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Probestellungen im Klinikalltag; Trial provision in clinical routine;

Date post: 23-Dec-2016
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Chirurg 2014 · 85:51–56 DOI 10.1007/s00104-013-2580-2 Online publiziert: 6. September 2013 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 P. Gonser 1  · U. Matern 2 1  Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen 2  Medizinische Fakultät, Tübingen Probestellungen  im Klinikalltag Begriffsdefinition und Untersuchung  der gängigen Praxis Etwa 34% der jährlichen Gesamtaus- gaben für medizintechnische Produk- te in Deutschland werden von Kran- kenhäusern getätigt [2]. Die Spanne der Einzelinvestitionen ist weit und kann von der Anschaffung kosten- günstiger Geräte in hoher Stückzahl bis zum Kauf kostspieliger Großgerä- te für die Diagnostik oder den Opera- tionsbereich reichen. Solche Investi- tionen in die Zukunft des Unterneh- mens Krankenhaus wollen gut ge- plant sein [7]. Immerhin sollen Kran- kenhausangestellte mit diesen Gerä- ten positiv zum Behandlungsverlauf der Patienten beitragen. Die „Probestellung“ Ein Vergleich zwischen ähnlichen Pro- dukten verschiedener Anbieter oder der Vergleich zwischen einem sich bereits im Haus befindlichen Produkt und dessen Nachfolgegerät sind je nach Investitions- summe angebracht. Aus diesem Grund hat sich unter dem Begriff „Probestel- lung“ eine Vorgehensweise etabliert, die in vielen Häusern heutzutage zur gängigen Praxis gehört. Dabei stellen die Hersteller medizintechnischer Geräte (MTG) diese Geräte der Abteilung oder Klinik, die als potenzieller Käufer die Anschaffung des selbigen plant, zur Probe zur Verfügung. Das entsprechende Gerät kann unter All- tagsbedingungen getestet werden und die gesammelten Erfahrungen der Nut- zer können als Entscheidungshilfen bei der geplanten Investition zu Rate gezogen werden. Dies kann je nach Umfang und Häufigkeit der Nutzung des MTG effek- tivere und effizientere Arbeitsabläufe för- dern. Andererseits kann es bei einer Pro- bestellung auch zu einer Gefährdung von Patient und/oder Personal kommen [3]. Für Hersteller von MTG bieten Probestel- lungen die Möglichkeit, anhand der Er- gebnisse ihr Produkt zu optimieren und auf die Nutzerbedürfnisse anzupassen. Der Begriff „Probestellung“, Art und Weise ihrer Durchführung sowie mögli- che Auswirkungen fanden bisher in der Literatur keinerlei Erwähnung. Ziel der vorliegenden Pilotstudie ist es, diese Lü- cke zu schließen. Die gängige Praxis von Probestellungen in verschiedenen Häu- sern wurde untersucht und ihre Chancen und Risiken sollen aufgezeigt werden. Des Weiteren wird der Versuch unternom- men, eine allgemeingültige Definition des Begriffs „Probestellung“ zu finden. Methode Vor Beginn der Untersuchung wurden Personengruppen definiert, die mit Probestellungen bereits Erfahrungen ge- sammelt haben könnten. Die Gruppen lie- ßen sich entsprechend der verfolgten In- teressen in zwei Parteien unterscheiden: F die Verkäuferseite und F die Käuferseite. Zur Verkäuferseite zählen die Hersteller von MTG, bzw. deren Vertriebsmitarbei- ter. Auf der Käuferseite steht das Kran- kenhaus oder Klinikum, welches einer- seits durch die Verwaltung, den Einkauf und den medizintechnischen Service (MTS) repräsentiert wird, die in Gesprä- che und Verkaufsverhandlungen mit dem Verkäufer treten, und andererseits durch die späteren Endnutzer. Zu den Endnut- zern zählt das gesamte medizinische Per- sonal, bestehend aus Ärzten, medizintech- nischem, operationstechnischem Pflege- und Reinigungspersonal. Der Fokus die- ser Studie wurde auf das ärztliche Perso- nal gelegt. In der vorliegenden Pilotstudie wur- den bundesweit Ärzte fünf großer Kran- kenhäuser mit über 1000 Betten, zu denen nicht nur Universitätsklinken gehörten, befragt. Die Befragung des ärztlichen Personals erfolgte anonym, freiwillig und wurde mittels eines eigens für diese Stu- die ausgearbeiteten Fragebogens durch- geführt. Es wurden 100 Fragebögen ver- sandt. Es wurde untersucht, F ob bereits Erfahrungen mit Probestel- lungen gesammelt wurden, F ob es in der Abteilung/Klinik ein standardisiertes Vorgehen für Probe- stellungen gibt, und falls ja, wie Pro- bestellungen in der Abteilung/Klinik ablaufen, F ob und wie die Erfahrungen aus Pro- bestellungen dokumentiert werden, Originalien 51 Der Chirurg 1 · 2014|
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Page 1: Probestellungen im Klinikalltag; Trial provision in clinical routine;

Chirurg 2014 · 85:51–56DOI 10.1007/s00104-013-2580-2Online publiziert: 6. September 2013© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

P. Gonser1 · U. Matern2

1 Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen2 Medizinische Fakultät, Tübingen

Probestellungen im KlinikalltagBegriffsdefinition und Untersuchung der gängigen Praxis

Etwa 34% der jährlichen Gesamtaus-gaben für medizintechnische Produk-te in Deutschland werden von Kran-kenhäusern getätigt [2]. Die Spanne der Einzelinvestitionen ist weit und kann von der Anschaffung kosten-günstiger Geräte in hoher Stückzahl bis zum Kauf kostspieliger Großgerä-te für die Diagnostik oder den Opera-tionsbereich reichen. Solche Investi-tionen in die Zukunft des Unterneh-mens Krankenhaus wollen gut ge-plant sein [7]. Immerhin sollen Kran-kenhausangestellte mit diesen Gerä-ten positiv zum Behandlungsverlauf der Patienten beitragen.

Die „Probestellung“

Ein Vergleich zwischen ähnlichen Pro-dukten verschiedener Anbieter oder der Vergleich zwischen einem sich bereits im Haus befindlichen Produkt und dessen Nachfolgegerät sind je nach Investitions-summe angebracht. Aus diesem Grund hat sich unter dem Begriff „Probestel-lung“ eine Vorgehensweise etabliert, die in vielen Häusern heutzutage zur gängigen Praxis gehört. Dabei stellen die Hersteller medizintechnischer Geräte (MTG) diese Geräte der Abteilung oder Klinik, die als potenzieller Käufer die Anschaffung des selbigen plant, zur Probe zur Verfügung. Das entsprechende Gerät kann unter All-tagsbedingungen getestet werden und die gesammelten Erfahrungen der Nut-

zer können als Entscheidungshilfen bei der geplanten Investition zu Rate gezogen werden. Dies kann je nach Umfang und Häufigkeit der Nutzung des MTG effek-tivere und effizientere Arbeitsabläufe för-dern. Andererseits kann es bei einer Pro-bestellung auch zu einer Gefährdung von Patient und/oder Personal kommen [3]. Für Hersteller von MTG bieten Probestel-lungen die Möglichkeit, anhand der Er-gebnisse ihr Produkt zu optimieren und auf die Nutzerbedürfnisse anzupassen.

Der Begriff „Probestellung“, Art und Weise ihrer Durchführung sowie mögli-che Auswirkungen fanden bisher in der Literatur keinerlei Erwähnung. Ziel der vorliegenden Pilotstudie ist es, diese Lü-cke zu schließen. Die gängige Praxis von Probestellungen in verschiedenen Häu-sern wurde untersucht und ihre Chancen und Risiken sollen aufgezeigt werden. Des Weiteren wird der Versuch unternom-men, eine allgemeingültige Definition des Begriffs „Probestellung“ zu finden.

Methode

Vor Beginn der Untersuchung wurden Personengruppen definiert, die mit Probe stellungen bereits Erfahrungen ge-sammelt haben könnten. Die Gruppen lie-ßen sich entsprechend der verfolgten In-teressen in zwei Parteien unterscheiden:Fdie Verkäuferseite undFdie Käuferseite.

Zur Verkäuferseite zählen die Hersteller von MTG, bzw. deren Vertriebsmitarbei-ter. Auf der Käuferseite steht das Kran-kenhaus oder Klinikum, welches einer-seits durch die Verwaltung, den Einkauf und den medizintechnischen Service (MTS) repräsentiert wird, die in Gesprä-che und Verkaufsverhandlungen mit dem Verkäufer treten, und andererseits durch die späteren Endnutzer. Zu den Endnut-zern zählt das gesamte medizinische Per-sonal, bestehend aus Ärzten, medizintech-nischem, operationstechnischem Pflege- und Reinigungspersonal. Der Fokus die-ser Studie wurde auf das ärztliche Perso-nal gelegt.

In der vorliegenden Pilotstudie wur-den bundesweit Ärzte fünf großer Kran-kenhäuser mit über 1000 Betten, zu denen nicht nur Universitätsklinken gehörten, befragt. Die Befragung des ärztlichen Personals erfolgte anonym, freiwillig und wurde mittels eines eigens für diese Stu-die ausgearbeiteten Fragebogens durch-geführt. Es wurden 100 Fragebögen ver-sandt.

Es wurde untersucht,Fob bereits Erfahrungen mit Probestel-

lungen gesammelt wurden,Fob es in der Abteilung/Klinik ein

standardisiertes Vorgehen für Probe-stellungen gibt, und falls ja, wie Pro-bestellungen in der Abteilung/Klinik ablaufen,

Fob und wie die Erfahrungen aus Pro-bestellungen dokumentiert werden,

Originalien

51Der Chirurg 1 · 2014  | 

Page 2: Probestellungen im Klinikalltag; Trial provision in clinical routine;

Fob und auf welche Art und Weise die Hersteller/Vertreiber ein Feedback über den Einsatz des Testgerätes er-halten,

Fworauf bei einer Probestellung geach-tet wird,

Fob im Alltag genug Zeit für eine ge-wissenhafte Testdurchführung bleibt,

Fob der Befragte der Meinung ist, dass Probestellungen einen Einfluss auf die Anschaffung von MTG im Kranken-haus haben,

Fob sich der Befragte über die mögli-chen rechtlichen Konsequenzen einer Probestellung im Klaren ist.

Befragt wurden Anästhesisten (n=8; 13,3%), Radiologen (n=12; 20%) und Chi-rurgen (n=40; 66,7%). Die Befragung der Verkäuferseite (n=10) sowie die Befragung der Verwaltung und des Einkaufs des Kli-nikums (n=8) stellvertretend für die Käu-ferseite, erfolgten durch persönliche und telefonische Interviews.

Statistische Signifikanz wurde für p<0,05 angenommen.

Ergebnisse

Bei Probestellungen handelt es sich nicht um sog. „randomized controlled trials“ (RCT), sondern es wird das marktreife, zum Verkauf stehende Produkt getestet, das, sofern eine CE-Zertifizierung vor-liegt, gemäß § 6 Abs. 1 Medizinprodukt-gesetz (MPG) in den Verkehr gebracht und in Betrieb genommen werden darf [5]. Von den 100 versandten Fragebögen wurden 60 ausgefüllt zurückgeschickt (Rücklaufquote 60%). 96,7% (n=58) aller befragten Ärzte (n=60; Anästhesie: n=8, 13,3%; Radiologie: n=12, 20%; Chirurgie: n=40, 66,7%) gaben an, bereits Erfahrun-gen mit Probestellungen gesammelt zu habe.

Der Prozentsatz der Abteilungen/Kli-niken, in welchen es ein standardisiertes Vorgehen bei Probestellungen gibt, be-trägt 16,7% (n=10). Dies bedeutet, dass eine Probestellung erst nach Abschluss eines Leihvertrages zwischen dem Her-steller des Gerätes und MTS/Einkauf/Kli-nik erfolgt (n=7; 70% der Ärzte, die bei der Frage nach standardisiertem Vorge-hen mit „Ja“ geantwortet hatten). Weite-re Vorgaben über den genauen Testablauf von Seiten der Abteilung/des Klinikums waren den Befragten nicht bekannt.

Geordnet nach Fachbereichen fällt auf, dass chirurgische Fächer statistisch signi-fikant seltener ein standardisiertes Vor-gehen zu haben scheinen als Radiologen oder Anästhesisten (.Abb. 1).

Auch die Dokumentation der Ergeb-nisse und Erfahrungen von Probestellun-gen unterscheiden sich signifikant zwi-schen Chirurgen und Anästhesisten/Ra-diologen (.Abb. 2).

Insgesamt 85% (n=51) aller Befragten setzen das Leihgerät direkt am Patienten ein. Jedoch erhalten vor einer Probestel-lung nur 26,7% (n=16) der Befragten eine Einführung/Schulung für das Gerät durch den Hersteller. 62,5% (n=10) dieser Grup-pe gehörten zu denjenigen, in deren Ab-teilung/Klinik es ein standardisiertes Vor-gehen gibt. 63,3% (n=38) hingegen erhal-ten selten und 10% (n=6) nie eine Einwei-sung/Schulung für das Gerät, ehe sie es

58.3%

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ja nein ja nein ja nein

Radiologie Anästhesie Chirugie

Abb. 2 8 Antworthäufigkeiten der Befragten bezüglich der Dokumentation der Ergebnisse von  Probestellungen (n=60; Anästhesie: n=8, 13,3%; Radiologie: n=12, 20%; Chirurgie: n=40, 66,7%).  Statistisch signifikanter Unterschied zwischen Radiologie/Anästhesie und Chirurgie (p<0,05)

33.3%

66.7%

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90%

100%

ja nein ja nein ja nein

Radiologie Anästhesie Chirugie

Abb. 1 8 Antworthäufigkeiten bezüglich des standardisierten Vorgehens geordnet nach Fachrich-tung. Statistisch signifikanter Unterschied zwischen Radiologie/Anästhesie und Chirurgie (p<0,05)

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Originalien

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im Alltag einsetzen. Mit der Gebrauchs-anweisung des Leihgerätes setzen sich vor der Probestellung nur 28,3% (n=17) der Ärzte auseinander(.Abb. 3).

Dass sich straf-, zivil- und standes-rechtliche Konsequenzen aus solch einem Vorgehen ergeben können [6], waren sich 80% der Befragten (n=48) nicht bewusst.

Bei der Untersuchung der Merkmale, auf die während Probestellungen geach-tet werden, zeigte sich, dass tendenziell Funktionsumfang, Funktionstüchtigkeit, leichte Bedienbarkeit und Überlegenheit gegenüber anderen Geräten am meisten Beachtung finden (.Abb. 4).

Insgesamt 83,3% (n=50) sind der Mei-nung, dass Probestellungen in ihrer Ab-teilung/Klinik die Anschaffung von MTG beeinflussen, doch antworteten 60% (n=36) der Ärzte, keine Zeit für einen ge-wissenhaften Test des Leihgerätes zu ha-ben (.Abb. 5).

Insgesamt 51,7% (n=31) der befragten Ärzte gaben an, dem Hersteller/Vertrei-ber des Leihgerätes ein Feedback über die Probestellung zukommen zu lassen. Dies erfolge überwiegend mündlich (77,4%, n=24 der 31 Befragten, die angaben, dem Hersteller ein Feedback zukommen zu lassen). Auch hier finden sich Unter-schiede in Abhängigkeit vom Fachbereich (.Abb. 6). Schriftliches Feedback erfolgt vor allem von denjenigen Ärzten, in de-ren Abteilung es ein standardisiertes Vor-gehen gibt.

Die Interviews mit Herstellern und Vertreibern (n=10) ergaben, dass 90% (n=9) sich wünschen, dass Probestellun-gen zur Optimierung der Geräte beitra-gen würden. Jedoch könne das mündliche Feedback qualitativ nicht zur Optimie-rung der Produkte beitragen. 80% (n=8) der Interviewten betrachteten Probestel-lungen eher als verkaufsförderndes Mar-ketingelement, das mit hohem Aufwand und immensen Kosten für die Hersteller-/Vertreiberseite verbunden sei.

Die Interviews mit dem MTS und Ein-kauf (n=8) der Kliniken zeigten, dass es von Seiten der Verwaltung klare Vorgaben für das Zustandekommen von Probestel-lungen gibt. Eine Probestellung dürfe nur mit Information und Einverständnis der Verwaltung des Klinikums und nach Ab-schluss eines Leihvertrages zwischen Her-steller/Vertreiber und Klinikum zustande

kommen und alle Nutzer müssten eine Einweisung in die Handhabung des Ge-rätes erhalten. Alle Interviewten gaben jedoch an, dass es vielfach zu Nebenab-sprachen zwischen einzelnen Ärzten und Herstellern/Vertreibern ohne Informa-tion an die Verwaltung kommen würde, bei denen Probestellungen quasi „privat“ organisiert würden.

Ein standardisiertes Vorgehen für Ab-lauf und Evaluation von Probestellungen von Seiten der Verwaltung gebe es jedoch nicht, was sich mit den Aussagen der be-fragten Ärzte deckt. Anstrengungen dies-bezüglich müssten vom Arzt, der die Pro-bestellung initiiert unternommen werden. Alle Befragten waren sich einig, dass Pro-bestellungen die Anschaffung von MTG im Klinikbetrieb beeinflussen.

Zusammenfassung · Abstract

Chirurg 2014 · 85:51–56   DOI 10.1007/s00104-013-2580-2© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

P. Gonser · U. MaternProbestellungen im Klinikalltag. Begriffsdefinition und Untersuchung der gängigen Praxis

ZusammenfassungHintergrund.  Medizintechnische Geräte (MTG) vor dem Kauf von Herstellern auszulei-hen, um sie unter Alltagsbedingungen zu tes-ten, ist als „Probestellung“ in den Sprachge-brauch eingegangen. Mittels dieser Pilotstu-die soll erstmals eine genaue Definition ge-funden und die gängige Praxis untersucht werden.Methode.  An fünf deutschen Krankenhäu-sern wurden Fragebögen an 60 Ärzte verteilt (Chirurgen: n=40, 66,7%; Radiologen: n=12, 20%; Anästhesisten: n=8, 13,3%). Hersteller und Vertreiber medizintechnischer  Produkte (n=10), Klinikangestellte des medizintech-nischen Service und Einkaufs (n=8) wurden interviewt.Ergebnisse.  Die Probestellung stellt ein ver-kaufsförderndes Marketingelement von Her-stellern/Vertreibern von MTG dar, bei wel-

chem Krankenhäuser/Kliniken MTG für einen definierten Zeitraum zur Probe zur Verfü-gung gestellt bekommen, um auf Grundlage der gesammelten Erfahrungen eine Kaufent-scheidung zu treffen. Drei Vorgehensweisen erscheinen üblich, die innerhalb einer Klinik differieren können.Schlussfolgerung.  Probestellungen beein-flussen im Klinikalltag Kaufentscheidungen. Sie können jedoch bei unkorrekter Durchfüh-rung Gesundheit, Sicherheit und Unversehrt-heit der Patienten gefährden und dadurch straf-, zivil- und standesrechtliche Konse-quenzen für Kliniken und Ärzte haben.

SchlüsselwörterProbestellung · Leihstellung · Leihgerät · Begriffsdefinition · Medizintechnik

Trial provision in clinical routine. Definition of terms and investigation of normal practice

AbstractBackground.  It has become common for hospitals to borrow medical devices from manufacturers to test and try them during the daily routine before purchasing which today is known as trial provision. This study aims at offering a precise definition of  trial provisions and a description of the way of proceeding.Methods.  A total of 60 medical practitioners in 5 German hospitals were surveyed (sur-geons n=40, 66.7%, radiologists n=12, 20% and anesthesiologists n=8, 13.3%). Manu-facturers and distributors of medical  devices (n=10) and hospital administration execu-tives (n=8) were also interviewed.Results.  Trial provisions are a promotional marketing tool for manufacturers of medical devices. By lending the device over a  specific 

period for testing before purchasing, hos-pitals can gain experience in the usage and handling of devices on which a purchase de-cision can be made. The survey revealed that there are basically three procedural  methods which can, however, differ even within one hospital.Conclusion.  Trial provisions influence pur-chasing decisions in clinics. If implemented incorrectly trial provisions may compromise physical integrity, safety and health of pa-tients and can thus lead to judicial and legal consequences for hospitals and medical staff.

KeywordsTrial provision/promotional provision · Loan provision · Loan device · Definition · Medical engineering

53Der Chirurg 1 · 2014  | 

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Diskussion

Aus den Ergebnissen lässt sich folgende Definition für die Probestellung ableiten:

Eine Probestellung (syn. Leihstellung) ist ein verkaufsförderndes Marketingele-ment von Herstellern/Vertreibern von MTG, bei welchem Krankenhäuser/Klini-ken MTG für einen definierten Zeitraum zur Probe zur Verfügung gestellt bekom-men, um auf Grundlage der gesammel-ten Erfahrungen eine Kaufentscheidung zu treffen.

Es lassen sich drei gängige Arten der Durchführung von Probestellungen von-einander abgrenzen:1. Hersteller und Kliniken schließen

einen Leihvertrag über das Gerät ab. Die Nutzer erhalten eine Einweisung/Schulung durch den Hersteller/Ver-treiber. Ablauf und Evaluation der ge-sammelten klinischen Erfahrungen sind nicht standardisiert.

2. Das unter 1 vorgestellte Vorgehen wird um eine Evaluation per Frage-bögen ergänzt. Der Ablauf ist jedoch

nicht standardisiert. ( Erwünschtes und von der Verwaltung und den Herstellern empfohlenes Vorgehen.)

3. Gänzlich ohne Information der Ver-waltung, des Einkaufs oder MTS ab-laufende Probestellung. Die Nutzer erhalten selten oder nie eine Einwei-sung in das Gerät. Klinik und Nut-zer müssen rechtliche Konsequenzen fürchten. (Das am häufigsten prakti-zierte Verfahren.)

Die durchgeführte Untersuchung zeigt, dass Probestellungen und ihre gängigen Durchführungsweisen keine Ausnahmen darstellen, sondern Einzug in den Klinik-alltag gehalten haben und den Anschaf-fungsprozess von MTG nachhaltig beein-flussen.

Es zeigte sich, dass es innerhalb eines Hauses in Abhängigkeit der Abteilungs-zugehörigkeit Unterschiede in der Hand-habung gibt, wobei eine Bewertung der Vorgehensweise der untersuchten Fach-bereiche aufgrund der Stichprobengröße nicht getroffen werden soll. Gründe für die unterschiedliche Handhabung könn-ten darin bestehen, dass nicht alle Mit-arbeiter des Hauses ausreichend über die seitens der Verwaltung erwünschte Vorge-hensweise informiert sind oder sich wis-sentlich darüber hinwegsetzen. Rechtliche Konsequenzen können sich in diesen Fäl-len ergeben, falls die obligate Einweisung oder Schulung durch den Hersteller/Ver-treiber vor der Nutzung des Gerätes nicht erfolgt und der Nutzer den fach- oder sachgerechten Einsatz nicht nachweisen kann. Damit wird nicht nur die Sicherheit und Unversehrtheit des Patienten einem Risiko ausgesetzt, es können hieraus auch zivilrechtliche Konsequenzen entstehen. Denn derjenige Nutzer, der ohne vorhe-rige Einweisung und somit ohne Ausbil-dung oder Kenntnis und Erfahrung des medizinisches Gerätes selbiges an einem Patienten einsetzt, handelt nach § 13 Nr.4 MPBetreibv [4] nicht nur ordnungswid-rig, er kann auch nicht mehr gewährleis-ten, dass die obligat voran gegangene Auf-klärung des Patienten vollständig und umfassend erfolgte und die anschließende Behandlung den Regeln der ärztlichen Kunst entspricht.

Nachdem die Aufklärung über mögli-che Risiken bei der Benutzung von Medi-

18.3%

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71.7%81.7% 80.0%

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Bei einer Probestellung beachte ich: (Mehrfachnennung möglich)

Abb. 4 8 Antworthäufigkeiten der Befragten bezüglich der Merkmale, die bei einer Probestellung be-achtet werden (Mehrfachantworten waren möglich, die Angaben erfolgten in Prozent, wobei jeder Antwortmöglichkeit 60 mögliche Antworten als 100% zugrunde gelegt wurden)

26.7%

63.3%

10.0%

28.3%

71.7%

0%

10%

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40%

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80%

90%

100%

immer selten nie ja nein

Vor einer Probestellung erhalten Siepersönlich eine ausführliche Einweisung

von dem Hersteller des Leihgerätes:

Vor einer Probestellunglesen Sie die

Gebrauchsanweisung fürdas entsprechende Gerät:

Abb. 3 8 Angaben aller Befragten bezüglich einer Unterweisung in den Gebrauch des Gerätes vor dem Einsatz am Patienten sowie Aussagen, wie viele der Ärzte vor der Nutzung die Gebrauchsanwei-sung studieren

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Originalien

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zinprodukten zu den Hauptpflichten des Anwenders bzw. Betreibers gehört, rich-tet sich die Aufklärung auch hier nach den bislang allgemein geltenden Grundsätzen für die ärztliche Aufklärung. Dies gilt ins-besondere für die Risikoaufklärung. Da-bei ist grundsätzlich festzuhalten, dass dem Patienten keine minuziöse Aufklä-rung geschuldet ist, sondern vielmehr es als ausreichend anerkannt ist, wenn man dem Patienten die spezifischen Risiken des geplanten Eingriffs „im Großen und Ganzen“ darlegt. Bei der Risikoaufklärung müssen dem Patienten diejenigen Gefah-ren schonungslos benannt werden, die trotz fehlerfreien medizinischen Vorge-hens für ihn bestehen, möglich und nicht sicher beherrschbar sind. Auch über sel-

tene Risiken muss der Patient aufgeklärt werden, wenn der Eintritt dieses Risikos erhebliche Auswirkungen auf das Leben des Patienten haben kann und diese Ri-siken dem Eingriff spezifisch anhaften, auch wenn sie selten sind.

Die ordnungsgemäße Aufklärung des Patienten ist die Grundvoraussetzung da-für, dass eine wirksame Einwilligung er-teilt werden kann. Führt also beispiels-weise ein Arzt das Aufklärungsgespräch, welches mangels der erforderlichen Sach- und Fachkunde nicht ordnungsgemäß ist, so kann eine unwirksame Einwilligung vorliegen, die für den Arzt zu strafrecht-lichen Konsequenzen wegen Körperver-letzung führen kann (§ 223 ff. Strafgesetz-buch). Entsteht dem Patienten hierdurch

ein Schaden, muss der Anwender eben-falls mit zivil- und ggf. darüber hinaus standesrechtlichen Konsequenzen rech-nen [6].

Es ist ebenfalls zu bedenken, dass die tatsächlichen direkten und indirekten Kosten (Transport, Bereitstellung, Schu-lung, Wartung…) auf die Verkäuferseite abgewälzt werden, die aufgrund des un-genügenden Feedbacks von einer Pro-bestellung nur profitiert, wenn die Kli-nik das bereitgestellte Gerät letztendlich kauft. Auch scheinen die Ergebnisse von Probestellungen immer mit einer gewis-sen Skepsis zu beurteilen zu sein, da es nur einen scheinbar standardisierten Testab-lauf und keine standardisierte Evaluation gibt und nicht alle Teilnehmer einer Pro-bestellung Zeit für einen gewissenhaften Test haben. Die Ergebnisse sind nicht re-liabel, valide oder reproduzierbar und lau-fen somit Gefahr zu reinen Erfahrungsbe-richten zu degenerieren. Ziel weiterfüh-render Studien könnte es sein, ein stan-dardisiertes Vorgehen für Probestellun-gen heraus zu arbeiten, das eine entspre-chende Evaluation der getesteten Geräte erlaubt.

Eine sinnvolle Alternative zu Probestel-lungen sind Gebrauchstauglichkeitstests (GT) unabhängiger Anbieter als eine Me-thode der nutzerzentrierten empirischen Gebrauchstauglichkeitsevaluation. Dabei absolviert eine repräsentative Schnittmen-ge der späteren Nutzer in einem Testsze-nario Aufgaben, die den späteren Arbeits-aufgaben entsprechen, die mit dem Pro-dukt erledigt werden sollen. Eine ge-naue Analyse der aufgetretenen Schwie-rigkeiten, Probleme und Sicherheitsmän-gel, sowie ein detailliertes Feedback der Testpersonen, das durch Interviews oder Fragebögen eingeholt wird, erlaubt eine valide Evaluation der Gebrauchstaug-lichkeit und somit auch die Möglichkeit der Produktoptimierung. Im Gegensatz zu Probe stellungen erfüllen GT also die Testgütekriterien und gefährden nicht die Sicherheit der Patienten. Vor allem in Anbetracht der Merkmale, auf die Ärzte während einer Probestellung achten, fällt auf, dass diese nichts anderes als Maße der Gebrauchstauglichkeit von MTG im Sinne der DIN EN IEC 62366 darstellen [1]. Zwar sind GT im Vergleich zur Pro-bestellung kostenintensiver, doch bieten

36.7%

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0%10%20%30%40%50%60%70%80%90%

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Meiner Meinung nach beein�usst eine Probestellung in unsererKlinik/Abteilung die Anscha�ung medizinischer Geräte:

Abb. 5 8 Antworthäufigkeiten bezüglich des Einflusses von Probestellungen auf den Anschaffungs-prozess medizintechnischer Geräte

33.3% 25.0%41.7%

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Radiologie Anästhesie Chirurgie

Abb. 6 8 Angaben der Befragten der einzelnen Fachbereiche bezüglich Feedback an die Hersteller/Vertreiber (n=60; Anästhesie: n=8, 13,3%; Radiologie: n=12, 20%; Chirurgie: n=40, 66,7%)

55Der Chirurg 1 · 2014  | 

Page 6: Probestellungen im Klinikalltag; Trial provision in clinical routine;

sie für die Verkäuferseite die Möglichkeit, ihre Produkte während des gesamten Ent-wicklungsprozesses zu evaluieren und zu optimieren und könnten für die Käufer-seite verlässliche Entscheidungsgrund-lagen für die Anschaffung neuer Geräte darstellen. Der Nutzen ist hier gegenüber den Kosten durchaus abzuwägen.

Fazit für die Praxis

Eine Probestellung (syn. Leihstellung) ist ein verkaufsförderndes Marketingele-ment von Herstellern/Vertreibern me-dizintechnischer Geräte, bei welchem Krankenhäuser/Kliniken die Geräte für einen definierten Zeitraum zur Probe zur Verfügung gestellt bekommen, um auf Grundlage der gesammelten Erfahrun-gen eine Kaufentscheidung zu treffen. Probestellungen können jedoch bei un-korrekter Durchführung Gesundheit, Si-cherheit und Unversehrtheit der Patien-ten gefährden und dadurch straf-, zivil- und standesrechtlichen Konsequenzen für Kliniken und Ärzte zur Folge haben.

Korrespondenzadresse

Dr. P. GonserBerufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen,Schnarrenbergstr. 95, 72076 Tü[email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt.  P. Gonser und U. Matern geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. 

Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

Literatur

  1.  Din En IEC 62366 (2008) Medizinprodukte-Anwen-dung der Gebrauchstauglichkeit auf Medizinpro-dukte

  2.  Westphal D (2007) Medizintechnik und Werkstof-fe: Märkte, Technologien, Personen. In: 30-jähriges Firmenjubiläum. GWP, Zorneding

  3.  Matern U (2009) Der Experimental-OP: Betriebs-wirtschaft, Patientensicherheit und humanitäre Patientenversorgung sind keine Gegensätze. Chir-urg BDC 2:149–153

  4.  MpBetreibv (Fassung vom 29.07.2009) Medizin-produkte-Betreiberverordnung

  5.  MPG (Fassung vom 29.07.2009) Medizinprodukt-gesetz

  6.  Sprau H (2009) Arzthaftung. In: Palandt O (Hrsg) Beck’sche Kurz-Kommentare: Bürgerliches Gesetz-buch. C.H. Beck, München

  7.  Wille E (1996) Anliegen und Charakteristika einer Kosten-Nutzen-Analyse. In: Schulenburg J-M von der (Hrsg) Ökonomie in der Medizin. Schattauer, Stuttgart

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56 |  Der Chirurg 1 · 2014

Die Online-Version des Originalartikels kön-nen Sie unter http://dx.doi.org/10.1007/s00104-013-2486-z finden.

Chirurg 2014 · 85:56DOI 10.1007/s00104-013-2677-7Online publiziert: 22. Januar 2014© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

A. Hyhlik-Dürr · M.S. Bischoff  A.S. Peters · N. Attigah · P. Geisbüsch  D. BöcklerKlinik für Gefäßchirurgie und Endovaskuläre Chirurgie, Universitätsklinikum Heidelberg

Erratum zu: Endo- vaskuläre Therapie paraanastomaler aortaler Aneurysmen. Technische Möglichkeiten

In diesem Beitrag wurde der Name des Koautors N. Attigah falsch angegeben.

Die korrekte Autorenangabe lautet:

A. Hyhlik-Dürr · M.S. Bischoff  A.S. Peters · N. Attigah · P. Geisbüsch  D. BöcklerKlinik für Gefäßchirurgie und Endovaskuläre 

Chirurgie, Universitätsklinikum Heidelberg, 

Heidelberg

Wir bitten zukünftig die korrekte Autoren angabe zu beachten und den Fehler zu entschuldigen.

Korrespondenzadresse

PD Dr. A. Hyhlik-DürrKlinik für Gefäßchirurgie  und Endovaskuläre Chirurgie,  Universitätsklinikum Heidelberg,Im Neuenheimer Feld 110,  69120 [email protected]

Erratum


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