Prof. Dr. med. Christian Zippel:
Sturz und Sturzprävention
Medizinische Weiterbildung
für Ärzte, Pflegekräfte
und Physiotherapeuten
Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention
Inhalt
- Definition und Ablauf des Sturzes
- Sturzursachen
- Sturzfolgen
- Sturzhäufigkeit
- Handhabung von Sturzgefährdungen
- Sturzprophylaxe
- Hüftprotektoren
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Einige Fakten zu Beginn
• Unfallfolgen gehören zu den häufigsten Todesursachen.
• Bei der Mehrzahl aller Unfälle handelt es sich um Stürze.
• Jedes Jahr erleiden rund 100.000 Menschen in Deutschland
eine Fraktur des Hüftgelenks.
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Definition: Was ist ein Sturz?
• „Ein Sturz ist jedes Ereignis, in dessen Folge eine Person
unbeabsichtigt auf dem Boden oder auf einer tieferen Ebene
zum Liegen oder zum Sitzen kommt.“
Quelle: Kellog International Work Group on the Prevention of Falls by the Elderly (1987)
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Ablauf eines Sturzes Übersicht
• Ein Sturz unterteilt sich in mehrere Phasen
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Ablauf eines Sturzes
• Bewegungsstörung verursacht Schwerpunktverlagerung
(z. B. Stolpern, Schwäche etc.)
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Ablauf eines Sturzes
• Oberkörper und Arme versuchen das Gleichgewicht
wiederherzustellen
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Ablauf eines Sturzes
• Arme werden in Schutzhaltung nach vorn bewegt
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Ablauf eines Sturzes
• Kipp-Punkt ist überschritten, der Sturz unausweichlich
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Ablauf eines Sturzes
• Durch die Schrittstellung erfolgt oft eine Seitrotation des
Körpers
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• Aufprall erfolgt häufig auf Hüfte, Schulter oder Hände/Arme
Ablauf eines Sturzes
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Sturzursachen Einteilung
STURZ
synkopal ca. 10%
(durch Bewusstseinsverlust)
lokomotorisch ca. 90%
(bewegungsbezogen)
intrinsisch ca. 80%
(von innen)
extrinsisch ca. 10%
(von außen)
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Innere (intrinsische) Risikofaktoren
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• Körperliche Faktoren
- Erkrankungen
- Einschränkungen und Behinderungen
• Psychische Faktoren
- Angst
- Unsicherheit
- Selbstüberschätzung und Selbstüberforderung
• Iatrogene Faktoren
- psychotrope Medikation (z. B. Antidepressiva, Neuroleptika)
- Multimedikation (mehr als 4 Medikamente)
Innere (intrinsische) Risikofaktoren Beispiele
• zunehmendes Alter
• positive Sturzanamnese
• funktionelle Einschränkungen
im täglichen Leben
• Gang- und Gleichgewichts-
störungen
• Gliedmaßenamputation
• Paresen (Gliedmaßenlähmungen)
• Parkinsonsyndrom
• visuelle Einschränkungen (Sehstörungen)
• persistierende neurologische Defizite
(z. B. nach Schlaganfall)
• Deformierungen an der unteren Extremität
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• Blutzuckerschwankungen,
Unterzuckerung
• Blutdruck-Schwankungen
• Muskelatrophie
• Kachexie
• Demenz
• Schwindel (akut/chronisch)
• Depression
• Alkohol- oder Drogenabusus
Äußere (extrinsische) Risikofaktoren
Jeder Lebensbereich kann kausal für einen Sturz werden:
• Situative Gegebenheiten:
- Fremde Umgebung
- Ungeeignetes Schuhwerk
- Ungeeignete Sitzgelegenheit
- Umlagerung
• Bauliche Gegebenheiten:
- Verstellte Laufwege
- Schlechte Beleuchtung
- Bodenbelag und Stolperschwellen
- Treppen
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Sturzursachen multifaktorielles Ursachenbild
• meistens multifaktoriell bedingt und nicht monokausal die
Folge einer Krankheit oder eines Funktionsdefizites
• meistens Interaktion verschiedener Einzeldefizite
der Körperhaltung und/oder der Bewegung
im Zusammenhang mit äußeren Bedingungen
(bei über 70-Jährigen durchschnittlich 7,6 Risikofaktoren)
• fehlende Selbsteinschätzung, Hang zum Risiko und
Nichtbeachtung der physiologischen Veränderungen
die meisten Stürze ereignen sich aus der Bewegung heraus
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Sturzursachen zunehmendes Lebensalter
Veränderungen beim Älterwerden (v. a. ab 60. Lebensjahr)
• Reduktion physischer und psychischer Leistungen
• Verlust von Muskelmasse und folglich der Kraft
(besonders: für Mobilität besonders wichtige, schnell
kontrahierende Muskelfasern)
• Eingeschränktes sensomotorisches System („Körpergefühl“)
Folge: Reduzierung der Gangsicherheit, die Sturzgefahr steigt
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Sturzursachen Bedeutung der Bewegung
• nachlassende Bewegungsfreude und zunehmende
Bewegungsarmut unterstützen die Risiken
• Förderung durch bewegungshemmende Umgebungen, z. B.:
– Treppen oft zu eng, zu steil oder unauffindbar (Fahrstuhl)
– Sessel und Stühle oft mit zu tiefem Neigungswinkel nach hinten, womit das
Aufstehen zur Schwerarbeit wird und man lieber sitzen bleibt („gemütlich“)
– Wohnungen oder einzelne Zimmer sind häufig zu eng
– Freizeitbeschäftigung beschränkt sich häufig auf Essen, Trinken,
Fernsehen
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Sturzursachen Besondere Gefährdung von Heimbewohnern
• erhöhtes Sturzrisiko aufgrund von Multimorbidität
• noch nicht mit der neuen Umwelt vertraut
(gerade in den ersten Monaten)
Folgen:
• viele Stürze in den ersten Monaten
• mehr als 50% der Heimbewohner stürzen 1 x jährlich
• 60 - 70% der Gestürzten stürzen in den nächsten 12 Monaten
erneut
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Sturzursachen Kausaler Zusammenhang: Sturz und Angst
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Sturz
Angst
Auswirkung auf
Gleichgewichts-
kontrolle und
Gleichgewichts-
erhaltung
Auswirkung auf
kognitiver und
verhaltens-
bezogener Ebene
Sturzfolgen Fakten
• ca. jeder 100. Sturz führt zu einer hüftgelenksnahen Fraktur
• Mortalitätsrate (Sterberate) bei Oberschenkelhals-Frakturen:
- im Folgejahr bei 25%
- Anstieg der Invaliditätsstufe bis zu 30%
• perioperative Letalität von hüftnahen Frakturen über 10%
• Gehfähigkeit ohne Hilfsmittel vor/nach sturzbedingter Fraktur:
- vorher: ca. 75% der Betroffenen
- danach: ca. 15% der Betroffenen
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Sturzfolgen Häufige Verletzungen
Unfall-/Sturzfolgen sind eine häufige Todesursache
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Oberschenkelhalsbrüche:
ca. 120.000/Jahr
Wirbelkörperbrüche:
ca. 150.000/Jahr
Handgelenksbrüche:
ca. 80.000/Jahr
Oberarmkopfbrüche:
ca. 30.000/Jahr
Faktor Angst Kaskade der Angst und die Konsequenzen
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Vermeiden von Aktivitäten
Verminderung physischer
Kapazitäten
Weitere Reduzierung von
Aktivitäten, zunehmende Angst
Weiterer funktioneller Abbau
der physischen Kapazitäten
Angst zu
stürzen
Drohender
Verlust der
Selbst-
ständigkeit
Faktor Angst Kaskade der Angst und die Konsequenzen
Die Angst zu Stürzen löst eine Kaskade von Mechanismen aus,
die das Sturzrisiko erhöhen:
• Betroffene reduzieren ihre Aktivitäten
• Vermeidung von Orten mit vielen Menschen und Bewegung
• dadurch Abbau der körperlichen Fähigkeiten
• dadurch Verstärkung der Angstgefühle
• funktioneller Fähigkeiten verkümmern
es droht der Verlust der Selbstständigkeit
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Sturzfolgen Angst als Sturzfolge („Kreislauf der Angst“)
• Angst als weitreichende Folgeerscheinung
• Wechselwirkung zwischen Sturz und Angst
(siehe „Angst als Sturzursache“)
• Post-Fall-Syndrom:
Bei Menschen mit Sturzhistorie steigt die Angst vor Stürzen bis
zu 92%
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Sturzfolgen Angst als Sturzfolge („Kreislauf der Angst“)
also:
• Stürze, Frakturen und Verletzungen haben psychische Folgen:
- Angst
- Unsicherheit
- Immobilität
- Unselbstständigkeit
• daraus folgend:
weiter zunehmende physische und psychische Schwäche
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Sturzhäufigkeit
• ca. 5.000.000 Stürze im Jahr
(10% führen zu erheblichen Verletzungen)
• Frauen stürzen häufiger
• Heimbewohner stürzen etwa doppelt so oft wie
zuhause lebende Menschen
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Sturzhäufigkeit nach Altersgruppen
• Die Sturzhäufigkeit nimmt
mit zunehmendem Alter stark zu
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Über 65 Jahre Über 80 Jahre Über 90 Jahre
Sturz-
häufigkeit:
über 50% Sturz-
häufigkeit:
40 – 50%
Sturz-
häufigkeit:
ca. 30%
Kosten von Stürzen
• Die Kosten zur Behandlung der Sturzfolgen betragen
ca. 500 Mill. €/Jahr
• in den USA wird von 20 Billionen Dollar/Jahr ausgegangen
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Handhabung von Sturzgefährdungen
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Diagnostische Erkenntnisse
- Gefährdung
- potenzielle Gefahren
- eingetretener Sturz
Präventive
Interventions-
möglichkeiten/
Prophylaxe
Analyse
Handhabung von Sturzgefährdungen
• Erfassung einer Sturzgefährdung
• Erfassung von möglichen Sturzursachen
• Erfassung von Sturzursachen nach einem Sturz
Ziel: Ausschaltung der Risiken & Sturzvorbeugung
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Handhabung von Sturzgefährdungen Diagnostik
• eine Analyse der individuellen Situation der gefährdeten Person
kann Faktoren identifizieren, deren Veränderung das Sturzrisiko
reduzieren kann („Sturzdokumentation“)
• Gleichgewicht, Aufstehen und Hinsetzen, Stehsicherheit,
Rumpfstabilität, Schwankungsbreite, Schrittlänge usw.
Darum immer: Durchführung eines geriatrischen Assessments,
• also die multidimensionale Erfassung des physischen,
psychischen und sozialen Zustands des Patienten
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Handhabung von Sturzgefährdungen
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Geriatrisches Assessment*
Sturzassessment Soziales
Assessment
Risiko-
beurteilung Diagnostik
Sturzanamnese Sturzprotokolle
* Einschätzung, Beurteilung
Geriatrisches Assessment bei Sturz (Beispiel: Patient mit Morbus Parkinson)
• Sturzassessment:
Sturzanamnese, Sturzprotokolle?, Zustand (bewusstlos?)
• ADL-Kompetenz: Barthel-Index (40 Punkte)
• Mobilität und Kraft:
Timed up and go, Balance-Test n. Tinetti (möglich/nicht möglich)
• Depression, Angststörungen (Sturzangst)
• Kognition, Gedächtnis
• Sehvermögen
(Visus: Sehverschlechterung, neue Brille erforderlich?)
• Soziales Assessment: soziale Situation ungesichert (allein
stehend, häusliche Versorgung nicht mehr gesichert)
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Risikobeurteilung - Stratify-Scala (Beispiel)
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Sturzrisiko-Assessment
1 Positive Sturzanamnese
Sturz innerhalb der letzten 4 Wochen
1 = JA
0 = NEIN
2 Verhaltensauffälligkeit
Verwirrtheit, Desorientiertheit und/oder Agitiertheit
1 = JA
0 = NEIN
3 Toilettendrang Hat Bewohner/in häufigen Bedarf, Toilette aufzusuchen? (z.B. Frequenz, Dringlichkeit, Inkontinenz)
1 = JA
0 = NEIN
4 Sehbehinderung Hat Bewohner/in alltagsrelevante Visusminderung?
1 = JA
0 = NEIN
5 Transfer – Gehen/Rollstuhl
Bewohner/in ist unsicher bzw. braucht Unterstützung bei Transfers (Liegen bzw. Sitzen/Stehen)
1 = JA
0 = NEIN
6
Medikation Neuroleptika, Antidepressiva und/oder Opiate/Opioide
1 = JA
0 = NEIN
Summe
Datum: Unterschrift:
Sturzanamnese (Situation bei Sturz - intrinsisch)
• Synkope? -> plötzliche Bewußtlosigkeit
• Medikamente?
• Einschränkungen des Aktionsradius im täglichen Leben
• frühere Stürze („Sturzbiografie“), Sturzort
• subjektiv empfundene Gangunsicherheit
• Gangstörung vorliegend bei Krankheit? (M. Parkinson,
Schlaganfall, Alkoholismus, Depression, Osteoporose ->25% bei
über 75-Jährigen)
• Klinische Untersuchung:
u.a. Blutdruck, Herzfehler, Diabetes, Seh- und Hörfähigkeit
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Sturzanamnese (Situation bei Sturz - extrinsisch)
• Tätigkeiten und Aktivitäten unmittelbar vor dem Sturz
• Tageszeit, Hilfsmittelbenutzung
• Umweltfaktoren
– Hindernisse, Stolperfallen
– Treppenqualität, Geländer
– Beleuchtung
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Sturzprophylaxe
Ziel jeder Intervention:
• Senkung der Sturzhäufigkeit und damit der Frakturrate, der
Sturzangst und der damit verbundenen Mobilitätseinschränkung
• bei krankheitsbedingter Sturzursache:
Kausale Behandlung der Grunderkrankung steht immer im
Vordergrund
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Sturzprophylaxe Kombination intrinsischer und extrinsischer Faktoren
Multifaktorielle Genese fordert Intervention auf mehreren Ebenen:
• Physische und psychische Verbesserungen
– Gleichgewichtstraining
– Kraft- , Geh- und Reaktionstraining
– Verhaltensänderungen
• Beseitigung von Hindernissen und Stolperfallen:
– freie Laufwege
– rutschende Teppiche bzw. feuchte/glatte Fußböden
– zu hohe Betten oder Stühle
– Rollstühle/Rollatoren ohne angemessene Bremswirkung
– Optimierung der Beleuchtung
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Sturzprophylaxe
Zuordnung und Maßnahmen (Übersicht)
immobil (Modul 1)
• Lagerung, Hilfestellung, Aufsicht, Anpassung Bett/Rollstuhl
• Optimierung der Pharmakotherapie (ggf. Reduktion Psychopharmaka)
mobil, verwirrt (Modul 2)
• Hilfestellung (Mobilität und Transfers)
• Hüftprotektoren, Schuhe, rutschfeste Socken,
• Umgebung sichern (rutschfeste Matten, Beleuchtung)
• Reduktion unbegleiteter Toilettengänge
• Optimierung der Pharmakotherapie
• bei Frakturanamnese Vitamin D und Calcium
• Aufsicht, Alarmsysteme
unsicher mobil, orientiert (Modul 3)
• Hilfestellung (Mobilität und Transfers)
• Hüftprotektoren, Schuhe, rutschfeste Socken,
• Umgebung sichern (rutschfeste Matten, Beleuchtung)
• Reduktion unbegleiteter Toilettengänge
• Optimierung der Pharmakotherapie (ggf. Reduktion Psychopharmaka)
• Hilfsmittel (Gehhilfen), Therapien, Training
• ggf. Visuskorrektur
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Sturzprophylaxe mehrstufige Behandlungsmodule
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Modul T1
Hilfestellung
Prophylaxen
Schmerztherapie
Optimierte
Pharmakotherapie
Ernährung
Kontinenzversorgung
Hilfsmittelversorgung
Klärung Weiterversorgung
Evtl. Betreuung
Modul T2
Wie Modul 1
+ Hüftprotektoren
+ allgemeine Gruppen
+ Theravital
(Trainingsgerät)
+ rutschfeste Socken
+ rutschfeste Matten
+ Alarmsystem erwägen
+ Vitamin D und Calcium
Modul T3
Wie Modul 2
+ PT-Einzeltherapie
+ spezielle Gruppen
+ Gehhelfer
+ Hausbesuch
Modul T4
Wie Modul 3
+ MTT
+ Gerätetraining
+ Terraintraining
Abgeleitete Interventionen (1)
• Interventionen richten sich nach der zugrunde liegenden
Sturzursache
• viele Symptome von Alterserscheinungen (körperliche
Gebrechen, neurologische Störungen, chronische Erkrankungen)
können durch körperliche Aktivität beeinflusst werden
• die Angst vor Stürzen ist nur mit gezielter, langfristiger
körperlicher Aktivität nachhaltig zu begegnen
• Koordinationstraining ist die einzige Möglichkeit, die Vernetzung
innerhalb des ZNS zu beeinflussen und somit die altersbedingten
Veränderungen zu verzögern
• ein wirksames Training beinhaltet alle Komponenten der
Koordination (Gleichgewicht, Orientierung, Rhythmus, Reaktion)
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Abgeleitete Interventionen (2)
• geeignet sind: Ballspiele, Hindernisparcours, weil sie alltägliche
Situationen simulieren können, z. B. Veränderung durch Tragen
von Lasten
• Tanzen fördert neben dem Gleichgewicht vor allem das
Rhythmusgefühl
• neben den genannten Effekten, trainieren die Patienten ebenfalls
Ausdauer, Schnelligkeit und Kraft bei den genannten Aktivitäten
• Einfluss durch Umgebungsanpassung, Empfehlung für spezielle
Schuhe o. Hilfsmittel, Besuche von Kursen zur Förderung der
Kraft und des Gleichgewichts
• umfassende Information und Beratung von Patienten und
Angehörigen über das Sturzrisiko
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Nachweis für hilfreiches Übungsprogramm (Ulmer Modellprojekt)
• „Mobilitätsverbesserung und Sturzprävention bei zu Hause
lebenden hilfs- und pflegebedürftigen Älteren“
• 3-jährige Dauer, 500 Teilnehmer aus dem Raum Ulm
• Trainingsprogramm zur Kraftverbesserung und Balance für zu
Hause, Aufklärung über Gefahrenquellen und Hüftprotektoren
• Senkung der Sturzanzahl durch körperliches Training und
Entfernen von Stolperfallen im Haushalt um 28% und der Anzahl
der Mehrfachstürze um 40%
• außerdem deutlich weniger Frakturen (vor allem Hüftfrakturen)
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Ziel solcher Programme: Mobilisierung aller verbliebenen Ressourcen
Für den Erfolg von gezielten Übungsprogrammen
zur Vermeidung von Stürzen (auch nach Stürzen) werden
physiologische, das heißt natürliche Grundlagen genutzt:
• Haltungskontrolle auf reflektorischer Ebene, sie gehört zur
Willkürsensomotorik
• verhaltensbeeinflussende Vorwegnahme von Handlungsabfolgen
• Vernetzung und Bahnung von Verarbeitungswegen im Gehirn
(Bahnung und Hemmung wichtiger sensorischer Informationen)
• die gebahnten Wege führen zu einer harmonischen Abfolge der
Bewegungsabschnitte
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Ziel solcher Programme: Mobilisierung aller verbliebenen Ressourcen
• bei Älteren:
zentrale Verarbeitungszeit für solche Vorgänge verlängert
• auch: die (afferente) Informationsverarbeitung ist gesteigert, weil
mehr unspezifische, weniger wichtige Informationen verarbeitet
werden
• auch: die (posturalen) Reaktionen darum verspätet und sind
weniger effizient
• und das ZNS ist schneller überfordert, wenn eine zweite Aufgabe
hinzukommt
Darum Ziel solcher Programme: Mobilisierung aller
verbliebenen Ressourcen
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Hüftprotektoren
• Grundlagen
• Funktionsprinzip
• Positionierung am Körper
• Compliance (Therapietreue)
• Grundmodelle nach Einsatzgebiet
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Hüftprotektoren Grundlagen
• dienen ausschließlich der Prävention hüftnaher Femurfrakturen
• reduzieren Frakturgefahr um 50 – 77 %
• in vitro können Protektoren 20 - 95 % der einwirkenden Kräfte
neutralisieren
• aber:
Hüftprotektoren können nicht in jedem Fall Verletzungsfolgen
verhindern
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Hüftprotektoren Funktionsprinzip
• Viscoelastisches Material nimmt die auftretende Kraft auf
• Kraft wird verlangsamt und abgeschwächt
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• Protektor muss mittig
auf dem Oberschenkelhals sitzen
• Korrekte Platzierung ist
ausschlaggebend für Wirksamkeit
Hüftprotektoren Positionierung am Körper
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Hüftprotektoren Compliance (=Therapietreue)
Förderung der Therapietreue durch:
• mehrere Hosen zum Wechseln (Hygiene)
• passende Größe
• leichte Handhabbarkeit
• nicht von außen erkennbar
• kein Problem bei Harn-/Stuhlinkontinenz
Mitwirkung der Pflegekräfte wichtig
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Hüftprotektoren Grundmodelle nach Einsatzzweck
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Wechselbare
Protektoren für
einfache
Wäsche
Fest integrierte
Protektoren bei
Demenz
Slip mit
Wäscheschutz
bei Inkontinenz
Anlegehose bei
Inkontinenz-
problematiken
Hüftschutzgürtel
für Reha und
privaten Bereich
Hüftprotektoren Infomaterial von suprima
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Broschüre
Hüftschutz allgemein
Broschüre
PHYSIOprotect
Aktuelle Rahmenbedingungen
• Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege
(DNQP): Expertenstandard Sturzprophylaxe in der Pflege
– Stand Februar 2005
– richtet sich an alle Pflegefachkräfte (ambulant und stationär)
– beinhaltet ein Manual zum Verfahren der Sturzprophylaxe und
Interventionen
– beinhaltet aktuelle Zahlen bezüglich Bevölkerung und Anteil der Älteren in
der Gesamtbevölkerung
– Zusammenfassung aller verwendeten Assessments in den einzelnen
Ländern inklusive Beschreibung
• Nationaler Expertenstandard Sturzprophylaxe inklusive einer
Standardaussage
Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention
Literatur (1)
• Becker, C.,Lindemann, U., Rißmann, U., Warnke, A.(2006): Sturzprophylaxe.
Sturzgefährdung und Sturzverhütung in Heimen. Vincentz Network, Hannover 2006
• DEGAM-Leitlinie (2004): Ältere Sturzpatienten. Gekürzte Internetfassung.
Omikron Publishing Düsseldorf
• Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (2005):
Expertenstandard Sturzprophylaxe in der Pflege. Entwicklung – Konsentierung – Implementierung.
Fachhochschule Osnabrück
• Freiberger, Ellen (2007): Sturzprävention bei älteren Menschen.
Die Angst erkennen. Physiopraxis, 6, 24-27
• Hill, K.D. et al. (2008): Effectiveness of Falls Clinics. An Evaluation of outcomes and client adherence
to recommend interventions. Am Ger. Soc. 56, 600 - 608
• Huhn, S. (2006): Hilfreiche Sturzvermeider. Die Schwester/der Pfleger, Nr. 4
(Sonderdruck), bibliomed, Melsungen
• Icks, A. (2006): Förderung von Sicherheit, Selbstständigkeit und Mobilität.
Prävention von Sturz und sturzbedingter Verletzung. Gesundheitsberatungsausschuss der
Ärztekammer Nordrhein (Hrsg.), 3. Auflage, Düsseldorf
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hip protectors in nursing homes: cluster randomised controlled trial. BMJ 326: 76
Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention
Literatur (2)
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fractures in the elderly (Cochrane Review): In: The Cochrane Library, Issue 4, 2003, Chichester. John
Wiley & Sons Ltd.
• Runge,M., Rehfeld, G. (2001): Mobil bleiben – Pflege bei Gehstörungen und Sturzgefahr. Schlütersche
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• Schlegel, S. (2008): Stürze im Alter. Praxis Physiotherapie – Fachausgabe Geriatrie, 1, 57-60
• Stevens, J.A., Corso, P.S., Finkelstein, E.A., Miller, T.R. (2006): The costs of fatal and non-fatal falls
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• Vetter, C. (2006): Perspektive Sturzprävention. Ein Standbein mit Potenzial. Physiopraxis, 4, 44-46
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what are the most effective interventions to prevent these falls?, ZVK - Journal Mai 2009, 21-23.
• Ziganek-Soehlke, F. (2009): Sturzprophylaxe durch Bewegungsschulung. Z. Physioth. 5, 466-470
• ZVK (2009): Sturzprävention für die Physiotherapie erschlossen. Zur Sache. Physiother. 1, 10-11
• Kannus P, Parkkari J, Niemi S et al. Prevention of hip fractures in elderly people with use of hip
protector. N Engl J Med 2000 (23. November); 343: 1506-13
Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention
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