Date post: | 06-Apr-2016 |
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Professionelle Gesundheitsberufe oder „Supermarkt“?
Gesundheitsgespräche 2009Quo vadis Gesundheitsberufe?
Tom Schmid
Quo Vadis Gesundheitsberuf? 2
Gliederung Einstieg Selbstheilung Zwei unterschiedliche Professionen Etwas Gesundheitsökonomie Die Akzeptanz-Profession Zum Schluss
Quo Vadis Gesundheitsberuf? 3
Als Einstieg USA – Medikamente tatsächlich in Supermärkten Es gibt sogar eigene Vitamine-Stores
Regalreihen voller Vitaminpräparaten An den Regalen hängen broschürte Nachschlagewerke,
die beschreiben, welches Symptom mit welchem Präparat zu bekämpfen ist
Unsereins, hypochondrisch veranlagt, schlendert durch den Store, liest sich in die Broschüren hinein, spürt die entsprechenden Phantomschmerzen und - kauft entsprechend Moliere („der eingebildete Kranke“) hätte seine Freude Die Anbieter haben ihre Freude
Quo Vadis Gesundheitsberuf? 4
Gesundheit eine „Allerweltskunst“? „Das ist doch schön“, sagt das kleine liberale Teuferl
in meinem rechten Ohr, „endlich zählt meine eigene Verantwortung mehr als Expertokratie“
Argumente, die dieses „liberale“ Angebot stützen Selbstverantwortung Wahlfreiheit Keine bürokratische Bevormundung Kostengünstig
... dass die empirischen Gesundheitsindikatoren in den USA eine andere Botschaft senden, fällt dann nicht mehr so auf....
Quo Vadis Gesundheitsberuf? 5
Gliederung Einstieg Selbstheilung Zwei unterschiedliche Professionen Etwas Gesundheitsökonomie Die Akzeptanz-Profession Zum Schluss
Quo Vadis Gesundheitsberuf? 6
Selbstheilung Und tatsächlich,... ... die Zahl jener, die „sich selbst heilen“
scheint zu steigen ... die Zahl Jener, die ein verschriebenes
Medikament nach Lektüre des Beipacktextes nicht verwenden, ebenfalls
... und die Zahl der einschlägigen Ratgeber der Selbstmedikation nimmt tatsächlich erheblich zu.
Quo Vadis Gesundheitsberuf? 7
Sinn der Ausbildung? Medizin, Pflege, Pharmakologie,...
.... sind aber Fächer, die eine langwierige und gründliche Ausbildung erfordern
Warum eigentlich, wo doch ohnehin jeder (also: jede) weiß, „was gesund“ ist?
Könnte die „Medizin aus dem Supermarkt“ nicht tatsächlich ein Beitrag zur Senkung der Gesundheitskosten und zur Erhöhung der Gesundheitsdemokratie sein?
Die Unhaltbarkeit des Kosten-Arguments zeigt die Tatsache, dass das Gesundheitssystem in den USA das mit Abstand teuerste der Welt ist.
Aber die Frage, wieso diese Argumentationskette dennoch wirkt, ist spannend....
Quo Vadis Gesundheitsberuf? 8
Annäherung an eine Erklärung (1) Die Genderdimension
Gesundheits- und vor allem Pflegeberufe sind weitgehend weiblich konnotiert
Sie werden (die Kunst des „weisen Arztes“ ausgenommen) in den Bereich jener Fertigkeiten gestellt, die ohnehin jeder (also: jede) könne
Die Phantomschmerzdimension Ich will mich mit all dem nicht
auseinandersetzen und Arzt brauch ich schon gar keinen denn wer zum arzt geht, wird krank...
Quo Vadis Gesundheitsberuf? 9
Annäherung an eine Erklärung (2) Die Kompetenzdimension
Wir sind hoch ausgebildet und kompetent Wir lassen uns „von denen“ nicht für dumm
verkaufen und lesen selbst nach (aber wer sagt mir, dass das, wo ich nachlese, nicht noch dubioser ist...?)
Die Verantwortungsdimension Ich kann selbst für mein Handeln einstehen Ich lehne das Maniduktionsgehabe ab Weil wer das braucht, ist ohnehin zu schwach
fürs Leben
Quo Vadis Gesundheitsberuf? 10
Annäherung an eine Erklärung (3) Die ökonomische Dimension
Entprofessionalisierung verspricht, dass das Gesundheitssystem „billiger“ wird
Allerdings: Der Gesundheitssektor ist bereits die größte Industrie im Lande – seine Kosten sind gleichzeitig seine Einnahmen Senkung „unproduktiver“ Kosten (Lohnnebenkosten)
und steigende Verdiensterwartung schaffen ein Spannungsfeld
Privatisierung von Kosten und Einnahmen scheint eine (gangbare?) Lösung
Die Machtdimension Letztendlich: in dieser größten Industrie des Landes
geht es um Machtpositionen
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Quo Vadis Gesundheitsberuf? 12
Wiedermal: ein „kleiner Unterschied“ Im Gesundheitswesen haben wir es mit
zwei großen Professionen zu tun der Medizin der Pflege
Ihre Grundlage unterscheidet sich wesentlich Medizin (cure) ist eine Hoffnungsprofession Pflege (care) ist eine Akzeptanzprofession
Quo Vadis Gesundheitsberuf? 13
Hoffnungsprofession „ich tue alles, um Dich wieder zu heilen“ Cure – ich kuriere Dich „Ich mache Dir diesseitige Hoffnungen“ .... .... solange ich Dich nicht als
„austherapiert“ erkenne und den jenseitigen Hoffnungen überlassen muss aber dieser letzte Gedanke befindet sich
bereits so weit außerhalb der kurativen Profession, dass oft selbst die entsprechende Botschaft nicht mehr von dieser Profession überbracht wird
Quo Vadis Gesundheitsberuf? 14
Akzeptanzprofession Ich sorge mich um Dich Ich pflege Dich Ich helfe Dir, den Zustand so
erträglich wie möglich zu gestalten ... Aber ich erwarte von Dir, dass Du
diesen Deinen Zustand akzeptierst
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Schwerwiegende Konsequenzen Diese Unterscheidung in eine
Hoffnungs- und eine Akzeptanzprofession hat schwerwiegende Konsequenzen... ... was die unterschiedliche Marktmacht
betrifft .... was die Unterschiede im Status und
damit auch im realen (klinischen) Einfluss betrifft (trotz kollegialer Führung)
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Quo Vadis Gesundheitsberuf? 17
Gesundheitsökonomische Überlegungen
Gesundheitsmarkt ist angebotsindiziert Anbieter, v.a. ÄrztInnen dominieren Mengen-
und Preiswachstum Steuerungsansatz bei PatientInnen oder
Versicherungen funktioniert nicht (!) Gesundheitskosten werden weiter rascher
wachsen als Beitrags/Steueraufkommen Belastung für Betroffene steigt
Quo Vadis Gesundheitsberuf? 18
Versprechensprofession (1)
PatientIn
Beitrags-
zahlerIn
Bestimmt Leistung und sein/ihr Einkommen
ÄrztIn
Versicherung
will alles, um gesund
zu werden
will niedrige Beiträge
zahlt
Versprechen & Hoffnung
Quo Vadis Gesundheitsberuf? 19
Versprechensprofession (2)
PatientIn
Beitrags-
zahlerIn
Einkommenserwartung geht gegen unendlich
ÄrztIn
Versicherung
Nutzenerwartung und Zahlungsbereitschaft geht
gegen unendlich
Versicherungsakzeptanz geht gegen Null
Gesundheitskosten gehen gegen unendlich
Letztendlich bedeutet das:
Versprechen & Hoffnung
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VertrauensprofessionZu wem die BürgerInnen Vertrauen haben
Zu Wem haben Sie Vertrauen (Antworten in %)
Politiker Manager Medien Anwälte Geistliche Polizisten Soldaten Ärzte Lehrer
Deutschland 6 18 36 62 67 78 68 82 76
Frankreich 12 33 31 47 38 63 63 86 78
Italien 9 31 28 33 51 79 72 76 66
Österreich 15 34 35 55 66 76 62 91 76
WESTEUROPA 15 31 34 51 55 74 67 83 78
MOEL 11 32 55 47 59 54 70 78 81
OECD 16 32 38 49 62 67 70 81 82
Quelle: Standard 11.8.2004
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Hoffnungsprofession
PatientIn
Beitrags-
zahlerIn
Vertrauen:91 %
ÄrztIn
Versicherung
Durchsetzungskraft: Vertrauen 15 %(Selbstverwaltung,
Politik)
Versprechen & Hoffnung
Quo Vadis Gesundheitsberuf? 22
Entscheidungen der Gesundheits-Politik erfolgen
in Sozialversicherungen, Gebietskörperschaften. Die Entscheidungsträger hängen vom
Wählervotum ab Im direkten Vertrauens-Ranking verlieren sie
gegenüber den ÄrztInnen (TrägerInnen der irrationalen Werte Vertrauen und Hoffnung) haushoch
im Policy-Prozess der Gesundheit sind diese AnbieterInnen offensichtlich stärker als die EntscheiderInnen!
Gesundheitspolitik
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Gliederung Einstieg Selbstheilung Zwei unterschiedliche Professionen Etwas Gesundheitsökonomie Die Akzeptanz-Profession Zum Schluss
Quo Vadis Gesundheitsberuf? 24
Dimension der Akzeptanz Pflege hat nicht den Glamor, der mit Versprechen und
Hoffnung verbunden ist Pflege hat die stabile Erdung der Akzeptanz als
Voraussetzung für die Sorge (care) um jemanden Die Annahme von Zuwendung (care)
Dadurch wird Pflege aber tatsächlich „allerweltlich“ in dem Sinn dass das jeder (also: jede) kann – sich um Andere zu sorgen
Verloren geht dabei jedoch die Tatsache, dass man sich nur dann (nachhaltig) um Andere sorgen kann, wenn man sich um sich selbst sorgt (sorgen kann) kurios, dass man das bei cure nie feststellt
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Rahmenbedingungen „guter“ Pflege Wenn es also stimmt, dass „gute“ (=
nachhaltige) Sorge für Andere zweierlei erfordert Die Sorge für sich selbst Die Annahme der Sorge durch den/die PatientIn
(= Akzeptanz)... ...dann erfordert dies professionelle Pflege
Diese benötigt gute Ausbildung Eine profesionsleitende Pflegewissenschaft Entsprechende arbeits- und entgeltrechtliche
Rahmenbedingungen
Quo Vadis Gesundheitsberuf? 26
Professionelle Pflege Professionelle Pflege erfordert eine starke Profession
Ich wiederhole mich: kurios, dass man das bei cure nie feststellt
Professionelle Pflege erfordert eine gute Ausbildung Das aktuelle Grünbuch zeigt richtige Wege
Professionelle Pflege gibt es nicht im Supermarkt, sondern nur in professionellen Gesundheitseinrichtungen Was kein Pladoyer gegen den Supermarkt, aber alle
Argumente gegen eine verwässerte Pflege (im Sinne von „Allerweltsarbeit“) sein soll. Und wiederum: kurios, dass man das bei cure nie feststellt
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Gliederung Einstieg Selbstheilung Zwei unterschiedliche Professionen Etwas Gesundheitsökonomie Die Akzeptanz-Profession Zum Schluss
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Zum Schluss Letztendlich ist es auch eine ökonomische
Diskussion Diese kann nicht „gewonnen“ werden,
wenn die Gesundheitsindustrie immer nur als Träger von Kosten und nicht auch als Ort hoher Verdienste gesehen wird Denn 10,1 % des BIP bedeutet immer Beides
Was also geführt werden muss, ist (auch hier) eine Verteilungsdiskussion
Quo Vadis Gesundheitsberuf? 29
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