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Rad Markt 2013-09 | Seite 74-107

Date post: 10-Mar-2016
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Eurobike 2013, Aktuelles aus Taiwan, Japan, Thailand und den USA
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RadMarktDas Branchenmagazin

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Mittlerweile arbeiten dreißig Darfon-Mitarbeiter an dem firmeneigenen Projekt E-Bike. In der Firmen-zentrale wurde eine eigene E-Bike-Produkt-

Division eingerichtet. Neben einem Fahrrad-Testmaschinen-park sind dort die E-Bike-Montage sowie die Akkuproduk-tion untergebracht.

»Da bei einem guten Produkt alles aufeinander abge-stimmt sein muss, haben wir alles, was E-Bike-Kit und E-Bike betrifft, hier in der Zentrale zusammengezogen«, erklärt Gabriel Hsu in seiner Funktion als Manager des E-Bike Development Center. Die Entwicklungsabteilung hat 15 Mitarbeiter. Natürlich kommen Rahmen und Fahr-radteile von produzierenden Fahrradpartnern. Aber auch die bauen nach Darfon-Vorgaben.

Für Darfon selbst ist der Schritt von Informationstechnik (IT) zu E-Bike gar nicht so abwegig. »Wir können unser ange-wandtes Industriedesign und unsere mechanische Kompe-tenz nutzen. Dank unseres IT-Geschäfts kennen wir uns aus mit Energieversorgung, Batterien und Kontrolleinheiten. Hier am Standort haben wir auch Einrichtungen aus dem Computergeschäft, die wir nutzen können«, erklärt Hsu.

Große Testabteilung

Das Prüflabor beinhaltet ein ganzes Arsenal an Folter-maschinen wie Temperatur- und Luftfeuchtigkeitkammern sowie mechanische Sicherheits- und Lebensdauer-Test-anlagen, die normalerweise Laptops und Computer auf ihre Zuverlässigkeit unter Extrembedingungen testen – und seit neuestem auch E-Bike-Akkus und E-Bikes.

Das »Geräuschlabor« ist eine schalldichte Testkammer. Schon die Geräuschkulisse eines Computers oder Lap-tops kann Kunden auf die Nerven gehen. Das spielt beim E-Antrieb erst recht eine Rolle. Darfon hat schon Gehver-

suche bei E-Scootern hinter sich und ist somit bei E-Bikes kein absoluter Neuling mehr. Marketing- und Kommunikati-onsmanagerin Milla She glaubt, dass Darfon mit seiner Nähe zur IT-Welt auch noch viele brauchbare Synergien transfe-rieren kann: »Wir arbeiten zum Beispiel an der Einbeziehung des Smartphone in das Thema E-Bike.« So arbeitet man bei-spielsweise an einer Diebstahlsicherung. Sobald das abge-schlossene E-Bike bewegt wird, soll automatisch ein Signal an das Smartphone des Besitzers gesendet werden.

Neben dem futuristisch designten E-Crossbike Lion X1 hat Darfon zum Zeitpunkt unseres Besuchs vier wei-tere E-Bike-Modelle (drei Trekkingbikes und ein Mountain-bike) im Sortiment. Ein E-Rennrad ist in Vorbereitung. Dabei werden nur ODM- und OEM-Kunden bedient.

Excimer Power Drive System

Das Excimer Power Drive System gibt es als Front- und Heck-antrieb. Es gibt Versionen mit 250 bis 350 Watt, sowohl mit Drehzahl- als auch Drehmomentsensor. Worauf Quality Department Manager Alou Chang besonders stolz ist: »Unsere Motoren sind nicht nur klein und kräftig, sondern mit unter 60 Dezibel auch sehr leise.« Die selbst produ-zierten und, je nach Kundenwunsch, in unterschiedlichen Formen gestalteten Akkus kommen mit selbst entwickeltem Batteriemanagementsystem (BMS). Für Europa hat man einen 250-Watt-Frontmotor mit Drehmomentsensor im Programm.

An den zumindest im deutschsprachigen Markt stark aufkommenden Mittelmotor wagt man sich noch nicht heran. Es ist nicht einfach, um bestehende Patente auf Rah-mendesigns herum etwas zu entwickeln.

Darfon unterhält im tschechischen Brünn eine Europa-Zentrale, die Kunden direkt betreut. Man habe dort auch schon einen Fahrradmontagebetrieb ausgeguckt, der neben der Montage für Europa den kompletten Aftermarket- Service übernehmen würde. Richtig losgehen wird es aller-dings mit allen Darfon E-Bike-Produkten ab der Saison 2014. Das ist zumindest der Plan. Auf der Eurobike 2013 wird man sich auch erstmals eigenständig und auf einem separaten großen Stand präsentieren.www.darfoninnovation.com

Text/Fotos: Jo Beckendorff

Auf der vorigen Eurobike präsentierte Darfon Innovation – hundert- prozentige Tochter des Laptop-/Computer-Keyboard-Produzenten Darfon Electronics – unter dem Dach eines Taiwan-Gemeinschafts- standes still und bescheiden seinen ersten E-Bike-Kit. Auf der diesjährigen Eurobike wird der Anbieter erstmals sein auf der Taipei Cycle Show 2013 mit einem Design and Innovation Award ausgezeichnetes E-Bike Lion X1 vorstellen.

Darfon haut in die Tasten

MARKT TAIWAN Führender Laptop-Keyboard-Produzent setzt auf E-Bike-Produkte

Alle E-Bike-Kits, die Darfon unter dem Eigennamen Excimer Power Drive System anbietet werden inklusive Akku in der eigenen Firma produziert. Alle anderen Darfon-Akkus (für Laptops et cetera) sind made in China. Darfon setzt bei der Akkuproduktion made in Taiwan auf ein eigenes Batteriemanagementsystem.

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Wenn alles passt, wird dieser Prototyp laut Senior Manager James Huang (ganz rechts) noch 2013 in Produktion gehen.

Die Testsieger mit Bremsen der HS-Serie

Testsieger „Bestes Rad im Test“Stevens e-Courrier SX mit HS11 Kettler Obra RT mit HS11Ausgabe 06/2013

Testsieger „Überragend“Hercules Duo mit HS33Ausgabe 05/2013

Testsieger „Best of 37“Winora CS hydro mit HS11Ausgabe 05/2013

Plötzlich kreuzende Fußgänger, ruckartig geöffnete Autotüren und auf die Fahrbahn rollende Bälle sind nicht zu verhindern. Aber mit hydraulischen Felgenbremsen von MAGURA auch kein Problem. Insbesondere die neue HS33R bietet mit radialem Design und erhöhter Bremsleistung ein spürbares Plus an Sicherheit – auch für E-Bikes/Pedelecs. Wir wünschen gute Fahrt – und kommen Sie gut an!

Mit Sicherheit gut ankommenDie Bremsen der Testsieger

magura.com

>Die Darfon Electronic Corporation wurde 1997 als Vollanbieter von elektronischen Bauelementen für OEM- und ODM-Kunden

gegründet. Hier sieht man sich als Dienst-leister im Rahmen einer One-stop-shopping-Philosophie. Mit dieser Strategie haben es die Taiwaner zur weltweiten Nummer eins im Bereich Laptop-Keyboards gebracht.

Angefangen hatte alles mit der Produk-tion und dem internationalen Verkauf von Keramikchips. Laut der deutschen Darfon-Repräsentanz SE Spezial-Electronic AG – einem Distributionsunternehmen für elektronische

Bauelemente – hatten die Taiwaner zuvor aus-schließlich für den internen Bedarf der Acer-Gruppe (Ben Q) gearbeitet. Darfon wurde dann infolge hoher Fertigungsqualität und vorliegender Zertifizierungen ISO9001 und QS9000 zugelassener Hersteller für den Auto-mobil- und Telekommunikationsbereich: »Das Unternehmen befasst sich besonders mit der Miniaturisierung von Bauteilen. Durch einen hohen Modernisierungsgrad der Fertigungs-stätten, eine globale Vertriebsstruktur und eine besondere Kundennähe ist Darfon in der Lage, sich wechselnden Bedingungen gerade in der

Consumer- und Telekommunikationsbranche schnell anzupassen.«

In den vergangenen 15 Jahren hat das seit November 2007 an der Taiwan-Börse gehan-delte Unternehmen weltweit über 1.300 Patente und acht internationale Design Awards erworben.

Derzeit beschäftigt Darfon 20.000 Mitar-beiter in Taiwan, China, Japan, Korea, den USA und Europa. Der Jahresumsatz 2012 lag bei 675 Millionen Euro. Das Hauptquartier befindet sich in Gueishan in der Provinz Taoyuan.www.darfon.com

Darfon-Fakten

Quality Department Manager Alou Chang ist stolz darauf,

seine schalldichte Testkammer außer für Laptops und Desktop-Computer für E-Bikes nutzen zu

können. Die Geräuschkulisse der Excimer-Motoren soll unter 60

Dezibel liegen.

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Von außen ist an dem unscheinbar wirkenden Fabrik-gebäude noch nichts zu erkennen. Dann betreten wir aber das zirka 1.500 Quadratmeter große

Gebäude. Und sehen Mitte links eine in die Riesenhalle ein-gebaute abgetrennte Produktionsstätte mit tiefer gezo-gener Decke. Die ist mit Mengen Isoliermaterial aus den USA versehen. »Das ist das Beste, was wir auf dem Markt gefunden haben. Diesen Aufwand haben wir betrieben, um unsere Arbeiter in den Genuss gekühlter Räumlichkeiten kommen zu lassen. Leute, die gerne zu ihrer Arbeitsstätte kommen, arbeiten auch gut. Deshalb eine Produktions-stätte mit Klimaanlage«, erklärt uns Worldwide Enginee-ring Manager Terry H. Cooke.

Die stilvolle Einrichtung ist geprägt von handgebauten Holzmöbeln und viel Glas. Was Firmengründer Micki Kozu-scheck mit seinen CNC-Maschinen formt, scheint sein Freund Olaf Gerhardt (der für diese individuelle Einrich-tung verantwortlich ist – siehe www.tischlerei-finewood-working.com) mit Holz und Glas zu kreieren.

Der Küchenbereich wird von einem Riesentisch in der Mitte beherrscht. Am Ende des Großraumbüros, wo jeder Mitarbeiter sein Rückzugsgebiet hat, befinden sich einige separate Räume. Alles in allem eine schicke Verwaltungs-etage, wie man sie so bisher nicht oft in Taiwans Fahrrad-produktionswelt gesehen hat.

Die Lagerkapazität wurde erhöht, weil man künftig weniger auf Zulieferer setzen und mehr selbst machen will, um bessere Kontrolle über die Qualität der Produkte zu haben. Alle metallischen Lezyne-Produkte werden hier pro-duziert. Nur Taschen und Rucksäcke kommen aus China.

Wareneingang, Prototypenbau, Produktion

Neben dem Wareneingang ist die Qualitätskontrolle angesiedelt. Hier werden Stichproben gezogen – inklu-sive mikroskopischer Inspektion. Neben der Qualitätskon-trolle ist der Prototypenbau angesiedelt. Von hier aus geht es weiter in die klimatisierte Produktionsstätte. Bei Hoch-betrieb arbeiten hier vierzig Taiwaner. Die auch den Team-spirit schätzen.

In der Produktion werden sämtliche Lezyne-Produkte zusammengebaut. Bei unserem Besuch sind das Stand- und Minipumpen. Die Montagelinien sind so konzipiert, dass sie jederzeit auf andere Produktgruppen wie zum Beispiel LED-Leuchten oder Minitools umschwenken können. Nach der Montage gibt es bei jedem einzelnen Produkt einen Qualitätscheck. Erst dann wird die Ware verpackt und fürs Warenlager vorbereitet.

Hinter der klimatisierten Produktionsstätte befinden sich CNC-Maschinen. Schon zu seinen Truvativ-Zeiten (die Marke verkaufte er 2004 an SRAM) hatte sich Kozuschek mit seinen formschönen CNC-gefrästen Fahrradteilen einen Namen gemacht. Sein CNC-Know-how kommt nun auch bei Lezynes hochwertigen Produkten erfolgreich zum Ein-satz.

Seit März 2013 sind es zwei CNC-Maschinen, die hier ihre Arbeit verrichten. Das sollen aber mehr werden, wenn man mehr Dinge im Hause machen will. Zu den beiden CNC-Maschinen gesellt sich ein sogenannter Automatic Bar Feeder: Er füttert die CNC-Machine mit millimetergenau geschnittenen Alurohren.www.lezyne.com

Text/Fotos: Jo Beckendorff

Nach gutem Wachstum baute Fahrradaccessoiresanbieter Lezyne 2012 eine neue Fabrik im taiwanischen Dali südlich von Taichung. Sie ist nicht nur dreimal so groß wie die vorherige, sondern setzt auch Maßstäbe.

Lezyne zum Wohlfühlen

Taiwan-Zentrale setzt EinrichtungsstandardMARKT TAIWAN

Gelebte Corporate Identity: Das Verwaltungsteam von Lezyne am Küchentisch.

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V. l.: Worldwide Engineering Manager Terry H. Cooke, Senior Account Manager Catherine Lin und Asia Pacific Sales Manager Sam Chau.

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www.newlooxs.nl

Von außen neu und unauffällig, von innen neu und außergewöhnlich: die neue Zentrale von Lezyne in Dali bei Taichung.

Echter Hightech-Hingucker: der Automatic Bar Feeder (l.) versorgt die daneben-stehende CNC-Maschine (r.) automatisch mit millimetergenau geschnittenen Alurohrstücken.

Lezyne legt bei Produktion und Produkt viel Wert auf fein von CNC-Maschinen gefräste Teile. Dieser Maschinenpark soll ausgebaut werden. Rechts im Bild die Alulichtkappen für die Lezyne-LED-Leuchte Femto.

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MARKT TAIWAN

Zielgruppe »Boutique-Brands«

>Mit seinem Fokus auf internationale OEM- und ODM-Produktion ist der Rahmen-, Gabel- und Komplett-radanbieter Axman bisher bestens gefahren. Vor etwa

vier Jahren hat der Taiwaner in Fongkeng eine neue Zentrale inklusive moderner Fabrik bezogen. Die arbeitet mit Hilfe modernster Produktionssysteme – Stichwort ERP (steht für Enterprise Resource Planning) und TPS (Toyota Production System) – für eine überschaubare Anzahl an Kunden, die sich auf sportliche hochwertige Produkte konzentrieren. Hier ist Axman laut Geschäftsführer Jackson Jiang auf Seite der Produktion vor allem mit seiner Entwicklungsabteilung, Qualitätskontrolle sowie Testlabor nach EN-Standard gut präpariert.

150 Mitarbeiter an diesem Standort. Die auf jährlich 150.000 Einheiten ausgelegte Produktion liegt derzeit bei zirka 80.000 Fahrrädern. »Wir wachsen Schritt für Schritt mit Premiumkunden, die ebenso langfristig denken wie wir«, betont Jiang.

Vor EU-Strafzöllen ist ihm nicht bange: »Qualität setzt sich immer durch.« Axman kauft seine Rahmen und Gabeln sowohl in Taiwan als auch in China ein. Im internationalen Geschäft habe man sich mit eigener Laufradmontage sowie Lackieranlage einen Namen bei hochwertigen Rahmen-Kits und Kompletträdern machen können – auch im Bereich Karbon.

Axman baut für High-End-Nischenanbieter

Angefangen hatte Axman 1985 als reiner Montagebetrieb. Vor zehn Jahren habe man neben der OEM- eine ODM- Produktion gestartet, mit Karbon begonnen. Dieser Werk-stoff wird bei 40 Prozent der montierten Fahrräder einge-setzt, der Rest der Rahmen ist aus Aluminium sowie, im Zuge des Retrotrends, Stahl.

Heute macht das ODM-Geschäft 80 Prozent aus. Nur noch 20 Prozent entfallen auf das OEM-Geschäft. Dazu sagt Entwicklungsleiter Lien, dessen Abteilung schon acht Mitarbeiter umfasst: »Normalerweise stellen wir den Kunden eine Idee vor. Der Kunde hat die Wahl: Entweder er bekommt das Design exklusiv von uns. Dann hat er damit einen Vorlauf von einem Jahr. Oder er setzt auf eine offene Form. Wenn er die Exklusivität für einen längeren Zeitraum haben will, muss er eine gewisse Ordermenge garantieren.«

Kleinere Kunden würden aus Kostengründen lieber auf offene Formen zurückgreifen. Aber auch hier bietet Axmann laut Tai auf Wunsch einen Gebietsschutz an. Ein Großteil der Axman-Kunden sind hochwertige Marken aus aller Welt, überwiegend Europa, gefolgt von Nordamerika und Asien.www.axman.com

Text/Fotos: Jo Beckendorff

Viel Handarbeit auch bei den Dekoren: Hier werden bei Axman ein paar Team-Bikes für den britischen Premiumanbieter Boardman Bikes des ehemaligen Radrennfahrers Chris Board-man aufgebaut.

Auch wenn Axman als Marke nie gegen die eigene Kundschaft antritt: Axman-Chef Jackson Jiang hat in seiner Heimat das Taiwan Cycling Team bei den Olympischen Spielen, bei Weltcup- sowie Asian-Cup-Rennen mit Axman-gebrandeten Premiumrädern ausgestattet. Auf dem abgebildeten Modell gewann seine Landsfrau Mei Yu Hsiao bei den Asian Cycling Championships 2010, 2011 und 2012 die Goldmedaille.

Im Showroom (v. l.): Axman Sales Manager Alice Tao, Geschäftsführer Jackson Jiang und Research and Develop-ment Manager Mark Lien.

Jeder Rahmen wird bei Axman nach der Lackierung überprüft, hier für die britische Marke Boardman.

Individueller Service rund ums Fahrrad

inklusive Entwicklung und Montage bei

Axman.

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VP und Modus

Von der Nabe zum Laufrad

>Bekannt geworden ist VP Components mit Pedalen, Headsets und Tretlagern. Dass man künftig verstärkt die eigene Nabenproduktion besser vermarkten will,

hängt auch zusammen mit der eigenen Produktionsstätte für hochwertige Naben, die seit Ende 2011 direkt neben der Firmenzentrale im Waipu Distrikt bei Taichung liegt.

»Jeder kennt VP und die unter diesem Namen ange-botenen Produktgruppen. Aber keiner kennt die von uns unter dem Namen Modus angebotenen Naben«, erklärt VP-Components-Marketingmanager Hugo Yu bei unserem Besuch in Waipu.

Dabei ist Modus nicht neu. Die Marke wurde vor zwanzig Jahren gegründet. Sie startete einst mit Fahrradteilen. 2007 gab VP Components bekannt, in seiner damals neu eröff-neten chinesischen Fabrik in Jiaxing nahe Shanghai Fahr-radteile unter dem Markennamen Modus für internatio-nale OEM-Kunden und den Aftermarket zu produzieren – auch Naben.

Damals erwarben die Taiwaner den altehrwürdigen Nippon-Markennamen Nakano inklusive aller Patente und Technologien von Nakano Iron Works. Nachdem die Nabenproduktion mit Nakano-Know-how in der neuen chinesischen Fabrik begonnen worden war, wurde später in Taiwan Richtung High-End ausgebaut. Seit Ende 2011 werden in der Modus-Fabrik in Taiwan pro Jahr 1,2 Milli-

onen Alunaben mit vollautomatisierten CNC-Maschinen produziert.

Derzeit wird an der Firmenzentrale in Waipu nachge-rüstet. Ein komplett neues Verwaltungsgebäude wird gerade gegenüber der Zentrale hochgezogen. Es soll in etwa einem Jahr fertiggestellt sein. Die Modus-Nabenpro-duktion wird auch als Einstieg ins Laufradgeschäft gesehen. Der Katalog 2014 zeigt einige Laufräder. Außerdem werden auf der Website Wheels ausgewiesen, wenn auch noch nichts hinterlegt ist.www.modusnakano.com

Text/Fotos: Jo Beckendorff

Bei der Modus-Nabenproduktion in Waipu setzt VP Components auf vollautomatisierte CNC-Maschinen, die sich die Produkte per Greifarm (r.) einzeln greifen und fräsen.

Links die zu einem Roboter umfunktionierte Produktwelt von VP Components auf einen Blick, in Händen hält VP-Components-Gründer Victor Lin die Modus-Naben.

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MARKT TAIWAN Formula Engineering

Neue Fabrik, neuer Fokus

>Vor einem Jahr hat Produzent Formula Engineering. (nicht zu verwechseln mit Italo-Bremsenspezialisten Formula S.r.L.!) eine moderne Firmenzentrale inklu-

sive Fabrik im Shengang District nahe Taichung bezogen. Jetzt soll die hochwertige Laufradmarke Xero verstärkt nach Europa gelangen.

Weil die alte Fabrik zu klein geworden war und man dort nicht mehr zeitsparende, hintereinander ablaufende Arbeitsprozesse gewährleisten konnte, hatte man sich für den Vorzeigeneubau inklusive Fabrik im Feng Chou Scien-tific Industrial Park entschieden. Hier hat das Unternehmen laut Geschäftsführer Reagan Yu »8.264 Quadratmeter Land

erworben, auf dem wir auf mehreren Etagen 17.520 Quad-ratmeter belegen. Davon entfallen 11.400 Quadratmeter auf die Fabrik sowie 3.140 Quadratmeter auf die Verwaltung.«. Dort beeindruckt eine riesige lichtduchflutete Empfangs-halle, in der auch die Produkte von Formula Engineering und Xero bestens ins Licht gerückt sind.

Neben dieser Fabrik gibt es zwei weitere in Shenzhen und Kunshan. In Shenzhen werden Teile für Naben und Laufräder im Einstiegsbereich produziert, in Kunshan wird montiert. Die seit Mai 2012 bestehende neue Fabrik ist auf eine Kapazität von jährlich 4,5 Millionen hochwertigen Naben und 200.000 hochwertigen Laufrädern ausgelegt. 20 Prozent entfallen auf Xero.

Während Xero momentan hauptsächlich in Nordamerika verkauft wird, ist man in Europa noch ziemlich unbekannt. Problem sei, dass es in Europa viele große Marken gebe, die es einem Newcomer erschweren würden, Fuß zu fassen. Mit dem Neubau sollen hier auch Fortschritte gemacht werden, zumal das Sortiment breit ist: Aluminium, Karbon, 26 und 29 Zoll, 650 B und 700 C.www.formulahubs.com

Text/Fotos: Jo Beckendorff

Der Name der Eigenmarke Xero prangt am neuen Fabrik-gebäude, der Name des Her-stellers Formula am Eingang der Firmenzentrale.

Customer Service Manager Brenda Yu (l.) und Branding Manager Danny Hu präsen-tieren in der Empfangshalle das neue 650-B-Vollkarbon-laufrad EV 39 Beta (l.) für Mountainbikes sowie das Time-Trial-700-C-Alukarbonlaufrad Inertia TX2.

Die helle Empfangshalle in dem neuen Verwaltungsgebäude von Produzent Formula-Engineering.Jede Felge – egal, ob Alu-Karbon oder Karbon – wird vor der weiteren Montage zum kompletten Laufrad geprüft.

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Pumpenspezialist diversifiziert

Airace bringt Minitools

>Bisher hat sich der taiwanische Anbieter Airace vor allem mit seinen Luftpumpen einen Namen gemacht. Dass das Unter-nehmen auch in zwei weiteren Produktfeldern zu Hause ist,

geht dabei fast unter. Einer dieser beiden Bereiche – nämlich Minitools – wird für 2014 ausgeweitet.

Felicia Lin, Verkaufs- und Marketingmanagerin, präsen-tierte uns am Firmensitz in Taichung vier neue Minitools im neuen Look, die das bisherige Produktprogramm ausweiten. Clou dieser vier neuen Modelle: Die Schrauben an der Außen-seite dieser Faltminis sind unsichtbar. Vorteil, so Lin: »Dadurch sehen diese Tools einfach cooler und, gerade bei den mit 14 Funktionen ausgestatteten Modellen, nicht mehr so sperrig aus. Zudem hat man jetzt einen durchgängige Außenfläche ohne Schraubenköpfe, an denen man sich auch weh tun kann.«

Um diese Optik zu erreichen, hat sich Airace-Gründer und Geschäftsführer Charlie Chen etwas Pfiffiges einfallen und patentieren lassen: An den Außenschrauben wird normaler-weise der Faltmechanismus der Minitools eingestellt. Der Faltmechanismus lockert sich nach mehrmaligem Benutzen und muss über diese Schraube wieder festgestellt werden. Bei Airace-Tools wird der Faltmechanismus jedoch mit einem kleinen Inbusschlüssel im Inneren des Toolgehäuses nach-justiert. Die Alumodelle heißen ACNC-14 und ACNC-8 (mit 14 und 8 Funktionen). Die günstigeren Plastikversionen heißen Econo-14 und Econo-8.

Verkaufs- und Marketingmanagerin Felicia Lin zeigte die vier neuen Minitools.

Speed: 45 km/h Power: 500 WattQuality: FLYER (Swiss) vollblut.flyer.ch

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Diese Sparte trägt derzeit acht Prozent zum Umsatz bei, zwei Prozent kommen vom dritten Geschäftsbereich Wasch anlagen für Fahrräder. Größter Geschäftsbereich bleiben also die Luftpumpen. Auch hier gibt es für 2014 einige Neuheiten, wie beispielsweise die drei neuen Minipumpen Mini Veloce (Road bis 120 psi, Normal bis 100 psi und Mountain bis 80 psi) mit einem Pumpenkopf, der sowohl auf Schrader- als auch Presta-, Dunlop- und English-Valve-Ventile passt. In (und nicht an!) der Pumpe selbst befindet sich ein Pumpenschlauch, mit dem es sich, herausgezogen und am Ventil befestigt, bestens pumpen lässt.www.airace.com

Text/Foto: Jo Beckendorff

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MARKT TAIWAN Material von Controltech USA

Mit Titanium in die erste Reihe

www.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.dewww.haberland.de

Edle Klassikerund stylische Trends– Made by Haberland!Überzeugen Sie sich selbst!

Besuchen Sie uns auf derEUROBIKE Friedrichshafenvom 28. – 31.08.2013,Halle A5, Stand 305.

V. l.: Controltech USA Mar-keting Department Mana-

ger James Chen, Sales Manager Alex Chiu und Research and Develop-

ment Director Jack Huang.

>Gerne genannt wird Wei Hau Accessories nicht im Zusammenhang mit der hochwertigen US-Teilemarke Controltech USA. Dabei über-

nahm der taiwanische Fahrradteileanbieter die kalifornische Marke, die 1989 mit ersten Alulenker-hörnchen international für Furore sorgte, bereits 2001. 2012 wurde eine Mountainbike-Teilelinie aus Titanium vorgestellt, jetzt folgt das Pendant für Rennräder.

»Controltech USA ist eine hochwertige Marke mit Historie. Deshalb führend wir sie als US- und nicht als Taiwan-Marke«, erklärt Sales Manager Alex Chiu in Changhua, der Heimat von Wei Hau. Marketingmann James Chen bringt Controltech auf die Formel »italienisch beeinflusstes US-Design mit Produktions-Know-how aus Taiwan«. Neu sind Teile für Falträder, beispielsweise für die 300 Stück des Jubiläumsmodells von Dahon.

Bei Controltech setzt Wei Hau auf vier Materi-alien: Aluminium, Karbon, Scandium und Titanium. Weil sich Titanium nicht biegen lässt, kommen am neuen Rennradlenker zwei Materialien zum Einsatz: »Dieser Rennradlenker wiegt bei einer Breite von 42 Zentimeter gerade einmal 245 Gramm. Wir haben das mit der Biegung so gelöst, dass wir einen Lenkerbogen aus leichtem Karbon an den geraden Titaniumteil angebaut haben«, erklärt Entwicklungschef Huang.

Da der Lenkerbogen mit Lenkerband umwickelt wird, ist von dem Karbon nichts mehr zu sehen. Jeder denkt, dass es sich um einen reinen Titaniumlenker handelt. Der Monocoquevorbau ist laut Huang der weltweit erste Titaniumvorbau ohne irgendeine Schweißarbeit. Um zu starkes Anziehen bei der Klemmung zu vermeiden, setzen die Taiwaner auf ihr patentiertes Diagonal Closing System, bei dem beide Klemmschrauben unab-hängig voneinander arbeiten und nicht beide mittig anpressen sollen.www.controltechbikes.com

Text/Foto: Jo Beckendorff

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Sahnehäubchen Factor

>Novatec-Macher Joy Industrial präsentiert nicht nur seine Zentrale in der Provinz Taichung im neuen Erscheinungsbild,

sondern hat auch die dortige Produktion neu aufgestellt. Außerdem wird bis Ende 2013 neben der Firmenzentrale ein weiteres Gebäude hochgezogen. Und mit Factor bekommt die Marke Novatec ein Sahnehäubchen obendrauf gesetzt.

Die Fabrikexpansion wurde laut Global Marketing Manager Jeff Chen aufgrund des Auf-baus der eigenen E-Bike-Division erforderlich. Hier werden E-Bikes sowohl unter dem eigenen E-Bike-Markennamen Dienatronic als auch für OEM-Kunden, vor allem aus Asien, montiert.

Der Aufbau der eigenen E-Bike Division führte auch zu einer Umstrukturierung der weiteren Produktion. Die mit CNC-Maschinen bestückte Nabenproduktion hat ein neues Erscheinungsbild und eine klare Struktur erhalten.

Auf die Laufrad-, Naben- und Accessoires-Marke Novatec wird ab 2014 die Topserie Factor aufgesetzt, die als reine Aftermarket-Linie weiterhin Novatec zugeordnet wird, im Markt aber mit Premiummarken in direktem Wett- bewerb stehen soll. Die Factor-Produkte werden in den USA ent wickelt und in Taiwan produziert. Neben Naben kommen Mountainbike-Laufrad-sätze in drei Größen (26, 27,5, 29 Zoll); für 2015 werden Rennradlaufräder angepeilt.novatec.imb2b.com

Text/Fotos: Jo Beckendorff

Joy-Zentrale im neuen Look

Präsentieren die ersten Naben der neuen Premiumserie Factor (v. l.) EU Deputy Director Rastislav Ray Gegus, US-Director Henry Hinojosa, Global Marketing Manager Jeff Chen und EU Director Milan Krusinsky.

Jetzt auch durchaus vorzeigbar: die mit einem modernen klaren Erscheinungsbild neu aufgestellte (Naben)Produktion bei Joy Industrial.

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MARKT TAIWAN Alligator wächst nicht nur mit Bowdenzügen

Kabelsalat und mehr

>Bei Liu Yih Cable, Produzent von Sicherheitskabeln und Bowdenzügen aller Art für Motorräder, Kraftfahrzeuge und Fahrräder, hat sich im Laufe der vergangenen Jahre

einiges getan. Im Fahrradbereich wurde das Sortiment um Bremsbeläge, Bremsscheiben und Tools erweitert.

Mit dem Deutschen Marko Brekalo, seit zwölf Jahren bei Alligator Cables, davon sechs als Geschäftsführer, hat man die Produktion nach und nach auf deutschen Automobil-Standard gehievt. »Hier trifft German Engineering inklusive Barcodesystem auf TPS-Just-in-time-Produktion und tai-wanisches Produktions-Know-how«, erklärt Brekalo nicht ohne Stolz. TPS steht für Toyota Production System.

Nach wie vor ist die Markenwelt von Liu Yih für Außen-stehende etwas undurchsichtig. Brekalo kommuniziert den taiwanischen Firmennamen gar nicht mehr, sondern spricht eher von Alligator Group inklusive Gatorbrake und Unex, »wobei wir Gatorbrake eventuell ganz in Alligator inte-grieren wollen und Unex wahrscheinlich zu einer OEM- oder Accessoiresmarke mutieren lassen.«

Vorab ist er aber noch mit etwas anderem beschäftigt: »Wir hatten in den letzten Jahren jeweils zehn bis zwanzig Prozent Zuwachs. Jedes Jahr wurde hier an der Zentrale in Changhua aufgestockt und angebaut. Jetzt haben wir nebenan noch etwas Land kaufen können. Da werden wir bald bauen.« Momentan würden alle Maschinen 24 Stunden am Tag laufen. Sie flechten und ummanteln die jeweiligen Kabel und Züge.

Dabei setzt man immer mehr auf In-house-Produktion. Laut Alligator-Gründer und -Chef Chester Wen greife man noch auf einige Zulieferer in der Umgebung zurück, wolle langfristig aber schon alleine wegen der vielen Patente alles im Hause halten: „Wir setzen auf jeden Fall auf Made in Taiwan. Wir haben keine Fabrik in China.“ Die internationale Autoindustrie löst den größten Umsatz aus. Die Fahrrad-kundschaft nimmt 30 Prozent des Gesamtgeschäfts ein.

Kabel ist nicht gleich Kabel. Die 2012 vorgestellten Brems- und Schaltkabel Superior Shine zum Beispiel bieten ein spezielles Finishing, das sie noch mehr glänzen lässt und zugleich für Rostfreiheit und weniger Reibung steht. Das Produkt selbst besteht nicht, wie üblich, aus 19, sondern 31 gebündelten Edelstahlsträngen. Vorteil: Trotz Leichtgewicht

weist dieses Kabel eine um 40 Kilogramm höhere Zugfestig-keit auf. Und weil die einzelnen Stränge ineinander ver-woben sind, splitten sie nicht beim Schneiden. Deshalb braucht man auch keine Hülsen.

Neu ist ein elektrischer Kabelschneider. Es gibt eine Version für Großproduzenten und eine für Werkstätten. Das Gerät schneidet und lötet das Kabel automatisch, so dass es sich nicht mehr aufzwirbeln kann. Und eine Bowden-zugaußenhülle aus Fiberglas soll viel leichter sein als alle bisherigen Brems- und Schaltzughüllen im Markt.

I-Link schließlich ist eine metallene Bowdenzughülle aus eloxierten Alustücken, wird in mehreren Farben ange-boten und ist nicht nur druckstabil, sondern steht auch für eine enge Bogenlegung ohne erhöhte Reibung. Zudem lassen sich diese Außenhüllen problemlos mit einzelnen Alustücken verlängern.www.alligatorcables.com

Text/Fotos: Jo Beckendorff

Auf der Taipei Cycle Show 2013 präsentierte uns Alligator-Geschäftsführer Marko Brekalo die Neuheiten für die Saison 2014: eine extrem leichte Bremsscheibe, die Hitze 30 Prozent schneller absorbieren soll, sowie eine federleichte Brems- und Schaltzughülle aus Fiberglas.

Kabel und Bowdenzüge – das ist der Ursprung von Alligator-Macher Liu Yih Cable.Firmenzentrale und Fabrik von Liu Yih Cable sind in Changhua beheimatet. Das Unternehmen setzt ausschließlich auf Made in Taiwan.

I-Link heißt eine metallene Bowdenzug-Außenhülle aus eloxierten Alustücken.

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MKS: 60 Jahre Pedale aus Japan

MKS steht unter der Obhut von Toshiyuki Ogino und seinem Vater Koichiro Ogino, der mit 92 Jahren noch immer jeden Tag im Büro ist, auch wenn er

das Tagesgeschäft vor zwanzig Jahren seinem Sohn über-ließ. Die eigentlichen Ursprünge von MKS liegen im Jahr 1943. Damals begann man mit dem Bau von Ferngläsern und optischen Reflexvisieren für Bordkanonen des japa-nischen Jagdfliegers Zero Fighter.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde 1949 Mikashima Industrial gegründet. Zuerst produzierte man, der großen Nachfrage der Nachkriegszeit folgend, Kochtöpfe und Geschirr. »Bald darauf ist ein Onkel von mir in das Fahrrad-geschäft eingestiegen. Fahrräder waren nach dem Krieg auch Mangelware. Er fragte uns damals, ob wir nicht Fahr-radpedale produzieren könnten. Also fingen wir damit an«, erinnert sich Toshiyuki Ogino. Da die Familie Ogino auch noch eigenes Land besaß, stieg man nebenbei ins Holz-geschäft ein. Die beiden damals erfolgreichen Geschäfts-zweige wurden allerdings 1956 voneinander getrennt.

Von sechzig auf zwei

Mit der starken Nachfrage nach Fahrrädern stieg auch die Zahl der Produzenten, die auf diesen Zug aufsprangen.

»Genaue Zahlen kann ich nicht nennen. Es müssen aber teilweise bis zu sechzig Firmen gewesen sein, die Fahrrad-pedale produzierten. Alle waren sehr klein. Heute gibt es in ganz Japan neben Shimano nur noch uns«, erklärt Ogino nicht ohne Stolz.

Warum hat MKS überlebt? Entwicklungschef Yasushi Mandai hat dafür eine Antwort: »Schauen Sie in den MKS-Jubiläumsband: Da finden sie den allerersten englischen Produktkatalog abgebildet. Das war 1954. MKS hat schon sehr früh an das internationale Geschäft gedacht.«

Außerdem habe man die Produktpalette nach oben ausgebaut: »Unsere ersten Pedale waren aus Stahl und Gummi. Sie entsprachen ganz dem europäischen Stil. 1956 haben wir das erste leichte Alupedal vorgestellt. Zwei Jahre später präsentierten wir den ersten Pedalhalbhaken ohne Riemen. 1970 waren wir erstmals als Aussteller auf der Kölner IFMA.« Das internationale Geschäft habe auch dazu geführt, sich mit anderen Materialien und mehr mit High-End zu beschäftigen. Heute bietet der Japaner rund neunzig Produkte.

In den 1980er Jahren wanderte die internationale Fahr-radbranche aus Kostengründen Richtung Taiwan. Viele Nippon-Anbieter hielten viel zu lange an ihrer heimischen Produktion fest. Was vor allem für die Massenanbieter fatale Folgen hatte. Wurden 1973 noch 9,4 Millionen Fahrräder in Japan produziert, ist es heute noch eine Million.

Das traf auch MKS, doch durch Qualitätsprodukte und internationale Abnehmer konnte man überleben, wenn auch auf viel niedrigerem Niveau. Außerdem hatte man sich mit der Produktion von Autoteilen bereits 1976 ein zweites Standbein aufgebaut. Mit denen macht das Unter-nehmen heute den größten Teil des Umsatzes. 2008 wurde noch einmal kräftig in die Pedalproduktion investiert. Auf die erste vollautomatische Pedalmontagemaschine sind Ogino und sein Team besonders stolz.

Auch wenn die traditionelle Nippon-Pedalproduzenten-Legende Mikashima – besser bekannt unter MKS – schon lange nicht mehr an die Stückzahlen herankommt, die sie in der Blütezeit der japanischen Fahrradindustrie produzierte: Sie ist mit Made in Japan ihrer Linie immer treu geblieben. Der Fokus auf hochwertige Nippon-Qualitätsprodukte hat dem über 60 Jahre alten Familienunternehmen das Überleben gesichert. Trends wie Fixie und Urban kamen ihnen zupass.

Tritt gefasst

Besonders stolz ist das MKS-Team auf die voll-automatische Pedalmontagemaschine, die wir weder im Ganzen noch an einigen Stellen im Detail fotografieren durften.

Trotz einer vollautomatischen Pedalmontagemaschine kommt bei der hochwertigen Produktion made in Japan von MKS immer noch viel Handar-beit zum Einsatz.

In der Polishing Division zeigt uns MKS-Präsident Toshiyuki

Ogino, wie die Pedale in einer Gleitschleiftrommel trowali-

siert werden. Die Pedale werden zusammen mit Schleifkörpern

in einen Behälter gegeben und dort durch die rotierenden

Bewegungen geschliffen und entgratet.

MARKT JAPAN

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Hochwertige Pedale »fürs Volk«

Yasushi Mandai legt Wert darauf, dass sich MKS mit seinem traditionellen Pedalgeschäft nicht an den Profi-, sondern Tages- und Hobbyradler wendet. Mandai verweist auf das 2000 vorgestellte erste Steckpedal Ezy. Dieses mit einer Handbewegung und dank einer Schnellkupplung einfach vom Kurbelarm zu lösende Modell sorgt nicht nur beim Packmaß von Falträdern für neue Rekorde. Gegenüber Faltpedalen zeichnet es sich vor allem durch höhere Steifig-keit aus. Die aktuelle Ezy-Range bietet sechs Modelle.

Weiterentwicklung Ezy Superior

2008 hat man Ezy Superior nachgelegt. Es hat einen »Twist and slide«-Mechanismus, der ohne Stopper auskommt (die bei der Ezy-Schnellkupplung als Sicherung zum Einsatz kommen). Es gibt sechs Modelle.

Seit dem Fixie-Boom und dem Singlespeed- und Retrot-rend sind auch die klassischen edlen Nippon-Partsanbieter, die überlebt haben, wieder ins Rampenlicht gerückt. Jetzt macht sich bezahlt, was ihnen vor vielen Jahren vorge-worfen wurde: die Produktion in Japan gehalten zu haben. Sicherlich hat die Sache ihren Preis. Aber Made in Japan ist nach wie vor ein Gütezeichen, mit dem sich gerade in qua-litätsorientierten Nischen punkten lässt.

Was Entwicklung betrifft, zeigen sich Ogino und Mandai selbstbewusst: »Die Produktion von Autoteilen stellt uns oftmals vor technische Herausforderungen, die wir gut im Pedalbereich einsetzen können. Wir werden überleben.«

50 Prozent der MKS-Pedale werden weiterhin in Japan verkauft. Die andere Hälfte verteilt sich laut Ogino zu 30 bis 40 Prozent auf Europa, zu 30 Prozent auf Nordamerika, 10 Prozent auf Asien sowie die restlichen Prozentpunkte auf den Rest der Welt.

Auf der Eurobike 2013 hat MKS gleich mehrere Pro-duktneuheiten in petto. Da ist zum einen ein doppelseitiges Klickpedal mit GFRP-Körper (Glass Fiber Reinforced Polymer) für den Urban-Bereich. Zum anderen präsentiert MKS für 2014 eine neue Linie frisch designter Drahtpedalhaken aus Edelstahl. Sie reicht vom klassischen Pedalhaken mit Riemen über Halb- bis Viertelpedalhaken ohne Riemen.www.mkspedal.com

Text/Fotos: Jo Beckendorff

Alles inhouse und made in Japan: hier die Pedalachsenproduktion von MKS in Tokorozawa.

MKS-Präsident Toshiyuki Ogino (l.) und Entwicklungsleiter Yasushi Mandai mit den Messeneuheiten.

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Mit einer Investitionssumme von 8,6 Millionen Euro hat der italienische Fahrradreifenanbieter Vittoria sein Geschäft forciert. Zusammen mit Partnern wendete man 4,7 Millionen Euro für die Rubber-Compound-Fabrik LTT auf – unter dem Dach der eigenen Produktionsstätte Lion Tyres Thailand. Der Rest floss in das künftig weltweit agierende Vittoria Data Center.

Revolution durch Nanographen?

Vittoria: Millioneninvestition in Compound-Fabrik

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Ein Grund dafür, in das eigene Compound-Werk zu investieren, ist sicherlich auch jene Zauberformel, die die Italiener per Joint Venture aufgegriffen haben. Mit Nanographen wollen sie die Reifen-

welt revolutionieren – und das nicht nur im Fahrradbereich. Graphen ist laut Wikipedia die Bezeichnung für eine Modifikation des Kohlenstoffs mit zweidimensionaler Struktur, in der jedes Kohlenstoffatom von drei weiteren umgeben ist, so dass sich ein bienenwabenförmiges Muster ausbildet.

Am 22. Januar 2013 eröffnete Vittoria-Group-CEO Rudi Campagne die intern LTT6 genannte, neue Fabrik mit den Worten: »Jetzt haben wir die Küche. Nun entwickeln wir das Kochrezept!« Die »Küche« befindet sich im Rayong Industrial Estate, einem großen Industriepark vor den Toren Bangkoks, in dem unter anderem die Autoindustrie des Landes mit einem Output von 1,5 Millionen Einheiten zu Hause ist. Das Material Nanographen will man auch den Autobauern schmackhaft machen.

Das erwähnte Data Center steht unter der Leitung von Rudis Sohn Willem Campagne und steht neben der Kautschukfabrik. Es dient der globalen Datenverarbeitung und -kommunikation der gesamtem Gruppe.

LTT Bangkok

Die Firmenzentrale mit ihren Ablegern LTT 1 bis 5 steht für 1.000 Mit- arbeiter, davon 10 Prozent in der Qualitätskontrolle, die pro Jahr sieben Millionen Reifen und zwei Millionen Schläuche aus Butyl und Latex fertigen. Latexschläuche seien nicht nur weicher, sondern auch leichter und böten eine bessere Performance, sagt Deutschland-Repräsentant Stefan Anton. Zum Zeitpunkt unseres Besuchs befindet sich die Draht- reifenproduktion in LTT1 sowie LTT4. LTT4 beheimatet auch das Waren-lager sowie die Qualitätskontrolle. In LTT2 ist die Schlauchreifen- produktion zu Hause. In LTT3 befindet sich derzeit noch die Kautschuk-fabrik, die jetzt Schritt für Schritt von der neuen Fabrik LTT6 abgelöst werden soll. Bis Ende des Jahres sollen die Arbeiten von LTT3 inklusive Extrusionsanlage (in der die Gummimischung in Form gepresst wird) laut komplett in die im Rayong Industrial Estate gelegene neue LTT6-Fabrik umgezogen sein. Bei einem Rundgang wird schnell klar, das insbeson-dere die Karkassenproduktion für Schlauchreifen mit sehr viel Handarbeit verbunden ist. Dabei setztLTT auf feine Baumwolle und nicht, wie beim

Hier werden die Ventile per Hand in die Schläuche eingeklebt.

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Vittoria: Millioneninvestition in Compound-FabrikMARKT THAILAND

Großteil der Drahtreifen, auf Nylon. »Wir sind einer der wenigen, die die Karkassen noch selbst fertigen«, erklärt uns Entwickler Maneeratanasuporn mit Stolz. Warum Baum-wolle? Die sei dicker und gleichzeitig flexibler. Später wird am Wulstkern noch Kevlar einvulkanisiert. Profil und Kevlar-schicht werden dann auf die Karkasse aufgetragen.

In LTT2 (Drahtreifenproduktion) ist es sehr warm. Zu den tropischen Temperaturen in Bangkok gesellt sich die Hitze der zahlreichen Ofenpressen, die das Profil in den Reifen backen. Große Ventilatoren arbeiten vergeblich daran, etwas Ähnliches wie eine frische Brise zu kreieren.

»Hier hat die Vittoria Group alleine für ihre Eigenmarken Vittoria und Geax 70 Pressen stehen«, erklärt Maneeratana-suporn. Jeder LTT-Kunde – und von denen gibt es viele – hat seine eigene Einrichtung. Die OE-Premiumkunden, für die LTT produziert, bekommen wir allerdings wenig zu Gesicht. Stefan Anton: »Die wollen anonym bleiben.« Viele haben bei LTT auch ihre eigenen Formen liegen. In der End-kontrolle werden Materialrückstände von Hand abgeschabt und tatsächlich zehn Prozent der Produktion wegen kleiner Mängel aussortiert.

LTT6

Dann fahren wir mit dem Auto zur neu eröffneten Compound- Fabrik LTT6. Im Lager befinden sich die Rohmaterialien: flüssiger und fester Naturkautschuk sowie synthetischer Kautschuk, der im Einzelfall sogar teurer sein kann. Das Material wird gemäß Rezeptur im Mischschnecken-Mixer gemischt. Durch die Reibung beim Mischen erhitzt sich die Masse von selbst auf eine Temperatur von bis zu 140 Grad. Von oben werden Silikon und Öl hinzugefügt. Das Ergebnis ist ein 95-Kilogramm-Klumpen, der zu einer Platte gewalzt wird. In einem weiteren Schritt wird diese immer noch heiße Platte weiter gekühlt und mit einem Haftmittel versehen, so dass sie nicht zusammenklebt. Heruntergekühlt auf etwa 75 Grad, wird die Platte in Scheiben oder Blöcke geschnitten, gewogen und durchgecheckt. Sie können nur sieben Tage aufbewahrt und müssen dann verarbeitet werden. Bei Lage-rung darüber hinaus wird die Gummimischung zu trocken und kann nicht mehr genutzt werden.

Bei unserem Besuch waren zwei Produktionslinien mit neuesten Maschinen im Einsatz. Eine dritte befand sich gerade im Aufbau. Die Fabrik mit derzeit fünfzig Mit-arbeitern ist laut Maintenance Manager Anont Jomphan so ausgelegt, dass zwei weitere Fertigungsstraßen eingebaut werden könnten: »Momentan verarbeiten wir pro Tag sieben bis acht Tonnen Gummimischung. Die wird zu hundert Prozent an unsere eigene Reifenproduktion ausgeliefert. Die Kapazität kann aber pro Schicht auf zehn Tonnen hochgefahren werden. Heißt: Wir können derzeit mit zwei Schichten pro Tag zwanzig Tonnen produzieren.“

Man ist überzeugt davon, dass die Qualität der Gummi-mischung für Fahrradreifen viel höher ist als die für Auto-reifen. Und für das neue Material Nanographen ist Vittoria ein Joint Venture mit Directa Plus eingegangen, dem Erfinder dieses stärkeren, äußerst biegsamen und leichten Materials, wie es beschrieben wird. »Wir sind der erste Reifenproduzent weltweit, der Nanographen in seine Gum-mimischungen einfließen lässt. Diese Technologie haben wir uns für die Zweiradreifenproduktion weltweit paten-tieren lassen«, erklärt Stefan Anton. Reifen mit Nano-

Höchste handwerkliche Arbeit verlangt die Produktion der Karkassen. Im Bild die Karkassen­produktion von Schlauchreifen aus feiner Baumwolle.

Warten auf Weiterverarbeitung: auf Felge gezogene Vittoria­Schlauchreifen.

Bevor die fertige Ware die neue Gummimischfabrik LTT6 verlässt, lässt Vittoria Proben sämtlicher Gummimischungen (Bildmitte, mit der 5 versehen) im Compound Testcenter nach internationalen STM­Standard überprüfen.

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graphen-Mischung sollen laut Rudi Campagne bei gerin-gerem Rollwiderstand luftundurchlässig und griffiger sein. Somit könnte sich auch, hoffen die Italiener, eine neue Qua-lität von Schlauchlosreifen ergeben. Auch luftundurchläs-sige und leichte Schläuche aus Latex und Butyl sollen mög-lich werden. Ende 2013 will man erste mit Nanographen angereicherte Mischungen an die eigene Reifenproduktion in Bangkok liefern.

Natürlich gehört zu LTT6 ein großes Compound-Test-center. In dieser Abteilung befinden sich Geräte für Abnut-zungs-, Zugfestigkeits- und Ozontests sowie Alterungs-öfen und UV-Farbtester (die in 16 Stunden zwei Jahre UV-Bestrahlung simulieren).www.vittoria.com

Text/Fotos: Jo Beckendorff

V. l.: Verkaufsmitarbeiter Mitteleuropa Stefan Anton, LTT6 Maintenance Manager Anont Jomphan, Senior Research and

Development Supervisor Witharn Pansiriwirote und Assistant Manager Compound Ittisak Sriwang.

Bevor die geheime Rezeptur in den Mischschnecken­Mixer der Rubber Compound­Fabrik LTT6 kommt, werden alle Zutaten abgewogen.

Nach dem Mischen wird der heiße Compound­Klumpen zu einer Platte gewalzt.

Seit Januar 2013 in Betrieb: LTT6 – die südlich von Bangkok im Industriegebiet Rayong Indus­trial Estate gelegene Rubber­Compound­Fabrik.

Bietet noch Platz für weitere Fertigungsstraße und hofft mit Hilfe von Nanographen auch den Sprung ins Autoreifen­Geschäft: die neue Rubber Compound Factory LTT6 der Vittoria Group.

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MARKT THAILAND Pionier Sea-Lee

Spricht man mit fahrradaffinen Thais über die Fahr-radcafés in ihrer Stadt, fällt immer wieder der Name Sealee Bangkok. Das hinter diesem Kürzel stehenden

Gründer-Ehepaar Sea und Lee Chang startete vor vier Jahren mit einem Café, nutzte dabei den internationalen Coffee-to-go-Trend. Irgendwann kamen die ersten Fixie-Fans vorbei. »Die Szene bestand damals vielleicht aus hundert Leuten«, erinnert sich Sea Chang, »und die trafen sich bei uns, weil wir das Cafe direkt im Herzen der Stadt haben und Fixies ja ein eindeutig urbanes Thema sind.«

Irgendwann stellte Chang einige Fixies in die hintere Ecke des Cafés, schnell folgte eine Werkstattecke. Daraus wurde der Fixie-Store Sealee Bike Shop. Dann wurde das Thema Fahrrad so groß, dass kein Platz mehr für das Café blieb.

Eine der aufstrebenden Nationen Südostasiens mit stark wachsender Fahrradnachfrage ist Thailand. In Bangkok hat sich über den Fixie-Boom ein Ladentyp entwickelt, den man zumindest bei uns so nicht kennt: Fahrradcafés.

Bangkoks Fahrradcafé

Das Team von Sealee Urban Bike Shop. Stehend l. und Mitte die Sealee-Geschäftsführer Sinchai Kantithammakorn und Lee Chang.

Mit Sinchai Kantithammakorn holten sich die Changs dann einen Partner an Bord. Es folgte als zweites Projekt der Sealee Urban Bike Shop. Dazu Kantithammakorn: »Anfangs haben wir ausschließlich Fixies verkauft. Dann verschob sich alles allmählich aus Sicherheitsgründen Richtung Single-speeder im Fixie-Look. Wir glauben daran, dass die Zukunft in Stadträdern liegt.«

Das Fahrradcafé wurde in diesen Urban Store verlegt. Bei unserem Besuch im März blieb aber leider wieder nur ein einziger Tisch übrig (und einige auf der Terrasse – aber wer sitzt bei den Temperaturen und dem Lärm der Haupt-straße schon draußen?). Dazu Chang: »Der Fahrradverkauf hat uns überrollt. Wir hatten einfach keinen Platz mehr und haben Tisch für Tisch räumen müssen.« Erlösung soll die Übernahme des benachbarten Ladenlokals bringen, wodurch sich die Fläche verdoppeln würde.

Die Szene trifft sich jede Woche bei Sealee zum gemein-samen Night Ride. Zwanzig bis dreißig Leute flitzen mit ihren knallbunten Bikes und grell blinkenden LED-Leuchten durch den urbanen Nachtdschungel: »Wir treffen uns hier, quatschen, trinken Kaffee und radeln nach China Town oder so. Das ist kein Rennen. Uns geht es um Lifestyle.« Die Szene kommuniziert über das Internet. Besonders stolz sind die Sealee-Macher auf ihre Facebook-Seite mit zehntausend Freunden und Followers. Der dortige Auftritt kommt in einem Mix aus Thai und Englisch.

Das Sortiment wird jetzt auch um Citybikes erweitert. Die neue Schwesterfirma Sealee Distribution importiert Creme Cycles, Linus, Yuba und Van Moof sowie Teile- und Zubehörmarken, wie Nutcase, Phil Wood und Spank, nach Thailand. Im Shop zu sehen: Charge Bikes, Fuji, Moulton, Pashley, Reach sowie einige BMX-Nischen-Marken wie Tree Bicycles und Volume Bikes.

Chang und sein Team sind sich sicher, dass der urbane Fahrradbereich (zu dem sie auch BMX rechnen) nicht nur in Bangkok, sondern in ganz Fernost wachsen wird. Des-halb hat man große Pläne: Auf einen dritten Store soll ein eigenes Franchisekonzept folgen, das zuerst die Ballungs-gebiete Thailands abdeckt und dann auch in die Nachbar-länder gehen soll. Falls der Platz reicht, mit Café.www.sealeeurban.com

Text/Fotos: Jo Beckendorff

Bei unserem Besuch im März hatte Sealee Urban Bike Shop im Ladenlokal selbst nur noch

Platz für einen Tisch, an dem Kunden Kaffee trinken konnten.

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vorbereitet sein. Wechselt das Wetter von einer Minute auf die andere von Sonne zu Regen, wird der Untergrund schnell nass und rutschig. Neben einer glatten Fahrbahn führt starker Regen zu massiver Sichtbeeinträchtigung. Dann heißt es, technisch sauber zu fahren und den Untergrund richtig einzuschätzen. Sportbrillenexperte adidas eyewear setzt bei seiner neuen Hydrophobic Filtertechnologie genau hier an und verhilft allen Radsportlern zu mehr Sicherheit. Die neuen, hydrophoben LST polarized H+ Filter lassen Wassertropfen schnell abperlen, ohne lästige Schlieren auf den Filtern zu hinterlassen. Auch Schmutz- und Staubpartikel werden dabei einfach abgespült. Die LST polarized Technologie eliminiert darüber hinaus störende Refl exionen von stark spiegelnden Oberfl ächen wie Wasser, Schnee oder nassem Asphalt. Außerdem glei-chen die Filter schnelle Licht-Schatten-Wechsel aus und verstärken Kontraste, so dass Unebenheiten auf der Strecke wie etwa Wurzeln, Steine oder Äste besser wahrgenom-men werden. Die Spezialfi lter der Schutzstufe 3 bieten 100%igen Schutz vor UV- und Blaulichtstrahlen. Ab September 2013 kommen die neuen, hydrophoben Filter bei der adidas eyewear Bikebrille evil eye halfrim zum Einsatz, die zugleich in neuen Farben erscheint. Hydrophobic – für konstant gutes Sehen selbst bei unbeständigem Wetter.

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Renn- und Tria-Adresse in Thailand

Bike Zone Director Kongpan Pramoj hat den Laden mit Hilfe des gebürtigen Venezolaners und Shopmanagers Fausto Jose Izquiel Manzo von Anfang an sportlich ausgerichtet. Der Fokus liegt auf Renn- und Triathlonrädern.

Bei unserem Store-Besuch zeigt uns Mechaniker Kiattipong Boonyatanaporn die von Bike Zone geführten Premiummarken Ceepo, Cervélo, Quintana Roo und – im Mountainbike-Bereich – Marin: »Der Großteil unserer Kunden sind Thais. Aber weil wir auch einige ausländische Kunden haben, sind hier von den insgesamt sechs Mitarbeitern auch zwei aus Übersee.« Die bestverkaufte Marke sei Cervélo. Das Geschäft habe vor allem in den letzten beiden Jahren stark angezogen – sowohl im Verkauf als auch bei Reparaturen. Mit K-Trade arbeite man gut zusammen. »Hier kriegt man alles, was das sportliche Radlerherz höher schlagen lässt«, erklärt der Shop-Macher.

Neben speziellen Trainingscamps, die Bike Zone organisiert und veranstaltet, arbeitet man auch mit mehreren hochwertigen Sportradläden des Landes zusammen. Gemeinsam bedient man eine landesweit expandierende »Sports Bike Community«.www.bikezone.co.th

Text/Foto: Jo Beckendorff

Eine der ersten sportlichen Premium-Bike-Adressen in Bangkok ist das vor fünf Jahren gegründete Fahrradgeschäft Bike Zone. Es befindet sich zusammen mit einigen anderen Sport- und Outdoor-Läden, etwa von Ortlieb-Importeur K-Trade und Vaude, im Einkaufscenter Amarin Plaza ei Ratchaprasong, einer der bekanntesten Kreuzungen der Innenstadt im angesagten Downtown-Bezirk Pathum Wan.

Bike Zone für Premium

Im Outdor Unlimited Bereich in der zweiten Etage des thailändischen Einkaufszentrums

Amaran Plaza in bester Gesellschaft: Fahrradfachhändler Bike Zone.

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MARKT THAILAND Cafe Symphony Bangkok and Thonglor Bike

Die Fahrradcafé-Kombination Café Symphony und Thonglor Bike befindet sich nahe der Kreuzung von Sukhumvit Road und Soi 55. In einer schicken Wohn-

gegend mit vielen Restaurants, in der auch viele Ausländer wohnen.

Hier treffen wir Shinichi Hoshi. Hoshi hat es schon als Studenten nach Thailand verschlagen. Dort ist er geblieben. Heute ist er Präsident von Exstar Asia, einem Anbieter von Industrieschmierstoffen. Seine persönliche Liebe gilt aber dem Kaffee. »Es war immer mein Traum, irgendwann einmal ein eigenes Café zu führen. Als hier immer mehr Japaner zuzogen, kam ich auf die Idee, ein Café mit einem auf sie zugeschnittenen Kaffeegeschmack zu eröffnen«, erklärt Hoshi.

Er besuchte die Kaffee anbauenden Bergvölker im Norden und stieg 2007 selbst ins Kaffeegeschäft ein. So unterstützt er direkt die dort lebenden armen Bergstämme und trifft mit dem selbst gerösteten Kaffee den Geschmack seiner Landsleute. Im Dezember 2009 eröffnete er das Café Symphony.

Advantage Radfahren

Wie kamen die Fahrräder hinzu? Für Hoshi kein großer Schritt: »Mit meinem Unternehmen Exstar habe ich viel mit der Automobil- und motorisierten Zweiradindustrie zu tun. Ich wollte auch einmal was mit Zweirädern zu tun haben, die nicht motorisiert sind. Da habe ich beschlossen, im Café Fahrräder zu fördern« – und selbst wieder mehr Fahrrad zu fahren.

Zuerst nahm Hoshi Kontakt zur Aki Corporation auf, dem Nippon-Importeur unter anderem von Louis Garneau. Seit 2012 hat der Japaner diese Marke im Café stehen. Aus Café Symphony Bangkok wurde nun Café Symphony Bangkok und Thonglor Bike.

Später folgten dann Merida und Primavera, eine kleine Fahrradschmiede aus Taiwan. Für die ist Hoshi mittlerweile als Distribuent auch erster Ansprechpartner in Thailand. Und weil er mit diesen Marken viel Mittel- und Hochpreis-lagen hatte, aber keine Einstiegspreislagen, schuf er die Eigenmarke Starlight. Sie wird in China produziert.

Nachdem zuerst fast nur Ausländer Fahrräder bei ihm kauften, sei die Zahl der Thais derzeit auf dem Vormarsch. »Sie dürfen von mir keine großen Stückzahlen erwarten. Aber immerhin habe ich schon erweitern müssen. Anfangs hatte ich nur drei bis vier Räder im Café im Erdgeschoss stehen. Mittlerweile habe ich neben der Werkstatt in der zweiten Etage noch einen ganzen Fahrradladen. Schauen Sie sich doch mal den Autoverkehr an. So kann das einfach nicht weitergehen.«

Im Vordergrund bleibt allerdings der Kaffee. Die Art und Weise, wie er einen klassischen Kaffee für seine Gäste per Handfilter aufbrüht, erinnert an einen japanischen Teemeister, für den die Welt bei der traditionellen Tee-zeremonie einfach stehenbleibt.

Text/Fotos: Jo Beckendorff

Fährt man auf der Sukhumvit Road - einer der einst bedeutendsten Langstreckenstraßen Thailands - nach Bangkok hinein, befindet sich man gleich im Herzen der Metropole. Über diese Straße erreicht man irgendwann auch Thong Lo im schicken Watthana-Distrikt. Hier befindet sich auch das von einem Japaner geführte Café Symphony und Thonglor Bike. Zeit für eine Kaffeepause.

Erst Kaffee, dann Fahrräder

Hier brüht der Chef zumindest am Wochenende den Kaffee persönlich auf: Shinichi Hoshi, Gründer und Geschäftsführer von Café Symphony und Thonglor Bike in Bangkok.

Kaffee und Bikes: Café Symphony und Thonglor Bike in Bangkok.

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Amerikas kleinstes Fahrradfachgeschäft MARKT USA

Ladenbesitzer Ed ist ein ziemlich cooler Typ. Kein Internet, keine Website und keine E-Mail-Adresse: »Hab’ doch ein Handy. Da kann mich jeder erreichen,

der was von mir will.« Und fuchtelt mit einem Monster-Handy aus einer vergessenen Zeit herum.

Ed verschlug es vor über 13 Jahren von Durango/Colorado nach Prescott: »Da oben war es mir zu kalt.« Und dann habe er dieses mitten in Prescott in eine Häuserzeile gequetschte 12-Quadratmeter-Ladenlokal in der North Montezuma Street gefunden – selbst zu Fuß bestens von der historischen Saloon-Meile Whiskey Row aus zu erreichen. In Amerika ist alles so groß? Nicht bei Southwest Sounds and Cyclery: Der Laden ist nur 1,93 Meter breit und zieht sich dann wie ein Schlauch nach hinten. Der Verkaufsraum misst gerade einmal 10,6 Quadratmeter. Dahinter befindet sich noch ein knapp 2 Quadratmeter großer Lagerraum.

Insgesamt gibt es fünf Fahrradgeschäfte in Prescott. Southwest Sounds and Cyclery ist das Einzige, das sich im Zentrum befindet. Alle anderen liegen an Ausfallstraßen. Die Citylage würde dazu führen, dass viele Einheimische mit ihren Reparaturen zu ihm kämen. 50 Prozent seiner Fahrradumsätze mache er mit Reparaturen.

Wobei im Laden kein einziges komplett aufgebautes Fahrrad zu sehen ist. »Fahrräder out of the box sind nicht mein Ding. Ich setze auf Custom-made«, erklärt Ed mit seinem ständig folgenden Zusatz »if you know what I mean«. An der Decke hängen die Rahmen jener »Boutique-Brands«, die sein Laden führt. Ganz oben stehen Salsa, Surly, Spot und Yeti. Es sind aber auch kleine feine Custom-made-

Schmieden dabei, von denen man außerhalb der lokalen US-Szene nie gehört hat.

Herzstück Laufradbau

Was Ed besonders zugutekommt: Sein eigener Laufradbau. Da hat er sich im Laufe der Jahre einen Namen gemacht: »Weil das nicht mehr viele machen, kommt die Szene zu mir. Ich setze mich dann mit denen zusammen und bespreche, was für Felgen und welche Speichen wir für gute Laufräder je nach Einsatzgebiet nehmen. Das macht ich dann alles von Hand, Mann. If you know what I mean.«

Momentan verkaufe er mehr und mehr Mountainbikes. Meistens seien es Einheimische, die durch das Trail-Netz der Stadt Prescott animiert würden: »Immer mehr Leute fragen nach hochwertigem Leichtbau.« Achtzig Prozent der Ver-käufe entfielen mittlerweile auf Stollenreiter, die restlichen zwanzig Prozent auf Renn- und Alltagsräder.

Ed selbst hat sich allerdings das 29er Singlespeed-Hard-tail Karate Monkey von Surly mit rustikalen 4130-Chromoly-Rahmen aufgebaut. Mit dem jagt er in seiner Freizeit über die heimischen Trails: »Da kann wenig kaputtgehen und ich komme überall hin, Mann.«

Der richtige Sound

Kommen wir noch auf sein zweites Standbein zu sprechen, den eigenen CD-Verkauf. »Ich mag halt Musik und Bikes«, lautet seine lapidare Antwort. Auf die Frage, was er auf Lager habe, erklärt er mit Blick auf seine CD-Wand, während aus den Lautsprechern im Laden Reggae wummert: »Alles Sachen, die ich hier im Laden so höre, Mann. Ein bisschen Reggae, ein bisschen Bluegrass, Classic Rock und Rocklady-Stimme. Damit geht alles viel besser!« Das scheinen auch einige Kunden so zu sehen. Viele hören die Musik im Laden, finden sie gut und kaufen gleich die CD. Den Sound soll im kleinsten Fahrradfachgeschäft der USA niemand missen – am wenigsten er selbst.

Text/Fotos: Jo Beckendorff

In einem kleinen Städtchen in Arizona stieß der RadMarkt auf den laut Szenekennern »kleinsten Fahrradladen der USA«. Dabei setzt Southwest Sounds and Cyclery mit Sitz in Prescott nicht nur auf Fahrräder, sondern auch auf Musik. Wir haben die Ein-Mann-Show Ed Furbush im Herzen der historischen Minenstadt besucht.

Musik in der Luft

Links die CD-Wand, rechts oben die Rahmen für den individu-ellen Custom-made-Bau – und sonst nichts. Das ist Amerikas kleinstes Fahrradfachgeschäft Southwest Sounds and Cyclery. Hinten im Werkstattbereich Ladeninhaber Ed Furbush.

Bild rechts: Eds liebster Job: mit seinem Hocker auf Rädern direkt an die Eingangstür seines Ladens ins Tageslicht rollen, Laufräder aufbauen und im Hintergrund einen guten erdigen Sound.

Bild links: CD-Wand mit Sound und Zubehör meets Bike. Im Vordergrund Ed Furbushs individuell-verballhorntes 29er-Singlespeedmodell Ate Monkey (anstelle von Karate Monkey).

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MARKT USA Trails in Prescott/Arizona

Shopmanager Tim Hull führt die Wachstumsphase auf die Bemühungen seiner Stadt zurück, sie als Topdesti-nation für Radler in Szene zu setzen. In der Krise hätten

die Stadtoberen endlich begriffen, dass sie »hier in Sachen Fahrrad auf einer Goldmine sitzen« – und gehandelt.

Gegründet wurde Ironclad Bicycles vor 20 Jahren als »Full Family Shop« von Sue Knaup, einer Pionierin alterna-tiver Mobilität in Arizona. Unter anderem gründete sie auch den Verband Prescott Alternative Transportation, der sich in der Heimat stark für die Belange der Radler einsetzt. Des Weiteren ist sie für einige am Prescott College realisierte Projekte wie »The Bicycle: A Vehicle for Social Change« mit-verantwortlich. Hier kann sie sich bestens einbringen als Gründerin der internationalen Fahrradlobbygruppe One Street, einem eingetragenen Verein zur Verbreitung des Radfahrens in urbanen Räumen.

Kurz gesagt: Sue Knaup befasst sich mit so vielen anderen Fahrradthemen, dass sie für den Laden selbst keine Zeit mehr hatte. Also übergab sie ihn vor etwa zehn Jahren an ihren Mann Jim. Der hat bereits einen Motorrad-Store in Prescott – und setzt ebenfalls auf urbane Mobilität. Unter anderem verkauft er Motorroller, die man ansonsten in den USA nicht zu sehen bekommt in Westernstädtchen wie Pres-cott, wo acht- bis zehn-zylindrige SUVs und Pick-ups mit Modellnamen wie Mojave, Durango oder RAM durch die Straßen blubbern. Weil er nicht jeden Tag selbst im Fahr-radladen stehen kann, hat er Tim Hull als Shopmanager eingesetzt. Hull zur Seite stehen Corey Reese und Mecha-niker Mike Hannah.

Ironclad Bicycles ist ein Fahrradgeschäft im historischen Minenstädtchen Prescott in Arizona. Dabei setzt der Laden vor allem auf Alltagsräder und Mountainbikes. Anders als in vielen anderen Orten, hat dort der Verkauf klassischer Stollenreiter in den letzten Jahren erheblich angezogen.

Eiserne ReserveFull Family Shop mit Fokus Mountainbike

Zwar verkauft Ironclad heute weiterhin Alltagsräder und sieht sich als »Full Family Shop«. Allerdings haben sich die Verkäufe, speziell in den letzten Jahren, immer mehr Richtung Mountainbike verschoben. Hull begründet diese Entwicklung mit den Trail-Ambitionen seiner Stadt. Diese suchte nach dem Platzen der Immobilienblase nach Alterna-tiven und setzt seitdem im Tourismus auf ein bestehendes Multitrailnetz in und um Prescott – und investierte. »Zirka 80 Prozent unserer Fahrradverkäufe entfallen heute auf Mountainbikes«, rechnet Hull.

Wobei es keine Touristen sind, die neue Fahrräder kaufen. »Touristen schauen hier auch vorbei und sorgen für gute Teile- und Accessoiresverkäufe. Die Fahrräder werden hier aber hauptsächlich von Einheimischen gekauft«, erklärt Hull, »wobei man dazusagen muss, dass wir hier nicht in einer Großstadt sind, sondern einem typisch kleinen US-Arbeiterstädtchen. Das Einkommen der Leute ist nicht so hoch.« Es ist fast unmöglich, ein Fahrrad zum Preis von 5.000 US-Dollar (3.860 Euro) zu verkaufen. Trotzdem liegt man mit einem durchschnittlichen Verkaufspreis von 800 US-Dollar (618 Euro) in der allgemeinen US-Fachhandelsstatistik gut in der Mitte.

Dass überhaupt Alltagsräder verkauft werden, ist eben-falls den Stadtoberen zu verdanken. Um den Cityradlern in Prescott das Befahren der Hauptstraßen zu ersparen, haben sie neben dem außerhalb der Stadt gelegenen Multitrail für

Seit 1992 in Prescott: Ironclad Bicycles. Grob übersetzt, bedeutet der Name eiserne Reserve. Auf der Visitenkarte steht noch: »Fighting

for a bicycle-friendly Presoctt since 1992«.

Radeln in Downtown Prescott – außerhalb der Greenways nicht

immer ein Vergnügen.

Historischer Western-Saloon »Jersey Lilly« an der berühmten Whiskey Row in Downtown Prescott.

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Hiker, Biker und Reiter in der City selbst sogenannte Green-ways angelegt. Dabei handelt es sich laut dem städtischen Trail-Spezialisten Chris Hosking »um ein nicht asphal-tiertes, aber gut befahrbares Wegenetz, das sich innerhalb der Innenstadt von Grünfläche zu Grünfläche schlängelt, abseits des Hauptverkehrs verläuft und Radler sicher von A nach B kommen lässt«. Die jeweiligen Verbindungslinien von einer zur anderen Grünfläche verlaufen oftmals an einem schönen Bach namens Granite Creek, der durch die Innenstadt fließt. Hier trifft man jene Alltagsräder, die Iron-clad Bicycles verkauft.

Mountainbike-Event und Trailnetz

Was das Wachstumsthema Mountainbike auch kräftig pusht: Das Mountainbikerennen »The Whiskey Off-Road Mountain-bike Race«. Dort treten inzwischen an die 2.500 Mountain-biker an. Laut Hull ist dieses Rennen heute das größte und profitabelste Event von Prescott: »Da ist hier richtig was los. Es geht über drei Tage. Mountainbiker können zwischen einem 25- und 50-Meilen-Rennen wählen. Speziell die 50 Meilen (80,5 Kilometer) sind mörderisch. Sie verlaufen von den Multitrails unserer Stadt bis in die daran angeschlos-senen National-Forest-Trails in die Berge hinauf. Das ist kein Zuckerschlecken!«

»Whiskey Off-Road« sorgt auch dafür, dass Prescott in den USA überhaupt als Fahrraddestination wahrge-nommen wird. »Das bekommen wir zu spüren. Wir haben viele Touristen, die hier bei Ironclad Bicycles stoppen, sich informieren, versorgen und gleich durchstarten. Da wir nicht direkt im Zentrum liegen, sondern an einer Ausfall-straße, sind wir gerade einmal eineinhalb Meilen von einem der schönsten Trails entfernt, dem zehn Meilen Loop Trail 396.«

Apropos Prescott-Trails: Das komplette Ironclad-Team singt ein Hohelied auf die Freiwilligengruppe »Over-The-Hill-Gang«, die bestehende Trails nicht nur pflegt, sondern das Wegenetz auch gekonnt ausbaut. Dazu Shopmanager Tim Hull: »Ohne diese Rentnertruppe hätten wir keinen Zugang zu dem Trailnetz in den National Forest. Was die im

Laufe der Jahre in Prescott geschafft haben, ist unglaublich. Es geht dabei ja nicht nur um die Downtown-Greenways, sondern um die außerhalb des Stadtkerns gelegenen Trails, die Richtung Circle Trail führen. Der ist wiederum Ausgangs-punkt zum Einstieg in das National-Forest-Trailnetz, das außerhalb der Stadtgrenzen liegt.«

Insgesamt befänden sich in und um Prescott fünf Fahr-radgeschäfte. »Jeder Shop hat seine eigenen Nische«, erklärt Mechaniker Mike Hannah, »wir sind hier die Mountainbike-Guys und leben gut von unserem Federungs-Know-how sowie Reparaturen.« 25 Prozent des Ladenumsatzes werden mit Reparaturen eingefahren. Was mit Blick auf den Tourismus ebenfalls gut laufe sei der eigene Fahrradverleih: »Da bieten wir von Einsteiger- bis High-End-Bikes alles an.«

Zu guter Letzt verweist Ladenbesitzer Jim Knaup noch auf ein weiteres Plus seiner Stadt: »Egal, wann im Jahr man hier vorbeischaut – das Klima ist immer sehr mild. Wegen der Berge im Süden wird es im Sommer nicht so heiß. Und im Winter kann man auch noch gut radeln. Unsere Hoch-saison läuft von März bis September. Da haben wir sieben Tage die Woche geöffnet.«

Neue Besucher-Zielgruppe

Der Fokus auf die Radgemeinde habe auch in Prescott selbst etwas bewirkt. Bisher wurde die alte Minenstadt mit ihren historischen Hotels sowie der Whiskey Row mit Tür an Tür gelegenen klassischen Saloons ausschließlich auf ihr Western-Erbe reduziert: »Das ändert sich allmählich. Früher hatten wir nur Besucher, die an dem Bild der alten Western-stadt mit ihrer Whiskey Row interessiert waren. Jetzt sehen wir immer mehr von diesen kalifornischen Fitnessfanatikern und Outdoorenthusiasten.«

Die städtische Tourismus- und Wirtschaftsentwick-lungs-Koordinatorin Wendy Bridges bestätigt Hulls Aus-sage indirekt, wenn sie von einer guten Balance zwischen kulturellem Erbe auf der einen und Outdoor and Recreation auf der anderen Seite spricht: Mittlerweile sei der Tourismus eine Haupteinnahmequelle von Prescott.

Text/Fotos: Jo Beckendorff

Von März bis Ende September sieben Tage die Woche im Einsatz (v. l.): Mechaniker Mike Hannah, Shopbesitzer Jim Knaup und Shopmanager Tim Hull.

Ein gut ausgebautes Multtrail-netz lockt auch immer mehr Biker nach Prescott. Prescotts Trail-Spezialist Chris Hosking erklärte uns auch, warum unbedingt die US-Flagge mit auf die sorgfältig aufgestellte Beschilderung muss: »Dann wird nicht darauf geschossen.«

Greenways heißen die gut beschilderten Downtown-Multitrails in Prescott, die Radler von einer Grünzone der Stadt in die andere führen.

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Rentnertruppe Over-The-Hill-Gang baut TrailsMARKT USA

Vor 15 Jahren suchte der für die Trails in National Forest zuständige Forest Service von Prescott Freiwillige, die sich um die Trails innerhalb der

Stadtgebiets kümmern sollten. Wenn man hier von Stadt-gebiet spricht, ist damit laut Tourismus- und Wirtschafts-entwicklungs-Koodinatorin Wendy Bridges ein Gebiet von 25 Quadratmeilen (40,2 Quadratkilometer) gemeint.

Anders ausgedrückt: Wenn man in Prescott das Ortsein-gangsschild erreicht, sind es immer noch endlose Meilen durch die Natur, bevor man zuerst einzelne Farmhäuser und dann den tatsächlichen Stadtkern erreicht. Es handelt sich also um ein Gebiet, in dem »Multi-Use-Trails für Wanderer, Biker und Reiter« die Lücke von den National Forest Trails bis in die Stadt und um sie herum erschließen sollen. Nur: Wer kümmert sich darum?

Hier kommt die Over-The-Hill-Gang ins Spiel. Koordi-niert wird sie von George Sheats. Er kann auf 70 Freiwillige zählen, die nicht immer alle da sind, aber über seinen E-Mail-Verteiler über die nächste Trailaktion inklusive Treff-punkt informiert werden: »Es sind immer zwischen 15 und 25 Freiwillige, die jeweils am Montagmorgen zusammen-kommen.«

Mittlerweile habe sich die ganze Aktion zu einem sozi-alen Event entwickelt. »Wir hängen auch so oft zusammen und haben gemeinsam eine gute Zeit«, erklärt Sheats. Er organisiert ebenfalls die Weihnachtsfeier und lädt schon mal alle auf ein Bier in seine häusliche Privatbar ein.

Der Chef der Over-The-Hill-Gang arbeitet eng mit Chris Hosking zusammen. Der gebürtige Brite ist seit sechs Jahren für die Stadt Prescott als offizieller Trail-Spezialist des Parks and Recreational Department im Einsatz. Seine Aufgabe ist, sich um die Multitrails in und um Prescott herum zu küm-mern – und vor allem neue anzulegen.

Circle Trail

Seit den 1990ern arbeitet man in der einstigen Minenstadt daran, einen 50 Meilen langen Circle Trail fertigzustellen. Ziel ist es, den äußeren Circle Trail über mehrere städtische Verbindungslinien ansteuern zu können und somit irgend-wann ein Trailsystem komplett zu haben, das direkt an die umliegenden National Forest Trails angeschlossen ist. Dann steht laut Hosking ein Trailnetz von 400 Meilen zur Verfü-gung. In den letzten fünf Jahren wurden mit Hilfe der Over-The-Hill-Gang 17 Meilen neue Trails angelegt.

Im Herbst vorigen Jahres begleitete der RadMarkt Chris Hosking zum morgendlichen Montagstreff. Auf seinen Pickup-Truck befindet sich eine ganze Armada an Harken, Spitzhacken, Schaufeln und sonstigen Gerätschaften, die man zur Trailpflege und zum Trailbau braucht. Auf dem Parkplatz haben sich schon um 8 Uhr rund 25 Rentner ein-gefunden. Nach Vorstellung des Journalisten aus Deutsch-land wird auch die erstmals mitmachende Tysia mit ihren Kollegen bekannt gemacht. Die Rentnercrew ist begeistert: Mit ihren 33 Jahren senkt die Krankenschwester »unseren Altersdurchschnitt um mindestens ein Jahr!«. Tysia hat sich zum Mitmachen entschieden, weil »ich irgendetwas Gemeinnütziges tun wollte und diese Trails selbst oft zum Wandern nutze«.

Der 69-jährige Gary meint, dass wir uns keinen guten Montag ausgesucht hätten: »Mann, heute hat uns Chris nur für die Säuberung und Instandhaltung eines zwei Meilen langen Flachstückes hier herausgeholt. Das sind Peanuts im Vergleich zu dem, was wir sonst so anstellen!« Auf die Frage, warum er das überhaupt macht, flachst er: »Was machen? Wir stehen normalerweise rum und quatschen.« Um dann etwas ernster fortzufahren: »Für andere Sachen bin ich zu alt.

Bei einem Besuch in dem Minen- und Westernstädtchen Prescott in Arizona trifft sich seit über 15 Jahren jeden Montag eine Freiwilligengruppe von Pensionären namens »Over-The-Hill-Gang« zum Trailbau. Wir haben die Rentnercombo beim »digging in the dirt« begleitet.

Etwas zurückgeben

Bob ist mit seinen 81 Jahren das älteste Over-The-Hill-Gang-Mitglied. Und Karin ist für ihre Plätzchen bekannt, die sie in ihrem Rucksack trägt.

Jeden Montag beim Trail-Bau und -Pflege »digging in the dirt«: die Over-The-Hill-Gang in Prescott/Arizona.

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Meine Freundin betet regelrecht, dass ich hier mitmache – weil ich danach immer gut drauf sei, sagt sie. Und weißt du was? Das stimmt.«

Neben Gary schwingt Bob die Spitzhacke – mit 81 Jahren der älteste Gang-Mitarbeiter. Er ist schwerhörig. Aber beim Trailbau ist er sich selbst für die schwersten Aufgaben nicht zu schade: »Warum ich das hier mache? Gute Frage. Karin – warum machen wir das hier?« reicht er die Frage gleich an die neben ihm arbeitende Frau weiter. »Wir wollen etwas von dem zurückgeben, was sie hier in Prescott für uns gebaut haben. Dieses Trailnetz ist in dieser Landschaft einfach wunderschön«, meint Karin.

Viele Mitglieder sind, wie Karin, nach ihrer Pensionierung nach Prescott gezogen. Einige haben weiterhin mehrere Wohnsitze und tingeln hin und her. Wie beispielsweise Ed (71), ein ehemaliger Berater in der Energie- und Nuklear-politik. Als es eine kurze Pause gibt, meint er grinsend: »Zum Glück gibt es keine Gewerkschaft für Freiwillige.« Und empfiehlt uns, unbedingt Karins selbstgemachte Kekse zu probieren. Für die frühere Luftfahrtingenieurin Stephanie ist die montägliche Trailarbeit »der beste Workout, den ich mir vorstellen kann. Danach brauche ich keine weiteren Übungen.«.

Es gibt natürlich auch einheimische Gang-Mitglieder. Toni war zum Beispiel Leiterin der Bibliothek von Prescott: »Ich habe als Wanderin den Ausbau des hiesige Trailnetzes über Jahre mitverfolgen können. Dann habe ich von der Over-The-Hill-Gang gehört und dachte, dass es gut ist, etwas zurückzugeben. Hier gibt es Dutzende Meilen wun-derschöner Trails.«

Der einstige Feuerwehrmann Ralph (67) genießt die Arbeit in der Gruppe. Außerdem habe er schon in seinem Job an einigen Trails mitgearbeitet: »Das macht einfach Spaß, auch wenn es manchmal echt harte Arbeit ist. Wenn wir zum Beispiel riesige Felsbrocken bewegen müssen, stoßen wir manchmal an unsere Grenzen. Aber aufgeben gilt nicht!«

Hiker statt Biker

Was auffällt: Unter den Mitgliedern befinden sich fast aus-schließlich Hiker, aber keine Biker. Für den 63-jährigen Bill –ehemaliger Forest-Service-Mitarbeiter – kein Pro-blem: »Die sind doch größtenteils viel jünger als wir und arbeiten während der Woche. Deshalb können sie auch nicht kommen.«

Später erklärt uns Trailbauer Hosking, dass die internati-onale Mountain Bicycling Association (IMBA) sehr wohl am Trailbau beteiligt sei. Allerdings kooperiert die IMBA mit dem National Forest Service beim Trailbau und der -pflege im National Forest - und nicht mit der Stadt Prescott: »Das hier ist Sache der Stadt, die sich über die Arbeit der freiwil-ligen Helfer der Over-The-Hill-Gang sehr freut.«

»Diese Truppe macht einen fantastischen Job«, lobt Tourismus- und Wirtschaftsentwicklungs-Koodinatorin Wendy Bridges. Und schiebt noch hinterher, dass Chris Hosking mit seiner dynamischen Art viel für Biker bewirkt habe: »Unsere Multitrails haben durch Chris erst einen echte

Fahrradkomponente erhalten. Er ist selbst ein begeisterter Radler. Das hilft uns.«

Unter http://www.youtube.com/watch?v=pWEo_DauwvA kann man auch ein Video über die Arbeit der Over-The-Hill-Gang in Prescott anschauen. So hat es die Rentner-truppe mit ihrem Trailbau schon zu einiger Berühmtheit gebracht. Ein Trail wurde sogar nach ihnen benannt. Hosking hat alle Routen in und um Prescott inklusive des Over-The-Hill-Trails detailliert in einer Karte eingezeichnet, die das komplette Netz in und um Prescott inklusive Anschlusstrails zu den National Forest Trails umfasst.

In der Krise steckt die Chance

Somit hat die Krise laut Wendy Bridges auch Raum für neue Herausforderungen geschaffen: »Als das Immobilien-geschäft zusammenbrach und somit eine starke Einnahme-quelle der Stadt fehlte, mussten wir uns einiges einfallen lassen. Dabei stießen wir auf den alten Circle Trail, von dem Teile auf einer historischen Bahnstrecke von Santa Fe nach Phoenix liegen. Wir wollten Multitrails für Hiker, Biker und Reiter. Motorisierte Fahrzeuge sind nicht zugelassen.«

Dieses Konzept scheint erste Früchte zu tragen. Immer mehr Touristen kommen jetzt nicht nur wegen der ehr-würdigen Altstadt, die mit ihren alten Hotels und Saloons tatsächlich sehenswert ist, sondern auch wegen der um Prescott herum gebotenen Landschaft. Dazu noch einmal Wedges: »Im Süden und Südwesten haben wir den Prescott National Forest mit wunderschönen Kiefern und seinen bis zu 2.355 Meter hohen Bergen, im Süden flaches Farmland und das Chino Valley, im Osten das Prescott Valley und im Westen das Skull Valley. Insgesamt ist die Landschaft hier ziemlich abwechslungsreich. Und nicht zu vergessen: das milde Klima. Das lockt am Wochenende auch viele Bürger aus Phoenix zu uns.« Arizonas heiße Metropole liegt 160 Kilometer südlich von Prescott – für Amerikaner ein Katzensprung.

Text/Fotos: Jo Beckendorff

Seit sechs Jahren ist der gebürtige Brite Chris Hosking als Trail-Spezialist von Prescott im Einsatz.


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