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Date post: 18-Oct-2020
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In seinem montalichen Gebetsvideo rief Papst Franziskus zu Mitmenschlichkeit im Internet auf Foto: thepopevideo.org proKOMPAKT pro-medienmagazin.de proKOMPAKT 23 18 1
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Zugegeben: Ich gehörte auch zu den Skeptikern, als Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Zuge der Flüchtlingskrise lautstark in „Bob der Baumeister“-

Manier unserem Volk zurief: „Wir schaffen das.“ Ich hatte so meine Fragen, wie wir das alles bewältigen können. Ich war unsicher, welche Ungewissheiten, vielleicht sogar Gefahren der Zustrom an fremden Menschen nach Deutschland birgt.

Ich hatte mich damals gerade selbst in einem historischen Projekt mit den Heimatvertriebenen in meiner Heimatgemeinde Hüttenberg beschäftigt und dieses Kapitel deutscher Geschichte zum 70. Jahrestag regional beleuchtet. Die wenigen noch lebenden Zeitzeugen sowie die historischen Quellen haben ein ungefähres Bild davon gezeichnet, welche Konsequenzen Flucht und Vertreibung für Flüchtlinge und Aufnehmende hatten.

Braucht es in diesem Zusammenhang nicht von politischer Seite „klare Kante“? Müssen wir als Staat nicht Grenzen setzen, ob und wie lange wir weitere Flüchtlinge aufnehmen können? Diese Fragen gingen mir damals durch den Kopf. Sind die Bayern konsequent, wenn ihr damaliger Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) ohne Kompromisse eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen fordert? War mir die bayerische Linie gar sympathischer als die unserer Kanzlerin?

Warum ich das erzähle? Als ich am Mittwochmorgen mein Postfach bearbeite, stieß ich auf eine E-Mail, die über die Deutsche Presseagentur verbreitet wurde. Sie handelte von Seehofers Nachfolger als Ministerpräsident, Markus Söder. Ein Mann, der gerne klare Kante zeigt und sich als Neuer an der Spitze des Freistaats profiliert: „Der Freistaat Bayern ist – schimpfen Sie mich nicht, wenn ich das sage – das barmherzigste Bundesland in Deutschland.“

Gesagt hat der CSU-Mann das bei einer Talkrunde der

Lieber Leser,

‚Nürnberger Nachrichten‘ am Dienstag in der Franken-Metropole. Ein Zuschauer wollte von ihm wissen, wie er das Verhältnis von bayerischer Flüchtlingspolitik und christlichem Glauben bewertet. Ich musste schmunzeln. Zum einen erinnerte ich mich an die Fragen, die ich mir selbst gestellt habe. Zum anderen fragte ich mich, ob da nicht einer ein „falsches Spiel“ mit uns spielt.

War das Auftreten der Bayern vor Jahren nicht das genaue Gegenteil und eher unbarmherzig? „Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“, steht im Markusevangelium. Wusste Söder, dass ihm Schimpfe droht? Hat er den Einschub bewusst in seine Antwort eingebaut? Der neue Ministerpräsident geht mit Elan und Schwung an seine Arbeit. In öffentlichen Gebäuden sollen Kreuze aufgehängt werden.

Ich jedenfalls wünsche mir, wenn wir in der Politik keine Barmherzigkeitsvergleiche zwischen den Bundesländern aufstellen müssen. Wäre es nicht eine Selbstverständlichkeit, wenn alle Bundesländer und ihre Länderchefs eine barmherzige Politik betreiben würden und immer den Menschen – die Bibel spricht vom geringsten Bruder – im Blick haben?

Ihre pro-Redaktion

Johannes Blöcher-Weil

IMPRESSUM

Herausgeber Christlicher Medienverbund

KEP e.V. | Postfach 1869 | 35528 Wetzlar

Telefon (06441) 915 151 | Telefax (06441) 915 157

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Geschäftsführer Christoph Irion

Redaktionsleitung Stefanie Ramsperger

proKOMPAKT ist ein Nachrichtenservice des

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Das Christliche Medienmagazin pro ist ein Arbeitsbereich des Christlichen Medienverbundes KEP e.V. und lebt von Ihrer Spende. pro-medienmagazin.de/spenden

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Zitate

„Wenn man Jesus und seine Worte anguckt, kann man keine Legitimation von Gewalt aus dem Neuen Testament herauslesen.“Margot Käßmann, laut dts Nachrichtenagentur

Aus einem Interview BILD am SONNTAG

Frage: Ihre Frau hat kürzlich Carl Spitzweg zitiert:

„Ganz sanft im Schlafe möcht ich sterben – und tot sein, wenn ich auf wache.“ Fürchten Sie den Tod?Antwort: Reinhold Würth:

Nein. Wir sind Christen. Wir gehen davon aus, dass wir nach dem Tod weiterleben. Es wäre ein billiger Schöpfer, der so wunderbar komplizierte Wesen geschaffen hat, mit so viel Geist, wenn die Seele nicht existent wäre. Wenn man einfach stirbt wie ein Hund. Das glaube ich nicht. Insofern habe ich da keine großen Bedenken.

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Foto: pro/Swanhild Zacharias

BAYERN

Kreuzerlass blau-weiß

Seit Monatsbeginn sind Behörden des Freistaates Bayern dazu verpflichtet, Kreuze aufzuhängen. Die sollen die christlich-abendländische Prägung des Landes sichtbar machen. Ausgenommen von dem Erlass bleiben Hochschulen, Theater und Museen.

Foto: FaceMePLS, flickr

BURKAVERBOT

Keine Gesichtsverhüllung mehr in Dänemark

In Dänemark darf das Gesicht von August an in der Öffentlichkeit nicht mehr verhüllt werden. Das Verbot richtet sich vor allem gegen Gesichtsschleier wie Burka und Nikab. Auch Träger von Bärten und Mützen sind betroffen.

Foto: Benjamin Röhm

CHRISTUSTAG

„Jesus verbindet" durch Wertschätzung

An Fronleichnam haben sich in Württemberg Christen bei regionalen Christustagen versammelt. An 17 Orten nahmen rund 9.000 Besucher teil.

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Foto: Japanexperterna.se

DIGITALE MEDIEN

Apple will Smartphone-Sucht bekämpfen

Die Botschaft klingt zunächst bizarr: Ein Konzern möchte den Kunden dabei helfen, möglichst sparsam mit seinen Produkten umzugehen. Doch genau das hat Apple nun vor. Neue Funktion unterstützen die User dabei, ihre Bildschirmzeit zu begrenzen – aus gutem Grund.

Foto: U.S. Air Force/Paul Ridgeway

KÜNSTLICHE INTELLIGENZ

Google steigt aus US-Drohnen-Projekt aus

Der Technologiekonzern Google will aus einem Pentagon-Projekt zur Erforschung Künstlicher Intelligenz zur Videoanalyse aussteigen. Mitarbeiter hatten gegen die Zusammenarbeit protestiert.

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Foto: Ted Eytan, flickr

USA

Keine Hochzeitstorte für Schwule: Supreme Court gibt Bäcker RechtEin Bäcker in den USA weigert sich, einem schwulen Paar dessen Hochzeitstorte zu backen. Eine Kommission sieht darin Diskriminierung. Der Oberste Gerichtshof stellt sich dagegen auf die Seite des Bäckers – schränkt seine Entscheidung aber ein.

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VIDEO-BOTSCHAFT

Papst: „Das Internet ist ein Geschenk Gottes“In seiner monatlichen Videobotschaft hat Papst Franziskus betont: „Das Internet ist ein Geschenk Gottes. Doch es bringt eine große Verantwortung mit sich.“Jörn Schumacher

In seinem aktuellen, einminütigen Gebetsvideo sagt Papst Franziskus, die modernen Kommunikationswege ermöglichten vielen Menschen auf der Welt „eine

Erweiterung des Horizontes“. Er fügt hinzu: „Lasst uns die Möglichkeiten der Begegnung und des Zusammenhalts nutzen, die von den sozialen Netzwerken ausgehen.“

Das Oberhaupt der Katholischen Kirche wünscht sich das Internet als einen „Ort, der reich an Mitmenschlichkeit ist“. Der Papst schloss mit den Worten: „Beten wir gemeinsam darum, dass die sozialen Netzwerke die Persönlichkeit der

In seinem montalichen Gebetsvideo rief Papst Franziskus zu Mitmenschlichkeit im Internet aufFoto: thepopevideo.org FSJ/FACHABITUR-

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Einzelnen nicht auslöschen, sondern dass sie die Solidarität und den Respekt im Umgang mit einander fördern, und das bei all unseren Unterschieden."

Der Papst veröffentlicht seit 2016 monatlich eine Videobotschaft und ruft darin zum Gebet für bestimmte Themen auf. Die Clips werden auf der Webseite www.thepopevideo.org jeweils in neun Sprachen angeboten.

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KIRCHE UND DIGITALISIERUNG

Mit W-LAN in die KircheHandys an zum Gottesdienst! Bei den interaktiven Online-Gottesdiensten, die Pfarrer Rasmus Bertram entwickelt hat, ist das nicht nur erlaubt sondern erwünscht: Jeder soll sich auf diesem Weg mit seinen Fragen und Gedanken einbringen. Das ist typisch evangelisch, meint Bertram. Auf die Liturgie braucht der Pfarrer trotzdem nicht zu verzichten.Jonathan Steinert

Als der Gottesdienst beginnt, weiß Pfarrer Rasmus Bertram noch nicht, was er in der Predigt alles sagen wird. Er hat sie zwar vorbereitet, Kerngedanken und

Ziel formuliert, aber sie zu Hause gelassen. Nur ein paar Karteikärtchen für einen Drei-Minuten-Input hat er dabei und seinen Tablet-Computer. „Die Predigt“, sagt Bertram, „habe ich im Kopf. Ich erwarte, dass Gott uns im Gottesdienst führt.“ Mit „uns“ meint er nicht nur sich, den Organisten und die Lektorin, er meint damit alle Gottesdienstbesucher, die sich – sei es in der Kirche, zu Hause oder auf der Autobahn – daran beteiligen können, per Internet, Livestream und Chat. Mit ihren Fragen und Gedanken bestimmen sie, wohin die Predigt geht.

Bertram, Pfarrer der Evangelischen Landeskirche in Hessen und Nassau, hat dieses Konzept des Internet-Mitmach-Gottesdienstes entwickelt. Im vorigen Jahr haben es mehrere Gemeinden erstmals live ausprobiert: Ein ganz normaler liturgischer Gottesdienst, der ins Internet auf die Plattform sublan.tv übertragen wird. Dort kann, wer immer gerade im Netz unterwegs ist, reinschauen und mitmachen

– mit eigenen Kommentaren und Fragen im Chat. Auch die Gottesdienstbesucher im Kirchenschiff dürfen zum Smartphone greifen und ihre Beiträge abschicken. Diese werden anonymisiert, von einer Software sowie einem kleinen Redaktionsteam geprüft und thematisch sortiert und an den Pfarrer, seine Co-Predigerin und die Moderatorin weitergeleitet. Sie greifen die Anregungen und Beiträge auf und bauen sie live in eine Art Predigtgespräch ein.

Mitmachen – das ist aus Sicht Bertrams zutiefst evangelisch: „Wir glauben, dass Gott zu allen Menschen spricht, nicht nur zum Pfarrer“, sagt er und verweist auf Luthers Lehre vom Priestertum aller Gläubigen. Das verändere den Blick auf den Einzelnen: Jeder sei wichtig. „Wie konnte sich der evangelische Gottesdienst eigentlich zu so einer One-Man-Show entwickeln?

Gemeinsam nach der Wahrheit suchen

Für ihn ist es nicht so entscheidend, in den Predigten Wissen zu vermitteln. „Die Menschen wollen wissen, was sich bewährt. Wie bekomme ich hin, was ich vorhabe? Wie gehe ich mit Scheitern um, wie mit einem Seitensprung?“ Dabei sei es für alle bereichernd, was jeder Einzelne einbringe. Dass er als Pfarrer dabei nicht jeden Gedanken so vertiefen kann, wie es nötig wäre, und dass die „Predigt“ auf diese Weise nicht immer einen durchgehenden roten Faden hat, nimmt Bertram in Kauf. Außerdem: Mit Improvisation kennt er sich aus, denn außer Theologie hat Bertram auch Schauspiel studiert und im

Leipziger „Theater der neuen Welt“ Impro-Theater gemacht. Fähigkeiten, die er bei den interaktiven Gottesdiensten gut gebrauchen kann.

Dass die Kirche ein Ort ist, wo Menschen zusammen nach der Wahrheit suchen und wo es nicht schlimm ist, auch Fehler zu machen, war ein Grund für Bertram, Pfarrer zu werden. Geboren und aufgewachsen ist er in der DDR, in Sachsen-Anhalt. Das hört man ihm noch ein bisschen an, wenn er etwa „jeworden“ sagt oder „umjekehrt“. Als Teenie hat ihn die Kirche nicht interessiert. Zwar war er getauft, aber die Konfirmation hat er in der achten Klasse nicht gemacht – dafür mit 18 Jahren nachgeholt. Es habe nur Kirche oder Kommunismus gegeben, um sich gesellschaftlich zu engagieren. Die Kirche hat ihn überzeugt.

Die Idee für die interaktive Gottesdienstform entstand bei einem ganz profanen Anlass: einer LAN-Party. Diese Computerspiel-Partys hatten Anfang der Zweitausenderjahre ihren Höhepunkt, als das Internet noch langsamer war. Dafür trafen sich die Spieler in ausreichend großen Räumen, verkabelten ihre Rechner miteinander und zockten tagelang. So auch in der Frankfurter Jugendkirche St. Peter, wo Bertram Jugendpfarrer war. 2009 veranstaltete eine Gruppe von Jugendlichen namens „sublan“ dort die erste LAN-Party, die jungen Leute ballerten bei Spielen wie Counter Strike oder Call of Duty. Aber sie sollten auch eine Andacht von Bertram hören. Der stellte sich allerdings nicht zwischen die Computer: Er wurde über das Netzwerk aus der Kapelle zugeschaltet.

So konnten die Zocker den Pfarrer auf ihren Bildschirmen sehen und über einen Rückkanal darauf antworten: der erste interaktive „sublan“-Gottesdienst. Das Interesse an den Partys und den Gottesdiensten wurde immer größer, die Technik und die inhaltliche Umsetzung der Gottesdienste professioneller. 2012 entschied das Team um Pfarrer Bertram, die LAN-Partys sein zu lassen und sich nur noch der Weiterentwicklung des neuen Formats zu widmen. Weitere drei Jahre später beendete Bertram seinen Dienst in St. Peter und wurde von seiner Landeskirche zu 50 Prozent freigestellt, um das Projekt

Pfarrer Rasmus Bertram überträgt einen Großteil der Gottesdienste im InternetFoto: pro/Jonathan Steinert

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ROMAN ÜBER ISLAMISTISCHES FRANKREICH

Houellebecq-Verfilmung: Zwischen Islamophobie und politischer KorrektheitMichel Houellebecqs Roman „Unterwerfung" ist als islamophob verschrien worden. Da verwundert es nicht, dass auch die Verfilmung für Aufsehen sorgt - sowie die Debatte in der Sendung Maischberger im Anschluss an die Ausstrahlung am Mittwoch.Anna Lutz

Am Mittwoch zeigte das Erste die Verfilmung des Romans „Unterwerfung" von Michel Houellebecq. Das Buch erschien 2015 zeitgleich mit dem islamistischen

Anschlag auf die Redaktion von Charlie Hebdo in Paris. Die Attentäter haben das Datum wohl absichtlich gewählt, denn der Autor zeichnet in seinem Werk das Bild eines islamisierten Frankreichs.

Im Jahr 2022 regiert in „Unterwerfung" ein islamistischer Präsident das Land, zweitstärkste Kraft ist der rechte Front National, Straßenkämpfe und Demonstrationen begleiten die politischen Umbrüche und treiben das Land an den Rand des Bürgerkriegs. Ruhe kehrt erst ein, als die Islamisten den Staat nach ihrem Willen umgestalten: Die Lehre an den Universitäten wird zensiert, Frauen verschleiern sich, Vielehen sind erlaubt und Arabisch wird zur vielgesprochenen Sprache. Die Hauptfigur ist ein Literaturprofessor, der sich zutiefst unglücklich über sein Leben in Sexabenteuer flüchtet und sich für Politik nur dann interessiert, wenn es unbedingt nötig ist. Durch seine Augen beobachtet der Leser ein sich veränderndes

Paris - von einer freien westlichen Stadt, in der Frauen oft nicht mehr sind als Sexsymbole, zu einer islamistischen Metropole, die ihre weiblichen Einwohner ebenso herabwürdigt, indem sie sich verschleiern müssen und als Zweit- oder Drittfrauen für mächtige Männer fungieren sollen.

Im Mittelpunkt ein Kreuz

Schon nach Erscheinen des Romans warfen viele Houellebecq Islamophobie vor, der Autor hat sich immer wieder dafür rechtfertigen müssen. Es wundert nicht, dass auch die Ausstrahlung der Verfilmung am Mittwoch für Aufsehen sorgte.

Darin spielt Edgar Selge die Hauptrolle. Tatsächlich steht der Schauspieler schon seit zwei Jahren mit der Theaterversion von „Unterwerfung“ auf der Bühne. Der Film bindet Ausschnitte seiner Auftritte mit in Paris gedrehten Erzähl-Szenen zusammen. So sieht der Zuschauer Selge vor seinem Hamburger Publikum in grandiosen Monologen über sein Leben, seine Affären und Frankreich philosophieren. Dabei sitzt, steht und klettert er in einem in die hintere Bühnenwand eingelassenen drehbaren Kreuz herum. Dieses steht mal aufrecht, liegt mal auf der Seite oder steht auf dem Kopf - ein wunderbares Bild für das Kreisen der Hauptfigur um die eigene nicht vorhandene Religiosität. Denn Houellebecq lässt seinen Protagonisten auch selbst auf die Suche nach dem Glauben gehen: In einem katholischen Kloster oder im Gespräch mit einem islamistischen Universitätsleiter.

Krawall bei Maischberger

Strittig ist nicht nur der Inhalt des Films sondern vor allem auch die Aufbereitung des Themas durch die ARD. Gleich im Anschluss der Ausstrahlung nämlich ließ Sandra Maischberger ihre Gäste über die Frage diskutieren „Die Islamdebatte: Wo endet die Toleranz?“ Zuvor war die Sendung unter anderem mit dem Satz angekündigt worden: „Sind wir zu tolerant gegenüber dem Islam?“ In Sozialen Netzwerken sorgte das für massiven Widerspruch. Die Redaktion trage zur Spaltung der Gesellschaft bei, hieß es etwa. Die Sendungsmacher erklärte daraufhin, die Kritik ernst zu nehmen und sich intern damit auseinanderzusetzen.

Die Sendung selbst wurde dann ebenso krawallig, wie die Ankündigung vermuten ließ. Es diskutierten neben Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner auch Islamkritikerin Necla Kelek, der Spiegel-Journalist Jan Fleischhauer, die taz-Journalistin Bettina Gaus und der Vorsitzende der Migrantenpartei BIG, Haluk Yildiz. Gerade die letzte Besetzung lässt darauf schließen, dass sich wohl kein Vertreter der islamischen Verbände hatte finden können, um über das Thema zu sprechen. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, äußerte sich zwar nicht öffentlich zur Sendung. Auf Twitter verbreitete er aber zahlreiche kritische Äußerungen anderer dazu. Ein deutliches Signal, dass auch er Titel und Besetzung für problematisch hält.

Klöckner erklärte bei Maischberger, sie habe keine Angst vor einer Islamisierung. Sorge bereite ihr aber der Gedanke, dass Frauenrechte zunehmend vernachlässigt würden. Als Beispiel nannte sie die Debatte mit einem Imam, der ihr aus religiösen Gründen nicht die Hand zur Begrüßung reichen wollte, weil sie eine Frau ist. Das sei im Jahr 2018 nicht zu dulden, es vermittle ein „krudes Frauenbild" und könne nicht als Teil kultureller Vielfalt abgetan werden. „Dass wir das zulassen, obwohl wir uns mitunter dafür einsetzen, dass die Nationalhymne gendergerecht gestaltet wird" halte sie für absurd, sagte Klöckner im Bezug auf eine mögliche Benachteiligung von Frauen im Islam.

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PROGRAMMBESCHWERDE

ZDF-Intendant bittet um EntschuldigungEin Plüschhase statt Jesus am Kreuz – so hatte die Satiresendung „heute-show“ das Passionsgeschehen gezeigt. In einer offiziellen Reaktion hat ZDF-Intendant Thomas Bellut jetzt Verständnis für eine Programmbeschwerde des Christlichen Medienverbundes KEP geäußert – und um Entschuldigung gebeten. pro

Auf seine Programmbeschwerde zu einem Beitrag der Satiresendung „heute-show“, der die Passionsgeschichte mit einem gekreuzigten Plüschhasen darstellte, bekam

der Christliche Medienverbund KEP Antwort vom Intendanten des ZDF, Thomas Bellut. In seinem Schreiben legte Bellut zunächst ausführlich dar, dass es der Redaktion der „heute-show“ darum gegangen sei, eine absurde Islamkritik von AfD-Chef Jörg Meuthen zu widerlegen. In einer satirisch überspitzten Darstellung habe man „die Instrumentalisierung christlich-abendländischer Werte durch die AfD zur Rechtfertigung islamkritischer Ressentiments angeprangert“.

Als verstärkendes Stilmittel seien hierzu „Bilder der Passionsgeschichte satirisch verfremdet“ worden. Wörtlich fügte Bellut hinzu, er könne „sehr gut nachvollziehen, wenn Sie sich über diese Art der Darstellung beschweren“. Eine Herabwürdigung des christlichen Glaubens und seiner Symbole oder eine Verletzung religiöser Gefühle seien „zu keiner Zeit von der Redaktion beabsichtigt oder gar Ziel dieser Satire“ gewesen. Sollten religiöse Gefühle „dennoch verletzt worden sein, bitte ich dies zu entschuldigen“. Zugleich machte er deutlich, dass ihm die Einordnung in den Kontext der von der Redaktion beabsichtigten AfD-Kritik wichtig sei.

Der Geschäftsführer des Christlichen Medienverbundes, Christoph Irion, äußerte Respekt für die differenzierte Antwort des ZDF-Intendanten: „Ich danke Herrn Dr. Bellut für diese Entschuldigung. Sie gilt letztlich allen enttäuschten Zuschauern, die den Eindruck hatten, die Passionsgeschichte Jesu, die der zentrale Dreh- und Angelpunkt des christlichen Glaubens aller Konfessionen ist, sei in der ‚heute-show‘ buchstäblich zur flotten Lachnummer geworden.“ In unserer oft gereizten und überhitzten Debattenkultur seien „ernst gemeinte Entschuldigungen inzwischen eine Seltenheit. Diese Geste verdient Respekt.“

Fernsehrat soll sich mit Beschwerde befassen

Zugleich kritisierte Irion jedoch, dass der Intendant die Programmbeschwerde des Christlichen Medienverbundes KEP argumentativ nicht entkräftet habe. Nach Angaben von Irion hat der Christliche Medienverbund deshalb beantragt, dass der ZDF-Fernsehrat sich mit dem Thema befasst. Den Bestimmungen des Senders zufolge wird die Vorsitzende des Fernsehrates, Marlehn Thieme, die Beschwerde an den zuständigen Programmausschuss weiterleiten. Dieser wiederum soll nach eingehender Prüfung des kompletten Sachverhaltes eine Beschlussempfehlung für den Fernsehrat erarbeiten.

Nach Einschätzung des Christlichen Medienverbundes erscheint die von Intendant Bellut dargelegte ursprüngliche Absicht der heute-show-Macher „glaubwürdig und im Hinblick auf die fragwürdigen Äußerungen der AfD durchaus ehrenhaft“, so Irion. „Sie ist jedoch auf nachvollziehbare Weise offenbar handwerklich nicht überzeugend umgesetzt worden: Denn die satirisch entstellte Präsentation der biblischen Passionsgeschichte und der Person Jesu hat nach

Thomas Bellut ist seit 2012 Intendant des ZDFFoto: Olaf Kosinsky, Wikipedia

unserer Kenntnis viele Zuschauer irritiert. Wer sich die von uns kritisierte Passage in der ZDF-Mediathek anschaut, kann an dieser Stelle der Sendung kaum auf die Idee kommen, hier wird die AfD kritisiert. Gelacht wird über den komischen Osterhasen am Kreuz.“ Der persiflierte Christus, der nach christlicher Glaubensüberzeugung unschuldig zu Tode gefolterte Gottessohn und sein qualvolles Sterben würden hier – bewusst oder unbewusst – der Lächerlichkeit preisgegeben.

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TERRA X

ZDF-Doku: Bedeutung der Bibel unbestrittenDie Bibel ist teilweise mehrere tausend Jahre alt, doch bis heute hat sie nichts von ihrer Wirkung eingebüßt. Das gehört zu den „Fünf Fakten über die Bibel“, die das ZDF in der Sendereihe „Terra X“ verbreitet. Der Wahrheitsgehalt des „Buches der Bücher“ sei jedoch eher minimal, finden die Autoren.Jörn Schumacher

Die Bibel wurde insgesamt rund 5 Milliarden Mal verkauft, und es kommen jährlich rund 100 Millionen Exemplare hinzu. Darüber klärt der Film „Fünf Fakten

über die Bibel“ der ZDF-Reihe „Terra X“ auf. Weiter heißt es in dem siebenminütigen Beitrag: „Egal ob man nun gläubig ist oder nicht, die Geschichten aus dem sogenannten Buch der Bücher stammen meistens mitten aus dem Leben.“ Die Kultur der westlichen Welt spiegele viele Dinge wider, die in der Bibel eine Rolle spielen.

Bei „Fakt 1“ wird erklärt, dass das Alte Testament vor 3.000 Jahren entstand und die Geschichten daraus zunächst von Nomaden jahrhundertelang mündlich überliefert wurden. Der „Ratgeber für das alltägliche Leben“ sei schließlich verschriftlicht worden. „Fakt 2“ klärt auf: „Die Schriften,

die es in das Neue Testament schafften, wurden im Rahmen zahlreicher kirchlicher Versammlungen, Synoden genannt, im Laufe des 4. Jahrhunderts festgelegt.“ Dabei seien drei Kriterien angelegt worden: Der Text musste von einem Augenzeugen Jesu aufgeschrieben worden sein, er musste innerhalb des 1. Jahrhunderts verfasst worden sein und mit bereits anerkannten biblischen Schriften übereinstimmen.

„Jesus lief nie übers Wasser“

Weiter heißt es in „Fakt 3“, dass sich im Jahr 325 Kirchenvertreter auf die erste grobe Zusammensetzung der Bibel einigten. Kaiser Konstantin der Große, der sich dem Christentum zugewandt hatte, brachte den Prozess entscheidend voran. Damit die Einigung schneller ging, bot er den Kirchenvertretern Geld an, die es schließlich auch annahmen.

Der vierte Fakt in der Sendung über die Bibel lautet: „Erst das Römische Imperium macht die massenhafte Verbreitung der Bibel möglich.“ Denn das Christentum wurde im Jahr 380 im Reich zur Staatsreligion erklärt, und fast zeitgleich wurde die Bibel fertiggestellt.

In „Fakt 5“ heißt es: „Im historischen Sinne haben viele berühmte Figuren der Bibel nie gelebt.“ Und: „Jesus lief auch nie wirklich übers Wasser.“ Und weiter: „An vielen Stellen ist der historische Gehalt an der Bibel minimal.“ Es sei vielmehr darum gegangen, mit den erfundenen Geschichten den Leser zu „fesseln“. Das sei jedoch praktisch, da die Bibel so immer wieder neu interpretiert werden könne. „So bleibt sie trotz ihres Alters immer aktuell.“

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Foto: Dany Sternfeld

FREIKIRCHEN AUF DEM VORMARSCH IN LATEINAMERIKA

Heavy Metal und Jesus: Kirche in Rio buhlt mit Rockmusik um GläubigeEs geht um Gott und Gitarren, um Erlösung und Ekstase: In einem Slum in Rio predigt ein evangelikaler Pastor das Evangelium mit Hilfe von Metallica und Motörhead. In Lateinamerika sind die Freikirchen auf dem Vormarsch – nicht alle sind so liberal wie die Metal-Christen.

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Mehr zum Thema: ARD-Dokumentation über Flüchtlinge, Werte und

Kriminalität

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STUDIE

Glaube wird immer mehr zur PrivatsacheNur noch 64 Prozent der amerikanischen Christen fühlen sich persönlich verantwortlich, von ihrem Glauben zu sprechen. 1993 waren es noch 89 Prozent. Das hat das Institut Barna in zwei vergleichenden Studien herausgefunden. Ursache des Wandels sei die gesellschaftliche Entwicklung.Robert Martin Jockel

Immer weniger amerikanische Christen sehen sich in der persönlichen Verantwortung, anderen ihren Glauben weiterzugeben – zu diesem Ergebnis kommt das kalifornische

Institut Barna in seiner neuen Studie „Spiritual Conversations in the Digital Age“ (Geistliche Gespräche im digitalen Zeitalter). Das Institut hatte rund 1.700 US-Amerikaner befragt, etwa ein Drittel davon „Millennials,“ also zwischen 1980 und 2000 geborene junge Erwachsene, Christen wie Nichtchristen.

Die Publikation vergleicht Umfrageergebnisse mit einer ähnlichen Studie von 1993. Das Ergebnis: Vor einem Vierteljahrhundert bejahten noch 89 Prozent der befragten Christen die Frage, ob jeder Christ die Verantwortung habe, seinen Glauben anderen Menschen mitzuteilen. Heute sind es nur noch 64 Prozent.

Den Grund für die Abnahme um 25 Prozentpunkte in ebenso vielen Jahren sieht das Institut vor allem in der kulturellen und gesellschaftlichen Entwicklung. „Die übergreifenden kulturellen Trends von Säkularismus, Relativismus, Pluralismus und digitalem Zeitalter tragen zu einer Gesellschaft

bei, die weniger an Religion interessiert ist und Spiritualität im Alltag an den Rand drängt“, so Barna-Chefredakteurin Roxanne Stone. Christen befänden sich heute stärker als noch 1993 in einem Spannungsfeld zwischen Jesu Gebot, die gute Nachricht weiterzugeben, und einem gesellschaftlichen Misstrauen gegenüber Bekehrungsversuchen.

Heute wird vom Glauben anders gesprochen

In der Folge sehen fast 30 Prozent Evangelisation heute als Aufgabe der Ortsgemeinde – und nicht des einzelnen Gläubigen. 1993 waren es nur etwa 10 Prozent. Weiterhin stellt die Studie fest: Inhalt und Herangehensweise der Gespräche sind heute ebenfalls anders. Zum einen wird das Reden vom Glauben formalistischer: 44 Prozent geben an, in jedem Gespräch denselben wesentlichen Inhalt wiederzugeben. 1993 waren es 33 Prozent.

Zum anderen schlägt sich das gesellschaftliche Misstrauen

gegenüber Absolutheitsansprüchen nieder; so fordern beispielsweise nur noch 24 Prozent ihren Gesprächspartner heraus, seine Überzeugungen zu verteidigen (1993: 43 Prozent). Auch sprachen vor 25 Jahren noch 78 Prozent von den Vorteilen einer persönlichen Entscheidung für Jesus – heute sind es 50 Prozent. Die Bibel wird ebenfalls zu 22 Prozent weniger zitiert (von 59 Prozent zu 37 Prozent).

Obwohl die meisten Gespräche über den Glauben nach wie vor spontan stattfinden (heute 61 Prozent, damals 75 Prozent), geben 19 Prozent der Christen an, auch aktiv nach Möglichkeiten zu suchen, ihren Glauben mitzuteilen. 1993 waren es lediglich 11 Prozent.

Gespräche über den Glauben oft gesellschaftlich tabu

Gleichzeitig geben etwa 44 Prozent der Christen heute an, dass sie eine Konversation über den Glauben vermeiden würden, wenn sie im Vorhinein wüssten, dass ihr nichtchristlicher Freund sie dafür ablehnen wird – das sind 11 Prozent mehr als 1993. 10 Prozent mehr (von 37 Prozent zu 47 Prozent) halten außerdem ein Gespräch über den Glauben nur dann für sinnvoll, wenn es innerhalb einer bereits bestehenden Beziehung stattfindet.

Auch Nichtchristen hat das Institut zu ihrer Wahrnehmung solcher Gespräche befragt. Das Ergebnis: Öfter als Christen halten sie sie für unangebracht. 61 Prozent geben beispielweise an, dass jemand seine religiösen Überzeugungen für sich behalten solle, wenn diese als respektlos oder verurteilend wahrgenommen werden könnten. Unter praktizierenden Christen sind es 30 Prozent. 35 Prozent der Nichtchristen meinen, Überzeugungen sollten nicht so weitergegeben

Die öffentliche Bezeugung und das Praktizieren des christlichen Glaubens wird immer mehr zu einer privaten AngelegenheitFoto: Gemeinfrei

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Mehr zum Thema: „Zweifel ist eine Dimension des Glaubens“

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STUDIE

Junge Protestanten sind engagierterEine Erhebung unter jungen Menschen hat ergeben, dass evangelische Christen sich stärker ehrenamtlich engagieren als etwa Konfessionslose. Und: Wer in der Kirche engagiert ist, hat eine stärkere Bindung zur Gemeinde. Anna Lutz

Über die Hälfte der 18- bis 26-jährigen Protestanten sind ehrenamtlich engagiert, unter den Konfessionslosen ist es etwas mehr als ein Drittel. Das erklärte der Pfarrer

und Diplompsychologe Wolfgang Ilg von der Evangelische Hochschule Ludwigsburg am Montag in Berlin. „Das Ehrenamt wird in der Evangelischen Kirche befördert“, stellte er fest.

Eine wichtige Rolle spiele dabei die Konfirmandenzeit. Konfi-Camps und Konfi-Praktika seien oft der erste Zugang junger Menschen zu ehrenamtlicher Arbeit. Auch in anderer Weise komme dieser Phase eine besondere Bedeutung zu: Diejenigen, die mit ihrer Konfi-Zeit zufrieden sind, hätten später nur eine halb so große Austrittsneigung wie diejenigen, die nicht zufrieden sind.

Um herauszufinden, wie kirchliches Engagement und Ehrenamt zusammenhängen, hatte die Evangelische Kirche in Deutschland die Studie „Jung – Evangelisch – Engagiert“ in Auftrag gegeben. Durchgeführt wurde die Erhebung von der Universität Tübingen zusammen mit dem Comenius-Institut. Sie umfasst eine repräsentative Befragung 18- bis 26-Jähriger,

qualitative Interviews sowie eine längsschnittliche Befragung Jugendlicher vier Jahre nach ihrer Konfirmation.

Ehrenamt schafft Bindung zur Kirche

Demnach gaben 77 Prozent der befragten ehrenamtlich engagierten Christen an, es sei ihnen wichtig, Menschen zu helfen – im Gegensatz zu 53 Prozent der Nichtengagierten ohne christlichen Hintergrund. Politisches Engagement ist 53 Prozent der engagierten Christen wichtig, aber nur 24 Prozent der nichtchristlichen Nichtengagierten. Wer aus einem religiösen Elternhaus kommt, ist eher ehrenamtlich aktiv. Auch die Eltern selbst sind in frommen Haushalten eher engagiert.

Thomas Rauschenbach, Direktor des Deutschen Jugendinstituts, sagte bei der Vorstellung, die Rolle der Eltern bei der Animation zum Ehrenamt sinke. Sie seien heute oft nicht mehr traditionell an die Kirche gebunden. Zugang schafften stattdessen oft Gleichaltrige. Junge Menschen mit Wertebindung, „die für oder gegen etwas sind“, wie Rauschenbach sagte, seien eher engagiert: „Wertgebundenheit schafft viele Gelegenheiten für Ehrenamt.“ Und: „Je früher man anfängt, umso eher bleibt man.“ Die Kirche müsse dieses Potential erkennen und ihre Orte nutzen, um junge Menschen anzusprechen. Denn die Studie zeigt auch, dass Kirchenmitglieder, die sich engagieren, eine stärkere Bindung zu ihrer Kirche haben.

Die Studie gibt auch Aufschluss über das Wahlverhalten der untersuchten Gruppen. Demnach gaben de meisten – 25 Prozent – der engagierten jungen Christen an, Union zu wählen, gefolgt von der SPD und den Grünen. Die AfD landete mit 7 Prozent auf Platz vier der Parteipräferenz. Unter den Nichtengagierten und Nichtreligiösen ist die Reihenfolge anders. Die meisten gaben auch hier an, Union zu wählen, gefolgt von der SPD. Auf Platz drei liegt aber mit 11 Prozent die AfD.

Wer eine gute Konfirmandenzeit erlebt, ist eher ehrenamtlich engagiert und eher kirchlich gebunden, sagen Experten. Die Kirche soll dieses Potenzial nutzen.Foto: pro

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MISSION

Kongress zu Evangelisation in Deutschland geplantMit einem Kongress in Deutschland wollen sich Christen 2020 dem Thema Evangelisation widmen. Rund 800 Teilnehmer sollen kommen. Veranstalter ist das Europäische Komitee der Lausanner Bewegung.Anna Lutz

„Dynamic Gospel – New Europe", also Dynamisches Evangelium – Neues Europa, ist der Titel der Evangelisationskonferenz, die laut dem Vorsitzenden

der Koalition für Evangelisation, Roland Werner, im Oktober 2020 in Deutschland stattfinden soll. Dazu lädt die Lausanner Bewegung in Europa evangelikale Leiter, etwa von Gemeinden, Missionsorganisationen oder auch Akademiker zum Gespräch, gemeinsamen Gebet und zur Vernetzung ein.

In einer Mitteilung schreiben die Veranstalter, nirgendwo auf der Welt sei es nötiger und dringender geboten, Zeuge Jesu zu sein und dessen Lehren weiterzugeben als auf dem europäischen Kontinent. Ziel der Konferenz soll es sein, das Vertrauen in die Bibel zu stärken, christliche Netzwerke aufzubauen, Jüngerschaft und die Mission in Europa zu fördern und das Thema auch durch Studien und akademische Ansätze zu untermauern.

Die Koalition für Evangelisation in Deutschland gehört der weltweiten Lausanner Bewegung an. Deren Ziel ist es, missionarische Aktivitäten zu fördern. In Deutschland arbeitet die Koalition für Evangelisation nach eigenen Angaben insbesondere mit der Arbeitsgemeinschaft Missionarische Dienste, der Deutschen Evangelischen Allianz, den Freikirchen und vielen freien evangelistischen Werken und Verbänden zusammen.

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Der Theologe Roland Werner sitzt dem deutschen Zweig der Koalition für Evangelisation vor Foto: Roland Werner

Foto: CDU Rheinland-Pfalz

MUSLIME IN DEUTSCHLAND

Klöckner will weiter Schweinefleisch an SchulenBundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner hat sich dafür ausgesprochen, trotz immer mehr Kindern aus islamischen Familien auch weiterhin Schweinefleisch in Schulkantinen anzubieten. Das sagte sie der Funke Mediengruppe.

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STUDIE

Medienverzicht könnte Schüler dümmer machenEltern, die ihren Kindern – im Interesse derer schulischer Leistungen – klare Grenzen beim Medienkonsum setzen, schießen möglicherweise ein Eigentor. Das hat eine Studie der Universität Zürich ergeben.Martin Jockel

Viele Eltern geben ihren Kindern klare Regeln bei der Nutzung digitaler Medien wie des Handys vor – weil sie befürchten, dass ein Zuviel davon den schulischen

Leistungen des Nachwuchses schadet. Dass das ein Trugschluss

sein könnte, zeigt nun eine neue Studie der Universität Zürich. Die Kommunikationswissenschaftlerin Eszter Hargittai und

ihr Kollege Drew Cingel befragten dazu über 1.100 Absolventen eines amerikanischen Colleges nach ihren schulischen Leistungen und den Regeln zum Medienkonsum, die ihre Eltern aufgestellt hatten. Der Befund: Diejenigen Studenten, die in der Kindheit klare Vorschriften ihrer Eltern zu beachten hatten, schnitten am College in der Regel schlechter ab – vor allem dann, wenn die Eltern das Verbot damit begründeten, es müsse mehr Zeit für die Hausaufgaben bleiben.

„Die gutgemeinte Maßnahme zieht möglicherweise unbeabsichtigte negative Konsequenzen nach sich“, sagte Hargittai. Der Trend zeige sich unabhängig von Faktoren wie dem sozialen Hintergrund. Die Ausnahme: Kinder, deren Eltern das Verbot mit gesundheitlichen Gründen argumentierten, schnitten in der Regel schulisch besser ab – vermutlich weil sie nun von den gesundheitlichen Vorteilen auch akademisch profitieren.

Verschiedene Faktoren relevant – nicht nur objektive

Basis der Untersuchung waren die – subjektiven – Erinnerungen der Befragten – sowohl an ihre Schulzeit als auch an die Regeln ihrer Eltern. Jedoch wurden auch aktuelle schulische Leistungen aus der College-Zeit einbezogen. Auf mögliche Ursachen für den Zusammenhang zwischen den Schulleistungen und dem Medienkonsum in der Kindheit gehen die Forscher nicht ein.

Weiterhin zeigt die Studie, dass verschiedene soziale und demografische Faktoren eine Rolle dabei spielen, wie die Eltern ihr Verbot begründen. So argumentieren sie etwa Jungen gegenüber häufiger mit gesundheitlichen Gründen, Mädchen gegenüber öfter mit Gründen des Datenschutzes. Auch der Bildungsstand der Eltern bestimme die Verbote. „Wir konnten zeigen, dass der soziodemografische und familiäre Kontext einen Einfluss darauf hat, wie Regeln begründet werden, und dass diese Begründungen wiederum einen Einfluss auf den späteren schulischen Erfolg haben können“, so Hargittai.

Daher seien Eltern in der Verantwortung, zwischen verschiedenen Medien zu unterscheiden und ihre Kinder über deren Konsum aufzuklären. Auch eine gemeinsame Nutzung sei mitunter sinnvoll.

Forscher meinen, Medienkonsum könnte schulische Leistungen fördernFoto: contrastwerkstatt, fotolia

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JUDENFEINDLICHKEIT

Mendel: „Antisemitische Einstellungen sind salonfähig geworden“Politik und Öffentlichkeit diskutieren über wachsenden Antisemitismus in Deutschland. Im Gespräch mit pro erklärt Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, Ursachen und Ausprägungen des politisch motivierten Antisemitismus und warum auch Menschen mit antisemitischen Einstellungen ein Recht auf Asyl haben. Und er spricht darüber, wie religiöse Vielfalt gelingen kann. Norbert Schäfer

pro: Herr Mendel, was sagt es über den Zustand unserer Gesellschaft, wenn ein Israeli mit Kippa auf der Straße angegriffen wird und Rapper Auschwitz-Opfer verhöhnen dürfen?Meron Mendel: Diese Fälle haben in den letzten Wochen große mediale Aufmerksamkeit erlangt. Aus der Beratungs- und Bildungsarbeit wissen wir, dass das keine neuen Entwicklungen sind. 2014 hatte die Antisemitismus-Kommission bereits festgestellt, dass jeder fünfte, der hier lebt, latent antisemitisch ist.

Wie geht die Gesellschaft damit um?Bisher wurde der Antisemitismus eher ignoriert. Mit den aktuellen Fällen ist ein medialer Damm gebrochen. Viele sind für das Thema sensibilisiert. Es geht nun darum, nicht in einen Alarmismus zu verfallen. Ich bin nicht so vermessen zu denken, dass wir Antisemitismus für immer und ewig aus der Gesellschaft verbannen können. Aber es gibt noch viel Luft

nach oben, wenn es darum geht, Jugendliche und Erwachsene für das Thema zu sensibilisieren.

Wo liegen die Ursachen?Wir müssen fragen: Welche Funktion hat Antisemitismus für den Antisemiten? Warum greift er auf Vorurteile und Weltbilder zurück? Beim Rassismus geht es darum, dass die anderen minderwertig sind und deshalb beherrscht werden sollen. Antisemitismus funktioniert anders. Für Antisemiten sind die Juden nicht die Dummen, sondern sie sind schlauer – und gefährlicher. Dabei kommt es nicht auf die Zahl an. Es reicht die Grundidee, dass es da jemanden gibt, der die Welt beherrschen will.

Gibt es politisch unterschiedliche Ausprägungen?Ja. Im linken Spektrum ist es eine verkürzte Kapitalismus-Kritik. Statt zu verstehen, wie die Weltwirtschaft funktioniert und wie weltwirtschaftliche Krisen entstehen, wird das Problem auf eine Gruppe verlagert: Die Juden sind schuld. Der islamische Antisemitismus findet eine einfache Erklärung, warum in den

arabischen Ländern die Situation so schlecht ist und warum im globalen Süden Armut herrscht: Schuld daran ist der Staat Israel, der verlängerte Arm des Weltjudentums. Gemeinsam ist diesen Ausprägungen jedoch immer, dass Antisemitismus die verkürzte Antwort auf ein komplexes Thema liefert. Im rechten Spektrum steht die Frage im Raum, warum wir den deutschen Nationalismus nicht wieder herstellen können. Die Juden schwingen mit der Holocaust-Keule und sie sind diejenigen, die uns daran hindern, stolze Deutsche zu sein.

Wie sieht es in der Mitte der Gesellschaft aus?Es gibt keine Mitte der Gesellschaft. Das ist eine Konstruktion. Wir merken immer wieder, wie bestimmte Ideen von „extrem links“ oder rechts ansatzweise in der sogenannten Mitte der Gesellschaft reproduziert werden. Ressentiments gegen den Staat Israel oder Vergleiche zwischen Israel und den Nazis finden Sie nicht nur bei Rechten, Islamisten oder Linken. Die Ideen sind nicht an eine bestimmte politische Ecke gebunden, sondern verbreiten sich und werden salonfähig. Das geschieht in den gängigen Medien, aber auch in den sozialen Medien. Deswegen geht es darum, die Breite der Gesellschaft zu erreichen, wenn man gegen Antisemitismus arbeitet.

Wie sieht es mit islamisch motiviertem Antisemitismus aus?Auch der ist keine neue Entwicklung. In einigen muslimischen Gemeinschaften ist die Feindschaft gegen Israel ein identitätsstiftendes Monument. Junge Migranten in bestimmten Kreisen entwickeln ihre Identität über die Abgrenzung von Juden und Israel. Wer zu der Gruppe

Der Erziehungswissenschaftler Meron Mendel ist seit 2010 Direktor der Bildungsstätte Anne Frank (BAF) in Frankfurt am MainFoto: Stephan Dinges/Bildungsstätte Anne Frank

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dazugehören will, muss das Wort „Jude“ in einer bestimmten Konnotation verwenden. Er muss Identifikation mit Palästina entwickeln. Im Gespräch mit Jugendlichen stellen wir fest, dass dieses Schwarz-Weiß-Schema auf einem dünnen Wissensstand basiert. Oft wissen muslimische Jugendliche weder etwas über die Geschichte des Nahen Ostens und Israels noch über Juden in Deutschland heute. Ihr Wissen beziehen sie aus ihrer Peergroup, aus arabisch- oder türkissprachigen Medien – und aus den Moscheen. Dort hören sie, dass die Juden gefährlich sind, dass sie zum Beispiel Organe von Palästinensern entnehmen und sie an reiche Juden in Amerika verkaufen. Gerade in unserer Zusammenarbeit mit Moschee-Gemeinden klären wir über diese Mythen auf und berichtigen Fehlinformationen.

Identität bildet sich also bei offener Abgrenzung von Juden. Gibt es dafür belastbare Zahlen?Es gibt zwei neue Studien zu Antisemitismus bei Flüchtlingen von Günther Jikeli und vom Zentrum für Antisemitismusforschung. Da geht es vor allem um Menschen, die in Syrien oder im Irak sozialisiert wurden. Es ist nicht verwunderlich, dass Menschen in diesen Staaten, wo Juden- und Israelhass eine Staatsideologie ist, Vorurteile gegen Juden haben. Aber auch, wenn unter den Geflüchteten Antisemiten sind, haben sie das Recht auf Asyl. Wir müssen vielmehr schauen, wie wir Menschen aufklären können, damit sie bestimmte Vorurteile aufgeben.

Das ist ein altruistisches Motiv …Das Recht auf Asyl ist unabhängig von der Meinung der verfolgten Person. Wenn jemand verfolgt wird oder flieht, hat er laut UN-Konvention das Recht auf Asyl. Das ist das einzige Kriterium. Natürlich müssen die Menschen, wenn sie hier ankommen, bestimmte gesellschaftliche Werte akzeptieren. Es wäre naiv zu glauben, dass das von heute auf morgen passiert. Das ist ein Prozess.

Wie kann das praktisch aussehen?Wir müssen die Herzen der Jugendlichen erreichen.

Nur wenn wir glaubhaft vermitteln, dass wir nicht nur gegen Antisemitismus, sondern genauso auch gegen antimuslimischen Rassismus und gegen jede Form der Diskriminierung arbeiten, werden wir sie wirklich erreichen. Wir müssen das mit Menschen machen, die sie zu ihrer eigenen Gruppe zählen. Muslimische Mitarbeiterinnen und Kooperationen mit muslimischen Verbänden spielen dabei eine wichtige Rolle. Darüber kommen wir viel näher an die Jugendlichen heran. Wir haben in unserer Einrichtung im Rahmen solcher Kooperationen 25 Imame fortgebildet. Auch Begegnungen zwischen Juden und Nichtjuden sind wichtig.

Sind bei der AfD antisemitische Tendenzen erkennbar?Es reicht zum Beispiel, die Äußerungen von Björn Höcke zu betrachten. Er fordert eine Kehrtwende um 180 Grad in der Erinnerungspolitik. Höcke möchte gerne einen Schlussstrich unter die Debatte über die NS-Vergangenheit ziehen. Dabei macht er die Juden für den so genannten „Schuldkomplex“ der Deutschen verantwortlich – das ist die klassische Täter-Opfer-Umkehr. Er arbeitet mit einem klaren Feindbild und inszeniert eine Aufteilung von Deutschen und Juden, die es so nicht gibt.

Es verbietet sich aber, vom Teil aufs Ganze zu schließen. Sollte das nicht auch für Höcke und die AfD gelten?Ich habe es bei der Frankfurter Buchmesse im vergangenen Jahr erlebt, wie beliebt Höcke bei seiner Anhängerschaft ist. Natürlich kann man auch sagen, Thilo Sarrazin ist SPD-Mitglied. Aber damals hat sich die gesamte Partei inklusive der Basis von ihm distanziert. Das ist bei der AfD anders. Da umarmt die Basis Höcke. Seine Beliebtheit steigt. Wenn er sich bei der Führungsebene unbeliebt macht, dann nicht wegen inhaltlicher Differenzen, sondern weil sie Angst haben, dass er diese Fassade zerstört. In AfD-Internetforen finden Sie bei bestimmten Themen klassische antisemitische Stereotype und Hetze gegen Juden. Der Tenor ist häufig: Mit dem Vorwand, Jüdinnen und Juden schützen zu wollen, können wir gegen Muslime mobilisieren – gleichzeitig sind Jüdinnen und Juden aber auch unser Feind.

Die AfD ist in der Herzkammer der Demokratie, im Reichstag angekommen …Aus jüdischer Sicht und für mich ist es ein unangenehmes Gefühl, dass die größte Oppositionspartei im Bundestag eine Partei ist, unter deren Anhängern viele Antisemiten sind. Diese Situation ist in der Bundesrepublik neu. Das ist keine gute Nachricht, weder für Juden noch für andere religiöse Minderheiten. Die AfD grenzt Minderheiten und Schwache aus und hetzt gegen sie. Wir brauchen Menschen, die über Parteigrenzen hinweg dagegen vorgehen wollen.

Was wünschen sie Siesich von religiösen Menschen im Kampf gegen Antisemitismus?Ich begreife mich selbst als religiösen Menschen, auch wenn ich es nicht in allen Formen praktiziere. Ich glaube, alle religiösen Menschen sind in gewisser Weise sensibilisiert für das, woran sie glauben und dass der andere auch seinen Glauben behalten kann. Das tolerante Verständnis dafür zu sorgen, dass gerade die religiöse Vielfalt in unserem Land bestehen bleibt. Auf dieser Grundlage aller religiösen Menschen können wir aufbauen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Meron Mendel ist in einem Kibbutz im Negev aufgewachsen. Nach Wehrdienst und Studium in Haifa hat er in Frankfurt promoviert. Der

Erziehungswissenschaftler ist seit 2010 Direktor der Bildungsstätte Anne Frank (BAF) in Frankfurt am Main, eines Zentrums für politische Bildung und Beratung in Hessen. Eine Säule der BAF-Arbeit ist die Beratung von Menschen, die von Rassismus oder Rechtsextremismus betroffen sind oder die Opfer von Diskriminierung wurden. Die zweite Säule ist die politische Bildung in Seminaren, Fortbildungen und bundesweiten Fachtagungen.

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INTERVIEW ZUM 60. GEBURTSTAG

Welcher Kampf war der wichtigste, Frau Käßmann?Keine Protestantin ist so beliebt und zugleich so umstritten wie Margot Käßmann. Wo sie Lesungen hält oder predigt, sorgt sie für lange Schlangen. Doch ihre pazifistischen, feministischen und liberaltheologischen Thesen haben nicht nur Christen geärgert. Zu ihrem 60. Geburtstag am 3. Juni verabschiedete sich die Reformationsbotschafterin in den Ruhestand. pro traf sie vorher zum Interview. Anna Lutz

pro: Frau Käßmann, zwei Sätze haben Ihren beruflichen Lebensweg geprägt. „Du kannst niemals tiefer fallen als in Gottes Hand.“ Und: „Nichts ist gut in Afghanistan.“

Margot Käßmann: Ja, ich bemerke auch, dass sich Menschen weit über kirchliche Kreise hinaus an diese beiden Sätze erinnern.

Den ersten Satz haben Sie bei Ihrem Rücktritt als Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gesagt, nachdem Sie mit Alkohol am Steuer erwischt wurden. Es ist geradezu paradox: Ihr Rücktritt hat Sie außerhalb der Kirche erst richtig populär gemacht.

Das war für mich eine merkwürdige Erfahrung. Da war die Skandalisierung in den Medien am Dienstag, mein Rücktritt am Mittwoch und am Donnerstag schon die Rehabilitation in der Öffentlichkeit. Ich bin heute noch froh, dass ich damals auf mein inneres Gefühl gehört habe und diesen Weg gegangen

bin, obwohl mir viele geraten haben, es anders durchzustehen. Dass dann aber so viele Menschen ihre Sympathie für mich ausgedrückt und mir Respekt für den Rücktritt gezollt haben – das habe ich nicht erwartet.

Das Medienecho war durchweg positiv, selbst die Bild-Zeitung würdigte Sie plötzlich.Ein Journalist schrieb: „Vielleicht hat Margot Käßmann ihrer Kirche mit diesem Rücktritt einen größeren Dienst erwiesen als sie es in sechs Jahren im Amt der Ratsvorsitzenden gekonnt hätte.“ Er wollte vielleicht sagen, dass es typisch protestantisch ist, zu einem Fehler zu stehen, nicht am Amt zu kleben und auch, dass es am Ende Vergebung gibt. Denn das habe ich erlebt: Eine Form kollektiver Vergebung. Das war sehr befreiend. Eine Erklärung dafür habe ich bis heute nicht. Vielleicht ist es so gekommen, weil viele andere ihre Vergehen lieber unter den Teppich kehren.

Als Sie dann ein Jahr später Ihr Buch „Sehnsucht nach Leben“ veröffentlichten, standen die Leute bei Signierstunden Schlange bis auf die Straße.Das war auch für mich irritierend. Ich musste mich fragen, was die Leute da in mir sehen. Vielleicht sagen sie sich: Ich habe auch Fehler in meinem Leben gemacht und ich kann damit leben. Aber solche Zuschreibungen sind nicht ungefährlich. Martin Schulz ist als Heilsbringer gefeiert worden und nun, zwölf Monate später, ist er in der Versenkung verschwunden. Ich bin nach meinem Rücktritt in jede Talkshow eingeladen worden, wenn es um den Rückzug von Prominenten ging: Annette Schavan, Horst Köhler, Karl-Theodor zu Guttenberg. Ich habe immer abgelehnt. Ich wollte nicht den Rest meines Lebens Rücktrittsexpertin sein.

„Mein Verhältnis zur Presse ist positiv und

Margot Käßmann wird am Sonntag 60 Jahre alt und verabschiedet sich in den RuhestandFoto: Uwe Birnstein

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TAG DER ORGANSPENDE

Organspende: Ein Akt der Nächstenliebe?Am 2. Juni war offizieller Tag der Organspende. Ärzte-Organisationen und auch die Kirchen nutzen ihn, um mehr potenzielle Spender zu gewinnen. Zwei pro-Redakteure haben sich gestritten: Sollten Christen einen Organspendeausweis tragen oder nicht?Johannes Weil/Anna Lutz

Ja, sollten sie, denn Organspender gibt es zu selten Von Johannes WeilDeutschland rühmt sich gerne mit Spitzenplätzen.

Allerdings gibt es auch Ranglisten, in denen das hoch entwickelte und technisierte Land auf einem Abstiegsplatz steht. Bei der Zahl der Organspender zum Beispiel. Dort ist Deutschland 2017 auf ein historisches Tief gefallen und liegt auf Augenhöhe mit Griechenland, Rumänien, Bulgarien und Albanien.

Auf eine Million Einwohner kommen in Deutschland nur 9,3 Spender. Zum Vergleich: Spitzenreiter Spanien kommt auf den fünffachen Wert mit 46,9 Spendern pro einer Million Einwohner.

Die Zahlen hat die Süddeutsche Zeitung aufgegriffen. Sie beruft sich dabei auf den noch unveröffentlichten Jahresbericht der Stiftung Eurotransplant. Von den Fachleuten

wird ein Wert von zehn als kritische Marke angesehen, unterhalb der man nicht mehr von einem ernstzunehmenden Organspendesystem reden kann.

Für Bedenkenträger ist es schwer denkbar, dass nach dem eigenen Ableben noch am eigenen Körper rumhantiert wird. Andere möchten gerne selbst darüber entscheiden, wem das gespendete Organ zu Gute kommt. Skandale über Organspende-Vergabe tragen ein Übriges dazu bei, bei dem Thema kritisch zu sein.

Aber es gibt noch die andere Sichtweise: nämlich die Möglichkeit, mit einer Organspende das Leben eines anderen

Menschen zu retten. Im besten Fall sogar mehrere Leben mit mehreren Organen. So können Menschen auch über den eigenen Tod hinaus „nachhaltig“ Nächstenliebe üben. Bei einer Organspende nach dem eigenen Tod stören auch operative Eingriffe und verbleibende Narben nicht mehr.

Doch die gesellschaftliche Gemütslage scheint eine andere zu sein. Das historische Tief aus dem Jahr 2016 wurde noch einmal um acht Prozent unterschritten. Das führt dazu, dass teilweise Organe aus anderen Ländern eingeführt werden müssen. Laut Erhebung von Eurotransplant waren dies rund 200 zusätzliche Organe aus europäischen Ländern. Andere

Ist Organspende für Christen geboten? Darüber haben zwei pro-Redakteure gestrittenFoto: Phalinn Ooi, fotolia

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Patienten warten vergeblich. Die Zahlen sollten ein Weckruf für alle diejenigen sein, für die eine Organspende bis dato gar nicht in Frage kam.

Nein, denn kaum einer weiß, was Organspende bedeutet

Von Anna LutzBesonders die Kirchen nutzen den Tag der Organspende

immer wieder, um daran zu erinnern, dass sie das großzügige Geschenk als Akt der Nächstenliebe verstehen. „Eine Organspende ist eine Chance, christliche Nächstenliebe zu leben“, teilte etwa die Evangelische Kirche im Rheinland vor einigen Tagen mit. In einer gemeinsamen Erklärung mit der katholischen Deutschen Bischofskonferenz aus dem Jahr 1990 nennt die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) die Organspende eine Möglichkeit, „über den Tod hinaus sein Leben in Liebe für den Nächsten hinzugeben“. Im Jahr 2009 schrieb der ehemalige Berliner Bischof Wolfgang Huber in der Tageszeitung BZ: „Zur Organspende bereit zu sein, ist eine Möglichkeit, Nächstenliebe zu üben.“ Drei Jahre später erklärte der damalige EKD-Ratsvorsitzende, Nikolaus Schneider ähnliches.

Das lässt Christen kaum eine Wahl. Jesus-Nachfolger sehen sich qua göttlichem Gebot der Nächstenliebe verpflichtet. Sie steht neben der Gottesliebe an erster Stelle. Auch wenn Kirchenvertreter neben ihrem Werben für die Organspende immer wieder erklärt haben, der Akt sei freiwillig, so kann man doch davon ausgehen, dass viele Christen die Kirchenobersten beim Wort nehmen. Und aus ihren Äußerungen eine Verpflichtung zur Spende ableiten.

Dabei sollte das Kreuzchen im Organspendeausweis wohlüberlegt gesetzt werden. In der Tat gibt es Punkte, die vor allem Christen vorher bedenken sollten. So haben Angehörige von Organspendern, Lebendspenden wie etwa Nieren natürlich ausgeschlossen, zum Beispiel keine Möglichkeit, von ihrem Kind oder ihrem Ehepartner im Moment des Todes oder auf dem Weg dahin, Abschied zu nehmen. Sie sehen einen durch Maschinen vital erscheinenden Menschen in

seinem Krankenbett – und das nächste Mal einen Toten. Sterbebegleitung ist bei Organspendern in der Regel nicht möglich, weil Geistliche keinen Zugang zum OP haben.

Die Evangelischen Frauen in Deutschland haben in einem Positionspapier zudem das Hirntodkriterium kritisch beleuchtet. Nur Menschen, bei denen dieser diagnostiziert wurde, sind zur Spende zugelassen. Ein Menschenbild, das das Individuum auf seine Hirnfunktion beschränke, sei aus christlicher Perspektive mindestens bedenklich, meinen dazu die Evangelischen Frauen. Alle Menschen seien mit einer „unverlierbaren Würde“ ausgestattet, „unabhängig von ihrer körperlichen Verfasstheit und ihren Möglichkeiten zur aktiven Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Das heißt: Nicht die Hirnleistung macht uns zu Menschen, sondern die Beziehung Gottes.“ Niemals könne der Körper als „recycelbare Materie“ verstanden werden, die „zerlegt“ oder „konserviert“ werden solle.

Organspender werden nach Eintritt des Hirntods in der Regel mehrere Stunden, manchmal auch Tage, künstlich beatmet, damit die Organe nutzbar bleiben. Die Qualität der Organe wird geprüft, etwa durch Ultraschall. Auch eine medikamentöse Behandlung ist nicht ausgeschlossen, denn: Der Hirntod bedeutet auch, dass der Körper trotz Maschinen nicht mehr optimal versorgt wird. Hormonausschüttungen unterbleiben, der Elektrolyte- und Wasserhaushalt bricht unter Umständen zusammen. Wer also einen Behandlungsabbruch bei Hirntod in einer Patientenverfügung fordert, zugleich aber einen Organspendeausweis trägt, stellt die Ärzte vor eine eigentlich unlösbare Aufgabe. Im Zweifel entscheiden die Angehörigen.

Und nicht nur das weiß kaum jemand. Auch über die Auswirkungen der der Spende vorrausgehenden Behandlung am hirntoten Patienten informieren Ärzte nur zögerlich. Dazu wird das Blut bei schlagendem Herzen aus dem Körper geschwemmt, die – durch Maschinen und Medikamente – noch arbeitenden Organe werden mithilfe von Eiswasser und Perfusionslösung auf vier Grad heruntergekühlt. Damit einher gehen sogenannte Lazaruszeichen. Die Sterbenden zucken, deshalb werden sie während der Behandlung fixiert. Die Haut verfärbt sich rötlich, die Herzfrequenz steigt. online lesen | pro-medienmagazin.de

Freilich steht es jedem zu, das alles für sich in Kauf zu nehmen, um einem oder mehreren anderen Menschen zu helfen oder gar das Leben zu retten. Ist die Einwilligung zur Organspende gut überlegt und mit den Angehörigen besprochen, ist das ohne Zweifel zu begrüßen. Die Kirchen aber sollten darauf hinweisen, dass es kein klares christliches Ja zur Organspende geben muss. Es gibt gute Gründe, sein Kreuzchen auf dem Ausweis bei Nein zu setzen.

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„DAS HÄSSLICHE CHRISTENTUM“

Militantes Christentum vs. barmherziges ChristentumEin „hartherziges Christentum“, das Bedürftige ausschließe, anstatt ihnen in Nächstenliebe zu helfen, erwachse derzeit in den Kirchen mancher europäischer Staaten. Diese Meinung vertritt der Journalist Thomas Schmid in einem Kommentar in der Tageszeitung Die Welt.Jörn Schumacher

Am 1. Juni tritt der Paragraf 28 der bayerischen Verfassung in Kraft, nach der in Dienstgebäuden ein Kreuz hängen muss. Ministerpräsident Markus Söder

(CSU) hatte dieses Gesetz vorangetrieben. Als er bei seiner Kreuz-Kampagne ein Kreuz hochhielt, habe das „nicht sehr christlich“ ausgesehen, „sondern etwas raubeinig und leicht aggressiv“, schreibt Thomas Schmid in seinem Kommentar „Das hässliche Christentum“ vom Freitag.

Der bayerische Ministerpräsident stehe mit dieser „Indienstnahme des Christentums“ für politische und staatliche Zwecke nicht allein. Da wachse ein Christentum heran, „das sich vormodern in Abgrenzung von anderen Denominationen begreift und von Nächstenliebe wenig hält“. Auch an anderen Orten zeichne sich ein „militantes“ Christentum ab, das sich hart gegenüber anderen Religionen, Kulturen und Wertvorstellungen abgrenzen wolle. „Die Botschaft der Liebe ist nicht mehr unumstritten“, konstatiert Schmidt.

In Polen wolle die konservative Partei Prawo i Sprawiedliwość (PiS) „um der Bewahrung des christlich-katholischen Reinheitsgebots willen“ den christlichen Glauben seiner

zentralen Botschaft der Liebe berauben. Im katholischen Italien habe es Lega-Chef Matteo Salvini zu großer Prominenz und wachsender Zustimmung gebracht – „und es hat ihm dabei keineswegs geschadet, dass er Flüchtlingsappelle des Papstes in ordinärer Diktion zurückwies.“ In den Balkanstaaten mit meist orthodox-christlicher Bevölkerungsmehrheit falle die Kirche auch nicht eben durch interethnische Friedensbotschaften auf.

Und auch in Russland zeige sich beim anhaltenden Tête-à-Tête der orthodoxen Kirche mit Wladimir Putin klar eine „Indienstnahme“ einer vorgeblich christlichen Tradition für Staatszwecke. In Russland werde die Kirche zur Staatsdienerin. „Sie wird Staatsreligion eines Staates, dessen Herrscher die Demokratie faktisch abgeschafft hat.“ Alle diese „neo-autoritären“ Advokaten eines Christentums ohne Barmherzigkeit wollten im Grunde zurück in die Staaten- und Glaubenswelt des 19. Jahrhunderts, in der der Krieg zwischen Staaten der Normalfall war, ist der Journalist überzeugt.

„Drohbotschaft statt Frohbotschaft“

Auch in Deutschland sei diese hartherzige Form des Christentums nicht neu: „In Deutschland und anderen Staaten Europas ist es noch gar nicht so lange her, dass das Christentum vornehmlich eine Sache der Kanzeln und der Obrigkeit gewesen war.“ Damals seien die christlichen Kirchen in hohem Maße staatsnah und obrigkeitsfromm gewesen. „Kanonen wurden gesegnet, Pfarrer und Priester ermahnten den Untertan zu Schicksalsergebenheit und Gehorsam.“ Noch zur Adenauerzeit seien die Kirchen staatsnah gewesen. „Sie verbreiteten eher eine Droh- als eine Frohbotschaft.“

In einer ganz anderen Form des Christentums stehe aber die Haltung des barmherzigen Samariters im Vordergrund, der sich um einen verletzten Mann am Straßenrand kümmerte, unabhängig von dessen Herkunft. Für Christen, die so handeln, zähle offenbar das Menschsein mehr als das Anderssein.

Der andere Strang christlicher Tradition hingegen greife verbal wieder zum Schwert, schreibt Schmid. Sie halte von Toleranz gegenüber anderen Religionen „fast gar nichts“, aber auch nichts von Barmherzigkeit. Dieses Christentum würde Europa gerne „zu einer gut bewehrten Christenfestung machen“ und ohne schlechtes Gewissens jedem Fremden und Flüchtling die Tür weisen. Schmid weiter: „Diejenigen, die vorgeben, Gutes tun zu wollen, richten nur Schaden an. Sie helfen der Welt nicht, sondern baden selbstgefällig in ihrer vorgeblichen Güte.“

Das Kreuz eines sich abgrenzenden Christentums wie beim bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder wirke „leicht aggressiv“, findet der Journalist Thomas SchmidFoto: ubrsma

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ZORN GOTTES

Mit der Hölle gegen „warmgeduschte Wohlfühlgemeinden“Gott rettet die Menschen aus Gnade, erkannte Martin Luther und kämpfte gegen eine kirchliche Praxis, die den Menschen Angst vor der Hölle machte. Dass heute manche Christen fordern, lieber vom Gericht als von der Liebe Gottes zu predigen, kann pro-Kolumnist Jürgen Mette nicht verstehen.Jürgen Mette

Neulich fragte mich ein Veranstalter, ob ich auch über die Hölle, das Gericht und den Zorn Gottes predigen würde. Bevor ich ihn beruhigen konnte, dass ich sehr

zurückhaltend mit diesen Themen umgehe, gab er mir zu verstehen, dass er nicht genug davon kriegen kann.

In letzter Zeit wird der Ruf nach Höllen- und Gerichtspredigten immer lauter, wir sollten mehr über den richtenden, strafenden und zornigen Gott sprechen. Gott sei nicht nur lieb, Gott sei auch zornig. Geradezu reflexartig melden sich die konkordanten Advokaten des Zornes Gottes und liefern Bibelstellen, die verhindern sollen, dass sich „Wohlfühlgottesdienste“ und „warmgeduschtes Wischi-Waschi-Christentum“ etablieren. Fast so, als müsse die Nachfolge Jesu wehtun. Kirche als Nagelbrett zur Verhinderung von spiritueller und wonniger Seelengemütlichkeit. Dass uns bloß keiner am Zorn Gottes zweifelt. So las ich vor ein paar Tagen dieses Predigtzitat: „Tod und Teufel, Jüngstes Gericht und Hölle haben keine Konjunktur mehr, alles kommt weichgespült daher.“

Sollen wir wirklich Angst predigen?

Welche Gottesbilder stehen hinter diesen Forderungen? Gott als grimmiger, jähzorniger alter Mann, der sich im eifernden Zorn über die hermacht, die auf Gnade und Barmherzigkeit gehofft haben? Wie soll das gehen, der Hölle mehr Konjunktur verleihen? Wir sollen denen, die jetzt schon die Hölle auf Erden erleben, mit mehr Höllenpredigten einheizen und ihnen mit dem Jüngsten Gericht drohen?

Ist jemals ein Kind unter der zornigen Strafe seines wütenden Vaters zurechtgekommen? War es nicht die Güte Gottes, die uns zur Umkehr getrieben hat? Wie vielen Kindern wurde im Zorn ihrer Väter das Rückgrat gebrochen. Wenn dann der Vater im Himmel auch so ausrastet, dann brauchen wir ihn nicht, denn das haben wir ja schon. Da denke ich an Menschen, die unter dem Zorn ihres Chefs leiden; Ehefrauen, die unter ihren zornigen Männern welk und bitter geworden sind, und Kinder, die den Zorn ihrer Väter fürchten. Denen sollen wir einen zornigen Gott predigen?

Gott hat nur ein Wesen: Liebe

Gott sei auch zornig, wird mit ernster Miene reklamiert. So, als hätte Gott zwei Gesichter. Wie grotesk und zynisch wirken solche Forderungen. Gott ist Liebe! Sein Zorn ist nicht das Gegenteil von Liebe, sondern Ausdruck seiner Liebe, Konsequenz seiner Sorge um seine Geschöpfe. Und diese Liebe (Agape) hat nichts mit romantischer Verzückung zu tun, sondern sie wurde im brutalen Kreuzestod Jesu teuer erkauft.

Es muss für manche ein unerträglicher Gedanke sein,

dass Gott nur ein Wesen hat, nämlich Liebe. Seine Gerichte werden endlich Gerechtigkeit aufrichten. Allen, die hier Ungerechtigkeit erleiden mussten, werden gerecht beurteilt. Diesen Tag sehne ich herbei. Da werden die zornigen alten Männer, die Vertreter eines grimmigen Gottes von seiner Liebe überwältigt werden.

Auf dass das Heil Gottes Hochkonjunktur habe!

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Page 22: proKOMPAKT - pro-medienmagazin.de€¦ · rief Papst Franziskus zu Mitmenschlichkeit im Internet auf Foto: thepopevideo.org proKOMPAKT pro-medienmagazin.de proKOMPAKT 23 18 1. Z ugegeben:

Impuls

Weite Regionen in Bayern und der Westen Deutschlands versanken mancherorts innerhalb von Minuten unter großen Fluten. Einige Gebiete standen in den vergangenen Wochen zweimal unter Wasser. Und was am Ende aus der dunklen Brühe auftauchte, zeigte totale Zerstörung.

Die Bibel schreibt von einer Sintflut in alter Zeit. Ungeahnte Wassermassen aus der Höhe und aus

der Tiefe überfluteten den Lebensraum des Men-schen. Für Bewohner der orientalischen Wüsten hatten Wasserfluten dämonische Dimensionen. Sie sahen böse Geister oder zornige Götter hinter solch zerstörerischen Kräften. Wir sehen heute einfach das Toben der Natur und können vieles erklären. Doch genau das darf uns daran erinnern:

Die Natur ist nicht nur der romantische Sonnen-aufgang, sondern auch Blitz, Sturm und Regen. Eine Flut ist Natur pur. Wer am Fluss wohnt, muss mit Überschwemmung rechnen. Wer am Berg baut, kann von Lawinen heimgesucht werden. Das Leben ist lebensgefährlich. In unserer Vollkasko- Zivilisation vergessen wir das schnell. Was bleibt? Mitmenschlichkeit! Einer hilft dem anderen. Wo Not ist, wird angepackt. Die vergangenen Wochen haben das neu gezeigt: Viele helfen gern, setzen sich ein und opfern Zeit, Kraft und Geld. Wir sind als Menschen aufeinander angewiesen. Jesus sagt das mit seinen Worten so: „Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch! Das ist das Gesetz und die Propheten.“ (Matthäus 7,12). Schreiben wir auch nach der Flut Geschich-ten der Nächstenliebe.

Gesegnete Zeit

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FLUTGESCHICHTEN

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