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Psychologie Heute 10/2011 Leseprobe

Date post: 29-Mar-2016
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Leserprobe der Ausgabe 10/2011
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Page 1: Psychologie Heute 10/2011 Leseprobe
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PSYCHOLOGIE HEUTE Oktober 2011

Auf den Charakter kommt es an!Der Charakter ist so etwas wie der Gipfel der Persönlichkeit: die Form unserer Psyche, zu der wir ein Leben langhinstreben. Er ist ein Potenzial, das wirentweder ausschöpfen oder verkümmernlassen können. Die Psychologie hat sechsSchlüsselkompetenzen der Lebensbewäl-tigung ermittelt. Wer sie trainiert, zeigt auch und gerade in schwierigen,konfliktbeladenen Situationen „Charakter“.

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4 In diesem Heft

Titelthema

Psychologie & Film! Axel Wolf

Was macht unseren Charakter aus? Die sechs entscheidenden Dimensionenunseres Verhaltens 20

Das erste MalDie Psychologie der ersten Eindrücke 28 ! Wolfgang Streeck

Psychoterror: Die Märkte und die Staaten 30! Richard Louv

Diagnose: Dramatischer NaturmangelKindheit fern von Feld,Wald und Wiese 36! Kate White im Gespräch

„Liebe ist ein gefährliches Gefühl“ 52

! Parfen Laszig

Black Swan:Zeit der Verwandlung 58

! Bernhard Pörksen, Hanne Detel

Die Macht der Schwärme 64! Ulla Gosmann

Exile auf ZeitDemenz und die „Krankheit derAngehörigen“ 70

! Eva Tenzer

Tango – ein Tanz als Therapeutikum 76

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In diesem Heft 5

Sex ist BeziehungSeit Freud haben wir uns angewöhnt, in der Sexualität einen „Trieb“ zu sehen, der auf „Abfuhr“drängt. Doch so schlicht war unser Sexleben nie.Sexualität steht grundsätzlich im Dienste der Bindungund Hingabe an einen geliebten Menschen. Das machtverletzlich. „Liebe ist ein gefährliches Gefühl“, sagt die Psychoanalytikerin Kate White.

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Der Minister und der SchwarmAls in Sachen seiner Doktorarbeit die ersten Plagiats-

berg auf eine altbewährte Strategie im Umgang mitSkandalen: abstreiten, beschwichtigen, aussitzen. Bis die Fakten geklärt sind, so das Kalkül, ist das öffent-liche Interesse längst versiegt. Doch dann kam einneuer Faktor ins Spiel: die Macht der Schwärme…

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8Themen &Trends! Kinderbücher: Mann handelt, Frau schaut zu

! Designerkleidung: Luxus beeindruckt

! Attraktivität: Glückliche Männer langweilen

! Willensfreiheit: Wer dran glaubt, stärkt sie

Und weitere Themen

42Gesundheit & Psyche! Familien: „Mama hat Schizophrenie“

! Kinder: Sind sie heute labiler?

! Schichtdienst: Was ihn erträglich macht

! Herzrisiko: Vorsicht, dominante Ehefrau!

Und weitere Themen

82Buch & Kritik! Alain Ehrenberg: Die aufreibende Pflicht zur Selbstwerdung

! Georg Milzner: Der Amokläufer als einsamer Rächer

! Rebekka Reinhard: Leben will riskiert sein – Neugier hilft dabei

! Kai-Hinrich und Tim Renner: Internet ist Pop mit anderen Mitteln

Und weitere Bücher

Rubriken6 Briefe8 Themen & Trends

42 Gesundheit & Psyche82 Buch & Kritik93 Im nächsten Heft94 Impressum95 Markt

vorwürfe auftauchten, setzte Karl-Theodor zu Gutten-

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PSYCHOLOGIE HEUTE Oktober 2011

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Themen &Trends

Bilder- und Kinderbücher arbeiten nachwie vor mit den altbekannten Geschlech-terrollenklischees – Männer handeln,Frauen schauen zu (wenn sie überhauptvorkommen): Das ist das Ergebnis einerStudie, welche die Fachgruppe „Frauenin der psychosozialen Versorgung“ derDeutschen Gesellschaft für Verhaltens-therapie (DGVT) durchgeführt hat.

Die Autorinnen Ruth Jäger und Eli-sabeth Jürgens untersuchten mit quan-titativen und qualitativen Methodenzwölf Bilder- und Kinderbücher (mit ei-ner Altersempfehlung bis sechs Jahre),die in den Jahren 2007 und 2008 für denDeutschen Jugendliteraturpreis nomi-niert worden waren. Die Wissenschaft-lerinnen stellten fest: Frauen sind in denBüchern unterrepräsentiert. Der Anteilmännlicher Hauptfiguren überwiegt.Es wurden sogar Bücher nominiert, indenen Frauen überhaupt keine Rollespielen. Nur drei der zwölf Bücher be-nennen weibliche Personen im Titel, vondenen eine als positive weibliche Iden-tifikationsfigur fungieren kann.

Ein Frauenbild, das ins vergangeneJahrhundert passt, vermittelt das BuchAlle seine Entlein von Christian Duda(Bajazzo Verlag). Die Hauptfiguren sindmännlich: Konrad, der hungrige Fuchs,erbeutet anstelle der erhofften Ente nurderen Ei, aus dem bald das Küken Lo-

renz schlüpft. Zwischen Konrad undLorenz entwickelt sich eine Vater-Sohn-Beziehung – den heranwachsen-den Enterich zu fressen kommt Konradnicht mehr in den Sinn. Doch alle Ge-schlechterrollenklischees kommen aufsTapet, als die Entendame Emma in Lo-renz’ Leben tritt: Sie wird über ihr Aus-sehen definiert, sie ist passiv, und nach-dem sie ihr erstes Ei gelegt hat, wird sieals sonderbar, krank und ungeschicktbeschrieben.

Dass es auch anders geht, zeigt Dieschlaue Mama Sambona (Peter HammerVerlag) von Hermann Schulz. Die Pro-tagonisten sind eine alte afrikanische Kö-nigin und der Tod. Die Königin, MamaSambona, wird unkonventionell, wis-send, strategisch geschickt und lebens-froh gezeichnet.„Eine positive und viel-seitige weibliche Identifikationsfigur fürMädchen und Jungen, die sich in an-genehmer Weise von vielen anderen Kö-niginnen in Bilderbüchern unterschei-det“, resümieren die Autorinnen.

Ein weiteres gender-freundliches Kin-derbuch unter den zwölf nominiertenmachten die Forscherinnen aus: Ulf Nils-sons Die besten Beerdigungen der Welt(Moritz Verlag). Drei Kinder, zwei Jun-gen und ein Mädchen, finden eine toteHummel und wollen sie begraben. Alledrei haben in der „Beerdigungs-AG“ ih-

re Aufgaben (fürs Weinen ist beispiels-weise der kleine Junge zuständig). AufGeschlechterrollenklischees wird er-freulicherweise verzichtet.

„Wie kann es sein, dass für den Deut-schen Jugendliteraturpreis Jahr für Jahrmehrheitlich Bücher nominiert werden,die männliche Figuren bevorzugen undweibliche Stereotypen verwenden?“, fra-gen die Autorinnen. Sie halten eine Dis-kussion darüber aus zwei Gründen fürwichtig: Einmal hat der Preis, der übri-gens vom Bundesministerium für Fa-milie, Senioren, Frauen und Jugend ge-stiftet wird, eine Orientierungsfunktion:Bibliotheken, Kindergärten, Arztpraxenschaffen gerne Bücher an, die auf derNominierungsliste stehen, da sie alshochwertig gelten.

Zweitens wächst ab dem dritten Le-bensjahr die Bedeutung der Geschlech-terkategorien für das Kind. Es erweitertsein Wissen über die mit dem jeweiligenGeschlecht assoziierten Attribute. DasKonstrukt „Mama kocht, Papa verdientdas Geld“ entspricht nicht mehr derRealität. Der soziale Wandel, der durcheine stärkere Ausrichtung der Frauen aufden Beruf und durch hohe Bildungs-abschlüsse gekennzeichnet ist, sollte sichauch in den Bilder- und Kinderbüchernniederschlagen, fordern die DGVT-Frau-en.

Männer handeln, Frauen schauen zuIn Bilder- und Kinderbüchern werden die Geschlechter immer noch traditionell dargestellt

REDAKTION: URSULA NUBER

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Kinderzimmer vollermännlicher Helden

Auch in den USA macht die Gleichbe-rechtigung von Mann und Frau offen-bar vor dem Kinderzimmer halt. DieHelden in amerikanischen Kinderbü-chern sind nach wie vor überwiegendmännlich. „Obwohl im vergangenenJahrhundert in puncto Gleichheit derGeschlechter gesellschaftlich enormeFortschritte erzielt wurden, hält sich dasUngleichgewicht in der Literatur für un-sere Jüngsten hartnäckig“, sagt JaniceMcCabe. Die Soziologin von der FloridaState University hat gemeinsam mit ih-rem Team mehr als 5600 Kinderbücherausgewertet, die zwischen 1900 und 2000in den Vereinigten Staaten erschienen

sind. Darunter waren Standardwerke,preisgekrönte und populäre Titel. DieForscher wollten wissen, wie ausgewo-gen das Geschlechterverhältnis in Titelnund zentralen Figuren der Literatur fürKinder im Vorschul- und ersten Lese-alter ist. Ergebnis: Das männliche Ge-schlecht ist mit zeitlichen Schwankun-gen in beiden Kategorien über das ge-samte 20. Jahrhundert deutlich überre-präsentiert – und zwar unabhängig vomGeschlecht des Autors und des Illustra-tors. Besonders stark ausgeprägt ist dieDominanz der Männer,wenn die Haupt-figur ein Tier ist.

Bücher sind, so McCabe, aber nichtdie einzigen Medien für die kleinen Kon-sumenten, die von Männern dominiertsind. Gleiches gilt auch für Comics, Vi-

deospiele oder die meisten Filme ohneAltersbeschränkung. „Das massenhafteFehlen weiblicher Vorbilder in unserenMedien zeigt den Jüngsten, dass Frauenund ihre Interessen weniger wichtig sindals die der Männer“, meint McCabe. Dashabe gerade in der frühen Kindheit, wosich das Verständnis von Geschlechter-rollen herausbildet, Folgen für das Kindselbst und auch für die Gleichberechti-gung von Mann und Frau in der Gesell-schaft insgesamt.

! Kathryn Kortmann

Janice McCabe u. a.: Gender in twentieth-centurychildrens’s books: Patterns of disparity in titles and cen-tral characters. Gender & Society, 25, 2011, 197–226

Elisabeth Jürgens, Ruth Jäger: Auf der Suche nach männ-lich und weiblich. Welche Informationen finden Vor-schulkinder heute im Bilderbuch? Verhaltenstherapieund psychosoziale Praxis, 42/4, 2010, 1045–1059

Themen & Trends 9

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20 Titel

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Charakter, so hat der Psychothe-rapeut und Philosoph JamesHillman definiert, ist die Form

unserer Psyche, zu der wir unser Lebenlang hinstreben, zu der wir uns hinent-wickeln. Er geht dabei von einem mehroder weniger angeborenen Charakter-kern aus, den wir sozusagen im Laufeunseres Lebens „erfüllen“. Andere Auf-fassungen vom Charakter betonen eherdie Einflüsse von Umwelt, Erziehungund Schicksal auf die Persönlichkeit:Wir sind (auch) das Produkt dessen,wasuns zustößt.

Im allgemeinen Sprachgebrauch istCharakter das Ensemble von Eigenhei-ten und Eigenschaften, die einen Men-schen unverwechselbar machen. Manch-mal meinen wir mit „Charakter“ vor al-

lem den „schlechten“ Charakter, wenndie Schattenseiten eines Menschen zumVorschein kommen. Und manchmal be-nutzen wir das Wort, um eine gewisseStärke und Widerständigkeit zu loben:„Da hat sie aber Charakter gezeigt!“

Wenn wir als Eltern oder Lehrer Kin-der und Jugendliche beobachten, versu-chen wir, die „Zeichen“ zu erkennen undfragen uns beispielsweise, in welcheRichtung sie sich entwickeln werden.Welche Prägungen oder angeborenen Ei-genschaften werden sich durchsetzen?Welche Erziehungseinflüsse oder Lau-nen des Schicksals drängen sie in dieseoder jene Bahn?

Und wir fragen uns auch selbst: Wasbin ich eigentlich für ein Typ? Was sindmeine besonderen Charaktermerkma-

le? Was machen wir wirklich gut im Le-ben, und wo spüren wir immer wiederDefizite? Wir haben zwar ein mehr oderweniger festgefügtes Selbstbild, aberwürden wir für uns selbst „die Hand insFeuer legen“? Sind wir beispielsweise inschwierigen Situationen charakterstark,flexibel, eigensinnig oder kreativ genug,um standzuhalten und die Probleme zubewältigen?

Die Persönlichkeitspsychologie setztsich mit Eigenschaften, Fähigkeiten, Ta-lenten und Bewältigungsmustern aus-einander und untersucht, ob diese unsin die Wiege gelegt wurden oder ob wirsie erlernt haben. Sie hat sechs Bereicheder Persönlichkeitsstruktur identifiziert,die über unser Verhältnis zur Welt, un-seren sozialen Stil und unsere beruf-

Titel 21

PSYCHOLOGIE HEUTE Oktober 2011

Was macht unseren Charakter aus? Die sechs entscheidenden Dimensionen unseres VerhaltensWie wurden wir zu der Person, die wir sind? Manchmal bringen bestimmteEreignisse, Probleme oder Entscheidungen etwas in uns hervor, von dem wirhöchstens etwas geahnt hatten: Wir zeigen Charakter. Plötzlich zählen bestimm-te Eigenschaften und Tugenden, die uns als Person definieren und die für eingutes, gelingendes Leben ausschlaggebend sind. Psychologen haben sechsDimensionen des Verhaltens identifiziert, auf die wir achten sollten, wenn wiretwas über den wahren Charakter unserer Mitmenschen (und unseren eigenen)herausfinden wollen

! Axel W0lf

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36 Kindheit

Diagnose:Dramatischer NaturmangelKindheit fern von Feld,Wald und WieseKinder verbringen heute den größten Teil ihrer Zeit vor Bild-schirmen und in geschlossenen Räumen. Immer seltener kommensie mit realer Natur in Berührung. Dieses wachsende Naturdefizithat verheerende Folgen für die psychische und körperlicheGesundheit einer ganzen Generation. Forscher warnen bereitsvor einer „Naturdefizitstörung“

! Richard Louv

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Unsere Gesellschaft bringt jungen Menschenbei, unmittelbare Naturerfahrungen zu mei-den. Unsere Institutionen, unsere urbanen

Lebensräume und kulturelle Einstellung verbindenNatur mit Gefahr und Untergang. Schulen, Medienund Eltern jagen unseren Kindern buchstäblich Angstvor Wald und Flur ein. In der computerisierten Bil-dungswelt, in der wir leben, beobachten wir denschleichenden Tod der Naturkunde: Praxis- und er-fahrungsbezogenere Fächer wie die Zoologie weichenden theoretischeren (und lukrativeren) FächernMikrobiologie und Gentechnik.

Der postmoderne Gedanke, die Wirklichkeit sei nurein Konstrukt – wir sind, was wir programmieren –,gaukelt uns grenzenlose menschliche Möglichkeitenvor. Doch wenn Kinder und Jugendliche immer we-niger Zeit in der freien Natur zubringen, verengt sichihr sinnlicher Wahrnehmungshorizont, körperlichund seelisch, und das mindert den Reichtum dermenschlichen Erfahrung.

Genau jetzt, da die Verbindung zwischen der jun-gen Generation und der natürlichen Welt abzureißendroht, beweisen Forschungsergebnisse zunehmend ei-nen Zusammenhang zwischen unserer mentalen, kör-perlichen und spirituellen Gesundheit und direktenpositiven Naturererlebnissen. Solche Studien zeigen,dass der durchdachte Einsatz von Naturerfahrungensogar eine besonders effektive Therapieform für Ju-gendliche sein kann, die etwa am Aufmerksamkeits-defizit- und Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) und an-deren psychischen Störungen leiden. Ebenso sehr wieKinder gute Ernährung und ausreichend Schlaf brau-chen, benötigen sie vermutlich Kontakt mit der Natur.

Für Kinder hat die Natur viele Gestalten. Ein neu-geborenes Kalb; ein Haustier, das lebt und stirbt; einTrampelpfad im Wald; ein Fort inmitten von Brenn-nesseln; eine feuchte, unheimliche Ecke auf einem un-bebauten Grundstück – welche Gestalt die Natur auchannimmt, sie eröffnet jedem Kind eine ältere, größe-re Welt, die unabhängig von seinen Eltern besteht.An-ders als das Fernsehen stiehlt die Natur keine Zeit; sieverlängert und bereichert sie vielmehr. Die Natur wirktsogar heilend auf Kinder, die in einer destruktiven Fa-milie oder Umwelt leben. Natur regt die kindliche Kre-ativität an, indem sie Visualisierung und den Einsatzaller Sinne fordert. Natur kann einem Kind auch Angstmachen, doch selbst diese Angst dient einem Zweck.In der Natur findet ein Kind Freiheit, Abenteuer undUngestörtheit: eine Welt fern von den Erwachsenen,einen eigenen Frieden.

Wie die meisten von uns haben auch Wissen-schaftler die Beziehung Kind/Natur für selbstver-ständlich gehalten. Wie konnte etwas so Zeitloses sichin so kurzer Zeit verändern? Und wenn einzelne For-scher diese Fragen stellten, wurden sie als sentimen-tale Nostalgiker verspottet. Ein Grund dafür ist, dasses keinen kommerziellen Anreiz für solche Fragen gibt.Einer der großen Vorteile unstrukturierter Freizeit inder Natur ist, dass sie nichts kostet, erklärt James Sallis,Leiter des Active Living Research Program in den USA:„Weil das Spielen in der Natur umsonst ist, sind kei-ne größeren kommerziellen Interessen damit ver-

Kindheit 37

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„Ich spiele lieber drinnen, wo die Steckdosen sind.“ Viertklässler

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Wenn Mütter oder Väter an Schizo-phrenie leiden, hat dies Auswirkungenauf die ganze Familie. Der Alltag wirdimmer wieder durch Krisen oder Kli-nikaufenthalte unterbrochen. Selbst innichtakuten Phasen sind die Kranken oftnur eingeschränkt in der Lage, ihrem Be-ruf nachzugehen, den Haushalt zu be-wältigen und für die Kinder und denPartner da zu sein. Trotzdem findet auchein ganz normales Familienleben statt.

Allerdings vermeiden die Eltern dabeioft, mit den Kindern über die Krankheitund die damit zusammenhängendenProbleme zu reden. Und die Kinder fra-gen nicht danach, weil sie spüren, dassdie Krankheit ein Tabuthema ist.

Zu diesem Ergebnis kommt einForscherteam unter der Leitung des Psy-chologen Johannes Jungbauer. Die Wis-senschaftler untersuchten in einer qua-litativen Studie, wie sich die Schizo-

phrenieerkrankung von Vater oderMutter auf die Familie, ihren Alltag undihre Beziehungen auswirkt. Befragtwurden 57 an Schizophrenie erkrank-te Eltern, 20 Ehe- oder Lebenspartner,6 ehemalige Partner sowie 38 Kinder.

Für die kranken Eltern sind die Kin-der enorm wichtig, stellten die Autorenfest. Durch das Zusammenleben mit ih-nen, den engen täglichen Kontakt undfamiliäre Aktivitäten erhält ihr Leben ei-

Unter dem DamoklesschwertZwischen Haltgeben und Überforderung: Über den schwierigen, aber auch normalenAlltag in Familien, in denen der Vater oder die Mutter an Schizophrenie erkrankt ist

Gesundheit & PsycheREDAKTION: THOMAS SAUM-ALDEHOFF

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PSYCHOLOGIE HEUTE Oktober 2011

Gesundheit & Psyche 43

ne Struktur, die ihnen Halt und Sinngibt. „So habe ich wenigstens eine Auf-gabe, wenn ich arbeitslos bin. Dass ichmein Kind erziehen muss“, erklärt eineMutter.

Andererseits fühlen sich viele kran-ke Eltern zumindest zeitweise überfor-dert. Ihnen ist klar, dass sie vor allem in akuten psychotischen Phasen als Erzie-hungsperson ausfallen. Viele machensich deswegen Vorwürfe und glauben,eine schlechte Mutter oder ein schlech-ter Vater zu sein. Gleichzeitig erleben siees als sehr verletzend, wenn Familien-mitglieder oder Außenstehende ihre Er-ziehungsfähigkeit pauschal infrage stel-len.

Dahinter steht die Angst, das Sorge-recht und damit die Kinder zu verlieren.Und diese Angst ist nicht ganz unbe-gründet. „Schizophren erkrankte Men-schen sind aber nicht automatisch er-ziehungsunfähig, auch wenn sie als El-tern häufig Unterstützung benötigen“,betont Jungbauer. Für das Wohl des Kin-des spiele auch eine entscheidende Rol-le, ob jemand bereit sei, sich behandelnzu lassen und Hilfe anzunehmen.

Für die Angehörigen bringt das Zu-sammenleben mit einem schizophre-niekranken Menschen große Belastun-gen mit sich. Diese wirken sich auch aufdie Paarbeziehung aus. In fast allenuntersuchten Familien gab es mindes-tens eine Trennung oder Scheidung. Be-fragte, die sich von einem kranken Part-ner getrennt hatten, begründeten ihrenSchritt oft mit der Verantwortung fürdas gemeinsame Kind. Psychisch Er-krankte, die mit dem Partner und Kin-dern zusammenleben, äußerten sich ten-denziell zufrieden über ihre Lebenssitu-ation. Deren gesunde Partner fühlten

sich hingegen meist erheblich beein-trächtigt.

„Die Schizophrenie wird oft als la-tente Bedrohung empfunden, die wie ein‚Damoklesschwert‘ über dem Familien-alltag schwebt“, erklären die Autoren.Tritt ein akuter Schub auf, erleben diePartner massiven Stress.Auch nach demAbklingen der psychotischen Sympto-me sind die Kranken häufig deutlich ein-geschränkt, ziehen sich zurück, sind an-triebslos oder reizbar. Umso stärker sinddie Partner gefordert: „Ich bin quasi wieeine alleinerziehende Person, weil er alsVater ja nichts mehr macht“, schilderteine Frau den Alltag mit dem schizo-phreniekranken Partner. Einerseits sinddie meisten Lebensgefährten bereit, fürden Erkrankten Verantwortung zu über-nehmen, andererseits haben viele vonihnen schon eine Trennung erwogen.

Die Kinder fühlen sich der Situationoft hilflos ausgeliefert, weil sie das Ver-halten des kranken Vaters beziehungs-weise der kranken Mutter nicht einord-nen können. Viele sind gar nicht odernur vage über die Diagnose, Sympto-matik und die Behandlung von Schi-zophrenie informiert. Dies trifft vor al-lem dann zu, wenn die Eltern Hem-mungen haben, mit den Kindern offenüber die psychische Krankheit zu spre-chen. Aber gerade dadurch werden Kin-der verunsichert und entwickeln Scham-und Schuldgefühle. Sie denken, sie dürf-ten mit Außenstehenden nicht über dieErkrankung ihres Vaters oder ihrer Mut-ter sprechen. Manche schämen sich undvermeiden, Freunde nach Hause einzu-laden.

Besonders sensible Kinder beobach-ten ihre kranken Eltern sehr aufmerk-sam und bemerken häufig als Erste,

wenn sich ein psychotischer Schub an-kündigt. „Dann wird sie so traurig undredet nichts mehr“, beschreibt eine Drei-zehnjährige das Verhalten ihrer Mutter.Diese Kinder sind sehr loyal ihren El-tern gegenüber, wollen ihnen helfen undsie entlasten. Sie übernehmen dabei abervielfach Aufgaben, die ihrem Alter nichtangemessen sind. „Weitere Entwick-lungsprobleme können entstehen“, soJungbauer, „wenn grundlegende kind-liche Bedürfnisse nach liebevoller Zu-wendung, Sicherheit, Kontinuität, Bere-chenbarkeit und Orientierung nur man-gelhaft befriedigt werden.“

Letztlich sind viele Kinder mit der Si-tuation überfordert. Bei etlichen befrag-ten Kindern stellten die Autoren Ver-haltensauffälligkeiten, Ängste und De-pressionen fest. Sie fordern daher, dieKinder psychisch kranker Eltern mög-lichst früh zu betreuen und dabei auchdie Eltern mit ins Boot zu holen. Da die-se den Einrichtungen der Jugendhilfe oft misstrauisch gegenüberstehen, emp-fehlen die Autoren sogenannte nied-rigschwellige Angebote. Beispielhaft da-für sind das Aachener ModellprojektAKisiA und die Auryn-Beratungsstellenin verschiedenen deutschen Städten.Notwendig sei auch, so die Autoren, dassErwachsenenpsychiatrie und Jugendhil-fe stärker als bisher zusammenarbeiten.

! Gabriele Kunz

! www.kinderschutzbund-aachen.de/aksia.phtmlwww.wege-ev.de

J. Jungbauer, J. Kinzel-Senkbeil, J. Kuhn, A. Lenz: Fami-lien mit einem schizophren erkrankten Elternteil: Er-gebnisse einer fallkonstruktiven Familienstudie. Zeit-schrift für Familienforschung, 23/1, 2011, 57–76

J. Jungbauer (Hg.): Familien mit einem psychisch kran-ken Elternteil. Verlag Barbara Budrich, Opladen und Far-mington Hills 2010

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52 Sexualität

„Liebe ist eingefährliches Gefühl“Wie wir Sexualität erleben, hängt unter Um-ständen mit frühen Erfahrungen zusammen. Die Körperlichkeit intimer Beziehungen wecktErinnerungen an frühe Bindungserfahrungen.Deren Qualität beeinflusst auch die Qualität unseres Sexuallebens. Ein Gespräch mit derLondoner Psychoanalytikerin Kate White über die Bedeutung früher Erfahrungen für unsere gelebte Sexualität

PSYCHOLOGIE HEUTE Frau White, in der psychoanalytischen Theorie istdie Sexualität noch immer eng verknüpft mit der Freudschen Triebtheorie.Ist diese Idee nicht mehr zeitgemäß?KATE WHITE In Bezug auf die Sexualität ist sie es nicht mehr. Meiner kli-nischen Erfahrung zufolge geht es beim Sex weniger um Trieb als um Bezie-hung. Die große Herausforderung beim Sex besteht also nicht darin, mit dereigenen Aggression klarzukommen, sondern darin, mit der Liebe klarzu-kommen. Für viele Menschen ist Liebe ja ein viel gefährlicheres Gefühl alsHass oder Neid. Denn man riskiert so viel mehr dabei: Zärtliche Gefühle zuzeigen macht einen Menschen viel verwundbarer als Hassgefühle es tun.PH John Bowlby, der Begründer der Bindungstheorie, betrachtete Sexuali-tät und Bindung aber stets als getrennte Systeme.WHITE Bowlbys zentrale Erkenntnis war, dass die Qualität der Beziehungzwischen Kind und Bezugsperson ausschlaggebend dafür ist, wie ein Kindseine Emotionen zu regulieren lernt. Für diese bahnbrechende Erkenntnismusste Bowlby so sehr kämpfen, dass er sich nur auf wenige Gebiete derBindungsforschung konzentrieren konnte. Ich glaube also, dass er einfachkeine Zeit hatte, seine Aufmerksamkeit in dem Maß auf die Sexualität zurichten, wie man es vielleicht heute tut. Auch pränatalen Erfahrungen zumBeispiel hat er sich kaum widmen können. Aber es ist doch völlig klar, dassdie Art und Weise, wie wir unsere Gefühle zu regulieren lernen, auch beimThema Sexualität ihren Niederschlag findet.

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Sexualität 53

PSYCHOLOGIE HEUTE Oktober 2011

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REDAKTION: KATRIN BRENNER

Im Zentrum der über 500 Seiten star-ken Abhandlung steht die Sozialpsy-chologie der Gegenwart. Alain Ehren-berg diagnostiziert eine folgenreiche Ver-änderung: Auf das Zeitalter der Diszi-plin, das auf den Einzelnen den Zwangzur Anpassung ausübte, folgte jenes der Autonomie, das die Individuen fort-während mit der Aufforderung kon-frontierte, sich selbst zu verwirklichenund Freiheitsspielräume zu nutzen. Bei-de Epochen kennen ihre zeittypischenpsychischen Pathologien: Während derAnpassungszwang und die Kultur der

Versagung Neurosen zur Folge hatten,antwortete das Subjekt auf das Postulatder Selbstverantwortung mit narzissti-schen Störungen und Depression. Die-se Zeitdiagnose zum seelischen Zustandeiner Gesellschaft, die versessen auf dasIdeal der Autonomie und dessen Ver-körperung im glücklichen und erfolg-reichen Individuum ist, hatte Ehrenbergbereits in seinem vorherigen Buch Daserschöpfte Selbst (Campus, 2004) gestellt.Damit ist der französische Forscherschlagartig auch einem deutschen Pub-likum bekannt geworden.

In seinem neusten Werk tritt Ehren-berg, der am Pariser CNRS Leiter einerForschungsgruppe über Psychophar-maka und mentale Gesundheit ist, hin-ter die Thesen des „erschöpften Selbst“noch einmal zurück. Denn mehr nochals dass der Wandel von der Neurose zurDepression gesellschaftliche Transfor-mationen anzeigen würde, bringt er Eh-renberg zufolge zum Ausdruck, dass sichalle Spannungen des modernen Sozial-lebens heute bevorzugt in einer Spracheder Seele artikulieren. Mit anderen Wor-ten: Subjektives Leid ist zum haupt-

Die Pflicht zur SelbstwerdungDer französische Soziologe Alain Ehrenberg unternimmt in seinem neuen Buch nichtsGeringeres, als den Wandel einer ganzen Epoche der westlichen Moderne zu beschreiben

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Buch & Kritik

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PSYCHOLOGIE HEUTE Oktober 2011

sächlichen Medium geworden, in demsich die Gesellschaft über ihre proble-matischen Entwicklungen verständigt.Anhand zweier großangelegter Fallstu-dien vollzieht Ehrenberg nach, welchespezifischen Ausdrucksweisen diesermoderne Diskurs über das kranke Indi-viduum bisher gefunden hat. Frankreichund die USA dienen dem Autor als Bei-spiele dafür. Denn nicht zuletzt die gro-ße Resonanz, die seit jeher Freuds Psy-choanalyse in beiden Ländern fand, do-kumentiert, wie intensiv Franzosen undAmerikaner das psychische Unbehagenan der Gesellschaft stets zum Thema ih-rer öffentlichen Debatten machten.

In beiden Kulturen wird das proble-matische Verhältnis von Persönlichkeitund Gesellschaft als das Zentrum sozi-aler Krisen begriffen. Menschliche Be-ziehungen verlieren danach in dem Ma-ße an Bindungskraft, wie die modernenArbeitsmärkte das flexible Individuumfordern und die Teilhabe an gesellschaft-lichen Institutionen schwächer wird.An die Stelle des politischen Bürgers tritt das psychologisierte Subjekt, demdie Pflicht zur Selbstwerdung auferlegtist. Und wo gestern noch der Familien-mensch sich leidlich in seine Nachbar-schaft integrierte, existieren heute ver-einzelte Individuen, die sich hauptsäch-lich für sich selbst interessieren.

Doch während in den USA die Per-sönlichkeit zu einer Institution wird, aufdie sich die Amerikaner insgesamt po-sitiv beziehen, stellt sich die Berufung

auf das Selbst und seine Bedürfnisse inFrankreich als konfliktträchtig dar.„DerBegriff der Autonomie spaltet die Fran-zosen, während er die Amerikaner ver-eint.“ Insbesondere den politischen Kli-schees seiner französischen Landsleutesteht Ehrenberg mit Skepsis gegenüber.Zwar mag die Begeisterung für das In-dividuum und seine Befindlichkeitenvon Amerika aus eine Kultur der Psy-chologisierung aller gesellschaftlichenVerhältnisse befördert haben – die Fran-zosen hingegen verharrten in der Para-doxie, staatlichen Schutz für die indi-viduelle Selbstwerdung zu fordern. DieFreiheit der Autonomie würden sie da-her gar nicht ernsthaft in Anspruch neh-men.

Ehrenberg fordert deshalb, die Bezie-hungen zwischen Persönlichkeit und Ge-sellschaft gedanklich und institutionellneu zu justieren. Orientierung findet erhierfür in zwei Konzepten der moder-nen Sozialtheorie.Während der indischeÖkonom Amartya Sen weltweit disku-tierte Vorschläge entwickelt, wie man

menschliche Fähigkeiten mobilisierenkann, um Einzelne zur Teilhabe an ge-sellschaftlicher Verantwortung zu be-wegen, verfolgt der Frankfurter Sozial-philosoph Axel Honneth mit seinerTheorie der Anerkennung das Ziel, dasBedürfnis nach individueller Selbstver-wirklichung mit der Geltung allgemei-ner normativer Prinzipien zu verbinden.Beiden Entwürfen kommt das Verdienstzu, Sozialordnungen zu denken, die dasGlück des Individuums nicht in denGegensatz zur Fortentwicklung gesell-schaftlicher Institutionen stellen.

Alain Ehrenberg hat ein Buch ge-schrieben,das in seiner Debatte von Zeit-diagnosen so umfassend wie mituntersperrig ist. Starke Passagen, in denen ausder Rekonstruktion psychologischer Dis-kurse gelungene Sittenbilder entstehen,wechseln sich mit eher mühseligen Ab-schnitten zur Ideengeschichte des Indi-viduums ab. Als eine Art Bestandsauf-nahme des zeitgenössischen Diskursesüber das Ich wird Das Unbehagen in derGesellschaft aus den intellektuellen De-batten aber kaum mehr wegzudenkensein. ! Sighard Neckel

Sighard Neckel ist Professor für Allgemeine Sozio-logie und Analyse der Gegenwartsgesellschaft an derUniversität Wien sowie Mitglied der Leitung des In-stituts für Sozialforschung in Frankfurt/M. Er hat zahl-reiche Bücher veröffentlicht, u.a. Flucht nach vorn.Die Erfolgskultur der Marktgesellschaft (Campus,Frankfurt/M. 2008) und als Mitautor zuletzt Struk-turierte Verantwortungslosigkeit. Berichte aus derBankenwelt (Suhrkamp, Berlin 2010).

Alain Ehrenberg: Das Unbehagen in der Gesellschaft. Aus dem Französischen von Jürgen Schröder. Suhrkamp,Frankfurt/M. 2011, 531 S.,V 29,90

Buch & Kritik 83

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Macht Schokolade süchtig?Schützt Kaffee vor neurogene-rativen Krankheiten wie Alz-heimer und Parkinson? Wasversteht man unter dem Cock-tailpartyphänomen, und was ist der Mozarteffekt? HolgerSchulze unternimmt unterhalt-same Streifzüge durch unserGehirn (Umschau, % 9,90), indenen er 34 Alltagssituationenund ihre neurobiologischenGrundlagen beschreibt. Man erfährt, warum ein Geruchplötzlich uralte Erinnerungen an längst vergangene Kin-dertage hervorbringt, wie chronischer Tinnitus entstehtoder weshalb Wintertage so belastend für das Gemüt seinkönnen. Die kurzen eigenständigen Texte sind ohne Vor-bildung lesbar, und entgegen der „Dosierungsanleitung“des Verlages („die empfohlene Tagesdosierung liegt bei ei-nem Beitrag“) ist auch bei mehreren Texten pro Tag nichtmit unerwünschten Nebenwirkungen zu rechnen.

AUSSERDEM …

Medizingeschichte ist auch ein Wettstreit konkurrie-render Konzepte. Das gilt, allen begrüßenswerten Bemü-hungen um „evidenzbasierte“ Therapie zum Trotz, bis heu-te. Im Innersten geht es dabei um philosophische Grund-positionen: Ist der Körper, wie Descartes ihn sah, eineMaschine? Oder wird er bis in jede Zelle von einer „emp-findenden Seele“ durchdrungen? In seiner Illustrierten Ge-schichte der Medizin (Springer, % 49,95) zeichnet WolfgangU. Eckart dieses Ringen um das rechte Verstehen und The-rapieren des menschlichen Organismus anschaulich nach.Eine Ausnahme bildet leider das einleitende Kapitel, in demdie vorwissenschaftliche Medizin bis zur Aufklärung arggedrängt und mit viel namedropping („Erwähnt werden

muss schließlich auch…“) zu-sammengepfercht wird. Dannaber wird die Darstellungfreier, erklärender, reicher ankolorierenden O-Tönen. In ei-nem ansprechenden Layout er-warten den Leser auf jeder auf-geschlagenen Seite gut ausge-wählte und nicht zu abgegrif-fene Bilder.

In langjährigen Paarbezie-hungen sind sie nicht alltäg-lich, die Momente, in denenman sich Von der Liebe ergrif-fen (Präsenz, % 19,95) fühlt.Trotzdem sehnen sich viele Men-schen nach mehr Tiefe in ihrerPartnerschaft. Die Liebe zwi-schen Mann und Frau hat vielmehr mit Spiritualität zu tun, alsden meisten Paaren bewusst ist,behauptet Hans Jellouschek inseinem neuen Buch. Gemeinsammit anderen Therapeuten richtet er sich an Paare, die ihreLiebe bewusster und tiefer erleben wollen. Es geht dabeium Themen wie Achtsamkeit im Beziehungsalltag, um Ero-tik und Spiritualität, um die Bedeutung von Symbolen fürdie Liebe, um Sinnfragen des Miteinanderlebens oder dietägliche Notwendigkeit der Versöhnung auch mit sich selbst.Vermutlich recht alltagsnah ist das Kapitel „Wozu brauchstdu das? Du hast doch mich!“, in dem Paula Weber be-schreibt, was passiert, wenn nur einer der beiden Partnersich aufmacht, einen spirituellen Weg zu gehen.

„Spätestens nach dem erstenSatz hat der Patient ein Eti-kett“, schreibt Berthold Block imVorwort von Dr. Blocks Patien-tentypologie (Patmos, % 16,90) –und er muss es wissen als Inter-nist in eigener Praxis. Es gibt vie-le Etiketten und Schubladen, indenen man als Patient landenkann, etwa: der Alternativmedi-zinpatient („fühlt sich schnellerkrank als andere“), der Burn-outpatient („leidet nicht mehr

unter anderen, sondern unter sich selbst“), der gut infor-mierte Modekranke („aktuell on top: Fibromyalgie, ADS,Borreliose“). Auch der Aufgeklärte, der Verdränger undder Fanatiker sind kein Zuckerschlecken für den behan-delnden Arzt. Bei den über 50 mit spitzer Feder geschrie-benen Patientenporträts findet man sich als Leser mit ho-her Wahrscheinlichkeit wieder. Vielleicht fühlt sich ja einerberufen, mit einer „Ärztetypologie“ zu antworten?

Buch & Kritik 87

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D I E N O V E M B E R A U S G A B E V O N P S Y C H O L O G I E H E U T EE R S C H E I N T A M 1 2 . O K T O B E R

T I T E LT H E M A

Verschiedene Arten, die Welt zu betrachtenNehmen alle Menschen die Welt gleich wahr? Das ist nicht der Fall. Werte, Sitten, Glaubenslehrenund nicht zuletzt die Sprache sind wie eine getönteBrille, die die Realität in ein kulturspezifischesLicht taucht. Interessante Unterschiede hat die ex-perimentelle Forschung bislang zwischen fernöst-lichen, asiatischen Kulturen und der westlichenKultur festgestellt.

KatastrophentrainingBei der Ursachenfahndung nach Katastrophen wieder Reaktorhavarie von Fukushima ist schnell von„menschlichem Versagen“ die Rede. Doch es ist zukurz gedacht, Menschen nur als Fehlerquelle anzu-sehen. In Krisen kommt es darauf an, die Flexibi-lität menschlichen Handelns zu nutzen – und vorallem zu koordinieren. Das lässt sich trainieren.

Serie: Was macht eigentlich… eine Polizeipsychologin?

„Wir suchen nach Erklärungen für eine Tat“Die Psychologin Claudia Brockmann arbeitet beider Hamburger Polizei. Sie redet Selbstmordgefähr-dete von Hausdächern herunter, berät die Polizeibei Verhandlungen mit Geiselnehmern und hat mitdafür gesorgt, dass der „Heidemörder“ sich freiwil-lig stellte. Psychologie Heute hat die Polizeipsycho-login an ihrem Arbeitsplatz besucht.

Humor ist, wenn auch Trotzki lachtWas genau ist eigentlich Humor? Wenn Humorbedeutet, auch über manche Widrigkeiten desLebens und vor allem über sich selbst lachen zukönnen – ist dann jeder Mensch „humorfähig“?Humor beweist sich gerade in Situationen, dienicht zum Lachen sind. Wie kann man lernen,trotzdem zu lachen?

Außerdem:! Bluuuuut! Die Invasion der Vampire! Was wir inzwischen über Spiegelneuronen wissen! Die Liebe zum Leben – eine Haltung?

Öfter mal „nein!“ sagen: Die Tugend des UngehorsamsGrenzen setzen, nicht ja sagen, wo man eigentlich nein meint,sich nicht den Bedürfnissen anderer unterordnen: Es gehört längstzum psychologischen Allgemeinwissen, dass Selbstbehauptung undAbgrenzung wichtige Säulen seelischer Gesundheit sind. Nun be-kommt das Konzept „Ungehorsam“ neue Aktualität. Denn die Fä-higkeit, nein zu sagen, ist nicht nur im Privatleben von Bedeutung.Auch wer im Beruf einem hohen Burnoutrisiko ausgesetzt ist, solltegelegentlich den Mut zu gut dosiertem Ungehorsam aufbringen.Das stabilisiert die Psyche und hilft gegen wachsenden Arbeitsstress.Gute Gründe, das Neinsagen endlich zu erlernen!

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