+ All Categories
Home > Documents > pur - zu erleben .files.salsacdn.com/press/556_Capri_Ischia_Procida/misc/reise-mag.pdf... · Sie...

pur - zu erleben .files.salsacdn.com/press/556_Capri_Ischia_Procida/misc/reise-mag.pdf... · Sie...

Date post: 15-Nov-2019
Category:
Upload: others
View: 0 times
Download: 0 times
Share this document with a friend
12
Transcript
Page 1: pur - zu erleben .files.salsacdn.com/press/556_Capri_Ischia_Procida/misc/reise-mag.pdf... · Sie hatten neunzehn glückliche Jahre miteinander verlebt. Ihren zwanzigsten Hochzeitstag
Page 2: pur - zu erleben .files.salsacdn.com/press/556_Capri_Ischia_Procida/misc/reise-mag.pdf... · Sie hatten neunzehn glückliche Jahre miteinander verlebt. Ihren zwanzigsten Hochzeitstag
Page 3: pur - zu erleben .files.salsacdn.com/press/556_Capri_Ischia_Procida/misc/reise-mag.pdf... · Sie hatten neunzehn glückliche Jahre miteinander verlebt. Ihren zwanzigsten Hochzeitstag

Sie hatten neunzehn glückliche Jahre miteinander verlebt.Ihren zwanzigsten Hochzeitstag ani 15. Oktober wollten sieauf Capri feiern. Anselm fand, es sei ein idealer Zeitpunkt,uni die Insel ohne Menschenmassen - ,, pur" - zu erleben .

Charlotte war vom kleinen Hotel Maresca direkt an derMarina Grande begeistert. Von der Terrasse schauten sie aufdie Mole mit den Fährschiffen und Jachten, wenn sie denBlick hoben, sahen sie die Häuser von Capri -Stadt am Fels-hang kleben. "Da müsste man hinauffliegen können", seufzteCharlotte. Anselm sah sie erstaunt von der Seite an. "Dasbrauchst du nicht. Die Funicolare, die Drahtseilbahn, bringtuns direkt auf die Piazzetta, wo wir unseren Campari trin-ken werden." Sie wandte nicht den Kopf und nickte leicht .

Der Abend war mild, und die Piazzetta gesteckt voll mitCapresi, den Bewohnern Capris. Man kam hierher, uni ge-sehen zu werden und zu sehen, das Übliche. Geschäfte wur-

den besprochen, appuntamenti vereinbart, Neuigkeiten aus-

Page 4: pur - zu erleben .files.salsacdn.com/press/556_Capri_Ischia_Procida/misc/reise-mag.pdf... · Sie hatten neunzehn glückliche Jahre miteinander verlebt. Ihren zwanzigsten Hochzeitstag

getauscht, Geschichten in die Welt gesetzt. In seiner Ge-schlossenheit wirkte der kleine Platz auf Charlotte wie einWohnsalon im Freien. Die Jungen saßen in der Piccolo Bar,die Älteren im würdigen Tiberio und im Gran Caffè.

"Was meinst du, ob wir ein paar Stars sehen werden?Richard Gere vielleicht, oder Madonna?" Anselms linke Au-genbraue hob sich unmerklich. Sie kannte das gut an ihm,und wenn sie es recht bedachte, hatte sie es nie besondersgemocht. Er mochte fast alles an seiner Charlotte, ihre kind-

liche Verehrung für Leinwandgrößen teilte er nicht.

Signor Esposito meldet sich zu Wort,,No, Signora!", hörte Charlotte plötzlich eine Stimme ne-ben sich. Zwei wache braune Augen funkelten sie freundlichan. ,,Scusi! Ich habe mich ungefragt in Ihre Unterhaltunggemischt, ohne mich vorzustellen. Riccardo Esposito meinName. Ich bin Buchhändler und Verleger. Ich muss Sie lei -

der enttäuschen, Signora. Wir leben in einer Zeit der Promi-nentendämmerung. Jetsettern werden Sie hier kaum nochbegegnen. Früher, ja, da war Capri Treffpunkt der Luxus-Clochards aus aller Welt. Anarchisten, Sozialisten, Kommunis-ten, Faschisten, Propheten, Poeten, Maler, Dandys und reicheSpinner, alle liebten die Insel. Viele kehrten immer wiederzurück, manche blieben und bauten sich Häuser. Capri wur-de zum Mythos, geformt und belebt von denen, die es cumgrande passione liebten, etwa dem römischen Kaiser Tiberi-us, dem genialen Dandy Jacques Fersen, dem schrulligenArzt Axel Munthe, dem Industriellen Friedrich Krupp, denMalern Diefenbach und Depero, Dichtern und Schriftstellernwie Rilke, Neruda oder Malaparte. Aber seit den Siebziger-jahren überschwemmen Tagestouristen, die mit den Schnell-booten aus Neapel und Sorrent kommen, die Insel. Und dieProminenten bleiben aus. Es kam, wie es kommen musste:Zuerst wurde Capri von seinem Mythos genährt, dann

Page 5: pur - zu erleben .files.salsacdn.com/press/556_Capri_Ischia_Procida/misc/reise-mag.pdf... · Sie hatten neunzehn glückliche Jahre miteinander verlebt. Ihren zwanzigsten Hochzeitstag

von ihm aufgefressen. Zum Glück erwacht in uns Capresineuerdings ein bisher ungekanntes Identitätsbewusstsein.Wir, die glücklosen Nachgeborenen, müssen verhindern,dass aus Capri eine Art Capri-Disneyland wird. Wie das ge-hen soll, wissen wir aber selbst noch nicht so genau.

Charlotte hatte dem leidenschaftlichen Monolog des Buch-händlers aufmerksam gelauscht, und auch Anselm war vondieser kritischen Eloge auf Capri tief beeindruckt. Er ver-schwand in Espositos Buchhandlung und tauchte erst Stun-den später mit einem Sack Capri-Literatur wieder auf. SeinHistorikerherz hüpfte vor Freude. Seine Frau schlürfte der-weil zufrieden ihren dritten Campari und hielt heimlich wei-ter nach Prominenten Ausschau.

Tiberius war eigentlich ein netter Kerl"Heute ist Tiberius-Tag! Wir wandern zur Villa Jovis und zurVilla Damecuta. Zieh dir bequeme Schuhe an", verkündeteAnselm am nächsten Morgen beim Frühstück auf der Ter-

rasse des Hotels Maresca. Eigentlich hätte sich Charlottegem ein bisschen am Meer gesonnt, vielleicht sogar ein paarSchwimmzüge gewagt. Das Wasser war ja noch warm wieim Sommer. Aber Anselm drängte zum Aufbruch. Gutmütigmarschierte sie hinter ihm her.

Der Weg führte durch die engen Gassen von Capri-Stadt,durch Weingärten, an gepflegten Villen vorbei, immer wei-ter bis zur Ostspitze der Insel. Ein kurzer Halt im ParcoAstarita verhalf Charlotte zu einer Verschnaufpause. "In die-sem Park lustwandelte Tiberius, wenn er vom Regieren dieNase voll hatte", erklärte Anselm. Immer, wenn er seinerkleinen Charlotte große Geschichte erklärte, befleißigte ersich der ,,volksnahen Ausdrucksweise", wie er es nannte.

,,Tiberius war gar nicht der grausame Kerl, als den ihndie Geschichtsschreiber gem hinstellen, eher ein vom Lebenund Regieren enttäuschter alter Mann. In der einsamen,wilden Natur Capris konnte er ein wenig Frieden finden. "

Das verstand Charlotte gut.

Page 6: pur - zu erleben .files.salsacdn.com/press/556_Capri_Ischia_Procida/misc/reise-mag.pdf... · Sie hatten neunzehn glückliche Jahre miteinander verlebt. Ihren zwanzigsten Hochzeitstag

Die Ruinen der Villa reizten ihre Phantasie weniger. Aberder Abgrund! Magisch zog es sie an den Rand der steil zumMeer abfallenden Felswand. "Tacitus schreibt ja, dass Tiberi-us hier seine Gegner hinuntergestoßen habe. Aber das darfman nicht ernst nehmen, denn der war dem Kaiser nichtsonderlich grün." Anselm war ganz in seinem Element. Erhatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt und wippteleicht auf den Fersen. Er wirkte sehr zufrieden mit sich.

Charlottes Gedanken schweiften an den Horizont, dort-hin, wo sich das saphirblaue Meer mit einem blassblauenHorizont vereinigte. Sie seufzte leise. Eine unbestimmteSehnsucht breitete sich ihn ihr aus.

Zur Abwechslung schlug Anselm generös eine romanti-sche Fahrt in die Blaue Grotte vor. Sie waren die einzigenGäste auf dem Boot. Ob er eins der berühmten Capri -Lie-der singen sollte, vielleicht "Tu luna, tu, luna Caprese", frag-te Rodolfo, ein waschechter Caprifischer. Charlotte nickteeifrig, Anselm schüttelte heftig den Kopf. Also sang Rodolfo

von der Liebe und dem Mond auf Capri. Auf das blaueWunder, das unbeschreibliche Licht, das die Grotte erfüllte,darauf waren beide nicht gefasst. Sie nahmen sich an derHand wie Kinder und staunten.

Ein erster, kleiner Schwindelanfall"Auf, auf! Die Villa Damecuta ruft!" Anselm hatte sichschnell von der blauen Romantik erfangen und schleppteCharlotte zum nächsten Programmpunkt. Die Villa war ihreigentlich von Herzen wurscht, was sie aber ihrem Anselmnicht sagte. Sie sah nicht ein, warum ein griesgrämiger Kai-ser so viele Villen brauchte. Und sie verstand auch nicht, wasAnselm an den spärlichen Resten, die von der Villa Dame-cuta übrig waren, so begeisterte.

Sie genoss den Duft der Pinien und die Sonne, die ihr Ge-sicht wärmte und ihr Haar kupferrot aufleuchten lieg. Einerdieser herrlich-kitschigen Sonnenuntergänge war zu erwar-ten. Anselm und Charlotte erlebten ihn vom Belvedere di

Page 7: pur - zu erleben .files.salsacdn.com/press/556_Capri_Ischia_Procida/misc/reise-mag.pdf... · Sie hatten neunzehn glückliche Jahre miteinander verlebt. Ihren zwanzigsten Hochzeitstag

Migliera aus. Charlotte schaute versonnen in die Tiefe. Steilstieß die Felswand ins Meer hinein. Möwen kreisten über demAbgrund. Ihr wurde ein wenig schwindlig, und mit ihremBlick suchte sie Halt am Leuchtturm. Ein rot-goldenes Bandzog sich von der untergehenden Sonne über das Meer hiszu Charlotte und Anselm, und sie erinnerten sich plötzlich

gleichzeitig daran, dass morgen ihr Hochzeitstag war.

Die Nachtigall fängt an zu schlagenAm nächsten Morgen überraschte Anselm seine Charlottemit einem Bild. Darauf war in leuchtenden Farben die Piaz-zetta mit ihren Bars und Caffès zu sehen - und in der Mitteschwammen Gondeln umher wie in Venedig. "Du liebstdoch Venedig genauso wie Capri. Als ich dieses Bild beiCarmelina in der Via Cercola entdeckte, habe ich es ihr ah-geluchst. Zuerst wollte sie es mir gar nicht geben, auchnicht um viel Geld. Dann erzählte ich ihr von dir und deinerBegeisterung für beide Städte und dass heute unser Hoch-zeitstag ist. Da hat sie es mir geschenkt."

Charlotte wollte sich hei der Malerin persönlich bedankenund traf eine Frau von achtzig Jahren, voller Lebensfreude

und Humor. Alles fing damit an, erzählte Carmelina, dass ihrkleiner Sohn einmal schwer krank war und sich sehnlichstMalfarben wünschte. "Ich hatte kein Geld, also betete ichganz innig zu Jesus. Da wurde ich innerlich ganz leicht, alsob ich fliegen könnte. Ein großes Glücksgefühl erfüllte mich.Und am Nachmittag desselben Tages lieb mir ein NachbarGeld für Farben! Als ich meinem Sohn Zeichnen und Malen'beibrachte, entdeckte ich, wie viel Freude es mir selbst machte.Anfangs malte ich meine Bilder auf alte Leintücher. ImmerCapri, etwas anderes kannte ich ja nicht. "

Und eines Tages geschah das große Wunder: Die Princi-pessa Borghese erstand eines von Carmelinas Bildern. Dannkaufte auch Sophia Loren eines. Carmelina lachte. "Auf ein-mal war ich berühmt und hatte sogar Geld, so viel, dass ichmeiner Familie ein Haus kaufen konnte."

Nachdem Charlotte sich von Carmelina verabschiedethatte, war sie sehr still. Anselm wusste das nicht recht zudeuten. Er glaubte, sie aufmuntern zu müssen, und schlugihr den Besuch der Villa Axel Munthes vor. Charlotte liebtedessen berühmtes "Buch von San Michele" und zitierte heijeder sich bietenden Gelegenheit daraus. Anselm selbst hielt

Page 8: pur - zu erleben .files.salsacdn.com/press/556_Capri_Ischia_Procida/misc/reise-mag.pdf... · Sie hatten neunzehn glückliche Jahre miteinander verlebt. Ihren zwanzigsten Hochzeitstag

es eher für eine schwülstig-missglückte Autobiografie, aber

diese Meinung behielt er wohlweislich für sich.

Wenig später musste er zugeben, dass ihn die schlichteVilla und der Garten mit dem römischen Säulengang, denvielen Statuen und der Zypressenallee stark beeindruckten.Widerwillig musste er auch eingestehen, dass ihn die rühr-selige Inszenierung in der kleinen Kapelle am Ende des Gar-tens ansprach: Als sie eintraten, ertönten Klaviermusik vonChopin und der süße Gesang von Nachtigallen. Ausnahms-weise störte es ihn nicht, dass die Klänge vom Band kamen.Der sonst so nüchterne Anselm war bezaubert.

Der Liebe und dem Schmerz geweihtAm Ende des Porticus blickt die berühmte Sphinx weit überCapri und das Meer hinaus in eine geheimnisvolle Unend-lichkeit. Charlotte verharrte lange dort, regungslos wie diesteinerne Sphinx. Als Anselm sie vorsichtig an der Schulterberührte, schien sie wie aus Trance zu erwachen.

Geschäftig, um den eigenartigen Gemütszustand seinerFrau zu überspielen, den er auf den heftigen Wind zurück-führte, der schon den ganzen Tag wehte, organisierte An-

seIm ein Taxi, das sie zur Villa Fersen brachte. Das sollte diezweite Überraschung an diesem Tag für Charlotte sein.

Da die Villa um diese Jahreszeit für die Öffentlichkeit ge-schlossen war, hatte er sich auf der Gemeinde den Schlüsselbesorgt. Nun standen sie beide davor. Einem griechischenTempel gleich, hatte der französische Baron Jacques Fersensie für sich und seinen Geliebten Nino Cesarini erbauen las-sen. Auf dem Architrav ließ er die Inschrift anbringen: Amoriet dolori sacrum - der Liebe und dem Schmerz geweiht .

Die weißen Säulen mit den Goldkanneluren leuchtetenim Sonnenlicht, das durch die dunklen Zypressen auf sie fiel.Hier hatte Baron Fersen sein unglückliches Leben gelebt,und hier hatte er es durch eine Überdosis Kokain beendet.Die einen nannten ihn einen dekadenten Dichter, die ande-ren einen exzentrischen Dandy, alle aber sagten über ihn:Era diverso. Er wäre so ganz anders als sie selbst.

Charlotte schritt nachdenklich durch die verwaisten Räu-me. Als sie auf die Terrasse ins Freie trat, blähte der Sturmihren Mantel, und einen Augenblick lang schien es, als woll-te sie ganz Capri umarmen und davonfliegen, in die Weitedes Himmels. Und fort flog sie.

Page 9: pur - zu erleben .files.salsacdn.com/press/556_Capri_Ischia_Procida/misc/reise-mag.pdf... · Sie hatten neunzehn glückliche Jahre miteinander verlebt. Ihren zwanzigsten Hochzeitstag
Page 10: pur - zu erleben .files.salsacdn.com/press/556_Capri_Ischia_Procida/misc/reise-mag.pdf... · Sie hatten neunzehn glückliche Jahre miteinander verlebt. Ihren zwanzigsten Hochzeitstag
Page 11: pur - zu erleben .files.salsacdn.com/press/556_Capri_Ischia_Procida/misc/reise-mag.pdf... · Sie hatten neunzehn glückliche Jahre miteinander verlebt. Ihren zwanzigsten Hochzeitstag
Page 12: pur - zu erleben .files.salsacdn.com/press/556_Capri_Ischia_Procida/misc/reise-mag.pdf... · Sie hatten neunzehn glückliche Jahre miteinander verlebt. Ihren zwanzigsten Hochzeitstag

Recommended