zustimmung zum Baue neuer Strecken unanfechtbar.

Will die Gesellschaft sich räumlich weiter ausdehnen, so wird sie den Erwerb des erforderlichen Grund und Bodens häufig nur im Wege der Enteignung durch- setzen können. Ihr ist zu diesem Zwecke wegen des überwiegenden öffentlichen Interesses an dem Eisenbahnverkehr das Enteignungsrecht verliehen. Die Ent- eignungshoheit aber bleibt dem Reiche. Die den Organen des Reichs bei Aus-

186

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 24: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

Reichsges. üb er d. Deutsche Reichsbahn-Gesellsch. (Reichsbahnges.) . Vom 30. Aug. 1924. j g 7

Übung dieser Hoheit zustehenden Entscheidungen sind unanfechtbar. (Das Gesetz gebraucht hier wie an anderen Stellen für die unanfechtbaren Entscheidungen den Ausdruck „endgültig" und will damit die Anwendung der §§ 44, 45 des Gesetz- entwurfs ausschliessen.)

Eine Ausdehnung in sachlicher Beziehung würde vorliegen, wenn die Gesell- schaft zur Angliederung und zum Erwerb anderer Unternehmungen, soweit diese nicht dem Betriebsrecht der Reichsbahn dienen, schreiten wollte. Der Erwerb oder die Beteiligung an solchen Unternehmungen ist nur mit Genehmigung der Reichsregierung zulässig (§ 31 Ziff. 3 des Gesetzes).

b) Da sich das Betriebsmonopol der Gesellschaft grundsätzlich nur auf Bahnen des allgemeinen Verkehrs erstreckt, ist die Abgrenzung der Bahnen des allgemeinen Verkehrs von den Kleinbahnen wichtig. Die Entscheidung über die Bedeutung der Bahnen trifft der für die Aufsicht über die Eisenbahnen zuständige Reichsminister (§ 11 des Gesetzes).

c) Wo bei einer Kreuzung der Reichsbahn mit anderen öffentlichen Ver- kehrswegen die vorhandenen Anlagen infolge Vermehrung des Verkehrs oder sonstiger Veränderung der Verhältnisse geändert werden müssen, soll über die Kostenverteilung zwischen der Reichsbahn und dem Wegebaupflichtigen im Streitfall, soweit die Entscheidung nicht in einem Verwaltungsstreitverfahren ergeht, von dem zuständigen Reichsminister endgültig entschieden werden (§ 39 des Gesetzes).

IV. Von besonderer Bedeutung für die deutsche Wirtschaft ist die dem Reiche verbleibende Tarif hoheit. Diese Tarifhoheit ist in der Weise ge- wahrt, dass jede Aenderung der am Tage der Errichtung der Gesellschaft gelten- den Tarife der Genehmigung der Reichsregierung bedarf; dass aber auch die Reichsregierung Tarifänderungen verlangen kann, wenn sie solche im Interesse der deutschen Volkswirtschaft für notwendig erachtet (§ 31 Ziff. 4 und § 33 des Gesetzes). Wegen der Ausnahmebefugnisse des Eisenbahnkommissars vgl. oben 3 G.

V. ZuVerhandlungenmit ausländischenRegierungen bedarf die Gesellschaft der vorherigen Zustimmung des Reichs. Auch die Ge- nehmigung der auf Grund dieser Verhandlungen getroffenen Vereinbarungen ist der Regierung vorbehalten (§ 36 des Gesetzes).

C. Da die Ausübung der Hoheitsrechte im Einzelfalle für die Gesellschaft nicht unerhebliche Belastungen zur Folge haben kann, ist bestimmt, dass die Aufsicht über den Betrieb und die Tarife nicht zu einer Gefährdung des Zinsen- und Tilgungsdienstes der Schuldverschreibungen, der Vorzugsdividende oder der Einziehung der Vorzugsaktien führen darf.

Aus dieser Bestimmung wie überhaupt aus der Abgrenzung der Rechte des Reichs und der Gesellschaft im einzelnen können sich Meinungsver- schiedenheiten ergeben. Der Sachverständigenplan hatte daher von vorn- herein zum Austrag derartiger Streitigkeiten einen Schiedsrichter vorgesehen, der vom Präsidenten des ständigen internationalen Gerichtshofs ernannt werden und auf Wunsch der Parteien neutrale Staatsangehörigkeit haben sollte. Es erschien jedoch weder wünschenswert noch erforderlich, jeden Streit zwischen der deutschen Gesellschaft und der Reichsregierung, solange er eine innerdeutsche Angelegenheit bildet, vor das Forum eines neutralen Schiedsrichters zu bringen.

Der Gesetzentwurf hat daher für alle Streitigkeiten zwischen der Gesell- schaft und der Reichsregierung ein besonderes deutsches Gericht vorgesehen und den neutralen Schiedsrichter im allgemeinen auf Streitigkeiten zwischen der Reparationskommission, einer von ihr vertretenen Regierung, dem Treuhänder oder dem Eisenbahnkommissar einerseits und der Reichsregierung oder der Gesellschaft anderseits beschränkt. Nur unter der besonderen Voraus- setzung, dass durch die Entscheidung des deutschen Gerichts die Reparations- leistung der Gesellschaft gefährdet wird, soll der neutrale Schiedsrichter als Be- rufungsinstanz bei Streitigkeiten zwischen der Gesellschaft und der Reichsregierung auf Anrufung einer dieser beiden in Tätigkeit treten. Mit Tilgung der Reparations- schuld fällt der neutrale Schiedsrichter fort.

Das deutsche Gericht, über das § 44 des Gesetzes nähere Bestimmungen trifft, kann von der Reichsregierung oder der Gesellschaft angerufen werden,

187

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 25: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

1 gg Reichsges. über d. Deutsche Reichsbahn-Gesellsch. (Reichsbahnges.). Vom 30. Aug. 1924.

sobald es sich um eine „Auslegung der Bestimmungen des Reichsbahngesetzes oder der Gesellschaftssatzung oder um Massnahmen auf Grund des Gesetzes oder der Satzung oder um sonstige ähnliche Fragen" handelt (§ 44 des Gesetzes).

Gewisse Entscheidungen der Reichsregierung sind in Abweichung von der allgemeinen Regel des § 44 der Anfechtung durch Anrufung des Gerichts ent- zogen. Sie sind im vorstehenden bereits besonders kenntlich gemacht worden. Es handelt sich um die §§ 36, 37, 38 u. 39 des Gesetzes.

5. Das Verhältnis der Gesellschaft zu den Ländern. Die Eigenart des Deutschen Reichs lässt es als selbstverständlich erscheinen,

dass die neue Gesellschaft bei der Berücksichtigung der staatlichen und wirtschaft- lichen Interessen nicht nur die des gesamten Reichs, sondern auch diejenigen der einzelnen Länder zu berücksichtigen hat. Darüber hinaus erwachsen ihr Ver- pflichtungen aus der vertraglichen und gesetzlichen Regelung, die der Uebergang der deutschen Staatsbahnen auf das Reich im Jahre 1920 gefunden hat. Die Bestimmungen dieses Vertrags sind durch § 43 des Gesetzes zum überwiegenden Teil auf die Gesellschaft übernommen. Nur wenige Bestimmungen mussten aus- geschlossen werden, weil sie entweder nicht mehr von praktischer Bedeutung sind, oder weil sie in Zukunft nicht mehr von der Gesellschaft, sondern vom Reiche zu erfüllen sind, oder weil sie nicht in den Rahmen des neuen Gesellschaftszwecks hineinpassen. Vgl. hierzu die Begründung zu § 43 des Gesetzes.

II. Besondere Bemerkungen zum Gesetzentwurf.

Zu §1. Abs. 1. Die Deutsche Reichsbahn- Gesellschaft ist eine Aktiengesellschaft.

Ihre Errichtung vollzieht sich wesentlich abweichend von der Errichtung einer Aktiengesellschaft nach dem Handelsgesetzbuche. Die Reichsbahngesellschaft wird nicht gegründet, sondern durch einen Akt der Gesetzgebung ins Leben ge- rufen. Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes gilt die Gesellschaft als errichtet.

Auf die Errichtung folgt die Bestellung von Verwaltungsrat und Vorstand. Damit ist die Gesellschaft in den Stand gesetzt, die Erfüllung ihrer Aufgaben zu übernehmen. Während bei der Aktiengesellschaft durch die Eintragung in das Handelsregister der Augenblick gekennzeichnet wird, von dem an die Aktien- gesellschaft als solche besteht (§ 200 H.G.B.), spielt sich der entsprechende Vor- gang bei der Reichsbahngesellschaft in der Weise ab, dass das Organisations - komitee der Reichsregierung anzeigt, dass die Gesellschaft bereit ist, den Betrieb zu übernehmen. Damit wird auch der Uebergang des Betriebsrechts wirksam. Die Bekanntmachung des Tages des Ueberganges im Reichsgesetzblatte hat nur deklar atorische Wirkung (§ 47 des Gesetzes).

Abs. 2. Reichsbahngesetz und Gesellschaftssatzung bilden ein einheitliches Ganzes. Insbesondere ist auch die Satzung ihrer Natur nach ein Reichsgesetz und damit durchaus verschieden von der Satzung einer Aktiengesellschaft. Die Herauslösung der Gesellschaftssatzung aus dem Reichsbahngesetz erfolgte aus rein gesetztechnischen Gründen. In dem Reichsbahngesetze sind im wesentlichen die Bestimmungen zusammengefasst, die das Verhältnis der Gesellschaft zum Reiche und zu Dritten regeln. Demgegenüber enthält die Satzung die Bestim- mungen über den finanziellen Aufbau (einschliesslich des Kommissars) und die Organisation der Gesellschaft.

Von Gesetz und Satzung sind zwar vom Organisationskomitee auch eng- lische und französische Texte aufgestellt worden. Jedoch ist, da es sich um ein deutsches Gesetz handelt, der deutsche Text der allein massgebende.

Zu §2. Vgl. die Bemerkungen im allgemeinen Teile unter 2C (S. 179).

188

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 26: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

Reichsges . über d. Deutsche Reichsbahn-Gesellsch. (Reichsbahnges . ). Vom 30 . Aug .1924. j g Q

Zu §§ 3 und 4. Das Gesetz bringt hier des Zusammenhanges wegen die grundlegenden

Bestimmungen über den finanziellen Aufbau der Gesellschaft. Die Bestimmungen werden in der Gesellschaftssatzung wiederholt und dort durch Einzelheiten er- gänzt. Vgl. die Ausführungen im allgemeinen Teile unter 3 C (S. 182) und die Be- merkungen zu §§3-7 der Gesellschaftssatzung.

Ueber die Rechtsnatur der Reparationshypothek sind im allgemeinen Teile unter 3 G (S. 18) nähere Ausführungen gemacht.

Zu §§5 und 6. Die Uebertragung des Betriebsrechts schliesst in sich: a) die Verleihung der Befugnis zur Ausübung des Eisenbahnbetriebs, b) die keine Uebereignung darstellende Uebertragung des Reichseisenbahn-

vermögens zum Zwecke der Bewirtschaftung, c) die Uebereignung der Betriebsvorräte und Kassenbestände sowie der

Bankguthaben des Unternehmens „Deutsche Reichsbahn". Vgl. zu dem Vorstehenden die Ausführungen im allgemeinen Teile unter

2 E (S. 180). Der Begriff „Betriebsvorräte" umfasst Betriebs-, Oberbau- und Bau- sowie

Werkstoffe einschliesslich der Ersatzstücke.

Zu §7. Schon der Staatsvertrag über den Uebergang der Staatseisenbahnen auf

das Reich hatte in seinem § 5 Abs. 2 eine beschränkte Haftung der Reichseisen- bahnen normiert. Die Reichseisenbahnen sollten nicht für die vor dem 1. April 1920 entstandenen Schulden des Reichs haften. Die Notverordnung vom 12. Februar 1924 hatte für das Unternehmen Deutsche Reichsbahn die Beschränkung noch enger gezogen; das Reichseisenbahnvermögen sollte nur für Verpflichtungen aus der Verwaltung der Reichseisenbahnen haften, nicht für die übrigen Verpflich- tungen des Reichs.

Diese Bestimmung soll in das vorliegende Gesetz übernommen werden. Eine Aenderung ergab sich nur aus der im § 43 besonders geregelten Uebernahme der Verpflichtungen aus dem Staatsvertrage.

Zu §8. Vgl. § 9 der Gesellschaftssatzung und die Ausführungen im allgemeinen

Teile unter 3 F (S. 183). Nach § 9 des Gesetzes hat die Gesellschaft die Reichs- eisenbahnanlagen auf ihre Kosten nicht nur zu unterhalten, sondern auch weiter zu entwickeln. In der Bilanz erscheinen jedoch Aufwendungen, die die Gesell- schaft zur Verbesserung der Anlagen macht, nicht als Vermehrung des Vermögens, da die neuen Anlagen in das Eigentum des Reichs übergehen. Da aber das Reich verpflichtet ist, die Lasten aus Krediten zu übernehmen, wenn diese Lasten auf die Zeit nach Ablauf des Betriebsrechts entfallen, so wird dadurch ermöglicht, in der Bilanz jedes Jahres den Anspruch gegen das Reich auf Befreiung von solchen Verbindlichkeiten in der Höhe einzusetzen, in der er bestünde, wenn das Betriebs- recht mit Ablauf des betreffenden Jahres endigen würde.

Zu §9. § 9 umschreibt die Grenzen, die der freien Geschäftsführung der Gesellschaft

(„wie sie es für angemessen erachtet") gesteckt sind: 1. sichere Betriebsführung; 2. gute Unterhaltung und Weiterentwicklung der Anlagen, a) nach den Bedürfnissen des Verkehrs, b) nach dem jeweiligen Stande der Technik; 3. Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften. Das sind: a) dieses Gesetz nebst Satzung,

189

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 27: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

2 90 Reichsges.überd.DeutscheReichsbahu-Gesellsch.CReiclisbahüges.). Vom30. Aug. 1924.

b) die für Eisenbahnen allgemein geltenden Gesetze und Verordnungen, soweit sie nicht mit diesem Gesetz oder der Satzung in Widerspruch stehen (§16 Abs. 3 des Gesetzes).

4. Unterordnung unter die Aufsicht des Reichs gemäss §§31 ff. des Gesetzes. Diese Grenzen der freien Betätigung der Gesellschaft bilden zugleich einen

wesentlichen Teil der Bedingungen, an die durch § 5 Abs. l des Gesetzes die Uebertragung des Betriebsrechts geknüpft ist.

Zu § 10. Nicht minder schwierig als wichtig ist die scharfe Abgrenzung des Monopols

der Reichsbahn- Gesellschaft. Das Monopol ist wirtschaftlich wichtig für die Ge- sellschaft und für das Reich wegen der Rückwirkung fremder Linien auf die Er- tragnisse des Netzes; wichtig für das Reich und die Allgemeinheit, weil vermieden werden muss, dass durch das Monopol der gesunde Ausbau des deutschen Eisen- bahnnetzes gehemmt wird.

Der Gesetzentwurf sucht die Lösung in folgender Weise: 1. Die Gesellschaft hat ein Betriebsmonopol für alle Reichsbahnen, auch

für künftig vom Reiche erworbene Eisenbahnen des allgemeinen Verkehrs. 2. Die Gesellschaft hat das Recht, neue Bahnen zu bauen und zu betreiben,

wenn das Reich zustimmt (unanfechtbarer Hoheitsakt nach Art. 94 Abs. 1 der Reichsverfassung; vgl. § 37 Abs. 1 des Gesetzes).

Die Gesellschaft hat das Recht des Einspruchs gegen den Bau und Betrieb neuer Bahnen durch Dritte, wenn die Gesellschaft an der Bahn interessiert ist (objektive Feststellung, nachzuprüfen durch das Gericht nach § 44). „Neue Bahnen" sind alle Bahnen, die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes noch nicht zugelassen (konzessioniert) sind.

3. Als Gegenstück zu 1 u. 2: Pflicht der Gesellschaft, neue Bahnen auf Verlangen des Reichs für dessen Rechnung zu bauen und zu betreiben. Dabei soll, um Schädigungen der Gesellschaft auszuschliessen, ausser einem etwaigen Betriebszuschusse für die in Frage kommende Strecke auch ein auf diesen Betrieb zurückzuführender Verlust oder etwaiger Mehrgewinn auf anderen Strecken be- rücksichtigt werden. Der Gesellschaft muss zuvor Gelegenheit gegeben werden, zu erklären, ob sie die Bahn auf eigene Rechnung bauen und betreiben kann und will (Frage der Mittel für den Bau und der Rentabilität). Lehnt die Gesellschaft den alsbaldigen Bau und Betrieb ab, so kann das Reich das im § 10 Abs. 3 vor- gesehene Verlangen stellen, dass auf seine Rechnung gebaut und betrieben wird. Die Erklärung der Gesellschaft ist endgültig; das Reich kann an der Führung des Betriebs auf seine Rechnung festhalten, auch wenn der Betrieb sich als ein- träglich erweist.

Dass der Anspruch der Gesellschaft auf Ersatz ihrer Auslagen für Bauten oder Betriebsführung sich nur auf die wirklichen Selbstkosten bezieht, ergibt sich aus dem ganzen Aufbau des Abs. 3, der grundsätzlich Schadloshaltung der Gesell- schaft will.

Zu § 11. Die Reichsverfassung unterscheidet grundsätzlich einerseits „Eisenbahnen

des allgemeinen Verkehrs", die sie dem Geschäftsbereiche der Reichsverwaltung zuweist, und anderseits „nicht dem allgemeinen Verkehr dienende Eisenbahnen", die Gegenstand der Landesverwaltung sein sollen.

Die Entscheidung nach § 11 wird auch unmittelbar von Bedeutung für das Monopol nach § 10, da das Monopol sich nur auf die Eisenbahnen des allgemeinen Verkehrs erstreckt.

Wenn nach § 11 die Entscheidung über die Eigenschaft einer Bahn als Kleinbahn oder als Bahn des allgemeinen Verkehrs der Reichsregierung vor- behalten ist, so deckt sich dies mit § 14 des Staatsvertrags über den Uebergang der Staatseisenbahnen auf das Reich. Die Entscheidung ist anfechtbar und unter- liegt der Nachprüfung durch das im § 44 des Gesetzes vorgesehene deutsche Gericht und gegebenenfalls auch durch den Schiedsrichter.

190

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 28: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

Reichfges. über d. Deutsche Reichsbahn-Gesellsch. (Reichsbahnges.)- Vom 30. Aug. 1924. j g j

Zu § 12. Ausnahmen von dem Verbote der Weiter über tragung des

Betriebsrechts können sehr wohl praktisch werden. So sind auch zurzeit einige Reichsbahnstrecken, wie z. B. Grenzstrecken, aus Zweckmassigkeitsgründen verpachtet. Der Abschluss neuer Verträge ähnlicher Art wird in Zukunft von der Genehmigung der Reichsregierung und des Treuhänders abhängig sein. Da- gegen wird die Genehmigung bei blosser Verlängerung bestehender Pachtverhält- nisse nicht zu fordern sein.

Zu §§ 13 und 14.

Vgl. die Ausführungen im allgemeinen Teile unter 3 E (S. 183).

Zu § 15.

Vgl. die Ausführungen im allgemeinen Teile unter 3 E (S. 183). Unter „Be- förderungssteuer" im Sinne dieses § 15 ist die Beförderungssteuer nach dem Gesetze vom 8. April 19171) (R.G.B1. S. 329) zu verstehen.

Die Beförderungssteuer erscheint als durchlaufender Posten (vgl. oben 5. 182). Daraus ergibt sich, dass das Risiko dafür, dass der Betrag von 250 Mil- lionen M. im zweiten Geschäftsjahr und von 290 Millionen in späteren Jahren erreicht wird, nicht von der Gesellschaft zu tragen ist.

„Neue Bank'4 ist das nach Massgabe des gleichzeitig vorgelegten Bank- gesetzes zu schaffende Bankinstitut2).

Zu § 16. Abs. 1 . Die Gesellschaft ist eine Handelsgesellschaft, aber eine solche eigenen

Rechtes. Die Vorschriften über Handelsgesellschaften, d. h. die Vorschriften, die die Gründung, Organisation und Beendigung der Handelsgesellschaften regeln (Handelsgesetzbuch, Zweites Buch), finden nur soweit auf die Gesellschaft An- wendung, als dies ausdrücklich bestimmt ist.

Abs. 2. Die hier aufgezählten Bestimmungen des Handelsgesetzbuchs be- treffen den Aufbau der Gesellschaft, nicht ihr Verhältnis zum Reiche. Sie werden daher im Zusammenhange mit der Gesellschaftssatzung besprochen.

Abs. 3. Zu den für die Eisenbahnen allgemein geltenden Gesetzen und Verordnungen gehören unter anderem: Handelsgesetzbuch, insbesondere Drittes Buch Abschnitt 6 u. 7 ; Eisenbahnbau- und Betriebsordnung vom 4. November 1904; Signalordnung vom 5. Juli 1892; Eisenbahnverkehrsordnung vom 23. De- zember 1908; Reichshaftpflichtgesetz vom 7. Juli 1871; Internationales Ueber- einkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr vom 14. Oktober 1890; Eisenbahn- postgesetz vom 20. Dezember 1875; vgl. jedoch oben § 13 des Gesetzes; gesund - heits- und veterinärpolizeiliche Vorschriften; eine Anzahl von Bestimmungen aus dem Vereinszollgesetze vom 1. Juli 1869; gewisse eisenbahnrechtliche Bestim- mungen der Handelsverträge; ausserdem auch verschiedene landesrechtliche Be- stimmungen.

Die nur für Privatbahnen geltenden Bestimmungen sind entsprechend den deutschen Verhältnissen durchweg auf kleinere Betriebe zugeschnitten und passen schon aus diesem Grunde nicht für die Reichsbahn-Gesellschaft.

Abs. 4. Auf dem Gebiete des Arbeitsrechts ergab sich für die Reichs- bahnverwaltung eine Sonderstellung z. B. durch die §§ 13 u. 61 des Betriebsräte- gesetzes und durch § 13 der Arbeitszeitverordnung vom 21. Dezember 1923; auf dem Gebiete des Wohnungsrechts durch § 16 des Reichsmietengesetzes, § 32 des Mieterschutzgesetzes vom 1. Juni 1923 und durch Sonderbestimmungen über den Wohnungstausch versetzter Beamter; auf dem Gebiete des Fürsorge- recht s durch § 4 des Gesetzes über die Beschäftigung Schwerbeschädigter vom 6. April 1920; auf dem Gebiete des Wirtschaftsrechts gilt für die Reichs- bahn z. B. nicht die Verordnung über die Stillegung von Betrieben vom 8. No- vember 1920.

») Mitgeteilt im Finanzarchiv 34 (1917) S.805. z) Die „neue Bank" wurde die Keicnsbank.

191

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 29: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

292 Reichsges.überd.DeutscheReichsbahn-Gesellsch.CReichsbahngesO-VomSO.Aug.l^á.

Für die Gesellschaft macht sich das Bedürfnis nach einer Sonderstellung hier in gleicher Weise geltend wie für die bisherige Reichsverwaltung.

Soweit durch die in Frage kommende Gesetzgebung, wie z. B. durch §§13 u.61 des Betriebsrätegesetzes, einer obersten Reichsbehörde ein besonderes Verord- nungsrecht gegeben ist, wird es für die Gesellschaft durch den für die Aufsicht zuständigen Reichsminister ausgeübt. Dagegen sollen die in den einschlägigen Gesetzen und Verordnungen geregelten Zuständigkeiten der obersten Reichs- behörde vom Generaldirektor wahrgenommen werden.

Abs. 5. Dass die Gewerbeordnung auf den Reichsbahnbetrieb nicht an- wendbar ist, entspricht dem bisherigen Rechte; vgl. § 6 der Gewerbeordnung.

Abs. 6. Eintragungen in das Handelsregister sind im Interesse der Oeffent- lichkeit vorgeschrieben. Dieser Grund entfällt für die Gesellschaft, deren Er- richtung durch Reichsgesetz, also in aller Oeffentlichkeit, erfolgt und deren Ge- schäftsgebaren sich auch sonst vor den Augen der Oeffentlichkeit abspielt.

Zu § 17. Die Beibehaltung der öffentlich-rechtlichen Befugnisse

der Reichsbahnstellen trägt der bisherigen Entwicklung Rechnung. Es empfiehlt sich nicht, Einrichtungen aufzugeben, die auch der neuen Verwaltung in ihrer veränderten Gestalt nur Vorteil bringen können.

Für die öffentlich-rechtlichen Befugnisse der Reichsbahnstellen kommt neben dem Reichsrecht auch das Landesrecht in Betracht (vgl. § 12 des Staats- vertrags).

Es sind hierher zu rechnen: Sicherheitspolizeiliche Befugnisse (Bahnpolizei, einschliesslich des Rechtes zum Erlasse bahnpolizeilicher Strafverfügungen im Rahmen des Landesrechts), gewerbepolizeiliche Befugnisse, z. B. Dampfkessel- aufsicht; das Recht, öffentliche Beurkundungen und Beglaubigungen vorzunehmen; das Recht zur Einf orderung von Akten und Straf registerauszügen; das Recht, direkte Ersuchen an Behörden zu richten, z. B. an die Grundbuchbehörden ( § 39 der Grundbuchordnung).

Diese Aufzählung führt nur Beispiele an, sie ist nicht erschöpfend.

Zu § 18. Die näheren Bestimmungen über die Organe der Gesellschaft finden sich

in der Satzung. Vgl. die Ausführung im allgemeinen Teil unter 2 D (S. 179) und die Bemerkungen zu den §§ 10 ff. der Gesellschaftssatzung.

Zu § 19. Soweit die Rechts- und Dienstverhältnisse der Reichsbahnbeamten nicht

durch diesen Gesetzentwurf oder den Entwurf des Reichsbahnpersonalgesetzes geregelt werden, bleibt ihre Festsetzung der Gesellschaft überlassen. Sie wird verpflichtet, zu diesem Zwecke eine Personalordnung zu erlassen und sich dabei so weit an das Reichsbeamtengesetz anzulehnen ( § 22 Abs. 3 des Gesetzes), wie dies mit den besonderen Verhältnissen der Gesellschaft vereinbar ist. Der letzte Absatz des § 19 enthält die erforderliche Uebergangsvorschrift.

Zu §20. Es wird auf den allgemeinen Teil der Begründung Bezug genommen. Der Entwurf muss auch die Beamten berücksichtigen, die zur Zeit aus

rgendwelchen Gründen von der Dienstverpflichtung bei dem Unternehmen Deutsche Reichsbahn befreit sind, und erhält daher diesen, z. B. den mit Rück- trittsrecht zu fremden Eisenbahnverwaltungen (Danzig, Memel, Saar) abgegebenen Beamten, ihr Rücktrittsrecht. Der Entwurf braucht die ohne Dienstbezüge beurlaubten Beamten nicht besonders zu erwähnen, da sie rechtlich Reichsbeamte im Dienste des Unternehmens Deutsche Reichsbahn geblieben sind und daher ohne weiteres unter § 20 Abs. 1 fallen.

192

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 30: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

Reichsges. über d. Deutsche Reichsbahn-Gesellsch.íReichsbahnges.). Vom 30. Aug 1934. jgg

Zu §21. § 21 ersetzt den § 37 des Staatsvertrags über den Uebergang der Staats-

eisenbahnen auf das Reich. Der Entwurf lehnt sich eng an die Fassung des Art. 16 der Reichsverfassung an.

Zu §22. Der Kreis der nach § 22 des Gesetzes von der Gesellschaft durch die Personal-

ordnung zu regelnden Verhältnisse ist durch die Aufführung unter Abs. 1 a- f nicht erschöpft. Es sind nur wichtige, auf alle Fälle in der Personalordnung zu regelnde Dinge hervorgehoben. Die Regelung hat sich hinsichtlich der Beamten an die für Reichsbeamte geltenden Vorschriften anzulehnen, soweit nicht die besonderen Verhältnisse der Gesellschaft ein anderes bedingen.

Im § 22 Abs. 1 c wird die Regelung der Bezüge der Reichsbahnbeamten während des Dienstverhältnisses, des einstweiligen oder dauernden Ruhestandes sowie die Hinterbliebenenversorgung der Gesellschaft übertragen. Die erworbenen Rechte der am Uebergangstage vorhandenen Reichsbeamten wahrt die Ueber- gangs Vorschrift des § 20 Abs. 1 Satz 2. Abgesehen von der Einschränkung dieser Uebergangsvorschrift zugunsten der vorhandenen Beamten ist die Besoldungs- politik der Gesellschaft nur dem im § 26 geregelten Einspruchsrechte der Reichs- regierung unterworfen.

Die Regelung, die von der Gesellschaft auf Grund des § 22 Abs. 1 d für die Arbeitszeit der Beamten getroffen wird („Dienstdauervorschriften"), kann nach § 22 Abs. 2 auf die Angestellten und Arbeiter übertragen werden. Der Ent- wurf hält damit den durch § 13 der Arbeitszeitverordnung vom 21. Dezember 1923 bereits eingeführten Zustand aufrecht. Es ist nicht angängig, die Angestellten und Arbeiter, die bei der Gesellschaft in verschiedenen Dienstzweigen gemeinsam mit Reichsbahnbeamten Dienst verrichten, hinsichtlich der Arbeitszeit und deren Verteilung in die sog. Dienstschichten und Ruhezeiten günstiger zu behandeln als die Reichsbahnbeamten.

Im übrigen stellt § 22 Abs. 1 e in Verbindung mit § 19 Abs. 2 klar, dass das Arbeitsrecht des Reichs gilt, so dass die der Personalordnung vorbehaltene künftige Regelung der Beschäftigungsbedingungen sowie der Besoldungs- und Lohnverhältnisse der Angestellten und Arbeiter an die allgemeinen arbeitsrecht- lichen Grundsätze des Reichs gebunden ist.

Zu §23. Abs. 1 des § 23 regelt in Verbindung mit dem Reichsbahnpersonalgesetze

die Hauptpflichten der Reichsbahnbeamten. Sie lehnen sich aus den schon er- örterten Gründen eng an die Pflichten der Reichsbeamten an. Die Reichsbahn- beamten sind nicht nur Beamte der Gesellschaft, deren Interessen sie wahrzu- nehmen haben, sondern wie der Reichsbeamte Diener der Allgemeinheit und haben daher auch das öffentliche Interesse zu wahren.

Der Entwurf überträgt daher folgerichtig auch im Abs. 2 das Dienststraf- recht der Reichsbeamten auf die Reichsbahnbeamten. Da der Entwurf im neu- zeitlichen Sinne unter dem Ausdruck Dienststrafrecht das Prozessverfahren mit einbegreift, und da die Gesellschaft keine Behörde mehr ist, war notwendig, zu bestimmen, welche Stelle als oberste Reichsbehörde zu gelten hat. Deren Auf- gaben obliegen dem Generaldirektor. Abweichend vom geltenden Reichsbeamten- rechte wird die Möglichkeit eröffnet, die Befugnisse der obersten Reichsbehörde von dem Generaldirektor auf andere Stellen der Gesellschaft zu übertragen, da in dem grossen Beamtenkörper der Eisenbahnverwaltung nicht jeder Fall an die oberste Stelle gezogen zu werden braucht. Dabei ist vor allem an die Möglichkeit der Uebertragung von Disziplinarbefugnissen an die Präsidenten gedacht.

Der Entwurf stellt im § 23 Abs. 3 fest, dass der Generaldirektor der höchste Vorgesetzte der Reichsbahnbeamten ist. Dies gilt auch dann, wenn der General- direktor vom Verwaltungsrat im Vertragsverhältnisse bestellt sein sollte, also nicht Reichsbahnbeamter ist (vgl. § 19 Abs. 5 der Gesellschaftssatzung). Dass

Finanzar chi v. XXXXII. Jahrg. 193 13

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 31: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

194 Reïchsges. über d. Deutsche Reichsbahn-Gesellsch. (Reichsbahnges.). VomSO. Aug. 19f4.

im übrigen die Fragen der dienstlichen Unterordnung und des Vorgesetzten- verhältnisses durch die Personalordnung zu regeln sind, ist eine selbstverständ- liche Notwendigkeit aus § 19 Abs. 1 des Gesetzes, deren ausdrückliche Festlegung nicht notwendig ist.

Zu §24. Soll die Gesellschaft ihre Reparationsverpflichtung erfüllen, so muss sie

ihre Verhältnisse auch auf dem Gebiete des Personals so wirtschaftlich wie nur irgend möglich gestalten. Es erscheint daher notwendig, die Rechtsvorschrift im § 24 des Reichsbeamtengesetzes in der im § 24 Satz 2 des Entwurfs vorgesehenen Weise auch über den für die Reichsbeamten unter der Herrschaft der Personal- abbauverordnung geltenden Zustand hinaus zu verallgemeinern. Aus dem gleichen Grunde wird die Vorschrift im § 23 des Reichsbeamtengesetzes durch den § 24 Satz 1 des Entwurfs erweitert.

Zu §25. Die Angehörigen der deutschen Wehrmacht müssen bei Ablauf ihrer zwölf-

jährigen Dienstverpflichtung aus dem Militärverhältnis ausscheiden und sich ihren Broterwerb im Zivilleben suchen. Die Deutsche Reichsbahn hat als grösste staatliche Verwaltung bislang einen erheblichen Teil dieser Versorgungsanwärter in ihren Beamtenkörper aufgenommen. Dieser im allgemein staatlichen Interesse liegenden Verpflichtung darf sich die Reichsbahn auch künftig nicht entziehen; sie muss auch weiterhin den gleichen Teil von versorgungsberechtigten Personen aufnehmen, dem sie bislang eine Zivilstellung geboten hat. Von den insgesamt vorhandenen Beamtenstellen sind in der Vergangenheit 15 v. H. mit Versorgungs- anwärtern besetzt worden. In diesem zahlenmässigen Gesamtumfang ist daher die Verpflichtung zur Einstellung von ehemaligen Wehrmachtsangehörigen auch für die Zukunft vorgesehen.

Zu §26. Die Besoldungspolitik der Gesellschaft hat zur Vermeidung unerwünschter

Rückwirkungen auf die Besoldungs Verhältnisse des Reichs auf die Verhältnisse der Reichsbeamten Rücksicht zu nehmen. Zur Sicherstellung ist der Gesellschaft die Mitteilungspflicht an die Reichsregierung auferlegt und dieser ein befristetes Einspruchsrecht zugesprochen, das sie dann ausüben darf, wenn die Rückwirkung der Absichten der Gesellschaft auf die Verhältnisse der Reichsbeamten eine ernst- liche Belastung des Reichs herbeizuführen geeignet wäre. Erhebt die Reichs- regierung Einspruch, so kann die Gesellschaft die Entscheidung des besonderen Gerichts (§ 44 des Gesetzes) anrufen, bis zu dessen Entscheidung die bisherigen Dienstbezüge bestehen bleiben. Gegenüber diesen im allgemeinen Interesse ge- botenen einschränkenden Bestimmungen ist der Gesellschaft eine gewisse Be- wegungsfreiheit durch die Vorschrift des Abs. 3 zugestanden.

Zu §27. Der Sachverständigenplan hatte die Forderung aufgestellt: „Für den Fall

der Einteilung des Eisenbahnnetzes in mehrere Gruppen, wie dies von der Deut- schen Regierung selbst vorgeschlagen worden ist, möchten wir hinzufügen, dass diese Teilung ihre finanzielle Einheit nicht nachteilig beeinflussen darf."

Die Leistungsfähigkeit der Reichsbahn ist nur dann verbürgt, wenn sie als einheitliche Verkehrsanstalt verwaltet wird. Die Bestimmung, dass durch organisatorische Massnahmen die einheitliche Verwaltung nicht beeinträchtigt werden darf, ist in erster Linie aus finanziellen Gründen getroffen. Der Begriff der „einheitlichen Verkehrsanstalt" geht auf Art. 89 der Reichsverfassung zurück.

Zu §28. Die Bestimmung über den Gerichtsstand der Gesellschaft entspricht dem

bisherigen Zustand. Bis zum Erlasse der neuen Geschäftsordnung bestimmt die bisherige Verwaltungsordnung, welche Stelle berufen ist, die Gesellschaft in dem Rechtsstreit zu vertreten.

1Ü4

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 32: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

Reichsges. über d. Deutsche Reichsbahn-Gesellsch.CReichsbahnges.). Vom 30. Aug. 1924. jQg

Zu §§29 und 30.

Vgl. auch § 25 der Gesellschaftssatzung. Die Form, in der die Rechnung der Gesellschaft geführt wird, bestimmt

sich nach den Bedürfnissen der Gesellschaft, die sich aus der Grosse des Unter- nehmens, der Anzahl und Verbreitung ihrer Betriebsstellen und der Eigenartig- keit und Vielseitigkeit ihrer Aufgaben ergeben.

Die vom Vorstand der Gesellschaft aufgestellte Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung wird dem Verwaltungsrate vorgelegt, der sie feststellt und dabei dem Vorstand Entlastung erteilt. Auf welche Weise er sich die Gewissheit von der buch- und kassentechnischen Richtigkeit der Bilanz und Gewinn- und Verlust- rechnung verschafft, ist seinem Ermessen überlassen. Von dieser kassen- und buchtechnischen Prüfung der vom Vorstand vorgelegten Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung ist wohl zu unterscheiden die laufende Prüfung der Ge- schäftsvorgänge. Diese erfolgt im Auftrag des Vorstandes und nach den Be- stimmungen einer von der Gesellschaft zu erlassenden und vom Verwaltungsrate zu genehmigenden Rechnungsprüfungsordnung.

Die Veröffentlichung der Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung soll nach der Feststellung durch den Verwaltungsrat und innerhalb der Frist des § 30 Abs. 1 erfolgen.

§ 30 Abs. 2 stellt das Recht der Reichsregierung fest, die vom Vorstand aufgestellte Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung jederzeit, d. h. auch schon vor der Veröffentlichung, nachprüfen zu lassen, um sich unabhängig vom Ver- waltungsrate die Ueberzeugung von der Richtigkeit des Jahresabschlusses zu verschaffen. Für diese Prüfung stehen der Reichsregierung die bei der Haupt- verwaltung der Gesellschaft vorhandenen Bücher und Rechnungen zur Verfügung, die als Unterlagen für die Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung geführt werden. Die Reichsregierung kann dieses Recht sowohl durch Einsichtnahme in die Bilanz- unterlagen vornehmen als auch dadurch, dass sie sich die erforderlichen Aus- künfte von der Hauptverwaltung einfordert. Auf welche Weise und durch wen die Reichsregierung dieses Recht ausüben lässt, ist. im Gesetze nicht bestimmt. Es ist daran gedacht worden, den Rechnungshof des Deutschen Reichs hiermit zu betrauen.

Durch den Schlusssatz des Abs. 2 wird klargestellt, dass nicht nur alle dem Reiche oder seinen Beauftragten unmittelbar durch die Prüfung entstehenden Kosten nicht zu Lasten der Gesellschaft gehen, sondern auch dass etwaige be- sondere Kosten, die der Gesellschaft durch die Ausübung des Prüfungsrechts erwachsen, ihr vom Reiche zu erstatten sind.

Da es sich bei der Gesellschaft nicht um Einnahmen und Ausgaben des Reichs handelt, gilt die Reichshaushaltsordnung nicht für ihre Finanzgebarung. Sie findet auch hinsichtlich der Bilanzprüfung, die nach Abs. 2 dem Reiche zusteht, der Gesellschaft gegenüber keine Anwendung, da die Pflichten der Gesellschaft im Abs. 2 des § 30 geregelt sind.

Zu §31, Ziff. 3. Durch das Erfordernis der Genehmigung zum Erwerb anderer Unter-

nehmungen oder zur Beteiligung an anderen Unternehmungen soll verhütet werden, dass die ohnehin starke Machtstellung der Gesellschaft gegen den Willen des Reichs auf an sich dem Eisenbahnverkehre fremde Gebiete übergreift.

Zu den Unternehmungen, die dem Betriebszweck der Reichsbahn dienen und deren Erwerb nicht genehmigungspflichtig ist, würden z. B. Elektrizitäts- werke und Bergwerke dann gehören, wenn sie ausschliesslich oder doch weit überwiegend zur Versorgung der Reichsbahn mit Energie und Kohle dienen.

Ziff. 4. Zur Aufstellung der Tarife vergleiche ausser § 33 des Gesetzes auch § 22 des Staatsvertrags.

Ziff. 5. Zur Aufstellung der FahrplänedesPersonenverkehrs vergleiche ausser § 35 des Gesetzes auch § 21 Abs. 1 des Staatsvertrags.

Ziff. 6. Abschaffung einer bestehenden Personenwagenklasse würde nicht nur vorliegen, wenn eine der in Deutschland eingeführten arier Klassen gänzlich

195

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 33: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

1 g g Reichsges. über d. Deutsche Reichsbahn-Gesellsch. (Reichsbahnges .) . Vom 30. Aug. 1924.

beseitigt würde, sondern auch dann, wenn der Grundsatz, auf den wichtigen Linien beschleunigte Personenzüge mit der 4. Klasse zu führen und Schnellzüge mit 1., 2. und 3. Klasse auszustatten, fallen gelassen würde. Andernfalls wäre die Umgehung einer Tarifänderung ein Leichtes, da der mit dem Fortfall dieser Klassen auf die Reisenden ausgeübte Zwang zur Benützung einer höheren Bahn- klasse wirtschaftlich einer Heraufsetzung der Tarife gleichkommen würde.

Wegen der Wagenklasse ist übrigens auch die für die Gesellschaft verbind- liche Bestimmung im Schlussprotokoll zu § 21 des Staatsvertrags wichtig.

Zu §32. Das Recht der Regierung, von der Gesellschaft Auskunft über deren An-

gelegenheiten zu verlangen, ist verschieden weit bemessen, je nachdem ob es sich um a) finanzielle Angelegenheiten, b) die sonstigen Angelegenheiten (der Entwurf bezeichnet sie als „administrativer oder technischer Art") handelt.

Zu a. Im ersten Falle kann das Reich auf finanziellem Gebiet Auskunft jeder Art verlangen. Insbesondere kann die Regierung auf Grund dieser Be- stimmung sich alle Aufschlüsse geben lassen, die zur Beurteilung der Tariflage und der Tarifanträge erforderlich erscheinen. Dieses weitgehende Auskunftsrecht auf finanziellem Gebiete rechtfertigt sich einmal dadurch, dass das Reich als Eigentümer wie als Anwärter für die künftige Betriebführung an der finanziellen Lage und Entwicklung der Gesellschaft besonders interessiert ist. Es ist aber auch schon deshalb begründet, weil das Deutsche Reich unter allen Umständen mindestens das gleiche Informationsrecht in bezug auf seine Reichsbahn haben muss, das nach dem Gesetze dem fremden Kommissar zugestanden wird. Diese Gleichstellung ist durch § 32 gewährleistet.

Zu b. Im übrigen ist das Auskunftsrecht auf den Sachbereich der Aufsicht beschränkt, in dieser Beschränkung aber notwendig, damit eine wirksame Aufsicht geführt werden kann.

Zu § 33. Der Sachverständigenplan hatte die Frage der Aufsicht über die Tarife

offen gelassen. Es war erforderlich, einen Interessenausgleich zwischen dem Reiche und der Gesellschaft zu schaffen, da für das Reich die Aufrechterhaltung der Tarifhoheit ebenso wichtig ist, wie für die Gesellschaft eine gewisse Freiheit in der Tarif gestaltung, um Ausgaben und Einnahmen jederzeit ins Gleichgewicht bringen zu können.

Der Ausgleich wurde in der Weise getroffen, dass die Gesellschaft zunächst die im Zeitpunkt der Uebernahme des Betriebs geltenden Tarife übernimmt, und dass zu jeder Aenderung der Tarife die Mitwirkung der Reichsregierung und der Gesellschaft erforderlich ist. Im Streitfall soll ein unabhängiges deutsches Gericht entscheiden. Derartige Tarif gerichte sind auch im Ausland (England, Amerika) üblich. Der Anstoss zu Tarif änderungen kann sowohl von der Gesellschaft wie vom Reiche ausgehen.

Um zu verhüten, dass der Geschäftsgang durch das Erfordernis der be- sonderen Genehmigung für jeden Einzelfall erschwert wird, ist bestimmt, dass die Reichsregierung auf die vorherige Genehmigung von minderwichtigen Tarif- massnahmen verzichten kann. In diesem Falle genügt die nachträgliche Anzeige der Tarifänderung an die Reichsregierung. Ferner soll eine Genehmigung als stillschweigend erteilt gelten, wenn die Gesellschaft nicht innerhalb von 20 Tagen auf ihren Antrag von dem zuständigen Reichsminister einen Bescheid erhalten hat. Auch dieses Verfahren ist im Ausland zum Teil bereits üblich.

Zu §34. Als „Aufsicht über den Betrieb" wird in Betracht kommen: die im § 31

Ziff. 1 u. 2 erwähnte Aufsicht und die Mitwirkung bei der Aufstellung des Fahr- plans § 31 Ziff. 5). Darüber, ob die Gesellschaft durch eine Anordnung der Reichs- regierung gehindert wird, die Einnahmen zu erzielen, die für den Zinsen- und Tilgungsdienst der Schuldverschreibungen sowie für die Vorzugsdividende und

19G

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 34: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

Reichsges. über d. Deutsche Reichsbahn-Gesellsch. (Reichsbahnges.). VomSO. Aug. 1924. jgy

die Einziehung der Vorzugsaktien erforderlich sind, kann im Einzelfall Streit entstehen, der gemäss § 44, gegebenenfalls § 45 des Gesetzes auszutragen wäre.

Bei der Entscheidung wird einerseits auf die finanzielle Lage der Gesell- schaft und anderseits auf die Gewichtigkeit der öffentlichen Interessen Rücksicht zu nehmen sein, die zu den Aufsichtsmassnahmen geführt haben. Während z. B. vermeidbare Auflagen der Gesellschaft auch bei guter Finanzlage nicht gemacht werden sollen, müssen anderseits von der Gesellschaft solche Vernachlässigungen der Anlagen, die die Betriebssicherheit ernstlich gefährden, auch bei ungünstiger Finanzlage behoben werden.

Zu § 35 und 36. Ueber die Mitwirkung der Reichsregierung bei der Aufstellung der regel-

mässigen Fahrpläne des Personenverkehrs und über das Erfordernis der Geneh- migung von Verhandlungen und Vereinbarungen mit ausländischen Regierungen durch die Reichsregierung vgl. die Ausführungen im allgemeinen Teil unter 411 u. V (S. 186 u. 187).

Zu §37. Die Zustimmung des Reichs zum Bau neuer Bahnen des allgemeinen Ver-

kehrs ist bereits durch Art. 94 der Reichsverfassung vorgeschrieben. Das Gesetz wiederholt die Bestimmungen, um jeden Zweifel auszuschliessen, dass sich an diesem Hoheitsrechte des Reichs durch das Betriebs- und Baumonopol der Gesell- schaft nichts geändert hat.

Bei der Feststellung der Baupläne ist zu unterscheiden: a Feststellung von Plänen für Anlagen im Rahmen des vorhandenen Eisen-

bahnnetzes, b Feststellung von Plänen für den Bau neuer Strecken. Für die Feststellung zu a ist in der Regel die Gesellschaft selbst berufen,

die damit eine öffentlich-rechtliche Befugnis ausübt. Die Bestimmungen des Art. 94 Abs. 1 der Reichsverfassung: „Berührt der Bau neuer oder die Veränderung bestehender Eisenbahnanlagen den Geschäftsbereich der Landespolizei, so hat die Reichseisenbahnverwaltung vor der Entscheidung die Landesbehörden an- zuhören" ist auch für die Gesellschaft verbindlich. Wenn sich Meinungsverschieden- heiten zwischen der Landespolizeibehörde und der Gesellschaft ergeben, entscheidet die Reichsregierung.

Die zweite Feststellung (zu b) soll in jedem Falle der Reichsregierung vor- behalten sein.

Wichtig ist für die Fälle zu a und zu b, dass die Feststellung durch die Reichs- regierung endgültig ist in dem Sinne, dass eine Anrufung des Gerichts nach § 44 des Gesetzes nicht in Frage kommt; die Feststellung ist eine vorläufige im Hin- blick auf ein etwa erforderliches Enteignungsverfahren, in dem die Feststellung gemäss § 38 des Gesetzes einer Nachprüfung unterzogen werden kann.

Unabhängig von diesen Fragen der Planfeststellung bleibt die Bestimmung im § 19 des Staatsvertrags aufrechterhalten, wonach die Pläne für grössere Bauten den Regierungen der Länder rechtzeitig zur Stellungnahme zu übermitteln sind.

Zu § 38. Abs. 1. Nach der Reichsverfassung (Art. 90) hat das Reich für die Reichs-

eisenbahnen die Enteignungsbefugnis. Es ist zwar denkbar, dass auch in Zukunft Enteignungen für Reichseisenbahnzwecke vom Reiche selbst durchgeführt werden, z. B. wenn das Reich nach § 10 Abs. 3 der Gesellschaft den Bau einer neuen Bahn auferlegt und dazu selbst das Land zur Verfügung stellt; dann bleibt es bei den bisherigen Bestimmungen. Häufiger aber werden die Fälle sein, wo die Gesell- schaft selbst, namentlich zur Erweiterung bestehender Anlagen und Einrichtungen, Grundstücke im Wege der Enteignung erwerben muss. Dazu soll ihr durch § 38 die Möglichkeit in derselben Weise gegeben werden, wie sie bisher die Reichseisen- bahnverwaltung hatte.

Ob die Enteignung im Einzelfalle „zur Erfüllung der Aufgaben" erforderlich ist, wird vor der sog. Feststellung des Enteignungsfalls (Abs. 2 Satz 1) nach-

197

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 35: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

jgg Reichsges.überd. Deutsche Reichsbahn-Gesellsch.iReichsbahnges.). Vom 30. Aug. 1924.

zuprüfen sein. Nach der bisherigen Gesetzgebung oder Uebung wird die Ent- eignung nicht nur für den Schienenweg und die eigentlichen Betriebsanlagen, wie Bahnhöfe, sondern auch für den zum Betriebe nötigen Werkstättendienst, für Wohnungen u. dgl., in gewissem Umfang auch für Dienstland (Gartenland) zulässig. Daran soll sich nichts ändern.

Abs. 2. Die Fassung des Abs. 2 entspricht fast wörtlich der seit 1921 in den bisherigen Reichshaushaltsgesetzen gegebenen Bestimmung, die im übrigen vom Staatsgerichtshof (Entscheidung vom 30. Juni 1923) als der Verfassung entsprechend bestätigt wurde.

Bei der Entscheidung über die Art der Durchführung und den Umfang der Enteignung handelt es sich wesentlich um die Planfeststellung. Da künftig der Aufsichtsminister nicht mehr die Leitung und wirtschaftliche Verantwortung für das Unternehmen trägt, geht nunmehr die seit langem aufgestellte Forderung in Erfüllung, die ausserordentlich wichtige Entscheidung im Konflikt zwischen Eisenbahninteressen und landespolizeilichen Interessen einer unbeteiligten In- stanz zu übertragen.

Abs. 3. Die Hingabe von Grundstücken auf Grund einer Enteignung ist kein Rechtsgeschäft, also keine Verfügung im Sinne des § 6 Abs. 2 des Gesetzes. Durch § 38 Abs. 3 wird aber ausdrücklich bestimmt, dass auch zu jeder Ent- eignung gegen die Gesellschaft oder gegen das Reichseisenbahnvermögen die Ge- nehmigung der Reichsregierung erforderlich ist.

Zu § 39. Jede Kreuzung der Reichsbahn mit anderen öffentlichen Verkehrswegen,

wozu auch die Wasserstrassen zu rechnen sind, macht besondere Anlagen erforder- lich. Es kommen hier in Betracht: Brücken, Unterführungen, Viadukte, aber auch die Sicherungsanlagen bei Planübergängen (Läutewerk, Schranken). Reichen infolge veränderter Verhältnisse die vorhandenen Anlagen nicht mehr aus, so soll die Verteilung der Kosten für den notwendig gewordenen Umbau der An- lagen nach dem Massstab der Verursachung dieser Notwendigkeit erfolgen. Braucht z. B. die Eisenbahn infolge Steigerung des Verkehrs auf ihrer Brücke über einen Weg ein zweites Gleis, so muss sie die Brücke auf ihre Kosten verbreitern. Macht der anwachsende Verkehr auf einer städtischen Strasse die Verbreiterung einer Unterführung notwendig, so hat die Stadt die Kosten zu tragen.

Bei einem Streite über die Kostenverteilung soll, soweit nicht das Ver- waltungsstreitverfahren gegeben ist oder eingeführt wird, der zuständige Reichs- minister entscheiden, dem auch nach § 37 die Entscheidung über die Planfest- stellung und damit über die Notwendigkeit der Veränderung zustehen wird.

Zu § 40. Nach Art. 95 der Reichsverfassung unterliegen auch Eisenbahnen des all-

gemeinen Verkehrs, die nicht vom Reiche - in Zukunft ist zu lesen: von der Deutschen Reichsbahn- Gesellschaft - verwaltet werden, der Beaufsichtigung durch das Reich. Diese Aufsicht über die Privatbahnen des allge- meinenVerkehrs übte das Reich bisher durch die Reichseisenbahnbehörden, zuletzt auch durch das Unternehmen Deutsche Reichsbahn aus. Es ist zweck- mässig, für die Zukunft die Möglichkeit vorzusehen, die Aufsicht auch weiterhin durch Stellen der Gesellschaft (auch durch einzelne Reichsbahnbeamte oder An- gestellte der Gesellschaft) auszuüben, da der Reichsregierung in der Reichsbahn die fachmännisch geschulten Kräfte zur Verfügung stehen. Auf diese Weise kann die Aufsichtstätigkeit ohne Vermehrung des Beamtenapparats des Reichs dezen- tralisiert werden. Die Vorstände der einzelnen Direktionen, in deren Hand heute die Aufsicht liegt, sind besser in der Lage, bei der Ausübung dieser Tätigkeit den örtlichen Verhältnissen Rechnung zu tragen, als dies allein von einer Zentral- stelle (dem Reichsverkehrsministerium) aus geschehen könnte. Die Aufsicht wird nach wie vor, soweit nicht Reichsrecht einschlägt, gemäss den Gesetzen, Ge- nehmigungsurkunden und Staatsverträgen der Länder ausgeübt werden (§ 13 des Staats Vertrags).

19S

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 36: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

Reicbsges . fiber d. Deutsche Reichsbahn-Gesells eh. (Reîchsbahnges.). Vom SO. Aug. 1924. J 99

Die Aufsicht über Privatbahnen, die nicht dem allgemei- nenVerkehrdienen (Kleinbahnauf sieht), ist Landessache. Auch sie wird auf Antrag einer Landesregierung von der Gesellschaft auszuüben sein, wie sie bisher schon im Auftrage der Länder von der Deutschen Reichsbahn geführt wird. Die Kosten trägt das Land. (Schlussprotokoll zu § 24, Ziff. 8 des Staatsvertrags.)

Zu §§41 und 42.

§ 41 regelt das Heimfallsrecht des Reichs. Nach dem Ablauf des Betriebs- rechts fällt nicht nur das im Eigentum des Reichs verbliebene Reichseisenbahn- vermögen in die Verwaltung des Reichs zurück, sondern auch die im Eigentum der Gesellschaft stehenden Betriebs Vorräte (vgl. die Bemerkung zu § 5 des Ge- setzes), ebenso, nach Durchführung der Liquidation, etwaige dann noch vor- handene Barbestände (§ 42 des Gesetzes).

Bei der Liquidation ist die Auseinandersetzung mit den Vorzugsaktionären erledigt. Eine Berücksichtigung der Stammaktien hat nicht stattzufinden.

Zu §43. Die Frage, wieweit die den Ländern nach dem Staatsvertrag verbliebenen

Rechte auch der Reichsbahn- Gesellschaft gegenüber in Kraft bleiben, ist so ge- regelt, dass im allgemeinen die Gesellschaft in die sich aus dem Staatsvertrag den Ländern gegenüber ergebenden Pflichten des Reichs eintritt, dass aber einzelne Bestimmungen, die im § 43 des Entwurfs aufgezählt sind, ausdrücklich als für die Gesellschaft unanwendbar bezeichnet sind.

Zu diesen nicht anwendbaren Bestimmungen gehören in erster Linie die Bestimmungen über die Abfindung (§§3-7 des Staatsvertrags). Die Regelung der Abfindung ist - soweit diese Frage noch offen steht - lediglich Sache des Reichs, dem ja auch das Eigentum an den von den Ländern erworbenen Bahnen verbleibt.

Nicht anwendbar für die Gesellschaft ist ferner § 20 des Staatsvertrags, der die Unterstützung des Baues von Kleinbahnen regelt. Die Unterstützung der Kleinbahnen kann nicht Sache der Gesellschaft sein.

Ferner hat die Gesellschaft nicht zu übernehmen die Vorschriften des Schluss- protokolls zu § 22 des S taats Vertrags, die die Eisenbahnbeiräte betreffen. Diese Beiräte sind nach wie vor Organe des Reichs (Art. 93 R.V.), nicht solche der Gesellschaft.

Endlich konnte kein Zweifel bestehen über die Unanwendbarkeit der Be- stimmung des Staatsvertrags, die die Zuständigkeit des Reichsverkehrsministers regelt (Schlussprotokoll zu § 2 Ziff. 2), und der Bestimmung, die eine Neuordnung der Verwaltung von der Genehmigung des Reichsrats abhängig macht (Schluss- protokoll zu § 24 Ziff. 3 Satz 3). Denn die Stellung des Reichs Verkehrsministers ist durch die Schaffung der Gesellschaft und die damit verbundene Scheidung der Aufsicht von der Leitung des Unternehmens völlig verändert. Der Minister wird in Zukunft nur die Aufsicht über die Eisenbahnverwaltung haben als Träger der dem Reich verbleibenden Eisenbahnhoheit. Die Leitung der Gesellschaft liegt ausschliesslich in der Hand der Gesellschaft. Sie arbeitet im Rahmen der ihr durch die Gesetze und die staatlichen Aufsichtsrechte gesteckten Grenzen selbständig und bedarf dieser Selbständigkeit, um die wirtschaftlichen Erfolge zu erzielen, die sie zur Erfüllung ihrer schweren finanziellen Verpflichtungen erzielen muss. Deshalb müssen auch die Einzelheiten der Organisation, selbst- verständlich im Rahmen des Staatsvertrags, von der Gesellschaft frei geregelt werden und können nicht mehr von der besonderen Genehmigung des Reichsrats abhängig gemacht werden.

Da die Gesellschaft nicht vor dem Staatsgerichtshofe Recht nehmen kann, konnte § 17 des Staatsvertrags für die Gesellschaft nicht für anwendbar erklärt werden.

Die für den Uebergang im Jahre 1920 getroffene Vorschrift (§ 25 des Staate- vertrags), dass die Länderbeamten zu Reichs beamten werden, ist inzwischen durch den Uebergang der Beamten zum Reiche gegenstandslos geworden. Die Gesell- schaft, die nur eigene Reichsbahnbeamte haben soll, hat mit § 25 nichts zu tun.

199

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 37: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

200 Reichsße8. über d. Deutsche Reichsbahn-Gesellsch. (Reichsbahnges.). Vom 30. Ang. 1924.

Die im § 33 des Staatsvertrags vom Reiche übernommene Gewähr für die Beförderungsaussichten der Beamten auf die Gesellschaft zu übertragen, war nicht angängig. Es ist aber anzunehmen, dass die verhältnismässig wenigen Fälle, in denen auf Grund dieses § 33 erhobene Ansprüohe noch nicht erledigt sind, im Wege der Verständigung ihre Erledigung finden werden.

Der Gesetzentwurf will die vom Staatsvertrage betonte grundsätzliche An- erkennung des landmannschaftlichen Charakters der Beamtenschaft beibehalten und bringt daher in seinem § 21 eine dem Art. 16 der Reichs Verfassung inhaltlich voll entsprechende Vorschrift. Die darüber hinausgehenden Bestimmungen des Staatsvertrags, die zumeist die Geltendmachung der Rechte aus Art. 16 der Reichs Verfassung behandeln, konnten für die Gesellschaft ebensowenig aufrecht- erhalten werden, als die Verpflichtung, die Vorstände der höheren Reichsbahn- behörden nur im Einvernehmen mit der Landesregierung zu ernennen. Tat- sächlich wird die Gesellschaft es sich in ihrem eigenen Interesse angelegen sein lassen müssen, sich vor der Ernennung dieser Vorstände mit den Länderregierungen ins Einvernehmen zu setzen. Mit der Stellung eines selbständig verantwortlichen Verwaltungsrats ist es indessen nicht vereinbar, diese Verpflichtung auch für die Gesellschaft gesetzlich festzulegen.

Auch die Aufhebung des § 43 des Staatsvertrags im Verhältnis zur Gesell- schaft ist nicht zu vermeiden. Da die Gesellschaft nicht Vertragspartei ist, können Ergänzungsvereinbarungen weder von ihr getroffen, noch für sie wirksam werden. Die Auslegung der von der Gesellschaft übernommenen Verpflichtungen des Staatsvertrags kann nur noch durch das im § 44 des Gesetzentwurfs vorgesehene besondere deutsche Gericht, und gegebenenfalls durch den Schiedsrichter nach § 45 getroffen werden. Für einen Rechtsstreit vor dem Staatsgerichtshof ist die Gesellschaft weder aktiv noch passiv legitimiert.

Für die „Vermittlung des Reichs", die im letzten Satze des § 43 des Gesetzes vorgesehen ist, wird eine Form zu suchen sein, die den Ländern möglichst weit- gehenden Einfluss auf die sachliche Durchführung des Streites ermöglicht. Bei der im § 44 Abs. 2 letzter Satz des Gesetzes vorgesehenen Geschäftsordnung des Gerichts wird sich vielleicht die Möglichkeit bieten, auch hierüber nähere Bestimmungen zu treffen.

Zu § 44 und 45. Ueber die Entscheidung von Streitigkeiten und die Zuständigkeit des beim

Reichsgericht zu bildenden deutschen Gerichts sowie des neutralen Schieds- richters vgl. die Ausführungen im allgemeinen Teile unter 4C (S. 187).

Zu §46. Für die Berechnung der Goldmark sind die gleichen Grundsätze massgebend

wie im Industriebelastungsgesetze. Zu §47.

Die Uebersicht vom 8. Juli 1924 ergibt folgendes Bild der für 1. Oktober 1924 geschätzten Vermögensbestände und Verbindlichkeiten:

A. Vermögensbestände: GM. 1. Betriebsvorräte 500,000,000 2. Kassenbestände und Bankguthaben 160,000,000 3. Forderungen 22,000,000

B. D Verbindlichkeiten: v , . , , . , , . , 682,000,000 B. D Verbindlichkeiten: v , . , , . , , . ,

1. Schulden an das Reich: a) Rentenmarkkredit 20,000,000 b) Darlehen zur Begleichung rückständiger Verkehrssteuern . 38,000,000 c) Kredit zur Notgeldeinlösung 25,000,000

2. Guthaben der Festmarkbank 20,000,000 3. Wechsel 20,000,000 4. Sonstige Schulden 27,000,000

150,000,000 200

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 38: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

Reichsges. über d. Deutsche Reichsbahn-Gesellsch. (Reicksbahnges.). Vom 30. Aug. 1924. 20 1

Anlage (zu § 1 Abs. 2 des Gesetzes)

Satzung der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft (Gesellschaftssatzung).

§ l. Firma.

Í1) Die Gesellschaft führt die Firma: „Deutsche Reichsbahn- Gesellschaft". (2) Für ihre Rechtsverhältnisse sind das Reichsgesetz über die Deutsche Reichs-

bahn-Gesellschaft vom 30. August 1924 und diese Gesellschaftssatzung, die einen Bestandteil des Gesetzes bildet, massgebend. Der Sitz der Gesellschaft ist Berlin.

(3) Das Geschäftsjahr der Gesellschaft ist das Kalenderjahr; das erste Ge- schäftsjahr beginnt mit dem Tage, an dem nach § 47 Abs. 8 des Gesetzes die Gesell- schaft ihre Tätigkeit aufnimmt; es endigt am 31. Dezember 1925.

§2. Gegenstand des Unternehmens.

Gegenstand des Unternehmens ist der Betrieb der Reichseisenbahnen ein- schliesslich der künftigen Erweiterungen sowie die Ausführung aller damit zu- sammenhängenden oder dadurch veranlassten Geschäfte, wie es im Gesetze näher erläutert ist.

§3. Grundkapital.

Das Grundkapital der Gesellschaft beträgt 15 Milliarden GM., und zwar 2 Milliarden GM. Vorzugsaktien und 13 Milliarden GM. Stammaktien.

§4. Vorzugsaktien.

(*) Die Vorzugsaktien lauten auf den Inhaber und sind frei übertragbar. Sie gewähren den Anspruch auf Kapitalrückzahlung spätestens bei Ablauf des Be- triebsrechts sowie auf eine Vorzugsdividende. Ist in einem Jahre die Vorzugs - dividende nicht voll gezahlt worden, so ist sie aus den Gewinnen der folgenden Jahre nachzuzahlen. Im Falle einer Gewinnverteilung auf die Stammaktien ist nach näherer Bestimmung des § 25 auf die Vorzugsaktien eine Zusatzdividende aus- zuschütten.

(2) Die Vorzugsaktien werden in verschiedenen Serien ausgegeben, die mit verschiedenen Rechten ausgestattet sein können. Die Gesellschaft stellt die Aus- gabebedingungen und den Ausgabekurs für jede Serie nach freiem Ermessen fest, sofern nicht die Vorzugsdividende höher als 7 v. H. ist und sofern der Ausgabekurs mindestens den Nennwert erreicht. Die Gesellschaft muss sich dagegen mit der Reichsregierung vor der Ausgabe von Vorzugsaktien ins Einvernehmen setzen, wenn es sich etwa zur Sicherstellung der Ausgabe der Aktien als nötig herausstellen sollte, solchen Ausgabebedingungen zuzustimmen, die für die Gesellschaft un- günstiger wären.

(3) Die Vorzugsaktien jeder Serie können vom Beginn des sechzehnten Jahres nach ihrer Ausgabe ab ganz oder zum Teil eingezogen werden. Sollten jedoch alle Reparationsschuldverschreibungen in einer kürzeren Frist getilgt oder zurück- gekauft sein, so kann die Gesellschaft auch sogleich die Vorzugsaktien einziehen.

(4) Insoweit Vorzugsaktien von einzelnen Inhabern aus Gründen, die die Gesellschaft nicht zu vertreten hat, nicht eingezogen werden können, sind die er- forderlichen Geldbeträge zu hinterlegen. Diese Hinterlegung hat die gleiche be- freiende Wirkung für die Gesellschaft wie die Einziehung selbst.

201

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 39: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

202 Reichsges • über d. Deutsche Reichsbahn-Gesellsch. (Reichsbahnges.) . Vom 30. Aug. 1924 .

(6) Bei Ablauf des Betriebsrechts müssen alle Vorzugsaktien eingezogen sein. (6) Der Einlösungskurs der Vorzugsaktien zuzüglich der laufenden und der

rückständigen Dividenden bestimmt sich wie folgt: Bei Einziehung vor Ablauf des fünfundzwanzigsten Jahres nach dem Uebergang des Betriebsrechts an die Gesellschaft beträgt der Einlösungskurs 20 v. H. über den Nennwert, bei Ein- ziehung vom sechsundzwanzigsten bis fünfunddreissigsten Jahre einschliesslich beträgt er 10 v. H. über den Nennwert. Nach dem fünfunddreissigsten Jahre erfolgt die Einziehung zum Nennwert.

(7) Die Reichsregierung kann verlangen, dass die Gesellschaft von ihrem Rechte der Einziehung unter Beachtung der vorstehenden Bestimmungen Ge- brauch macht, wenn das Reich ihr die erforderlichen Mittel zur Verfügung stellt.

§5. Verteilung des Erlöses aus den Vorzugsaktien.

(1) Von dem Gesamterlös aus der Ausgabe der Vorzugsaktien fliessen ein Viertel dem Reiche, drei Viertel der Gesellschaft zu. Der Erlös aus einzelnen Aus- gaben darf jedoch im Einvernehmen zwischen der Reichsregierung und der Gesell- schaft anders verteilt werden, falls sich dadurch das Gesamtergebnis der Ver- teilung nicht ändert.

(2) Während der ersten 2 Jahre nach dem Uebergange des Betriebsrechts soll die Gesellschaft Vorzugsaktien im Nennwert von 50Õ Mill. GM. verwerten. Die Reichsregierung kann verlangen, dass der Erlös aus dieser Ausgabe dem Reiche ganz zufliesst.

§6. Stammaktien.

(*) Die Stammaktien werden auf den Namen des Deutschen Reichs oder auf Verlangen der Reichsregierung auf den Namen eines deutschen Landes ausgestellt.

(2) Die Stammaktien gewähren das Recht auf eine Dividende nach Massgabe der Bestimmungen des § 25.

§ 7- Form und Inhalt der Aktien.

Die Form und den Inhalt der Aktien, Zwischenscheine und Gewinnanteil» scheine sowie deren Stückelung bestimmt der Verwaltungsrat.

§8. Reparationsschuldverschreibungen.

(*) Die Gesellschaft gibt sofort nach ihrer Errichtung unentgeltlich an den von der Reparationskommission ernannten Treuhänder Schuldverschreibungen (Repa- rationsschuldverschreibungen) im Nennwerte von 1 1 Milliarden GM. aus, die durch eine erststellige Hypothek gesichert sind. Diese Schuldverschreibungen sind mit 5 v. H. jährlich zu verzinsen und vom vierten Jahre nach dem Uebergang des Betriebsrechts an mit jährlich 1 v. H. zuzüglich der durch die Tilgung ersparten Zinsen zu tilgen.

(2) Jedoch werden für die 3 ersten Jahre nach dem Uebergange des Betriebs- rechts die Jahresleistungen der Gesellschaft für den Schuldverschreibungsdienst folgendermaßen begrenzt:

a) für das erste Jahr auf 200 Mill. GM., b) für das zweite Jahr auf 595 Mill. GM., c) für das dritte Jahr auf 550 Mill. GM.

Vom vierten Jahre ab beträgt die Jahresleistung 660 Mill. GM. Alle diese Zahlungen verstehen sich für das Jahr zu vollen 12 Monaten gerechnet. Sie bilden die Ge- samtleistungen der Gesellschaft für den Dienst der Schuldverschreibungen.

202

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 40: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

Reichsges. über d. Deutsche Reichsbahn-GeselIsch.íReichsbahngeB ).Vom30. Aug. 1924. 203

(3) Die Zahlungen sind zu gleichen Teilen zweimal jährlich, und zwar am Ende eines jeden Halbjahrs entsprechend den Anweisungen des Treuhänders zu leisten. Für den zuerst fälligen Betrag wird die Zahlung nach Verhältnis der wirk- lichen Dauer des Betriebs durch die Gesellschaft berechnet.

(4) Die Zahlungen erfolgen an die „Neue Bank" zugunsten des „Agenten für die Reparationszahlungen" für Rechnung des Treuhänders. Dieser bewirkt den Zinsen- und Tilgungsdienst der Schuldverschreibungen aus den Mitteln, die ihm der Agent zu diesem Zwecke überweist.

(6) Die Gesellschaft muss ihre Zahlungen gemäss § 25 aus dem Betriebsüber- schus8, im Notfall unter Heranziehung aller Rücklagen, bewirken.

(6) Au8serdem werden die Zahlungen von der Reichsregierung gewährleistet. Diese kann der Gesellschaft entweder die für die Zahlungen nötigen Mittel zur Verfügung stellen oder die Zahlungen unmittelbar an den „Agenten für die Repa- rationszahlungen" für Rechnung des Treuhänders bewirken.

(7) Schließlich kann der Treuhänder im Falle der Nichtzahlung der fälligen Zins- und Tilgungsbeträge die fälligen Zinsscheine oder die zu tilgenden Stücke dem von der Reparationskommission bestellten „Kommissar für die kontrollierten Einnahmen" vorlegen. Dieser hat sie zum Nennwert aus dem Teile der verpfändeten Einnahmen zu bezahlen, der an das Reich zurückfliesst.

(8) Die Beträge, die die Reichsregierung oder der „Kommissar für die kon- trollierten Einnahmen" mit Rücksicht auf die Gewährleistung der Reichsregierung entrichtet hat, werden ihr von der Gesellschaft erstattet, nachdem die erforderlichen Mittel für die laufenden und die nächstfälligen Zinsscheine der Schuldverschrei- bungen und für die feste Dividende der Vorzugsaktien für das laufende Jahr sicher- gestellt sind.

(9) Die Schuldverschreibungen tragen die Unterschrift eines Vertreters der Gesellschaft und der Reichsschulden Verwaltung als der zuständigen Reichs - behörde.

(10) Die Form der Schuldverschreibungen sowie alle Bedingungen für die Bezahlung der Zinsscheine und für die Tilgung der Schuldverschreibungen setzt der Treuhänder mit Zustimmung der Reparationskommission fest.

(n) Die Reichsregierung und die Gesellschaft haben jederzeit das Recht, mit Ermächtigung der Reparationskommission an den Treuhänder Beträge über die obigen Zahlungen hinaus zu entrichten. Die Reparationskommission soll sich in diesem Falle beim „Uebertragungskomitee" vergewissern, dass die Uebertragung dieser Mehrzahlungen die Uebertragung der Gesamtzahlungen des Deutschen Reichs aus seinen Reparationsverpflichtungen nicht beeinträchtigt. Alle derartigen Zahlungen sollen zunächst zur Begleichung rückständiger Zinszahlungen ver- wendet werden und erst hiernach - auf eine 6 Monate vorher öffentlich bekannt- gegebene Ankündigung hin - zur Tilgung oder zum Rückkauf aller oder eines Teiles der jeweils noch nicht getilgten Schuldverschreibungen, und zwar zum Nennwert, dienen.

(12) Die Gesellschaft kann die Schuldverschreibungen an der Börse oder sonst aufkaufen.

(13) Soweit Reparationsschuldverschreibungen von einzelnen Inhabern aus Gründen, die die Gesellschaft nicht zu vertreten hat, nicht eingezogen werden kön- nen, sind die erforderlichen Geldbeträge zu hinterlegen. Diese Hinterlegung hat die gleiche befreiende Wirkung für die Gesellschaft wie die Tilgung selbst.

(14) Der Treuhänder übermittelt halbjährlich der Reichsschulden Verwaltung und der Gesellschaft einen Rechnungsauszug über die Verwendung der Beträge, die ihm für den Zins- und Tilgungsdienst der Schuldverschreibungen überwiesen worden sind.

(16) Die Reparationskommission kann die Schuldverschreibungen, um sie auf den Markt zu bringen, in jeder ihr geeignet erscheinenden Weise in verschiedene Serien mit verschiedenen Rechten hinsichtlich des Ranges der Hypothek, des Zinsfusses, der Kapitalrückzahlung einteilen lassen, jedoch unter der Voraus- setzung, dass die gesamte Jahresbelastung der Gesellschaft oder der Reichsregierung dadurch nicht erhöht und die Dauer der Zahlungen der Gesellschaft oder der Reichsregierung nicht verlängert werden.

203

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 41: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

204 Reichsges. über d. Deutsche Reichsbahn-Gesellsch. (Reichsbahnges.)..Vom30. Aug. 1924.

§9- Andere Schuldverschreibungen.

í1) Andere als die im § 8 genannten Schuldverschreibungen oder andere hypothekarisch gesicherte Anleihen darf die Gesellschaft nur auf Grund eines Be- schlusses des Verwaltungsrats ausgeben, der mit einer Mehrheit von drei Viertel der abgegebenen Stimmen gefasst ist. Für die Ausgabe müssen mindestens zwei ausländische Mitglieder gestimmt haben. Die neuen Schuldverschreibungen oder die neuen Anleihen stehen den Reparationsschuldverschreibungen im Range nach.

(2) Diese Schuldverschreibungen oder Anleihen dürfen nur bis zum Höchst- betrage von 250 Mill. GM. ausgegeben werden, solange nicht Vorzugsaktien im Nennwert von mindestens 1 Milliarde GM. untergebracht worden sind.

§ 10.

Organisation der Gesellschaft. Die Organe der Gesellschaft sind der Verwaltungsrat und der Vorstand. Ihre

Befugnisse bestimmen sich nach dem Gesetz und der Gesellschaftssatzung.

§ n. Verwaltungsrat.

(1) Der Verwaltungsrat besteht aus 18 Mitgliedern. (2) Die Mitglieder des Verwaltungsrats werden zur Hälfte von der Reichs-

regierung, zur Hälfte von dem Treuhänder als dem Vertreter der Gläubiger der Reparationsschuldverschreibungen ernannt. Von den durch den Treuhänder zu bestellenden Mitgliedern können fünf Deutsche sein. Sobald alle Reparationsschuld- verschreibungen getilgt sind, fällt die Ernennung der bisher vom Treuhänder er- nannten Mitglieder der Reichsregierung zu.

(3) Von den seitens der Reichsregierung zu besetzenden Sitzen sind später vier den Inhabern der Vorzugsaktien mit der Massgabe einzuräumen, dass auf je 500 Mill. GM. ausgegebener Vorzugsaktien ein Sitz im Verwaltungsrat entfällt. Die Vertreter der Vorzugsaktionäre müssen Deutsche sein.

(4) Die Reichsregierung hat, sobald ihr die Bestellung eines Vertreters der Vorzugsaktionäre mitgeteilt ist, ein von ihr ernanntes Mitglied zurückzuziehen. Nach Massgabe der Einziehung der Vorzugsaktien fallen die ihren Vertretern vorbehaltenen Sitze nach den gleichen Grundsätzen, wie sie für die Einräumung massgebend waren, an die Reichsregierung zurück.

(6) Die Bestimmungen über das Verfahren bei der Ernennung der Vertreter der Vorzugsaktionäre trifft der Verwaltungsrat.

§ 12.

Voraussetzung fürdieMitgliedschaft imVerwaltungsrate. (*) Die Mitglieder des Verwaltungsrats müssen erfahrene Kenner des Wirt-

schaftslebens oder Eisenbahnsachverständige sein. Sie dürfen nicht Mitglied des Reichstags, eines Landtags, der Reichsregierung oder einer Landesregierung sein.

(2) Sie sind zur unbedingten Verschwiegenheit über die Angelegenheiten der Gesellschaft verpflichtet.

§ 13. Ausscheiden der Mitglieder des Verwaltungsrats. (1) Am Ende jedes zweiten Geschäftsjahrs scheiden 3 Mitglieder aus jeder

der beiden Gruppen der Verwaltungsratsmitglieder aus. Die eine Gruppe bilden die von der Reichsregierung ernannten und die von den Vorzugsaktionären be- stellten, die andere die vom Treuhänder ernannten Mitglieder. Die am Ende des zweiten und vierten Geschäftsjahrs ausscheidenden Mitglieder werden durch das Los. bestimmt, während vom Ende des sechsten Geschäftsjahrs ab jedes Mitglied

204

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 42: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

Reichsges. über d. Deutsche Reichsbahn-Gesellsch. (Reichsbahnges.) Vom 30. Aug. 1924. 205

nach 6 jähriger Amtsdauer ausscheidet. Die Ausscheidenden können wiederbestellt werden.

(2) Die Mitglieder des Verwaltungsrats können jederzeit durch eine schrift- liche Erklärung ihr Amt niederlegen. Verliert ein Mitglied die Fähigkeit zur Be- kleidung öffentlicher Aemter oder wird über sein Vermögen das Konkursverfahren eröffnet, so verliert es ohne weiteres seine Mitgliedschaft im Verwaltungsrate.

(3) Beim Ausscheiden eines Mitglieds während seiner Amtszeit ist binnen einer Frist von 3 Monaten sein Nachfolger zu bestellen. Dieser wird für die Zeit der Amts- dauer des Mitglieds ernannt, an dessen Stelle er tritt.

§ 14. Präsident des Verwaltungsrats.

(*) Der Präsident des Verwaltungsrats muss Deutscher sein. Er wird jähr- lich zu Beginn des Geschäftsjahrs vom Verwaltungsrate mit einer Mehrheit von drei Viertel der abgegebenen Stimmen gewählt. Wiederwahl ist zulässig. Wenn die Inhaber der Vorzugsaktien im Verwaltungsrate durch 3 Mitglieder vertreten sind, soll der Präsident aus diesen entnommen werden.

(2) Der Verwaltungsrat wählt jährlich mit einfacher Stimmenmehrheit einen oder zwei Vizepräsidenten, deren Wiederwahl zulässig ist.

§ 15.

Aufgaben des Verwaltungsrats. (*) Der Verwaltungsrat hat die Aufgabe, die Geschäftsführung der Gesell-

schaft zu überwachen und über alle wichtigen oder grundsätzlichen Fragen oder solche von allgemeiner Bedeutung zu entscheiden. Hierzu gehören insbesondeie :

die Ernennung des Generaldirektors und der oberen Beamten; diese hat der Generaldirektor vorzuschlagen,

die Feststellung des Voranschlags, die Feststellung der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung, die Gewinnverteilung, die Anlegung der flüssigen Mittel der Gesellschaft, die Ermächtigung zur Aufnahme von Anleihen und Krediten zu Lasten der

Gesellschaft, die Besoldungs- und Lohnordnung, die Genehmigung aller Ausgaben auf Kapitalrechnung, wenn diese die vom

Verwaltungsrate festgesetzte Begrenzung übersteigen. (2) Soweit Angelegenheiten der Genehmigung der Reichsregierung unter-

liegen, sind sie auch dem Verwaltungsrate zu unterbreiten. (3) Der Verwaltungsrat vertritt die Gesellschaft gegenüber den Mitgliedern

des Vorstandes. § 16.

Sitzungen des Verwaltungsrats.

(*) Der Verwaltungsrat tritt mindestens alle zwei Monate zu ordentlichen Sitzungen zusammen. Ausserordentliche Sitzungen sind anzuberaumen, wenn mindestens 6 Mitglieder oder der Präsident des Verwaltungsrats die Einberufung schriftlich beantragen.

(2) Ist ein Mitglied bei einer Sitzung am Erscheinen verhindert, so kann es durch Einschreibebrief oder Drahtnachricht seine Befugnisse einem anderen Mit- glied übertragen. Letzteres erhält dadurch auch das Stimmrecht des verhinderten Mitglieds.

(3) Zur Beschlussfassung ist die Anwesenheit von 8 Mitgliedern erforderlich. (4) Die Beschlüsse werden, sofern nicht das Gesetz oder die Satzung etwas

anderes bestimmt, mit einfacher Mehrheit gefasst. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Präsidenten den Ausschlag.

205

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 43: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

206 ßeichsges. über d. Deutsche Reichsbahn-Gesellsch.CReichsbahnges.). Vom 30. Aug. 1924.

§ 17. Arbeitsausschuss.

(*) Der Verwaltungsrat kann seine Befugnisse, soweit es ihm zweckmässig erscheint, einem Arbeitsausschuss übertragen, der aus 6 Mitgliedern, und zwar aus 3 Mitgliedern jeder Gruppe (§ 13), besteht. Unter ihnen soll mindestens ein ausländisches Mitglied sein; ein weiteres Mitglied ist den Vertretern der Vorzugs- aktionäre auf ihren Wunsch zu entnehmen.

(2) Der Verwaltungsrat kann aus seiner Mitte weitere Ausschüsse bilden. (3) Der Verwaltungsrat setzt die Geschäftsordnung für sich sowie für den

Arbeitsausschuss und für die weiteren Ausschüsse fest.

§ 18.

Vergütungen für die Mitglieder des Verwaltungsrats. Die Mitglieder des Verwaltungsrats erhalten freie Fahrt auf den Strecken

der Gesellschaft, Ersatz von Reiseauslagen und für ihre Mühewaltung eine an- gemessene Vergütung, die der Verwaltungsrat festsetzt.

§ 19. Vorstand.

(x) Der Vorstand führt die Geschäfte der Gesellschaft unter der Aufsicht des Verwaltungsrats.

(2) Der Vorstand besteht aus dem Generaldirektor und einem oder mehreren Direktoren. Der Generaldirektor und die Direktoren müssen Deutsche sein. Sie dürfen dem Verwaltungsrate nicht angehören.

(3) Der Generaldirektor wird vom Verwaltungsrate auf 3 Jahre mit einer Mehrheit von drei Viertel der abgegebenen Stimmen ernannt ; Wiederernennung ist mit der gleichen Stimmenmehrheit zulässig. Die Direktoren werden vom Ver- waltungsrat auf Vorschlag des Generaldirektors ernannt.

(4) Die Ernennung des Generaldirektors und der Direktoren bedarf der Be- stätigung des Reichspräsidenten.

(5) Der Verwaltungsrat kann jederzeit mit einer Mehrheit von drei Viertel der abgegebenen Stimmen die Ernennung des Generaldirektors widerrufen. Der Anspruch des Generaldirektors auf seine vertragsmässige Vergütung wird durch den Widerruf seiner Ernennung nicht berührt.

§ 20.

Befugnisse des Vorstandes.

(*) Für die Geschäftsführung der Gesellschaft trägt der Generaldirektor die Verantwortung.

(2) Die Befugnisse des Generaldirektors und der Direktoren setzt die Geschäfts- ordnung der Gesellschaft fest, die der Genehmigung des Verwaltungsrats bedarf1).

(3) Der Generaldirektor und die Direktoren haben bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes wahrzunehmen und haften bei Verletzung ihrer Obliegenheiten der Gesellschaft gegenüber.

(4) Der Generaldirektor hat dem Verwaltungsrat allmonatlich über die finanzielle Lage und den Stand des Unternehmens Auskunft zu erteilen.

(5) Der Generaldirektor und die Direktoren dürfen eine gleichzeitige andere Erwerbstätigkeit oder eine Nebenbeschäftigung nur mit Genehmigung des Ver- waltungsrats ausüben.

]) Die Geschäfts Ordnung der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft wurde erlassen am 1. Oktober 1924. Sie ist mitgeteilt Sarter und Kittel, Die neue deutsche Reichsbahn- Gesellschaft, ihr Aufbau und ihr Wirken, Berlin 1924, S. 311.

20 6

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 44: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

Reichsges. Über d. Deutsche Reicksbahn-Gesellscb, (Reichsbahnges.). Vom 30. Aug. 1924. 207

§21. Der Eisenbahnkommissar.

Í1) Zur Wahrung der Rechte aus den Reparationsschuldverschreibungen wird ein Eisenbahnkommissar bestellt. Er soll eine Persönlichkeit von anerkanntem Rufe in der Eisenbahnwelt sein. Er wird von den ausländischen Mitgliedern des Verwaltungsrats mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen für 3 Jahre gewählt. Wiederwahl ist zulässig.

(2) Die Tätigkeit des Eisenbahnkommissars hört auf, sobald die Reparations- schuldverschreibungen völlig getilgt sind. Das gleiche gilt von der Tätigkeit des Treuhänders, soweit es sich um seinen Geschäftskreis gegenüber der Gesellschaft handelt.

§22. Aufgaben des Eisenbahnkommissars.

(x) Der Esienbahnkommissar kann an den Sitzungen des Verwaltungsrats, des Arbeitsausschusses und der übrigen Ausschüsse des Verwaltungsrats teil- nehmen; ein Stimmrecht steht ihm nicht zu.

(2) Er ist berechtigt, im gesamten Netze der Gesellschaft alle Anlagen und Dienststellen zu besichtigen.

(3) Ihm sind alle Berichte, statistischen und finanziellen Uebersichten, die Voranschläge für ausserordentliche Ausgaben, gleichviel, ob sie auf Kapital- rechnung oder auf Betriebsrechnung verrechnet werden, Vorschläge für Abände- rung der Tarife und Ausnahmetarife sowie anderer Angelegenheiten mitzuteilen, die der Genehmigung des Generaldirektors bedürfen.

(4) Ausserdem ist der Eisenbahnkommissar berechtigt, die Mitteilung anderer Berichte, Uebersichten oder statistischer Angaben zu verlangen, die er für nötig hält, um sich ein unabhängiges Urteil bilden zu können.

(5) Alle Auskünfte sind ihm unverzüglich, vollständig und genau zu über- mitteln.

(6) Falls irgendeine Bau-, Betriebs- oder Tarifmassnahme wesentlich dazu beiträgt, die Rechte oder Interessen der Schuldverschreibungsgläubiger oder der Reparationskommission zu bedrohen und insbesondere die im § 8 Abs. 2 und 3 behandelten Zahlungen an den Fälligkeitsterminen zu gefährden, so hat der Eisen- bahnkommissar die Frage mit dem Generaldirektor zu erörtern. Vermag er letzteren nicht zu Aenderung der Richtlinien seiner Geschäftsführung zu bewegen, so muss er die Angelegenheit vor den Verwaltungsrat bringen, der endgültig entscheidet.

(7) Der Eisenbahnkommissar kann verlangen, dass der Verwaltungsrat die Bestellung des Generaldirektors wegen Verletzung der Gesellschaftssatzung oder wegen Nichtausführung der Anordnungen des Verwaltungsrats widerruft. Zur Entlassung genügt in diesem Falle die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen.

(8) Der Eisenbahnkommissar und sein Personal sind zur unbedingten Ver- schwiegenheit über die Angelegenheiten der Gesellschaft verpflichtet.

§23. Personal und Kosten des Eisenbahnkommissariats.

i1) Der Eisenbahnkommissar wird in seiner Tätigkeit durch das Personal unterstützt, das er für erforderlich hält. Er übt seine Befugnisse persönlich oder durch seine von ihm bevollmächtigten Mitarbeiter aus. Die Gesellschaft stellt geeignete Räume mit Ausstattung für die Geschäftsstellen des Eisenbahnkom- missars zur Verfügung. Der Eisenbahnkommissar hat für sich und sein Personal in dem ihm zweckmässig erscheinenden Umfang Anspruch auf freie Fahrt auf den Strecken der Gesellschaft.

(2) Die Gesellschaft stellt dem Eisenbahnkommissar jährlich als Pausch- beitrag zu den Ausgaben des Eisenbahnkommissars und seines Personals einen Betrag zur Verfügung, der im Einverständnisse zwischen dem Organisations- komitee und dem Eisenbahnkomra issar vorbehaltlich der Genehmigung der üeparationskommission festgesetzt wird.

207

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 45: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

208 Reichsges überd. Deutsche Reichsbahn-Gesellsch. (Reichsbahnges). Vom 30. Aug. 1924.

§ 24.

Ausnahmebefugnisse des Eisenbahnkommissars.

(*) Sollte die Gesellschaft mit der Leistung der im § 8 Abs. 2 vorgesehenen halbjährlichen Zahlungen in Verzug geraten, so kann der Eisenbahnkommissar anordnen, dass die seiner Auffassung nach nicht begründeten Ausgaben unter- bleiben oder die Tarife so erhöht werden, wie er es für angemessen hält. Auch kann er einen Wechsel in der Person des Generaldirektors fordern, wobei der Verwaltungs- rat seinen Wünschen nachzukommen hat.

(2) Ist der fehlende Betrag gedeckt und die Zahlung des nächsten Zins- betrags sichergestellt, so enden die dem Eisenbahnkommissar nach dem Vor- stehenden ausnahmsweise zustehenden Befugnisse.

(3) Sollte innerhalb einer Frist von 6 Monaten nach Nichtleistung der fälligen Zahlungen die Deckung des fehlenden Betrags sich weder durch die Zahlungen der Gesellschaft noch durch die anderen im § 8 vorgesehenen Zahlungen haben ermöglichen lassen, so kann der Eisenbahnkommissar im Einvernehmen mit dem Treuhänder die Massnahmen treffen, die sie für nötig erachten. Er kann dabei die Eisenbahnen selbst in Betrieb nehmen und, soweit für die Betriebführung entbehr- lich, Fahrzeuge oder andere bewegliche oder unbewegliche Sachen veräussern.

(4) Letzten Endes kann der Eisenbahnkommissar das Betriebsrecht ganz oder zum Teil verpachten. Der Durchführung dieser Massnahme hat eine Entscheidung des im § 45 des Gesetzes vorgesehenen Schiedsrichters dahin vorauszugehen, dass die in Aussicht genommene Massnahme nötig und geeignet ist, die Durchführung des Dienstes der Reparationsschuldverschreibungen zu sichern.

(5) Soweit der Eisenbahnkommissar den Betrieb übernimmt, ist er den gesetz- lichen Bestimmungen unterworfen.

§ 25.

Finanzgebarung der Gesellschaft.

(*) Die Gesellschaft hat am Schlüsse jedes Geschäftsjahrs eine Bilanz und eine Gewinn- und Verlustrechnung aufzustellen.

(2) Der nach Deckung der Betriebsausgaben verbleibende Betriebsüberschuss ist wie folgt zu verwenden:

1. Zunächst sind die für den Zins- und Tilgungsdienst der Reparations- schuldverschreibungen bestimmten Zahlungen zu bewirken.

2. Sodann ist der Zins- und Tilgungsdienst der im § 9 genannten Schuld- verschreibungen und Anleihen zu bestreiten.

3. Zur Deckung eines etwaigen Betriebsfehl betrags der Gesellschaft und zur Sicherstellung der rechtzeitigen Befriedigung des Zins- und Tilgungsdienstes ihrer Schuldverschreibungen ist sogleich eine Rücklage zu schaffen. Der Rücklage sind mindestens 2 v. H. der gesamten Betriebseinnahmen zu überweisen, bis die Rück- lage den Betrag von 500 Mill. GM. erreicht hat. Muss nach Erreichung dieser Grenze die Rücklage angegriffen werden, so sind sogleich die jährlichen Ueber- weisungen zu ihrer Wiederauffüllung aufzunehmen.

4. Der aus dem Betriebsüberschuss nach den vorstehenden Zahlungen und Ueberweisungen verbleibende Reingewinn ist in folgender Reihenfolge zu ver- wenden:

a) Sollte in früheren Jahren die Vorzugsdividende auf die Vorzugsaktien nicht voll gezahlt worden sein, so ist sie vorweg nachzuzahlen.

b) Sodann ist die Vorzugsdividende auf die Vorzugsaktien auszuschütten. c) Die Verwendung des verbleibenden Restbetrags bestimmt der Verwal-

tungsrat nach folgenden Richtlinien: Für ausserordentliche Ausgaben können Sonderrücklagen vorgesehen wer-

den. Vom Jahre 1935 ab ist eine besondere Rücklage zur Einziehung der Vorzugs- aktien anzusammeln. Diese Rücklage kann auch schon in einem früheren Zeit- punkt angeordnet werden. Eine Rücklage für die Einziehung der Stammaktien wird nicht gebildet.

Wenn der Verwaltungsrat eine Verteilung des weiteren Reingewinnes be- 903

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 46: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

Reichsges. über d. Deutsche Reichsbahn-Gesellsch. (Reichsbahnges.)- Vom 30. Aug. 1924. 209

schliesst, soll dieser wie folgt verwendet werden : Ein Drittel für die Vorzugsaktien als Zusatzdividende, zwei Drittel für die Stammaktien.

Sollten jedoch die Vorzugsaktien nicht in dem vorgesehenen Gesamtbetrage von 2 Milliarden GM. ausgegeben sein, so kommt der auf die noch nicht begebenen Vorzugsaktien entfallende Teil den Stammaktien zugute.

Besondere Bemerkungen znr Gesellschaftssatzung. Zu §1.

Für die Wahl der Firma war das Bestreben ausschlaggebend, sich möglichst an die bereits eingebürgerte Bezeichnung „Deutsche Reichsbahn" anzuschliessen. Durch den Zusatz „Gesellschaft" soll der privatwirtschaftliche Charakter des Unternehmens auch äusserlich zum Ausdruck kommen. Der bisherige Name „Deutsche Reichsbahn" wird im inneren Geschäftsverkehr als abgekürzte Be- zeichnung nach wie vor gebraucht werden. Insbesondere ist eine Aenderung in den bisherigen Anschriften auf den Fahrzeugen des Unternehmens nicht nötig.

Da die Gesellschaft ihre Geschäfte noch im Laufe des Jahres 1924 auf- nimmt, wird das erste Geschäftsjahr die Dauer von 12 Monaten überschreiten. Das bedeutet eine Ausnahme von § 39 Abs. 2 des H.G.B.

Zu §2. Der Gegenstand des Unternehmens ist hier nur allgemein angegeben; das

Nähere ist im Gesetz ausgeführt. Zu §§ 3-7.

Die Bestimmungen über Grundkapital, Natur der Vorzugs- und Stamm- aktien sowie Form und Inhalt der Aktien finden ihre Ergänzung in den §§ 178, 179 Abs. 1, 210 Abs. 1, 211, 213, 214 Abs. 1, 217 Abs. 1 u. 3, 225, 228-230 des H.G.B., die in § 16 des Gesetzes ausdrücklich für anwendbar erklärt werden.

Die Vorzugsaktien, die für den freien Verkehr bestimmt sind, unterliegen hinsichtlich der Uebertragung, Veräusserung, Belastung und Verpfändung in jeder Weise den Vorschriften über Inhaber papiere. Sie dienen einem doppelten Zweck. Der vierte Teil, also rund 500 Millionen sollen dem Reiche die Zahlung eines Teiles der Reparationsschuld (für das zweite Reparationsjahr) ermöglichen, während der Restbetrag von rund 1500 Millionen ausschliesslich zur Deckung des Kapital- bedarfs der Gesellschaft bestimmt ist.

Die Ausgabebedingungen und der Ausgabekurs sind nach den wirtschaft- lichen Bedürfnissen des Unternehmens unter Berücksichtigung der Lage am Geld- markt festzusetzen. Das Interesse des Reichs ist hierbei dadurch gewahrt, dass die Festsetzung einer Vorzugsdividende über 7 % oder eines Ausgabekurses unter dem Nennwert nur im Einvernehmen mit der Reichsregierung stattfinden darf.

Die Vorzugsaktien geben den Anspruch auf Kapitalrückzahlung und auf eine Vorzugsdividende, wozu im Fall einer Gewinnverteilung auf die Stamm- aktien noch eine Zusatzdividende hinzukommt. Das Interesse der Vorzugsaktionäre an einer nicht zu schnellen Einlösung der Vorzugsaktien wird dadurch gewahrt, dass der Einlösungskurs je nach der Zeit der Einlösung verschieden hoch bemessen ist (vgl. § 4 Abs. 6). Falls die Reichsregierung die frühzeitigere Einziehung der Vorzugsaktien wünscht, kann sie der Gesellschaft hierfür die erforderlichen Mittel zur Verfügung stellen.

Die Stammaktien sind Namensaktien und bleiben in der Hand des Reichs und der Länder.

Form und Inhalt der Aktien bestimmt der Verwaltungsrat.

Zu §8. Die Reparationsschuldverschreibungen im Betrage von 11 Milliarden GM.

bilden die erststellige Belastung des Reichsbahnvermögens. Die Erfüllung des Zinsen- und Tilgungsdienstes wird eine der wichtigsten Aufgaben der Gesell- schaft sein.

Finanzarchiv. XXXX1I. Jahrg. 209 14

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 47: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

210 Reichsges. über d. Deutsche Reichsbahn-Gesellsch. (Reichsbahnges.). Vom 30. Aug. 1924.

Die Jahresleistungen der Gesellschaft für den Schuldverschreibungsdienst sind begrenzt nach den Bestimmungen des Abs. 2. Vom vierten Jahre ab beträgt diese Jahresleistung 660 Millionen GM.

Die Zahlungen sind halbjährlich zu gleichen Teilen an die „Neue Bank" (vgl. die Bemerkung zu § 15 des Gesetzes) zugunsten des Agenten für Reparations- zahlungen für Rechnung des Treuhänders zu leisten. Aus der Begrenzung der Jahresleistungen ergibt sich, dass die Gesellschaft keinerlei sonstige Zahlungen für den Dienst der Schuldverschreibungen zu machen hat. Da der Treuhänder den Zinsen- und Tilgungsdienst der Schuldverschreibungen zu bewirken hat, wird die Gesellschaft auch Dritten gegenüber durch die Leistung der festgesetzten Jahreszahlungen von allen Zahlungen befreit. Die ausserordentliche Wichtigkeit der Abdeckung der Verpflichtungen aus den Reparationsschuldverschreibungen kommt dadurch zum Ausdruck, dass die Zahlungen, die etwa nicht aus dem Betriebs- überschuss gedeckt werden können, unter Inanspruchnahme sämtlicher Rücklagen ohne Rücksicht auf deren ursprüngliche Zweckbestimmungen zu leisten sind.

Aus dem Umstände, dass die Schuldverschreibungen zur Abdeckung eines Teiles der Reparationsschuld des Reichs dienen sollen, ergibt sich die Gewähr- leistung des Reichs für die Zahlungen der Gesellschaft. Diese Verpflichtung des Reichs kann entweder durch Zahlung an die Gesellschaft oder durch unmittelbare Zahlung an den Agenten für die Reparationszahlungen erfüllt werden. Auch kann die Haftung des Reichs durch Zugriff aus dem im Besitze des Kommissars für die kontrollierten Einnahmen befindlichen Teil der verpfändeten Reichs - einnahmen in Anspruch genommen werden, der an das Reich zurückzufliessen hätte. Das Reich kann in diesen Fällen der Gesellschaft gegenüber nach Mass- gabe der Bestimmungen des Abs. 8 Rückgriff nehmen.

Im Interesse des Reichs musste die Möglichkeit geschaffen werden, die Reparationsschuldverschreibungen früher als es der Gesamtplan erfordert zu tilgen oder zurückzukaufen. Durch die Bestimmungen in Abs. 11 ist jedoch dafür Vorsorge getroffen, dass hierdurch die Uebertragung der Gesamtzahlungen aus den Reparationsverpflichtungen (Transfer) nicht beeinträchtigt wird.

Es ist der Reparationskommission überlassen, in welcher Weise sie die Schuld- verschreibungen verwerten will.

Zu §9. Wegen der Aufnahme von Krediten vgl. § 8 des Gesetzes. Es ist Sache der Gesellschaft, ob sie ihren Kapitalbedarf durch Ausgabe

der Vorzugsaktien oder durch Aufnahme von Anleihen oder durch sonstige fun- dierte oder unfundierte Kredite decken will. Die Ausgabe von Schuldverschrei- bungen und anderen hypothekarisch gesicherten Anleihen ist jedoch auf den Betrag von 250 Millionen GM. beschränkt, solange nicht 1 Milliarde Vorzugs- aktien verwertet sind. Die Ausgabe von Schuldverschreibungen und hypothekarisch gesicherten Anleihen kann vom Verwaltungsrat nur mit einer Mehrheit von drei Viertel der abgegebenen Stimmen beschlossen werden, wobei mindestens zwei ausländische Mitglieder mitgestimmt haben müssen.

Zu § 10. Ueber die Organisation der Gesellschaft vgl. die allgemeinen Bemerkungen

unter 2 D S. 179. Für die Befugnisse des Verwaltungsrats und Vorstandes sind die Bestimmungen des Gesetzes und der Gesellschaftssatzung massgebend. Da- neben kommen gemäss § 16 des Gesetzes die Bestimmungen der §§ 235, 236, 237, 239, 245, 248, 249, 312, 314 Abs. 1 Ziff. 1 und Abs. 2 u. 3 des H.G.B, in Betracht. Ferner richten sich die Befugnisse des Generaldirektors und der Direktoren nach der mit Genehmigung des Verwaltungsrats zu erlassenden Geschäftsordnung der Gesellschaft (vgl. § 20 Abs. 2 der Gesellschaftssatzung).

Zu § 11. Der Bestimmung des Sachverständigenplans, dass die Inhaber der Vorzugs-

aktien berechtigt sein sollen, vier Mitglieder des Verwaltungsrats an Stelle von 210

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 48: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

Reichsges. über d. Deutsche Reichst) ahn-Gesellsch. (Reichsbahnges.). Vom 30. Aug. 1924. 211

vier von der Deutschen Regierung ernannten Mitgliedern zu wählen, ist dadurch Rechnung getragen, dass den Inhabern der Vorzugsaktien für je 500 Millionen GM. ausgegebene Vorzugsaktien ein Sitz im Verwaltungsrat zufällt. Die Satzung bestimmt ausdrücklich, dass die Inhaber der Vorzugsaktien Deutsche sein müssen.

Zu § 12. Die Verpflichtung der Verwaltungsratsmitglieder zur unbedingten Ver-

schwiegenheit geht über die entsprechende Pflicht von Aufsichtsratsmitgliedern von Aktiengesellschaften hinaus. Die strenge Formulierung des § 12 Abs. 2 recht- fertigt sich durch die wesentlich anders geartete Stellung der Mitglieder des Ver- waltungsrats der Reichsbahn- Gesellschaft.

Zu § 13. Die Amtsdauer der Mitglieder des Verwaltungsrats beträgt 6 Jahre, damit

die erforderliche Kontinuität der Verwaltung sichergestellt ist.

Zu § 14. Dass der Präsident des Verwaltungsrats Deutscher sein muss, entspricht

ebenso dem Sachverständigenplan, wie, dass er jährlich mit einer Mehrheit von drei Viertel der Stimmen des Verwaltungsrats zu wählen ist. Da die vier den Vorzugsaktionären vorbehaltenen Sitze erst allmählich in die Hand der Vorzugs- aktionäre übergehen werden, ordnet die Gesellschaftssatzung in der Ergänzung dieser Bestimmung an, dass der Präsident erst dann aus der Mitte der Vertreter der Vorzugsaktionäre gewählt werden soll, wenn von diesen drei Sitze im Ver- waltungsrat besetzt sind und damit eine gewisse Auswahl an Persönlichkeiten vorhanden ist.

Die Aufgaben des Präsidenten werden durch die Geschäftsordnung des Verwaltungsrats geregelt werden, die der Verwaltungsrat selbst festzusetzen hat. Im übrigen werden sie sich aus der Praxis ergeben.

Zu § 15. Die Aufgaben des Verwaltungsrats sind bereits im allgemeinen Teil der

Begründung unter 2 D S. 179 beschrieben worden. Die namentlich aufgezählten, zur Zuständigkeit des Verwaltungsrats gehörenden Gegenstände sind insofern nicht erschöpfend, als der Verwaltungsrat jederzeit in der Lage ist, seine Be- fugnisse auszudehnen. Zu den einzelnen Befugnissen ist im übrigen zu bemerken:

Die Ernennung des Generaldirektors ergibt sich auch aus § 19 Abs. 3 der Gesellschaftssatzung. Der Begriff der oberen Beamten ist weiter zu fassen als der in § 26 des Gesetzes enthaltene Begriff der leitenden Beamten. Wie weit der Begriff der oberen Beamten auszudehnen ist, hat der Verwaltungsrat zu be- stimmen.

Die Feststellung des Voranschlags hat nicht die gleiche Bedeutung wie die bisherige Genehmigung des Haushalts. Vgl. § 30 Abs. 3 des Gesetzes.

Hinsichtlich der Gewinnverteilung vgl. § 25 der Satzung. Ueber die An- legung flüssiger Mittel wird der Verwaltungsrat sich grundsätzlich auf die Fest- stellung von Richtlinien zu beschränken haben, während die Ausführung im einzelnen Sache der Leitung ist.

Wegen der Ermächtigung zur Aufnahme von Anleihen vgl. § 8 des Gesetzes und § 9 der Satzung; wegen der Besoldungs- und Lohnordnung vgl. § 26 des Gesetzes.

Zu § 16. Ordentliche Sitzungen des Verwaltungsrats sind alle 2 Monate abzuhalten.

Damit ist jedoch nur eine Mindestzahl der Sitzungen vorgeschrieben. Es erschien nötig, für den Fall einer Behinderung von Mitgliedern, eine

Stellvertretung zuzulassen, in der Weise, dass ein verhindertes Verwaltungsrats- mitglied ein anderes Mitglied mit der Vertretung schriftlich oder telegraphisch

211

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 49: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

212 Reichsges. über d. Deutsche Reiclisbahn-Gesellsch.(Reichsbahnges.). Vom 30. Aug. 1924.

beauftragen kann. Ueber die Prüfung der Legitimation zur Vertretung wird die Geschäftsordnung des Verwaltunsgrats Bestimmung zu treffen haben, die auch über die Form der Einladung zur Versammlung, über die Form der Abstimmung usw. die näheren Einzelheiten enthalten wird.

Zu § 17. Da der umfangreiche Apparat des Verwaltungsrats zweifellos zu schwer-

fällig sein wird, um alle ihm zufallenden Verwaltungsaufgaben mit der erforder- lichen Gründlichkeit und Schnelligkeit zu bearbeiten, sieht die Satzung einen ständigen Arbeitsausschuss vor, der in seiner Zusammensetzung die- jenige des Verwaltungsrats widerspiegelt. Inwieweit der Verwaltungsrat seine Befugnisse dem Arbeitsausschuss übertragen wird, ist ihm überlassen. Dem Aus- schuss, der aus sechs Mitgliedern besteht, soll mindestens ein Ausländer angehören.

Auch die Bildung weiterer Ausschüsse des Verwaltungsrats ist vorgesehen. Die Bildung solcher Ausschüsse entspricht der bei den meisten Eisenbahngesell- schaften bestehenden Gepflogenheit und wird gleichfalls zu einer Entlastung des Verwaltungsrats in seiner Gesamtheit führen.

Zu § 18. Das Amt der Verwaltungsratsmitglieder ist entgeltlich, da die an die ein-

zelnen Mitglieder gestellten Anforderungen nicht nur einen erheblichen Aufwand an Arbeit, sondern auch an Verantwortlichkeit bedeuten. Diese Verantwortung liegt sowohl auf zivilrechtlichem wie auf strafrechtlichem Gebiet. Nach § 249 Abs. 1, 2 u. 4 des H.G.B., die aufrechterhalten sind, haften die Mitglieder, die ihre Obliegenheiten verletzen, mit den Vorstandsmitgliedern als Gesamtschuldner für den daraus entstehenden Schaden. In strafrechtlicher Hinsicht bringen die §§ 312 u. 314 Abs. 1 Ziff. 1 und Abs. 2 u. 3 des H.G.B, einige Sondervorschriften.

Die Vergütung der Mitglieder des Verwaltungsrats wird von dem Verwaltungs- rat selbst festgestellt. Ausserdem erhalten die Mitglieder des Verwaltungsrats freie Fahrt auf den Strecken der Gesellschaft und Ersatz von Reiseauslagen.

Zu § 19. Der Vorstand führt die Geschäfte unter der Aufsicht des Verwaltungsrats.

Er ist an dessen Weisungen gebunden, hat aber, soweit nicht solche Weisungen vorliegen oder die betreffende Angelegenheit an sich nicht der Zuständigkeit des Verwaltungsrats unterliegt, selbständig zu entscheiden.

Der Vorstand besteht aus dem Generaldirektor und einem oder mehreren Direktoren. Dem deutschen Charakter der Gesellschaft entspricht es, dass sowohl der Generaldirektor wie die Direktoren Deutsche sein müssen. Das Bestätigungs- recht des Reichspräsidenten bietet eine weitere Gewähr für die besonders sorg- fältige Auswahl der Vorstandsmitglieder. Der Grundsatz, dass die Mitglieder des Vorstandes dem Verwaltungsrat nicht angehören dürfen, entspricht dem § 248 des H.G.B.

Sowohl der Generaldirektor wie die Direktoren werden vom Verwaltungsrat ernannt, letztere auf Vorschlag des Generaldirektors. Für die Wahl des General- direktors ist eine Mehrheit von drei Viertel der Stimmen nötig. Auch ist seine Wahl auf 3 Jahre beschränkt. Der Verwaltungsrat kann auch mit der gleichen Mehrheit von drei Viertel die Ernennung des Generaldirektors widerrufen.

Zu §20. Der Vorstand hat die Gesellschaft gerichtlich und aussergerichtlich zu ver-

treten (§ 231 Abs. 1 H.G.B.). Es gilt der Grundsatz der Kollektivvertretung (§ 232 Abs. 1 H.G.B.). Der Vorstand kann jedoch einzelne Mitglieder zur Vor- nahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften ermächtigen. Hier wird die Geschäftsordnung der Gesellschaft eingreifen und die erforderlichen Bestimmungen treffen.

Der Vorstand ist verpflichtet, die Beschränkungen, die seiner Vertretungs- 212

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 50: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

Reichsges. über d. Deutsche Reichsbahn-Gesellsch.íReichsbahnges.). Vom 30. Aug. 1924. 213

macht durch das Gesetz, die Satzung, die Geschäftsordnung oder Beschlüsse des Verwaltungsrats festgesetzt sind, einzuhalten (§ 235 H.G.B.). Die Beschränkung gilt, soweit sie auf Beschlüssen des Verwaltungsrats beruht, nur im Innenverhältnis. Nach aussen sind derartige Beschränkungen wirkungslos.

Der Vorstand hat Sorge dafür zu tragen, dass die erforderlichen Bücher der Gesellschaft geführt werden (§ 239 H.G.B.). Ergänzend tritt hierzu § 29 des Gesetzes. Die Bücher müssen so geführt werden, dass die Finanzlage des Unternehmens jederzeit mit Sicherheit festgestellt werden kann.

Den Mitgliedern des Vorstandes ist nicht nur durch § 20 Abs. 5 untersagt, gleichzeitig eine andere Erwerbstätigkeit oder eine Nebenbeschäftigung ohne Genehmigung des Verwaltungsrats auszuüben, sondern es gilt für sie auch das Konkurrenzverbot des § 236 H.G.B, samt den dort ausgesprochenen Folgen der Verletzung dieses Verbotes.

Für die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Vorstands gelten dieselben Bestimmungen wie für den Verwaltungsrat (§ 312, 314 Abs. 1 Ziff. 1 Abs. 2 u. 4 H.G.B.).

Zu §21. Zur Wahrung der Rechte und Interessen der Reparationsschuldverschrei-

bungsgläubiger bestehen zwei Organe: Der Treuhänder und der Eisenbahnkom- missar.

Der Treuhänder hat die Schuldverschreibungsgläubiger gegenüber der Ge- sellschaft zu vertreten und die Durchführung der Zahlungen an die Schuldver- schreibungsgläubiger zu regeln. Der Kommissar hat die Aufgabe, für die Sicherung des Dienstes der Reparationsschuldverschreibungen zu sorgen.

Die Tätigkeit des Kommissars hört auf, sobald die Schuldverschreibungen getilgt sind.

Zu §22. Solange die Gesellschaft ihren Verpflichtungen nachkommt, soll der Kom-

missar nur beschränkte Befugnisse haben, die im wesentlichen in einem Infor- mationsrecht bestehen. Der Sachverständigenplan hatte diese Befugnisse in den Einzelheiten umschrieben. Sie mussten in fast der gleichen Form in das Gesetz übernommen werden. Das Gesetz versucht aber gewisse mit der Kontrollbefugnis verbundene Gefahren abzuwenden, indem es für den Kommissar - und das gleiche hat sinngemäss auch für sein Personal zu gelten - eine Schweigepflicht aufstellt.

Zu § 23. Das Gesetz sieht einen Pauschbetrag vor, den die Gesellschaft zu den Aus-

gaben des Kommissars beisteuert.

Zu §24. Wenn der Kommissar mit Genehmigung des Treuhänders den Betrieb

übernimmt, ist er den gesetzlichen Bestimmungen unterworfen. Der Kommissar tritt im Fall der Betriebsübernahme an die Stelle des Generaldirektors. Die Gesellschaft als solche bleibt bestehen. Es bleiben daher nicht nur ihre Be- ziehungen zum Reich, insbesondere die Hoheitsrechte des Reichs unberührt, sondern auch die Grundsätze der Verwaltung, insbesondere die Vorschriften des § 25 der Satzung über die Finanzgebarung der Gesellschaft. Nicht nur die Rechte der Reparationsgläubiger, sondern auch das Dividendenbezugsrecht der Aktionäre bleiben ungeschmälert. Hierin liegt der Unterschied zur Verpachtung des Unter- nehmens. Wenn der Kommissar mit Genehmigung des neutralen Schiedsrichters zur Verpachtung schreiten sollte, so würde auch der Pächter insoweit den gesetzlichen Bestimmungen unterworfen sein, als sein Verhältnis zum Reich in Frage kommt. Auch hier bleiben die Hoheitsrechte des Reichs unberührt, da der Kommissar nicht mehr Rechte an den Pächter übertragen kann, als der Ge- sellschaft vom Reich eingeräumt worden sind.

213

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 51: Reichsgesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz). Vom 30. August 1924

2 14 Reichsges. über d. Deutsche Reichsbahn-Gesellsch. (Reichsbahnges.). Vom 80. Aug. 1924.

Zu §25. Die Rechnungsführung der Gesellschaft und die Veröffentlichung der Bilanz

und Gewinn; und Verlustrechnung sowie ihre Nachprüfung durch die Reichs- regierung ist in §§ 29 u. 30 des Gesetzes geregelt.

Die Aufstellung der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung hat nach den allgemein gültigen Regeln zu erfolgen. Zu den Betriebsausgaben sind künftig auch die Ausgaben für den Dienst derjenigen Schulden zu rechnen, die die Ge- sellschaft bei ihrer Gründung zu übernehmen hat.

Die Notwendigkeit, für die Deckung von Fehlbeträgen und insbesondere für die Sicherstellung des Dienstes der Reparations- und sonstigen Schuldver- schreibungen zu sorgen, zwingt dazu, vor der Verteilung eines Gewinnes eine Rücklage zu schaffen. Dieser Rücklage sind mindestens 2 v. H. der gesamten Betriebseinnahmen zuzuweisen, bis sie 500 Millionen GM. erreicht hat. Dieser Betrag, der in etwa 6 Jahren erreicht sein wird, ist bei Inanspruchnahme stets wieder aufzufüllen. Im übrigen ist über die Verwendung des Betriebsüberschusses, insbesondere über die Rücklagen für ausserordentliche Ausgaben, alles wesentliche schon im allgemeinen Teile unter 3 (S. 182) ausgeführt.

814

This content downloaded from 195.34.79.20 on Sun, 15 Jun 2014 04:27:25 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions


Recommended