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Polizeiliche Kriminalstatistik. Im Spannungsfeld von ... · provisions involve selecting an...

Date post: 05-Aug-2019
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.SIAK-Journal – Zeitschrift für Polizeiwissenschaft und polizeiliche Praxis Schwarzer, Steve (2010): Polizeiliche Kriminalstatistik. Im Spannungsfeld von Verwaltungshandeln und evidenzbasierter Politikgestaltung SIAK-Journal − Zeitschrift für Polizeiwissenschaft und polizeiliche Praxis (1), 4-16. doi: 10.7396/2010_1_A Um auf diesen Artikel als Quelle zu verweisen, verwenden Sie bitte folgende Angaben: Schwarzer, Steve (2010). Polizeiliche Kriminalstatistik. Im Spannungsfeld von Verwaltungshandeln und evidenzbasierter Politikgestaltung, SIAK-Journal − Zeitschrift für Polizeiwissenschaft und polizeiliche Praxis (1), 4-16, Online: http://dx.doi.org/10.7396/2010_1_A. © Bundesministerium für Inneres Sicherheitsakademie / Verlag NWV, 2010 Hinweis: Die gedruckte Ausgabe des Artikels ist in der Print-Version des SIAK-Journals im Verlag NWV (http://nwv.at) erschienen. Online publiziert: 3/2013
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SIAK-Journal ndash Zeitschrift fuumlr Polizeiwissenschaft und polizeiliche Praxis

Schwarzer Steve (2010)

Polizeiliche Kriminalstatistik Im Spannungsfeld von Verwaltungshandeln und evidenzbasierter Politikgestaltung

SIAK-Journal minus Zeitschrift fuumlr Polizeiwissenschaft und polizeiliche Praxis (1) 4-16

doi 1073962010_1_A

Um auf diesen Artikel als Quelle zu verweisen verwenden Sie bitte folgende Angaben

Schwarzer Steve (2010) Polizeiliche Kriminalstatistik Im Spannungsfeld von Verwaltungshandeln und evidenzbasierter Politikgestaltung SIAK-Journal minus Zeitschrift fuumlr Polizeiwissenschaft und polizeiliche Praxis (1) 4-16 Online httpdxdoiorg1073962010_1_A

copy Bundesministerium fuumlr Inneres ndash Sicherheitsakademie Verlag NWV 2010

Hinweis Die gedruckte Ausgabe des Artikels ist in der Print-Version des SIAK-Journals im Verlag NWV (httpnwvat) erschienen

Online publiziert 32013

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STEVE SCHWARZER wissenschaftlicher Mitarbeiter am

Institute for Social Research and Analysis (SORA)

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Polizeiliche Kriminalstatistik

Im Spannungsfeld von Verwaltungshandeln und evidenzbasierter

Politikgestaltung Mit der Polizeilichen Kriminalstatistik verfuumlgt das Bundesministerium fuumlr

Inneres uumlber eine Datenquelle die einerseits die Wirksamkeit gesetzter sishycherheitspolitischer Maszlignahmen analysierbar macht andererseits aber auch Gegenstand teils heftiger politischer Diskussionen ist Dies ist wenig uumlbershyraschend denn wenn Empirie oder gemessene Fakten und Politik einander begegnen wird sofort auf die Effizienz und Effektivitaumlt staatlich-oumlffentlishychen Handelns geschlossen da die Daten den Eindruck erwecken staatliches Handeln beobachten zu koumlnnen Gerade bei der Erarbeitung und Verwenshydung oumlffentlicher bzw amtlicher Statistik bedarf es aber weiterfuumlhrender und grundlegender Uumlberlegungen welche Informationen letztendlich fuumlr die Planung und Gestaltung der Politik notwendig sind (genutzt werden koumlnnen bzw sollten) und mit welchem Aufwand und auf welche Weise eben solche Daten erhoben werden koumlnnen Eine sinnvolle inhaltliche sowie praxisbezoshygene Auswertung und Diskussion ist dann moumlglich wenn dafuumlr notwendige Daten kontinuierlich und in guter Qualitaumlt erhoben werden und nicht allein eine Darstellung der Fakten sondern Ursachen und Wirkung zu beobachtenshyder Phaumlnomene ebenso in die Betrachtung aufgenommen werden Greifbar wird dieser Anspruch im Konzept der evidenzbasierten Politikgestaltung Das Ziel evidenzbasierter Politikgestaltung liegt somit in der Darstellung von Wirkungsketten um die Sicherung kausaler Effekte zu gewaumlhrleisten Der nachfolgende Beitrag versucht das Konzept der evidenzbasierten Polishytikgestaltung am Beispiel der Polizeilichen Kriminalstatistik darzustellen Dabei sollen grundsaumltzliche Probleme der Einbindung empirischer Daten in die politische Regulierung aufgezeigt und problematisiert werden um am Ende dennoch zu behaupten dass auch die Polizeiliche Kriminalstatistik ein hervorshyragendes Instrument im Sinne evidenzbasierter Politikgestaltung sein kann Eine rationale folgenorientierte Kriminal- und Strafrechtspolitik ist ohne eine solide empirische Grundlage nicht moumlglich1

EINLEITUNG2 scher Diskussionen Auch wenn diese Zah-Es wiederholt sich immer wieder Nach len lediglich einen eingeschraumlnkten Blick der Praumlsentation der monatlichen Zahlen auf die Sicherheitslage in Oumlsterreich zu-zur Anzeigenstatistik und der polizeilichen lassen versuchen unterschiedliche Akteu-Aufklaumlrungsquote herausgegeben durch rInnen ihre jeweilige Interpretation und das Bundeskriminalamt3 sind die Ergeb- Schlussfolgerungen aus den Zahlen zu nisse Gegenstand oumlffentlicher und politi- ziehen um im massenmedial vermittelten

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Diskurs eine Dominanz zu entwickeln4

Dieser Umstand stellt somit eine Herausshyforderung fuumlr die politische Oumlffentlichshykeitsarbeit dar denn die Veroumlffentlichung amtlicher Daten ist nicht nur ein Mittel von Politik sondern ist selbst als bdquopolishytischldquo anzusehen (Jarren 1998 Jarren Donges 2006)

Ein gern formuliertes Ziel an fuumlr die Poshylitikgestaltung in Auftrag gegebene Studishyen ist dabei die Evidenz-Basierung Dazu stellen sich zunaumlchst zwei sehr allgemeine Fragen (1) was wird unter dem Begriff bdquoEvidenzldquo gefasst und (2) inwieweit koumlnshynen oder sollen Politik und politische Reshygulierung sinnvoll als bdquoevidenz-basiertldquo konzeptualisiert werden

Im nachfolgenden Beitrag soll der Frage nachgegangen werden welche Aspekte bei der Diskussion der Kriminalitaumltsstatisshytik bei der Einordnung in das Konzept wissensbasierter Politikgestaltung von Beshydeutung sind und wie mit einer aus der oumlfshyfentlichen Verwaltung heraus generierten Datenquelle Informationen auch an die Oumlffentlichkeit vermittelt werden koumlnnen Allerdings und dies soll hier erarbeitet werden muumlssen diese Zahlen mit einer geshywissen Vorsicht interpretiert werden denn weder geben sie eine umfassende Ausshykunft uumlber die tatsaumlchlich veruumlbten Verbreshychen in Oumlsterreich noch koumlnnen sie zur Bewertung der Arbeit der Beamtinnen und Beamten der Vollzugsbehoumlrden herangeshyzogen werden Dabei soll insbesondere auch der Geltungsanspruch datenbasierter Aussagen problematisiert werden gerade dann wenn diese Daten fuumlr die Politikshygestaltung herangezogen werden

Fuumlr die Darstellung greift der Autor auf das Konzept der evidenzbasierten Politikshygestaltung5 zuruumlck bdquoEvidence based pracshytice (EBP) is a process for making practice decisions in which practitioners integrate the best research evidence available with their practical expertise and with clientsrsquo

attributes values preferences and cirshycumstancesldquo (Rubin 2008 17) Gerade in den letzten Jahren hat nicht zuletzt durch das Leben im Mehrebenensystem der Eushyropaumlischen Union die Arbeit mit und an verschiedenen Indikatorensystemen6 fuumlr die politische Regulierung an Bedeutung gewonnen (BrownCorbett 1997)

Evidenzbasierte Politikgestaltung nimmt Bezug auf die bdquoRealitaumltldquo indem politische Handlungsfelder mit wissenschaftlichen Methoden7 erforscht werden um so schnelshyler auf Veraumlnderungen und Wandlungsershyscheinungen in bestimmten politischen Handlungsfeldern reagieren zu koumlnnen

Diese Einblicke erlauben es der Politik ihr Handeln so auf

Ursachen und Wirkungsshyzusammenhaumlnge zu konzenshy

trieren wie es sich in den Beobachtungen realisiert

In einem ersten Abschnitt stellt dieser Beitrag die theoretischen Grundlagen und Annahmen wissensbasierter Politikgeshystaltung dar um vor diesem Hintergrund einzelne Aspekte der Polizeilichen Krimishynalitaumltsstatistik insbesondere unter Heranshyziehung wissenschaftstheoretischer und methodologischer Annahmen zu diskutieshyren Der Beitrag schlieszligt mit Hinweisen auf jene Ansatzpunkte die eine Weitershyund Fortentwicklung der Kriminalitaumltsstashytistik in Richtung einer Evidenzbasierung ermoumlglichen koumlnn(t)en

WAS BEDEUTET EVIDENZBAshySIERTE POLITIKGESTALTUNG Die Komplexitaumlt nationaler und europaumlishyscher Politikprozesse ist in aumlhnlicher Weise durch den so genannten Policy-Zyklus den Kreislauf der Politikgestaltung strukshyturiert Dem Policy-Zyklus liegt eine immanente top-down bdquoGesetzgeberpershyspektiveldquo zu Grunde wodurch Politik als

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hierarchische Steuerung uumlbergeordneter Instanzen konzipiert wird und der Fokus auf bdquoeinzelnenldquo Programmen und Entshyscheidungen sowie ihrer Implementation liegt (vgl JannWegrich 2003 95) Denshynoch kann festgehalten werden dass durch den Phasencharakter des Policy-Zyklus ein differenziertes Verstaumlndnis der Dynashymik der Eigenart und der Ursachen der spezifischen und komplexen Prozesse des Policy Makings erreicht wird (vgl Behrens 2003 Heritier 1993 Mayntz 1983 14 ff) Der Entscheidungszyklus ist in der polishytik- und verwaltungswissenschaftlichen Forschung ein sehr zentrales analytisches und heuristisches Instrument um die Polishytikgestaltung zu beschreiben Politikgeshystaltung oder Policy Making bdquobeschreibt einen Begriff der die sequentiellen Proshyzesse der Formulierung und Umsetzung von Politikinhalten umfasstldquo (Heritier 1993 JannWegrich 2003 72 Schubert 1991 Wollmann 2003)

Quelle Schubert 1991

Phasen eines Policy-Zirkels

Die Verschraumlnkung wissenschaftlicher Expertise mit Regulierungsprozessen bringt eine neue Fokussierung in politishysches Gestaltungshandeln Ziel oumlffentlishychen Handelns sollte es sein eine moumlgshylichst effektive Intervention Maszlignahme oder Regulierung zu erreichen Diese Efshyfektivitaumlt (und auch Effizienz) kann durch

wissensbasiertes Handeln erreicht werden so die Annahme8

In der Europaumlischen Union wurde dieser Trend vor allem durch das Dokument bdquoEushyropaumlisches Regieren ndash Ein Weiszligbuchldquo9

und die Schlussfolgerungen des Ratstrefshyfens in Laeken (Dezember 2001) vorangeshytrieben Im Juni 2002 veroumlffentlichte die Europaumlische Kommission den Aktionsplan bdquoEuropaumlisches Regieren Bessere Rechtshysetzungldquo10 Der Aktionsplan bdquoVereinfashychung und Verbesserung des Regelungsshyumfeldsldquo11 stellt die Notwendigkeit der Folgenabschaumltzung bezuumlglich der oumlkonoshymischen oumlkologischen und sozialen Folgen politischer Regulierung dar und definiert daruumlber hinaus anhand welcher sozialen Dimensionen dies geschehen soll12 Uumlber diese Initiativen versucht die Europaumlische Kommission den Einsatz ihshyrer beschraumlnkten Mittel durch ein so geshynanntes bdquoimpact assessmentldquo auf deren Sinnhaftigkeit hin zu uumlberpruumlfen und zu einem regulaumlren Teil des Entscheidungszyshyklus innerhalb der Europaumlischen Kommisshysion zu machen

Wissensbasierte Politikgestaltung oder bdquoevidence based Policy Makingldquo kommt als Konzept aus der Gesundheitspolitik der 1980er Jahre Seitdem hat sich das Konzept weiterentwickelt wobei es auf andere Bereiche uumlbertragen wurde

Im Bereich der Gesundheitspolitik hat sich der Begriff der bdquoevidence based pracshyticeldquo verfestigt Dieser vereint zwei grundshylegende Perspektiven 1EBP bdquois a process that includes locating

and appraising credible evidence as a part of practice decisionsldquo

2EBP bdquois a way to designate certain intershyventions as empirically supported under certain conditionsldquo (Rubin 2008 6) Weiter praumlzisiert kann diese Definition

auch auf andere Regulierungsprozesse uumlbertragen werden bdquoEBP is a process for making practice decisions in which practishy

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tioners13 integrate the best research evishydence available with their practice expertishyse and with client attributes values prefeshyrences and circumstances When those provisions involve selecting an interventishyon to provide practitioners will attempt to maximize the likelihood that their clients will receive the most effective intervention possible (hellip)ldquo (Rubin 2008 7)14

Die politischen GestalterInnen erhalten so unter Beruumlcksichtigung ihres Kontextshywissens eine Entscheidungsgrundlage und koumlnnen die jeweils anderen Wissensbestaumlnshyde wechselseitig nutzen um zu einer abshyschlieszligenden Entscheidungsgrundlage fuumlr eine Maszlignahme zu kommen Um es anshyders zu beschreiben Die politischen GeshystalterInnen koumlnnen sich fuumlr eine IntervenshytionMaszlignahme entscheiden und dann im Uhrzeigersinn der Grafik diese Interventishyon auf ihre Praktikabilitaumlt hin bewerten

Allerdings verfolgt EBP einen Politikgeshystaltungsansatz in dem empirische Grundshylagen und wissenschaftliche Analyse dem Urteil einer alleinigen Regulierungsinshystanz vorgezogen oder zumindest gleichshygestellt werden Die Uumlbertragung des Konshyzepts der bdquoevidence based practiceldquo auf politische Prozesse geht mit dem normatishyven Konzept einher dass die regulativen Handlungen einer Verwaltungseinheit quashylitativ besser werden muumlssen bdquoStaatliche Aktivitaumlten und Policies sollen einen Beishytrag zur Loumlsung oder zumindest Verarbeishytung gesellschaftlicher Problemlagen leisshytenldquo (JannWegrich 2003 92)15

Waumlhrend gerade in den hoch buumlrokratishysierten Staaten Westeuropas immer noch ein bdquoauthority-based practiceldquo-Modell zur Anwendung kommt versucht der Ansatz der wissensbasierten Politikgestaltung die Nachhaltigkeit von politischen Entscheishydungen aufgrund der Entscheidungs- und Handlungsoptionsanalyse zu etablieren16

bdquoDoing so means being vigilant in trying to recognise testimonials and traditions

that are based on unfounded beliefs and assumptions ndash no matter how prestigious the source of such testimonials and no matter how long the traditions have been in vogue in a practice settingrdquo (Rubin 2008 12)

Realitaumltsstrukturierendes Wissen kann auf unterschiedlichen Wegen gesammelt werden Neben wissenschaftlicher Forshyschung statistischen Analysen und Proshygnosen sind auch Beteiligungsverfahren mit Stakeholdern oumlffentliche Anhoumlrungen oder Umfragen17 moumlgliche Informations-quellen fuumlr Hinweise oder Anhaltspunkte auf die Wirkungen politischer Regulierung und fuumlr die Weiterentwicklung von Politik bdquoPolicies are based on a sound and comshyprehensive understanding of the evidence available at the time and developing a strategy to maintain and update as necesshysary the evidence base for future strategy and policyldquo18 Fuumlr einen Politikprozess koumlnnen diese Evidenzen greifbar gemacht werden indem sie nach der Sammlung in ihrem spezifischen Kontext und aus dieshysem Kontext heraus analysiert werden Wie bereits oben festgehalten kann die Anbindung politischer Regulierung an empirische Tatbestaumlnde dazu beitragen politische Regulierung insgesamt zielgeshynauer zu gestalten

Evidenzen sind aber weit mehr als bloszliges Wissen gerade weil auch der Begriff des Wissens heutzutage sehr vielschichtig

differenziert wird19

Sie sind theoretisch motiviert und abgeshyleitet und bilden so eine Bruumlcke zu den beshyobachteten Fakten ndash also einer empirishyschen Bestandsaufnahme Insofern scheint auch der Wahrheitsbegriff nicht unumstritshyten was zu einer impliziten Annahme der Uumlberpruumlfbarkeit zumindest aber einer Praxiswirksamkeit einer Aussage fuumlhrt

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bdquoWissen in diesen Spielarten kann in unshyterschiedlichen Bereichen und auf untershyschiedliche Weise produziert werden Eine einflussreiche Unterscheidung ist die zwischen dem traditionellen akademisch produzierten und abgesicherten Wissen (Mode 1) und den vielfaumlltigen Formen von aus praktischen Kontexten auszligerhalb des eigentlichen Wissenschaftssystems produshyzierten Wissens das durch seine praktische Wirksamkeit und Akzeptanz abgesichert aber nicht im akademischen Sinn bewieshysen ist (Mode 2)ldquo (Lassnigg 2009 6)

Dabei kann die Theorie in den Bereich zwischen Wissen und Nicht-Wissen eingeshyordnet werden

Sie wirkt dabei als ein Mechashynismus der zur Verwandlung von Nicht-Wissen in Wissen

beitraumlgt

Diese Uumlbertragung findet durch eine Uumlberpruumlfung der vermuteten Zusammenshyhaumlnge (Nicht-Wissen) an der Realitaumlt statt Bei dieser Vorgehensweise geht es also darum empirische Repraumlsentation und Vermutung in einen direkten Zusammenshyhang zu setzen und so eine Entscheishydungs- und Handlungsgrundlage zu schafshyfen Erneut Lassnigg bdquoDies verweist auf die zentrale Bedeutung der Frage der Wisshysenschaftsforschung nach den Praktiken der Produktion von Daten Fakten und Evidenzenldquo (Lassnigg 2009 7)

Gerade unter dem Schlagwort Wissensshybasierung werden heute sehr gern Inforshymationen bzw Fakten subsumiert die im nicht seltenen Fall keine einfachen Fakten im Sinne statistischer Information sind Kommt man zuruumlck auf die oben zitierte Differenzierung des Wissens so spielen im Bereich der politischen Regulierung zunehmend Evidenzen des Mode 1 eine Rolle also akademisch produzierte aber nicht auf ihre praktische Wirksamkeit

uumlberpruumlfte Wissensbestaumlnde20 Dies liegt zum Teil auch daran dass tatsaumlchliche Uumlberpruumlfungen nach Mode 2 einen sehr hohen Grad an methodischer Durchdrinshygung erfordern und der ebenfalls hoch aufgeladenen theoretischen Annahmenshyproblematik Je komplexer die Phaumlnomene und je weniger Moumlglichkeiten der direkten Beobachtung bestehen desto komplexer muumlssen auch die methodologischen Uumlbershylegungen zur Erforschung bzw zur Beobshyachtung dieser Phaumlnomene sein Diese sehr einfache Schlussfolgerung wird zu oft in der so genannten wissensbasierten Beratung unterschlagen

Diese Herangehensweise zielt auch auf Problemanalyse ab und fordert dazu auf Prioritaumlten der Politikgestaltung zu identishyfizieren bzw etablierte Maszlignahmen auf ihre Effektivitaumlt und die darin vermutete Kausalitaumlt hin zu uumlberpruumlfen Diese Mittshylerfunktion wird einerseits durch eine theoretische Grundlage andererseits durch ein Erhebungsinstrument erfuumlllt wodurch eine Bewertung der Effizienz und der Wirkungsweise einer politischen Maszlignahme und der Problemidentifikation fuumlr eine erneute Maszlignahmenentwicklung erreicht werden kann

POLIZEILICHE KRIMINALSTATISTIK Der Begriff der Statistik hat seinen Urshysprung im staatlichen Verwaltungshanshydeln denn er beschreibt jene Sachverhalte bdquodie ein Staatsmann uumlber sein Land wisshysen mussldquo (Lorenz 2009) Ausgehend von der wissenschaftlichen Diskussion um statistische Daten kann die Natur von Statistik21 durch drei zentrale Merkmale charakterisiert werden A) Statistik ist theoriegebunden weil unwillkuumlrliches Datensammeln unwissenschaftlich ist B) Daten haben einen empirischen Chashyrakter da sie aus der Wirklichkeit gewonshynen werden C) die Daten sind objektiv

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weil Erhebungsprozesse sachlich und nachvollziehbar begruumlndbar sein muumlssen (siehe ua Jahn 2006 Wagschal 1999 12)

Ausgehend von diesen Grundannahmen fuumlr Statistik kann die amtliche Statistik als ein unverzichtbarer Teil des Informationsshysystems einer demokratischen Gesellshyschaft angesehen werden Sie stellt Daten uumlber die wirtschaftliche demografische soziale und Umweltsituation zur Verfuumlshygung und setzt sie teilweise ins Verhaumlltnis zu staatlicher Regulierung gesellschaftshylichen Trends und oumlkonomischen Entshywicklungen Die Kriminalitaumltsstatistik kann als nichtausgeloumlste Primaumlrstatistik beshyzeichnet werden was bedeutet dass die staatlichen Institutionen die Daten direkt erheben um damit ihre eigene Arbeit zu beschreiben22 Sie ist zudem eine Vollshyerhebung denn alle (bekannten) Faumllle flieszligen in die Datengrundlage ein Grundshysaumltzlich lassen sich amtliche und nichtamtshyliche Statistiken unterscheiden Waumlhrend die amtliche Statistik auf der Grundlage von Gesetzen durch staatliche Behoumlrden erhoben wird23 entsteht die nichtamtliche Statistik ohne einen gesetzlichen Auftrag bzw direkte gesetzliche Grundlagen und wird durch unterschiedliche Institute aufshygrund unterschiedlicher Interessen und AuftraggeberInnen erhoben

Die Polizeiliche Kriminalstatistik glieshydert die bdquostrafbaren Handlungen (Anzeishygen) nach den Paragraphen des StGB und der Nebenstrafgesetze wobei auch verschiedene Kategorien von Straftaten aufgefuumlhrt werden (Ladendiebstaumlhle Beziehungstaten innerhalb einer Familie etc) Des Weiteren stehen hier auch Dashyten uumlber die ermittelten Tatverdaumlchtigen und die Opfer der Straftaten zur Vershyfuumlgungldquo (Statistik Austria 2008 9) Die Ergebnisse der Polizeilichen Kriminalshystatistik stellen einen wichtigen Input fuumlr den monatlichen Kriminalitaumltsbeshyricht dar

Nicht zuletzt aufgrund von Stichtagsreshygelungen bei der Zusammenfassung und Uumlbermittlung von Daten kann es zu kleishyneren auf den Betrachtungszeitraum beshyzogenen Unvollstaumlndigkeiten kommen (vgl Statistik Austria 2008) Gleichzeitig wirkt aber auch bei der Polizeilichen Krishyminalstatistik ein besonderes Charakterisshytikum amtlicher Statistik Im Vergleich zu nichtamtlicher Statistik soll sie per Aufshytrag alle moumlglichen Ereignisse erfassen also auch jene die nur selten oder in nicht besonders hoher Zahl auftreten Damit ist eine besondere Schwierigkeit verbunden Amtliche Kriminalstatistiken messen24 nur jene Faumllle die bekannt geworden sind

Das so genannte Dunkelfeld also nicht angezeigte Faumllle kann in der Statistik nicht

abgebildet werden

Es stellt sich an dieser Stelle die Frage ob dieses Dunkelfeld tatsaumlchlich durch weitere Bevoumllkerungsbefragungen minishymiert werden kann deren Zuverlaumlssigkeit dann von unterschiedlich komplexen Beshydingungen und Vorgehensweisen abhinge Dabei weist die Kriminalstatistik einen weiteren Mangel auf bdquoSo hat die Polizeilishyche Kriminalstatistik nur einen begrenzten Aussagewert in Bezug auf wirkliche Reashylitaumlt in einer Gesellschaft Uumlber die Urshysachen der Kriminalitaumlt sagt sie nichtsldquo (Seiden-PielenFarin 1994 55)25 Abgeseshyhen von den Ursachen von Kriminalitaumlt ist das Anzeigeverhalten und Bewusstsein der Bevoumllkerung fuumlr manche Deliktsarten ausshygepraumlgter bzw groumlszliger und unterliegt zeitlishychen Schwankungen26

Allerdings besteht genau darin auch ein groszliges Dilemma der amtlichen Statistik denn genau an dieser Nahtstelle also zwishyschen der Moumlglichkeit bestimmte Vorfaumllle statistisch zu erfassen und der Darstellung der Sicherheitslage liegt der Ansatzpunkt

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politischer Diskursakteure Jede kleine Luumlcke jede Unplausibilitaumlt jede berechshynete Verhaumlltnis- und Durchschnittszahl und jede intransparente Klassifizierung fuumlhren zum Hinterfragen der gesamten Datengrundlage also der gesamten Basis der Polizeilichen Kriminalitaumltsstatistik

Die AkteurInnen massenmedial vershymittelter Diskurse so wie MinisterInnen PolitikerInnen AkteurInnen der Zivilgeshysellschaft aber auch bdquoSozial- und WirtshyschaftswissenschaftlerInnen neigen dazu zu erwarten dass ndash aus ihrer Sicht ndash ideashylerweise die amtliche Statistik alle Datenshywuumlnsche befriedigtldquo (Wagner 2007 3) Aus dieser Bemerkung Wagners ergeben sich zwei Schlussfolgerungen Nicht alles was WissenschaftlerInnen mittels ihrer Expertise an Verbesserungsvorschlaumlgen einbringen ist fuumlr die Erhebung durch amtliche Statistiken geeignet weil es zweckfremd ist und nicht der Verbesserung des Verwaltungshandelns dient Gleichzeishytig sollten dennoch sachliche Uumlberlegunshygen angestellt werden welche Luumlcken sich bei der Berichterstattung auf Grund der Datenerhebung ergeben entweder vershyursacht durch ungenuumlgsame Sorgfalt bei der Dateneingabe oder durch Luumlcken im Erhebungsinstrument

Abgesehen davon dass jede Datenerheshybung ihre jeweilig spezifischen Vor- und Nachteile bei der Erfassung der Realitaumlt aufweist (Opp 2005 232 ff SeipelRieker 2003 135 ff) stellt sich aber insbesondere bei der amtlichen Statistik die Frage inshywiefern Plausibilitaumltspruumlfungen zu beshystimmten Datensaumltzen moumlglich sind und wie diese Daten beeinflusst von systematishyschen Fehlern also durch unklare Kategoshyrisierung oder beeinflusst durch unsysteshymatische Fehler zB mangelnde Schulung der VollzugsbeamtInnen in Bezug auf die Dateneingabe zustande kommen

Damit die Ergebnisse amtlicher Statistishyken ndash und nicht der Prozess der Erhebung

oder Verarbeitung der Information ndash die Willensbildung unterstuumltzen und beeinshyflussen koumlnnen muumlssen diese Ergebnisse auf der Grundlage wissenschaftlicher Meshythoden erarbeitet und umfangreich dokushymentiert werden Damit soll den Prinzishypien der Objektivitaumlt (= Transparenz) die neben Reliabilitaumlt Validitaumlt und Repraumlsenshytativitaumlt die Guumltekriterien fuumlr Messverfahshyren abbilden Genuumlge getan werden27

WISSENSCHAFTLICHE BETRACHTUNG FUumlR OumlFFENTLICHE STATISTIK Die Ergebnisse von Forschungen im Diensshyte der evidenzbasierten Politikgestaltung haumlngen wesentlich von der Genauigkeit der erhobenen Daten ab und sind immer auch beeinflusst von den verwendeten Meshythoden Der Druck hinsichtlich einer Beshygruumlndung fuumlr den Einsatz einer bestimmten Methode ist in Zeiten knapper Ressourcen gestiegen Dennoch ist es in erster Linie die forschungspraktische Fragestellung ndash also jene Frage die sich aus der bereits vorliegenden politischen Regulierung ershygibt ndash die einerseits das Ziel des Projekts umreiszligt und gleichzeitig den Rahmen fuumlr das Erkenntnisziel bestimmt bdquoMethodishysche Kritik sollte dann einsetzen wenn die Ergebnisse nicht unmittelbar einleuchtend erscheinen wenn sie in einem Widershyspruch zu den Ergebnissen anderer Forshyschungsarbeiten stehen oder wenn die Falschheit der Ergebnisse moumlglicherweise fatale Folgen haben koumlnnteldquo (Behnke et al 2006 19)

Je nach eingesetzter Methode koumlnnen sich die Beobachtungen der Wirklichkeit unterscheiden ohne dass ForscherInnen oder politische GestalterInnen wissen ob die Wirklichkeit erfasst wurde denn es gibt ja nur eine Wirklichkeit oder ob das aus den Daten heraus entstehende Bild der Wirklichkeit durch die methodische Vorshygehensweise beeinflusst ist Auch die Wisshy

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senschaft hat keinen direkten Zugang zur Wirklichkeit Insofern ist es unmoumlglich das korrekte Abbild der Wirklichkeit zu liefern oder zu beurteilen welche Vorgeshyhensweise die tatsaumlchlich richtige ist ndash es gilt als ein unitaristischer Wirklichkeitsbeshygriff (Behnke et al 2006 22 ff) Allershydings bedeutet es nicht dass grundsaumltzlich ein pluralistischer Wahrheitsbegriff voshyrausgesetzt werden muss sondern dass vorlaumlufige Widerspruumlche produziert wershyden diese jedoch auf ihre Entstehung also den Einsatz unterschiedlicher Methoden zuruumlckzufuumlhren sind Methoden sind nur Entdeckungsverfahren um Argumente fuumlr jene oder andere Positionen zu generieren Dieses Grundverstaumlndnis muss zu einer Handlungsleitlinie fuumlhren die es verlangt dass Methoden in ihrer Anwendung explishyzit gemacht werden um so ihre jeweiligen Grundannahmen Schwaumlchen und Einshyschraumlnkungen zu reflektieren und die Schlussfolgerungen bdquoobjektivldquo also intershysubjektiv zugaumlnglich zu machen28

Insofern ist es die Interpretashytion von Ergebnissen und nicht der Einsatz von Methoden der

subjektive Elemente enthaumllt und zu hinterfragen ist

Es kann demnach richtige und falsche Interpretationen der Wirklichkeit geben Eine wissenschaftliche Vorgehensweise kann also zunaumlchst nur unterschiedliche Ausgangspunkte fuumlr eine tatsaumlchliche Einshyschaumltzung der Sicherheitslage und Krimishynalitaumlt erbringen

Rationale und wissensbasierte Sichershyheitspolitik versucht die statistisch vershyfuumlgbaren Datenbestaumlnde zu einem Geshysamtbild zusammenzufuumlgen also neben der Verdachtsstatistik moumlglichst auch alle weiteren gegenwaumlrtig verfuumlgbaren Inforshymationen zu beruumlcksichtigen und auf unshyterschiedliche Wissensquellen zuruumlckzushy

greifen29 Ohne gesichertes Wissen bleibt jede Schlussfolgerung vage denn es gibt keine verlaumlsslichen und abgesicherten Ershykenntnisse daruumlber welches Problem tatshysaumlchlich besteht welche Mittel fuumlr dessen Loumlsung notwendig sind oder zur Verfuumlshygung stehen und wie eventuelle Nebenshywirkungen vermieden werden bzw Altershynativen zum Einsatz kommen koumlnnen bdquoRegisterdaten30 sind nur dann von hoher Qualitaumlt wenn die Daten unmittelbar dem Verwaltungsvollzug dienen Nur dann achshyten Verwaltungen und Betroffene darauf dass die Daten fehlerfrei sind Werden reishyne sbquoStatistikmerkmalelsquo in Verwaltungsshyformulare aufgenommen (zB Polizeishystatistiken) ist das den Beamten und Sachbearbeitern oft laumlstig und es gibt keine Betroffenen die auf die Richtigkeit der Angaben achten (ein Beispiel ist die Angabe des Bildungsniveaus in Sozialvershysicherungsmeldungen)ldquo (Wagner 2007 4)

Die Komplexitaumlt und Dynamik modershyner Gesellschaften verhindert und beguumlnsshytigt gleichermaszligen praumlzise Datenerheshybungen (ausfuumlhrliche Einfuumlhrung in Jahn 2006) Je genauer und praumlziser eine Datenshyerhebung und die Datenauswertung erfolshygen desto praumlziser sind die fuumlr das Hanshydeln notwendigen Schlussfolgerungen und Handlungsoptionen

ZUSAMMENFASSUNG VON DER ERFASSUNG ZUR VERWERTUNG In der Gegenwart werden fuumlr die Perforshymanzeinschaumltzung also die Bewertung der Effektivitaumlt und Effizienz von Maszlignahshymen der Behoumlrden nicht zuletzt durch den voranschreitenden Integrationsprozess im Rahmen der Europaumlischen Union gern Vergleiche von statistischen Daten vershywendet Kriminalitaumltsstatistiken duumlrfen aber nicht ohne die Beruumlcksichtigung der bekannten und der vermuteten Randbedinshygungen genutzt werden Kriminalitaumlt insshybesondere bei einfachen und leichteren

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Delikten unterliegt Verwerfungen deren Kausalketten nicht immer leicht nachvollshyziehbar sind

Staatliche Regulierungsanshysaumltze stehen vor der Herausshy

forderung mit einem begrenzshyten Budget ein maximales Ziel

zu erreichen

Um diese Anforderungen bewaumlltigen zu koumlnnen sollte zwischen der Effizienz (bdquodie Dinge richtig tunldquo) und der Effektishyvitaumlt (bdquodie richtigen Dinge tunldquo) eine Bashylance gefunden werden31 Nur dadurch kann die Politik automatisch mehr politishysche Innovation und damit neue Gestalshytungsraumlume schaffen Dafuumlr bedarf es aber auch klar und praumlzise definierter und messbarer Ziele die verhindern dass ndash auch wenn formal richtig in Uumlbereinstimshymung mit zuvor definierten Regeln gehanshydelt wird ndash die falschen Dinge getan wershyden (GerberTeske 2000)

Die zentralen Fragestellungen der polishytikberatenden Policy-Analyse orientieren sich mehr oder weniger explizit an der heuristischen Gliederung des Policy-Zyklus Dabei stehen immer die tatsaumlchlishyche Wirkung politischer Intervention und die daraus zu ziehenden Schlussfolgerunshygen fuumlr den weiteren Verlauf des Policy Makings (Terminierung oder veraumlnderte Problemwahrnehmung) im Mittelpunkt der Betrachtungen (JannWegrich 2003 98 siehe ua Wollmann 1986)32 Im Proshyzess von EBP kann es zu unterschiedlichen Formen politischen Lernens kommen ndash mit unterschiedlichen Ruumlckwirkungen auf die Problemwahrnehmung und den sich anschlieszligenden Policy-Zyklus Ergebnis eines solchen Prozesses kann die Termishynierung eines politischen Programms sein

Ziel einer strukturierten Beobachtung zum Beispiel in der Form eines Monitoshyrings ist es der oumlffentlichen Hand wichtishy

ge Hinweise uumlber die tatsaumlchliche gesellshyschaftliche Situation zur Verfuumlgung zu stellen und damit die Politikgestaltung zielgerichteter und effizienter zu machen (siehe auch GerberTeske 2000) Jedoch muumlssen dabei die Wirkungsketten analyshysiert werden und die Politik darf sich im Sinne der Evidenzbasierung nicht mit der Produktion akademisierten Wissens zushyfrieden geben Insofern muss eine Erheshybung Beobachtung oder Erfassung von empirischen Fakten sowohl theoretisch abshygesichtert sein als auch zu kausalanalytishyschen Schlussfolgerungen fuumlhren Die Wirkung einer Maszlignahme kann so fakshytisch nur im Zeitvergleich erfolgen

Fuumlr einen Politikprozess koumlnnen diese Evidenzen dann sinnvoll interpretiert wershyden wenn sie bereits in der Erhebungssishytuation und dann in der Folge auch in der Auswertung und Interpretation in ihren spezifisch politisch-regulativen Kontext gesetzt werden bdquoPolicies are based on a sound and comprehensive understanding of the evidence available at the time and developing a strategy to maintain and up-date as necessary the evidence base for fushyture strategy and policyldquo33

Da insbesondere die Interpretationen jeglicher Daten von einem bestimmten theoretischen als auch praktischen Konshytextwissen abhaumlngig sind ist es unabdingshybar den politischen administrativen und gesellschaftlichen Zusammenhang zu beshyruumlcksichtigen um so die breitest moumlgliche Basis fuumlr die Interpretationen und Maszligshynahmenentwicklung zu erreichen und falshysche Schlussfolgerungen zu vermeiden

Mit der Polizeilichen Kriminalstatistik sind zwar im Moment kaum mehr als rein deskriptive Beschreibungen moumlglich denshynoch koumlnnen durch die Beobachtung uumlber Zeit Entwicklungstrends ausgemacht wershyden die fuumlr unterschiedliche Gruppen und in unterschiedlichen Bereichen durchaus verschieden sein koumlnnen

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Diese Herangehensweise laumlsst sich auch auf die Polizeiliche Kriminalstatistik anshywenden die ja der Kriminalitaumltsvorbeushygung und Kriminalitaumltsbekaumlmpfung dient Die Herangehensweise der Wissensbasieshyrung zielt auf die Problemanalyse ab und fordert dazu auf jene Prioritaumlten der Polishytikgestaltung zu identifizieren bzw etashyblierte Maszlignahmen auf ihre Effektivitaumlt hin zu uumlberpruumlfen die auch aus wissenshyschaftlich-theoretischer Sicht von Interesshyse sind Ausgehend von der Interpretation und Darstellung der Daten kann dann eine politisch-kommunikative und strategischshyoperative Gesamtdarstellung der zukuumlnftishygen Aufgaben der Sicherheitsbehoumlrden und des verantwortlichen Ministeriums ershyarbeitet werden Eine Abgrenzung politishyscher Oumlffentlichkeitsarbeit von nicht-polishytischer Oumlffentlichkeitsarbeit oder von politischem Handeln ohne dominierenden Kommunikationscharakter ist dabei aber kaum moumlglich bdquoPolitische Oumlffentlichshykeitsarbeit ist das Kommunikationsmashynagement der Beziehungen politischer Organisationen zu ihren Bezugsgrupshypenldquo (Schulz 2008 307)

Die sinnvolle Interpretation der Polizeishylichen Kriminalitaumltsstatistik im Sinne eishyner evidenzbasierten Politikgestaltung

muss jene Information erheben die nicht allein in der Feststellung von Trends endet sondern die Aufklaumlrung uumlber die Wirkshysamkeit der politischen Regulierungen ershymoumlglicht denn nicht jeder Trend ist direkt ablesbar und nicht jede direkt ablesbare Information ist auch ein Trend

Durch die Beruumlcksichtigung empirisch uumlberpruumlften theoretischen Wissens auch fuumlr eine nachfolgende Veroumlffentlichungsshystrategie kann die Uumlberbewertung diskurshysiv vermittelter Einzelfaumllle relativiert oder sogar unterdruumlckt werden bzw die veroumlfshyfentlichte Meinung aufgrund objektiviershybarer Daten als irrefuumlhrend entlarvt wershyden Allerdings folgt die Interpretation und Diskussion der praumlsentierten Ergebshynisse dann in der Regel einer anderen Logik naumlmlich jener der Medienoumlffentshylichkeit Da vom rein wissenschaftlichen Standpunkt aus die Behauptung formuliert werden kann dass Oumlffentlichkeitsarbeit dazu beitraumlgt oumlffentliche Diskurse insbeshysondere thematisch und in ihrem Timing zu beeinflussen34 sollte die Darstellung der Ist-Situation der Kriminalitaumltslage mit der Praumlsentation evidenzbasiert erarbeiteshyter Loumlsungsansaumltze verknuumlpft werden um zu sinnvollen Aussagen zu gelangen

1 Bundeskriminalamt 2006 3 2 Der Autor bedankt sich fuumlr das konshy

struktive Feedback und die Hinweise bei

Maxi Nachtigall MA (Joint Programshy

me Secretariat Northern Periphery Proshy

gramme Copenhagen) und Maga Martina

Zandonella (SORA) 3 Diese sind abrufbar unter httpwww

bmigvatcmsBKpublikationen

krim_ statistikstartaspx 4 Exemplarisch an dieser Stelle eine beshy

sonders drastisch formulierte Aussenshy

dung httpwwwotsatpresseaussendung

OTS_20090508_OTS0230 5 Im Verlauf dieses Beitrags wird das

Konzept des bdquoevidence based Policy Mashy

kingldquo auch unter den Begriffen bdquoevidence

based practiceldquo (in der Abkuumlrzung EBP)

und bdquowissensbasierte Politikgestaltungldquo

verwendet da diese das gleiche Konzept

beschreiben Das Konzept kommt urshy

spruumlnglich aus der Gesundheitsforschung

(dort bdquoevidence based practiceldquo) und

wurde inzwischen auf andere Forshy

13

SIAK-JOURNAL 12010

schungsgebiete wie verwaltungs- oder

politikwissenschaftliche Ansaumltze uumlbershy

tragen Siehe unter anderem httpwww

odiorgukRAPIDBibliographiesEBP

docsEBP_lit_review_webpdf Zugriff

am 20122008 oder auch Muir Gray

(2001) 6 Ein Indikator kann aus einer Variablen

ebenso bestehen wie aus einem ganzen

Set von Variablen Er kann aufgrund

qualitativer Informationen erarbeitet

werden wie er durch numerische Datenshy

sammlungen erstellt werden kann Da

sich die Realitaumlt nicht immer eindeutig

durch qualitative und quantitative Vershy

fahren beschreiben laumlsst macht es auch

keinen Sinn nur auf quantitative oder

qualitative Informationsgewinnung zu

vertrauen Der Zugang zur Wirklichkeit

stellt dabei die groszlige Huumlrde nicht nur

fuumlr die Art der Datengenerierung dar

sondern muss auch bei der Stichprobenshy

konstruktion beruumlcksichtigt werden 7 Diese werden aus soziologischen oumlkoshy

nomischen oder ethnologischen Theoshy

rien abgeleitet und dem eigentlich beshy

deutsamen Maszligstab ndash den realen

Entwicklungen ndash gegenuumlbergestellt 8 Auch wenn sich EBP vor allem in der

Gesundheitspolitik durchgesetzt hat

(siehe dazu Muir Gray 2001) so kann

der Ansatz auf jede Form der oumlffentlichen

Intervention administrativer Vorgaumlnge

oder regulativen staatlichen Handelns

angewendet werden 9 Zentrale Ziele dieses Weiszligbuches

waren a) die Einfuumlhrung der Folgenshy

abschaumltzung b) der Ausbau der oumlffentshy

lichen Konsultationen c) die Vereinshy

fachung der Gesetzgebung um den

Aufwand an Buumlrokratie zu reduzieren

(Kommission der Europaumlischen Gemeinshy

schaften 2001) 10 Kommission der Europaumlischen Geshy

meinschaften 2002a Kommission der

Europaumlischen Gemeinschaften 2002b

11 Kommission der Europaumlischen Geshy

meinschaften 2002a 12 European Commission 2005 13 Unter dem Begriff bdquopractitionersldquo

wird eine AkteurIn verstanden der oder

die regulative bzw innovative Handlunshy

gen setzen kann um so in das Leben einer

weiteren Person oder einer Gruppe von

Personen also Klienten einzugreifen 14 Auch wenn die einzelnen Schritte der

Uumlbersichtlichkeit halber hier getrennt

voneinander dargestellt wurden sind

sie sehr eng miteinander verwoben und

verdeutlichen die besondere Beziehung

von KlientInnen ExpertInnen und Wisshy

senschafterInnen die in ihrer jeweiligen

Perspektive und Expertise den Gesamtshy

prozess der EBP beeinflussen 15 Da Handeln nicht frei ist von den polishy

tischen Kontexten in denen es ablaumluft

kann behauptet werden dass Regulieshy

rungen oftmals eher von politischen Vorshy

stellungen als von klarenrealen Zielshy

vorstellungen geleitet sind Um einem

Argument gleich an dieser Stelle zu beshy

gegnen soll festgehalten werden dass

auch die Definition eines bestimmten

Handlungsziels ein normativer Prozess

ist Gleichzeitig kommt jede politische

Regulierung aber aufgrund bestimmter

Wissensbestaumlnde zu Stande Daraus ershy

gibt sich die Frage ob dieser Wissensbeshy

stand Teil eines Prozesses ist der eine

bestimmte (politische) Zielsetzung vershy

folgt und damit ausreichende Begruumlnshy

dungsqualitaumlt aufweist Politische Entshy

scheidungen werden durch eine Vielzahl

von Faktoren beeinflusst und es gilt jene

Wissensgrundlage zu schaffen die breit

genug gefasst ist um ein Buumlndel an

Handlungsoptionen aufzuwerfen (vgl

GerberTeske 2000) Diese Optionen

dienen dann als Grundlage fuumlr Entshy

scheidungen die zukuumlnftige Szenarien

der Nachhaltigkeit beruumlcksichtigen und

der Effektivitaumlt unterliegen ndash denn sie

sollen eine bestimmte Zielsetzung mit

einem praumlzisen Aufwand an Ressourcen

auch erreichen 16 Auch in der oumlsterreichischen Politikgeshy

staltung werden empirische Evidenzen

immer wieder herangezogen um die Poshy

litikgestaltung zu uumlberpruumlfen und weishy

terzuentwickeln zum Beispiel im Fall

des KonsumentInnenbarometers des

Bundesministeriums fuumlr Arbeit Soziales

und Konsumentenschutz oder die untershy

schiedlichen Studien wie PIRLS TIMMS

PISA die das Bundesinstitut fuumlr Bilshy

dungsforschung Innovation amp Entwickshy

lung des oumlsterreichischen Schulwesens

(BIFIE) fuumlr das Bundesministerium fuumlr

Unterricht Kunst und Kultur durchshy

fuumlhrt 17 Abhaumlngig von der Qualitaumlt ihrer

Sammlung 18 Zitiert von httpwwwdefragovuk

sciencehowevidencehtm am 21122008 19 Zum Beispiel in Alltags- und Fachshy

wissen uumlber informelles explizites oder

ruhendes Wissen 20 Fuumlr den Bereich Bildung siehe Lassnigg

2009 21 Statistik ist der Inbegriff theoretisch

fundierter empirischer objektivierbarer

Daten (Menges 1982 19) 22 Ausgeloumlste Statistiken werden von stashy

tistischen Aumlmtern erhoben und aufbereishy

tet und somit der Oumlffentlichkeit zugaumlngshy

lich gemacht Neben Primaumlrstatistiken

gibt es auch Sekundaumlrstatistiken die leshy

diglich Auswertungen beschreiben die

auf der Grundlage von bereits erhobeshy

nen Daten erfolgen 23 Bundesstatistikgesetz 2000 StF BGBl I

Nr 1631999 idF BGBl I Nr 1362001

BGBl I Nr 712003 und BGBl I Nr

922007 24 Messen ist die systematische Zuordshy

nung einer Menge von Zahlen oder

Symbolen zu den Auspraumlgungen einer

Variablen mithin auch zu den Objekten

14

SIAK-JOURNAL 12010

(Friedrichs 1973 97) Eine Variable ist dabei

ein veraumlnderliches Merkmal bei dem der

Merkmalstraumlger mindestens zwei Merkmalsshy

auspraumlgungen annehmen kann Inzwischen

wurde nicht zuletzt aufgrund methodologischshy

wissenschaftstheoretischer Diskussionen der

Begriff des Messens praumlzisiert Messen untershy

stellt die Existenz einer zumindest eindeutigen

Abbildung zwischen einem empirischen und eishy

nem numerischen Relativ (zB in Behnke et al

2006) 25 Dieses Zitat wurde bewusst gewaumlhlt um eishy

nen besonderen Aspekt der Diskussion rund um

die Darstellung sicherheitsrelevanter Problemshy

wahrnehmung darzustellen Zum Beispiel ist

die Kriminalstatistik taumlter- und tatorientiert

was in manchen Gruppen die Taumlterzahlen ershy

houmlht wenngleich dieselbe Gruppe auch die

groumlszligte Opfergruppe sein kann 26 Die Polizeiliche Kriminalstatistik liefert Inshy

formationen uumlber Art und Haumlufigkeit der bei

der Polizei angezeigten und von ihr bearbeiteshy

ten Straftaten und ermittelten Tatverdaumlchtigen

Allerdings muumlssen so getaumltigte Anzeigen zushy

naumlchst als Verdacht behandelt werden es hanshy

delt sich also eigentlich um eine Verdachtsstashy

tistik 27 Objektivitaumlt ist dabei eine notwendige aber

keine hinreichende Bedingung fuumlr Reliabilitaumlt

waumlhrend Reliabilitaumlt eine notwendige aber keishy

ne hinreichende Bedingung fuumlr Validitaumlt darshy

stellt 28 Im auf Karl Popper zuruumlckgehenden kritishy

schen Rationalismus unterscheiden sich Entdeshy

ckungs- (wie kommt man zu einer Theorie) Beshy

gruumlndungs- (wie uumlberpruumlft man eine Theorie)

und Verwertungszusammenhang (wie werden

die Ergebnisse eingesetzt) Diese Ausdifferenshy

zierung wirkt sich auch auf die Annahme der

Objektivitaumlt aus denn diese gilt nicht fuumlr den

gesamten Forschungsprozess sondern nur fuumlr

den methodologisch regelgeleiteten Begruumlnshy

dungszusammenhang fuumlr den auch die Wertshy

urteilsfreiheit erhoben wird Dieses Diktum

wird faumllschlicherweise zu oft auch fuumlr den Entshy

deckungs- und den Verwertungszusammenhang

angenommen Die theoretischen Grundlagen

eines Projektes und die Interpretation von Ershy

gebnissen genauso wie die Kontextualisierung

sind aber sehr wohl auch bei Popper wert- und

einstellungsgeleitet (ua SeipelRieker 2003

39 46 ff) 29 So koumlnnten neben Daten uumlber die Strafverfolshy

gung und den Strafvollzug auch Ursachenforshy

schungen fuumlr bestimmte Formen von Kriminalishy

taumlt mit in die Bewertung der Sicherheitslage

einbezogen werden 30 Anm Aumlquivalent zu amtlicher Statistik 31 In der Effizienzfalle gefangen macht man

dann die falschen Dinge richtig und blockiert

dadurch bessere Loumlsungen 32 Durch den heuristischen Charakter des Polishy

cy-Zyklus kann aber aus der Analyse einzelner

Phasen oder aufgrund spezifischer Perspektishy

ven kein umfassender Erklaumlrungsanspruch abshy

geleitet werden 33 Zitiert von httpwwwdefragovukscience

howevidencehtm am 21122008 34 Allerdings zeigen unterschiedliche Studien

dass die Annahme uumlber einen direkten Einfluss

sich nicht immer und in allen Faumlllen tatsaumlchlich

nachweisen laumlsst

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SIAK-JOURNAL 12010

STEVE SCHWARZER wissenschaftlicher Mitarbeiter am

Institute for Social Research and Analysis (SORA)

4

Polizeiliche Kriminalstatistik

Im Spannungsfeld von Verwaltungshandeln und evidenzbasierter

Politikgestaltung Mit der Polizeilichen Kriminalstatistik verfuumlgt das Bundesministerium fuumlr

Inneres uumlber eine Datenquelle die einerseits die Wirksamkeit gesetzter sishycherheitspolitischer Maszlignahmen analysierbar macht andererseits aber auch Gegenstand teils heftiger politischer Diskussionen ist Dies ist wenig uumlbershyraschend denn wenn Empirie oder gemessene Fakten und Politik einander begegnen wird sofort auf die Effizienz und Effektivitaumlt staatlich-oumlffentlishychen Handelns geschlossen da die Daten den Eindruck erwecken staatliches Handeln beobachten zu koumlnnen Gerade bei der Erarbeitung und Verwenshydung oumlffentlicher bzw amtlicher Statistik bedarf es aber weiterfuumlhrender und grundlegender Uumlberlegungen welche Informationen letztendlich fuumlr die Planung und Gestaltung der Politik notwendig sind (genutzt werden koumlnnen bzw sollten) und mit welchem Aufwand und auf welche Weise eben solche Daten erhoben werden koumlnnen Eine sinnvolle inhaltliche sowie praxisbezoshygene Auswertung und Diskussion ist dann moumlglich wenn dafuumlr notwendige Daten kontinuierlich und in guter Qualitaumlt erhoben werden und nicht allein eine Darstellung der Fakten sondern Ursachen und Wirkung zu beobachtenshyder Phaumlnomene ebenso in die Betrachtung aufgenommen werden Greifbar wird dieser Anspruch im Konzept der evidenzbasierten Politikgestaltung Das Ziel evidenzbasierter Politikgestaltung liegt somit in der Darstellung von Wirkungsketten um die Sicherung kausaler Effekte zu gewaumlhrleisten Der nachfolgende Beitrag versucht das Konzept der evidenzbasierten Polishytikgestaltung am Beispiel der Polizeilichen Kriminalstatistik darzustellen Dabei sollen grundsaumltzliche Probleme der Einbindung empirischer Daten in die politische Regulierung aufgezeigt und problematisiert werden um am Ende dennoch zu behaupten dass auch die Polizeiliche Kriminalstatistik ein hervorshyragendes Instrument im Sinne evidenzbasierter Politikgestaltung sein kann Eine rationale folgenorientierte Kriminal- und Strafrechtspolitik ist ohne eine solide empirische Grundlage nicht moumlglich1

EINLEITUNG2 scher Diskussionen Auch wenn diese Zah-Es wiederholt sich immer wieder Nach len lediglich einen eingeschraumlnkten Blick der Praumlsentation der monatlichen Zahlen auf die Sicherheitslage in Oumlsterreich zu-zur Anzeigenstatistik und der polizeilichen lassen versuchen unterschiedliche Akteu-Aufklaumlrungsquote herausgegeben durch rInnen ihre jeweilige Interpretation und das Bundeskriminalamt3 sind die Ergeb- Schlussfolgerungen aus den Zahlen zu nisse Gegenstand oumlffentlicher und politi- ziehen um im massenmedial vermittelten

SIAK-JOURNAL 12010

Diskurs eine Dominanz zu entwickeln4

Dieser Umstand stellt somit eine Herausshyforderung fuumlr die politische Oumlffentlichshykeitsarbeit dar denn die Veroumlffentlichung amtlicher Daten ist nicht nur ein Mittel von Politik sondern ist selbst als bdquopolishytischldquo anzusehen (Jarren 1998 Jarren Donges 2006)

Ein gern formuliertes Ziel an fuumlr die Poshylitikgestaltung in Auftrag gegebene Studishyen ist dabei die Evidenz-Basierung Dazu stellen sich zunaumlchst zwei sehr allgemeine Fragen (1) was wird unter dem Begriff bdquoEvidenzldquo gefasst und (2) inwieweit koumlnshynen oder sollen Politik und politische Reshygulierung sinnvoll als bdquoevidenz-basiertldquo konzeptualisiert werden

Im nachfolgenden Beitrag soll der Frage nachgegangen werden welche Aspekte bei der Diskussion der Kriminalitaumltsstatisshytik bei der Einordnung in das Konzept wissensbasierter Politikgestaltung von Beshydeutung sind und wie mit einer aus der oumlfshyfentlichen Verwaltung heraus generierten Datenquelle Informationen auch an die Oumlffentlichkeit vermittelt werden koumlnnen Allerdings und dies soll hier erarbeitet werden muumlssen diese Zahlen mit einer geshywissen Vorsicht interpretiert werden denn weder geben sie eine umfassende Ausshykunft uumlber die tatsaumlchlich veruumlbten Verbreshychen in Oumlsterreich noch koumlnnen sie zur Bewertung der Arbeit der Beamtinnen und Beamten der Vollzugsbehoumlrden herangeshyzogen werden Dabei soll insbesondere auch der Geltungsanspruch datenbasierter Aussagen problematisiert werden gerade dann wenn diese Daten fuumlr die Politikshygestaltung herangezogen werden

Fuumlr die Darstellung greift der Autor auf das Konzept der evidenzbasierten Politikshygestaltung5 zuruumlck bdquoEvidence based pracshytice (EBP) is a process for making practice decisions in which practitioners integrate the best research evidence available with their practical expertise and with clientsrsquo

attributes values preferences and cirshycumstancesldquo (Rubin 2008 17) Gerade in den letzten Jahren hat nicht zuletzt durch das Leben im Mehrebenensystem der Eushyropaumlischen Union die Arbeit mit und an verschiedenen Indikatorensystemen6 fuumlr die politische Regulierung an Bedeutung gewonnen (BrownCorbett 1997)

Evidenzbasierte Politikgestaltung nimmt Bezug auf die bdquoRealitaumltldquo indem politische Handlungsfelder mit wissenschaftlichen Methoden7 erforscht werden um so schnelshyler auf Veraumlnderungen und Wandlungsershyscheinungen in bestimmten politischen Handlungsfeldern reagieren zu koumlnnen

Diese Einblicke erlauben es der Politik ihr Handeln so auf

Ursachen und Wirkungsshyzusammenhaumlnge zu konzenshy

trieren wie es sich in den Beobachtungen realisiert

In einem ersten Abschnitt stellt dieser Beitrag die theoretischen Grundlagen und Annahmen wissensbasierter Politikgeshystaltung dar um vor diesem Hintergrund einzelne Aspekte der Polizeilichen Krimishynalitaumltsstatistik insbesondere unter Heranshyziehung wissenschaftstheoretischer und methodologischer Annahmen zu diskutieshyren Der Beitrag schlieszligt mit Hinweisen auf jene Ansatzpunkte die eine Weitershyund Fortentwicklung der Kriminalitaumltsstashytistik in Richtung einer Evidenzbasierung ermoumlglichen koumlnn(t)en

WAS BEDEUTET EVIDENZBAshySIERTE POLITIKGESTALTUNG Die Komplexitaumlt nationaler und europaumlishyscher Politikprozesse ist in aumlhnlicher Weise durch den so genannten Policy-Zyklus den Kreislauf der Politikgestaltung strukshyturiert Dem Policy-Zyklus liegt eine immanente top-down bdquoGesetzgeberpershyspektiveldquo zu Grunde wodurch Politik als

5

SIAK-JOURNAL 12010

hierarchische Steuerung uumlbergeordneter Instanzen konzipiert wird und der Fokus auf bdquoeinzelnenldquo Programmen und Entshyscheidungen sowie ihrer Implementation liegt (vgl JannWegrich 2003 95) Denshynoch kann festgehalten werden dass durch den Phasencharakter des Policy-Zyklus ein differenziertes Verstaumlndnis der Dynashymik der Eigenart und der Ursachen der spezifischen und komplexen Prozesse des Policy Makings erreicht wird (vgl Behrens 2003 Heritier 1993 Mayntz 1983 14 ff) Der Entscheidungszyklus ist in der polishytik- und verwaltungswissenschaftlichen Forschung ein sehr zentrales analytisches und heuristisches Instrument um die Polishytikgestaltung zu beschreiben Politikgeshystaltung oder Policy Making bdquobeschreibt einen Begriff der die sequentiellen Proshyzesse der Formulierung und Umsetzung von Politikinhalten umfasstldquo (Heritier 1993 JannWegrich 2003 72 Schubert 1991 Wollmann 2003)

Quelle Schubert 1991

Phasen eines Policy-Zirkels

Die Verschraumlnkung wissenschaftlicher Expertise mit Regulierungsprozessen bringt eine neue Fokussierung in politishysches Gestaltungshandeln Ziel oumlffentlishychen Handelns sollte es sein eine moumlgshylichst effektive Intervention Maszlignahme oder Regulierung zu erreichen Diese Efshyfektivitaumlt (und auch Effizienz) kann durch

wissensbasiertes Handeln erreicht werden so die Annahme8

In der Europaumlischen Union wurde dieser Trend vor allem durch das Dokument bdquoEushyropaumlisches Regieren ndash Ein Weiszligbuchldquo9

und die Schlussfolgerungen des Ratstrefshyfens in Laeken (Dezember 2001) vorangeshytrieben Im Juni 2002 veroumlffentlichte die Europaumlische Kommission den Aktionsplan bdquoEuropaumlisches Regieren Bessere Rechtshysetzungldquo10 Der Aktionsplan bdquoVereinfashychung und Verbesserung des Regelungsshyumfeldsldquo11 stellt die Notwendigkeit der Folgenabschaumltzung bezuumlglich der oumlkonoshymischen oumlkologischen und sozialen Folgen politischer Regulierung dar und definiert daruumlber hinaus anhand welcher sozialen Dimensionen dies geschehen soll12 Uumlber diese Initiativen versucht die Europaumlische Kommission den Einsatz ihshyrer beschraumlnkten Mittel durch ein so geshynanntes bdquoimpact assessmentldquo auf deren Sinnhaftigkeit hin zu uumlberpruumlfen und zu einem regulaumlren Teil des Entscheidungszyshyklus innerhalb der Europaumlischen Kommisshysion zu machen

Wissensbasierte Politikgestaltung oder bdquoevidence based Policy Makingldquo kommt als Konzept aus der Gesundheitspolitik der 1980er Jahre Seitdem hat sich das Konzept weiterentwickelt wobei es auf andere Bereiche uumlbertragen wurde

Im Bereich der Gesundheitspolitik hat sich der Begriff der bdquoevidence based pracshyticeldquo verfestigt Dieser vereint zwei grundshylegende Perspektiven 1EBP bdquois a process that includes locating

and appraising credible evidence as a part of practice decisionsldquo

2EBP bdquois a way to designate certain intershyventions as empirically supported under certain conditionsldquo (Rubin 2008 6) Weiter praumlzisiert kann diese Definition

auch auf andere Regulierungsprozesse uumlbertragen werden bdquoEBP is a process for making practice decisions in which practishy

6

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tioners13 integrate the best research evishydence available with their practice expertishyse and with client attributes values prefeshyrences and circumstances When those provisions involve selecting an interventishyon to provide practitioners will attempt to maximize the likelihood that their clients will receive the most effective intervention possible (hellip)ldquo (Rubin 2008 7)14

Die politischen GestalterInnen erhalten so unter Beruumlcksichtigung ihres Kontextshywissens eine Entscheidungsgrundlage und koumlnnen die jeweils anderen Wissensbestaumlnshyde wechselseitig nutzen um zu einer abshyschlieszligenden Entscheidungsgrundlage fuumlr eine Maszlignahme zu kommen Um es anshyders zu beschreiben Die politischen GeshystalterInnen koumlnnen sich fuumlr eine IntervenshytionMaszlignahme entscheiden und dann im Uhrzeigersinn der Grafik diese Interventishyon auf ihre Praktikabilitaumlt hin bewerten

Allerdings verfolgt EBP einen Politikgeshystaltungsansatz in dem empirische Grundshylagen und wissenschaftliche Analyse dem Urteil einer alleinigen Regulierungsinshystanz vorgezogen oder zumindest gleichshygestellt werden Die Uumlbertragung des Konshyzepts der bdquoevidence based practiceldquo auf politische Prozesse geht mit dem normatishyven Konzept einher dass die regulativen Handlungen einer Verwaltungseinheit quashylitativ besser werden muumlssen bdquoStaatliche Aktivitaumlten und Policies sollen einen Beishytrag zur Loumlsung oder zumindest Verarbeishytung gesellschaftlicher Problemlagen leisshytenldquo (JannWegrich 2003 92)15

Waumlhrend gerade in den hoch buumlrokratishysierten Staaten Westeuropas immer noch ein bdquoauthority-based practiceldquo-Modell zur Anwendung kommt versucht der Ansatz der wissensbasierten Politikgestaltung die Nachhaltigkeit von politischen Entscheishydungen aufgrund der Entscheidungs- und Handlungsoptionsanalyse zu etablieren16

bdquoDoing so means being vigilant in trying to recognise testimonials and traditions

that are based on unfounded beliefs and assumptions ndash no matter how prestigious the source of such testimonials and no matter how long the traditions have been in vogue in a practice settingrdquo (Rubin 2008 12)

Realitaumltsstrukturierendes Wissen kann auf unterschiedlichen Wegen gesammelt werden Neben wissenschaftlicher Forshyschung statistischen Analysen und Proshygnosen sind auch Beteiligungsverfahren mit Stakeholdern oumlffentliche Anhoumlrungen oder Umfragen17 moumlgliche Informations-quellen fuumlr Hinweise oder Anhaltspunkte auf die Wirkungen politischer Regulierung und fuumlr die Weiterentwicklung von Politik bdquoPolicies are based on a sound and comshyprehensive understanding of the evidence available at the time and developing a strategy to maintain and update as necesshysary the evidence base for future strategy and policyldquo18 Fuumlr einen Politikprozess koumlnnen diese Evidenzen greifbar gemacht werden indem sie nach der Sammlung in ihrem spezifischen Kontext und aus dieshysem Kontext heraus analysiert werden Wie bereits oben festgehalten kann die Anbindung politischer Regulierung an empirische Tatbestaumlnde dazu beitragen politische Regulierung insgesamt zielgeshynauer zu gestalten

Evidenzen sind aber weit mehr als bloszliges Wissen gerade weil auch der Begriff des Wissens heutzutage sehr vielschichtig

differenziert wird19

Sie sind theoretisch motiviert und abgeshyleitet und bilden so eine Bruumlcke zu den beshyobachteten Fakten ndash also einer empirishyschen Bestandsaufnahme Insofern scheint auch der Wahrheitsbegriff nicht unumstritshyten was zu einer impliziten Annahme der Uumlberpruumlfbarkeit zumindest aber einer Praxiswirksamkeit einer Aussage fuumlhrt

7

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8

12010

bdquoWissen in diesen Spielarten kann in unshyterschiedlichen Bereichen und auf untershyschiedliche Weise produziert werden Eine einflussreiche Unterscheidung ist die zwischen dem traditionellen akademisch produzierten und abgesicherten Wissen (Mode 1) und den vielfaumlltigen Formen von aus praktischen Kontexten auszligerhalb des eigentlichen Wissenschaftssystems produshyzierten Wissens das durch seine praktische Wirksamkeit und Akzeptanz abgesichert aber nicht im akademischen Sinn bewieshysen ist (Mode 2)ldquo (Lassnigg 2009 6)

Dabei kann die Theorie in den Bereich zwischen Wissen und Nicht-Wissen eingeshyordnet werden

Sie wirkt dabei als ein Mechashynismus der zur Verwandlung von Nicht-Wissen in Wissen

beitraumlgt

Diese Uumlbertragung findet durch eine Uumlberpruumlfung der vermuteten Zusammenshyhaumlnge (Nicht-Wissen) an der Realitaumlt statt Bei dieser Vorgehensweise geht es also darum empirische Repraumlsentation und Vermutung in einen direkten Zusammenshyhang zu setzen und so eine Entscheishydungs- und Handlungsgrundlage zu schafshyfen Erneut Lassnigg bdquoDies verweist auf die zentrale Bedeutung der Frage der Wisshysenschaftsforschung nach den Praktiken der Produktion von Daten Fakten und Evidenzenldquo (Lassnigg 2009 7)

Gerade unter dem Schlagwort Wissensshybasierung werden heute sehr gern Inforshymationen bzw Fakten subsumiert die im nicht seltenen Fall keine einfachen Fakten im Sinne statistischer Information sind Kommt man zuruumlck auf die oben zitierte Differenzierung des Wissens so spielen im Bereich der politischen Regulierung zunehmend Evidenzen des Mode 1 eine Rolle also akademisch produzierte aber nicht auf ihre praktische Wirksamkeit

uumlberpruumlfte Wissensbestaumlnde20 Dies liegt zum Teil auch daran dass tatsaumlchliche Uumlberpruumlfungen nach Mode 2 einen sehr hohen Grad an methodischer Durchdrinshygung erfordern und der ebenfalls hoch aufgeladenen theoretischen Annahmenshyproblematik Je komplexer die Phaumlnomene und je weniger Moumlglichkeiten der direkten Beobachtung bestehen desto komplexer muumlssen auch die methodologischen Uumlbershylegungen zur Erforschung bzw zur Beobshyachtung dieser Phaumlnomene sein Diese sehr einfache Schlussfolgerung wird zu oft in der so genannten wissensbasierten Beratung unterschlagen

Diese Herangehensweise zielt auch auf Problemanalyse ab und fordert dazu auf Prioritaumlten der Politikgestaltung zu identishyfizieren bzw etablierte Maszlignahmen auf ihre Effektivitaumlt und die darin vermutete Kausalitaumlt hin zu uumlberpruumlfen Diese Mittshylerfunktion wird einerseits durch eine theoretische Grundlage andererseits durch ein Erhebungsinstrument erfuumlllt wodurch eine Bewertung der Effizienz und der Wirkungsweise einer politischen Maszlignahme und der Problemidentifikation fuumlr eine erneute Maszlignahmenentwicklung erreicht werden kann

POLIZEILICHE KRIMINALSTATISTIK Der Begriff der Statistik hat seinen Urshysprung im staatlichen Verwaltungshanshydeln denn er beschreibt jene Sachverhalte bdquodie ein Staatsmann uumlber sein Land wisshysen mussldquo (Lorenz 2009) Ausgehend von der wissenschaftlichen Diskussion um statistische Daten kann die Natur von Statistik21 durch drei zentrale Merkmale charakterisiert werden A) Statistik ist theoriegebunden weil unwillkuumlrliches Datensammeln unwissenschaftlich ist B) Daten haben einen empirischen Chashyrakter da sie aus der Wirklichkeit gewonshynen werden C) die Daten sind objektiv

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weil Erhebungsprozesse sachlich und nachvollziehbar begruumlndbar sein muumlssen (siehe ua Jahn 2006 Wagschal 1999 12)

Ausgehend von diesen Grundannahmen fuumlr Statistik kann die amtliche Statistik als ein unverzichtbarer Teil des Informationsshysystems einer demokratischen Gesellshyschaft angesehen werden Sie stellt Daten uumlber die wirtschaftliche demografische soziale und Umweltsituation zur Verfuumlshygung und setzt sie teilweise ins Verhaumlltnis zu staatlicher Regulierung gesellschaftshylichen Trends und oumlkonomischen Entshywicklungen Die Kriminalitaumltsstatistik kann als nichtausgeloumlste Primaumlrstatistik beshyzeichnet werden was bedeutet dass die staatlichen Institutionen die Daten direkt erheben um damit ihre eigene Arbeit zu beschreiben22 Sie ist zudem eine Vollshyerhebung denn alle (bekannten) Faumllle flieszligen in die Datengrundlage ein Grundshysaumltzlich lassen sich amtliche und nichtamtshyliche Statistiken unterscheiden Waumlhrend die amtliche Statistik auf der Grundlage von Gesetzen durch staatliche Behoumlrden erhoben wird23 entsteht die nichtamtliche Statistik ohne einen gesetzlichen Auftrag bzw direkte gesetzliche Grundlagen und wird durch unterschiedliche Institute aufshygrund unterschiedlicher Interessen und AuftraggeberInnen erhoben

Die Polizeiliche Kriminalstatistik glieshydert die bdquostrafbaren Handlungen (Anzeishygen) nach den Paragraphen des StGB und der Nebenstrafgesetze wobei auch verschiedene Kategorien von Straftaten aufgefuumlhrt werden (Ladendiebstaumlhle Beziehungstaten innerhalb einer Familie etc) Des Weiteren stehen hier auch Dashyten uumlber die ermittelten Tatverdaumlchtigen und die Opfer der Straftaten zur Vershyfuumlgungldquo (Statistik Austria 2008 9) Die Ergebnisse der Polizeilichen Kriminalshystatistik stellen einen wichtigen Input fuumlr den monatlichen Kriminalitaumltsbeshyricht dar

Nicht zuletzt aufgrund von Stichtagsreshygelungen bei der Zusammenfassung und Uumlbermittlung von Daten kann es zu kleishyneren auf den Betrachtungszeitraum beshyzogenen Unvollstaumlndigkeiten kommen (vgl Statistik Austria 2008) Gleichzeitig wirkt aber auch bei der Polizeilichen Krishyminalstatistik ein besonderes Charakterisshytikum amtlicher Statistik Im Vergleich zu nichtamtlicher Statistik soll sie per Aufshytrag alle moumlglichen Ereignisse erfassen also auch jene die nur selten oder in nicht besonders hoher Zahl auftreten Damit ist eine besondere Schwierigkeit verbunden Amtliche Kriminalstatistiken messen24 nur jene Faumllle die bekannt geworden sind

Das so genannte Dunkelfeld also nicht angezeigte Faumllle kann in der Statistik nicht

abgebildet werden

Es stellt sich an dieser Stelle die Frage ob dieses Dunkelfeld tatsaumlchlich durch weitere Bevoumllkerungsbefragungen minishymiert werden kann deren Zuverlaumlssigkeit dann von unterschiedlich komplexen Beshydingungen und Vorgehensweisen abhinge Dabei weist die Kriminalstatistik einen weiteren Mangel auf bdquoSo hat die Polizeilishyche Kriminalstatistik nur einen begrenzten Aussagewert in Bezug auf wirkliche Reashylitaumlt in einer Gesellschaft Uumlber die Urshysachen der Kriminalitaumlt sagt sie nichtsldquo (Seiden-PielenFarin 1994 55)25 Abgeseshyhen von den Ursachen von Kriminalitaumlt ist das Anzeigeverhalten und Bewusstsein der Bevoumllkerung fuumlr manche Deliktsarten ausshygepraumlgter bzw groumlszliger und unterliegt zeitlishychen Schwankungen26

Allerdings besteht genau darin auch ein groszliges Dilemma der amtlichen Statistik denn genau an dieser Nahtstelle also zwishyschen der Moumlglichkeit bestimmte Vorfaumllle statistisch zu erfassen und der Darstellung der Sicherheitslage liegt der Ansatzpunkt

9

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politischer Diskursakteure Jede kleine Luumlcke jede Unplausibilitaumlt jede berechshynete Verhaumlltnis- und Durchschnittszahl und jede intransparente Klassifizierung fuumlhren zum Hinterfragen der gesamten Datengrundlage also der gesamten Basis der Polizeilichen Kriminalitaumltsstatistik

Die AkteurInnen massenmedial vershymittelter Diskurse so wie MinisterInnen PolitikerInnen AkteurInnen der Zivilgeshysellschaft aber auch bdquoSozial- und WirtshyschaftswissenschaftlerInnen neigen dazu zu erwarten dass ndash aus ihrer Sicht ndash ideashylerweise die amtliche Statistik alle Datenshywuumlnsche befriedigtldquo (Wagner 2007 3) Aus dieser Bemerkung Wagners ergeben sich zwei Schlussfolgerungen Nicht alles was WissenschaftlerInnen mittels ihrer Expertise an Verbesserungsvorschlaumlgen einbringen ist fuumlr die Erhebung durch amtliche Statistiken geeignet weil es zweckfremd ist und nicht der Verbesserung des Verwaltungshandelns dient Gleichzeishytig sollten dennoch sachliche Uumlberlegunshygen angestellt werden welche Luumlcken sich bei der Berichterstattung auf Grund der Datenerhebung ergeben entweder vershyursacht durch ungenuumlgsame Sorgfalt bei der Dateneingabe oder durch Luumlcken im Erhebungsinstrument

Abgesehen davon dass jede Datenerheshybung ihre jeweilig spezifischen Vor- und Nachteile bei der Erfassung der Realitaumlt aufweist (Opp 2005 232 ff SeipelRieker 2003 135 ff) stellt sich aber insbesondere bei der amtlichen Statistik die Frage inshywiefern Plausibilitaumltspruumlfungen zu beshystimmten Datensaumltzen moumlglich sind und wie diese Daten beeinflusst von systematishyschen Fehlern also durch unklare Kategoshyrisierung oder beeinflusst durch unsysteshymatische Fehler zB mangelnde Schulung der VollzugsbeamtInnen in Bezug auf die Dateneingabe zustande kommen

Damit die Ergebnisse amtlicher Statistishyken ndash und nicht der Prozess der Erhebung

oder Verarbeitung der Information ndash die Willensbildung unterstuumltzen und beeinshyflussen koumlnnen muumlssen diese Ergebnisse auf der Grundlage wissenschaftlicher Meshythoden erarbeitet und umfangreich dokushymentiert werden Damit soll den Prinzishypien der Objektivitaumlt (= Transparenz) die neben Reliabilitaumlt Validitaumlt und Repraumlsenshytativitaumlt die Guumltekriterien fuumlr Messverfahshyren abbilden Genuumlge getan werden27

WISSENSCHAFTLICHE BETRACHTUNG FUumlR OumlFFENTLICHE STATISTIK Die Ergebnisse von Forschungen im Diensshyte der evidenzbasierten Politikgestaltung haumlngen wesentlich von der Genauigkeit der erhobenen Daten ab und sind immer auch beeinflusst von den verwendeten Meshythoden Der Druck hinsichtlich einer Beshygruumlndung fuumlr den Einsatz einer bestimmten Methode ist in Zeiten knapper Ressourcen gestiegen Dennoch ist es in erster Linie die forschungspraktische Fragestellung ndash also jene Frage die sich aus der bereits vorliegenden politischen Regulierung ershygibt ndash die einerseits das Ziel des Projekts umreiszligt und gleichzeitig den Rahmen fuumlr das Erkenntnisziel bestimmt bdquoMethodishysche Kritik sollte dann einsetzen wenn die Ergebnisse nicht unmittelbar einleuchtend erscheinen wenn sie in einem Widershyspruch zu den Ergebnissen anderer Forshyschungsarbeiten stehen oder wenn die Falschheit der Ergebnisse moumlglicherweise fatale Folgen haben koumlnnteldquo (Behnke et al 2006 19)

Je nach eingesetzter Methode koumlnnen sich die Beobachtungen der Wirklichkeit unterscheiden ohne dass ForscherInnen oder politische GestalterInnen wissen ob die Wirklichkeit erfasst wurde denn es gibt ja nur eine Wirklichkeit oder ob das aus den Daten heraus entstehende Bild der Wirklichkeit durch die methodische Vorshygehensweise beeinflusst ist Auch die Wisshy

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senschaft hat keinen direkten Zugang zur Wirklichkeit Insofern ist es unmoumlglich das korrekte Abbild der Wirklichkeit zu liefern oder zu beurteilen welche Vorgeshyhensweise die tatsaumlchlich richtige ist ndash es gilt als ein unitaristischer Wirklichkeitsbeshygriff (Behnke et al 2006 22 ff) Allershydings bedeutet es nicht dass grundsaumltzlich ein pluralistischer Wahrheitsbegriff voshyrausgesetzt werden muss sondern dass vorlaumlufige Widerspruumlche produziert wershyden diese jedoch auf ihre Entstehung also den Einsatz unterschiedlicher Methoden zuruumlckzufuumlhren sind Methoden sind nur Entdeckungsverfahren um Argumente fuumlr jene oder andere Positionen zu generieren Dieses Grundverstaumlndnis muss zu einer Handlungsleitlinie fuumlhren die es verlangt dass Methoden in ihrer Anwendung explishyzit gemacht werden um so ihre jeweiligen Grundannahmen Schwaumlchen und Einshyschraumlnkungen zu reflektieren und die Schlussfolgerungen bdquoobjektivldquo also intershysubjektiv zugaumlnglich zu machen28

Insofern ist es die Interpretashytion von Ergebnissen und nicht der Einsatz von Methoden der

subjektive Elemente enthaumllt und zu hinterfragen ist

Es kann demnach richtige und falsche Interpretationen der Wirklichkeit geben Eine wissenschaftliche Vorgehensweise kann also zunaumlchst nur unterschiedliche Ausgangspunkte fuumlr eine tatsaumlchliche Einshyschaumltzung der Sicherheitslage und Krimishynalitaumlt erbringen

Rationale und wissensbasierte Sichershyheitspolitik versucht die statistisch vershyfuumlgbaren Datenbestaumlnde zu einem Geshysamtbild zusammenzufuumlgen also neben der Verdachtsstatistik moumlglichst auch alle weiteren gegenwaumlrtig verfuumlgbaren Inforshymationen zu beruumlcksichtigen und auf unshyterschiedliche Wissensquellen zuruumlckzushy

greifen29 Ohne gesichertes Wissen bleibt jede Schlussfolgerung vage denn es gibt keine verlaumlsslichen und abgesicherten Ershykenntnisse daruumlber welches Problem tatshysaumlchlich besteht welche Mittel fuumlr dessen Loumlsung notwendig sind oder zur Verfuumlshygung stehen und wie eventuelle Nebenshywirkungen vermieden werden bzw Altershynativen zum Einsatz kommen koumlnnen bdquoRegisterdaten30 sind nur dann von hoher Qualitaumlt wenn die Daten unmittelbar dem Verwaltungsvollzug dienen Nur dann achshyten Verwaltungen und Betroffene darauf dass die Daten fehlerfrei sind Werden reishyne sbquoStatistikmerkmalelsquo in Verwaltungsshyformulare aufgenommen (zB Polizeishystatistiken) ist das den Beamten und Sachbearbeitern oft laumlstig und es gibt keine Betroffenen die auf die Richtigkeit der Angaben achten (ein Beispiel ist die Angabe des Bildungsniveaus in Sozialvershysicherungsmeldungen)ldquo (Wagner 2007 4)

Die Komplexitaumlt und Dynamik modershyner Gesellschaften verhindert und beguumlnsshytigt gleichermaszligen praumlzise Datenerheshybungen (ausfuumlhrliche Einfuumlhrung in Jahn 2006) Je genauer und praumlziser eine Datenshyerhebung und die Datenauswertung erfolshygen desto praumlziser sind die fuumlr das Hanshydeln notwendigen Schlussfolgerungen und Handlungsoptionen

ZUSAMMENFASSUNG VON DER ERFASSUNG ZUR VERWERTUNG In der Gegenwart werden fuumlr die Perforshymanzeinschaumltzung also die Bewertung der Effektivitaumlt und Effizienz von Maszlignahshymen der Behoumlrden nicht zuletzt durch den voranschreitenden Integrationsprozess im Rahmen der Europaumlischen Union gern Vergleiche von statistischen Daten vershywendet Kriminalitaumltsstatistiken duumlrfen aber nicht ohne die Beruumlcksichtigung der bekannten und der vermuteten Randbedinshygungen genutzt werden Kriminalitaumlt insshybesondere bei einfachen und leichteren

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Delikten unterliegt Verwerfungen deren Kausalketten nicht immer leicht nachvollshyziehbar sind

Staatliche Regulierungsanshysaumltze stehen vor der Herausshy

forderung mit einem begrenzshyten Budget ein maximales Ziel

zu erreichen

Um diese Anforderungen bewaumlltigen zu koumlnnen sollte zwischen der Effizienz (bdquodie Dinge richtig tunldquo) und der Effektishyvitaumlt (bdquodie richtigen Dinge tunldquo) eine Bashylance gefunden werden31 Nur dadurch kann die Politik automatisch mehr politishysche Innovation und damit neue Gestalshytungsraumlume schaffen Dafuumlr bedarf es aber auch klar und praumlzise definierter und messbarer Ziele die verhindern dass ndash auch wenn formal richtig in Uumlbereinstimshymung mit zuvor definierten Regeln gehanshydelt wird ndash die falschen Dinge getan wershyden (GerberTeske 2000)

Die zentralen Fragestellungen der polishytikberatenden Policy-Analyse orientieren sich mehr oder weniger explizit an der heuristischen Gliederung des Policy-Zyklus Dabei stehen immer die tatsaumlchlishyche Wirkung politischer Intervention und die daraus zu ziehenden Schlussfolgerunshygen fuumlr den weiteren Verlauf des Policy Makings (Terminierung oder veraumlnderte Problemwahrnehmung) im Mittelpunkt der Betrachtungen (JannWegrich 2003 98 siehe ua Wollmann 1986)32 Im Proshyzess von EBP kann es zu unterschiedlichen Formen politischen Lernens kommen ndash mit unterschiedlichen Ruumlckwirkungen auf die Problemwahrnehmung und den sich anschlieszligenden Policy-Zyklus Ergebnis eines solchen Prozesses kann die Termishynierung eines politischen Programms sein

Ziel einer strukturierten Beobachtung zum Beispiel in der Form eines Monitoshyrings ist es der oumlffentlichen Hand wichtishy

ge Hinweise uumlber die tatsaumlchliche gesellshyschaftliche Situation zur Verfuumlgung zu stellen und damit die Politikgestaltung zielgerichteter und effizienter zu machen (siehe auch GerberTeske 2000) Jedoch muumlssen dabei die Wirkungsketten analyshysiert werden und die Politik darf sich im Sinne der Evidenzbasierung nicht mit der Produktion akademisierten Wissens zushyfrieden geben Insofern muss eine Erheshybung Beobachtung oder Erfassung von empirischen Fakten sowohl theoretisch abshygesichtert sein als auch zu kausalanalytishyschen Schlussfolgerungen fuumlhren Die Wirkung einer Maszlignahme kann so fakshytisch nur im Zeitvergleich erfolgen

Fuumlr einen Politikprozess koumlnnen diese Evidenzen dann sinnvoll interpretiert wershyden wenn sie bereits in der Erhebungssishytuation und dann in der Folge auch in der Auswertung und Interpretation in ihren spezifisch politisch-regulativen Kontext gesetzt werden bdquoPolicies are based on a sound and comprehensive understanding of the evidence available at the time and developing a strategy to maintain and up-date as necessary the evidence base for fushyture strategy and policyldquo33

Da insbesondere die Interpretationen jeglicher Daten von einem bestimmten theoretischen als auch praktischen Konshytextwissen abhaumlngig sind ist es unabdingshybar den politischen administrativen und gesellschaftlichen Zusammenhang zu beshyruumlcksichtigen um so die breitest moumlgliche Basis fuumlr die Interpretationen und Maszligshynahmenentwicklung zu erreichen und falshysche Schlussfolgerungen zu vermeiden

Mit der Polizeilichen Kriminalstatistik sind zwar im Moment kaum mehr als rein deskriptive Beschreibungen moumlglich denshynoch koumlnnen durch die Beobachtung uumlber Zeit Entwicklungstrends ausgemacht wershyden die fuumlr unterschiedliche Gruppen und in unterschiedlichen Bereichen durchaus verschieden sein koumlnnen

12010 SIAK-JOURNAL

Diese Herangehensweise laumlsst sich auch auf die Polizeiliche Kriminalstatistik anshywenden die ja der Kriminalitaumltsvorbeushygung und Kriminalitaumltsbekaumlmpfung dient Die Herangehensweise der Wissensbasieshyrung zielt auf die Problemanalyse ab und fordert dazu auf jene Prioritaumlten der Polishytikgestaltung zu identifizieren bzw etashyblierte Maszlignahmen auf ihre Effektivitaumlt hin zu uumlberpruumlfen die auch aus wissenshyschaftlich-theoretischer Sicht von Interesshyse sind Ausgehend von der Interpretation und Darstellung der Daten kann dann eine politisch-kommunikative und strategischshyoperative Gesamtdarstellung der zukuumlnftishygen Aufgaben der Sicherheitsbehoumlrden und des verantwortlichen Ministeriums ershyarbeitet werden Eine Abgrenzung politishyscher Oumlffentlichkeitsarbeit von nicht-polishytischer Oumlffentlichkeitsarbeit oder von politischem Handeln ohne dominierenden Kommunikationscharakter ist dabei aber kaum moumlglich bdquoPolitische Oumlffentlichshykeitsarbeit ist das Kommunikationsmashynagement der Beziehungen politischer Organisationen zu ihren Bezugsgrupshypenldquo (Schulz 2008 307)

Die sinnvolle Interpretation der Polizeishylichen Kriminalitaumltsstatistik im Sinne eishyner evidenzbasierten Politikgestaltung

muss jene Information erheben die nicht allein in der Feststellung von Trends endet sondern die Aufklaumlrung uumlber die Wirkshysamkeit der politischen Regulierungen ershymoumlglicht denn nicht jeder Trend ist direkt ablesbar und nicht jede direkt ablesbare Information ist auch ein Trend

Durch die Beruumlcksichtigung empirisch uumlberpruumlften theoretischen Wissens auch fuumlr eine nachfolgende Veroumlffentlichungsshystrategie kann die Uumlberbewertung diskurshysiv vermittelter Einzelfaumllle relativiert oder sogar unterdruumlckt werden bzw die veroumlfshyfentlichte Meinung aufgrund objektiviershybarer Daten als irrefuumlhrend entlarvt wershyden Allerdings folgt die Interpretation und Diskussion der praumlsentierten Ergebshynisse dann in der Regel einer anderen Logik naumlmlich jener der Medienoumlffentshylichkeit Da vom rein wissenschaftlichen Standpunkt aus die Behauptung formuliert werden kann dass Oumlffentlichkeitsarbeit dazu beitraumlgt oumlffentliche Diskurse insbeshysondere thematisch und in ihrem Timing zu beeinflussen34 sollte die Darstellung der Ist-Situation der Kriminalitaumltslage mit der Praumlsentation evidenzbasiert erarbeiteshyter Loumlsungsansaumltze verknuumlpft werden um zu sinnvollen Aussagen zu gelangen

1 Bundeskriminalamt 2006 3 2 Der Autor bedankt sich fuumlr das konshy

struktive Feedback und die Hinweise bei

Maxi Nachtigall MA (Joint Programshy

me Secretariat Northern Periphery Proshy

gramme Copenhagen) und Maga Martina

Zandonella (SORA) 3 Diese sind abrufbar unter httpwww

bmigvatcmsBKpublikationen

krim_ statistikstartaspx 4 Exemplarisch an dieser Stelle eine beshy

sonders drastisch formulierte Aussenshy

dung httpwwwotsatpresseaussendung

OTS_20090508_OTS0230 5 Im Verlauf dieses Beitrags wird das

Konzept des bdquoevidence based Policy Mashy

kingldquo auch unter den Begriffen bdquoevidence

based practiceldquo (in der Abkuumlrzung EBP)

und bdquowissensbasierte Politikgestaltungldquo

verwendet da diese das gleiche Konzept

beschreiben Das Konzept kommt urshy

spruumlnglich aus der Gesundheitsforschung

(dort bdquoevidence based practiceldquo) und

wurde inzwischen auf andere Forshy

13

SIAK-JOURNAL 12010

schungsgebiete wie verwaltungs- oder

politikwissenschaftliche Ansaumltze uumlbershy

tragen Siehe unter anderem httpwww

odiorgukRAPIDBibliographiesEBP

docsEBP_lit_review_webpdf Zugriff

am 20122008 oder auch Muir Gray

(2001) 6 Ein Indikator kann aus einer Variablen

ebenso bestehen wie aus einem ganzen

Set von Variablen Er kann aufgrund

qualitativer Informationen erarbeitet

werden wie er durch numerische Datenshy

sammlungen erstellt werden kann Da

sich die Realitaumlt nicht immer eindeutig

durch qualitative und quantitative Vershy

fahren beschreiben laumlsst macht es auch

keinen Sinn nur auf quantitative oder

qualitative Informationsgewinnung zu

vertrauen Der Zugang zur Wirklichkeit

stellt dabei die groszlige Huumlrde nicht nur

fuumlr die Art der Datengenerierung dar

sondern muss auch bei der Stichprobenshy

konstruktion beruumlcksichtigt werden 7 Diese werden aus soziologischen oumlkoshy

nomischen oder ethnologischen Theoshy

rien abgeleitet und dem eigentlich beshy

deutsamen Maszligstab ndash den realen

Entwicklungen ndash gegenuumlbergestellt 8 Auch wenn sich EBP vor allem in der

Gesundheitspolitik durchgesetzt hat

(siehe dazu Muir Gray 2001) so kann

der Ansatz auf jede Form der oumlffentlichen

Intervention administrativer Vorgaumlnge

oder regulativen staatlichen Handelns

angewendet werden 9 Zentrale Ziele dieses Weiszligbuches

waren a) die Einfuumlhrung der Folgenshy

abschaumltzung b) der Ausbau der oumlffentshy

lichen Konsultationen c) die Vereinshy

fachung der Gesetzgebung um den

Aufwand an Buumlrokratie zu reduzieren

(Kommission der Europaumlischen Gemeinshy

schaften 2001) 10 Kommission der Europaumlischen Geshy

meinschaften 2002a Kommission der

Europaumlischen Gemeinschaften 2002b

11 Kommission der Europaumlischen Geshy

meinschaften 2002a 12 European Commission 2005 13 Unter dem Begriff bdquopractitionersldquo

wird eine AkteurIn verstanden der oder

die regulative bzw innovative Handlunshy

gen setzen kann um so in das Leben einer

weiteren Person oder einer Gruppe von

Personen also Klienten einzugreifen 14 Auch wenn die einzelnen Schritte der

Uumlbersichtlichkeit halber hier getrennt

voneinander dargestellt wurden sind

sie sehr eng miteinander verwoben und

verdeutlichen die besondere Beziehung

von KlientInnen ExpertInnen und Wisshy

senschafterInnen die in ihrer jeweiligen

Perspektive und Expertise den Gesamtshy

prozess der EBP beeinflussen 15 Da Handeln nicht frei ist von den polishy

tischen Kontexten in denen es ablaumluft

kann behauptet werden dass Regulieshy

rungen oftmals eher von politischen Vorshy

stellungen als von klarenrealen Zielshy

vorstellungen geleitet sind Um einem

Argument gleich an dieser Stelle zu beshy

gegnen soll festgehalten werden dass

auch die Definition eines bestimmten

Handlungsziels ein normativer Prozess

ist Gleichzeitig kommt jede politische

Regulierung aber aufgrund bestimmter

Wissensbestaumlnde zu Stande Daraus ershy

gibt sich die Frage ob dieser Wissensbeshy

stand Teil eines Prozesses ist der eine

bestimmte (politische) Zielsetzung vershy

folgt und damit ausreichende Begruumlnshy

dungsqualitaumlt aufweist Politische Entshy

scheidungen werden durch eine Vielzahl

von Faktoren beeinflusst und es gilt jene

Wissensgrundlage zu schaffen die breit

genug gefasst ist um ein Buumlndel an

Handlungsoptionen aufzuwerfen (vgl

GerberTeske 2000) Diese Optionen

dienen dann als Grundlage fuumlr Entshy

scheidungen die zukuumlnftige Szenarien

der Nachhaltigkeit beruumlcksichtigen und

der Effektivitaumlt unterliegen ndash denn sie

sollen eine bestimmte Zielsetzung mit

einem praumlzisen Aufwand an Ressourcen

auch erreichen 16 Auch in der oumlsterreichischen Politikgeshy

staltung werden empirische Evidenzen

immer wieder herangezogen um die Poshy

litikgestaltung zu uumlberpruumlfen und weishy

terzuentwickeln zum Beispiel im Fall

des KonsumentInnenbarometers des

Bundesministeriums fuumlr Arbeit Soziales

und Konsumentenschutz oder die untershy

schiedlichen Studien wie PIRLS TIMMS

PISA die das Bundesinstitut fuumlr Bilshy

dungsforschung Innovation amp Entwickshy

lung des oumlsterreichischen Schulwesens

(BIFIE) fuumlr das Bundesministerium fuumlr

Unterricht Kunst und Kultur durchshy

fuumlhrt 17 Abhaumlngig von der Qualitaumlt ihrer

Sammlung 18 Zitiert von httpwwwdefragovuk

sciencehowevidencehtm am 21122008 19 Zum Beispiel in Alltags- und Fachshy

wissen uumlber informelles explizites oder

ruhendes Wissen 20 Fuumlr den Bereich Bildung siehe Lassnigg

2009 21 Statistik ist der Inbegriff theoretisch

fundierter empirischer objektivierbarer

Daten (Menges 1982 19) 22 Ausgeloumlste Statistiken werden von stashy

tistischen Aumlmtern erhoben und aufbereishy

tet und somit der Oumlffentlichkeit zugaumlngshy

lich gemacht Neben Primaumlrstatistiken

gibt es auch Sekundaumlrstatistiken die leshy

diglich Auswertungen beschreiben die

auf der Grundlage von bereits erhobeshy

nen Daten erfolgen 23 Bundesstatistikgesetz 2000 StF BGBl I

Nr 1631999 idF BGBl I Nr 1362001

BGBl I Nr 712003 und BGBl I Nr

922007 24 Messen ist die systematische Zuordshy

nung einer Menge von Zahlen oder

Symbolen zu den Auspraumlgungen einer

Variablen mithin auch zu den Objekten

14

SIAK-JOURNAL 12010

(Friedrichs 1973 97) Eine Variable ist dabei

ein veraumlnderliches Merkmal bei dem der

Merkmalstraumlger mindestens zwei Merkmalsshy

auspraumlgungen annehmen kann Inzwischen

wurde nicht zuletzt aufgrund methodologischshy

wissenschaftstheoretischer Diskussionen der

Begriff des Messens praumlzisiert Messen untershy

stellt die Existenz einer zumindest eindeutigen

Abbildung zwischen einem empirischen und eishy

nem numerischen Relativ (zB in Behnke et al

2006) 25 Dieses Zitat wurde bewusst gewaumlhlt um eishy

nen besonderen Aspekt der Diskussion rund um

die Darstellung sicherheitsrelevanter Problemshy

wahrnehmung darzustellen Zum Beispiel ist

die Kriminalstatistik taumlter- und tatorientiert

was in manchen Gruppen die Taumlterzahlen ershy

houmlht wenngleich dieselbe Gruppe auch die

groumlszligte Opfergruppe sein kann 26 Die Polizeiliche Kriminalstatistik liefert Inshy

formationen uumlber Art und Haumlufigkeit der bei

der Polizei angezeigten und von ihr bearbeiteshy

ten Straftaten und ermittelten Tatverdaumlchtigen

Allerdings muumlssen so getaumltigte Anzeigen zushy

naumlchst als Verdacht behandelt werden es hanshy

delt sich also eigentlich um eine Verdachtsstashy

tistik 27 Objektivitaumlt ist dabei eine notwendige aber

keine hinreichende Bedingung fuumlr Reliabilitaumlt

waumlhrend Reliabilitaumlt eine notwendige aber keishy

ne hinreichende Bedingung fuumlr Validitaumlt darshy

stellt 28 Im auf Karl Popper zuruumlckgehenden kritishy

schen Rationalismus unterscheiden sich Entdeshy

ckungs- (wie kommt man zu einer Theorie) Beshy

gruumlndungs- (wie uumlberpruumlft man eine Theorie)

und Verwertungszusammenhang (wie werden

die Ergebnisse eingesetzt) Diese Ausdifferenshy

zierung wirkt sich auch auf die Annahme der

Objektivitaumlt aus denn diese gilt nicht fuumlr den

gesamten Forschungsprozess sondern nur fuumlr

den methodologisch regelgeleiteten Begruumlnshy

dungszusammenhang fuumlr den auch die Wertshy

urteilsfreiheit erhoben wird Dieses Diktum

wird faumllschlicherweise zu oft auch fuumlr den Entshy

deckungs- und den Verwertungszusammenhang

angenommen Die theoretischen Grundlagen

eines Projektes und die Interpretation von Ershy

gebnissen genauso wie die Kontextualisierung

sind aber sehr wohl auch bei Popper wert- und

einstellungsgeleitet (ua SeipelRieker 2003

39 46 ff) 29 So koumlnnten neben Daten uumlber die Strafverfolshy

gung und den Strafvollzug auch Ursachenforshy

schungen fuumlr bestimmte Formen von Kriminalishy

taumlt mit in die Bewertung der Sicherheitslage

einbezogen werden 30 Anm Aumlquivalent zu amtlicher Statistik 31 In der Effizienzfalle gefangen macht man

dann die falschen Dinge richtig und blockiert

dadurch bessere Loumlsungen 32 Durch den heuristischen Charakter des Polishy

cy-Zyklus kann aber aus der Analyse einzelner

Phasen oder aufgrund spezifischer Perspektishy

ven kein umfassender Erklaumlrungsanspruch abshy

geleitet werden 33 Zitiert von httpwwwdefragovukscience

howevidencehtm am 21122008 34 Allerdings zeigen unterschiedliche Studien

dass die Annahme uumlber einen direkten Einfluss

sich nicht immer und in allen Faumlllen tatsaumlchlich

nachweisen laumlsst

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Page 3: Polizeiliche Kriminalstatistik. Im Spannungsfeld von ... · provisions involve selecting an interventi on to provide, practitioners will attempt to maximize the likelihood that their

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Diskurs eine Dominanz zu entwickeln4

Dieser Umstand stellt somit eine Herausshyforderung fuumlr die politische Oumlffentlichshykeitsarbeit dar denn die Veroumlffentlichung amtlicher Daten ist nicht nur ein Mittel von Politik sondern ist selbst als bdquopolishytischldquo anzusehen (Jarren 1998 Jarren Donges 2006)

Ein gern formuliertes Ziel an fuumlr die Poshylitikgestaltung in Auftrag gegebene Studishyen ist dabei die Evidenz-Basierung Dazu stellen sich zunaumlchst zwei sehr allgemeine Fragen (1) was wird unter dem Begriff bdquoEvidenzldquo gefasst und (2) inwieweit koumlnshynen oder sollen Politik und politische Reshygulierung sinnvoll als bdquoevidenz-basiertldquo konzeptualisiert werden

Im nachfolgenden Beitrag soll der Frage nachgegangen werden welche Aspekte bei der Diskussion der Kriminalitaumltsstatisshytik bei der Einordnung in das Konzept wissensbasierter Politikgestaltung von Beshydeutung sind und wie mit einer aus der oumlfshyfentlichen Verwaltung heraus generierten Datenquelle Informationen auch an die Oumlffentlichkeit vermittelt werden koumlnnen Allerdings und dies soll hier erarbeitet werden muumlssen diese Zahlen mit einer geshywissen Vorsicht interpretiert werden denn weder geben sie eine umfassende Ausshykunft uumlber die tatsaumlchlich veruumlbten Verbreshychen in Oumlsterreich noch koumlnnen sie zur Bewertung der Arbeit der Beamtinnen und Beamten der Vollzugsbehoumlrden herangeshyzogen werden Dabei soll insbesondere auch der Geltungsanspruch datenbasierter Aussagen problematisiert werden gerade dann wenn diese Daten fuumlr die Politikshygestaltung herangezogen werden

Fuumlr die Darstellung greift der Autor auf das Konzept der evidenzbasierten Politikshygestaltung5 zuruumlck bdquoEvidence based pracshytice (EBP) is a process for making practice decisions in which practitioners integrate the best research evidence available with their practical expertise and with clientsrsquo

attributes values preferences and cirshycumstancesldquo (Rubin 2008 17) Gerade in den letzten Jahren hat nicht zuletzt durch das Leben im Mehrebenensystem der Eushyropaumlischen Union die Arbeit mit und an verschiedenen Indikatorensystemen6 fuumlr die politische Regulierung an Bedeutung gewonnen (BrownCorbett 1997)

Evidenzbasierte Politikgestaltung nimmt Bezug auf die bdquoRealitaumltldquo indem politische Handlungsfelder mit wissenschaftlichen Methoden7 erforscht werden um so schnelshyler auf Veraumlnderungen und Wandlungsershyscheinungen in bestimmten politischen Handlungsfeldern reagieren zu koumlnnen

Diese Einblicke erlauben es der Politik ihr Handeln so auf

Ursachen und Wirkungsshyzusammenhaumlnge zu konzenshy

trieren wie es sich in den Beobachtungen realisiert

In einem ersten Abschnitt stellt dieser Beitrag die theoretischen Grundlagen und Annahmen wissensbasierter Politikgeshystaltung dar um vor diesem Hintergrund einzelne Aspekte der Polizeilichen Krimishynalitaumltsstatistik insbesondere unter Heranshyziehung wissenschaftstheoretischer und methodologischer Annahmen zu diskutieshyren Der Beitrag schlieszligt mit Hinweisen auf jene Ansatzpunkte die eine Weitershyund Fortentwicklung der Kriminalitaumltsstashytistik in Richtung einer Evidenzbasierung ermoumlglichen koumlnn(t)en

WAS BEDEUTET EVIDENZBAshySIERTE POLITIKGESTALTUNG Die Komplexitaumlt nationaler und europaumlishyscher Politikprozesse ist in aumlhnlicher Weise durch den so genannten Policy-Zyklus den Kreislauf der Politikgestaltung strukshyturiert Dem Policy-Zyklus liegt eine immanente top-down bdquoGesetzgeberpershyspektiveldquo zu Grunde wodurch Politik als

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hierarchische Steuerung uumlbergeordneter Instanzen konzipiert wird und der Fokus auf bdquoeinzelnenldquo Programmen und Entshyscheidungen sowie ihrer Implementation liegt (vgl JannWegrich 2003 95) Denshynoch kann festgehalten werden dass durch den Phasencharakter des Policy-Zyklus ein differenziertes Verstaumlndnis der Dynashymik der Eigenart und der Ursachen der spezifischen und komplexen Prozesse des Policy Makings erreicht wird (vgl Behrens 2003 Heritier 1993 Mayntz 1983 14 ff) Der Entscheidungszyklus ist in der polishytik- und verwaltungswissenschaftlichen Forschung ein sehr zentrales analytisches und heuristisches Instrument um die Polishytikgestaltung zu beschreiben Politikgeshystaltung oder Policy Making bdquobeschreibt einen Begriff der die sequentiellen Proshyzesse der Formulierung und Umsetzung von Politikinhalten umfasstldquo (Heritier 1993 JannWegrich 2003 72 Schubert 1991 Wollmann 2003)

Quelle Schubert 1991

Phasen eines Policy-Zirkels

Die Verschraumlnkung wissenschaftlicher Expertise mit Regulierungsprozessen bringt eine neue Fokussierung in politishysches Gestaltungshandeln Ziel oumlffentlishychen Handelns sollte es sein eine moumlgshylichst effektive Intervention Maszlignahme oder Regulierung zu erreichen Diese Efshyfektivitaumlt (und auch Effizienz) kann durch

wissensbasiertes Handeln erreicht werden so die Annahme8

In der Europaumlischen Union wurde dieser Trend vor allem durch das Dokument bdquoEushyropaumlisches Regieren ndash Ein Weiszligbuchldquo9

und die Schlussfolgerungen des Ratstrefshyfens in Laeken (Dezember 2001) vorangeshytrieben Im Juni 2002 veroumlffentlichte die Europaumlische Kommission den Aktionsplan bdquoEuropaumlisches Regieren Bessere Rechtshysetzungldquo10 Der Aktionsplan bdquoVereinfashychung und Verbesserung des Regelungsshyumfeldsldquo11 stellt die Notwendigkeit der Folgenabschaumltzung bezuumlglich der oumlkonoshymischen oumlkologischen und sozialen Folgen politischer Regulierung dar und definiert daruumlber hinaus anhand welcher sozialen Dimensionen dies geschehen soll12 Uumlber diese Initiativen versucht die Europaumlische Kommission den Einsatz ihshyrer beschraumlnkten Mittel durch ein so geshynanntes bdquoimpact assessmentldquo auf deren Sinnhaftigkeit hin zu uumlberpruumlfen und zu einem regulaumlren Teil des Entscheidungszyshyklus innerhalb der Europaumlischen Kommisshysion zu machen

Wissensbasierte Politikgestaltung oder bdquoevidence based Policy Makingldquo kommt als Konzept aus der Gesundheitspolitik der 1980er Jahre Seitdem hat sich das Konzept weiterentwickelt wobei es auf andere Bereiche uumlbertragen wurde

Im Bereich der Gesundheitspolitik hat sich der Begriff der bdquoevidence based pracshyticeldquo verfestigt Dieser vereint zwei grundshylegende Perspektiven 1EBP bdquois a process that includes locating

and appraising credible evidence as a part of practice decisionsldquo

2EBP bdquois a way to designate certain intershyventions as empirically supported under certain conditionsldquo (Rubin 2008 6) Weiter praumlzisiert kann diese Definition

auch auf andere Regulierungsprozesse uumlbertragen werden bdquoEBP is a process for making practice decisions in which practishy

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tioners13 integrate the best research evishydence available with their practice expertishyse and with client attributes values prefeshyrences and circumstances When those provisions involve selecting an interventishyon to provide practitioners will attempt to maximize the likelihood that their clients will receive the most effective intervention possible (hellip)ldquo (Rubin 2008 7)14

Die politischen GestalterInnen erhalten so unter Beruumlcksichtigung ihres Kontextshywissens eine Entscheidungsgrundlage und koumlnnen die jeweils anderen Wissensbestaumlnshyde wechselseitig nutzen um zu einer abshyschlieszligenden Entscheidungsgrundlage fuumlr eine Maszlignahme zu kommen Um es anshyders zu beschreiben Die politischen GeshystalterInnen koumlnnen sich fuumlr eine IntervenshytionMaszlignahme entscheiden und dann im Uhrzeigersinn der Grafik diese Interventishyon auf ihre Praktikabilitaumlt hin bewerten

Allerdings verfolgt EBP einen Politikgeshystaltungsansatz in dem empirische Grundshylagen und wissenschaftliche Analyse dem Urteil einer alleinigen Regulierungsinshystanz vorgezogen oder zumindest gleichshygestellt werden Die Uumlbertragung des Konshyzepts der bdquoevidence based practiceldquo auf politische Prozesse geht mit dem normatishyven Konzept einher dass die regulativen Handlungen einer Verwaltungseinheit quashylitativ besser werden muumlssen bdquoStaatliche Aktivitaumlten und Policies sollen einen Beishytrag zur Loumlsung oder zumindest Verarbeishytung gesellschaftlicher Problemlagen leisshytenldquo (JannWegrich 2003 92)15

Waumlhrend gerade in den hoch buumlrokratishysierten Staaten Westeuropas immer noch ein bdquoauthority-based practiceldquo-Modell zur Anwendung kommt versucht der Ansatz der wissensbasierten Politikgestaltung die Nachhaltigkeit von politischen Entscheishydungen aufgrund der Entscheidungs- und Handlungsoptionsanalyse zu etablieren16

bdquoDoing so means being vigilant in trying to recognise testimonials and traditions

that are based on unfounded beliefs and assumptions ndash no matter how prestigious the source of such testimonials and no matter how long the traditions have been in vogue in a practice settingrdquo (Rubin 2008 12)

Realitaumltsstrukturierendes Wissen kann auf unterschiedlichen Wegen gesammelt werden Neben wissenschaftlicher Forshyschung statistischen Analysen und Proshygnosen sind auch Beteiligungsverfahren mit Stakeholdern oumlffentliche Anhoumlrungen oder Umfragen17 moumlgliche Informations-quellen fuumlr Hinweise oder Anhaltspunkte auf die Wirkungen politischer Regulierung und fuumlr die Weiterentwicklung von Politik bdquoPolicies are based on a sound and comshyprehensive understanding of the evidence available at the time and developing a strategy to maintain and update as necesshysary the evidence base for future strategy and policyldquo18 Fuumlr einen Politikprozess koumlnnen diese Evidenzen greifbar gemacht werden indem sie nach der Sammlung in ihrem spezifischen Kontext und aus dieshysem Kontext heraus analysiert werden Wie bereits oben festgehalten kann die Anbindung politischer Regulierung an empirische Tatbestaumlnde dazu beitragen politische Regulierung insgesamt zielgeshynauer zu gestalten

Evidenzen sind aber weit mehr als bloszliges Wissen gerade weil auch der Begriff des Wissens heutzutage sehr vielschichtig

differenziert wird19

Sie sind theoretisch motiviert und abgeshyleitet und bilden so eine Bruumlcke zu den beshyobachteten Fakten ndash also einer empirishyschen Bestandsaufnahme Insofern scheint auch der Wahrheitsbegriff nicht unumstritshyten was zu einer impliziten Annahme der Uumlberpruumlfbarkeit zumindest aber einer Praxiswirksamkeit einer Aussage fuumlhrt

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bdquoWissen in diesen Spielarten kann in unshyterschiedlichen Bereichen und auf untershyschiedliche Weise produziert werden Eine einflussreiche Unterscheidung ist die zwischen dem traditionellen akademisch produzierten und abgesicherten Wissen (Mode 1) und den vielfaumlltigen Formen von aus praktischen Kontexten auszligerhalb des eigentlichen Wissenschaftssystems produshyzierten Wissens das durch seine praktische Wirksamkeit und Akzeptanz abgesichert aber nicht im akademischen Sinn bewieshysen ist (Mode 2)ldquo (Lassnigg 2009 6)

Dabei kann die Theorie in den Bereich zwischen Wissen und Nicht-Wissen eingeshyordnet werden

Sie wirkt dabei als ein Mechashynismus der zur Verwandlung von Nicht-Wissen in Wissen

beitraumlgt

Diese Uumlbertragung findet durch eine Uumlberpruumlfung der vermuteten Zusammenshyhaumlnge (Nicht-Wissen) an der Realitaumlt statt Bei dieser Vorgehensweise geht es also darum empirische Repraumlsentation und Vermutung in einen direkten Zusammenshyhang zu setzen und so eine Entscheishydungs- und Handlungsgrundlage zu schafshyfen Erneut Lassnigg bdquoDies verweist auf die zentrale Bedeutung der Frage der Wisshysenschaftsforschung nach den Praktiken der Produktion von Daten Fakten und Evidenzenldquo (Lassnigg 2009 7)

Gerade unter dem Schlagwort Wissensshybasierung werden heute sehr gern Inforshymationen bzw Fakten subsumiert die im nicht seltenen Fall keine einfachen Fakten im Sinne statistischer Information sind Kommt man zuruumlck auf die oben zitierte Differenzierung des Wissens so spielen im Bereich der politischen Regulierung zunehmend Evidenzen des Mode 1 eine Rolle also akademisch produzierte aber nicht auf ihre praktische Wirksamkeit

uumlberpruumlfte Wissensbestaumlnde20 Dies liegt zum Teil auch daran dass tatsaumlchliche Uumlberpruumlfungen nach Mode 2 einen sehr hohen Grad an methodischer Durchdrinshygung erfordern und der ebenfalls hoch aufgeladenen theoretischen Annahmenshyproblematik Je komplexer die Phaumlnomene und je weniger Moumlglichkeiten der direkten Beobachtung bestehen desto komplexer muumlssen auch die methodologischen Uumlbershylegungen zur Erforschung bzw zur Beobshyachtung dieser Phaumlnomene sein Diese sehr einfache Schlussfolgerung wird zu oft in der so genannten wissensbasierten Beratung unterschlagen

Diese Herangehensweise zielt auch auf Problemanalyse ab und fordert dazu auf Prioritaumlten der Politikgestaltung zu identishyfizieren bzw etablierte Maszlignahmen auf ihre Effektivitaumlt und die darin vermutete Kausalitaumlt hin zu uumlberpruumlfen Diese Mittshylerfunktion wird einerseits durch eine theoretische Grundlage andererseits durch ein Erhebungsinstrument erfuumlllt wodurch eine Bewertung der Effizienz und der Wirkungsweise einer politischen Maszlignahme und der Problemidentifikation fuumlr eine erneute Maszlignahmenentwicklung erreicht werden kann

POLIZEILICHE KRIMINALSTATISTIK Der Begriff der Statistik hat seinen Urshysprung im staatlichen Verwaltungshanshydeln denn er beschreibt jene Sachverhalte bdquodie ein Staatsmann uumlber sein Land wisshysen mussldquo (Lorenz 2009) Ausgehend von der wissenschaftlichen Diskussion um statistische Daten kann die Natur von Statistik21 durch drei zentrale Merkmale charakterisiert werden A) Statistik ist theoriegebunden weil unwillkuumlrliches Datensammeln unwissenschaftlich ist B) Daten haben einen empirischen Chashyrakter da sie aus der Wirklichkeit gewonshynen werden C) die Daten sind objektiv

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weil Erhebungsprozesse sachlich und nachvollziehbar begruumlndbar sein muumlssen (siehe ua Jahn 2006 Wagschal 1999 12)

Ausgehend von diesen Grundannahmen fuumlr Statistik kann die amtliche Statistik als ein unverzichtbarer Teil des Informationsshysystems einer demokratischen Gesellshyschaft angesehen werden Sie stellt Daten uumlber die wirtschaftliche demografische soziale und Umweltsituation zur Verfuumlshygung und setzt sie teilweise ins Verhaumlltnis zu staatlicher Regulierung gesellschaftshylichen Trends und oumlkonomischen Entshywicklungen Die Kriminalitaumltsstatistik kann als nichtausgeloumlste Primaumlrstatistik beshyzeichnet werden was bedeutet dass die staatlichen Institutionen die Daten direkt erheben um damit ihre eigene Arbeit zu beschreiben22 Sie ist zudem eine Vollshyerhebung denn alle (bekannten) Faumllle flieszligen in die Datengrundlage ein Grundshysaumltzlich lassen sich amtliche und nichtamtshyliche Statistiken unterscheiden Waumlhrend die amtliche Statistik auf der Grundlage von Gesetzen durch staatliche Behoumlrden erhoben wird23 entsteht die nichtamtliche Statistik ohne einen gesetzlichen Auftrag bzw direkte gesetzliche Grundlagen und wird durch unterschiedliche Institute aufshygrund unterschiedlicher Interessen und AuftraggeberInnen erhoben

Die Polizeiliche Kriminalstatistik glieshydert die bdquostrafbaren Handlungen (Anzeishygen) nach den Paragraphen des StGB und der Nebenstrafgesetze wobei auch verschiedene Kategorien von Straftaten aufgefuumlhrt werden (Ladendiebstaumlhle Beziehungstaten innerhalb einer Familie etc) Des Weiteren stehen hier auch Dashyten uumlber die ermittelten Tatverdaumlchtigen und die Opfer der Straftaten zur Vershyfuumlgungldquo (Statistik Austria 2008 9) Die Ergebnisse der Polizeilichen Kriminalshystatistik stellen einen wichtigen Input fuumlr den monatlichen Kriminalitaumltsbeshyricht dar

Nicht zuletzt aufgrund von Stichtagsreshygelungen bei der Zusammenfassung und Uumlbermittlung von Daten kann es zu kleishyneren auf den Betrachtungszeitraum beshyzogenen Unvollstaumlndigkeiten kommen (vgl Statistik Austria 2008) Gleichzeitig wirkt aber auch bei der Polizeilichen Krishyminalstatistik ein besonderes Charakterisshytikum amtlicher Statistik Im Vergleich zu nichtamtlicher Statistik soll sie per Aufshytrag alle moumlglichen Ereignisse erfassen also auch jene die nur selten oder in nicht besonders hoher Zahl auftreten Damit ist eine besondere Schwierigkeit verbunden Amtliche Kriminalstatistiken messen24 nur jene Faumllle die bekannt geworden sind

Das so genannte Dunkelfeld also nicht angezeigte Faumllle kann in der Statistik nicht

abgebildet werden

Es stellt sich an dieser Stelle die Frage ob dieses Dunkelfeld tatsaumlchlich durch weitere Bevoumllkerungsbefragungen minishymiert werden kann deren Zuverlaumlssigkeit dann von unterschiedlich komplexen Beshydingungen und Vorgehensweisen abhinge Dabei weist die Kriminalstatistik einen weiteren Mangel auf bdquoSo hat die Polizeilishyche Kriminalstatistik nur einen begrenzten Aussagewert in Bezug auf wirkliche Reashylitaumlt in einer Gesellschaft Uumlber die Urshysachen der Kriminalitaumlt sagt sie nichtsldquo (Seiden-PielenFarin 1994 55)25 Abgeseshyhen von den Ursachen von Kriminalitaumlt ist das Anzeigeverhalten und Bewusstsein der Bevoumllkerung fuumlr manche Deliktsarten ausshygepraumlgter bzw groumlszliger und unterliegt zeitlishychen Schwankungen26

Allerdings besteht genau darin auch ein groszliges Dilemma der amtlichen Statistik denn genau an dieser Nahtstelle also zwishyschen der Moumlglichkeit bestimmte Vorfaumllle statistisch zu erfassen und der Darstellung der Sicherheitslage liegt der Ansatzpunkt

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politischer Diskursakteure Jede kleine Luumlcke jede Unplausibilitaumlt jede berechshynete Verhaumlltnis- und Durchschnittszahl und jede intransparente Klassifizierung fuumlhren zum Hinterfragen der gesamten Datengrundlage also der gesamten Basis der Polizeilichen Kriminalitaumltsstatistik

Die AkteurInnen massenmedial vershymittelter Diskurse so wie MinisterInnen PolitikerInnen AkteurInnen der Zivilgeshysellschaft aber auch bdquoSozial- und WirtshyschaftswissenschaftlerInnen neigen dazu zu erwarten dass ndash aus ihrer Sicht ndash ideashylerweise die amtliche Statistik alle Datenshywuumlnsche befriedigtldquo (Wagner 2007 3) Aus dieser Bemerkung Wagners ergeben sich zwei Schlussfolgerungen Nicht alles was WissenschaftlerInnen mittels ihrer Expertise an Verbesserungsvorschlaumlgen einbringen ist fuumlr die Erhebung durch amtliche Statistiken geeignet weil es zweckfremd ist und nicht der Verbesserung des Verwaltungshandelns dient Gleichzeishytig sollten dennoch sachliche Uumlberlegunshygen angestellt werden welche Luumlcken sich bei der Berichterstattung auf Grund der Datenerhebung ergeben entweder vershyursacht durch ungenuumlgsame Sorgfalt bei der Dateneingabe oder durch Luumlcken im Erhebungsinstrument

Abgesehen davon dass jede Datenerheshybung ihre jeweilig spezifischen Vor- und Nachteile bei der Erfassung der Realitaumlt aufweist (Opp 2005 232 ff SeipelRieker 2003 135 ff) stellt sich aber insbesondere bei der amtlichen Statistik die Frage inshywiefern Plausibilitaumltspruumlfungen zu beshystimmten Datensaumltzen moumlglich sind und wie diese Daten beeinflusst von systematishyschen Fehlern also durch unklare Kategoshyrisierung oder beeinflusst durch unsysteshymatische Fehler zB mangelnde Schulung der VollzugsbeamtInnen in Bezug auf die Dateneingabe zustande kommen

Damit die Ergebnisse amtlicher Statistishyken ndash und nicht der Prozess der Erhebung

oder Verarbeitung der Information ndash die Willensbildung unterstuumltzen und beeinshyflussen koumlnnen muumlssen diese Ergebnisse auf der Grundlage wissenschaftlicher Meshythoden erarbeitet und umfangreich dokushymentiert werden Damit soll den Prinzishypien der Objektivitaumlt (= Transparenz) die neben Reliabilitaumlt Validitaumlt und Repraumlsenshytativitaumlt die Guumltekriterien fuumlr Messverfahshyren abbilden Genuumlge getan werden27

WISSENSCHAFTLICHE BETRACHTUNG FUumlR OumlFFENTLICHE STATISTIK Die Ergebnisse von Forschungen im Diensshyte der evidenzbasierten Politikgestaltung haumlngen wesentlich von der Genauigkeit der erhobenen Daten ab und sind immer auch beeinflusst von den verwendeten Meshythoden Der Druck hinsichtlich einer Beshygruumlndung fuumlr den Einsatz einer bestimmten Methode ist in Zeiten knapper Ressourcen gestiegen Dennoch ist es in erster Linie die forschungspraktische Fragestellung ndash also jene Frage die sich aus der bereits vorliegenden politischen Regulierung ershygibt ndash die einerseits das Ziel des Projekts umreiszligt und gleichzeitig den Rahmen fuumlr das Erkenntnisziel bestimmt bdquoMethodishysche Kritik sollte dann einsetzen wenn die Ergebnisse nicht unmittelbar einleuchtend erscheinen wenn sie in einem Widershyspruch zu den Ergebnissen anderer Forshyschungsarbeiten stehen oder wenn die Falschheit der Ergebnisse moumlglicherweise fatale Folgen haben koumlnnteldquo (Behnke et al 2006 19)

Je nach eingesetzter Methode koumlnnen sich die Beobachtungen der Wirklichkeit unterscheiden ohne dass ForscherInnen oder politische GestalterInnen wissen ob die Wirklichkeit erfasst wurde denn es gibt ja nur eine Wirklichkeit oder ob das aus den Daten heraus entstehende Bild der Wirklichkeit durch die methodische Vorshygehensweise beeinflusst ist Auch die Wisshy

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senschaft hat keinen direkten Zugang zur Wirklichkeit Insofern ist es unmoumlglich das korrekte Abbild der Wirklichkeit zu liefern oder zu beurteilen welche Vorgeshyhensweise die tatsaumlchlich richtige ist ndash es gilt als ein unitaristischer Wirklichkeitsbeshygriff (Behnke et al 2006 22 ff) Allershydings bedeutet es nicht dass grundsaumltzlich ein pluralistischer Wahrheitsbegriff voshyrausgesetzt werden muss sondern dass vorlaumlufige Widerspruumlche produziert wershyden diese jedoch auf ihre Entstehung also den Einsatz unterschiedlicher Methoden zuruumlckzufuumlhren sind Methoden sind nur Entdeckungsverfahren um Argumente fuumlr jene oder andere Positionen zu generieren Dieses Grundverstaumlndnis muss zu einer Handlungsleitlinie fuumlhren die es verlangt dass Methoden in ihrer Anwendung explishyzit gemacht werden um so ihre jeweiligen Grundannahmen Schwaumlchen und Einshyschraumlnkungen zu reflektieren und die Schlussfolgerungen bdquoobjektivldquo also intershysubjektiv zugaumlnglich zu machen28

Insofern ist es die Interpretashytion von Ergebnissen und nicht der Einsatz von Methoden der

subjektive Elemente enthaumllt und zu hinterfragen ist

Es kann demnach richtige und falsche Interpretationen der Wirklichkeit geben Eine wissenschaftliche Vorgehensweise kann also zunaumlchst nur unterschiedliche Ausgangspunkte fuumlr eine tatsaumlchliche Einshyschaumltzung der Sicherheitslage und Krimishynalitaumlt erbringen

Rationale und wissensbasierte Sichershyheitspolitik versucht die statistisch vershyfuumlgbaren Datenbestaumlnde zu einem Geshysamtbild zusammenzufuumlgen also neben der Verdachtsstatistik moumlglichst auch alle weiteren gegenwaumlrtig verfuumlgbaren Inforshymationen zu beruumlcksichtigen und auf unshyterschiedliche Wissensquellen zuruumlckzushy

greifen29 Ohne gesichertes Wissen bleibt jede Schlussfolgerung vage denn es gibt keine verlaumlsslichen und abgesicherten Ershykenntnisse daruumlber welches Problem tatshysaumlchlich besteht welche Mittel fuumlr dessen Loumlsung notwendig sind oder zur Verfuumlshygung stehen und wie eventuelle Nebenshywirkungen vermieden werden bzw Altershynativen zum Einsatz kommen koumlnnen bdquoRegisterdaten30 sind nur dann von hoher Qualitaumlt wenn die Daten unmittelbar dem Verwaltungsvollzug dienen Nur dann achshyten Verwaltungen und Betroffene darauf dass die Daten fehlerfrei sind Werden reishyne sbquoStatistikmerkmalelsquo in Verwaltungsshyformulare aufgenommen (zB Polizeishystatistiken) ist das den Beamten und Sachbearbeitern oft laumlstig und es gibt keine Betroffenen die auf die Richtigkeit der Angaben achten (ein Beispiel ist die Angabe des Bildungsniveaus in Sozialvershysicherungsmeldungen)ldquo (Wagner 2007 4)

Die Komplexitaumlt und Dynamik modershyner Gesellschaften verhindert und beguumlnsshytigt gleichermaszligen praumlzise Datenerheshybungen (ausfuumlhrliche Einfuumlhrung in Jahn 2006) Je genauer und praumlziser eine Datenshyerhebung und die Datenauswertung erfolshygen desto praumlziser sind die fuumlr das Hanshydeln notwendigen Schlussfolgerungen und Handlungsoptionen

ZUSAMMENFASSUNG VON DER ERFASSUNG ZUR VERWERTUNG In der Gegenwart werden fuumlr die Perforshymanzeinschaumltzung also die Bewertung der Effektivitaumlt und Effizienz von Maszlignahshymen der Behoumlrden nicht zuletzt durch den voranschreitenden Integrationsprozess im Rahmen der Europaumlischen Union gern Vergleiche von statistischen Daten vershywendet Kriminalitaumltsstatistiken duumlrfen aber nicht ohne die Beruumlcksichtigung der bekannten und der vermuteten Randbedinshygungen genutzt werden Kriminalitaumlt insshybesondere bei einfachen und leichteren

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Delikten unterliegt Verwerfungen deren Kausalketten nicht immer leicht nachvollshyziehbar sind

Staatliche Regulierungsanshysaumltze stehen vor der Herausshy

forderung mit einem begrenzshyten Budget ein maximales Ziel

zu erreichen

Um diese Anforderungen bewaumlltigen zu koumlnnen sollte zwischen der Effizienz (bdquodie Dinge richtig tunldquo) und der Effektishyvitaumlt (bdquodie richtigen Dinge tunldquo) eine Bashylance gefunden werden31 Nur dadurch kann die Politik automatisch mehr politishysche Innovation und damit neue Gestalshytungsraumlume schaffen Dafuumlr bedarf es aber auch klar und praumlzise definierter und messbarer Ziele die verhindern dass ndash auch wenn formal richtig in Uumlbereinstimshymung mit zuvor definierten Regeln gehanshydelt wird ndash die falschen Dinge getan wershyden (GerberTeske 2000)

Die zentralen Fragestellungen der polishytikberatenden Policy-Analyse orientieren sich mehr oder weniger explizit an der heuristischen Gliederung des Policy-Zyklus Dabei stehen immer die tatsaumlchlishyche Wirkung politischer Intervention und die daraus zu ziehenden Schlussfolgerunshygen fuumlr den weiteren Verlauf des Policy Makings (Terminierung oder veraumlnderte Problemwahrnehmung) im Mittelpunkt der Betrachtungen (JannWegrich 2003 98 siehe ua Wollmann 1986)32 Im Proshyzess von EBP kann es zu unterschiedlichen Formen politischen Lernens kommen ndash mit unterschiedlichen Ruumlckwirkungen auf die Problemwahrnehmung und den sich anschlieszligenden Policy-Zyklus Ergebnis eines solchen Prozesses kann die Termishynierung eines politischen Programms sein

Ziel einer strukturierten Beobachtung zum Beispiel in der Form eines Monitoshyrings ist es der oumlffentlichen Hand wichtishy

ge Hinweise uumlber die tatsaumlchliche gesellshyschaftliche Situation zur Verfuumlgung zu stellen und damit die Politikgestaltung zielgerichteter und effizienter zu machen (siehe auch GerberTeske 2000) Jedoch muumlssen dabei die Wirkungsketten analyshysiert werden und die Politik darf sich im Sinne der Evidenzbasierung nicht mit der Produktion akademisierten Wissens zushyfrieden geben Insofern muss eine Erheshybung Beobachtung oder Erfassung von empirischen Fakten sowohl theoretisch abshygesichtert sein als auch zu kausalanalytishyschen Schlussfolgerungen fuumlhren Die Wirkung einer Maszlignahme kann so fakshytisch nur im Zeitvergleich erfolgen

Fuumlr einen Politikprozess koumlnnen diese Evidenzen dann sinnvoll interpretiert wershyden wenn sie bereits in der Erhebungssishytuation und dann in der Folge auch in der Auswertung und Interpretation in ihren spezifisch politisch-regulativen Kontext gesetzt werden bdquoPolicies are based on a sound and comprehensive understanding of the evidence available at the time and developing a strategy to maintain and up-date as necessary the evidence base for fushyture strategy and policyldquo33

Da insbesondere die Interpretationen jeglicher Daten von einem bestimmten theoretischen als auch praktischen Konshytextwissen abhaumlngig sind ist es unabdingshybar den politischen administrativen und gesellschaftlichen Zusammenhang zu beshyruumlcksichtigen um so die breitest moumlgliche Basis fuumlr die Interpretationen und Maszligshynahmenentwicklung zu erreichen und falshysche Schlussfolgerungen zu vermeiden

Mit der Polizeilichen Kriminalstatistik sind zwar im Moment kaum mehr als rein deskriptive Beschreibungen moumlglich denshynoch koumlnnen durch die Beobachtung uumlber Zeit Entwicklungstrends ausgemacht wershyden die fuumlr unterschiedliche Gruppen und in unterschiedlichen Bereichen durchaus verschieden sein koumlnnen

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Diese Herangehensweise laumlsst sich auch auf die Polizeiliche Kriminalstatistik anshywenden die ja der Kriminalitaumltsvorbeushygung und Kriminalitaumltsbekaumlmpfung dient Die Herangehensweise der Wissensbasieshyrung zielt auf die Problemanalyse ab und fordert dazu auf jene Prioritaumlten der Polishytikgestaltung zu identifizieren bzw etashyblierte Maszlignahmen auf ihre Effektivitaumlt hin zu uumlberpruumlfen die auch aus wissenshyschaftlich-theoretischer Sicht von Interesshyse sind Ausgehend von der Interpretation und Darstellung der Daten kann dann eine politisch-kommunikative und strategischshyoperative Gesamtdarstellung der zukuumlnftishygen Aufgaben der Sicherheitsbehoumlrden und des verantwortlichen Ministeriums ershyarbeitet werden Eine Abgrenzung politishyscher Oumlffentlichkeitsarbeit von nicht-polishytischer Oumlffentlichkeitsarbeit oder von politischem Handeln ohne dominierenden Kommunikationscharakter ist dabei aber kaum moumlglich bdquoPolitische Oumlffentlichshykeitsarbeit ist das Kommunikationsmashynagement der Beziehungen politischer Organisationen zu ihren Bezugsgrupshypenldquo (Schulz 2008 307)

Die sinnvolle Interpretation der Polizeishylichen Kriminalitaumltsstatistik im Sinne eishyner evidenzbasierten Politikgestaltung

muss jene Information erheben die nicht allein in der Feststellung von Trends endet sondern die Aufklaumlrung uumlber die Wirkshysamkeit der politischen Regulierungen ershymoumlglicht denn nicht jeder Trend ist direkt ablesbar und nicht jede direkt ablesbare Information ist auch ein Trend

Durch die Beruumlcksichtigung empirisch uumlberpruumlften theoretischen Wissens auch fuumlr eine nachfolgende Veroumlffentlichungsshystrategie kann die Uumlberbewertung diskurshysiv vermittelter Einzelfaumllle relativiert oder sogar unterdruumlckt werden bzw die veroumlfshyfentlichte Meinung aufgrund objektiviershybarer Daten als irrefuumlhrend entlarvt wershyden Allerdings folgt die Interpretation und Diskussion der praumlsentierten Ergebshynisse dann in der Regel einer anderen Logik naumlmlich jener der Medienoumlffentshylichkeit Da vom rein wissenschaftlichen Standpunkt aus die Behauptung formuliert werden kann dass Oumlffentlichkeitsarbeit dazu beitraumlgt oumlffentliche Diskurse insbeshysondere thematisch und in ihrem Timing zu beeinflussen34 sollte die Darstellung der Ist-Situation der Kriminalitaumltslage mit der Praumlsentation evidenzbasiert erarbeiteshyter Loumlsungsansaumltze verknuumlpft werden um zu sinnvollen Aussagen zu gelangen

1 Bundeskriminalamt 2006 3 2 Der Autor bedankt sich fuumlr das konshy

struktive Feedback und die Hinweise bei

Maxi Nachtigall MA (Joint Programshy

me Secretariat Northern Periphery Proshy

gramme Copenhagen) und Maga Martina

Zandonella (SORA) 3 Diese sind abrufbar unter httpwww

bmigvatcmsBKpublikationen

krim_ statistikstartaspx 4 Exemplarisch an dieser Stelle eine beshy

sonders drastisch formulierte Aussenshy

dung httpwwwotsatpresseaussendung

OTS_20090508_OTS0230 5 Im Verlauf dieses Beitrags wird das

Konzept des bdquoevidence based Policy Mashy

kingldquo auch unter den Begriffen bdquoevidence

based practiceldquo (in der Abkuumlrzung EBP)

und bdquowissensbasierte Politikgestaltungldquo

verwendet da diese das gleiche Konzept

beschreiben Das Konzept kommt urshy

spruumlnglich aus der Gesundheitsforschung

(dort bdquoevidence based practiceldquo) und

wurde inzwischen auf andere Forshy

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schungsgebiete wie verwaltungs- oder

politikwissenschaftliche Ansaumltze uumlbershy

tragen Siehe unter anderem httpwww

odiorgukRAPIDBibliographiesEBP

docsEBP_lit_review_webpdf Zugriff

am 20122008 oder auch Muir Gray

(2001) 6 Ein Indikator kann aus einer Variablen

ebenso bestehen wie aus einem ganzen

Set von Variablen Er kann aufgrund

qualitativer Informationen erarbeitet

werden wie er durch numerische Datenshy

sammlungen erstellt werden kann Da

sich die Realitaumlt nicht immer eindeutig

durch qualitative und quantitative Vershy

fahren beschreiben laumlsst macht es auch

keinen Sinn nur auf quantitative oder

qualitative Informationsgewinnung zu

vertrauen Der Zugang zur Wirklichkeit

stellt dabei die groszlige Huumlrde nicht nur

fuumlr die Art der Datengenerierung dar

sondern muss auch bei der Stichprobenshy

konstruktion beruumlcksichtigt werden 7 Diese werden aus soziologischen oumlkoshy

nomischen oder ethnologischen Theoshy

rien abgeleitet und dem eigentlich beshy

deutsamen Maszligstab ndash den realen

Entwicklungen ndash gegenuumlbergestellt 8 Auch wenn sich EBP vor allem in der

Gesundheitspolitik durchgesetzt hat

(siehe dazu Muir Gray 2001) so kann

der Ansatz auf jede Form der oumlffentlichen

Intervention administrativer Vorgaumlnge

oder regulativen staatlichen Handelns

angewendet werden 9 Zentrale Ziele dieses Weiszligbuches

waren a) die Einfuumlhrung der Folgenshy

abschaumltzung b) der Ausbau der oumlffentshy

lichen Konsultationen c) die Vereinshy

fachung der Gesetzgebung um den

Aufwand an Buumlrokratie zu reduzieren

(Kommission der Europaumlischen Gemeinshy

schaften 2001) 10 Kommission der Europaumlischen Geshy

meinschaften 2002a Kommission der

Europaumlischen Gemeinschaften 2002b

11 Kommission der Europaumlischen Geshy

meinschaften 2002a 12 European Commission 2005 13 Unter dem Begriff bdquopractitionersldquo

wird eine AkteurIn verstanden der oder

die regulative bzw innovative Handlunshy

gen setzen kann um so in das Leben einer

weiteren Person oder einer Gruppe von

Personen also Klienten einzugreifen 14 Auch wenn die einzelnen Schritte der

Uumlbersichtlichkeit halber hier getrennt

voneinander dargestellt wurden sind

sie sehr eng miteinander verwoben und

verdeutlichen die besondere Beziehung

von KlientInnen ExpertInnen und Wisshy

senschafterInnen die in ihrer jeweiligen

Perspektive und Expertise den Gesamtshy

prozess der EBP beeinflussen 15 Da Handeln nicht frei ist von den polishy

tischen Kontexten in denen es ablaumluft

kann behauptet werden dass Regulieshy

rungen oftmals eher von politischen Vorshy

stellungen als von klarenrealen Zielshy

vorstellungen geleitet sind Um einem

Argument gleich an dieser Stelle zu beshy

gegnen soll festgehalten werden dass

auch die Definition eines bestimmten

Handlungsziels ein normativer Prozess

ist Gleichzeitig kommt jede politische

Regulierung aber aufgrund bestimmter

Wissensbestaumlnde zu Stande Daraus ershy

gibt sich die Frage ob dieser Wissensbeshy

stand Teil eines Prozesses ist der eine

bestimmte (politische) Zielsetzung vershy

folgt und damit ausreichende Begruumlnshy

dungsqualitaumlt aufweist Politische Entshy

scheidungen werden durch eine Vielzahl

von Faktoren beeinflusst und es gilt jene

Wissensgrundlage zu schaffen die breit

genug gefasst ist um ein Buumlndel an

Handlungsoptionen aufzuwerfen (vgl

GerberTeske 2000) Diese Optionen

dienen dann als Grundlage fuumlr Entshy

scheidungen die zukuumlnftige Szenarien

der Nachhaltigkeit beruumlcksichtigen und

der Effektivitaumlt unterliegen ndash denn sie

sollen eine bestimmte Zielsetzung mit

einem praumlzisen Aufwand an Ressourcen

auch erreichen 16 Auch in der oumlsterreichischen Politikgeshy

staltung werden empirische Evidenzen

immer wieder herangezogen um die Poshy

litikgestaltung zu uumlberpruumlfen und weishy

terzuentwickeln zum Beispiel im Fall

des KonsumentInnenbarometers des

Bundesministeriums fuumlr Arbeit Soziales

und Konsumentenschutz oder die untershy

schiedlichen Studien wie PIRLS TIMMS

PISA die das Bundesinstitut fuumlr Bilshy

dungsforschung Innovation amp Entwickshy

lung des oumlsterreichischen Schulwesens

(BIFIE) fuumlr das Bundesministerium fuumlr

Unterricht Kunst und Kultur durchshy

fuumlhrt 17 Abhaumlngig von der Qualitaumlt ihrer

Sammlung 18 Zitiert von httpwwwdefragovuk

sciencehowevidencehtm am 21122008 19 Zum Beispiel in Alltags- und Fachshy

wissen uumlber informelles explizites oder

ruhendes Wissen 20 Fuumlr den Bereich Bildung siehe Lassnigg

2009 21 Statistik ist der Inbegriff theoretisch

fundierter empirischer objektivierbarer

Daten (Menges 1982 19) 22 Ausgeloumlste Statistiken werden von stashy

tistischen Aumlmtern erhoben und aufbereishy

tet und somit der Oumlffentlichkeit zugaumlngshy

lich gemacht Neben Primaumlrstatistiken

gibt es auch Sekundaumlrstatistiken die leshy

diglich Auswertungen beschreiben die

auf der Grundlage von bereits erhobeshy

nen Daten erfolgen 23 Bundesstatistikgesetz 2000 StF BGBl I

Nr 1631999 idF BGBl I Nr 1362001

BGBl I Nr 712003 und BGBl I Nr

922007 24 Messen ist die systematische Zuordshy

nung einer Menge von Zahlen oder

Symbolen zu den Auspraumlgungen einer

Variablen mithin auch zu den Objekten

14

SIAK-JOURNAL 12010

(Friedrichs 1973 97) Eine Variable ist dabei

ein veraumlnderliches Merkmal bei dem der

Merkmalstraumlger mindestens zwei Merkmalsshy

auspraumlgungen annehmen kann Inzwischen

wurde nicht zuletzt aufgrund methodologischshy

wissenschaftstheoretischer Diskussionen der

Begriff des Messens praumlzisiert Messen untershy

stellt die Existenz einer zumindest eindeutigen

Abbildung zwischen einem empirischen und eishy

nem numerischen Relativ (zB in Behnke et al

2006) 25 Dieses Zitat wurde bewusst gewaumlhlt um eishy

nen besonderen Aspekt der Diskussion rund um

die Darstellung sicherheitsrelevanter Problemshy

wahrnehmung darzustellen Zum Beispiel ist

die Kriminalstatistik taumlter- und tatorientiert

was in manchen Gruppen die Taumlterzahlen ershy

houmlht wenngleich dieselbe Gruppe auch die

groumlszligte Opfergruppe sein kann 26 Die Polizeiliche Kriminalstatistik liefert Inshy

formationen uumlber Art und Haumlufigkeit der bei

der Polizei angezeigten und von ihr bearbeiteshy

ten Straftaten und ermittelten Tatverdaumlchtigen

Allerdings muumlssen so getaumltigte Anzeigen zushy

naumlchst als Verdacht behandelt werden es hanshy

delt sich also eigentlich um eine Verdachtsstashy

tistik 27 Objektivitaumlt ist dabei eine notwendige aber

keine hinreichende Bedingung fuumlr Reliabilitaumlt

waumlhrend Reliabilitaumlt eine notwendige aber keishy

ne hinreichende Bedingung fuumlr Validitaumlt darshy

stellt 28 Im auf Karl Popper zuruumlckgehenden kritishy

schen Rationalismus unterscheiden sich Entdeshy

ckungs- (wie kommt man zu einer Theorie) Beshy

gruumlndungs- (wie uumlberpruumlft man eine Theorie)

und Verwertungszusammenhang (wie werden

die Ergebnisse eingesetzt) Diese Ausdifferenshy

zierung wirkt sich auch auf die Annahme der

Objektivitaumlt aus denn diese gilt nicht fuumlr den

gesamten Forschungsprozess sondern nur fuumlr

den methodologisch regelgeleiteten Begruumlnshy

dungszusammenhang fuumlr den auch die Wertshy

urteilsfreiheit erhoben wird Dieses Diktum

wird faumllschlicherweise zu oft auch fuumlr den Entshy

deckungs- und den Verwertungszusammenhang

angenommen Die theoretischen Grundlagen

eines Projektes und die Interpretation von Ershy

gebnissen genauso wie die Kontextualisierung

sind aber sehr wohl auch bei Popper wert- und

einstellungsgeleitet (ua SeipelRieker 2003

39 46 ff) 29 So koumlnnten neben Daten uumlber die Strafverfolshy

gung und den Strafvollzug auch Ursachenforshy

schungen fuumlr bestimmte Formen von Kriminalishy

taumlt mit in die Bewertung der Sicherheitslage

einbezogen werden 30 Anm Aumlquivalent zu amtlicher Statistik 31 In der Effizienzfalle gefangen macht man

dann die falschen Dinge richtig und blockiert

dadurch bessere Loumlsungen 32 Durch den heuristischen Charakter des Polishy

cy-Zyklus kann aber aus der Analyse einzelner

Phasen oder aufgrund spezifischer Perspektishy

ven kein umfassender Erklaumlrungsanspruch abshy

geleitet werden 33 Zitiert von httpwwwdefragovukscience

howevidencehtm am 21122008 34 Allerdings zeigen unterschiedliche Studien

dass die Annahme uumlber einen direkten Einfluss

sich nicht immer und in allen Faumlllen tatsaumlchlich

nachweisen laumlsst

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SIAK-JOURNAL 12010

hierarchische Steuerung uumlbergeordneter Instanzen konzipiert wird und der Fokus auf bdquoeinzelnenldquo Programmen und Entshyscheidungen sowie ihrer Implementation liegt (vgl JannWegrich 2003 95) Denshynoch kann festgehalten werden dass durch den Phasencharakter des Policy-Zyklus ein differenziertes Verstaumlndnis der Dynashymik der Eigenart und der Ursachen der spezifischen und komplexen Prozesse des Policy Makings erreicht wird (vgl Behrens 2003 Heritier 1993 Mayntz 1983 14 ff) Der Entscheidungszyklus ist in der polishytik- und verwaltungswissenschaftlichen Forschung ein sehr zentrales analytisches und heuristisches Instrument um die Polishytikgestaltung zu beschreiben Politikgeshystaltung oder Policy Making bdquobeschreibt einen Begriff der die sequentiellen Proshyzesse der Formulierung und Umsetzung von Politikinhalten umfasstldquo (Heritier 1993 JannWegrich 2003 72 Schubert 1991 Wollmann 2003)

Quelle Schubert 1991

Phasen eines Policy-Zirkels

Die Verschraumlnkung wissenschaftlicher Expertise mit Regulierungsprozessen bringt eine neue Fokussierung in politishysches Gestaltungshandeln Ziel oumlffentlishychen Handelns sollte es sein eine moumlgshylichst effektive Intervention Maszlignahme oder Regulierung zu erreichen Diese Efshyfektivitaumlt (und auch Effizienz) kann durch

wissensbasiertes Handeln erreicht werden so die Annahme8

In der Europaumlischen Union wurde dieser Trend vor allem durch das Dokument bdquoEushyropaumlisches Regieren ndash Ein Weiszligbuchldquo9

und die Schlussfolgerungen des Ratstrefshyfens in Laeken (Dezember 2001) vorangeshytrieben Im Juni 2002 veroumlffentlichte die Europaumlische Kommission den Aktionsplan bdquoEuropaumlisches Regieren Bessere Rechtshysetzungldquo10 Der Aktionsplan bdquoVereinfashychung und Verbesserung des Regelungsshyumfeldsldquo11 stellt die Notwendigkeit der Folgenabschaumltzung bezuumlglich der oumlkonoshymischen oumlkologischen und sozialen Folgen politischer Regulierung dar und definiert daruumlber hinaus anhand welcher sozialen Dimensionen dies geschehen soll12 Uumlber diese Initiativen versucht die Europaumlische Kommission den Einsatz ihshyrer beschraumlnkten Mittel durch ein so geshynanntes bdquoimpact assessmentldquo auf deren Sinnhaftigkeit hin zu uumlberpruumlfen und zu einem regulaumlren Teil des Entscheidungszyshyklus innerhalb der Europaumlischen Kommisshysion zu machen

Wissensbasierte Politikgestaltung oder bdquoevidence based Policy Makingldquo kommt als Konzept aus der Gesundheitspolitik der 1980er Jahre Seitdem hat sich das Konzept weiterentwickelt wobei es auf andere Bereiche uumlbertragen wurde

Im Bereich der Gesundheitspolitik hat sich der Begriff der bdquoevidence based pracshyticeldquo verfestigt Dieser vereint zwei grundshylegende Perspektiven 1EBP bdquois a process that includes locating

and appraising credible evidence as a part of practice decisionsldquo

2EBP bdquois a way to designate certain intershyventions as empirically supported under certain conditionsldquo (Rubin 2008 6) Weiter praumlzisiert kann diese Definition

auch auf andere Regulierungsprozesse uumlbertragen werden bdquoEBP is a process for making practice decisions in which practishy

6

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tioners13 integrate the best research evishydence available with their practice expertishyse and with client attributes values prefeshyrences and circumstances When those provisions involve selecting an interventishyon to provide practitioners will attempt to maximize the likelihood that their clients will receive the most effective intervention possible (hellip)ldquo (Rubin 2008 7)14

Die politischen GestalterInnen erhalten so unter Beruumlcksichtigung ihres Kontextshywissens eine Entscheidungsgrundlage und koumlnnen die jeweils anderen Wissensbestaumlnshyde wechselseitig nutzen um zu einer abshyschlieszligenden Entscheidungsgrundlage fuumlr eine Maszlignahme zu kommen Um es anshyders zu beschreiben Die politischen GeshystalterInnen koumlnnen sich fuumlr eine IntervenshytionMaszlignahme entscheiden und dann im Uhrzeigersinn der Grafik diese Interventishyon auf ihre Praktikabilitaumlt hin bewerten

Allerdings verfolgt EBP einen Politikgeshystaltungsansatz in dem empirische Grundshylagen und wissenschaftliche Analyse dem Urteil einer alleinigen Regulierungsinshystanz vorgezogen oder zumindest gleichshygestellt werden Die Uumlbertragung des Konshyzepts der bdquoevidence based practiceldquo auf politische Prozesse geht mit dem normatishyven Konzept einher dass die regulativen Handlungen einer Verwaltungseinheit quashylitativ besser werden muumlssen bdquoStaatliche Aktivitaumlten und Policies sollen einen Beishytrag zur Loumlsung oder zumindest Verarbeishytung gesellschaftlicher Problemlagen leisshytenldquo (JannWegrich 2003 92)15

Waumlhrend gerade in den hoch buumlrokratishysierten Staaten Westeuropas immer noch ein bdquoauthority-based practiceldquo-Modell zur Anwendung kommt versucht der Ansatz der wissensbasierten Politikgestaltung die Nachhaltigkeit von politischen Entscheishydungen aufgrund der Entscheidungs- und Handlungsoptionsanalyse zu etablieren16

bdquoDoing so means being vigilant in trying to recognise testimonials and traditions

that are based on unfounded beliefs and assumptions ndash no matter how prestigious the source of such testimonials and no matter how long the traditions have been in vogue in a practice settingrdquo (Rubin 2008 12)

Realitaumltsstrukturierendes Wissen kann auf unterschiedlichen Wegen gesammelt werden Neben wissenschaftlicher Forshyschung statistischen Analysen und Proshygnosen sind auch Beteiligungsverfahren mit Stakeholdern oumlffentliche Anhoumlrungen oder Umfragen17 moumlgliche Informations-quellen fuumlr Hinweise oder Anhaltspunkte auf die Wirkungen politischer Regulierung und fuumlr die Weiterentwicklung von Politik bdquoPolicies are based on a sound and comshyprehensive understanding of the evidence available at the time and developing a strategy to maintain and update as necesshysary the evidence base for future strategy and policyldquo18 Fuumlr einen Politikprozess koumlnnen diese Evidenzen greifbar gemacht werden indem sie nach der Sammlung in ihrem spezifischen Kontext und aus dieshysem Kontext heraus analysiert werden Wie bereits oben festgehalten kann die Anbindung politischer Regulierung an empirische Tatbestaumlnde dazu beitragen politische Regulierung insgesamt zielgeshynauer zu gestalten

Evidenzen sind aber weit mehr als bloszliges Wissen gerade weil auch der Begriff des Wissens heutzutage sehr vielschichtig

differenziert wird19

Sie sind theoretisch motiviert und abgeshyleitet und bilden so eine Bruumlcke zu den beshyobachteten Fakten ndash also einer empirishyschen Bestandsaufnahme Insofern scheint auch der Wahrheitsbegriff nicht unumstritshyten was zu einer impliziten Annahme der Uumlberpruumlfbarkeit zumindest aber einer Praxiswirksamkeit einer Aussage fuumlhrt

7

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bdquoWissen in diesen Spielarten kann in unshyterschiedlichen Bereichen und auf untershyschiedliche Weise produziert werden Eine einflussreiche Unterscheidung ist die zwischen dem traditionellen akademisch produzierten und abgesicherten Wissen (Mode 1) und den vielfaumlltigen Formen von aus praktischen Kontexten auszligerhalb des eigentlichen Wissenschaftssystems produshyzierten Wissens das durch seine praktische Wirksamkeit und Akzeptanz abgesichert aber nicht im akademischen Sinn bewieshysen ist (Mode 2)ldquo (Lassnigg 2009 6)

Dabei kann die Theorie in den Bereich zwischen Wissen und Nicht-Wissen eingeshyordnet werden

Sie wirkt dabei als ein Mechashynismus der zur Verwandlung von Nicht-Wissen in Wissen

beitraumlgt

Diese Uumlbertragung findet durch eine Uumlberpruumlfung der vermuteten Zusammenshyhaumlnge (Nicht-Wissen) an der Realitaumlt statt Bei dieser Vorgehensweise geht es also darum empirische Repraumlsentation und Vermutung in einen direkten Zusammenshyhang zu setzen und so eine Entscheishydungs- und Handlungsgrundlage zu schafshyfen Erneut Lassnigg bdquoDies verweist auf die zentrale Bedeutung der Frage der Wisshysenschaftsforschung nach den Praktiken der Produktion von Daten Fakten und Evidenzenldquo (Lassnigg 2009 7)

Gerade unter dem Schlagwort Wissensshybasierung werden heute sehr gern Inforshymationen bzw Fakten subsumiert die im nicht seltenen Fall keine einfachen Fakten im Sinne statistischer Information sind Kommt man zuruumlck auf die oben zitierte Differenzierung des Wissens so spielen im Bereich der politischen Regulierung zunehmend Evidenzen des Mode 1 eine Rolle also akademisch produzierte aber nicht auf ihre praktische Wirksamkeit

uumlberpruumlfte Wissensbestaumlnde20 Dies liegt zum Teil auch daran dass tatsaumlchliche Uumlberpruumlfungen nach Mode 2 einen sehr hohen Grad an methodischer Durchdrinshygung erfordern und der ebenfalls hoch aufgeladenen theoretischen Annahmenshyproblematik Je komplexer die Phaumlnomene und je weniger Moumlglichkeiten der direkten Beobachtung bestehen desto komplexer muumlssen auch die methodologischen Uumlbershylegungen zur Erforschung bzw zur Beobshyachtung dieser Phaumlnomene sein Diese sehr einfache Schlussfolgerung wird zu oft in der so genannten wissensbasierten Beratung unterschlagen

Diese Herangehensweise zielt auch auf Problemanalyse ab und fordert dazu auf Prioritaumlten der Politikgestaltung zu identishyfizieren bzw etablierte Maszlignahmen auf ihre Effektivitaumlt und die darin vermutete Kausalitaumlt hin zu uumlberpruumlfen Diese Mittshylerfunktion wird einerseits durch eine theoretische Grundlage andererseits durch ein Erhebungsinstrument erfuumlllt wodurch eine Bewertung der Effizienz und der Wirkungsweise einer politischen Maszlignahme und der Problemidentifikation fuumlr eine erneute Maszlignahmenentwicklung erreicht werden kann

POLIZEILICHE KRIMINALSTATISTIK Der Begriff der Statistik hat seinen Urshysprung im staatlichen Verwaltungshanshydeln denn er beschreibt jene Sachverhalte bdquodie ein Staatsmann uumlber sein Land wisshysen mussldquo (Lorenz 2009) Ausgehend von der wissenschaftlichen Diskussion um statistische Daten kann die Natur von Statistik21 durch drei zentrale Merkmale charakterisiert werden A) Statistik ist theoriegebunden weil unwillkuumlrliches Datensammeln unwissenschaftlich ist B) Daten haben einen empirischen Chashyrakter da sie aus der Wirklichkeit gewonshynen werden C) die Daten sind objektiv

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weil Erhebungsprozesse sachlich und nachvollziehbar begruumlndbar sein muumlssen (siehe ua Jahn 2006 Wagschal 1999 12)

Ausgehend von diesen Grundannahmen fuumlr Statistik kann die amtliche Statistik als ein unverzichtbarer Teil des Informationsshysystems einer demokratischen Gesellshyschaft angesehen werden Sie stellt Daten uumlber die wirtschaftliche demografische soziale und Umweltsituation zur Verfuumlshygung und setzt sie teilweise ins Verhaumlltnis zu staatlicher Regulierung gesellschaftshylichen Trends und oumlkonomischen Entshywicklungen Die Kriminalitaumltsstatistik kann als nichtausgeloumlste Primaumlrstatistik beshyzeichnet werden was bedeutet dass die staatlichen Institutionen die Daten direkt erheben um damit ihre eigene Arbeit zu beschreiben22 Sie ist zudem eine Vollshyerhebung denn alle (bekannten) Faumllle flieszligen in die Datengrundlage ein Grundshysaumltzlich lassen sich amtliche und nichtamtshyliche Statistiken unterscheiden Waumlhrend die amtliche Statistik auf der Grundlage von Gesetzen durch staatliche Behoumlrden erhoben wird23 entsteht die nichtamtliche Statistik ohne einen gesetzlichen Auftrag bzw direkte gesetzliche Grundlagen und wird durch unterschiedliche Institute aufshygrund unterschiedlicher Interessen und AuftraggeberInnen erhoben

Die Polizeiliche Kriminalstatistik glieshydert die bdquostrafbaren Handlungen (Anzeishygen) nach den Paragraphen des StGB und der Nebenstrafgesetze wobei auch verschiedene Kategorien von Straftaten aufgefuumlhrt werden (Ladendiebstaumlhle Beziehungstaten innerhalb einer Familie etc) Des Weiteren stehen hier auch Dashyten uumlber die ermittelten Tatverdaumlchtigen und die Opfer der Straftaten zur Vershyfuumlgungldquo (Statistik Austria 2008 9) Die Ergebnisse der Polizeilichen Kriminalshystatistik stellen einen wichtigen Input fuumlr den monatlichen Kriminalitaumltsbeshyricht dar

Nicht zuletzt aufgrund von Stichtagsreshygelungen bei der Zusammenfassung und Uumlbermittlung von Daten kann es zu kleishyneren auf den Betrachtungszeitraum beshyzogenen Unvollstaumlndigkeiten kommen (vgl Statistik Austria 2008) Gleichzeitig wirkt aber auch bei der Polizeilichen Krishyminalstatistik ein besonderes Charakterisshytikum amtlicher Statistik Im Vergleich zu nichtamtlicher Statistik soll sie per Aufshytrag alle moumlglichen Ereignisse erfassen also auch jene die nur selten oder in nicht besonders hoher Zahl auftreten Damit ist eine besondere Schwierigkeit verbunden Amtliche Kriminalstatistiken messen24 nur jene Faumllle die bekannt geworden sind

Das so genannte Dunkelfeld also nicht angezeigte Faumllle kann in der Statistik nicht

abgebildet werden

Es stellt sich an dieser Stelle die Frage ob dieses Dunkelfeld tatsaumlchlich durch weitere Bevoumllkerungsbefragungen minishymiert werden kann deren Zuverlaumlssigkeit dann von unterschiedlich komplexen Beshydingungen und Vorgehensweisen abhinge Dabei weist die Kriminalstatistik einen weiteren Mangel auf bdquoSo hat die Polizeilishyche Kriminalstatistik nur einen begrenzten Aussagewert in Bezug auf wirkliche Reashylitaumlt in einer Gesellschaft Uumlber die Urshysachen der Kriminalitaumlt sagt sie nichtsldquo (Seiden-PielenFarin 1994 55)25 Abgeseshyhen von den Ursachen von Kriminalitaumlt ist das Anzeigeverhalten und Bewusstsein der Bevoumllkerung fuumlr manche Deliktsarten ausshygepraumlgter bzw groumlszliger und unterliegt zeitlishychen Schwankungen26

Allerdings besteht genau darin auch ein groszliges Dilemma der amtlichen Statistik denn genau an dieser Nahtstelle also zwishyschen der Moumlglichkeit bestimmte Vorfaumllle statistisch zu erfassen und der Darstellung der Sicherheitslage liegt der Ansatzpunkt

9

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politischer Diskursakteure Jede kleine Luumlcke jede Unplausibilitaumlt jede berechshynete Verhaumlltnis- und Durchschnittszahl und jede intransparente Klassifizierung fuumlhren zum Hinterfragen der gesamten Datengrundlage also der gesamten Basis der Polizeilichen Kriminalitaumltsstatistik

Die AkteurInnen massenmedial vershymittelter Diskurse so wie MinisterInnen PolitikerInnen AkteurInnen der Zivilgeshysellschaft aber auch bdquoSozial- und WirtshyschaftswissenschaftlerInnen neigen dazu zu erwarten dass ndash aus ihrer Sicht ndash ideashylerweise die amtliche Statistik alle Datenshywuumlnsche befriedigtldquo (Wagner 2007 3) Aus dieser Bemerkung Wagners ergeben sich zwei Schlussfolgerungen Nicht alles was WissenschaftlerInnen mittels ihrer Expertise an Verbesserungsvorschlaumlgen einbringen ist fuumlr die Erhebung durch amtliche Statistiken geeignet weil es zweckfremd ist und nicht der Verbesserung des Verwaltungshandelns dient Gleichzeishytig sollten dennoch sachliche Uumlberlegunshygen angestellt werden welche Luumlcken sich bei der Berichterstattung auf Grund der Datenerhebung ergeben entweder vershyursacht durch ungenuumlgsame Sorgfalt bei der Dateneingabe oder durch Luumlcken im Erhebungsinstrument

Abgesehen davon dass jede Datenerheshybung ihre jeweilig spezifischen Vor- und Nachteile bei der Erfassung der Realitaumlt aufweist (Opp 2005 232 ff SeipelRieker 2003 135 ff) stellt sich aber insbesondere bei der amtlichen Statistik die Frage inshywiefern Plausibilitaumltspruumlfungen zu beshystimmten Datensaumltzen moumlglich sind und wie diese Daten beeinflusst von systematishyschen Fehlern also durch unklare Kategoshyrisierung oder beeinflusst durch unsysteshymatische Fehler zB mangelnde Schulung der VollzugsbeamtInnen in Bezug auf die Dateneingabe zustande kommen

Damit die Ergebnisse amtlicher Statistishyken ndash und nicht der Prozess der Erhebung

oder Verarbeitung der Information ndash die Willensbildung unterstuumltzen und beeinshyflussen koumlnnen muumlssen diese Ergebnisse auf der Grundlage wissenschaftlicher Meshythoden erarbeitet und umfangreich dokushymentiert werden Damit soll den Prinzishypien der Objektivitaumlt (= Transparenz) die neben Reliabilitaumlt Validitaumlt und Repraumlsenshytativitaumlt die Guumltekriterien fuumlr Messverfahshyren abbilden Genuumlge getan werden27

WISSENSCHAFTLICHE BETRACHTUNG FUumlR OumlFFENTLICHE STATISTIK Die Ergebnisse von Forschungen im Diensshyte der evidenzbasierten Politikgestaltung haumlngen wesentlich von der Genauigkeit der erhobenen Daten ab und sind immer auch beeinflusst von den verwendeten Meshythoden Der Druck hinsichtlich einer Beshygruumlndung fuumlr den Einsatz einer bestimmten Methode ist in Zeiten knapper Ressourcen gestiegen Dennoch ist es in erster Linie die forschungspraktische Fragestellung ndash also jene Frage die sich aus der bereits vorliegenden politischen Regulierung ershygibt ndash die einerseits das Ziel des Projekts umreiszligt und gleichzeitig den Rahmen fuumlr das Erkenntnisziel bestimmt bdquoMethodishysche Kritik sollte dann einsetzen wenn die Ergebnisse nicht unmittelbar einleuchtend erscheinen wenn sie in einem Widershyspruch zu den Ergebnissen anderer Forshyschungsarbeiten stehen oder wenn die Falschheit der Ergebnisse moumlglicherweise fatale Folgen haben koumlnnteldquo (Behnke et al 2006 19)

Je nach eingesetzter Methode koumlnnen sich die Beobachtungen der Wirklichkeit unterscheiden ohne dass ForscherInnen oder politische GestalterInnen wissen ob die Wirklichkeit erfasst wurde denn es gibt ja nur eine Wirklichkeit oder ob das aus den Daten heraus entstehende Bild der Wirklichkeit durch die methodische Vorshygehensweise beeinflusst ist Auch die Wisshy

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senschaft hat keinen direkten Zugang zur Wirklichkeit Insofern ist es unmoumlglich das korrekte Abbild der Wirklichkeit zu liefern oder zu beurteilen welche Vorgeshyhensweise die tatsaumlchlich richtige ist ndash es gilt als ein unitaristischer Wirklichkeitsbeshygriff (Behnke et al 2006 22 ff) Allershydings bedeutet es nicht dass grundsaumltzlich ein pluralistischer Wahrheitsbegriff voshyrausgesetzt werden muss sondern dass vorlaumlufige Widerspruumlche produziert wershyden diese jedoch auf ihre Entstehung also den Einsatz unterschiedlicher Methoden zuruumlckzufuumlhren sind Methoden sind nur Entdeckungsverfahren um Argumente fuumlr jene oder andere Positionen zu generieren Dieses Grundverstaumlndnis muss zu einer Handlungsleitlinie fuumlhren die es verlangt dass Methoden in ihrer Anwendung explishyzit gemacht werden um so ihre jeweiligen Grundannahmen Schwaumlchen und Einshyschraumlnkungen zu reflektieren und die Schlussfolgerungen bdquoobjektivldquo also intershysubjektiv zugaumlnglich zu machen28

Insofern ist es die Interpretashytion von Ergebnissen und nicht der Einsatz von Methoden der

subjektive Elemente enthaumllt und zu hinterfragen ist

Es kann demnach richtige und falsche Interpretationen der Wirklichkeit geben Eine wissenschaftliche Vorgehensweise kann also zunaumlchst nur unterschiedliche Ausgangspunkte fuumlr eine tatsaumlchliche Einshyschaumltzung der Sicherheitslage und Krimishynalitaumlt erbringen

Rationale und wissensbasierte Sichershyheitspolitik versucht die statistisch vershyfuumlgbaren Datenbestaumlnde zu einem Geshysamtbild zusammenzufuumlgen also neben der Verdachtsstatistik moumlglichst auch alle weiteren gegenwaumlrtig verfuumlgbaren Inforshymationen zu beruumlcksichtigen und auf unshyterschiedliche Wissensquellen zuruumlckzushy

greifen29 Ohne gesichertes Wissen bleibt jede Schlussfolgerung vage denn es gibt keine verlaumlsslichen und abgesicherten Ershykenntnisse daruumlber welches Problem tatshysaumlchlich besteht welche Mittel fuumlr dessen Loumlsung notwendig sind oder zur Verfuumlshygung stehen und wie eventuelle Nebenshywirkungen vermieden werden bzw Altershynativen zum Einsatz kommen koumlnnen bdquoRegisterdaten30 sind nur dann von hoher Qualitaumlt wenn die Daten unmittelbar dem Verwaltungsvollzug dienen Nur dann achshyten Verwaltungen und Betroffene darauf dass die Daten fehlerfrei sind Werden reishyne sbquoStatistikmerkmalelsquo in Verwaltungsshyformulare aufgenommen (zB Polizeishystatistiken) ist das den Beamten und Sachbearbeitern oft laumlstig und es gibt keine Betroffenen die auf die Richtigkeit der Angaben achten (ein Beispiel ist die Angabe des Bildungsniveaus in Sozialvershysicherungsmeldungen)ldquo (Wagner 2007 4)

Die Komplexitaumlt und Dynamik modershyner Gesellschaften verhindert und beguumlnsshytigt gleichermaszligen praumlzise Datenerheshybungen (ausfuumlhrliche Einfuumlhrung in Jahn 2006) Je genauer und praumlziser eine Datenshyerhebung und die Datenauswertung erfolshygen desto praumlziser sind die fuumlr das Hanshydeln notwendigen Schlussfolgerungen und Handlungsoptionen

ZUSAMMENFASSUNG VON DER ERFASSUNG ZUR VERWERTUNG In der Gegenwart werden fuumlr die Perforshymanzeinschaumltzung also die Bewertung der Effektivitaumlt und Effizienz von Maszlignahshymen der Behoumlrden nicht zuletzt durch den voranschreitenden Integrationsprozess im Rahmen der Europaumlischen Union gern Vergleiche von statistischen Daten vershywendet Kriminalitaumltsstatistiken duumlrfen aber nicht ohne die Beruumlcksichtigung der bekannten und der vermuteten Randbedinshygungen genutzt werden Kriminalitaumlt insshybesondere bei einfachen und leichteren

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Delikten unterliegt Verwerfungen deren Kausalketten nicht immer leicht nachvollshyziehbar sind

Staatliche Regulierungsanshysaumltze stehen vor der Herausshy

forderung mit einem begrenzshyten Budget ein maximales Ziel

zu erreichen

Um diese Anforderungen bewaumlltigen zu koumlnnen sollte zwischen der Effizienz (bdquodie Dinge richtig tunldquo) und der Effektishyvitaumlt (bdquodie richtigen Dinge tunldquo) eine Bashylance gefunden werden31 Nur dadurch kann die Politik automatisch mehr politishysche Innovation und damit neue Gestalshytungsraumlume schaffen Dafuumlr bedarf es aber auch klar und praumlzise definierter und messbarer Ziele die verhindern dass ndash auch wenn formal richtig in Uumlbereinstimshymung mit zuvor definierten Regeln gehanshydelt wird ndash die falschen Dinge getan wershyden (GerberTeske 2000)

Die zentralen Fragestellungen der polishytikberatenden Policy-Analyse orientieren sich mehr oder weniger explizit an der heuristischen Gliederung des Policy-Zyklus Dabei stehen immer die tatsaumlchlishyche Wirkung politischer Intervention und die daraus zu ziehenden Schlussfolgerunshygen fuumlr den weiteren Verlauf des Policy Makings (Terminierung oder veraumlnderte Problemwahrnehmung) im Mittelpunkt der Betrachtungen (JannWegrich 2003 98 siehe ua Wollmann 1986)32 Im Proshyzess von EBP kann es zu unterschiedlichen Formen politischen Lernens kommen ndash mit unterschiedlichen Ruumlckwirkungen auf die Problemwahrnehmung und den sich anschlieszligenden Policy-Zyklus Ergebnis eines solchen Prozesses kann die Termishynierung eines politischen Programms sein

Ziel einer strukturierten Beobachtung zum Beispiel in der Form eines Monitoshyrings ist es der oumlffentlichen Hand wichtishy

ge Hinweise uumlber die tatsaumlchliche gesellshyschaftliche Situation zur Verfuumlgung zu stellen und damit die Politikgestaltung zielgerichteter und effizienter zu machen (siehe auch GerberTeske 2000) Jedoch muumlssen dabei die Wirkungsketten analyshysiert werden und die Politik darf sich im Sinne der Evidenzbasierung nicht mit der Produktion akademisierten Wissens zushyfrieden geben Insofern muss eine Erheshybung Beobachtung oder Erfassung von empirischen Fakten sowohl theoretisch abshygesichtert sein als auch zu kausalanalytishyschen Schlussfolgerungen fuumlhren Die Wirkung einer Maszlignahme kann so fakshytisch nur im Zeitvergleich erfolgen

Fuumlr einen Politikprozess koumlnnen diese Evidenzen dann sinnvoll interpretiert wershyden wenn sie bereits in der Erhebungssishytuation und dann in der Folge auch in der Auswertung und Interpretation in ihren spezifisch politisch-regulativen Kontext gesetzt werden bdquoPolicies are based on a sound and comprehensive understanding of the evidence available at the time and developing a strategy to maintain and up-date as necessary the evidence base for fushyture strategy and policyldquo33

Da insbesondere die Interpretationen jeglicher Daten von einem bestimmten theoretischen als auch praktischen Konshytextwissen abhaumlngig sind ist es unabdingshybar den politischen administrativen und gesellschaftlichen Zusammenhang zu beshyruumlcksichtigen um so die breitest moumlgliche Basis fuumlr die Interpretationen und Maszligshynahmenentwicklung zu erreichen und falshysche Schlussfolgerungen zu vermeiden

Mit der Polizeilichen Kriminalstatistik sind zwar im Moment kaum mehr als rein deskriptive Beschreibungen moumlglich denshynoch koumlnnen durch die Beobachtung uumlber Zeit Entwicklungstrends ausgemacht wershyden die fuumlr unterschiedliche Gruppen und in unterschiedlichen Bereichen durchaus verschieden sein koumlnnen

12010 SIAK-JOURNAL

Diese Herangehensweise laumlsst sich auch auf die Polizeiliche Kriminalstatistik anshywenden die ja der Kriminalitaumltsvorbeushygung und Kriminalitaumltsbekaumlmpfung dient Die Herangehensweise der Wissensbasieshyrung zielt auf die Problemanalyse ab und fordert dazu auf jene Prioritaumlten der Polishytikgestaltung zu identifizieren bzw etashyblierte Maszlignahmen auf ihre Effektivitaumlt hin zu uumlberpruumlfen die auch aus wissenshyschaftlich-theoretischer Sicht von Interesshyse sind Ausgehend von der Interpretation und Darstellung der Daten kann dann eine politisch-kommunikative und strategischshyoperative Gesamtdarstellung der zukuumlnftishygen Aufgaben der Sicherheitsbehoumlrden und des verantwortlichen Ministeriums ershyarbeitet werden Eine Abgrenzung politishyscher Oumlffentlichkeitsarbeit von nicht-polishytischer Oumlffentlichkeitsarbeit oder von politischem Handeln ohne dominierenden Kommunikationscharakter ist dabei aber kaum moumlglich bdquoPolitische Oumlffentlichshykeitsarbeit ist das Kommunikationsmashynagement der Beziehungen politischer Organisationen zu ihren Bezugsgrupshypenldquo (Schulz 2008 307)

Die sinnvolle Interpretation der Polizeishylichen Kriminalitaumltsstatistik im Sinne eishyner evidenzbasierten Politikgestaltung

muss jene Information erheben die nicht allein in der Feststellung von Trends endet sondern die Aufklaumlrung uumlber die Wirkshysamkeit der politischen Regulierungen ershymoumlglicht denn nicht jeder Trend ist direkt ablesbar und nicht jede direkt ablesbare Information ist auch ein Trend

Durch die Beruumlcksichtigung empirisch uumlberpruumlften theoretischen Wissens auch fuumlr eine nachfolgende Veroumlffentlichungsshystrategie kann die Uumlberbewertung diskurshysiv vermittelter Einzelfaumllle relativiert oder sogar unterdruumlckt werden bzw die veroumlfshyfentlichte Meinung aufgrund objektiviershybarer Daten als irrefuumlhrend entlarvt wershyden Allerdings folgt die Interpretation und Diskussion der praumlsentierten Ergebshynisse dann in der Regel einer anderen Logik naumlmlich jener der Medienoumlffentshylichkeit Da vom rein wissenschaftlichen Standpunkt aus die Behauptung formuliert werden kann dass Oumlffentlichkeitsarbeit dazu beitraumlgt oumlffentliche Diskurse insbeshysondere thematisch und in ihrem Timing zu beeinflussen34 sollte die Darstellung der Ist-Situation der Kriminalitaumltslage mit der Praumlsentation evidenzbasiert erarbeiteshyter Loumlsungsansaumltze verknuumlpft werden um zu sinnvollen Aussagen zu gelangen

1 Bundeskriminalamt 2006 3 2 Der Autor bedankt sich fuumlr das konshy

struktive Feedback und die Hinweise bei

Maxi Nachtigall MA (Joint Programshy

me Secretariat Northern Periphery Proshy

gramme Copenhagen) und Maga Martina

Zandonella (SORA) 3 Diese sind abrufbar unter httpwww

bmigvatcmsBKpublikationen

krim_ statistikstartaspx 4 Exemplarisch an dieser Stelle eine beshy

sonders drastisch formulierte Aussenshy

dung httpwwwotsatpresseaussendung

OTS_20090508_OTS0230 5 Im Verlauf dieses Beitrags wird das

Konzept des bdquoevidence based Policy Mashy

kingldquo auch unter den Begriffen bdquoevidence

based practiceldquo (in der Abkuumlrzung EBP)

und bdquowissensbasierte Politikgestaltungldquo

verwendet da diese das gleiche Konzept

beschreiben Das Konzept kommt urshy

spruumlnglich aus der Gesundheitsforschung

(dort bdquoevidence based practiceldquo) und

wurde inzwischen auf andere Forshy

13

SIAK-JOURNAL 12010

schungsgebiete wie verwaltungs- oder

politikwissenschaftliche Ansaumltze uumlbershy

tragen Siehe unter anderem httpwww

odiorgukRAPIDBibliographiesEBP

docsEBP_lit_review_webpdf Zugriff

am 20122008 oder auch Muir Gray

(2001) 6 Ein Indikator kann aus einer Variablen

ebenso bestehen wie aus einem ganzen

Set von Variablen Er kann aufgrund

qualitativer Informationen erarbeitet

werden wie er durch numerische Datenshy

sammlungen erstellt werden kann Da

sich die Realitaumlt nicht immer eindeutig

durch qualitative und quantitative Vershy

fahren beschreiben laumlsst macht es auch

keinen Sinn nur auf quantitative oder

qualitative Informationsgewinnung zu

vertrauen Der Zugang zur Wirklichkeit

stellt dabei die groszlige Huumlrde nicht nur

fuumlr die Art der Datengenerierung dar

sondern muss auch bei der Stichprobenshy

konstruktion beruumlcksichtigt werden 7 Diese werden aus soziologischen oumlkoshy

nomischen oder ethnologischen Theoshy

rien abgeleitet und dem eigentlich beshy

deutsamen Maszligstab ndash den realen

Entwicklungen ndash gegenuumlbergestellt 8 Auch wenn sich EBP vor allem in der

Gesundheitspolitik durchgesetzt hat

(siehe dazu Muir Gray 2001) so kann

der Ansatz auf jede Form der oumlffentlichen

Intervention administrativer Vorgaumlnge

oder regulativen staatlichen Handelns

angewendet werden 9 Zentrale Ziele dieses Weiszligbuches

waren a) die Einfuumlhrung der Folgenshy

abschaumltzung b) der Ausbau der oumlffentshy

lichen Konsultationen c) die Vereinshy

fachung der Gesetzgebung um den

Aufwand an Buumlrokratie zu reduzieren

(Kommission der Europaumlischen Gemeinshy

schaften 2001) 10 Kommission der Europaumlischen Geshy

meinschaften 2002a Kommission der

Europaumlischen Gemeinschaften 2002b

11 Kommission der Europaumlischen Geshy

meinschaften 2002a 12 European Commission 2005 13 Unter dem Begriff bdquopractitionersldquo

wird eine AkteurIn verstanden der oder

die regulative bzw innovative Handlunshy

gen setzen kann um so in das Leben einer

weiteren Person oder einer Gruppe von

Personen also Klienten einzugreifen 14 Auch wenn die einzelnen Schritte der

Uumlbersichtlichkeit halber hier getrennt

voneinander dargestellt wurden sind

sie sehr eng miteinander verwoben und

verdeutlichen die besondere Beziehung

von KlientInnen ExpertInnen und Wisshy

senschafterInnen die in ihrer jeweiligen

Perspektive und Expertise den Gesamtshy

prozess der EBP beeinflussen 15 Da Handeln nicht frei ist von den polishy

tischen Kontexten in denen es ablaumluft

kann behauptet werden dass Regulieshy

rungen oftmals eher von politischen Vorshy

stellungen als von klarenrealen Zielshy

vorstellungen geleitet sind Um einem

Argument gleich an dieser Stelle zu beshy

gegnen soll festgehalten werden dass

auch die Definition eines bestimmten

Handlungsziels ein normativer Prozess

ist Gleichzeitig kommt jede politische

Regulierung aber aufgrund bestimmter

Wissensbestaumlnde zu Stande Daraus ershy

gibt sich die Frage ob dieser Wissensbeshy

stand Teil eines Prozesses ist der eine

bestimmte (politische) Zielsetzung vershy

folgt und damit ausreichende Begruumlnshy

dungsqualitaumlt aufweist Politische Entshy

scheidungen werden durch eine Vielzahl

von Faktoren beeinflusst und es gilt jene

Wissensgrundlage zu schaffen die breit

genug gefasst ist um ein Buumlndel an

Handlungsoptionen aufzuwerfen (vgl

GerberTeske 2000) Diese Optionen

dienen dann als Grundlage fuumlr Entshy

scheidungen die zukuumlnftige Szenarien

der Nachhaltigkeit beruumlcksichtigen und

der Effektivitaumlt unterliegen ndash denn sie

sollen eine bestimmte Zielsetzung mit

einem praumlzisen Aufwand an Ressourcen

auch erreichen 16 Auch in der oumlsterreichischen Politikgeshy

staltung werden empirische Evidenzen

immer wieder herangezogen um die Poshy

litikgestaltung zu uumlberpruumlfen und weishy

terzuentwickeln zum Beispiel im Fall

des KonsumentInnenbarometers des

Bundesministeriums fuumlr Arbeit Soziales

und Konsumentenschutz oder die untershy

schiedlichen Studien wie PIRLS TIMMS

PISA die das Bundesinstitut fuumlr Bilshy

dungsforschung Innovation amp Entwickshy

lung des oumlsterreichischen Schulwesens

(BIFIE) fuumlr das Bundesministerium fuumlr

Unterricht Kunst und Kultur durchshy

fuumlhrt 17 Abhaumlngig von der Qualitaumlt ihrer

Sammlung 18 Zitiert von httpwwwdefragovuk

sciencehowevidencehtm am 21122008 19 Zum Beispiel in Alltags- und Fachshy

wissen uumlber informelles explizites oder

ruhendes Wissen 20 Fuumlr den Bereich Bildung siehe Lassnigg

2009 21 Statistik ist der Inbegriff theoretisch

fundierter empirischer objektivierbarer

Daten (Menges 1982 19) 22 Ausgeloumlste Statistiken werden von stashy

tistischen Aumlmtern erhoben und aufbereishy

tet und somit der Oumlffentlichkeit zugaumlngshy

lich gemacht Neben Primaumlrstatistiken

gibt es auch Sekundaumlrstatistiken die leshy

diglich Auswertungen beschreiben die

auf der Grundlage von bereits erhobeshy

nen Daten erfolgen 23 Bundesstatistikgesetz 2000 StF BGBl I

Nr 1631999 idF BGBl I Nr 1362001

BGBl I Nr 712003 und BGBl I Nr

922007 24 Messen ist die systematische Zuordshy

nung einer Menge von Zahlen oder

Symbolen zu den Auspraumlgungen einer

Variablen mithin auch zu den Objekten

14

SIAK-JOURNAL 12010

(Friedrichs 1973 97) Eine Variable ist dabei

ein veraumlnderliches Merkmal bei dem der

Merkmalstraumlger mindestens zwei Merkmalsshy

auspraumlgungen annehmen kann Inzwischen

wurde nicht zuletzt aufgrund methodologischshy

wissenschaftstheoretischer Diskussionen der

Begriff des Messens praumlzisiert Messen untershy

stellt die Existenz einer zumindest eindeutigen

Abbildung zwischen einem empirischen und eishy

nem numerischen Relativ (zB in Behnke et al

2006) 25 Dieses Zitat wurde bewusst gewaumlhlt um eishy

nen besonderen Aspekt der Diskussion rund um

die Darstellung sicherheitsrelevanter Problemshy

wahrnehmung darzustellen Zum Beispiel ist

die Kriminalstatistik taumlter- und tatorientiert

was in manchen Gruppen die Taumlterzahlen ershy

houmlht wenngleich dieselbe Gruppe auch die

groumlszligte Opfergruppe sein kann 26 Die Polizeiliche Kriminalstatistik liefert Inshy

formationen uumlber Art und Haumlufigkeit der bei

der Polizei angezeigten und von ihr bearbeiteshy

ten Straftaten und ermittelten Tatverdaumlchtigen

Allerdings muumlssen so getaumltigte Anzeigen zushy

naumlchst als Verdacht behandelt werden es hanshy

delt sich also eigentlich um eine Verdachtsstashy

tistik 27 Objektivitaumlt ist dabei eine notwendige aber

keine hinreichende Bedingung fuumlr Reliabilitaumlt

waumlhrend Reliabilitaumlt eine notwendige aber keishy

ne hinreichende Bedingung fuumlr Validitaumlt darshy

stellt 28 Im auf Karl Popper zuruumlckgehenden kritishy

schen Rationalismus unterscheiden sich Entdeshy

ckungs- (wie kommt man zu einer Theorie) Beshy

gruumlndungs- (wie uumlberpruumlft man eine Theorie)

und Verwertungszusammenhang (wie werden

die Ergebnisse eingesetzt) Diese Ausdifferenshy

zierung wirkt sich auch auf die Annahme der

Objektivitaumlt aus denn diese gilt nicht fuumlr den

gesamten Forschungsprozess sondern nur fuumlr

den methodologisch regelgeleiteten Begruumlnshy

dungszusammenhang fuumlr den auch die Wertshy

urteilsfreiheit erhoben wird Dieses Diktum

wird faumllschlicherweise zu oft auch fuumlr den Entshy

deckungs- und den Verwertungszusammenhang

angenommen Die theoretischen Grundlagen

eines Projektes und die Interpretation von Ershy

gebnissen genauso wie die Kontextualisierung

sind aber sehr wohl auch bei Popper wert- und

einstellungsgeleitet (ua SeipelRieker 2003

39 46 ff) 29 So koumlnnten neben Daten uumlber die Strafverfolshy

gung und den Strafvollzug auch Ursachenforshy

schungen fuumlr bestimmte Formen von Kriminalishy

taumlt mit in die Bewertung der Sicherheitslage

einbezogen werden 30 Anm Aumlquivalent zu amtlicher Statistik 31 In der Effizienzfalle gefangen macht man

dann die falschen Dinge richtig und blockiert

dadurch bessere Loumlsungen 32 Durch den heuristischen Charakter des Polishy

cy-Zyklus kann aber aus der Analyse einzelner

Phasen oder aufgrund spezifischer Perspektishy

ven kein umfassender Erklaumlrungsanspruch abshy

geleitet werden 33 Zitiert von httpwwwdefragovukscience

howevidencehtm am 21122008 34 Allerdings zeigen unterschiedliche Studien

dass die Annahme uumlber einen direkten Einfluss

sich nicht immer und in allen Faumlllen tatsaumlchlich

nachweisen laumlsst

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tioners13 integrate the best research evishydence available with their practice expertishyse and with client attributes values prefeshyrences and circumstances When those provisions involve selecting an interventishyon to provide practitioners will attempt to maximize the likelihood that their clients will receive the most effective intervention possible (hellip)ldquo (Rubin 2008 7)14

Die politischen GestalterInnen erhalten so unter Beruumlcksichtigung ihres Kontextshywissens eine Entscheidungsgrundlage und koumlnnen die jeweils anderen Wissensbestaumlnshyde wechselseitig nutzen um zu einer abshyschlieszligenden Entscheidungsgrundlage fuumlr eine Maszlignahme zu kommen Um es anshyders zu beschreiben Die politischen GeshystalterInnen koumlnnen sich fuumlr eine IntervenshytionMaszlignahme entscheiden und dann im Uhrzeigersinn der Grafik diese Interventishyon auf ihre Praktikabilitaumlt hin bewerten

Allerdings verfolgt EBP einen Politikgeshystaltungsansatz in dem empirische Grundshylagen und wissenschaftliche Analyse dem Urteil einer alleinigen Regulierungsinshystanz vorgezogen oder zumindest gleichshygestellt werden Die Uumlbertragung des Konshyzepts der bdquoevidence based practiceldquo auf politische Prozesse geht mit dem normatishyven Konzept einher dass die regulativen Handlungen einer Verwaltungseinheit quashylitativ besser werden muumlssen bdquoStaatliche Aktivitaumlten und Policies sollen einen Beishytrag zur Loumlsung oder zumindest Verarbeishytung gesellschaftlicher Problemlagen leisshytenldquo (JannWegrich 2003 92)15

Waumlhrend gerade in den hoch buumlrokratishysierten Staaten Westeuropas immer noch ein bdquoauthority-based practiceldquo-Modell zur Anwendung kommt versucht der Ansatz der wissensbasierten Politikgestaltung die Nachhaltigkeit von politischen Entscheishydungen aufgrund der Entscheidungs- und Handlungsoptionsanalyse zu etablieren16

bdquoDoing so means being vigilant in trying to recognise testimonials and traditions

that are based on unfounded beliefs and assumptions ndash no matter how prestigious the source of such testimonials and no matter how long the traditions have been in vogue in a practice settingrdquo (Rubin 2008 12)

Realitaumltsstrukturierendes Wissen kann auf unterschiedlichen Wegen gesammelt werden Neben wissenschaftlicher Forshyschung statistischen Analysen und Proshygnosen sind auch Beteiligungsverfahren mit Stakeholdern oumlffentliche Anhoumlrungen oder Umfragen17 moumlgliche Informations-quellen fuumlr Hinweise oder Anhaltspunkte auf die Wirkungen politischer Regulierung und fuumlr die Weiterentwicklung von Politik bdquoPolicies are based on a sound and comshyprehensive understanding of the evidence available at the time and developing a strategy to maintain and update as necesshysary the evidence base for future strategy and policyldquo18 Fuumlr einen Politikprozess koumlnnen diese Evidenzen greifbar gemacht werden indem sie nach der Sammlung in ihrem spezifischen Kontext und aus dieshysem Kontext heraus analysiert werden Wie bereits oben festgehalten kann die Anbindung politischer Regulierung an empirische Tatbestaumlnde dazu beitragen politische Regulierung insgesamt zielgeshynauer zu gestalten

Evidenzen sind aber weit mehr als bloszliges Wissen gerade weil auch der Begriff des Wissens heutzutage sehr vielschichtig

differenziert wird19

Sie sind theoretisch motiviert und abgeshyleitet und bilden so eine Bruumlcke zu den beshyobachteten Fakten ndash also einer empirishyschen Bestandsaufnahme Insofern scheint auch der Wahrheitsbegriff nicht unumstritshyten was zu einer impliziten Annahme der Uumlberpruumlfbarkeit zumindest aber einer Praxiswirksamkeit einer Aussage fuumlhrt

7

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bdquoWissen in diesen Spielarten kann in unshyterschiedlichen Bereichen und auf untershyschiedliche Weise produziert werden Eine einflussreiche Unterscheidung ist die zwischen dem traditionellen akademisch produzierten und abgesicherten Wissen (Mode 1) und den vielfaumlltigen Formen von aus praktischen Kontexten auszligerhalb des eigentlichen Wissenschaftssystems produshyzierten Wissens das durch seine praktische Wirksamkeit und Akzeptanz abgesichert aber nicht im akademischen Sinn bewieshysen ist (Mode 2)ldquo (Lassnigg 2009 6)

Dabei kann die Theorie in den Bereich zwischen Wissen und Nicht-Wissen eingeshyordnet werden

Sie wirkt dabei als ein Mechashynismus der zur Verwandlung von Nicht-Wissen in Wissen

beitraumlgt

Diese Uumlbertragung findet durch eine Uumlberpruumlfung der vermuteten Zusammenshyhaumlnge (Nicht-Wissen) an der Realitaumlt statt Bei dieser Vorgehensweise geht es also darum empirische Repraumlsentation und Vermutung in einen direkten Zusammenshyhang zu setzen und so eine Entscheishydungs- und Handlungsgrundlage zu schafshyfen Erneut Lassnigg bdquoDies verweist auf die zentrale Bedeutung der Frage der Wisshysenschaftsforschung nach den Praktiken der Produktion von Daten Fakten und Evidenzenldquo (Lassnigg 2009 7)

Gerade unter dem Schlagwort Wissensshybasierung werden heute sehr gern Inforshymationen bzw Fakten subsumiert die im nicht seltenen Fall keine einfachen Fakten im Sinne statistischer Information sind Kommt man zuruumlck auf die oben zitierte Differenzierung des Wissens so spielen im Bereich der politischen Regulierung zunehmend Evidenzen des Mode 1 eine Rolle also akademisch produzierte aber nicht auf ihre praktische Wirksamkeit

uumlberpruumlfte Wissensbestaumlnde20 Dies liegt zum Teil auch daran dass tatsaumlchliche Uumlberpruumlfungen nach Mode 2 einen sehr hohen Grad an methodischer Durchdrinshygung erfordern und der ebenfalls hoch aufgeladenen theoretischen Annahmenshyproblematik Je komplexer die Phaumlnomene und je weniger Moumlglichkeiten der direkten Beobachtung bestehen desto komplexer muumlssen auch die methodologischen Uumlbershylegungen zur Erforschung bzw zur Beobshyachtung dieser Phaumlnomene sein Diese sehr einfache Schlussfolgerung wird zu oft in der so genannten wissensbasierten Beratung unterschlagen

Diese Herangehensweise zielt auch auf Problemanalyse ab und fordert dazu auf Prioritaumlten der Politikgestaltung zu identishyfizieren bzw etablierte Maszlignahmen auf ihre Effektivitaumlt und die darin vermutete Kausalitaumlt hin zu uumlberpruumlfen Diese Mittshylerfunktion wird einerseits durch eine theoretische Grundlage andererseits durch ein Erhebungsinstrument erfuumlllt wodurch eine Bewertung der Effizienz und der Wirkungsweise einer politischen Maszlignahme und der Problemidentifikation fuumlr eine erneute Maszlignahmenentwicklung erreicht werden kann

POLIZEILICHE KRIMINALSTATISTIK Der Begriff der Statistik hat seinen Urshysprung im staatlichen Verwaltungshanshydeln denn er beschreibt jene Sachverhalte bdquodie ein Staatsmann uumlber sein Land wisshysen mussldquo (Lorenz 2009) Ausgehend von der wissenschaftlichen Diskussion um statistische Daten kann die Natur von Statistik21 durch drei zentrale Merkmale charakterisiert werden A) Statistik ist theoriegebunden weil unwillkuumlrliches Datensammeln unwissenschaftlich ist B) Daten haben einen empirischen Chashyrakter da sie aus der Wirklichkeit gewonshynen werden C) die Daten sind objektiv

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weil Erhebungsprozesse sachlich und nachvollziehbar begruumlndbar sein muumlssen (siehe ua Jahn 2006 Wagschal 1999 12)

Ausgehend von diesen Grundannahmen fuumlr Statistik kann die amtliche Statistik als ein unverzichtbarer Teil des Informationsshysystems einer demokratischen Gesellshyschaft angesehen werden Sie stellt Daten uumlber die wirtschaftliche demografische soziale und Umweltsituation zur Verfuumlshygung und setzt sie teilweise ins Verhaumlltnis zu staatlicher Regulierung gesellschaftshylichen Trends und oumlkonomischen Entshywicklungen Die Kriminalitaumltsstatistik kann als nichtausgeloumlste Primaumlrstatistik beshyzeichnet werden was bedeutet dass die staatlichen Institutionen die Daten direkt erheben um damit ihre eigene Arbeit zu beschreiben22 Sie ist zudem eine Vollshyerhebung denn alle (bekannten) Faumllle flieszligen in die Datengrundlage ein Grundshysaumltzlich lassen sich amtliche und nichtamtshyliche Statistiken unterscheiden Waumlhrend die amtliche Statistik auf der Grundlage von Gesetzen durch staatliche Behoumlrden erhoben wird23 entsteht die nichtamtliche Statistik ohne einen gesetzlichen Auftrag bzw direkte gesetzliche Grundlagen und wird durch unterschiedliche Institute aufshygrund unterschiedlicher Interessen und AuftraggeberInnen erhoben

Die Polizeiliche Kriminalstatistik glieshydert die bdquostrafbaren Handlungen (Anzeishygen) nach den Paragraphen des StGB und der Nebenstrafgesetze wobei auch verschiedene Kategorien von Straftaten aufgefuumlhrt werden (Ladendiebstaumlhle Beziehungstaten innerhalb einer Familie etc) Des Weiteren stehen hier auch Dashyten uumlber die ermittelten Tatverdaumlchtigen und die Opfer der Straftaten zur Vershyfuumlgungldquo (Statistik Austria 2008 9) Die Ergebnisse der Polizeilichen Kriminalshystatistik stellen einen wichtigen Input fuumlr den monatlichen Kriminalitaumltsbeshyricht dar

Nicht zuletzt aufgrund von Stichtagsreshygelungen bei der Zusammenfassung und Uumlbermittlung von Daten kann es zu kleishyneren auf den Betrachtungszeitraum beshyzogenen Unvollstaumlndigkeiten kommen (vgl Statistik Austria 2008) Gleichzeitig wirkt aber auch bei der Polizeilichen Krishyminalstatistik ein besonderes Charakterisshytikum amtlicher Statistik Im Vergleich zu nichtamtlicher Statistik soll sie per Aufshytrag alle moumlglichen Ereignisse erfassen also auch jene die nur selten oder in nicht besonders hoher Zahl auftreten Damit ist eine besondere Schwierigkeit verbunden Amtliche Kriminalstatistiken messen24 nur jene Faumllle die bekannt geworden sind

Das so genannte Dunkelfeld also nicht angezeigte Faumllle kann in der Statistik nicht

abgebildet werden

Es stellt sich an dieser Stelle die Frage ob dieses Dunkelfeld tatsaumlchlich durch weitere Bevoumllkerungsbefragungen minishymiert werden kann deren Zuverlaumlssigkeit dann von unterschiedlich komplexen Beshydingungen und Vorgehensweisen abhinge Dabei weist die Kriminalstatistik einen weiteren Mangel auf bdquoSo hat die Polizeilishyche Kriminalstatistik nur einen begrenzten Aussagewert in Bezug auf wirkliche Reashylitaumlt in einer Gesellschaft Uumlber die Urshysachen der Kriminalitaumlt sagt sie nichtsldquo (Seiden-PielenFarin 1994 55)25 Abgeseshyhen von den Ursachen von Kriminalitaumlt ist das Anzeigeverhalten und Bewusstsein der Bevoumllkerung fuumlr manche Deliktsarten ausshygepraumlgter bzw groumlszliger und unterliegt zeitlishychen Schwankungen26

Allerdings besteht genau darin auch ein groszliges Dilemma der amtlichen Statistik denn genau an dieser Nahtstelle also zwishyschen der Moumlglichkeit bestimmte Vorfaumllle statistisch zu erfassen und der Darstellung der Sicherheitslage liegt der Ansatzpunkt

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politischer Diskursakteure Jede kleine Luumlcke jede Unplausibilitaumlt jede berechshynete Verhaumlltnis- und Durchschnittszahl und jede intransparente Klassifizierung fuumlhren zum Hinterfragen der gesamten Datengrundlage also der gesamten Basis der Polizeilichen Kriminalitaumltsstatistik

Die AkteurInnen massenmedial vershymittelter Diskurse so wie MinisterInnen PolitikerInnen AkteurInnen der Zivilgeshysellschaft aber auch bdquoSozial- und WirtshyschaftswissenschaftlerInnen neigen dazu zu erwarten dass ndash aus ihrer Sicht ndash ideashylerweise die amtliche Statistik alle Datenshywuumlnsche befriedigtldquo (Wagner 2007 3) Aus dieser Bemerkung Wagners ergeben sich zwei Schlussfolgerungen Nicht alles was WissenschaftlerInnen mittels ihrer Expertise an Verbesserungsvorschlaumlgen einbringen ist fuumlr die Erhebung durch amtliche Statistiken geeignet weil es zweckfremd ist und nicht der Verbesserung des Verwaltungshandelns dient Gleichzeishytig sollten dennoch sachliche Uumlberlegunshygen angestellt werden welche Luumlcken sich bei der Berichterstattung auf Grund der Datenerhebung ergeben entweder vershyursacht durch ungenuumlgsame Sorgfalt bei der Dateneingabe oder durch Luumlcken im Erhebungsinstrument

Abgesehen davon dass jede Datenerheshybung ihre jeweilig spezifischen Vor- und Nachteile bei der Erfassung der Realitaumlt aufweist (Opp 2005 232 ff SeipelRieker 2003 135 ff) stellt sich aber insbesondere bei der amtlichen Statistik die Frage inshywiefern Plausibilitaumltspruumlfungen zu beshystimmten Datensaumltzen moumlglich sind und wie diese Daten beeinflusst von systematishyschen Fehlern also durch unklare Kategoshyrisierung oder beeinflusst durch unsysteshymatische Fehler zB mangelnde Schulung der VollzugsbeamtInnen in Bezug auf die Dateneingabe zustande kommen

Damit die Ergebnisse amtlicher Statistishyken ndash und nicht der Prozess der Erhebung

oder Verarbeitung der Information ndash die Willensbildung unterstuumltzen und beeinshyflussen koumlnnen muumlssen diese Ergebnisse auf der Grundlage wissenschaftlicher Meshythoden erarbeitet und umfangreich dokushymentiert werden Damit soll den Prinzishypien der Objektivitaumlt (= Transparenz) die neben Reliabilitaumlt Validitaumlt und Repraumlsenshytativitaumlt die Guumltekriterien fuumlr Messverfahshyren abbilden Genuumlge getan werden27

WISSENSCHAFTLICHE BETRACHTUNG FUumlR OumlFFENTLICHE STATISTIK Die Ergebnisse von Forschungen im Diensshyte der evidenzbasierten Politikgestaltung haumlngen wesentlich von der Genauigkeit der erhobenen Daten ab und sind immer auch beeinflusst von den verwendeten Meshythoden Der Druck hinsichtlich einer Beshygruumlndung fuumlr den Einsatz einer bestimmten Methode ist in Zeiten knapper Ressourcen gestiegen Dennoch ist es in erster Linie die forschungspraktische Fragestellung ndash also jene Frage die sich aus der bereits vorliegenden politischen Regulierung ershygibt ndash die einerseits das Ziel des Projekts umreiszligt und gleichzeitig den Rahmen fuumlr das Erkenntnisziel bestimmt bdquoMethodishysche Kritik sollte dann einsetzen wenn die Ergebnisse nicht unmittelbar einleuchtend erscheinen wenn sie in einem Widershyspruch zu den Ergebnissen anderer Forshyschungsarbeiten stehen oder wenn die Falschheit der Ergebnisse moumlglicherweise fatale Folgen haben koumlnnteldquo (Behnke et al 2006 19)

Je nach eingesetzter Methode koumlnnen sich die Beobachtungen der Wirklichkeit unterscheiden ohne dass ForscherInnen oder politische GestalterInnen wissen ob die Wirklichkeit erfasst wurde denn es gibt ja nur eine Wirklichkeit oder ob das aus den Daten heraus entstehende Bild der Wirklichkeit durch die methodische Vorshygehensweise beeinflusst ist Auch die Wisshy

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senschaft hat keinen direkten Zugang zur Wirklichkeit Insofern ist es unmoumlglich das korrekte Abbild der Wirklichkeit zu liefern oder zu beurteilen welche Vorgeshyhensweise die tatsaumlchlich richtige ist ndash es gilt als ein unitaristischer Wirklichkeitsbeshygriff (Behnke et al 2006 22 ff) Allershydings bedeutet es nicht dass grundsaumltzlich ein pluralistischer Wahrheitsbegriff voshyrausgesetzt werden muss sondern dass vorlaumlufige Widerspruumlche produziert wershyden diese jedoch auf ihre Entstehung also den Einsatz unterschiedlicher Methoden zuruumlckzufuumlhren sind Methoden sind nur Entdeckungsverfahren um Argumente fuumlr jene oder andere Positionen zu generieren Dieses Grundverstaumlndnis muss zu einer Handlungsleitlinie fuumlhren die es verlangt dass Methoden in ihrer Anwendung explishyzit gemacht werden um so ihre jeweiligen Grundannahmen Schwaumlchen und Einshyschraumlnkungen zu reflektieren und die Schlussfolgerungen bdquoobjektivldquo also intershysubjektiv zugaumlnglich zu machen28

Insofern ist es die Interpretashytion von Ergebnissen und nicht der Einsatz von Methoden der

subjektive Elemente enthaumllt und zu hinterfragen ist

Es kann demnach richtige und falsche Interpretationen der Wirklichkeit geben Eine wissenschaftliche Vorgehensweise kann also zunaumlchst nur unterschiedliche Ausgangspunkte fuumlr eine tatsaumlchliche Einshyschaumltzung der Sicherheitslage und Krimishynalitaumlt erbringen

Rationale und wissensbasierte Sichershyheitspolitik versucht die statistisch vershyfuumlgbaren Datenbestaumlnde zu einem Geshysamtbild zusammenzufuumlgen also neben der Verdachtsstatistik moumlglichst auch alle weiteren gegenwaumlrtig verfuumlgbaren Inforshymationen zu beruumlcksichtigen und auf unshyterschiedliche Wissensquellen zuruumlckzushy

greifen29 Ohne gesichertes Wissen bleibt jede Schlussfolgerung vage denn es gibt keine verlaumlsslichen und abgesicherten Ershykenntnisse daruumlber welches Problem tatshysaumlchlich besteht welche Mittel fuumlr dessen Loumlsung notwendig sind oder zur Verfuumlshygung stehen und wie eventuelle Nebenshywirkungen vermieden werden bzw Altershynativen zum Einsatz kommen koumlnnen bdquoRegisterdaten30 sind nur dann von hoher Qualitaumlt wenn die Daten unmittelbar dem Verwaltungsvollzug dienen Nur dann achshyten Verwaltungen und Betroffene darauf dass die Daten fehlerfrei sind Werden reishyne sbquoStatistikmerkmalelsquo in Verwaltungsshyformulare aufgenommen (zB Polizeishystatistiken) ist das den Beamten und Sachbearbeitern oft laumlstig und es gibt keine Betroffenen die auf die Richtigkeit der Angaben achten (ein Beispiel ist die Angabe des Bildungsniveaus in Sozialvershysicherungsmeldungen)ldquo (Wagner 2007 4)

Die Komplexitaumlt und Dynamik modershyner Gesellschaften verhindert und beguumlnsshytigt gleichermaszligen praumlzise Datenerheshybungen (ausfuumlhrliche Einfuumlhrung in Jahn 2006) Je genauer und praumlziser eine Datenshyerhebung und die Datenauswertung erfolshygen desto praumlziser sind die fuumlr das Hanshydeln notwendigen Schlussfolgerungen und Handlungsoptionen

ZUSAMMENFASSUNG VON DER ERFASSUNG ZUR VERWERTUNG In der Gegenwart werden fuumlr die Perforshymanzeinschaumltzung also die Bewertung der Effektivitaumlt und Effizienz von Maszlignahshymen der Behoumlrden nicht zuletzt durch den voranschreitenden Integrationsprozess im Rahmen der Europaumlischen Union gern Vergleiche von statistischen Daten vershywendet Kriminalitaumltsstatistiken duumlrfen aber nicht ohne die Beruumlcksichtigung der bekannten und der vermuteten Randbedinshygungen genutzt werden Kriminalitaumlt insshybesondere bei einfachen und leichteren

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Delikten unterliegt Verwerfungen deren Kausalketten nicht immer leicht nachvollshyziehbar sind

Staatliche Regulierungsanshysaumltze stehen vor der Herausshy

forderung mit einem begrenzshyten Budget ein maximales Ziel

zu erreichen

Um diese Anforderungen bewaumlltigen zu koumlnnen sollte zwischen der Effizienz (bdquodie Dinge richtig tunldquo) und der Effektishyvitaumlt (bdquodie richtigen Dinge tunldquo) eine Bashylance gefunden werden31 Nur dadurch kann die Politik automatisch mehr politishysche Innovation und damit neue Gestalshytungsraumlume schaffen Dafuumlr bedarf es aber auch klar und praumlzise definierter und messbarer Ziele die verhindern dass ndash auch wenn formal richtig in Uumlbereinstimshymung mit zuvor definierten Regeln gehanshydelt wird ndash die falschen Dinge getan wershyden (GerberTeske 2000)

Die zentralen Fragestellungen der polishytikberatenden Policy-Analyse orientieren sich mehr oder weniger explizit an der heuristischen Gliederung des Policy-Zyklus Dabei stehen immer die tatsaumlchlishyche Wirkung politischer Intervention und die daraus zu ziehenden Schlussfolgerunshygen fuumlr den weiteren Verlauf des Policy Makings (Terminierung oder veraumlnderte Problemwahrnehmung) im Mittelpunkt der Betrachtungen (JannWegrich 2003 98 siehe ua Wollmann 1986)32 Im Proshyzess von EBP kann es zu unterschiedlichen Formen politischen Lernens kommen ndash mit unterschiedlichen Ruumlckwirkungen auf die Problemwahrnehmung und den sich anschlieszligenden Policy-Zyklus Ergebnis eines solchen Prozesses kann die Termishynierung eines politischen Programms sein

Ziel einer strukturierten Beobachtung zum Beispiel in der Form eines Monitoshyrings ist es der oumlffentlichen Hand wichtishy

ge Hinweise uumlber die tatsaumlchliche gesellshyschaftliche Situation zur Verfuumlgung zu stellen und damit die Politikgestaltung zielgerichteter und effizienter zu machen (siehe auch GerberTeske 2000) Jedoch muumlssen dabei die Wirkungsketten analyshysiert werden und die Politik darf sich im Sinne der Evidenzbasierung nicht mit der Produktion akademisierten Wissens zushyfrieden geben Insofern muss eine Erheshybung Beobachtung oder Erfassung von empirischen Fakten sowohl theoretisch abshygesichtert sein als auch zu kausalanalytishyschen Schlussfolgerungen fuumlhren Die Wirkung einer Maszlignahme kann so fakshytisch nur im Zeitvergleich erfolgen

Fuumlr einen Politikprozess koumlnnen diese Evidenzen dann sinnvoll interpretiert wershyden wenn sie bereits in der Erhebungssishytuation und dann in der Folge auch in der Auswertung und Interpretation in ihren spezifisch politisch-regulativen Kontext gesetzt werden bdquoPolicies are based on a sound and comprehensive understanding of the evidence available at the time and developing a strategy to maintain and up-date as necessary the evidence base for fushyture strategy and policyldquo33

Da insbesondere die Interpretationen jeglicher Daten von einem bestimmten theoretischen als auch praktischen Konshytextwissen abhaumlngig sind ist es unabdingshybar den politischen administrativen und gesellschaftlichen Zusammenhang zu beshyruumlcksichtigen um so die breitest moumlgliche Basis fuumlr die Interpretationen und Maszligshynahmenentwicklung zu erreichen und falshysche Schlussfolgerungen zu vermeiden

Mit der Polizeilichen Kriminalstatistik sind zwar im Moment kaum mehr als rein deskriptive Beschreibungen moumlglich denshynoch koumlnnen durch die Beobachtung uumlber Zeit Entwicklungstrends ausgemacht wershyden die fuumlr unterschiedliche Gruppen und in unterschiedlichen Bereichen durchaus verschieden sein koumlnnen

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Diese Herangehensweise laumlsst sich auch auf die Polizeiliche Kriminalstatistik anshywenden die ja der Kriminalitaumltsvorbeushygung und Kriminalitaumltsbekaumlmpfung dient Die Herangehensweise der Wissensbasieshyrung zielt auf die Problemanalyse ab und fordert dazu auf jene Prioritaumlten der Polishytikgestaltung zu identifizieren bzw etashyblierte Maszlignahmen auf ihre Effektivitaumlt hin zu uumlberpruumlfen die auch aus wissenshyschaftlich-theoretischer Sicht von Interesshyse sind Ausgehend von der Interpretation und Darstellung der Daten kann dann eine politisch-kommunikative und strategischshyoperative Gesamtdarstellung der zukuumlnftishygen Aufgaben der Sicherheitsbehoumlrden und des verantwortlichen Ministeriums ershyarbeitet werden Eine Abgrenzung politishyscher Oumlffentlichkeitsarbeit von nicht-polishytischer Oumlffentlichkeitsarbeit oder von politischem Handeln ohne dominierenden Kommunikationscharakter ist dabei aber kaum moumlglich bdquoPolitische Oumlffentlichshykeitsarbeit ist das Kommunikationsmashynagement der Beziehungen politischer Organisationen zu ihren Bezugsgrupshypenldquo (Schulz 2008 307)

Die sinnvolle Interpretation der Polizeishylichen Kriminalitaumltsstatistik im Sinne eishyner evidenzbasierten Politikgestaltung

muss jene Information erheben die nicht allein in der Feststellung von Trends endet sondern die Aufklaumlrung uumlber die Wirkshysamkeit der politischen Regulierungen ershymoumlglicht denn nicht jeder Trend ist direkt ablesbar und nicht jede direkt ablesbare Information ist auch ein Trend

Durch die Beruumlcksichtigung empirisch uumlberpruumlften theoretischen Wissens auch fuumlr eine nachfolgende Veroumlffentlichungsshystrategie kann die Uumlberbewertung diskurshysiv vermittelter Einzelfaumllle relativiert oder sogar unterdruumlckt werden bzw die veroumlfshyfentlichte Meinung aufgrund objektiviershybarer Daten als irrefuumlhrend entlarvt wershyden Allerdings folgt die Interpretation und Diskussion der praumlsentierten Ergebshynisse dann in der Regel einer anderen Logik naumlmlich jener der Medienoumlffentshylichkeit Da vom rein wissenschaftlichen Standpunkt aus die Behauptung formuliert werden kann dass Oumlffentlichkeitsarbeit dazu beitraumlgt oumlffentliche Diskurse insbeshysondere thematisch und in ihrem Timing zu beeinflussen34 sollte die Darstellung der Ist-Situation der Kriminalitaumltslage mit der Praumlsentation evidenzbasiert erarbeiteshyter Loumlsungsansaumltze verknuumlpft werden um zu sinnvollen Aussagen zu gelangen

1 Bundeskriminalamt 2006 3 2 Der Autor bedankt sich fuumlr das konshy

struktive Feedback und die Hinweise bei

Maxi Nachtigall MA (Joint Programshy

me Secretariat Northern Periphery Proshy

gramme Copenhagen) und Maga Martina

Zandonella (SORA) 3 Diese sind abrufbar unter httpwww

bmigvatcmsBKpublikationen

krim_ statistikstartaspx 4 Exemplarisch an dieser Stelle eine beshy

sonders drastisch formulierte Aussenshy

dung httpwwwotsatpresseaussendung

OTS_20090508_OTS0230 5 Im Verlauf dieses Beitrags wird das

Konzept des bdquoevidence based Policy Mashy

kingldquo auch unter den Begriffen bdquoevidence

based practiceldquo (in der Abkuumlrzung EBP)

und bdquowissensbasierte Politikgestaltungldquo

verwendet da diese das gleiche Konzept

beschreiben Das Konzept kommt urshy

spruumlnglich aus der Gesundheitsforschung

(dort bdquoevidence based practiceldquo) und

wurde inzwischen auf andere Forshy

13

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schungsgebiete wie verwaltungs- oder

politikwissenschaftliche Ansaumltze uumlbershy

tragen Siehe unter anderem httpwww

odiorgukRAPIDBibliographiesEBP

docsEBP_lit_review_webpdf Zugriff

am 20122008 oder auch Muir Gray

(2001) 6 Ein Indikator kann aus einer Variablen

ebenso bestehen wie aus einem ganzen

Set von Variablen Er kann aufgrund

qualitativer Informationen erarbeitet

werden wie er durch numerische Datenshy

sammlungen erstellt werden kann Da

sich die Realitaumlt nicht immer eindeutig

durch qualitative und quantitative Vershy

fahren beschreiben laumlsst macht es auch

keinen Sinn nur auf quantitative oder

qualitative Informationsgewinnung zu

vertrauen Der Zugang zur Wirklichkeit

stellt dabei die groszlige Huumlrde nicht nur

fuumlr die Art der Datengenerierung dar

sondern muss auch bei der Stichprobenshy

konstruktion beruumlcksichtigt werden 7 Diese werden aus soziologischen oumlkoshy

nomischen oder ethnologischen Theoshy

rien abgeleitet und dem eigentlich beshy

deutsamen Maszligstab ndash den realen

Entwicklungen ndash gegenuumlbergestellt 8 Auch wenn sich EBP vor allem in der

Gesundheitspolitik durchgesetzt hat

(siehe dazu Muir Gray 2001) so kann

der Ansatz auf jede Form der oumlffentlichen

Intervention administrativer Vorgaumlnge

oder regulativen staatlichen Handelns

angewendet werden 9 Zentrale Ziele dieses Weiszligbuches

waren a) die Einfuumlhrung der Folgenshy

abschaumltzung b) der Ausbau der oumlffentshy

lichen Konsultationen c) die Vereinshy

fachung der Gesetzgebung um den

Aufwand an Buumlrokratie zu reduzieren

(Kommission der Europaumlischen Gemeinshy

schaften 2001) 10 Kommission der Europaumlischen Geshy

meinschaften 2002a Kommission der

Europaumlischen Gemeinschaften 2002b

11 Kommission der Europaumlischen Geshy

meinschaften 2002a 12 European Commission 2005 13 Unter dem Begriff bdquopractitionersldquo

wird eine AkteurIn verstanden der oder

die regulative bzw innovative Handlunshy

gen setzen kann um so in das Leben einer

weiteren Person oder einer Gruppe von

Personen also Klienten einzugreifen 14 Auch wenn die einzelnen Schritte der

Uumlbersichtlichkeit halber hier getrennt

voneinander dargestellt wurden sind

sie sehr eng miteinander verwoben und

verdeutlichen die besondere Beziehung

von KlientInnen ExpertInnen und Wisshy

senschafterInnen die in ihrer jeweiligen

Perspektive und Expertise den Gesamtshy

prozess der EBP beeinflussen 15 Da Handeln nicht frei ist von den polishy

tischen Kontexten in denen es ablaumluft

kann behauptet werden dass Regulieshy

rungen oftmals eher von politischen Vorshy

stellungen als von klarenrealen Zielshy

vorstellungen geleitet sind Um einem

Argument gleich an dieser Stelle zu beshy

gegnen soll festgehalten werden dass

auch die Definition eines bestimmten

Handlungsziels ein normativer Prozess

ist Gleichzeitig kommt jede politische

Regulierung aber aufgrund bestimmter

Wissensbestaumlnde zu Stande Daraus ershy

gibt sich die Frage ob dieser Wissensbeshy

stand Teil eines Prozesses ist der eine

bestimmte (politische) Zielsetzung vershy

folgt und damit ausreichende Begruumlnshy

dungsqualitaumlt aufweist Politische Entshy

scheidungen werden durch eine Vielzahl

von Faktoren beeinflusst und es gilt jene

Wissensgrundlage zu schaffen die breit

genug gefasst ist um ein Buumlndel an

Handlungsoptionen aufzuwerfen (vgl

GerberTeske 2000) Diese Optionen

dienen dann als Grundlage fuumlr Entshy

scheidungen die zukuumlnftige Szenarien

der Nachhaltigkeit beruumlcksichtigen und

der Effektivitaumlt unterliegen ndash denn sie

sollen eine bestimmte Zielsetzung mit

einem praumlzisen Aufwand an Ressourcen

auch erreichen 16 Auch in der oumlsterreichischen Politikgeshy

staltung werden empirische Evidenzen

immer wieder herangezogen um die Poshy

litikgestaltung zu uumlberpruumlfen und weishy

terzuentwickeln zum Beispiel im Fall

des KonsumentInnenbarometers des

Bundesministeriums fuumlr Arbeit Soziales

und Konsumentenschutz oder die untershy

schiedlichen Studien wie PIRLS TIMMS

PISA die das Bundesinstitut fuumlr Bilshy

dungsforschung Innovation amp Entwickshy

lung des oumlsterreichischen Schulwesens

(BIFIE) fuumlr das Bundesministerium fuumlr

Unterricht Kunst und Kultur durchshy

fuumlhrt 17 Abhaumlngig von der Qualitaumlt ihrer

Sammlung 18 Zitiert von httpwwwdefragovuk

sciencehowevidencehtm am 21122008 19 Zum Beispiel in Alltags- und Fachshy

wissen uumlber informelles explizites oder

ruhendes Wissen 20 Fuumlr den Bereich Bildung siehe Lassnigg

2009 21 Statistik ist der Inbegriff theoretisch

fundierter empirischer objektivierbarer

Daten (Menges 1982 19) 22 Ausgeloumlste Statistiken werden von stashy

tistischen Aumlmtern erhoben und aufbereishy

tet und somit der Oumlffentlichkeit zugaumlngshy

lich gemacht Neben Primaumlrstatistiken

gibt es auch Sekundaumlrstatistiken die leshy

diglich Auswertungen beschreiben die

auf der Grundlage von bereits erhobeshy

nen Daten erfolgen 23 Bundesstatistikgesetz 2000 StF BGBl I

Nr 1631999 idF BGBl I Nr 1362001

BGBl I Nr 712003 und BGBl I Nr

922007 24 Messen ist die systematische Zuordshy

nung einer Menge von Zahlen oder

Symbolen zu den Auspraumlgungen einer

Variablen mithin auch zu den Objekten

14

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(Friedrichs 1973 97) Eine Variable ist dabei

ein veraumlnderliches Merkmal bei dem der

Merkmalstraumlger mindestens zwei Merkmalsshy

auspraumlgungen annehmen kann Inzwischen

wurde nicht zuletzt aufgrund methodologischshy

wissenschaftstheoretischer Diskussionen der

Begriff des Messens praumlzisiert Messen untershy

stellt die Existenz einer zumindest eindeutigen

Abbildung zwischen einem empirischen und eishy

nem numerischen Relativ (zB in Behnke et al

2006) 25 Dieses Zitat wurde bewusst gewaumlhlt um eishy

nen besonderen Aspekt der Diskussion rund um

die Darstellung sicherheitsrelevanter Problemshy

wahrnehmung darzustellen Zum Beispiel ist

die Kriminalstatistik taumlter- und tatorientiert

was in manchen Gruppen die Taumlterzahlen ershy

houmlht wenngleich dieselbe Gruppe auch die

groumlszligte Opfergruppe sein kann 26 Die Polizeiliche Kriminalstatistik liefert Inshy

formationen uumlber Art und Haumlufigkeit der bei

der Polizei angezeigten und von ihr bearbeiteshy

ten Straftaten und ermittelten Tatverdaumlchtigen

Allerdings muumlssen so getaumltigte Anzeigen zushy

naumlchst als Verdacht behandelt werden es hanshy

delt sich also eigentlich um eine Verdachtsstashy

tistik 27 Objektivitaumlt ist dabei eine notwendige aber

keine hinreichende Bedingung fuumlr Reliabilitaumlt

waumlhrend Reliabilitaumlt eine notwendige aber keishy

ne hinreichende Bedingung fuumlr Validitaumlt darshy

stellt 28 Im auf Karl Popper zuruumlckgehenden kritishy

schen Rationalismus unterscheiden sich Entdeshy

ckungs- (wie kommt man zu einer Theorie) Beshy

gruumlndungs- (wie uumlberpruumlft man eine Theorie)

und Verwertungszusammenhang (wie werden

die Ergebnisse eingesetzt) Diese Ausdifferenshy

zierung wirkt sich auch auf die Annahme der

Objektivitaumlt aus denn diese gilt nicht fuumlr den

gesamten Forschungsprozess sondern nur fuumlr

den methodologisch regelgeleiteten Begruumlnshy

dungszusammenhang fuumlr den auch die Wertshy

urteilsfreiheit erhoben wird Dieses Diktum

wird faumllschlicherweise zu oft auch fuumlr den Entshy

deckungs- und den Verwertungszusammenhang

angenommen Die theoretischen Grundlagen

eines Projektes und die Interpretation von Ershy

gebnissen genauso wie die Kontextualisierung

sind aber sehr wohl auch bei Popper wert- und

einstellungsgeleitet (ua SeipelRieker 2003

39 46 ff) 29 So koumlnnten neben Daten uumlber die Strafverfolshy

gung und den Strafvollzug auch Ursachenforshy

schungen fuumlr bestimmte Formen von Kriminalishy

taumlt mit in die Bewertung der Sicherheitslage

einbezogen werden 30 Anm Aumlquivalent zu amtlicher Statistik 31 In der Effizienzfalle gefangen macht man

dann die falschen Dinge richtig und blockiert

dadurch bessere Loumlsungen 32 Durch den heuristischen Charakter des Polishy

cy-Zyklus kann aber aus der Analyse einzelner

Phasen oder aufgrund spezifischer Perspektishy

ven kein umfassender Erklaumlrungsanspruch abshy

geleitet werden 33 Zitiert von httpwwwdefragovukscience

howevidencehtm am 21122008 34 Allerdings zeigen unterschiedliche Studien

dass die Annahme uumlber einen direkten Einfluss

sich nicht immer und in allen Faumlllen tatsaumlchlich

nachweisen laumlsst

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bdquoWissen in diesen Spielarten kann in unshyterschiedlichen Bereichen und auf untershyschiedliche Weise produziert werden Eine einflussreiche Unterscheidung ist die zwischen dem traditionellen akademisch produzierten und abgesicherten Wissen (Mode 1) und den vielfaumlltigen Formen von aus praktischen Kontexten auszligerhalb des eigentlichen Wissenschaftssystems produshyzierten Wissens das durch seine praktische Wirksamkeit und Akzeptanz abgesichert aber nicht im akademischen Sinn bewieshysen ist (Mode 2)ldquo (Lassnigg 2009 6)

Dabei kann die Theorie in den Bereich zwischen Wissen und Nicht-Wissen eingeshyordnet werden

Sie wirkt dabei als ein Mechashynismus der zur Verwandlung von Nicht-Wissen in Wissen

beitraumlgt

Diese Uumlbertragung findet durch eine Uumlberpruumlfung der vermuteten Zusammenshyhaumlnge (Nicht-Wissen) an der Realitaumlt statt Bei dieser Vorgehensweise geht es also darum empirische Repraumlsentation und Vermutung in einen direkten Zusammenshyhang zu setzen und so eine Entscheishydungs- und Handlungsgrundlage zu schafshyfen Erneut Lassnigg bdquoDies verweist auf die zentrale Bedeutung der Frage der Wisshysenschaftsforschung nach den Praktiken der Produktion von Daten Fakten und Evidenzenldquo (Lassnigg 2009 7)

Gerade unter dem Schlagwort Wissensshybasierung werden heute sehr gern Inforshymationen bzw Fakten subsumiert die im nicht seltenen Fall keine einfachen Fakten im Sinne statistischer Information sind Kommt man zuruumlck auf die oben zitierte Differenzierung des Wissens so spielen im Bereich der politischen Regulierung zunehmend Evidenzen des Mode 1 eine Rolle also akademisch produzierte aber nicht auf ihre praktische Wirksamkeit

uumlberpruumlfte Wissensbestaumlnde20 Dies liegt zum Teil auch daran dass tatsaumlchliche Uumlberpruumlfungen nach Mode 2 einen sehr hohen Grad an methodischer Durchdrinshygung erfordern und der ebenfalls hoch aufgeladenen theoretischen Annahmenshyproblematik Je komplexer die Phaumlnomene und je weniger Moumlglichkeiten der direkten Beobachtung bestehen desto komplexer muumlssen auch die methodologischen Uumlbershylegungen zur Erforschung bzw zur Beobshyachtung dieser Phaumlnomene sein Diese sehr einfache Schlussfolgerung wird zu oft in der so genannten wissensbasierten Beratung unterschlagen

Diese Herangehensweise zielt auch auf Problemanalyse ab und fordert dazu auf Prioritaumlten der Politikgestaltung zu identishyfizieren bzw etablierte Maszlignahmen auf ihre Effektivitaumlt und die darin vermutete Kausalitaumlt hin zu uumlberpruumlfen Diese Mittshylerfunktion wird einerseits durch eine theoretische Grundlage andererseits durch ein Erhebungsinstrument erfuumlllt wodurch eine Bewertung der Effizienz und der Wirkungsweise einer politischen Maszlignahme und der Problemidentifikation fuumlr eine erneute Maszlignahmenentwicklung erreicht werden kann

POLIZEILICHE KRIMINALSTATISTIK Der Begriff der Statistik hat seinen Urshysprung im staatlichen Verwaltungshanshydeln denn er beschreibt jene Sachverhalte bdquodie ein Staatsmann uumlber sein Land wisshysen mussldquo (Lorenz 2009) Ausgehend von der wissenschaftlichen Diskussion um statistische Daten kann die Natur von Statistik21 durch drei zentrale Merkmale charakterisiert werden A) Statistik ist theoriegebunden weil unwillkuumlrliches Datensammeln unwissenschaftlich ist B) Daten haben einen empirischen Chashyrakter da sie aus der Wirklichkeit gewonshynen werden C) die Daten sind objektiv

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weil Erhebungsprozesse sachlich und nachvollziehbar begruumlndbar sein muumlssen (siehe ua Jahn 2006 Wagschal 1999 12)

Ausgehend von diesen Grundannahmen fuumlr Statistik kann die amtliche Statistik als ein unverzichtbarer Teil des Informationsshysystems einer demokratischen Gesellshyschaft angesehen werden Sie stellt Daten uumlber die wirtschaftliche demografische soziale und Umweltsituation zur Verfuumlshygung und setzt sie teilweise ins Verhaumlltnis zu staatlicher Regulierung gesellschaftshylichen Trends und oumlkonomischen Entshywicklungen Die Kriminalitaumltsstatistik kann als nichtausgeloumlste Primaumlrstatistik beshyzeichnet werden was bedeutet dass die staatlichen Institutionen die Daten direkt erheben um damit ihre eigene Arbeit zu beschreiben22 Sie ist zudem eine Vollshyerhebung denn alle (bekannten) Faumllle flieszligen in die Datengrundlage ein Grundshysaumltzlich lassen sich amtliche und nichtamtshyliche Statistiken unterscheiden Waumlhrend die amtliche Statistik auf der Grundlage von Gesetzen durch staatliche Behoumlrden erhoben wird23 entsteht die nichtamtliche Statistik ohne einen gesetzlichen Auftrag bzw direkte gesetzliche Grundlagen und wird durch unterschiedliche Institute aufshygrund unterschiedlicher Interessen und AuftraggeberInnen erhoben

Die Polizeiliche Kriminalstatistik glieshydert die bdquostrafbaren Handlungen (Anzeishygen) nach den Paragraphen des StGB und der Nebenstrafgesetze wobei auch verschiedene Kategorien von Straftaten aufgefuumlhrt werden (Ladendiebstaumlhle Beziehungstaten innerhalb einer Familie etc) Des Weiteren stehen hier auch Dashyten uumlber die ermittelten Tatverdaumlchtigen und die Opfer der Straftaten zur Vershyfuumlgungldquo (Statistik Austria 2008 9) Die Ergebnisse der Polizeilichen Kriminalshystatistik stellen einen wichtigen Input fuumlr den monatlichen Kriminalitaumltsbeshyricht dar

Nicht zuletzt aufgrund von Stichtagsreshygelungen bei der Zusammenfassung und Uumlbermittlung von Daten kann es zu kleishyneren auf den Betrachtungszeitraum beshyzogenen Unvollstaumlndigkeiten kommen (vgl Statistik Austria 2008) Gleichzeitig wirkt aber auch bei der Polizeilichen Krishyminalstatistik ein besonderes Charakterisshytikum amtlicher Statistik Im Vergleich zu nichtamtlicher Statistik soll sie per Aufshytrag alle moumlglichen Ereignisse erfassen also auch jene die nur selten oder in nicht besonders hoher Zahl auftreten Damit ist eine besondere Schwierigkeit verbunden Amtliche Kriminalstatistiken messen24 nur jene Faumllle die bekannt geworden sind

Das so genannte Dunkelfeld also nicht angezeigte Faumllle kann in der Statistik nicht

abgebildet werden

Es stellt sich an dieser Stelle die Frage ob dieses Dunkelfeld tatsaumlchlich durch weitere Bevoumllkerungsbefragungen minishymiert werden kann deren Zuverlaumlssigkeit dann von unterschiedlich komplexen Beshydingungen und Vorgehensweisen abhinge Dabei weist die Kriminalstatistik einen weiteren Mangel auf bdquoSo hat die Polizeilishyche Kriminalstatistik nur einen begrenzten Aussagewert in Bezug auf wirkliche Reashylitaumlt in einer Gesellschaft Uumlber die Urshysachen der Kriminalitaumlt sagt sie nichtsldquo (Seiden-PielenFarin 1994 55)25 Abgeseshyhen von den Ursachen von Kriminalitaumlt ist das Anzeigeverhalten und Bewusstsein der Bevoumllkerung fuumlr manche Deliktsarten ausshygepraumlgter bzw groumlszliger und unterliegt zeitlishychen Schwankungen26

Allerdings besteht genau darin auch ein groszliges Dilemma der amtlichen Statistik denn genau an dieser Nahtstelle also zwishyschen der Moumlglichkeit bestimmte Vorfaumllle statistisch zu erfassen und der Darstellung der Sicherheitslage liegt der Ansatzpunkt

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politischer Diskursakteure Jede kleine Luumlcke jede Unplausibilitaumlt jede berechshynete Verhaumlltnis- und Durchschnittszahl und jede intransparente Klassifizierung fuumlhren zum Hinterfragen der gesamten Datengrundlage also der gesamten Basis der Polizeilichen Kriminalitaumltsstatistik

Die AkteurInnen massenmedial vershymittelter Diskurse so wie MinisterInnen PolitikerInnen AkteurInnen der Zivilgeshysellschaft aber auch bdquoSozial- und WirtshyschaftswissenschaftlerInnen neigen dazu zu erwarten dass ndash aus ihrer Sicht ndash ideashylerweise die amtliche Statistik alle Datenshywuumlnsche befriedigtldquo (Wagner 2007 3) Aus dieser Bemerkung Wagners ergeben sich zwei Schlussfolgerungen Nicht alles was WissenschaftlerInnen mittels ihrer Expertise an Verbesserungsvorschlaumlgen einbringen ist fuumlr die Erhebung durch amtliche Statistiken geeignet weil es zweckfremd ist und nicht der Verbesserung des Verwaltungshandelns dient Gleichzeishytig sollten dennoch sachliche Uumlberlegunshygen angestellt werden welche Luumlcken sich bei der Berichterstattung auf Grund der Datenerhebung ergeben entweder vershyursacht durch ungenuumlgsame Sorgfalt bei der Dateneingabe oder durch Luumlcken im Erhebungsinstrument

Abgesehen davon dass jede Datenerheshybung ihre jeweilig spezifischen Vor- und Nachteile bei der Erfassung der Realitaumlt aufweist (Opp 2005 232 ff SeipelRieker 2003 135 ff) stellt sich aber insbesondere bei der amtlichen Statistik die Frage inshywiefern Plausibilitaumltspruumlfungen zu beshystimmten Datensaumltzen moumlglich sind und wie diese Daten beeinflusst von systematishyschen Fehlern also durch unklare Kategoshyrisierung oder beeinflusst durch unsysteshymatische Fehler zB mangelnde Schulung der VollzugsbeamtInnen in Bezug auf die Dateneingabe zustande kommen

Damit die Ergebnisse amtlicher Statistishyken ndash und nicht der Prozess der Erhebung

oder Verarbeitung der Information ndash die Willensbildung unterstuumltzen und beeinshyflussen koumlnnen muumlssen diese Ergebnisse auf der Grundlage wissenschaftlicher Meshythoden erarbeitet und umfangreich dokushymentiert werden Damit soll den Prinzishypien der Objektivitaumlt (= Transparenz) die neben Reliabilitaumlt Validitaumlt und Repraumlsenshytativitaumlt die Guumltekriterien fuumlr Messverfahshyren abbilden Genuumlge getan werden27

WISSENSCHAFTLICHE BETRACHTUNG FUumlR OumlFFENTLICHE STATISTIK Die Ergebnisse von Forschungen im Diensshyte der evidenzbasierten Politikgestaltung haumlngen wesentlich von der Genauigkeit der erhobenen Daten ab und sind immer auch beeinflusst von den verwendeten Meshythoden Der Druck hinsichtlich einer Beshygruumlndung fuumlr den Einsatz einer bestimmten Methode ist in Zeiten knapper Ressourcen gestiegen Dennoch ist es in erster Linie die forschungspraktische Fragestellung ndash also jene Frage die sich aus der bereits vorliegenden politischen Regulierung ershygibt ndash die einerseits das Ziel des Projekts umreiszligt und gleichzeitig den Rahmen fuumlr das Erkenntnisziel bestimmt bdquoMethodishysche Kritik sollte dann einsetzen wenn die Ergebnisse nicht unmittelbar einleuchtend erscheinen wenn sie in einem Widershyspruch zu den Ergebnissen anderer Forshyschungsarbeiten stehen oder wenn die Falschheit der Ergebnisse moumlglicherweise fatale Folgen haben koumlnnteldquo (Behnke et al 2006 19)

Je nach eingesetzter Methode koumlnnen sich die Beobachtungen der Wirklichkeit unterscheiden ohne dass ForscherInnen oder politische GestalterInnen wissen ob die Wirklichkeit erfasst wurde denn es gibt ja nur eine Wirklichkeit oder ob das aus den Daten heraus entstehende Bild der Wirklichkeit durch die methodische Vorshygehensweise beeinflusst ist Auch die Wisshy

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senschaft hat keinen direkten Zugang zur Wirklichkeit Insofern ist es unmoumlglich das korrekte Abbild der Wirklichkeit zu liefern oder zu beurteilen welche Vorgeshyhensweise die tatsaumlchlich richtige ist ndash es gilt als ein unitaristischer Wirklichkeitsbeshygriff (Behnke et al 2006 22 ff) Allershydings bedeutet es nicht dass grundsaumltzlich ein pluralistischer Wahrheitsbegriff voshyrausgesetzt werden muss sondern dass vorlaumlufige Widerspruumlche produziert wershyden diese jedoch auf ihre Entstehung also den Einsatz unterschiedlicher Methoden zuruumlckzufuumlhren sind Methoden sind nur Entdeckungsverfahren um Argumente fuumlr jene oder andere Positionen zu generieren Dieses Grundverstaumlndnis muss zu einer Handlungsleitlinie fuumlhren die es verlangt dass Methoden in ihrer Anwendung explishyzit gemacht werden um so ihre jeweiligen Grundannahmen Schwaumlchen und Einshyschraumlnkungen zu reflektieren und die Schlussfolgerungen bdquoobjektivldquo also intershysubjektiv zugaumlnglich zu machen28

Insofern ist es die Interpretashytion von Ergebnissen und nicht der Einsatz von Methoden der

subjektive Elemente enthaumllt und zu hinterfragen ist

Es kann demnach richtige und falsche Interpretationen der Wirklichkeit geben Eine wissenschaftliche Vorgehensweise kann also zunaumlchst nur unterschiedliche Ausgangspunkte fuumlr eine tatsaumlchliche Einshyschaumltzung der Sicherheitslage und Krimishynalitaumlt erbringen

Rationale und wissensbasierte Sichershyheitspolitik versucht die statistisch vershyfuumlgbaren Datenbestaumlnde zu einem Geshysamtbild zusammenzufuumlgen also neben der Verdachtsstatistik moumlglichst auch alle weiteren gegenwaumlrtig verfuumlgbaren Inforshymationen zu beruumlcksichtigen und auf unshyterschiedliche Wissensquellen zuruumlckzushy

greifen29 Ohne gesichertes Wissen bleibt jede Schlussfolgerung vage denn es gibt keine verlaumlsslichen und abgesicherten Ershykenntnisse daruumlber welches Problem tatshysaumlchlich besteht welche Mittel fuumlr dessen Loumlsung notwendig sind oder zur Verfuumlshygung stehen und wie eventuelle Nebenshywirkungen vermieden werden bzw Altershynativen zum Einsatz kommen koumlnnen bdquoRegisterdaten30 sind nur dann von hoher Qualitaumlt wenn die Daten unmittelbar dem Verwaltungsvollzug dienen Nur dann achshyten Verwaltungen und Betroffene darauf dass die Daten fehlerfrei sind Werden reishyne sbquoStatistikmerkmalelsquo in Verwaltungsshyformulare aufgenommen (zB Polizeishystatistiken) ist das den Beamten und Sachbearbeitern oft laumlstig und es gibt keine Betroffenen die auf die Richtigkeit der Angaben achten (ein Beispiel ist die Angabe des Bildungsniveaus in Sozialvershysicherungsmeldungen)ldquo (Wagner 2007 4)

Die Komplexitaumlt und Dynamik modershyner Gesellschaften verhindert und beguumlnsshytigt gleichermaszligen praumlzise Datenerheshybungen (ausfuumlhrliche Einfuumlhrung in Jahn 2006) Je genauer und praumlziser eine Datenshyerhebung und die Datenauswertung erfolshygen desto praumlziser sind die fuumlr das Hanshydeln notwendigen Schlussfolgerungen und Handlungsoptionen

ZUSAMMENFASSUNG VON DER ERFASSUNG ZUR VERWERTUNG In der Gegenwart werden fuumlr die Perforshymanzeinschaumltzung also die Bewertung der Effektivitaumlt und Effizienz von Maszlignahshymen der Behoumlrden nicht zuletzt durch den voranschreitenden Integrationsprozess im Rahmen der Europaumlischen Union gern Vergleiche von statistischen Daten vershywendet Kriminalitaumltsstatistiken duumlrfen aber nicht ohne die Beruumlcksichtigung der bekannten und der vermuteten Randbedinshygungen genutzt werden Kriminalitaumlt insshybesondere bei einfachen und leichteren

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Delikten unterliegt Verwerfungen deren Kausalketten nicht immer leicht nachvollshyziehbar sind

Staatliche Regulierungsanshysaumltze stehen vor der Herausshy

forderung mit einem begrenzshyten Budget ein maximales Ziel

zu erreichen

Um diese Anforderungen bewaumlltigen zu koumlnnen sollte zwischen der Effizienz (bdquodie Dinge richtig tunldquo) und der Effektishyvitaumlt (bdquodie richtigen Dinge tunldquo) eine Bashylance gefunden werden31 Nur dadurch kann die Politik automatisch mehr politishysche Innovation und damit neue Gestalshytungsraumlume schaffen Dafuumlr bedarf es aber auch klar und praumlzise definierter und messbarer Ziele die verhindern dass ndash auch wenn formal richtig in Uumlbereinstimshymung mit zuvor definierten Regeln gehanshydelt wird ndash die falschen Dinge getan wershyden (GerberTeske 2000)

Die zentralen Fragestellungen der polishytikberatenden Policy-Analyse orientieren sich mehr oder weniger explizit an der heuristischen Gliederung des Policy-Zyklus Dabei stehen immer die tatsaumlchlishyche Wirkung politischer Intervention und die daraus zu ziehenden Schlussfolgerunshygen fuumlr den weiteren Verlauf des Policy Makings (Terminierung oder veraumlnderte Problemwahrnehmung) im Mittelpunkt der Betrachtungen (JannWegrich 2003 98 siehe ua Wollmann 1986)32 Im Proshyzess von EBP kann es zu unterschiedlichen Formen politischen Lernens kommen ndash mit unterschiedlichen Ruumlckwirkungen auf die Problemwahrnehmung und den sich anschlieszligenden Policy-Zyklus Ergebnis eines solchen Prozesses kann die Termishynierung eines politischen Programms sein

Ziel einer strukturierten Beobachtung zum Beispiel in der Form eines Monitoshyrings ist es der oumlffentlichen Hand wichtishy

ge Hinweise uumlber die tatsaumlchliche gesellshyschaftliche Situation zur Verfuumlgung zu stellen und damit die Politikgestaltung zielgerichteter und effizienter zu machen (siehe auch GerberTeske 2000) Jedoch muumlssen dabei die Wirkungsketten analyshysiert werden und die Politik darf sich im Sinne der Evidenzbasierung nicht mit der Produktion akademisierten Wissens zushyfrieden geben Insofern muss eine Erheshybung Beobachtung oder Erfassung von empirischen Fakten sowohl theoretisch abshygesichtert sein als auch zu kausalanalytishyschen Schlussfolgerungen fuumlhren Die Wirkung einer Maszlignahme kann so fakshytisch nur im Zeitvergleich erfolgen

Fuumlr einen Politikprozess koumlnnen diese Evidenzen dann sinnvoll interpretiert wershyden wenn sie bereits in der Erhebungssishytuation und dann in der Folge auch in der Auswertung und Interpretation in ihren spezifisch politisch-regulativen Kontext gesetzt werden bdquoPolicies are based on a sound and comprehensive understanding of the evidence available at the time and developing a strategy to maintain and up-date as necessary the evidence base for fushyture strategy and policyldquo33

Da insbesondere die Interpretationen jeglicher Daten von einem bestimmten theoretischen als auch praktischen Konshytextwissen abhaumlngig sind ist es unabdingshybar den politischen administrativen und gesellschaftlichen Zusammenhang zu beshyruumlcksichtigen um so die breitest moumlgliche Basis fuumlr die Interpretationen und Maszligshynahmenentwicklung zu erreichen und falshysche Schlussfolgerungen zu vermeiden

Mit der Polizeilichen Kriminalstatistik sind zwar im Moment kaum mehr als rein deskriptive Beschreibungen moumlglich denshynoch koumlnnen durch die Beobachtung uumlber Zeit Entwicklungstrends ausgemacht wershyden die fuumlr unterschiedliche Gruppen und in unterschiedlichen Bereichen durchaus verschieden sein koumlnnen

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Diese Herangehensweise laumlsst sich auch auf die Polizeiliche Kriminalstatistik anshywenden die ja der Kriminalitaumltsvorbeushygung und Kriminalitaumltsbekaumlmpfung dient Die Herangehensweise der Wissensbasieshyrung zielt auf die Problemanalyse ab und fordert dazu auf jene Prioritaumlten der Polishytikgestaltung zu identifizieren bzw etashyblierte Maszlignahmen auf ihre Effektivitaumlt hin zu uumlberpruumlfen die auch aus wissenshyschaftlich-theoretischer Sicht von Interesshyse sind Ausgehend von der Interpretation und Darstellung der Daten kann dann eine politisch-kommunikative und strategischshyoperative Gesamtdarstellung der zukuumlnftishygen Aufgaben der Sicherheitsbehoumlrden und des verantwortlichen Ministeriums ershyarbeitet werden Eine Abgrenzung politishyscher Oumlffentlichkeitsarbeit von nicht-polishytischer Oumlffentlichkeitsarbeit oder von politischem Handeln ohne dominierenden Kommunikationscharakter ist dabei aber kaum moumlglich bdquoPolitische Oumlffentlichshykeitsarbeit ist das Kommunikationsmashynagement der Beziehungen politischer Organisationen zu ihren Bezugsgrupshypenldquo (Schulz 2008 307)

Die sinnvolle Interpretation der Polizeishylichen Kriminalitaumltsstatistik im Sinne eishyner evidenzbasierten Politikgestaltung

muss jene Information erheben die nicht allein in der Feststellung von Trends endet sondern die Aufklaumlrung uumlber die Wirkshysamkeit der politischen Regulierungen ershymoumlglicht denn nicht jeder Trend ist direkt ablesbar und nicht jede direkt ablesbare Information ist auch ein Trend

Durch die Beruumlcksichtigung empirisch uumlberpruumlften theoretischen Wissens auch fuumlr eine nachfolgende Veroumlffentlichungsshystrategie kann die Uumlberbewertung diskurshysiv vermittelter Einzelfaumllle relativiert oder sogar unterdruumlckt werden bzw die veroumlfshyfentlichte Meinung aufgrund objektiviershybarer Daten als irrefuumlhrend entlarvt wershyden Allerdings folgt die Interpretation und Diskussion der praumlsentierten Ergebshynisse dann in der Regel einer anderen Logik naumlmlich jener der Medienoumlffentshylichkeit Da vom rein wissenschaftlichen Standpunkt aus die Behauptung formuliert werden kann dass Oumlffentlichkeitsarbeit dazu beitraumlgt oumlffentliche Diskurse insbeshysondere thematisch und in ihrem Timing zu beeinflussen34 sollte die Darstellung der Ist-Situation der Kriminalitaumltslage mit der Praumlsentation evidenzbasiert erarbeiteshyter Loumlsungsansaumltze verknuumlpft werden um zu sinnvollen Aussagen zu gelangen

1 Bundeskriminalamt 2006 3 2 Der Autor bedankt sich fuumlr das konshy

struktive Feedback und die Hinweise bei

Maxi Nachtigall MA (Joint Programshy

me Secretariat Northern Periphery Proshy

gramme Copenhagen) und Maga Martina

Zandonella (SORA) 3 Diese sind abrufbar unter httpwww

bmigvatcmsBKpublikationen

krim_ statistikstartaspx 4 Exemplarisch an dieser Stelle eine beshy

sonders drastisch formulierte Aussenshy

dung httpwwwotsatpresseaussendung

OTS_20090508_OTS0230 5 Im Verlauf dieses Beitrags wird das

Konzept des bdquoevidence based Policy Mashy

kingldquo auch unter den Begriffen bdquoevidence

based practiceldquo (in der Abkuumlrzung EBP)

und bdquowissensbasierte Politikgestaltungldquo

verwendet da diese das gleiche Konzept

beschreiben Das Konzept kommt urshy

spruumlnglich aus der Gesundheitsforschung

(dort bdquoevidence based practiceldquo) und

wurde inzwischen auf andere Forshy

13

SIAK-JOURNAL 12010

schungsgebiete wie verwaltungs- oder

politikwissenschaftliche Ansaumltze uumlbershy

tragen Siehe unter anderem httpwww

odiorgukRAPIDBibliographiesEBP

docsEBP_lit_review_webpdf Zugriff

am 20122008 oder auch Muir Gray

(2001) 6 Ein Indikator kann aus einer Variablen

ebenso bestehen wie aus einem ganzen

Set von Variablen Er kann aufgrund

qualitativer Informationen erarbeitet

werden wie er durch numerische Datenshy

sammlungen erstellt werden kann Da

sich die Realitaumlt nicht immer eindeutig

durch qualitative und quantitative Vershy

fahren beschreiben laumlsst macht es auch

keinen Sinn nur auf quantitative oder

qualitative Informationsgewinnung zu

vertrauen Der Zugang zur Wirklichkeit

stellt dabei die groszlige Huumlrde nicht nur

fuumlr die Art der Datengenerierung dar

sondern muss auch bei der Stichprobenshy

konstruktion beruumlcksichtigt werden 7 Diese werden aus soziologischen oumlkoshy

nomischen oder ethnologischen Theoshy

rien abgeleitet und dem eigentlich beshy

deutsamen Maszligstab ndash den realen

Entwicklungen ndash gegenuumlbergestellt 8 Auch wenn sich EBP vor allem in der

Gesundheitspolitik durchgesetzt hat

(siehe dazu Muir Gray 2001) so kann

der Ansatz auf jede Form der oumlffentlichen

Intervention administrativer Vorgaumlnge

oder regulativen staatlichen Handelns

angewendet werden 9 Zentrale Ziele dieses Weiszligbuches

waren a) die Einfuumlhrung der Folgenshy

abschaumltzung b) der Ausbau der oumlffentshy

lichen Konsultationen c) die Vereinshy

fachung der Gesetzgebung um den

Aufwand an Buumlrokratie zu reduzieren

(Kommission der Europaumlischen Gemeinshy

schaften 2001) 10 Kommission der Europaumlischen Geshy

meinschaften 2002a Kommission der

Europaumlischen Gemeinschaften 2002b

11 Kommission der Europaumlischen Geshy

meinschaften 2002a 12 European Commission 2005 13 Unter dem Begriff bdquopractitionersldquo

wird eine AkteurIn verstanden der oder

die regulative bzw innovative Handlunshy

gen setzen kann um so in das Leben einer

weiteren Person oder einer Gruppe von

Personen also Klienten einzugreifen 14 Auch wenn die einzelnen Schritte der

Uumlbersichtlichkeit halber hier getrennt

voneinander dargestellt wurden sind

sie sehr eng miteinander verwoben und

verdeutlichen die besondere Beziehung

von KlientInnen ExpertInnen und Wisshy

senschafterInnen die in ihrer jeweiligen

Perspektive und Expertise den Gesamtshy

prozess der EBP beeinflussen 15 Da Handeln nicht frei ist von den polishy

tischen Kontexten in denen es ablaumluft

kann behauptet werden dass Regulieshy

rungen oftmals eher von politischen Vorshy

stellungen als von klarenrealen Zielshy

vorstellungen geleitet sind Um einem

Argument gleich an dieser Stelle zu beshy

gegnen soll festgehalten werden dass

auch die Definition eines bestimmten

Handlungsziels ein normativer Prozess

ist Gleichzeitig kommt jede politische

Regulierung aber aufgrund bestimmter

Wissensbestaumlnde zu Stande Daraus ershy

gibt sich die Frage ob dieser Wissensbeshy

stand Teil eines Prozesses ist der eine

bestimmte (politische) Zielsetzung vershy

folgt und damit ausreichende Begruumlnshy

dungsqualitaumlt aufweist Politische Entshy

scheidungen werden durch eine Vielzahl

von Faktoren beeinflusst und es gilt jene

Wissensgrundlage zu schaffen die breit

genug gefasst ist um ein Buumlndel an

Handlungsoptionen aufzuwerfen (vgl

GerberTeske 2000) Diese Optionen

dienen dann als Grundlage fuumlr Entshy

scheidungen die zukuumlnftige Szenarien

der Nachhaltigkeit beruumlcksichtigen und

der Effektivitaumlt unterliegen ndash denn sie

sollen eine bestimmte Zielsetzung mit

einem praumlzisen Aufwand an Ressourcen

auch erreichen 16 Auch in der oumlsterreichischen Politikgeshy

staltung werden empirische Evidenzen

immer wieder herangezogen um die Poshy

litikgestaltung zu uumlberpruumlfen und weishy

terzuentwickeln zum Beispiel im Fall

des KonsumentInnenbarometers des

Bundesministeriums fuumlr Arbeit Soziales

und Konsumentenschutz oder die untershy

schiedlichen Studien wie PIRLS TIMMS

PISA die das Bundesinstitut fuumlr Bilshy

dungsforschung Innovation amp Entwickshy

lung des oumlsterreichischen Schulwesens

(BIFIE) fuumlr das Bundesministerium fuumlr

Unterricht Kunst und Kultur durchshy

fuumlhrt 17 Abhaumlngig von der Qualitaumlt ihrer

Sammlung 18 Zitiert von httpwwwdefragovuk

sciencehowevidencehtm am 21122008 19 Zum Beispiel in Alltags- und Fachshy

wissen uumlber informelles explizites oder

ruhendes Wissen 20 Fuumlr den Bereich Bildung siehe Lassnigg

2009 21 Statistik ist der Inbegriff theoretisch

fundierter empirischer objektivierbarer

Daten (Menges 1982 19) 22 Ausgeloumlste Statistiken werden von stashy

tistischen Aumlmtern erhoben und aufbereishy

tet und somit der Oumlffentlichkeit zugaumlngshy

lich gemacht Neben Primaumlrstatistiken

gibt es auch Sekundaumlrstatistiken die leshy

diglich Auswertungen beschreiben die

auf der Grundlage von bereits erhobeshy

nen Daten erfolgen 23 Bundesstatistikgesetz 2000 StF BGBl I

Nr 1631999 idF BGBl I Nr 1362001

BGBl I Nr 712003 und BGBl I Nr

922007 24 Messen ist die systematische Zuordshy

nung einer Menge von Zahlen oder

Symbolen zu den Auspraumlgungen einer

Variablen mithin auch zu den Objekten

14

SIAK-JOURNAL 12010

(Friedrichs 1973 97) Eine Variable ist dabei

ein veraumlnderliches Merkmal bei dem der

Merkmalstraumlger mindestens zwei Merkmalsshy

auspraumlgungen annehmen kann Inzwischen

wurde nicht zuletzt aufgrund methodologischshy

wissenschaftstheoretischer Diskussionen der

Begriff des Messens praumlzisiert Messen untershy

stellt die Existenz einer zumindest eindeutigen

Abbildung zwischen einem empirischen und eishy

nem numerischen Relativ (zB in Behnke et al

2006) 25 Dieses Zitat wurde bewusst gewaumlhlt um eishy

nen besonderen Aspekt der Diskussion rund um

die Darstellung sicherheitsrelevanter Problemshy

wahrnehmung darzustellen Zum Beispiel ist

die Kriminalstatistik taumlter- und tatorientiert

was in manchen Gruppen die Taumlterzahlen ershy

houmlht wenngleich dieselbe Gruppe auch die

groumlszligte Opfergruppe sein kann 26 Die Polizeiliche Kriminalstatistik liefert Inshy

formationen uumlber Art und Haumlufigkeit der bei

der Polizei angezeigten und von ihr bearbeiteshy

ten Straftaten und ermittelten Tatverdaumlchtigen

Allerdings muumlssen so getaumltigte Anzeigen zushy

naumlchst als Verdacht behandelt werden es hanshy

delt sich also eigentlich um eine Verdachtsstashy

tistik 27 Objektivitaumlt ist dabei eine notwendige aber

keine hinreichende Bedingung fuumlr Reliabilitaumlt

waumlhrend Reliabilitaumlt eine notwendige aber keishy

ne hinreichende Bedingung fuumlr Validitaumlt darshy

stellt 28 Im auf Karl Popper zuruumlckgehenden kritishy

schen Rationalismus unterscheiden sich Entdeshy

ckungs- (wie kommt man zu einer Theorie) Beshy

gruumlndungs- (wie uumlberpruumlft man eine Theorie)

und Verwertungszusammenhang (wie werden

die Ergebnisse eingesetzt) Diese Ausdifferenshy

zierung wirkt sich auch auf die Annahme der

Objektivitaumlt aus denn diese gilt nicht fuumlr den

gesamten Forschungsprozess sondern nur fuumlr

den methodologisch regelgeleiteten Begruumlnshy

dungszusammenhang fuumlr den auch die Wertshy

urteilsfreiheit erhoben wird Dieses Diktum

wird faumllschlicherweise zu oft auch fuumlr den Entshy

deckungs- und den Verwertungszusammenhang

angenommen Die theoretischen Grundlagen

eines Projektes und die Interpretation von Ershy

gebnissen genauso wie die Kontextualisierung

sind aber sehr wohl auch bei Popper wert- und

einstellungsgeleitet (ua SeipelRieker 2003

39 46 ff) 29 So koumlnnten neben Daten uumlber die Strafverfolshy

gung und den Strafvollzug auch Ursachenforshy

schungen fuumlr bestimmte Formen von Kriminalishy

taumlt mit in die Bewertung der Sicherheitslage

einbezogen werden 30 Anm Aumlquivalent zu amtlicher Statistik 31 In der Effizienzfalle gefangen macht man

dann die falschen Dinge richtig und blockiert

dadurch bessere Loumlsungen 32 Durch den heuristischen Charakter des Polishy

cy-Zyklus kann aber aus der Analyse einzelner

Phasen oder aufgrund spezifischer Perspektishy

ven kein umfassender Erklaumlrungsanspruch abshy

geleitet werden 33 Zitiert von httpwwwdefragovukscience

howevidencehtm am 21122008 34 Allerdings zeigen unterschiedliche Studien

dass die Annahme uumlber einen direkten Einfluss

sich nicht immer und in allen Faumlllen tatsaumlchlich

nachweisen laumlsst

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SIAK-JOURNAL 12010

weil Erhebungsprozesse sachlich und nachvollziehbar begruumlndbar sein muumlssen (siehe ua Jahn 2006 Wagschal 1999 12)

Ausgehend von diesen Grundannahmen fuumlr Statistik kann die amtliche Statistik als ein unverzichtbarer Teil des Informationsshysystems einer demokratischen Gesellshyschaft angesehen werden Sie stellt Daten uumlber die wirtschaftliche demografische soziale und Umweltsituation zur Verfuumlshygung und setzt sie teilweise ins Verhaumlltnis zu staatlicher Regulierung gesellschaftshylichen Trends und oumlkonomischen Entshywicklungen Die Kriminalitaumltsstatistik kann als nichtausgeloumlste Primaumlrstatistik beshyzeichnet werden was bedeutet dass die staatlichen Institutionen die Daten direkt erheben um damit ihre eigene Arbeit zu beschreiben22 Sie ist zudem eine Vollshyerhebung denn alle (bekannten) Faumllle flieszligen in die Datengrundlage ein Grundshysaumltzlich lassen sich amtliche und nichtamtshyliche Statistiken unterscheiden Waumlhrend die amtliche Statistik auf der Grundlage von Gesetzen durch staatliche Behoumlrden erhoben wird23 entsteht die nichtamtliche Statistik ohne einen gesetzlichen Auftrag bzw direkte gesetzliche Grundlagen und wird durch unterschiedliche Institute aufshygrund unterschiedlicher Interessen und AuftraggeberInnen erhoben

Die Polizeiliche Kriminalstatistik glieshydert die bdquostrafbaren Handlungen (Anzeishygen) nach den Paragraphen des StGB und der Nebenstrafgesetze wobei auch verschiedene Kategorien von Straftaten aufgefuumlhrt werden (Ladendiebstaumlhle Beziehungstaten innerhalb einer Familie etc) Des Weiteren stehen hier auch Dashyten uumlber die ermittelten Tatverdaumlchtigen und die Opfer der Straftaten zur Vershyfuumlgungldquo (Statistik Austria 2008 9) Die Ergebnisse der Polizeilichen Kriminalshystatistik stellen einen wichtigen Input fuumlr den monatlichen Kriminalitaumltsbeshyricht dar

Nicht zuletzt aufgrund von Stichtagsreshygelungen bei der Zusammenfassung und Uumlbermittlung von Daten kann es zu kleishyneren auf den Betrachtungszeitraum beshyzogenen Unvollstaumlndigkeiten kommen (vgl Statistik Austria 2008) Gleichzeitig wirkt aber auch bei der Polizeilichen Krishyminalstatistik ein besonderes Charakterisshytikum amtlicher Statistik Im Vergleich zu nichtamtlicher Statistik soll sie per Aufshytrag alle moumlglichen Ereignisse erfassen also auch jene die nur selten oder in nicht besonders hoher Zahl auftreten Damit ist eine besondere Schwierigkeit verbunden Amtliche Kriminalstatistiken messen24 nur jene Faumllle die bekannt geworden sind

Das so genannte Dunkelfeld also nicht angezeigte Faumllle kann in der Statistik nicht

abgebildet werden

Es stellt sich an dieser Stelle die Frage ob dieses Dunkelfeld tatsaumlchlich durch weitere Bevoumllkerungsbefragungen minishymiert werden kann deren Zuverlaumlssigkeit dann von unterschiedlich komplexen Beshydingungen und Vorgehensweisen abhinge Dabei weist die Kriminalstatistik einen weiteren Mangel auf bdquoSo hat die Polizeilishyche Kriminalstatistik nur einen begrenzten Aussagewert in Bezug auf wirkliche Reashylitaumlt in einer Gesellschaft Uumlber die Urshysachen der Kriminalitaumlt sagt sie nichtsldquo (Seiden-PielenFarin 1994 55)25 Abgeseshyhen von den Ursachen von Kriminalitaumlt ist das Anzeigeverhalten und Bewusstsein der Bevoumllkerung fuumlr manche Deliktsarten ausshygepraumlgter bzw groumlszliger und unterliegt zeitlishychen Schwankungen26

Allerdings besteht genau darin auch ein groszliges Dilemma der amtlichen Statistik denn genau an dieser Nahtstelle also zwishyschen der Moumlglichkeit bestimmte Vorfaumllle statistisch zu erfassen und der Darstellung der Sicherheitslage liegt der Ansatzpunkt

9

SIAK-JOURNAL

10

12010

politischer Diskursakteure Jede kleine Luumlcke jede Unplausibilitaumlt jede berechshynete Verhaumlltnis- und Durchschnittszahl und jede intransparente Klassifizierung fuumlhren zum Hinterfragen der gesamten Datengrundlage also der gesamten Basis der Polizeilichen Kriminalitaumltsstatistik

Die AkteurInnen massenmedial vershymittelter Diskurse so wie MinisterInnen PolitikerInnen AkteurInnen der Zivilgeshysellschaft aber auch bdquoSozial- und WirtshyschaftswissenschaftlerInnen neigen dazu zu erwarten dass ndash aus ihrer Sicht ndash ideashylerweise die amtliche Statistik alle Datenshywuumlnsche befriedigtldquo (Wagner 2007 3) Aus dieser Bemerkung Wagners ergeben sich zwei Schlussfolgerungen Nicht alles was WissenschaftlerInnen mittels ihrer Expertise an Verbesserungsvorschlaumlgen einbringen ist fuumlr die Erhebung durch amtliche Statistiken geeignet weil es zweckfremd ist und nicht der Verbesserung des Verwaltungshandelns dient Gleichzeishytig sollten dennoch sachliche Uumlberlegunshygen angestellt werden welche Luumlcken sich bei der Berichterstattung auf Grund der Datenerhebung ergeben entweder vershyursacht durch ungenuumlgsame Sorgfalt bei der Dateneingabe oder durch Luumlcken im Erhebungsinstrument

Abgesehen davon dass jede Datenerheshybung ihre jeweilig spezifischen Vor- und Nachteile bei der Erfassung der Realitaumlt aufweist (Opp 2005 232 ff SeipelRieker 2003 135 ff) stellt sich aber insbesondere bei der amtlichen Statistik die Frage inshywiefern Plausibilitaumltspruumlfungen zu beshystimmten Datensaumltzen moumlglich sind und wie diese Daten beeinflusst von systematishyschen Fehlern also durch unklare Kategoshyrisierung oder beeinflusst durch unsysteshymatische Fehler zB mangelnde Schulung der VollzugsbeamtInnen in Bezug auf die Dateneingabe zustande kommen

Damit die Ergebnisse amtlicher Statistishyken ndash und nicht der Prozess der Erhebung

oder Verarbeitung der Information ndash die Willensbildung unterstuumltzen und beeinshyflussen koumlnnen muumlssen diese Ergebnisse auf der Grundlage wissenschaftlicher Meshythoden erarbeitet und umfangreich dokushymentiert werden Damit soll den Prinzishypien der Objektivitaumlt (= Transparenz) die neben Reliabilitaumlt Validitaumlt und Repraumlsenshytativitaumlt die Guumltekriterien fuumlr Messverfahshyren abbilden Genuumlge getan werden27

WISSENSCHAFTLICHE BETRACHTUNG FUumlR OumlFFENTLICHE STATISTIK Die Ergebnisse von Forschungen im Diensshyte der evidenzbasierten Politikgestaltung haumlngen wesentlich von der Genauigkeit der erhobenen Daten ab und sind immer auch beeinflusst von den verwendeten Meshythoden Der Druck hinsichtlich einer Beshygruumlndung fuumlr den Einsatz einer bestimmten Methode ist in Zeiten knapper Ressourcen gestiegen Dennoch ist es in erster Linie die forschungspraktische Fragestellung ndash also jene Frage die sich aus der bereits vorliegenden politischen Regulierung ershygibt ndash die einerseits das Ziel des Projekts umreiszligt und gleichzeitig den Rahmen fuumlr das Erkenntnisziel bestimmt bdquoMethodishysche Kritik sollte dann einsetzen wenn die Ergebnisse nicht unmittelbar einleuchtend erscheinen wenn sie in einem Widershyspruch zu den Ergebnissen anderer Forshyschungsarbeiten stehen oder wenn die Falschheit der Ergebnisse moumlglicherweise fatale Folgen haben koumlnnteldquo (Behnke et al 2006 19)

Je nach eingesetzter Methode koumlnnen sich die Beobachtungen der Wirklichkeit unterscheiden ohne dass ForscherInnen oder politische GestalterInnen wissen ob die Wirklichkeit erfasst wurde denn es gibt ja nur eine Wirklichkeit oder ob das aus den Daten heraus entstehende Bild der Wirklichkeit durch die methodische Vorshygehensweise beeinflusst ist Auch die Wisshy

SIAK-JOURNAL 12010

senschaft hat keinen direkten Zugang zur Wirklichkeit Insofern ist es unmoumlglich das korrekte Abbild der Wirklichkeit zu liefern oder zu beurteilen welche Vorgeshyhensweise die tatsaumlchlich richtige ist ndash es gilt als ein unitaristischer Wirklichkeitsbeshygriff (Behnke et al 2006 22 ff) Allershydings bedeutet es nicht dass grundsaumltzlich ein pluralistischer Wahrheitsbegriff voshyrausgesetzt werden muss sondern dass vorlaumlufige Widerspruumlche produziert wershyden diese jedoch auf ihre Entstehung also den Einsatz unterschiedlicher Methoden zuruumlckzufuumlhren sind Methoden sind nur Entdeckungsverfahren um Argumente fuumlr jene oder andere Positionen zu generieren Dieses Grundverstaumlndnis muss zu einer Handlungsleitlinie fuumlhren die es verlangt dass Methoden in ihrer Anwendung explishyzit gemacht werden um so ihre jeweiligen Grundannahmen Schwaumlchen und Einshyschraumlnkungen zu reflektieren und die Schlussfolgerungen bdquoobjektivldquo also intershysubjektiv zugaumlnglich zu machen28

Insofern ist es die Interpretashytion von Ergebnissen und nicht der Einsatz von Methoden der

subjektive Elemente enthaumllt und zu hinterfragen ist

Es kann demnach richtige und falsche Interpretationen der Wirklichkeit geben Eine wissenschaftliche Vorgehensweise kann also zunaumlchst nur unterschiedliche Ausgangspunkte fuumlr eine tatsaumlchliche Einshyschaumltzung der Sicherheitslage und Krimishynalitaumlt erbringen

Rationale und wissensbasierte Sichershyheitspolitik versucht die statistisch vershyfuumlgbaren Datenbestaumlnde zu einem Geshysamtbild zusammenzufuumlgen also neben der Verdachtsstatistik moumlglichst auch alle weiteren gegenwaumlrtig verfuumlgbaren Inforshymationen zu beruumlcksichtigen und auf unshyterschiedliche Wissensquellen zuruumlckzushy

greifen29 Ohne gesichertes Wissen bleibt jede Schlussfolgerung vage denn es gibt keine verlaumlsslichen und abgesicherten Ershykenntnisse daruumlber welches Problem tatshysaumlchlich besteht welche Mittel fuumlr dessen Loumlsung notwendig sind oder zur Verfuumlshygung stehen und wie eventuelle Nebenshywirkungen vermieden werden bzw Altershynativen zum Einsatz kommen koumlnnen bdquoRegisterdaten30 sind nur dann von hoher Qualitaumlt wenn die Daten unmittelbar dem Verwaltungsvollzug dienen Nur dann achshyten Verwaltungen und Betroffene darauf dass die Daten fehlerfrei sind Werden reishyne sbquoStatistikmerkmalelsquo in Verwaltungsshyformulare aufgenommen (zB Polizeishystatistiken) ist das den Beamten und Sachbearbeitern oft laumlstig und es gibt keine Betroffenen die auf die Richtigkeit der Angaben achten (ein Beispiel ist die Angabe des Bildungsniveaus in Sozialvershysicherungsmeldungen)ldquo (Wagner 2007 4)

Die Komplexitaumlt und Dynamik modershyner Gesellschaften verhindert und beguumlnsshytigt gleichermaszligen praumlzise Datenerheshybungen (ausfuumlhrliche Einfuumlhrung in Jahn 2006) Je genauer und praumlziser eine Datenshyerhebung und die Datenauswertung erfolshygen desto praumlziser sind die fuumlr das Hanshydeln notwendigen Schlussfolgerungen und Handlungsoptionen

ZUSAMMENFASSUNG VON DER ERFASSUNG ZUR VERWERTUNG In der Gegenwart werden fuumlr die Perforshymanzeinschaumltzung also die Bewertung der Effektivitaumlt und Effizienz von Maszlignahshymen der Behoumlrden nicht zuletzt durch den voranschreitenden Integrationsprozess im Rahmen der Europaumlischen Union gern Vergleiche von statistischen Daten vershywendet Kriminalitaumltsstatistiken duumlrfen aber nicht ohne die Beruumlcksichtigung der bekannten und der vermuteten Randbedinshygungen genutzt werden Kriminalitaumlt insshybesondere bei einfachen und leichteren

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12010

Delikten unterliegt Verwerfungen deren Kausalketten nicht immer leicht nachvollshyziehbar sind

Staatliche Regulierungsanshysaumltze stehen vor der Herausshy

forderung mit einem begrenzshyten Budget ein maximales Ziel

zu erreichen

Um diese Anforderungen bewaumlltigen zu koumlnnen sollte zwischen der Effizienz (bdquodie Dinge richtig tunldquo) und der Effektishyvitaumlt (bdquodie richtigen Dinge tunldquo) eine Bashylance gefunden werden31 Nur dadurch kann die Politik automatisch mehr politishysche Innovation und damit neue Gestalshytungsraumlume schaffen Dafuumlr bedarf es aber auch klar und praumlzise definierter und messbarer Ziele die verhindern dass ndash auch wenn formal richtig in Uumlbereinstimshymung mit zuvor definierten Regeln gehanshydelt wird ndash die falschen Dinge getan wershyden (GerberTeske 2000)

Die zentralen Fragestellungen der polishytikberatenden Policy-Analyse orientieren sich mehr oder weniger explizit an der heuristischen Gliederung des Policy-Zyklus Dabei stehen immer die tatsaumlchlishyche Wirkung politischer Intervention und die daraus zu ziehenden Schlussfolgerunshygen fuumlr den weiteren Verlauf des Policy Makings (Terminierung oder veraumlnderte Problemwahrnehmung) im Mittelpunkt der Betrachtungen (JannWegrich 2003 98 siehe ua Wollmann 1986)32 Im Proshyzess von EBP kann es zu unterschiedlichen Formen politischen Lernens kommen ndash mit unterschiedlichen Ruumlckwirkungen auf die Problemwahrnehmung und den sich anschlieszligenden Policy-Zyklus Ergebnis eines solchen Prozesses kann die Termishynierung eines politischen Programms sein

Ziel einer strukturierten Beobachtung zum Beispiel in der Form eines Monitoshyrings ist es der oumlffentlichen Hand wichtishy

ge Hinweise uumlber die tatsaumlchliche gesellshyschaftliche Situation zur Verfuumlgung zu stellen und damit die Politikgestaltung zielgerichteter und effizienter zu machen (siehe auch GerberTeske 2000) Jedoch muumlssen dabei die Wirkungsketten analyshysiert werden und die Politik darf sich im Sinne der Evidenzbasierung nicht mit der Produktion akademisierten Wissens zushyfrieden geben Insofern muss eine Erheshybung Beobachtung oder Erfassung von empirischen Fakten sowohl theoretisch abshygesichtert sein als auch zu kausalanalytishyschen Schlussfolgerungen fuumlhren Die Wirkung einer Maszlignahme kann so fakshytisch nur im Zeitvergleich erfolgen

Fuumlr einen Politikprozess koumlnnen diese Evidenzen dann sinnvoll interpretiert wershyden wenn sie bereits in der Erhebungssishytuation und dann in der Folge auch in der Auswertung und Interpretation in ihren spezifisch politisch-regulativen Kontext gesetzt werden bdquoPolicies are based on a sound and comprehensive understanding of the evidence available at the time and developing a strategy to maintain and up-date as necessary the evidence base for fushyture strategy and policyldquo33

Da insbesondere die Interpretationen jeglicher Daten von einem bestimmten theoretischen als auch praktischen Konshytextwissen abhaumlngig sind ist es unabdingshybar den politischen administrativen und gesellschaftlichen Zusammenhang zu beshyruumlcksichtigen um so die breitest moumlgliche Basis fuumlr die Interpretationen und Maszligshynahmenentwicklung zu erreichen und falshysche Schlussfolgerungen zu vermeiden

Mit der Polizeilichen Kriminalstatistik sind zwar im Moment kaum mehr als rein deskriptive Beschreibungen moumlglich denshynoch koumlnnen durch die Beobachtung uumlber Zeit Entwicklungstrends ausgemacht wershyden die fuumlr unterschiedliche Gruppen und in unterschiedlichen Bereichen durchaus verschieden sein koumlnnen

12010 SIAK-JOURNAL

Diese Herangehensweise laumlsst sich auch auf die Polizeiliche Kriminalstatistik anshywenden die ja der Kriminalitaumltsvorbeushygung und Kriminalitaumltsbekaumlmpfung dient Die Herangehensweise der Wissensbasieshyrung zielt auf die Problemanalyse ab und fordert dazu auf jene Prioritaumlten der Polishytikgestaltung zu identifizieren bzw etashyblierte Maszlignahmen auf ihre Effektivitaumlt hin zu uumlberpruumlfen die auch aus wissenshyschaftlich-theoretischer Sicht von Interesshyse sind Ausgehend von der Interpretation und Darstellung der Daten kann dann eine politisch-kommunikative und strategischshyoperative Gesamtdarstellung der zukuumlnftishygen Aufgaben der Sicherheitsbehoumlrden und des verantwortlichen Ministeriums ershyarbeitet werden Eine Abgrenzung politishyscher Oumlffentlichkeitsarbeit von nicht-polishytischer Oumlffentlichkeitsarbeit oder von politischem Handeln ohne dominierenden Kommunikationscharakter ist dabei aber kaum moumlglich bdquoPolitische Oumlffentlichshykeitsarbeit ist das Kommunikationsmashynagement der Beziehungen politischer Organisationen zu ihren Bezugsgrupshypenldquo (Schulz 2008 307)

Die sinnvolle Interpretation der Polizeishylichen Kriminalitaumltsstatistik im Sinne eishyner evidenzbasierten Politikgestaltung

muss jene Information erheben die nicht allein in der Feststellung von Trends endet sondern die Aufklaumlrung uumlber die Wirkshysamkeit der politischen Regulierungen ershymoumlglicht denn nicht jeder Trend ist direkt ablesbar und nicht jede direkt ablesbare Information ist auch ein Trend

Durch die Beruumlcksichtigung empirisch uumlberpruumlften theoretischen Wissens auch fuumlr eine nachfolgende Veroumlffentlichungsshystrategie kann die Uumlberbewertung diskurshysiv vermittelter Einzelfaumllle relativiert oder sogar unterdruumlckt werden bzw die veroumlfshyfentlichte Meinung aufgrund objektiviershybarer Daten als irrefuumlhrend entlarvt wershyden Allerdings folgt die Interpretation und Diskussion der praumlsentierten Ergebshynisse dann in der Regel einer anderen Logik naumlmlich jener der Medienoumlffentshylichkeit Da vom rein wissenschaftlichen Standpunkt aus die Behauptung formuliert werden kann dass Oumlffentlichkeitsarbeit dazu beitraumlgt oumlffentliche Diskurse insbeshysondere thematisch und in ihrem Timing zu beeinflussen34 sollte die Darstellung der Ist-Situation der Kriminalitaumltslage mit der Praumlsentation evidenzbasiert erarbeiteshyter Loumlsungsansaumltze verknuumlpft werden um zu sinnvollen Aussagen zu gelangen

1 Bundeskriminalamt 2006 3 2 Der Autor bedankt sich fuumlr das konshy

struktive Feedback und die Hinweise bei

Maxi Nachtigall MA (Joint Programshy

me Secretariat Northern Periphery Proshy

gramme Copenhagen) und Maga Martina

Zandonella (SORA) 3 Diese sind abrufbar unter httpwww

bmigvatcmsBKpublikationen

krim_ statistikstartaspx 4 Exemplarisch an dieser Stelle eine beshy

sonders drastisch formulierte Aussenshy

dung httpwwwotsatpresseaussendung

OTS_20090508_OTS0230 5 Im Verlauf dieses Beitrags wird das

Konzept des bdquoevidence based Policy Mashy

kingldquo auch unter den Begriffen bdquoevidence

based practiceldquo (in der Abkuumlrzung EBP)

und bdquowissensbasierte Politikgestaltungldquo

verwendet da diese das gleiche Konzept

beschreiben Das Konzept kommt urshy

spruumlnglich aus der Gesundheitsforschung

(dort bdquoevidence based practiceldquo) und

wurde inzwischen auf andere Forshy

13

SIAK-JOURNAL 12010

schungsgebiete wie verwaltungs- oder

politikwissenschaftliche Ansaumltze uumlbershy

tragen Siehe unter anderem httpwww

odiorgukRAPIDBibliographiesEBP

docsEBP_lit_review_webpdf Zugriff

am 20122008 oder auch Muir Gray

(2001) 6 Ein Indikator kann aus einer Variablen

ebenso bestehen wie aus einem ganzen

Set von Variablen Er kann aufgrund

qualitativer Informationen erarbeitet

werden wie er durch numerische Datenshy

sammlungen erstellt werden kann Da

sich die Realitaumlt nicht immer eindeutig

durch qualitative und quantitative Vershy

fahren beschreiben laumlsst macht es auch

keinen Sinn nur auf quantitative oder

qualitative Informationsgewinnung zu

vertrauen Der Zugang zur Wirklichkeit

stellt dabei die groszlige Huumlrde nicht nur

fuumlr die Art der Datengenerierung dar

sondern muss auch bei der Stichprobenshy

konstruktion beruumlcksichtigt werden 7 Diese werden aus soziologischen oumlkoshy

nomischen oder ethnologischen Theoshy

rien abgeleitet und dem eigentlich beshy

deutsamen Maszligstab ndash den realen

Entwicklungen ndash gegenuumlbergestellt 8 Auch wenn sich EBP vor allem in der

Gesundheitspolitik durchgesetzt hat

(siehe dazu Muir Gray 2001) so kann

der Ansatz auf jede Form der oumlffentlichen

Intervention administrativer Vorgaumlnge

oder regulativen staatlichen Handelns

angewendet werden 9 Zentrale Ziele dieses Weiszligbuches

waren a) die Einfuumlhrung der Folgenshy

abschaumltzung b) der Ausbau der oumlffentshy

lichen Konsultationen c) die Vereinshy

fachung der Gesetzgebung um den

Aufwand an Buumlrokratie zu reduzieren

(Kommission der Europaumlischen Gemeinshy

schaften 2001) 10 Kommission der Europaumlischen Geshy

meinschaften 2002a Kommission der

Europaumlischen Gemeinschaften 2002b

11 Kommission der Europaumlischen Geshy

meinschaften 2002a 12 European Commission 2005 13 Unter dem Begriff bdquopractitionersldquo

wird eine AkteurIn verstanden der oder

die regulative bzw innovative Handlunshy

gen setzen kann um so in das Leben einer

weiteren Person oder einer Gruppe von

Personen also Klienten einzugreifen 14 Auch wenn die einzelnen Schritte der

Uumlbersichtlichkeit halber hier getrennt

voneinander dargestellt wurden sind

sie sehr eng miteinander verwoben und

verdeutlichen die besondere Beziehung

von KlientInnen ExpertInnen und Wisshy

senschafterInnen die in ihrer jeweiligen

Perspektive und Expertise den Gesamtshy

prozess der EBP beeinflussen 15 Da Handeln nicht frei ist von den polishy

tischen Kontexten in denen es ablaumluft

kann behauptet werden dass Regulieshy

rungen oftmals eher von politischen Vorshy

stellungen als von klarenrealen Zielshy

vorstellungen geleitet sind Um einem

Argument gleich an dieser Stelle zu beshy

gegnen soll festgehalten werden dass

auch die Definition eines bestimmten

Handlungsziels ein normativer Prozess

ist Gleichzeitig kommt jede politische

Regulierung aber aufgrund bestimmter

Wissensbestaumlnde zu Stande Daraus ershy

gibt sich die Frage ob dieser Wissensbeshy

stand Teil eines Prozesses ist der eine

bestimmte (politische) Zielsetzung vershy

folgt und damit ausreichende Begruumlnshy

dungsqualitaumlt aufweist Politische Entshy

scheidungen werden durch eine Vielzahl

von Faktoren beeinflusst und es gilt jene

Wissensgrundlage zu schaffen die breit

genug gefasst ist um ein Buumlndel an

Handlungsoptionen aufzuwerfen (vgl

GerberTeske 2000) Diese Optionen

dienen dann als Grundlage fuumlr Entshy

scheidungen die zukuumlnftige Szenarien

der Nachhaltigkeit beruumlcksichtigen und

der Effektivitaumlt unterliegen ndash denn sie

sollen eine bestimmte Zielsetzung mit

einem praumlzisen Aufwand an Ressourcen

auch erreichen 16 Auch in der oumlsterreichischen Politikgeshy

staltung werden empirische Evidenzen

immer wieder herangezogen um die Poshy

litikgestaltung zu uumlberpruumlfen und weishy

terzuentwickeln zum Beispiel im Fall

des KonsumentInnenbarometers des

Bundesministeriums fuumlr Arbeit Soziales

und Konsumentenschutz oder die untershy

schiedlichen Studien wie PIRLS TIMMS

PISA die das Bundesinstitut fuumlr Bilshy

dungsforschung Innovation amp Entwickshy

lung des oumlsterreichischen Schulwesens

(BIFIE) fuumlr das Bundesministerium fuumlr

Unterricht Kunst und Kultur durchshy

fuumlhrt 17 Abhaumlngig von der Qualitaumlt ihrer

Sammlung 18 Zitiert von httpwwwdefragovuk

sciencehowevidencehtm am 21122008 19 Zum Beispiel in Alltags- und Fachshy

wissen uumlber informelles explizites oder

ruhendes Wissen 20 Fuumlr den Bereich Bildung siehe Lassnigg

2009 21 Statistik ist der Inbegriff theoretisch

fundierter empirischer objektivierbarer

Daten (Menges 1982 19) 22 Ausgeloumlste Statistiken werden von stashy

tistischen Aumlmtern erhoben und aufbereishy

tet und somit der Oumlffentlichkeit zugaumlngshy

lich gemacht Neben Primaumlrstatistiken

gibt es auch Sekundaumlrstatistiken die leshy

diglich Auswertungen beschreiben die

auf der Grundlage von bereits erhobeshy

nen Daten erfolgen 23 Bundesstatistikgesetz 2000 StF BGBl I

Nr 1631999 idF BGBl I Nr 1362001

BGBl I Nr 712003 und BGBl I Nr

922007 24 Messen ist die systematische Zuordshy

nung einer Menge von Zahlen oder

Symbolen zu den Auspraumlgungen einer

Variablen mithin auch zu den Objekten

14

SIAK-JOURNAL 12010

(Friedrichs 1973 97) Eine Variable ist dabei

ein veraumlnderliches Merkmal bei dem der

Merkmalstraumlger mindestens zwei Merkmalsshy

auspraumlgungen annehmen kann Inzwischen

wurde nicht zuletzt aufgrund methodologischshy

wissenschaftstheoretischer Diskussionen der

Begriff des Messens praumlzisiert Messen untershy

stellt die Existenz einer zumindest eindeutigen

Abbildung zwischen einem empirischen und eishy

nem numerischen Relativ (zB in Behnke et al

2006) 25 Dieses Zitat wurde bewusst gewaumlhlt um eishy

nen besonderen Aspekt der Diskussion rund um

die Darstellung sicherheitsrelevanter Problemshy

wahrnehmung darzustellen Zum Beispiel ist

die Kriminalstatistik taumlter- und tatorientiert

was in manchen Gruppen die Taumlterzahlen ershy

houmlht wenngleich dieselbe Gruppe auch die

groumlszligte Opfergruppe sein kann 26 Die Polizeiliche Kriminalstatistik liefert Inshy

formationen uumlber Art und Haumlufigkeit der bei

der Polizei angezeigten und von ihr bearbeiteshy

ten Straftaten und ermittelten Tatverdaumlchtigen

Allerdings muumlssen so getaumltigte Anzeigen zushy

naumlchst als Verdacht behandelt werden es hanshy

delt sich also eigentlich um eine Verdachtsstashy

tistik 27 Objektivitaumlt ist dabei eine notwendige aber

keine hinreichende Bedingung fuumlr Reliabilitaumlt

waumlhrend Reliabilitaumlt eine notwendige aber keishy

ne hinreichende Bedingung fuumlr Validitaumlt darshy

stellt 28 Im auf Karl Popper zuruumlckgehenden kritishy

schen Rationalismus unterscheiden sich Entdeshy

ckungs- (wie kommt man zu einer Theorie) Beshy

gruumlndungs- (wie uumlberpruumlft man eine Theorie)

und Verwertungszusammenhang (wie werden

die Ergebnisse eingesetzt) Diese Ausdifferenshy

zierung wirkt sich auch auf die Annahme der

Objektivitaumlt aus denn diese gilt nicht fuumlr den

gesamten Forschungsprozess sondern nur fuumlr

den methodologisch regelgeleiteten Begruumlnshy

dungszusammenhang fuumlr den auch die Wertshy

urteilsfreiheit erhoben wird Dieses Diktum

wird faumllschlicherweise zu oft auch fuumlr den Entshy

deckungs- und den Verwertungszusammenhang

angenommen Die theoretischen Grundlagen

eines Projektes und die Interpretation von Ershy

gebnissen genauso wie die Kontextualisierung

sind aber sehr wohl auch bei Popper wert- und

einstellungsgeleitet (ua SeipelRieker 2003

39 46 ff) 29 So koumlnnten neben Daten uumlber die Strafverfolshy

gung und den Strafvollzug auch Ursachenforshy

schungen fuumlr bestimmte Formen von Kriminalishy

taumlt mit in die Bewertung der Sicherheitslage

einbezogen werden 30 Anm Aumlquivalent zu amtlicher Statistik 31 In der Effizienzfalle gefangen macht man

dann die falschen Dinge richtig und blockiert

dadurch bessere Loumlsungen 32 Durch den heuristischen Charakter des Polishy

cy-Zyklus kann aber aus der Analyse einzelner

Phasen oder aufgrund spezifischer Perspektishy

ven kein umfassender Erklaumlrungsanspruch abshy

geleitet werden 33 Zitiert von httpwwwdefragovukscience

howevidencehtm am 21122008 34 Allerdings zeigen unterschiedliche Studien

dass die Annahme uumlber einen direkten Einfluss

sich nicht immer und in allen Faumlllen tatsaumlchlich

nachweisen laumlsst

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Wien 335ndash360

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SIAK-JOURNAL

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12010

politischer Diskursakteure Jede kleine Luumlcke jede Unplausibilitaumlt jede berechshynete Verhaumlltnis- und Durchschnittszahl und jede intransparente Klassifizierung fuumlhren zum Hinterfragen der gesamten Datengrundlage also der gesamten Basis der Polizeilichen Kriminalitaumltsstatistik

Die AkteurInnen massenmedial vershymittelter Diskurse so wie MinisterInnen PolitikerInnen AkteurInnen der Zivilgeshysellschaft aber auch bdquoSozial- und WirtshyschaftswissenschaftlerInnen neigen dazu zu erwarten dass ndash aus ihrer Sicht ndash ideashylerweise die amtliche Statistik alle Datenshywuumlnsche befriedigtldquo (Wagner 2007 3) Aus dieser Bemerkung Wagners ergeben sich zwei Schlussfolgerungen Nicht alles was WissenschaftlerInnen mittels ihrer Expertise an Verbesserungsvorschlaumlgen einbringen ist fuumlr die Erhebung durch amtliche Statistiken geeignet weil es zweckfremd ist und nicht der Verbesserung des Verwaltungshandelns dient Gleichzeishytig sollten dennoch sachliche Uumlberlegunshygen angestellt werden welche Luumlcken sich bei der Berichterstattung auf Grund der Datenerhebung ergeben entweder vershyursacht durch ungenuumlgsame Sorgfalt bei der Dateneingabe oder durch Luumlcken im Erhebungsinstrument

Abgesehen davon dass jede Datenerheshybung ihre jeweilig spezifischen Vor- und Nachteile bei der Erfassung der Realitaumlt aufweist (Opp 2005 232 ff SeipelRieker 2003 135 ff) stellt sich aber insbesondere bei der amtlichen Statistik die Frage inshywiefern Plausibilitaumltspruumlfungen zu beshystimmten Datensaumltzen moumlglich sind und wie diese Daten beeinflusst von systematishyschen Fehlern also durch unklare Kategoshyrisierung oder beeinflusst durch unsysteshymatische Fehler zB mangelnde Schulung der VollzugsbeamtInnen in Bezug auf die Dateneingabe zustande kommen

Damit die Ergebnisse amtlicher Statistishyken ndash und nicht der Prozess der Erhebung

oder Verarbeitung der Information ndash die Willensbildung unterstuumltzen und beeinshyflussen koumlnnen muumlssen diese Ergebnisse auf der Grundlage wissenschaftlicher Meshythoden erarbeitet und umfangreich dokushymentiert werden Damit soll den Prinzishypien der Objektivitaumlt (= Transparenz) die neben Reliabilitaumlt Validitaumlt und Repraumlsenshytativitaumlt die Guumltekriterien fuumlr Messverfahshyren abbilden Genuumlge getan werden27

WISSENSCHAFTLICHE BETRACHTUNG FUumlR OumlFFENTLICHE STATISTIK Die Ergebnisse von Forschungen im Diensshyte der evidenzbasierten Politikgestaltung haumlngen wesentlich von der Genauigkeit der erhobenen Daten ab und sind immer auch beeinflusst von den verwendeten Meshythoden Der Druck hinsichtlich einer Beshygruumlndung fuumlr den Einsatz einer bestimmten Methode ist in Zeiten knapper Ressourcen gestiegen Dennoch ist es in erster Linie die forschungspraktische Fragestellung ndash also jene Frage die sich aus der bereits vorliegenden politischen Regulierung ershygibt ndash die einerseits das Ziel des Projekts umreiszligt und gleichzeitig den Rahmen fuumlr das Erkenntnisziel bestimmt bdquoMethodishysche Kritik sollte dann einsetzen wenn die Ergebnisse nicht unmittelbar einleuchtend erscheinen wenn sie in einem Widershyspruch zu den Ergebnissen anderer Forshyschungsarbeiten stehen oder wenn die Falschheit der Ergebnisse moumlglicherweise fatale Folgen haben koumlnnteldquo (Behnke et al 2006 19)

Je nach eingesetzter Methode koumlnnen sich die Beobachtungen der Wirklichkeit unterscheiden ohne dass ForscherInnen oder politische GestalterInnen wissen ob die Wirklichkeit erfasst wurde denn es gibt ja nur eine Wirklichkeit oder ob das aus den Daten heraus entstehende Bild der Wirklichkeit durch die methodische Vorshygehensweise beeinflusst ist Auch die Wisshy

SIAK-JOURNAL 12010

senschaft hat keinen direkten Zugang zur Wirklichkeit Insofern ist es unmoumlglich das korrekte Abbild der Wirklichkeit zu liefern oder zu beurteilen welche Vorgeshyhensweise die tatsaumlchlich richtige ist ndash es gilt als ein unitaristischer Wirklichkeitsbeshygriff (Behnke et al 2006 22 ff) Allershydings bedeutet es nicht dass grundsaumltzlich ein pluralistischer Wahrheitsbegriff voshyrausgesetzt werden muss sondern dass vorlaumlufige Widerspruumlche produziert wershyden diese jedoch auf ihre Entstehung also den Einsatz unterschiedlicher Methoden zuruumlckzufuumlhren sind Methoden sind nur Entdeckungsverfahren um Argumente fuumlr jene oder andere Positionen zu generieren Dieses Grundverstaumlndnis muss zu einer Handlungsleitlinie fuumlhren die es verlangt dass Methoden in ihrer Anwendung explishyzit gemacht werden um so ihre jeweiligen Grundannahmen Schwaumlchen und Einshyschraumlnkungen zu reflektieren und die Schlussfolgerungen bdquoobjektivldquo also intershysubjektiv zugaumlnglich zu machen28

Insofern ist es die Interpretashytion von Ergebnissen und nicht der Einsatz von Methoden der

subjektive Elemente enthaumllt und zu hinterfragen ist

Es kann demnach richtige und falsche Interpretationen der Wirklichkeit geben Eine wissenschaftliche Vorgehensweise kann also zunaumlchst nur unterschiedliche Ausgangspunkte fuumlr eine tatsaumlchliche Einshyschaumltzung der Sicherheitslage und Krimishynalitaumlt erbringen

Rationale und wissensbasierte Sichershyheitspolitik versucht die statistisch vershyfuumlgbaren Datenbestaumlnde zu einem Geshysamtbild zusammenzufuumlgen also neben der Verdachtsstatistik moumlglichst auch alle weiteren gegenwaumlrtig verfuumlgbaren Inforshymationen zu beruumlcksichtigen und auf unshyterschiedliche Wissensquellen zuruumlckzushy

greifen29 Ohne gesichertes Wissen bleibt jede Schlussfolgerung vage denn es gibt keine verlaumlsslichen und abgesicherten Ershykenntnisse daruumlber welches Problem tatshysaumlchlich besteht welche Mittel fuumlr dessen Loumlsung notwendig sind oder zur Verfuumlshygung stehen und wie eventuelle Nebenshywirkungen vermieden werden bzw Altershynativen zum Einsatz kommen koumlnnen bdquoRegisterdaten30 sind nur dann von hoher Qualitaumlt wenn die Daten unmittelbar dem Verwaltungsvollzug dienen Nur dann achshyten Verwaltungen und Betroffene darauf dass die Daten fehlerfrei sind Werden reishyne sbquoStatistikmerkmalelsquo in Verwaltungsshyformulare aufgenommen (zB Polizeishystatistiken) ist das den Beamten und Sachbearbeitern oft laumlstig und es gibt keine Betroffenen die auf die Richtigkeit der Angaben achten (ein Beispiel ist die Angabe des Bildungsniveaus in Sozialvershysicherungsmeldungen)ldquo (Wagner 2007 4)

Die Komplexitaumlt und Dynamik modershyner Gesellschaften verhindert und beguumlnsshytigt gleichermaszligen praumlzise Datenerheshybungen (ausfuumlhrliche Einfuumlhrung in Jahn 2006) Je genauer und praumlziser eine Datenshyerhebung und die Datenauswertung erfolshygen desto praumlziser sind die fuumlr das Hanshydeln notwendigen Schlussfolgerungen und Handlungsoptionen

ZUSAMMENFASSUNG VON DER ERFASSUNG ZUR VERWERTUNG In der Gegenwart werden fuumlr die Perforshymanzeinschaumltzung also die Bewertung der Effektivitaumlt und Effizienz von Maszlignahshymen der Behoumlrden nicht zuletzt durch den voranschreitenden Integrationsprozess im Rahmen der Europaumlischen Union gern Vergleiche von statistischen Daten vershywendet Kriminalitaumltsstatistiken duumlrfen aber nicht ohne die Beruumlcksichtigung der bekannten und der vermuteten Randbedinshygungen genutzt werden Kriminalitaumlt insshybesondere bei einfachen und leichteren

11

SIAK-JOURNAL

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12010

Delikten unterliegt Verwerfungen deren Kausalketten nicht immer leicht nachvollshyziehbar sind

Staatliche Regulierungsanshysaumltze stehen vor der Herausshy

forderung mit einem begrenzshyten Budget ein maximales Ziel

zu erreichen

Um diese Anforderungen bewaumlltigen zu koumlnnen sollte zwischen der Effizienz (bdquodie Dinge richtig tunldquo) und der Effektishyvitaumlt (bdquodie richtigen Dinge tunldquo) eine Bashylance gefunden werden31 Nur dadurch kann die Politik automatisch mehr politishysche Innovation und damit neue Gestalshytungsraumlume schaffen Dafuumlr bedarf es aber auch klar und praumlzise definierter und messbarer Ziele die verhindern dass ndash auch wenn formal richtig in Uumlbereinstimshymung mit zuvor definierten Regeln gehanshydelt wird ndash die falschen Dinge getan wershyden (GerberTeske 2000)

Die zentralen Fragestellungen der polishytikberatenden Policy-Analyse orientieren sich mehr oder weniger explizit an der heuristischen Gliederung des Policy-Zyklus Dabei stehen immer die tatsaumlchlishyche Wirkung politischer Intervention und die daraus zu ziehenden Schlussfolgerunshygen fuumlr den weiteren Verlauf des Policy Makings (Terminierung oder veraumlnderte Problemwahrnehmung) im Mittelpunkt der Betrachtungen (JannWegrich 2003 98 siehe ua Wollmann 1986)32 Im Proshyzess von EBP kann es zu unterschiedlichen Formen politischen Lernens kommen ndash mit unterschiedlichen Ruumlckwirkungen auf die Problemwahrnehmung und den sich anschlieszligenden Policy-Zyklus Ergebnis eines solchen Prozesses kann die Termishynierung eines politischen Programms sein

Ziel einer strukturierten Beobachtung zum Beispiel in der Form eines Monitoshyrings ist es der oumlffentlichen Hand wichtishy

ge Hinweise uumlber die tatsaumlchliche gesellshyschaftliche Situation zur Verfuumlgung zu stellen und damit die Politikgestaltung zielgerichteter und effizienter zu machen (siehe auch GerberTeske 2000) Jedoch muumlssen dabei die Wirkungsketten analyshysiert werden und die Politik darf sich im Sinne der Evidenzbasierung nicht mit der Produktion akademisierten Wissens zushyfrieden geben Insofern muss eine Erheshybung Beobachtung oder Erfassung von empirischen Fakten sowohl theoretisch abshygesichtert sein als auch zu kausalanalytishyschen Schlussfolgerungen fuumlhren Die Wirkung einer Maszlignahme kann so fakshytisch nur im Zeitvergleich erfolgen

Fuumlr einen Politikprozess koumlnnen diese Evidenzen dann sinnvoll interpretiert wershyden wenn sie bereits in der Erhebungssishytuation und dann in der Folge auch in der Auswertung und Interpretation in ihren spezifisch politisch-regulativen Kontext gesetzt werden bdquoPolicies are based on a sound and comprehensive understanding of the evidence available at the time and developing a strategy to maintain and up-date as necessary the evidence base for fushyture strategy and policyldquo33

Da insbesondere die Interpretationen jeglicher Daten von einem bestimmten theoretischen als auch praktischen Konshytextwissen abhaumlngig sind ist es unabdingshybar den politischen administrativen und gesellschaftlichen Zusammenhang zu beshyruumlcksichtigen um so die breitest moumlgliche Basis fuumlr die Interpretationen und Maszligshynahmenentwicklung zu erreichen und falshysche Schlussfolgerungen zu vermeiden

Mit der Polizeilichen Kriminalstatistik sind zwar im Moment kaum mehr als rein deskriptive Beschreibungen moumlglich denshynoch koumlnnen durch die Beobachtung uumlber Zeit Entwicklungstrends ausgemacht wershyden die fuumlr unterschiedliche Gruppen und in unterschiedlichen Bereichen durchaus verschieden sein koumlnnen

12010 SIAK-JOURNAL

Diese Herangehensweise laumlsst sich auch auf die Polizeiliche Kriminalstatistik anshywenden die ja der Kriminalitaumltsvorbeushygung und Kriminalitaumltsbekaumlmpfung dient Die Herangehensweise der Wissensbasieshyrung zielt auf die Problemanalyse ab und fordert dazu auf jene Prioritaumlten der Polishytikgestaltung zu identifizieren bzw etashyblierte Maszlignahmen auf ihre Effektivitaumlt hin zu uumlberpruumlfen die auch aus wissenshyschaftlich-theoretischer Sicht von Interesshyse sind Ausgehend von der Interpretation und Darstellung der Daten kann dann eine politisch-kommunikative und strategischshyoperative Gesamtdarstellung der zukuumlnftishygen Aufgaben der Sicherheitsbehoumlrden und des verantwortlichen Ministeriums ershyarbeitet werden Eine Abgrenzung politishyscher Oumlffentlichkeitsarbeit von nicht-polishytischer Oumlffentlichkeitsarbeit oder von politischem Handeln ohne dominierenden Kommunikationscharakter ist dabei aber kaum moumlglich bdquoPolitische Oumlffentlichshykeitsarbeit ist das Kommunikationsmashynagement der Beziehungen politischer Organisationen zu ihren Bezugsgrupshypenldquo (Schulz 2008 307)

Die sinnvolle Interpretation der Polizeishylichen Kriminalitaumltsstatistik im Sinne eishyner evidenzbasierten Politikgestaltung

muss jene Information erheben die nicht allein in der Feststellung von Trends endet sondern die Aufklaumlrung uumlber die Wirkshysamkeit der politischen Regulierungen ershymoumlglicht denn nicht jeder Trend ist direkt ablesbar und nicht jede direkt ablesbare Information ist auch ein Trend

Durch die Beruumlcksichtigung empirisch uumlberpruumlften theoretischen Wissens auch fuumlr eine nachfolgende Veroumlffentlichungsshystrategie kann die Uumlberbewertung diskurshysiv vermittelter Einzelfaumllle relativiert oder sogar unterdruumlckt werden bzw die veroumlfshyfentlichte Meinung aufgrund objektiviershybarer Daten als irrefuumlhrend entlarvt wershyden Allerdings folgt die Interpretation und Diskussion der praumlsentierten Ergebshynisse dann in der Regel einer anderen Logik naumlmlich jener der Medienoumlffentshylichkeit Da vom rein wissenschaftlichen Standpunkt aus die Behauptung formuliert werden kann dass Oumlffentlichkeitsarbeit dazu beitraumlgt oumlffentliche Diskurse insbeshysondere thematisch und in ihrem Timing zu beeinflussen34 sollte die Darstellung der Ist-Situation der Kriminalitaumltslage mit der Praumlsentation evidenzbasiert erarbeiteshyter Loumlsungsansaumltze verknuumlpft werden um zu sinnvollen Aussagen zu gelangen

1 Bundeskriminalamt 2006 3 2 Der Autor bedankt sich fuumlr das konshy

struktive Feedback und die Hinweise bei

Maxi Nachtigall MA (Joint Programshy

me Secretariat Northern Periphery Proshy

gramme Copenhagen) und Maga Martina

Zandonella (SORA) 3 Diese sind abrufbar unter httpwww

bmigvatcmsBKpublikationen

krim_ statistikstartaspx 4 Exemplarisch an dieser Stelle eine beshy

sonders drastisch formulierte Aussenshy

dung httpwwwotsatpresseaussendung

OTS_20090508_OTS0230 5 Im Verlauf dieses Beitrags wird das

Konzept des bdquoevidence based Policy Mashy

kingldquo auch unter den Begriffen bdquoevidence

based practiceldquo (in der Abkuumlrzung EBP)

und bdquowissensbasierte Politikgestaltungldquo

verwendet da diese das gleiche Konzept

beschreiben Das Konzept kommt urshy

spruumlnglich aus der Gesundheitsforschung

(dort bdquoevidence based practiceldquo) und

wurde inzwischen auf andere Forshy

13

SIAK-JOURNAL 12010

schungsgebiete wie verwaltungs- oder

politikwissenschaftliche Ansaumltze uumlbershy

tragen Siehe unter anderem httpwww

odiorgukRAPIDBibliographiesEBP

docsEBP_lit_review_webpdf Zugriff

am 20122008 oder auch Muir Gray

(2001) 6 Ein Indikator kann aus einer Variablen

ebenso bestehen wie aus einem ganzen

Set von Variablen Er kann aufgrund

qualitativer Informationen erarbeitet

werden wie er durch numerische Datenshy

sammlungen erstellt werden kann Da

sich die Realitaumlt nicht immer eindeutig

durch qualitative und quantitative Vershy

fahren beschreiben laumlsst macht es auch

keinen Sinn nur auf quantitative oder

qualitative Informationsgewinnung zu

vertrauen Der Zugang zur Wirklichkeit

stellt dabei die groszlige Huumlrde nicht nur

fuumlr die Art der Datengenerierung dar

sondern muss auch bei der Stichprobenshy

konstruktion beruumlcksichtigt werden 7 Diese werden aus soziologischen oumlkoshy

nomischen oder ethnologischen Theoshy

rien abgeleitet und dem eigentlich beshy

deutsamen Maszligstab ndash den realen

Entwicklungen ndash gegenuumlbergestellt 8 Auch wenn sich EBP vor allem in der

Gesundheitspolitik durchgesetzt hat

(siehe dazu Muir Gray 2001) so kann

der Ansatz auf jede Form der oumlffentlichen

Intervention administrativer Vorgaumlnge

oder regulativen staatlichen Handelns

angewendet werden 9 Zentrale Ziele dieses Weiszligbuches

waren a) die Einfuumlhrung der Folgenshy

abschaumltzung b) der Ausbau der oumlffentshy

lichen Konsultationen c) die Vereinshy

fachung der Gesetzgebung um den

Aufwand an Buumlrokratie zu reduzieren

(Kommission der Europaumlischen Gemeinshy

schaften 2001) 10 Kommission der Europaumlischen Geshy

meinschaften 2002a Kommission der

Europaumlischen Gemeinschaften 2002b

11 Kommission der Europaumlischen Geshy

meinschaften 2002a 12 European Commission 2005 13 Unter dem Begriff bdquopractitionersldquo

wird eine AkteurIn verstanden der oder

die regulative bzw innovative Handlunshy

gen setzen kann um so in das Leben einer

weiteren Person oder einer Gruppe von

Personen also Klienten einzugreifen 14 Auch wenn die einzelnen Schritte der

Uumlbersichtlichkeit halber hier getrennt

voneinander dargestellt wurden sind

sie sehr eng miteinander verwoben und

verdeutlichen die besondere Beziehung

von KlientInnen ExpertInnen und Wisshy

senschafterInnen die in ihrer jeweiligen

Perspektive und Expertise den Gesamtshy

prozess der EBP beeinflussen 15 Da Handeln nicht frei ist von den polishy

tischen Kontexten in denen es ablaumluft

kann behauptet werden dass Regulieshy

rungen oftmals eher von politischen Vorshy

stellungen als von klarenrealen Zielshy

vorstellungen geleitet sind Um einem

Argument gleich an dieser Stelle zu beshy

gegnen soll festgehalten werden dass

auch die Definition eines bestimmten

Handlungsziels ein normativer Prozess

ist Gleichzeitig kommt jede politische

Regulierung aber aufgrund bestimmter

Wissensbestaumlnde zu Stande Daraus ershy

gibt sich die Frage ob dieser Wissensbeshy

stand Teil eines Prozesses ist der eine

bestimmte (politische) Zielsetzung vershy

folgt und damit ausreichende Begruumlnshy

dungsqualitaumlt aufweist Politische Entshy

scheidungen werden durch eine Vielzahl

von Faktoren beeinflusst und es gilt jene

Wissensgrundlage zu schaffen die breit

genug gefasst ist um ein Buumlndel an

Handlungsoptionen aufzuwerfen (vgl

GerberTeske 2000) Diese Optionen

dienen dann als Grundlage fuumlr Entshy

scheidungen die zukuumlnftige Szenarien

der Nachhaltigkeit beruumlcksichtigen und

der Effektivitaumlt unterliegen ndash denn sie

sollen eine bestimmte Zielsetzung mit

einem praumlzisen Aufwand an Ressourcen

auch erreichen 16 Auch in der oumlsterreichischen Politikgeshy

staltung werden empirische Evidenzen

immer wieder herangezogen um die Poshy

litikgestaltung zu uumlberpruumlfen und weishy

terzuentwickeln zum Beispiel im Fall

des KonsumentInnenbarometers des

Bundesministeriums fuumlr Arbeit Soziales

und Konsumentenschutz oder die untershy

schiedlichen Studien wie PIRLS TIMMS

PISA die das Bundesinstitut fuumlr Bilshy

dungsforschung Innovation amp Entwickshy

lung des oumlsterreichischen Schulwesens

(BIFIE) fuumlr das Bundesministerium fuumlr

Unterricht Kunst und Kultur durchshy

fuumlhrt 17 Abhaumlngig von der Qualitaumlt ihrer

Sammlung 18 Zitiert von httpwwwdefragovuk

sciencehowevidencehtm am 21122008 19 Zum Beispiel in Alltags- und Fachshy

wissen uumlber informelles explizites oder

ruhendes Wissen 20 Fuumlr den Bereich Bildung siehe Lassnigg

2009 21 Statistik ist der Inbegriff theoretisch

fundierter empirischer objektivierbarer

Daten (Menges 1982 19) 22 Ausgeloumlste Statistiken werden von stashy

tistischen Aumlmtern erhoben und aufbereishy

tet und somit der Oumlffentlichkeit zugaumlngshy

lich gemacht Neben Primaumlrstatistiken

gibt es auch Sekundaumlrstatistiken die leshy

diglich Auswertungen beschreiben die

auf der Grundlage von bereits erhobeshy

nen Daten erfolgen 23 Bundesstatistikgesetz 2000 StF BGBl I

Nr 1631999 idF BGBl I Nr 1362001

BGBl I Nr 712003 und BGBl I Nr

922007 24 Messen ist die systematische Zuordshy

nung einer Menge von Zahlen oder

Symbolen zu den Auspraumlgungen einer

Variablen mithin auch zu den Objekten

14

SIAK-JOURNAL 12010

(Friedrichs 1973 97) Eine Variable ist dabei

ein veraumlnderliches Merkmal bei dem der

Merkmalstraumlger mindestens zwei Merkmalsshy

auspraumlgungen annehmen kann Inzwischen

wurde nicht zuletzt aufgrund methodologischshy

wissenschaftstheoretischer Diskussionen der

Begriff des Messens praumlzisiert Messen untershy

stellt die Existenz einer zumindest eindeutigen

Abbildung zwischen einem empirischen und eishy

nem numerischen Relativ (zB in Behnke et al

2006) 25 Dieses Zitat wurde bewusst gewaumlhlt um eishy

nen besonderen Aspekt der Diskussion rund um

die Darstellung sicherheitsrelevanter Problemshy

wahrnehmung darzustellen Zum Beispiel ist

die Kriminalstatistik taumlter- und tatorientiert

was in manchen Gruppen die Taumlterzahlen ershy

houmlht wenngleich dieselbe Gruppe auch die

groumlszligte Opfergruppe sein kann 26 Die Polizeiliche Kriminalstatistik liefert Inshy

formationen uumlber Art und Haumlufigkeit der bei

der Polizei angezeigten und von ihr bearbeiteshy

ten Straftaten und ermittelten Tatverdaumlchtigen

Allerdings muumlssen so getaumltigte Anzeigen zushy

naumlchst als Verdacht behandelt werden es hanshy

delt sich also eigentlich um eine Verdachtsstashy

tistik 27 Objektivitaumlt ist dabei eine notwendige aber

keine hinreichende Bedingung fuumlr Reliabilitaumlt

waumlhrend Reliabilitaumlt eine notwendige aber keishy

ne hinreichende Bedingung fuumlr Validitaumlt darshy

stellt 28 Im auf Karl Popper zuruumlckgehenden kritishy

schen Rationalismus unterscheiden sich Entdeshy

ckungs- (wie kommt man zu einer Theorie) Beshy

gruumlndungs- (wie uumlberpruumlft man eine Theorie)

und Verwertungszusammenhang (wie werden

die Ergebnisse eingesetzt) Diese Ausdifferenshy

zierung wirkt sich auch auf die Annahme der

Objektivitaumlt aus denn diese gilt nicht fuumlr den

gesamten Forschungsprozess sondern nur fuumlr

den methodologisch regelgeleiteten Begruumlnshy

dungszusammenhang fuumlr den auch die Wertshy

urteilsfreiheit erhoben wird Dieses Diktum

wird faumllschlicherweise zu oft auch fuumlr den Entshy

deckungs- und den Verwertungszusammenhang

angenommen Die theoretischen Grundlagen

eines Projektes und die Interpretation von Ershy

gebnissen genauso wie die Kontextualisierung

sind aber sehr wohl auch bei Popper wert- und

einstellungsgeleitet (ua SeipelRieker 2003

39 46 ff) 29 So koumlnnten neben Daten uumlber die Strafverfolshy

gung und den Strafvollzug auch Ursachenforshy

schungen fuumlr bestimmte Formen von Kriminalishy

taumlt mit in die Bewertung der Sicherheitslage

einbezogen werden 30 Anm Aumlquivalent zu amtlicher Statistik 31 In der Effizienzfalle gefangen macht man

dann die falschen Dinge richtig und blockiert

dadurch bessere Loumlsungen 32 Durch den heuristischen Charakter des Polishy

cy-Zyklus kann aber aus der Analyse einzelner

Phasen oder aufgrund spezifischer Perspektishy

ven kein umfassender Erklaumlrungsanspruch abshy

geleitet werden 33 Zitiert von httpwwwdefragovukscience

howevidencehtm am 21122008 34 Allerdings zeigen unterschiedliche Studien

dass die Annahme uumlber einen direkten Einfluss

sich nicht immer und in allen Faumlllen tatsaumlchlich

nachweisen laumlsst

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senschaft hat keinen direkten Zugang zur Wirklichkeit Insofern ist es unmoumlglich das korrekte Abbild der Wirklichkeit zu liefern oder zu beurteilen welche Vorgeshyhensweise die tatsaumlchlich richtige ist ndash es gilt als ein unitaristischer Wirklichkeitsbeshygriff (Behnke et al 2006 22 ff) Allershydings bedeutet es nicht dass grundsaumltzlich ein pluralistischer Wahrheitsbegriff voshyrausgesetzt werden muss sondern dass vorlaumlufige Widerspruumlche produziert wershyden diese jedoch auf ihre Entstehung also den Einsatz unterschiedlicher Methoden zuruumlckzufuumlhren sind Methoden sind nur Entdeckungsverfahren um Argumente fuumlr jene oder andere Positionen zu generieren Dieses Grundverstaumlndnis muss zu einer Handlungsleitlinie fuumlhren die es verlangt dass Methoden in ihrer Anwendung explishyzit gemacht werden um so ihre jeweiligen Grundannahmen Schwaumlchen und Einshyschraumlnkungen zu reflektieren und die Schlussfolgerungen bdquoobjektivldquo also intershysubjektiv zugaumlnglich zu machen28

Insofern ist es die Interpretashytion von Ergebnissen und nicht der Einsatz von Methoden der

subjektive Elemente enthaumllt und zu hinterfragen ist

Es kann demnach richtige und falsche Interpretationen der Wirklichkeit geben Eine wissenschaftliche Vorgehensweise kann also zunaumlchst nur unterschiedliche Ausgangspunkte fuumlr eine tatsaumlchliche Einshyschaumltzung der Sicherheitslage und Krimishynalitaumlt erbringen

Rationale und wissensbasierte Sichershyheitspolitik versucht die statistisch vershyfuumlgbaren Datenbestaumlnde zu einem Geshysamtbild zusammenzufuumlgen also neben der Verdachtsstatistik moumlglichst auch alle weiteren gegenwaumlrtig verfuumlgbaren Inforshymationen zu beruumlcksichtigen und auf unshyterschiedliche Wissensquellen zuruumlckzushy

greifen29 Ohne gesichertes Wissen bleibt jede Schlussfolgerung vage denn es gibt keine verlaumlsslichen und abgesicherten Ershykenntnisse daruumlber welches Problem tatshysaumlchlich besteht welche Mittel fuumlr dessen Loumlsung notwendig sind oder zur Verfuumlshygung stehen und wie eventuelle Nebenshywirkungen vermieden werden bzw Altershynativen zum Einsatz kommen koumlnnen bdquoRegisterdaten30 sind nur dann von hoher Qualitaumlt wenn die Daten unmittelbar dem Verwaltungsvollzug dienen Nur dann achshyten Verwaltungen und Betroffene darauf dass die Daten fehlerfrei sind Werden reishyne sbquoStatistikmerkmalelsquo in Verwaltungsshyformulare aufgenommen (zB Polizeishystatistiken) ist das den Beamten und Sachbearbeitern oft laumlstig und es gibt keine Betroffenen die auf die Richtigkeit der Angaben achten (ein Beispiel ist die Angabe des Bildungsniveaus in Sozialvershysicherungsmeldungen)ldquo (Wagner 2007 4)

Die Komplexitaumlt und Dynamik modershyner Gesellschaften verhindert und beguumlnsshytigt gleichermaszligen praumlzise Datenerheshybungen (ausfuumlhrliche Einfuumlhrung in Jahn 2006) Je genauer und praumlziser eine Datenshyerhebung und die Datenauswertung erfolshygen desto praumlziser sind die fuumlr das Hanshydeln notwendigen Schlussfolgerungen und Handlungsoptionen

ZUSAMMENFASSUNG VON DER ERFASSUNG ZUR VERWERTUNG In der Gegenwart werden fuumlr die Perforshymanzeinschaumltzung also die Bewertung der Effektivitaumlt und Effizienz von Maszlignahshymen der Behoumlrden nicht zuletzt durch den voranschreitenden Integrationsprozess im Rahmen der Europaumlischen Union gern Vergleiche von statistischen Daten vershywendet Kriminalitaumltsstatistiken duumlrfen aber nicht ohne die Beruumlcksichtigung der bekannten und der vermuteten Randbedinshygungen genutzt werden Kriminalitaumlt insshybesondere bei einfachen und leichteren

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Delikten unterliegt Verwerfungen deren Kausalketten nicht immer leicht nachvollshyziehbar sind

Staatliche Regulierungsanshysaumltze stehen vor der Herausshy

forderung mit einem begrenzshyten Budget ein maximales Ziel

zu erreichen

Um diese Anforderungen bewaumlltigen zu koumlnnen sollte zwischen der Effizienz (bdquodie Dinge richtig tunldquo) und der Effektishyvitaumlt (bdquodie richtigen Dinge tunldquo) eine Bashylance gefunden werden31 Nur dadurch kann die Politik automatisch mehr politishysche Innovation und damit neue Gestalshytungsraumlume schaffen Dafuumlr bedarf es aber auch klar und praumlzise definierter und messbarer Ziele die verhindern dass ndash auch wenn formal richtig in Uumlbereinstimshymung mit zuvor definierten Regeln gehanshydelt wird ndash die falschen Dinge getan wershyden (GerberTeske 2000)

Die zentralen Fragestellungen der polishytikberatenden Policy-Analyse orientieren sich mehr oder weniger explizit an der heuristischen Gliederung des Policy-Zyklus Dabei stehen immer die tatsaumlchlishyche Wirkung politischer Intervention und die daraus zu ziehenden Schlussfolgerunshygen fuumlr den weiteren Verlauf des Policy Makings (Terminierung oder veraumlnderte Problemwahrnehmung) im Mittelpunkt der Betrachtungen (JannWegrich 2003 98 siehe ua Wollmann 1986)32 Im Proshyzess von EBP kann es zu unterschiedlichen Formen politischen Lernens kommen ndash mit unterschiedlichen Ruumlckwirkungen auf die Problemwahrnehmung und den sich anschlieszligenden Policy-Zyklus Ergebnis eines solchen Prozesses kann die Termishynierung eines politischen Programms sein

Ziel einer strukturierten Beobachtung zum Beispiel in der Form eines Monitoshyrings ist es der oumlffentlichen Hand wichtishy

ge Hinweise uumlber die tatsaumlchliche gesellshyschaftliche Situation zur Verfuumlgung zu stellen und damit die Politikgestaltung zielgerichteter und effizienter zu machen (siehe auch GerberTeske 2000) Jedoch muumlssen dabei die Wirkungsketten analyshysiert werden und die Politik darf sich im Sinne der Evidenzbasierung nicht mit der Produktion akademisierten Wissens zushyfrieden geben Insofern muss eine Erheshybung Beobachtung oder Erfassung von empirischen Fakten sowohl theoretisch abshygesichtert sein als auch zu kausalanalytishyschen Schlussfolgerungen fuumlhren Die Wirkung einer Maszlignahme kann so fakshytisch nur im Zeitvergleich erfolgen

Fuumlr einen Politikprozess koumlnnen diese Evidenzen dann sinnvoll interpretiert wershyden wenn sie bereits in der Erhebungssishytuation und dann in der Folge auch in der Auswertung und Interpretation in ihren spezifisch politisch-regulativen Kontext gesetzt werden bdquoPolicies are based on a sound and comprehensive understanding of the evidence available at the time and developing a strategy to maintain and up-date as necessary the evidence base for fushyture strategy and policyldquo33

Da insbesondere die Interpretationen jeglicher Daten von einem bestimmten theoretischen als auch praktischen Konshytextwissen abhaumlngig sind ist es unabdingshybar den politischen administrativen und gesellschaftlichen Zusammenhang zu beshyruumlcksichtigen um so die breitest moumlgliche Basis fuumlr die Interpretationen und Maszligshynahmenentwicklung zu erreichen und falshysche Schlussfolgerungen zu vermeiden

Mit der Polizeilichen Kriminalstatistik sind zwar im Moment kaum mehr als rein deskriptive Beschreibungen moumlglich denshynoch koumlnnen durch die Beobachtung uumlber Zeit Entwicklungstrends ausgemacht wershyden die fuumlr unterschiedliche Gruppen und in unterschiedlichen Bereichen durchaus verschieden sein koumlnnen

12010 SIAK-JOURNAL

Diese Herangehensweise laumlsst sich auch auf die Polizeiliche Kriminalstatistik anshywenden die ja der Kriminalitaumltsvorbeushygung und Kriminalitaumltsbekaumlmpfung dient Die Herangehensweise der Wissensbasieshyrung zielt auf die Problemanalyse ab und fordert dazu auf jene Prioritaumlten der Polishytikgestaltung zu identifizieren bzw etashyblierte Maszlignahmen auf ihre Effektivitaumlt hin zu uumlberpruumlfen die auch aus wissenshyschaftlich-theoretischer Sicht von Interesshyse sind Ausgehend von der Interpretation und Darstellung der Daten kann dann eine politisch-kommunikative und strategischshyoperative Gesamtdarstellung der zukuumlnftishygen Aufgaben der Sicherheitsbehoumlrden und des verantwortlichen Ministeriums ershyarbeitet werden Eine Abgrenzung politishyscher Oumlffentlichkeitsarbeit von nicht-polishytischer Oumlffentlichkeitsarbeit oder von politischem Handeln ohne dominierenden Kommunikationscharakter ist dabei aber kaum moumlglich bdquoPolitische Oumlffentlichshykeitsarbeit ist das Kommunikationsmashynagement der Beziehungen politischer Organisationen zu ihren Bezugsgrupshypenldquo (Schulz 2008 307)

Die sinnvolle Interpretation der Polizeishylichen Kriminalitaumltsstatistik im Sinne eishyner evidenzbasierten Politikgestaltung

muss jene Information erheben die nicht allein in der Feststellung von Trends endet sondern die Aufklaumlrung uumlber die Wirkshysamkeit der politischen Regulierungen ershymoumlglicht denn nicht jeder Trend ist direkt ablesbar und nicht jede direkt ablesbare Information ist auch ein Trend

Durch die Beruumlcksichtigung empirisch uumlberpruumlften theoretischen Wissens auch fuumlr eine nachfolgende Veroumlffentlichungsshystrategie kann die Uumlberbewertung diskurshysiv vermittelter Einzelfaumllle relativiert oder sogar unterdruumlckt werden bzw die veroumlfshyfentlichte Meinung aufgrund objektiviershybarer Daten als irrefuumlhrend entlarvt wershyden Allerdings folgt die Interpretation und Diskussion der praumlsentierten Ergebshynisse dann in der Regel einer anderen Logik naumlmlich jener der Medienoumlffentshylichkeit Da vom rein wissenschaftlichen Standpunkt aus die Behauptung formuliert werden kann dass Oumlffentlichkeitsarbeit dazu beitraumlgt oumlffentliche Diskurse insbeshysondere thematisch und in ihrem Timing zu beeinflussen34 sollte die Darstellung der Ist-Situation der Kriminalitaumltslage mit der Praumlsentation evidenzbasiert erarbeiteshyter Loumlsungsansaumltze verknuumlpft werden um zu sinnvollen Aussagen zu gelangen

1 Bundeskriminalamt 2006 3 2 Der Autor bedankt sich fuumlr das konshy

struktive Feedback und die Hinweise bei

Maxi Nachtigall MA (Joint Programshy

me Secretariat Northern Periphery Proshy

gramme Copenhagen) und Maga Martina

Zandonella (SORA) 3 Diese sind abrufbar unter httpwww

bmigvatcmsBKpublikationen

krim_ statistikstartaspx 4 Exemplarisch an dieser Stelle eine beshy

sonders drastisch formulierte Aussenshy

dung httpwwwotsatpresseaussendung

OTS_20090508_OTS0230 5 Im Verlauf dieses Beitrags wird das

Konzept des bdquoevidence based Policy Mashy

kingldquo auch unter den Begriffen bdquoevidence

based practiceldquo (in der Abkuumlrzung EBP)

und bdquowissensbasierte Politikgestaltungldquo

verwendet da diese das gleiche Konzept

beschreiben Das Konzept kommt urshy

spruumlnglich aus der Gesundheitsforschung

(dort bdquoevidence based practiceldquo) und

wurde inzwischen auf andere Forshy

13

SIAK-JOURNAL 12010

schungsgebiete wie verwaltungs- oder

politikwissenschaftliche Ansaumltze uumlbershy

tragen Siehe unter anderem httpwww

odiorgukRAPIDBibliographiesEBP

docsEBP_lit_review_webpdf Zugriff

am 20122008 oder auch Muir Gray

(2001) 6 Ein Indikator kann aus einer Variablen

ebenso bestehen wie aus einem ganzen

Set von Variablen Er kann aufgrund

qualitativer Informationen erarbeitet

werden wie er durch numerische Datenshy

sammlungen erstellt werden kann Da

sich die Realitaumlt nicht immer eindeutig

durch qualitative und quantitative Vershy

fahren beschreiben laumlsst macht es auch

keinen Sinn nur auf quantitative oder

qualitative Informationsgewinnung zu

vertrauen Der Zugang zur Wirklichkeit

stellt dabei die groszlige Huumlrde nicht nur

fuumlr die Art der Datengenerierung dar

sondern muss auch bei der Stichprobenshy

konstruktion beruumlcksichtigt werden 7 Diese werden aus soziologischen oumlkoshy

nomischen oder ethnologischen Theoshy

rien abgeleitet und dem eigentlich beshy

deutsamen Maszligstab ndash den realen

Entwicklungen ndash gegenuumlbergestellt 8 Auch wenn sich EBP vor allem in der

Gesundheitspolitik durchgesetzt hat

(siehe dazu Muir Gray 2001) so kann

der Ansatz auf jede Form der oumlffentlichen

Intervention administrativer Vorgaumlnge

oder regulativen staatlichen Handelns

angewendet werden 9 Zentrale Ziele dieses Weiszligbuches

waren a) die Einfuumlhrung der Folgenshy

abschaumltzung b) der Ausbau der oumlffentshy

lichen Konsultationen c) die Vereinshy

fachung der Gesetzgebung um den

Aufwand an Buumlrokratie zu reduzieren

(Kommission der Europaumlischen Gemeinshy

schaften 2001) 10 Kommission der Europaumlischen Geshy

meinschaften 2002a Kommission der

Europaumlischen Gemeinschaften 2002b

11 Kommission der Europaumlischen Geshy

meinschaften 2002a 12 European Commission 2005 13 Unter dem Begriff bdquopractitionersldquo

wird eine AkteurIn verstanden der oder

die regulative bzw innovative Handlunshy

gen setzen kann um so in das Leben einer

weiteren Person oder einer Gruppe von

Personen also Klienten einzugreifen 14 Auch wenn die einzelnen Schritte der

Uumlbersichtlichkeit halber hier getrennt

voneinander dargestellt wurden sind

sie sehr eng miteinander verwoben und

verdeutlichen die besondere Beziehung

von KlientInnen ExpertInnen und Wisshy

senschafterInnen die in ihrer jeweiligen

Perspektive und Expertise den Gesamtshy

prozess der EBP beeinflussen 15 Da Handeln nicht frei ist von den polishy

tischen Kontexten in denen es ablaumluft

kann behauptet werden dass Regulieshy

rungen oftmals eher von politischen Vorshy

stellungen als von klarenrealen Zielshy

vorstellungen geleitet sind Um einem

Argument gleich an dieser Stelle zu beshy

gegnen soll festgehalten werden dass

auch die Definition eines bestimmten

Handlungsziels ein normativer Prozess

ist Gleichzeitig kommt jede politische

Regulierung aber aufgrund bestimmter

Wissensbestaumlnde zu Stande Daraus ershy

gibt sich die Frage ob dieser Wissensbeshy

stand Teil eines Prozesses ist der eine

bestimmte (politische) Zielsetzung vershy

folgt und damit ausreichende Begruumlnshy

dungsqualitaumlt aufweist Politische Entshy

scheidungen werden durch eine Vielzahl

von Faktoren beeinflusst und es gilt jene

Wissensgrundlage zu schaffen die breit

genug gefasst ist um ein Buumlndel an

Handlungsoptionen aufzuwerfen (vgl

GerberTeske 2000) Diese Optionen

dienen dann als Grundlage fuumlr Entshy

scheidungen die zukuumlnftige Szenarien

der Nachhaltigkeit beruumlcksichtigen und

der Effektivitaumlt unterliegen ndash denn sie

sollen eine bestimmte Zielsetzung mit

einem praumlzisen Aufwand an Ressourcen

auch erreichen 16 Auch in der oumlsterreichischen Politikgeshy

staltung werden empirische Evidenzen

immer wieder herangezogen um die Poshy

litikgestaltung zu uumlberpruumlfen und weishy

terzuentwickeln zum Beispiel im Fall

des KonsumentInnenbarometers des

Bundesministeriums fuumlr Arbeit Soziales

und Konsumentenschutz oder die untershy

schiedlichen Studien wie PIRLS TIMMS

PISA die das Bundesinstitut fuumlr Bilshy

dungsforschung Innovation amp Entwickshy

lung des oumlsterreichischen Schulwesens

(BIFIE) fuumlr das Bundesministerium fuumlr

Unterricht Kunst und Kultur durchshy

fuumlhrt 17 Abhaumlngig von der Qualitaumlt ihrer

Sammlung 18 Zitiert von httpwwwdefragovuk

sciencehowevidencehtm am 21122008 19 Zum Beispiel in Alltags- und Fachshy

wissen uumlber informelles explizites oder

ruhendes Wissen 20 Fuumlr den Bereich Bildung siehe Lassnigg

2009 21 Statistik ist der Inbegriff theoretisch

fundierter empirischer objektivierbarer

Daten (Menges 1982 19) 22 Ausgeloumlste Statistiken werden von stashy

tistischen Aumlmtern erhoben und aufbereishy

tet und somit der Oumlffentlichkeit zugaumlngshy

lich gemacht Neben Primaumlrstatistiken

gibt es auch Sekundaumlrstatistiken die leshy

diglich Auswertungen beschreiben die

auf der Grundlage von bereits erhobeshy

nen Daten erfolgen 23 Bundesstatistikgesetz 2000 StF BGBl I

Nr 1631999 idF BGBl I Nr 1362001

BGBl I Nr 712003 und BGBl I Nr

922007 24 Messen ist die systematische Zuordshy

nung einer Menge von Zahlen oder

Symbolen zu den Auspraumlgungen einer

Variablen mithin auch zu den Objekten

14

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(Friedrichs 1973 97) Eine Variable ist dabei

ein veraumlnderliches Merkmal bei dem der

Merkmalstraumlger mindestens zwei Merkmalsshy

auspraumlgungen annehmen kann Inzwischen

wurde nicht zuletzt aufgrund methodologischshy

wissenschaftstheoretischer Diskussionen der

Begriff des Messens praumlzisiert Messen untershy

stellt die Existenz einer zumindest eindeutigen

Abbildung zwischen einem empirischen und eishy

nem numerischen Relativ (zB in Behnke et al

2006) 25 Dieses Zitat wurde bewusst gewaumlhlt um eishy

nen besonderen Aspekt der Diskussion rund um

die Darstellung sicherheitsrelevanter Problemshy

wahrnehmung darzustellen Zum Beispiel ist

die Kriminalstatistik taumlter- und tatorientiert

was in manchen Gruppen die Taumlterzahlen ershy

houmlht wenngleich dieselbe Gruppe auch die

groumlszligte Opfergruppe sein kann 26 Die Polizeiliche Kriminalstatistik liefert Inshy

formationen uumlber Art und Haumlufigkeit der bei

der Polizei angezeigten und von ihr bearbeiteshy

ten Straftaten und ermittelten Tatverdaumlchtigen

Allerdings muumlssen so getaumltigte Anzeigen zushy

naumlchst als Verdacht behandelt werden es hanshy

delt sich also eigentlich um eine Verdachtsstashy

tistik 27 Objektivitaumlt ist dabei eine notwendige aber

keine hinreichende Bedingung fuumlr Reliabilitaumlt

waumlhrend Reliabilitaumlt eine notwendige aber keishy

ne hinreichende Bedingung fuumlr Validitaumlt darshy

stellt 28 Im auf Karl Popper zuruumlckgehenden kritishy

schen Rationalismus unterscheiden sich Entdeshy

ckungs- (wie kommt man zu einer Theorie) Beshy

gruumlndungs- (wie uumlberpruumlft man eine Theorie)

und Verwertungszusammenhang (wie werden

die Ergebnisse eingesetzt) Diese Ausdifferenshy

zierung wirkt sich auch auf die Annahme der

Objektivitaumlt aus denn diese gilt nicht fuumlr den

gesamten Forschungsprozess sondern nur fuumlr

den methodologisch regelgeleiteten Begruumlnshy

dungszusammenhang fuumlr den auch die Wertshy

urteilsfreiheit erhoben wird Dieses Diktum

wird faumllschlicherweise zu oft auch fuumlr den Entshy

deckungs- und den Verwertungszusammenhang

angenommen Die theoretischen Grundlagen

eines Projektes und die Interpretation von Ershy

gebnissen genauso wie die Kontextualisierung

sind aber sehr wohl auch bei Popper wert- und

einstellungsgeleitet (ua SeipelRieker 2003

39 46 ff) 29 So koumlnnten neben Daten uumlber die Strafverfolshy

gung und den Strafvollzug auch Ursachenforshy

schungen fuumlr bestimmte Formen von Kriminalishy

taumlt mit in die Bewertung der Sicherheitslage

einbezogen werden 30 Anm Aumlquivalent zu amtlicher Statistik 31 In der Effizienzfalle gefangen macht man

dann die falschen Dinge richtig und blockiert

dadurch bessere Loumlsungen 32 Durch den heuristischen Charakter des Polishy

cy-Zyklus kann aber aus der Analyse einzelner

Phasen oder aufgrund spezifischer Perspektishy

ven kein umfassender Erklaumlrungsanspruch abshy

geleitet werden 33 Zitiert von httpwwwdefragovukscience

howevidencehtm am 21122008 34 Allerdings zeigen unterschiedliche Studien

dass die Annahme uumlber einen direkten Einfluss

sich nicht immer und in allen Faumlllen tatsaumlchlich

nachweisen laumlsst

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Delikten unterliegt Verwerfungen deren Kausalketten nicht immer leicht nachvollshyziehbar sind

Staatliche Regulierungsanshysaumltze stehen vor der Herausshy

forderung mit einem begrenzshyten Budget ein maximales Ziel

zu erreichen

Um diese Anforderungen bewaumlltigen zu koumlnnen sollte zwischen der Effizienz (bdquodie Dinge richtig tunldquo) und der Effektishyvitaumlt (bdquodie richtigen Dinge tunldquo) eine Bashylance gefunden werden31 Nur dadurch kann die Politik automatisch mehr politishysche Innovation und damit neue Gestalshytungsraumlume schaffen Dafuumlr bedarf es aber auch klar und praumlzise definierter und messbarer Ziele die verhindern dass ndash auch wenn formal richtig in Uumlbereinstimshymung mit zuvor definierten Regeln gehanshydelt wird ndash die falschen Dinge getan wershyden (GerberTeske 2000)

Die zentralen Fragestellungen der polishytikberatenden Policy-Analyse orientieren sich mehr oder weniger explizit an der heuristischen Gliederung des Policy-Zyklus Dabei stehen immer die tatsaumlchlishyche Wirkung politischer Intervention und die daraus zu ziehenden Schlussfolgerunshygen fuumlr den weiteren Verlauf des Policy Makings (Terminierung oder veraumlnderte Problemwahrnehmung) im Mittelpunkt der Betrachtungen (JannWegrich 2003 98 siehe ua Wollmann 1986)32 Im Proshyzess von EBP kann es zu unterschiedlichen Formen politischen Lernens kommen ndash mit unterschiedlichen Ruumlckwirkungen auf die Problemwahrnehmung und den sich anschlieszligenden Policy-Zyklus Ergebnis eines solchen Prozesses kann die Termishynierung eines politischen Programms sein

Ziel einer strukturierten Beobachtung zum Beispiel in der Form eines Monitoshyrings ist es der oumlffentlichen Hand wichtishy

ge Hinweise uumlber die tatsaumlchliche gesellshyschaftliche Situation zur Verfuumlgung zu stellen und damit die Politikgestaltung zielgerichteter und effizienter zu machen (siehe auch GerberTeske 2000) Jedoch muumlssen dabei die Wirkungsketten analyshysiert werden und die Politik darf sich im Sinne der Evidenzbasierung nicht mit der Produktion akademisierten Wissens zushyfrieden geben Insofern muss eine Erheshybung Beobachtung oder Erfassung von empirischen Fakten sowohl theoretisch abshygesichtert sein als auch zu kausalanalytishyschen Schlussfolgerungen fuumlhren Die Wirkung einer Maszlignahme kann so fakshytisch nur im Zeitvergleich erfolgen

Fuumlr einen Politikprozess koumlnnen diese Evidenzen dann sinnvoll interpretiert wershyden wenn sie bereits in der Erhebungssishytuation und dann in der Folge auch in der Auswertung und Interpretation in ihren spezifisch politisch-regulativen Kontext gesetzt werden bdquoPolicies are based on a sound and comprehensive understanding of the evidence available at the time and developing a strategy to maintain and up-date as necessary the evidence base for fushyture strategy and policyldquo33

Da insbesondere die Interpretationen jeglicher Daten von einem bestimmten theoretischen als auch praktischen Konshytextwissen abhaumlngig sind ist es unabdingshybar den politischen administrativen und gesellschaftlichen Zusammenhang zu beshyruumlcksichtigen um so die breitest moumlgliche Basis fuumlr die Interpretationen und Maszligshynahmenentwicklung zu erreichen und falshysche Schlussfolgerungen zu vermeiden

Mit der Polizeilichen Kriminalstatistik sind zwar im Moment kaum mehr als rein deskriptive Beschreibungen moumlglich denshynoch koumlnnen durch die Beobachtung uumlber Zeit Entwicklungstrends ausgemacht wershyden die fuumlr unterschiedliche Gruppen und in unterschiedlichen Bereichen durchaus verschieden sein koumlnnen

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Diese Herangehensweise laumlsst sich auch auf die Polizeiliche Kriminalstatistik anshywenden die ja der Kriminalitaumltsvorbeushygung und Kriminalitaumltsbekaumlmpfung dient Die Herangehensweise der Wissensbasieshyrung zielt auf die Problemanalyse ab und fordert dazu auf jene Prioritaumlten der Polishytikgestaltung zu identifizieren bzw etashyblierte Maszlignahmen auf ihre Effektivitaumlt hin zu uumlberpruumlfen die auch aus wissenshyschaftlich-theoretischer Sicht von Interesshyse sind Ausgehend von der Interpretation und Darstellung der Daten kann dann eine politisch-kommunikative und strategischshyoperative Gesamtdarstellung der zukuumlnftishygen Aufgaben der Sicherheitsbehoumlrden und des verantwortlichen Ministeriums ershyarbeitet werden Eine Abgrenzung politishyscher Oumlffentlichkeitsarbeit von nicht-polishytischer Oumlffentlichkeitsarbeit oder von politischem Handeln ohne dominierenden Kommunikationscharakter ist dabei aber kaum moumlglich bdquoPolitische Oumlffentlichshykeitsarbeit ist das Kommunikationsmashynagement der Beziehungen politischer Organisationen zu ihren Bezugsgrupshypenldquo (Schulz 2008 307)

Die sinnvolle Interpretation der Polizeishylichen Kriminalitaumltsstatistik im Sinne eishyner evidenzbasierten Politikgestaltung

muss jene Information erheben die nicht allein in der Feststellung von Trends endet sondern die Aufklaumlrung uumlber die Wirkshysamkeit der politischen Regulierungen ershymoumlglicht denn nicht jeder Trend ist direkt ablesbar und nicht jede direkt ablesbare Information ist auch ein Trend

Durch die Beruumlcksichtigung empirisch uumlberpruumlften theoretischen Wissens auch fuumlr eine nachfolgende Veroumlffentlichungsshystrategie kann die Uumlberbewertung diskurshysiv vermittelter Einzelfaumllle relativiert oder sogar unterdruumlckt werden bzw die veroumlfshyfentlichte Meinung aufgrund objektiviershybarer Daten als irrefuumlhrend entlarvt wershyden Allerdings folgt die Interpretation und Diskussion der praumlsentierten Ergebshynisse dann in der Regel einer anderen Logik naumlmlich jener der Medienoumlffentshylichkeit Da vom rein wissenschaftlichen Standpunkt aus die Behauptung formuliert werden kann dass Oumlffentlichkeitsarbeit dazu beitraumlgt oumlffentliche Diskurse insbeshysondere thematisch und in ihrem Timing zu beeinflussen34 sollte die Darstellung der Ist-Situation der Kriminalitaumltslage mit der Praumlsentation evidenzbasiert erarbeiteshyter Loumlsungsansaumltze verknuumlpft werden um zu sinnvollen Aussagen zu gelangen

1 Bundeskriminalamt 2006 3 2 Der Autor bedankt sich fuumlr das konshy

struktive Feedback und die Hinweise bei

Maxi Nachtigall MA (Joint Programshy

me Secretariat Northern Periphery Proshy

gramme Copenhagen) und Maga Martina

Zandonella (SORA) 3 Diese sind abrufbar unter httpwww

bmigvatcmsBKpublikationen

krim_ statistikstartaspx 4 Exemplarisch an dieser Stelle eine beshy

sonders drastisch formulierte Aussenshy

dung httpwwwotsatpresseaussendung

OTS_20090508_OTS0230 5 Im Verlauf dieses Beitrags wird das

Konzept des bdquoevidence based Policy Mashy

kingldquo auch unter den Begriffen bdquoevidence

based practiceldquo (in der Abkuumlrzung EBP)

und bdquowissensbasierte Politikgestaltungldquo

verwendet da diese das gleiche Konzept

beschreiben Das Konzept kommt urshy

spruumlnglich aus der Gesundheitsforschung

(dort bdquoevidence based practiceldquo) und

wurde inzwischen auf andere Forshy

13

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schungsgebiete wie verwaltungs- oder

politikwissenschaftliche Ansaumltze uumlbershy

tragen Siehe unter anderem httpwww

odiorgukRAPIDBibliographiesEBP

docsEBP_lit_review_webpdf Zugriff

am 20122008 oder auch Muir Gray

(2001) 6 Ein Indikator kann aus einer Variablen

ebenso bestehen wie aus einem ganzen

Set von Variablen Er kann aufgrund

qualitativer Informationen erarbeitet

werden wie er durch numerische Datenshy

sammlungen erstellt werden kann Da

sich die Realitaumlt nicht immer eindeutig

durch qualitative und quantitative Vershy

fahren beschreiben laumlsst macht es auch

keinen Sinn nur auf quantitative oder

qualitative Informationsgewinnung zu

vertrauen Der Zugang zur Wirklichkeit

stellt dabei die groszlige Huumlrde nicht nur

fuumlr die Art der Datengenerierung dar

sondern muss auch bei der Stichprobenshy

konstruktion beruumlcksichtigt werden 7 Diese werden aus soziologischen oumlkoshy

nomischen oder ethnologischen Theoshy

rien abgeleitet und dem eigentlich beshy

deutsamen Maszligstab ndash den realen

Entwicklungen ndash gegenuumlbergestellt 8 Auch wenn sich EBP vor allem in der

Gesundheitspolitik durchgesetzt hat

(siehe dazu Muir Gray 2001) so kann

der Ansatz auf jede Form der oumlffentlichen

Intervention administrativer Vorgaumlnge

oder regulativen staatlichen Handelns

angewendet werden 9 Zentrale Ziele dieses Weiszligbuches

waren a) die Einfuumlhrung der Folgenshy

abschaumltzung b) der Ausbau der oumlffentshy

lichen Konsultationen c) die Vereinshy

fachung der Gesetzgebung um den

Aufwand an Buumlrokratie zu reduzieren

(Kommission der Europaumlischen Gemeinshy

schaften 2001) 10 Kommission der Europaumlischen Geshy

meinschaften 2002a Kommission der

Europaumlischen Gemeinschaften 2002b

11 Kommission der Europaumlischen Geshy

meinschaften 2002a 12 European Commission 2005 13 Unter dem Begriff bdquopractitionersldquo

wird eine AkteurIn verstanden der oder

die regulative bzw innovative Handlunshy

gen setzen kann um so in das Leben einer

weiteren Person oder einer Gruppe von

Personen also Klienten einzugreifen 14 Auch wenn die einzelnen Schritte der

Uumlbersichtlichkeit halber hier getrennt

voneinander dargestellt wurden sind

sie sehr eng miteinander verwoben und

verdeutlichen die besondere Beziehung

von KlientInnen ExpertInnen und Wisshy

senschafterInnen die in ihrer jeweiligen

Perspektive und Expertise den Gesamtshy

prozess der EBP beeinflussen 15 Da Handeln nicht frei ist von den polishy

tischen Kontexten in denen es ablaumluft

kann behauptet werden dass Regulieshy

rungen oftmals eher von politischen Vorshy

stellungen als von klarenrealen Zielshy

vorstellungen geleitet sind Um einem

Argument gleich an dieser Stelle zu beshy

gegnen soll festgehalten werden dass

auch die Definition eines bestimmten

Handlungsziels ein normativer Prozess

ist Gleichzeitig kommt jede politische

Regulierung aber aufgrund bestimmter

Wissensbestaumlnde zu Stande Daraus ershy

gibt sich die Frage ob dieser Wissensbeshy

stand Teil eines Prozesses ist der eine

bestimmte (politische) Zielsetzung vershy

folgt und damit ausreichende Begruumlnshy

dungsqualitaumlt aufweist Politische Entshy

scheidungen werden durch eine Vielzahl

von Faktoren beeinflusst und es gilt jene

Wissensgrundlage zu schaffen die breit

genug gefasst ist um ein Buumlndel an

Handlungsoptionen aufzuwerfen (vgl

GerberTeske 2000) Diese Optionen

dienen dann als Grundlage fuumlr Entshy

scheidungen die zukuumlnftige Szenarien

der Nachhaltigkeit beruumlcksichtigen und

der Effektivitaumlt unterliegen ndash denn sie

sollen eine bestimmte Zielsetzung mit

einem praumlzisen Aufwand an Ressourcen

auch erreichen 16 Auch in der oumlsterreichischen Politikgeshy

staltung werden empirische Evidenzen

immer wieder herangezogen um die Poshy

litikgestaltung zu uumlberpruumlfen und weishy

terzuentwickeln zum Beispiel im Fall

des KonsumentInnenbarometers des

Bundesministeriums fuumlr Arbeit Soziales

und Konsumentenschutz oder die untershy

schiedlichen Studien wie PIRLS TIMMS

PISA die das Bundesinstitut fuumlr Bilshy

dungsforschung Innovation amp Entwickshy

lung des oumlsterreichischen Schulwesens

(BIFIE) fuumlr das Bundesministerium fuumlr

Unterricht Kunst und Kultur durchshy

fuumlhrt 17 Abhaumlngig von der Qualitaumlt ihrer

Sammlung 18 Zitiert von httpwwwdefragovuk

sciencehowevidencehtm am 21122008 19 Zum Beispiel in Alltags- und Fachshy

wissen uumlber informelles explizites oder

ruhendes Wissen 20 Fuumlr den Bereich Bildung siehe Lassnigg

2009 21 Statistik ist der Inbegriff theoretisch

fundierter empirischer objektivierbarer

Daten (Menges 1982 19) 22 Ausgeloumlste Statistiken werden von stashy

tistischen Aumlmtern erhoben und aufbereishy

tet und somit der Oumlffentlichkeit zugaumlngshy

lich gemacht Neben Primaumlrstatistiken

gibt es auch Sekundaumlrstatistiken die leshy

diglich Auswertungen beschreiben die

auf der Grundlage von bereits erhobeshy

nen Daten erfolgen 23 Bundesstatistikgesetz 2000 StF BGBl I

Nr 1631999 idF BGBl I Nr 1362001

BGBl I Nr 712003 und BGBl I Nr

922007 24 Messen ist die systematische Zuordshy

nung einer Menge von Zahlen oder

Symbolen zu den Auspraumlgungen einer

Variablen mithin auch zu den Objekten

14

SIAK-JOURNAL 12010

(Friedrichs 1973 97) Eine Variable ist dabei

ein veraumlnderliches Merkmal bei dem der

Merkmalstraumlger mindestens zwei Merkmalsshy

auspraumlgungen annehmen kann Inzwischen

wurde nicht zuletzt aufgrund methodologischshy

wissenschaftstheoretischer Diskussionen der

Begriff des Messens praumlzisiert Messen untershy

stellt die Existenz einer zumindest eindeutigen

Abbildung zwischen einem empirischen und eishy

nem numerischen Relativ (zB in Behnke et al

2006) 25 Dieses Zitat wurde bewusst gewaumlhlt um eishy

nen besonderen Aspekt der Diskussion rund um

die Darstellung sicherheitsrelevanter Problemshy

wahrnehmung darzustellen Zum Beispiel ist

die Kriminalstatistik taumlter- und tatorientiert

was in manchen Gruppen die Taumlterzahlen ershy

houmlht wenngleich dieselbe Gruppe auch die

groumlszligte Opfergruppe sein kann 26 Die Polizeiliche Kriminalstatistik liefert Inshy

formationen uumlber Art und Haumlufigkeit der bei

der Polizei angezeigten und von ihr bearbeiteshy

ten Straftaten und ermittelten Tatverdaumlchtigen

Allerdings muumlssen so getaumltigte Anzeigen zushy

naumlchst als Verdacht behandelt werden es hanshy

delt sich also eigentlich um eine Verdachtsstashy

tistik 27 Objektivitaumlt ist dabei eine notwendige aber

keine hinreichende Bedingung fuumlr Reliabilitaumlt

waumlhrend Reliabilitaumlt eine notwendige aber keishy

ne hinreichende Bedingung fuumlr Validitaumlt darshy

stellt 28 Im auf Karl Popper zuruumlckgehenden kritishy

schen Rationalismus unterscheiden sich Entdeshy

ckungs- (wie kommt man zu einer Theorie) Beshy

gruumlndungs- (wie uumlberpruumlft man eine Theorie)

und Verwertungszusammenhang (wie werden

die Ergebnisse eingesetzt) Diese Ausdifferenshy

zierung wirkt sich auch auf die Annahme der

Objektivitaumlt aus denn diese gilt nicht fuumlr den

gesamten Forschungsprozess sondern nur fuumlr

den methodologisch regelgeleiteten Begruumlnshy

dungszusammenhang fuumlr den auch die Wertshy

urteilsfreiheit erhoben wird Dieses Diktum

wird faumllschlicherweise zu oft auch fuumlr den Entshy

deckungs- und den Verwertungszusammenhang

angenommen Die theoretischen Grundlagen

eines Projektes und die Interpretation von Ershy

gebnissen genauso wie die Kontextualisierung

sind aber sehr wohl auch bei Popper wert- und

einstellungsgeleitet (ua SeipelRieker 2003

39 46 ff) 29 So koumlnnten neben Daten uumlber die Strafverfolshy

gung und den Strafvollzug auch Ursachenforshy

schungen fuumlr bestimmte Formen von Kriminalishy

taumlt mit in die Bewertung der Sicherheitslage

einbezogen werden 30 Anm Aumlquivalent zu amtlicher Statistik 31 In der Effizienzfalle gefangen macht man

dann die falschen Dinge richtig und blockiert

dadurch bessere Loumlsungen 32 Durch den heuristischen Charakter des Polishy

cy-Zyklus kann aber aus der Analyse einzelner

Phasen oder aufgrund spezifischer Perspektishy

ven kein umfassender Erklaumlrungsanspruch abshy

geleitet werden 33 Zitiert von httpwwwdefragovukscience

howevidencehtm am 21122008 34 Allerdings zeigen unterschiedliche Studien

dass die Annahme uumlber einen direkten Einfluss

sich nicht immer und in allen Faumlllen tatsaumlchlich

nachweisen laumlsst

Quellenangaben

Behnke JBaur NBehnke N (2006) Empirische

Methoden der Politikwissenschaft Paderborn

Behrens M (2003) Quantitative und qualitative

Methoden in der Politikfeldanalyse in Schubert

KBandelow N C (Hg) Lehrbuch der Politikshy

feldanalyse MuumlnchenWien 208ndash235

Brown B VCorbett T (1997) Social Indicashy

tors and Public Policy in the Age of Devolution

in IRP Special Report Series Institute for Reshy

search on Poverty

Bundeskriminalamt (2006) Zweiter Periodishy

scher Sicherheitsbericht Wiesbaden

Friedrichs J (1973) Methoden der empirishy

schen Sozialforschung Reinbek

Gerber B JTeske P (2000) Regulatory Polishy

cymaking in the American States A Review of

Theories and Evidence Political Research

Quarterly (53 4) 849ndash886

15

SIAK-JOURNAL

16

12010

Heritier A (1993) Policy-Analyse Kritik und

Neuorientierung Politische Vierteljahresschrift ndash

Sonderheft (24) 9ndash36

Jahn D (2006) Einfuumlhrung in die Vergleichenshy

de Politikwissenschaft Wiesbaden

Jann WWegrich K (2003) Phasenmodelle

und Politikprozesse Der Policy Cycle in

Bandelow N C (Hg) Lehrbuch der Politikshy

feldanalyse MuumlnchenWien 71ndash106

Jarren O (1998) Medien Mediensystem und

die politische Oumlffentlichkeit im Wandel in

Sarcinelli U (Hg) Politikvermittlung und

Demokratie in der Mediengesellschaft Beishy

traumlge zur politischen Kommunikationskultur

Opladen 74ndash96

Jarren ODonges P (2006) Politische Komshy

munikation in der Mediengesellschaft Eine

Einfuumlhrung Wiesbaden

Kommission der Europaumlischen Gemeinschaften

(2001) Europaumlisches Regieren ndash Ein Weiszligbuch

25072001 KOM(2001)428 endguumlltig Bruumlssel

Kommission der Europaumlischen Gemeinschaften

(2002a) Mitteilung der Kommission bdquoAktionsshy

plan Vereinfachung und Verbesserung des Regeshy

lungsumfeldsldquo 05062002 KOM(2002)278

endguumlltig Bruumlssel

Kommission der Europaumlischen Gemeinschaften

(2002b) Mitteilung der Kommission bdquoEuroshy

paumlisches Regieren Bessere Rechtsetzungldquo

06062002 KOM(2002)275 endguumlltig2 Bruumlssel

Lassnigg L (2009) Oumlkonomisierung des Lershy

nens und Vertreibung der Bildung bdquoLifelong

Learningldquo und bdquoevidence-based PolicyPracshy

ticeldquo MAGAZIN erwachsenenbildungat (78ndash

2009)

Lorenz H (2009) Amtliche Statistik

httpwwwhistorisches-lexikon-bayernsde

artikelartikel_44809 (abgerufen 18102009)

Mayntz R (Hg) (1983) Implementation politishy

scher Programme (II) Ansaumltze zur Theoriebilshy

dung Opladen

Menges G (1982) Die Statistik Wiesbaden

Muir Gray J A (2001) Evidence-based practice

for the helping professions Pacific GroveCA

Opp K-D (2005) Methodologie der Sozialshy

wissenschaften Einfuumlhrung in Probleme ihrer

Theoriebildung und praktische Anwendungen

Wiesbaden

Rubin A (2008) Practitionerrsquos Guide to Using

Research for Evidence-Based Practice New

York

Schubert K (1991) Politikfeldanalyse Opladen

Schulz W (2008) Politische Kommunikation

Theoretische Ansaumltze und Ergebnisse empirishy

scher Forschung Wiesbaden

Seiden-Pielen EFarin K (1994) Die Scharfshy

macher Schauplatz innere Sicherheit Berlin

Seipel CRieker P (2003) Integrative Sozialshy

forschung Konzepte und Methoden der qualitashy

tiven und quantitativen empirischen Forschung

WeinheimMuumlnchen

Statistik Austria (2008) Standard-Dokumentashy

tion Metainformationen (Definitionen Erlaumlushy

terungen Methoden Qualitaumlt) zur Gerichtlishy

chen Kriminalstatistik Wien

Wagner G G (2007) Die Beeinflussung der

Erhebungsprogramme der amtlichen Statistik

durch die akademische Wissenschaft ndash Das Beishy

spiel der Volkszaumlhlung 20102011

Wagschal U (1999) Statistik fuumlr Politikwissenshy

schaftler MuumlnchenWien

Wollmann H (1986) Gesetzgebung als experishy

mentelle Politik ndash Moumlglichkeiten Varianten und

Grenzen erfahrungswissenschaftlich fundierter

Gesetzgebungsarbeit in Schreckenberger W

(Hg) Gesetzgebungslehre Grundlagen ndash Zushy

gaumlnge ndash Anwendung Stuttgart 72ndash95

Wollmann H (2003) Kontrolle in Politik und

Verwaltung Evaluation Controlling und Wisshy

sensnutzen in Schubert KBandelow N C

(Hg) Lehrbuch der Politikfeldanalyse Muumlnchen

Wien 335ndash360

Page 11: Polizeiliche Kriminalstatistik. Im Spannungsfeld von ... · provisions involve selecting an interventi on to provide, practitioners will attempt to maximize the likelihood that their

12010 SIAK-JOURNAL

Diese Herangehensweise laumlsst sich auch auf die Polizeiliche Kriminalstatistik anshywenden die ja der Kriminalitaumltsvorbeushygung und Kriminalitaumltsbekaumlmpfung dient Die Herangehensweise der Wissensbasieshyrung zielt auf die Problemanalyse ab und fordert dazu auf jene Prioritaumlten der Polishytikgestaltung zu identifizieren bzw etashyblierte Maszlignahmen auf ihre Effektivitaumlt hin zu uumlberpruumlfen die auch aus wissenshyschaftlich-theoretischer Sicht von Interesshyse sind Ausgehend von der Interpretation und Darstellung der Daten kann dann eine politisch-kommunikative und strategischshyoperative Gesamtdarstellung der zukuumlnftishygen Aufgaben der Sicherheitsbehoumlrden und des verantwortlichen Ministeriums ershyarbeitet werden Eine Abgrenzung politishyscher Oumlffentlichkeitsarbeit von nicht-polishytischer Oumlffentlichkeitsarbeit oder von politischem Handeln ohne dominierenden Kommunikationscharakter ist dabei aber kaum moumlglich bdquoPolitische Oumlffentlichshykeitsarbeit ist das Kommunikationsmashynagement der Beziehungen politischer Organisationen zu ihren Bezugsgrupshypenldquo (Schulz 2008 307)

Die sinnvolle Interpretation der Polizeishylichen Kriminalitaumltsstatistik im Sinne eishyner evidenzbasierten Politikgestaltung

muss jene Information erheben die nicht allein in der Feststellung von Trends endet sondern die Aufklaumlrung uumlber die Wirkshysamkeit der politischen Regulierungen ershymoumlglicht denn nicht jeder Trend ist direkt ablesbar und nicht jede direkt ablesbare Information ist auch ein Trend

Durch die Beruumlcksichtigung empirisch uumlberpruumlften theoretischen Wissens auch fuumlr eine nachfolgende Veroumlffentlichungsshystrategie kann die Uumlberbewertung diskurshysiv vermittelter Einzelfaumllle relativiert oder sogar unterdruumlckt werden bzw die veroumlfshyfentlichte Meinung aufgrund objektiviershybarer Daten als irrefuumlhrend entlarvt wershyden Allerdings folgt die Interpretation und Diskussion der praumlsentierten Ergebshynisse dann in der Regel einer anderen Logik naumlmlich jener der Medienoumlffentshylichkeit Da vom rein wissenschaftlichen Standpunkt aus die Behauptung formuliert werden kann dass Oumlffentlichkeitsarbeit dazu beitraumlgt oumlffentliche Diskurse insbeshysondere thematisch und in ihrem Timing zu beeinflussen34 sollte die Darstellung der Ist-Situation der Kriminalitaumltslage mit der Praumlsentation evidenzbasiert erarbeiteshyter Loumlsungsansaumltze verknuumlpft werden um zu sinnvollen Aussagen zu gelangen

1 Bundeskriminalamt 2006 3 2 Der Autor bedankt sich fuumlr das konshy

struktive Feedback und die Hinweise bei

Maxi Nachtigall MA (Joint Programshy

me Secretariat Northern Periphery Proshy

gramme Copenhagen) und Maga Martina

Zandonella (SORA) 3 Diese sind abrufbar unter httpwww

bmigvatcmsBKpublikationen

krim_ statistikstartaspx 4 Exemplarisch an dieser Stelle eine beshy

sonders drastisch formulierte Aussenshy

dung httpwwwotsatpresseaussendung

OTS_20090508_OTS0230 5 Im Verlauf dieses Beitrags wird das

Konzept des bdquoevidence based Policy Mashy

kingldquo auch unter den Begriffen bdquoevidence

based practiceldquo (in der Abkuumlrzung EBP)

und bdquowissensbasierte Politikgestaltungldquo

verwendet da diese das gleiche Konzept

beschreiben Das Konzept kommt urshy

spruumlnglich aus der Gesundheitsforschung

(dort bdquoevidence based practiceldquo) und

wurde inzwischen auf andere Forshy

13

SIAK-JOURNAL 12010

schungsgebiete wie verwaltungs- oder

politikwissenschaftliche Ansaumltze uumlbershy

tragen Siehe unter anderem httpwww

odiorgukRAPIDBibliographiesEBP

docsEBP_lit_review_webpdf Zugriff

am 20122008 oder auch Muir Gray

(2001) 6 Ein Indikator kann aus einer Variablen

ebenso bestehen wie aus einem ganzen

Set von Variablen Er kann aufgrund

qualitativer Informationen erarbeitet

werden wie er durch numerische Datenshy

sammlungen erstellt werden kann Da

sich die Realitaumlt nicht immer eindeutig

durch qualitative und quantitative Vershy

fahren beschreiben laumlsst macht es auch

keinen Sinn nur auf quantitative oder

qualitative Informationsgewinnung zu

vertrauen Der Zugang zur Wirklichkeit

stellt dabei die groszlige Huumlrde nicht nur

fuumlr die Art der Datengenerierung dar

sondern muss auch bei der Stichprobenshy

konstruktion beruumlcksichtigt werden 7 Diese werden aus soziologischen oumlkoshy

nomischen oder ethnologischen Theoshy

rien abgeleitet und dem eigentlich beshy

deutsamen Maszligstab ndash den realen

Entwicklungen ndash gegenuumlbergestellt 8 Auch wenn sich EBP vor allem in der

Gesundheitspolitik durchgesetzt hat

(siehe dazu Muir Gray 2001) so kann

der Ansatz auf jede Form der oumlffentlichen

Intervention administrativer Vorgaumlnge

oder regulativen staatlichen Handelns

angewendet werden 9 Zentrale Ziele dieses Weiszligbuches

waren a) die Einfuumlhrung der Folgenshy

abschaumltzung b) der Ausbau der oumlffentshy

lichen Konsultationen c) die Vereinshy

fachung der Gesetzgebung um den

Aufwand an Buumlrokratie zu reduzieren

(Kommission der Europaumlischen Gemeinshy

schaften 2001) 10 Kommission der Europaumlischen Geshy

meinschaften 2002a Kommission der

Europaumlischen Gemeinschaften 2002b

11 Kommission der Europaumlischen Geshy

meinschaften 2002a 12 European Commission 2005 13 Unter dem Begriff bdquopractitionersldquo

wird eine AkteurIn verstanden der oder

die regulative bzw innovative Handlunshy

gen setzen kann um so in das Leben einer

weiteren Person oder einer Gruppe von

Personen also Klienten einzugreifen 14 Auch wenn die einzelnen Schritte der

Uumlbersichtlichkeit halber hier getrennt

voneinander dargestellt wurden sind

sie sehr eng miteinander verwoben und

verdeutlichen die besondere Beziehung

von KlientInnen ExpertInnen und Wisshy

senschafterInnen die in ihrer jeweiligen

Perspektive und Expertise den Gesamtshy

prozess der EBP beeinflussen 15 Da Handeln nicht frei ist von den polishy

tischen Kontexten in denen es ablaumluft

kann behauptet werden dass Regulieshy

rungen oftmals eher von politischen Vorshy

stellungen als von klarenrealen Zielshy

vorstellungen geleitet sind Um einem

Argument gleich an dieser Stelle zu beshy

gegnen soll festgehalten werden dass

auch die Definition eines bestimmten

Handlungsziels ein normativer Prozess

ist Gleichzeitig kommt jede politische

Regulierung aber aufgrund bestimmter

Wissensbestaumlnde zu Stande Daraus ershy

gibt sich die Frage ob dieser Wissensbeshy

stand Teil eines Prozesses ist der eine

bestimmte (politische) Zielsetzung vershy

folgt und damit ausreichende Begruumlnshy

dungsqualitaumlt aufweist Politische Entshy

scheidungen werden durch eine Vielzahl

von Faktoren beeinflusst und es gilt jene

Wissensgrundlage zu schaffen die breit

genug gefasst ist um ein Buumlndel an

Handlungsoptionen aufzuwerfen (vgl

GerberTeske 2000) Diese Optionen

dienen dann als Grundlage fuumlr Entshy

scheidungen die zukuumlnftige Szenarien

der Nachhaltigkeit beruumlcksichtigen und

der Effektivitaumlt unterliegen ndash denn sie

sollen eine bestimmte Zielsetzung mit

einem praumlzisen Aufwand an Ressourcen

auch erreichen 16 Auch in der oumlsterreichischen Politikgeshy

staltung werden empirische Evidenzen

immer wieder herangezogen um die Poshy

litikgestaltung zu uumlberpruumlfen und weishy

terzuentwickeln zum Beispiel im Fall

des KonsumentInnenbarometers des

Bundesministeriums fuumlr Arbeit Soziales

und Konsumentenschutz oder die untershy

schiedlichen Studien wie PIRLS TIMMS

PISA die das Bundesinstitut fuumlr Bilshy

dungsforschung Innovation amp Entwickshy

lung des oumlsterreichischen Schulwesens

(BIFIE) fuumlr das Bundesministerium fuumlr

Unterricht Kunst und Kultur durchshy

fuumlhrt 17 Abhaumlngig von der Qualitaumlt ihrer

Sammlung 18 Zitiert von httpwwwdefragovuk

sciencehowevidencehtm am 21122008 19 Zum Beispiel in Alltags- und Fachshy

wissen uumlber informelles explizites oder

ruhendes Wissen 20 Fuumlr den Bereich Bildung siehe Lassnigg

2009 21 Statistik ist der Inbegriff theoretisch

fundierter empirischer objektivierbarer

Daten (Menges 1982 19) 22 Ausgeloumlste Statistiken werden von stashy

tistischen Aumlmtern erhoben und aufbereishy

tet und somit der Oumlffentlichkeit zugaumlngshy

lich gemacht Neben Primaumlrstatistiken

gibt es auch Sekundaumlrstatistiken die leshy

diglich Auswertungen beschreiben die

auf der Grundlage von bereits erhobeshy

nen Daten erfolgen 23 Bundesstatistikgesetz 2000 StF BGBl I

Nr 1631999 idF BGBl I Nr 1362001

BGBl I Nr 712003 und BGBl I Nr

922007 24 Messen ist die systematische Zuordshy

nung einer Menge von Zahlen oder

Symbolen zu den Auspraumlgungen einer

Variablen mithin auch zu den Objekten

14

SIAK-JOURNAL 12010

(Friedrichs 1973 97) Eine Variable ist dabei

ein veraumlnderliches Merkmal bei dem der

Merkmalstraumlger mindestens zwei Merkmalsshy

auspraumlgungen annehmen kann Inzwischen

wurde nicht zuletzt aufgrund methodologischshy

wissenschaftstheoretischer Diskussionen der

Begriff des Messens praumlzisiert Messen untershy

stellt die Existenz einer zumindest eindeutigen

Abbildung zwischen einem empirischen und eishy

nem numerischen Relativ (zB in Behnke et al

2006) 25 Dieses Zitat wurde bewusst gewaumlhlt um eishy

nen besonderen Aspekt der Diskussion rund um

die Darstellung sicherheitsrelevanter Problemshy

wahrnehmung darzustellen Zum Beispiel ist

die Kriminalstatistik taumlter- und tatorientiert

was in manchen Gruppen die Taumlterzahlen ershy

houmlht wenngleich dieselbe Gruppe auch die

groumlszligte Opfergruppe sein kann 26 Die Polizeiliche Kriminalstatistik liefert Inshy

formationen uumlber Art und Haumlufigkeit der bei

der Polizei angezeigten und von ihr bearbeiteshy

ten Straftaten und ermittelten Tatverdaumlchtigen

Allerdings muumlssen so getaumltigte Anzeigen zushy

naumlchst als Verdacht behandelt werden es hanshy

delt sich also eigentlich um eine Verdachtsstashy

tistik 27 Objektivitaumlt ist dabei eine notwendige aber

keine hinreichende Bedingung fuumlr Reliabilitaumlt

waumlhrend Reliabilitaumlt eine notwendige aber keishy

ne hinreichende Bedingung fuumlr Validitaumlt darshy

stellt 28 Im auf Karl Popper zuruumlckgehenden kritishy

schen Rationalismus unterscheiden sich Entdeshy

ckungs- (wie kommt man zu einer Theorie) Beshy

gruumlndungs- (wie uumlberpruumlft man eine Theorie)

und Verwertungszusammenhang (wie werden

die Ergebnisse eingesetzt) Diese Ausdifferenshy

zierung wirkt sich auch auf die Annahme der

Objektivitaumlt aus denn diese gilt nicht fuumlr den

gesamten Forschungsprozess sondern nur fuumlr

den methodologisch regelgeleiteten Begruumlnshy

dungszusammenhang fuumlr den auch die Wertshy

urteilsfreiheit erhoben wird Dieses Diktum

wird faumllschlicherweise zu oft auch fuumlr den Entshy

deckungs- und den Verwertungszusammenhang

angenommen Die theoretischen Grundlagen

eines Projektes und die Interpretation von Ershy

gebnissen genauso wie die Kontextualisierung

sind aber sehr wohl auch bei Popper wert- und

einstellungsgeleitet (ua SeipelRieker 2003

39 46 ff) 29 So koumlnnten neben Daten uumlber die Strafverfolshy

gung und den Strafvollzug auch Ursachenforshy

schungen fuumlr bestimmte Formen von Kriminalishy

taumlt mit in die Bewertung der Sicherheitslage

einbezogen werden 30 Anm Aumlquivalent zu amtlicher Statistik 31 In der Effizienzfalle gefangen macht man

dann die falschen Dinge richtig und blockiert

dadurch bessere Loumlsungen 32 Durch den heuristischen Charakter des Polishy

cy-Zyklus kann aber aus der Analyse einzelner

Phasen oder aufgrund spezifischer Perspektishy

ven kein umfassender Erklaumlrungsanspruch abshy

geleitet werden 33 Zitiert von httpwwwdefragovukscience

howevidencehtm am 21122008 34 Allerdings zeigen unterschiedliche Studien

dass die Annahme uumlber einen direkten Einfluss

sich nicht immer und in allen Faumlllen tatsaumlchlich

nachweisen laumlsst

Quellenangaben

Behnke JBaur NBehnke N (2006) Empirische

Methoden der Politikwissenschaft Paderborn

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Methoden in der Politikfeldanalyse in Schubert

KBandelow N C (Hg) Lehrbuch der Politikshy

feldanalyse MuumlnchenWien 208ndash235

Brown B VCorbett T (1997) Social Indicashy

tors and Public Policy in the Age of Devolution

in IRP Special Report Series Institute for Reshy

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Friedrichs J (1973) Methoden der empirishy

schen Sozialforschung Reinbek

Gerber B JTeske P (2000) Regulatory Polishy

cymaking in the American States A Review of

Theories and Evidence Political Research

Quarterly (53 4) 849ndash886

15

SIAK-JOURNAL

16

12010

Heritier A (1993) Policy-Analyse Kritik und

Neuorientierung Politische Vierteljahresschrift ndash

Sonderheft (24) 9ndash36

Jahn D (2006) Einfuumlhrung in die Vergleichenshy

de Politikwissenschaft Wiesbaden

Jann WWegrich K (2003) Phasenmodelle

und Politikprozesse Der Policy Cycle in

Bandelow N C (Hg) Lehrbuch der Politikshy

feldanalyse MuumlnchenWien 71ndash106

Jarren O (1998) Medien Mediensystem und

die politische Oumlffentlichkeit im Wandel in

Sarcinelli U (Hg) Politikvermittlung und

Demokratie in der Mediengesellschaft Beishy

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munikation in der Mediengesellschaft Eine

Einfuumlhrung Wiesbaden

Kommission der Europaumlischen Gemeinschaften

(2001) Europaumlisches Regieren ndash Ein Weiszligbuch

25072001 KOM(2001)428 endguumlltig Bruumlssel

Kommission der Europaumlischen Gemeinschaften

(2002a) Mitteilung der Kommission bdquoAktionsshy

plan Vereinfachung und Verbesserung des Regeshy

lungsumfeldsldquo 05062002 KOM(2002)278

endguumlltig Bruumlssel

Kommission der Europaumlischen Gemeinschaften

(2002b) Mitteilung der Kommission bdquoEuroshy

paumlisches Regieren Bessere Rechtsetzungldquo

06062002 KOM(2002)275 endguumlltig2 Bruumlssel

Lassnigg L (2009) Oumlkonomisierung des Lershy

nens und Vertreibung der Bildung bdquoLifelong

Learningldquo und bdquoevidence-based PolicyPracshy

ticeldquo MAGAZIN erwachsenenbildungat (78ndash

2009)

Lorenz H (2009) Amtliche Statistik

httpwwwhistorisches-lexikon-bayernsde

artikelartikel_44809 (abgerufen 18102009)

Mayntz R (Hg) (1983) Implementation politishy

scher Programme (II) Ansaumltze zur Theoriebilshy

dung Opladen

Menges G (1982) Die Statistik Wiesbaden

Muir Gray J A (2001) Evidence-based practice

for the helping professions Pacific GroveCA

Opp K-D (2005) Methodologie der Sozialshy

wissenschaften Einfuumlhrung in Probleme ihrer

Theoriebildung und praktische Anwendungen

Wiesbaden

Rubin A (2008) Practitionerrsquos Guide to Using

Research for Evidence-Based Practice New

York

Schubert K (1991) Politikfeldanalyse Opladen

Schulz W (2008) Politische Kommunikation

Theoretische Ansaumltze und Ergebnisse empirishy

scher Forschung Wiesbaden

Seiden-Pielen EFarin K (1994) Die Scharfshy

macher Schauplatz innere Sicherheit Berlin

Seipel CRieker P (2003) Integrative Sozialshy

forschung Konzepte und Methoden der qualitashy

tiven und quantitativen empirischen Forschung

WeinheimMuumlnchen

Statistik Austria (2008) Standard-Dokumentashy

tion Metainformationen (Definitionen Erlaumlushy

terungen Methoden Qualitaumlt) zur Gerichtlishy

chen Kriminalstatistik Wien

Wagner G G (2007) Die Beeinflussung der

Erhebungsprogramme der amtlichen Statistik

durch die akademische Wissenschaft ndash Das Beishy

spiel der Volkszaumlhlung 20102011

Wagschal U (1999) Statistik fuumlr Politikwissenshy

schaftler MuumlnchenWien

Wollmann H (1986) Gesetzgebung als experishy

mentelle Politik ndash Moumlglichkeiten Varianten und

Grenzen erfahrungswissenschaftlich fundierter

Gesetzgebungsarbeit in Schreckenberger W

(Hg) Gesetzgebungslehre Grundlagen ndash Zushy

gaumlnge ndash Anwendung Stuttgart 72ndash95

Wollmann H (2003) Kontrolle in Politik und

Verwaltung Evaluation Controlling und Wisshy

sensnutzen in Schubert KBandelow N C

(Hg) Lehrbuch der Politikfeldanalyse Muumlnchen

Wien 335ndash360

Page 12: Polizeiliche Kriminalstatistik. Im Spannungsfeld von ... · provisions involve selecting an interventi on to provide, practitioners will attempt to maximize the likelihood that their

SIAK-JOURNAL 12010

schungsgebiete wie verwaltungs- oder

politikwissenschaftliche Ansaumltze uumlbershy

tragen Siehe unter anderem httpwww

odiorgukRAPIDBibliographiesEBP

docsEBP_lit_review_webpdf Zugriff

am 20122008 oder auch Muir Gray

(2001) 6 Ein Indikator kann aus einer Variablen

ebenso bestehen wie aus einem ganzen

Set von Variablen Er kann aufgrund

qualitativer Informationen erarbeitet

werden wie er durch numerische Datenshy

sammlungen erstellt werden kann Da

sich die Realitaumlt nicht immer eindeutig

durch qualitative und quantitative Vershy

fahren beschreiben laumlsst macht es auch

keinen Sinn nur auf quantitative oder

qualitative Informationsgewinnung zu

vertrauen Der Zugang zur Wirklichkeit

stellt dabei die groszlige Huumlrde nicht nur

fuumlr die Art der Datengenerierung dar

sondern muss auch bei der Stichprobenshy

konstruktion beruumlcksichtigt werden 7 Diese werden aus soziologischen oumlkoshy

nomischen oder ethnologischen Theoshy

rien abgeleitet und dem eigentlich beshy

deutsamen Maszligstab ndash den realen

Entwicklungen ndash gegenuumlbergestellt 8 Auch wenn sich EBP vor allem in der

Gesundheitspolitik durchgesetzt hat

(siehe dazu Muir Gray 2001) so kann

der Ansatz auf jede Form der oumlffentlichen

Intervention administrativer Vorgaumlnge

oder regulativen staatlichen Handelns

angewendet werden 9 Zentrale Ziele dieses Weiszligbuches

waren a) die Einfuumlhrung der Folgenshy

abschaumltzung b) der Ausbau der oumlffentshy

lichen Konsultationen c) die Vereinshy

fachung der Gesetzgebung um den

Aufwand an Buumlrokratie zu reduzieren

(Kommission der Europaumlischen Gemeinshy

schaften 2001) 10 Kommission der Europaumlischen Geshy

meinschaften 2002a Kommission der

Europaumlischen Gemeinschaften 2002b

11 Kommission der Europaumlischen Geshy

meinschaften 2002a 12 European Commission 2005 13 Unter dem Begriff bdquopractitionersldquo

wird eine AkteurIn verstanden der oder

die regulative bzw innovative Handlunshy

gen setzen kann um so in das Leben einer

weiteren Person oder einer Gruppe von

Personen also Klienten einzugreifen 14 Auch wenn die einzelnen Schritte der

Uumlbersichtlichkeit halber hier getrennt

voneinander dargestellt wurden sind

sie sehr eng miteinander verwoben und

verdeutlichen die besondere Beziehung

von KlientInnen ExpertInnen und Wisshy

senschafterInnen die in ihrer jeweiligen

Perspektive und Expertise den Gesamtshy

prozess der EBP beeinflussen 15 Da Handeln nicht frei ist von den polishy

tischen Kontexten in denen es ablaumluft

kann behauptet werden dass Regulieshy

rungen oftmals eher von politischen Vorshy

stellungen als von klarenrealen Zielshy

vorstellungen geleitet sind Um einem

Argument gleich an dieser Stelle zu beshy

gegnen soll festgehalten werden dass

auch die Definition eines bestimmten

Handlungsziels ein normativer Prozess

ist Gleichzeitig kommt jede politische

Regulierung aber aufgrund bestimmter

Wissensbestaumlnde zu Stande Daraus ershy

gibt sich die Frage ob dieser Wissensbeshy

stand Teil eines Prozesses ist der eine

bestimmte (politische) Zielsetzung vershy

folgt und damit ausreichende Begruumlnshy

dungsqualitaumlt aufweist Politische Entshy

scheidungen werden durch eine Vielzahl

von Faktoren beeinflusst und es gilt jene

Wissensgrundlage zu schaffen die breit

genug gefasst ist um ein Buumlndel an

Handlungsoptionen aufzuwerfen (vgl

GerberTeske 2000) Diese Optionen

dienen dann als Grundlage fuumlr Entshy

scheidungen die zukuumlnftige Szenarien

der Nachhaltigkeit beruumlcksichtigen und

der Effektivitaumlt unterliegen ndash denn sie

sollen eine bestimmte Zielsetzung mit

einem praumlzisen Aufwand an Ressourcen

auch erreichen 16 Auch in der oumlsterreichischen Politikgeshy

staltung werden empirische Evidenzen

immer wieder herangezogen um die Poshy

litikgestaltung zu uumlberpruumlfen und weishy

terzuentwickeln zum Beispiel im Fall

des KonsumentInnenbarometers des

Bundesministeriums fuumlr Arbeit Soziales

und Konsumentenschutz oder die untershy

schiedlichen Studien wie PIRLS TIMMS

PISA die das Bundesinstitut fuumlr Bilshy

dungsforschung Innovation amp Entwickshy

lung des oumlsterreichischen Schulwesens

(BIFIE) fuumlr das Bundesministerium fuumlr

Unterricht Kunst und Kultur durchshy

fuumlhrt 17 Abhaumlngig von der Qualitaumlt ihrer

Sammlung 18 Zitiert von httpwwwdefragovuk

sciencehowevidencehtm am 21122008 19 Zum Beispiel in Alltags- und Fachshy

wissen uumlber informelles explizites oder

ruhendes Wissen 20 Fuumlr den Bereich Bildung siehe Lassnigg

2009 21 Statistik ist der Inbegriff theoretisch

fundierter empirischer objektivierbarer

Daten (Menges 1982 19) 22 Ausgeloumlste Statistiken werden von stashy

tistischen Aumlmtern erhoben und aufbereishy

tet und somit der Oumlffentlichkeit zugaumlngshy

lich gemacht Neben Primaumlrstatistiken

gibt es auch Sekundaumlrstatistiken die leshy

diglich Auswertungen beschreiben die

auf der Grundlage von bereits erhobeshy

nen Daten erfolgen 23 Bundesstatistikgesetz 2000 StF BGBl I

Nr 1631999 idF BGBl I Nr 1362001

BGBl I Nr 712003 und BGBl I Nr

922007 24 Messen ist die systematische Zuordshy

nung einer Menge von Zahlen oder

Symbolen zu den Auspraumlgungen einer

Variablen mithin auch zu den Objekten

14

SIAK-JOURNAL 12010

(Friedrichs 1973 97) Eine Variable ist dabei

ein veraumlnderliches Merkmal bei dem der

Merkmalstraumlger mindestens zwei Merkmalsshy

auspraumlgungen annehmen kann Inzwischen

wurde nicht zuletzt aufgrund methodologischshy

wissenschaftstheoretischer Diskussionen der

Begriff des Messens praumlzisiert Messen untershy

stellt die Existenz einer zumindest eindeutigen

Abbildung zwischen einem empirischen und eishy

nem numerischen Relativ (zB in Behnke et al

2006) 25 Dieses Zitat wurde bewusst gewaumlhlt um eishy

nen besonderen Aspekt der Diskussion rund um

die Darstellung sicherheitsrelevanter Problemshy

wahrnehmung darzustellen Zum Beispiel ist

die Kriminalstatistik taumlter- und tatorientiert

was in manchen Gruppen die Taumlterzahlen ershy

houmlht wenngleich dieselbe Gruppe auch die

groumlszligte Opfergruppe sein kann 26 Die Polizeiliche Kriminalstatistik liefert Inshy

formationen uumlber Art und Haumlufigkeit der bei

der Polizei angezeigten und von ihr bearbeiteshy

ten Straftaten und ermittelten Tatverdaumlchtigen

Allerdings muumlssen so getaumltigte Anzeigen zushy

naumlchst als Verdacht behandelt werden es hanshy

delt sich also eigentlich um eine Verdachtsstashy

tistik 27 Objektivitaumlt ist dabei eine notwendige aber

keine hinreichende Bedingung fuumlr Reliabilitaumlt

waumlhrend Reliabilitaumlt eine notwendige aber keishy

ne hinreichende Bedingung fuumlr Validitaumlt darshy

stellt 28 Im auf Karl Popper zuruumlckgehenden kritishy

schen Rationalismus unterscheiden sich Entdeshy

ckungs- (wie kommt man zu einer Theorie) Beshy

gruumlndungs- (wie uumlberpruumlft man eine Theorie)

und Verwertungszusammenhang (wie werden

die Ergebnisse eingesetzt) Diese Ausdifferenshy

zierung wirkt sich auch auf die Annahme der

Objektivitaumlt aus denn diese gilt nicht fuumlr den

gesamten Forschungsprozess sondern nur fuumlr

den methodologisch regelgeleiteten Begruumlnshy

dungszusammenhang fuumlr den auch die Wertshy

urteilsfreiheit erhoben wird Dieses Diktum

wird faumllschlicherweise zu oft auch fuumlr den Entshy

deckungs- und den Verwertungszusammenhang

angenommen Die theoretischen Grundlagen

eines Projektes und die Interpretation von Ershy

gebnissen genauso wie die Kontextualisierung

sind aber sehr wohl auch bei Popper wert- und

einstellungsgeleitet (ua SeipelRieker 2003

39 46 ff) 29 So koumlnnten neben Daten uumlber die Strafverfolshy

gung und den Strafvollzug auch Ursachenforshy

schungen fuumlr bestimmte Formen von Kriminalishy

taumlt mit in die Bewertung der Sicherheitslage

einbezogen werden 30 Anm Aumlquivalent zu amtlicher Statistik 31 In der Effizienzfalle gefangen macht man

dann die falschen Dinge richtig und blockiert

dadurch bessere Loumlsungen 32 Durch den heuristischen Charakter des Polishy

cy-Zyklus kann aber aus der Analyse einzelner

Phasen oder aufgrund spezifischer Perspektishy

ven kein umfassender Erklaumlrungsanspruch abshy

geleitet werden 33 Zitiert von httpwwwdefragovukscience

howevidencehtm am 21122008 34 Allerdings zeigen unterschiedliche Studien

dass die Annahme uumlber einen direkten Einfluss

sich nicht immer und in allen Faumlllen tatsaumlchlich

nachweisen laumlsst

Quellenangaben

Behnke JBaur NBehnke N (2006) Empirische

Methoden der Politikwissenschaft Paderborn

Behrens M (2003) Quantitative und qualitative

Methoden in der Politikfeldanalyse in Schubert

KBandelow N C (Hg) Lehrbuch der Politikshy

feldanalyse MuumlnchenWien 208ndash235

Brown B VCorbett T (1997) Social Indicashy

tors and Public Policy in the Age of Devolution

in IRP Special Report Series Institute for Reshy

search on Poverty

Bundeskriminalamt (2006) Zweiter Periodishy

scher Sicherheitsbericht Wiesbaden

Friedrichs J (1973) Methoden der empirishy

schen Sozialforschung Reinbek

Gerber B JTeske P (2000) Regulatory Polishy

cymaking in the American States A Review of

Theories and Evidence Political Research

Quarterly (53 4) 849ndash886

15

SIAK-JOURNAL

16

12010

Heritier A (1993) Policy-Analyse Kritik und

Neuorientierung Politische Vierteljahresschrift ndash

Sonderheft (24) 9ndash36

Jahn D (2006) Einfuumlhrung in die Vergleichenshy

de Politikwissenschaft Wiesbaden

Jann WWegrich K (2003) Phasenmodelle

und Politikprozesse Der Policy Cycle in

Bandelow N C (Hg) Lehrbuch der Politikshy

feldanalyse MuumlnchenWien 71ndash106

Jarren O (1998) Medien Mediensystem und

die politische Oumlffentlichkeit im Wandel in

Sarcinelli U (Hg) Politikvermittlung und

Demokratie in der Mediengesellschaft Beishy

traumlge zur politischen Kommunikationskultur

Opladen 74ndash96

Jarren ODonges P (2006) Politische Komshy

munikation in der Mediengesellschaft Eine

Einfuumlhrung Wiesbaden

Kommission der Europaumlischen Gemeinschaften

(2001) Europaumlisches Regieren ndash Ein Weiszligbuch

25072001 KOM(2001)428 endguumlltig Bruumlssel

Kommission der Europaumlischen Gemeinschaften

(2002a) Mitteilung der Kommission bdquoAktionsshy

plan Vereinfachung und Verbesserung des Regeshy

lungsumfeldsldquo 05062002 KOM(2002)278

endguumlltig Bruumlssel

Kommission der Europaumlischen Gemeinschaften

(2002b) Mitteilung der Kommission bdquoEuroshy

paumlisches Regieren Bessere Rechtsetzungldquo

06062002 KOM(2002)275 endguumlltig2 Bruumlssel

Lassnigg L (2009) Oumlkonomisierung des Lershy

nens und Vertreibung der Bildung bdquoLifelong

Learningldquo und bdquoevidence-based PolicyPracshy

ticeldquo MAGAZIN erwachsenenbildungat (78ndash

2009)

Lorenz H (2009) Amtliche Statistik

httpwwwhistorisches-lexikon-bayernsde

artikelartikel_44809 (abgerufen 18102009)

Mayntz R (Hg) (1983) Implementation politishy

scher Programme (II) Ansaumltze zur Theoriebilshy

dung Opladen

Menges G (1982) Die Statistik Wiesbaden

Muir Gray J A (2001) Evidence-based practice

for the helping professions Pacific GroveCA

Opp K-D (2005) Methodologie der Sozialshy

wissenschaften Einfuumlhrung in Probleme ihrer

Theoriebildung und praktische Anwendungen

Wiesbaden

Rubin A (2008) Practitionerrsquos Guide to Using

Research for Evidence-Based Practice New

York

Schubert K (1991) Politikfeldanalyse Opladen

Schulz W (2008) Politische Kommunikation

Theoretische Ansaumltze und Ergebnisse empirishy

scher Forschung Wiesbaden

Seiden-Pielen EFarin K (1994) Die Scharfshy

macher Schauplatz innere Sicherheit Berlin

Seipel CRieker P (2003) Integrative Sozialshy

forschung Konzepte und Methoden der qualitashy

tiven und quantitativen empirischen Forschung

WeinheimMuumlnchen

Statistik Austria (2008) Standard-Dokumentashy

tion Metainformationen (Definitionen Erlaumlushy

terungen Methoden Qualitaumlt) zur Gerichtlishy

chen Kriminalstatistik Wien

Wagner G G (2007) Die Beeinflussung der

Erhebungsprogramme der amtlichen Statistik

durch die akademische Wissenschaft ndash Das Beishy

spiel der Volkszaumlhlung 20102011

Wagschal U (1999) Statistik fuumlr Politikwissenshy

schaftler MuumlnchenWien

Wollmann H (1986) Gesetzgebung als experishy

mentelle Politik ndash Moumlglichkeiten Varianten und

Grenzen erfahrungswissenschaftlich fundierter

Gesetzgebungsarbeit in Schreckenberger W

(Hg) Gesetzgebungslehre Grundlagen ndash Zushy

gaumlnge ndash Anwendung Stuttgart 72ndash95

Wollmann H (2003) Kontrolle in Politik und

Verwaltung Evaluation Controlling und Wisshy

sensnutzen in Schubert KBandelow N C

(Hg) Lehrbuch der Politikfeldanalyse Muumlnchen

Wien 335ndash360

Page 13: Polizeiliche Kriminalstatistik. Im Spannungsfeld von ... · provisions involve selecting an interventi on to provide, practitioners will attempt to maximize the likelihood that their

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(Friedrichs 1973 97) Eine Variable ist dabei

ein veraumlnderliches Merkmal bei dem der

Merkmalstraumlger mindestens zwei Merkmalsshy

auspraumlgungen annehmen kann Inzwischen

wurde nicht zuletzt aufgrund methodologischshy

wissenschaftstheoretischer Diskussionen der

Begriff des Messens praumlzisiert Messen untershy

stellt die Existenz einer zumindest eindeutigen

Abbildung zwischen einem empirischen und eishy

nem numerischen Relativ (zB in Behnke et al

2006) 25 Dieses Zitat wurde bewusst gewaumlhlt um eishy

nen besonderen Aspekt der Diskussion rund um

die Darstellung sicherheitsrelevanter Problemshy

wahrnehmung darzustellen Zum Beispiel ist

die Kriminalstatistik taumlter- und tatorientiert

was in manchen Gruppen die Taumlterzahlen ershy

houmlht wenngleich dieselbe Gruppe auch die

groumlszligte Opfergruppe sein kann 26 Die Polizeiliche Kriminalstatistik liefert Inshy

formationen uumlber Art und Haumlufigkeit der bei

der Polizei angezeigten und von ihr bearbeiteshy

ten Straftaten und ermittelten Tatverdaumlchtigen

Allerdings muumlssen so getaumltigte Anzeigen zushy

naumlchst als Verdacht behandelt werden es hanshy

delt sich also eigentlich um eine Verdachtsstashy

tistik 27 Objektivitaumlt ist dabei eine notwendige aber

keine hinreichende Bedingung fuumlr Reliabilitaumlt

waumlhrend Reliabilitaumlt eine notwendige aber keishy

ne hinreichende Bedingung fuumlr Validitaumlt darshy

stellt 28 Im auf Karl Popper zuruumlckgehenden kritishy

schen Rationalismus unterscheiden sich Entdeshy

ckungs- (wie kommt man zu einer Theorie) Beshy

gruumlndungs- (wie uumlberpruumlft man eine Theorie)

und Verwertungszusammenhang (wie werden

die Ergebnisse eingesetzt) Diese Ausdifferenshy

zierung wirkt sich auch auf die Annahme der

Objektivitaumlt aus denn diese gilt nicht fuumlr den

gesamten Forschungsprozess sondern nur fuumlr

den methodologisch regelgeleiteten Begruumlnshy

dungszusammenhang fuumlr den auch die Wertshy

urteilsfreiheit erhoben wird Dieses Diktum

wird faumllschlicherweise zu oft auch fuumlr den Entshy

deckungs- und den Verwertungszusammenhang

angenommen Die theoretischen Grundlagen

eines Projektes und die Interpretation von Ershy

gebnissen genauso wie die Kontextualisierung

sind aber sehr wohl auch bei Popper wert- und

einstellungsgeleitet (ua SeipelRieker 2003

39 46 ff) 29 So koumlnnten neben Daten uumlber die Strafverfolshy

gung und den Strafvollzug auch Ursachenforshy

schungen fuumlr bestimmte Formen von Kriminalishy

taumlt mit in die Bewertung der Sicherheitslage

einbezogen werden 30 Anm Aumlquivalent zu amtlicher Statistik 31 In der Effizienzfalle gefangen macht man

dann die falschen Dinge richtig und blockiert

dadurch bessere Loumlsungen 32 Durch den heuristischen Charakter des Polishy

cy-Zyklus kann aber aus der Analyse einzelner

Phasen oder aufgrund spezifischer Perspektishy

ven kein umfassender Erklaumlrungsanspruch abshy

geleitet werden 33 Zitiert von httpwwwdefragovukscience

howevidencehtm am 21122008 34 Allerdings zeigen unterschiedliche Studien

dass die Annahme uumlber einen direkten Einfluss

sich nicht immer und in allen Faumlllen tatsaumlchlich

nachweisen laumlsst

Quellenangaben

Behnke JBaur NBehnke N (2006) Empirische

Methoden der Politikwissenschaft Paderborn

Behrens M (2003) Quantitative und qualitative

Methoden in der Politikfeldanalyse in Schubert

KBandelow N C (Hg) Lehrbuch der Politikshy

feldanalyse MuumlnchenWien 208ndash235

Brown B VCorbett T (1997) Social Indicashy

tors and Public Policy in the Age of Devolution

in IRP Special Report Series Institute for Reshy

search on Poverty

Bundeskriminalamt (2006) Zweiter Periodishy

scher Sicherheitsbericht Wiesbaden

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cymaking in the American States A Review of

Theories and Evidence Political Research

Quarterly (53 4) 849ndash886

15

SIAK-JOURNAL

16

12010

Heritier A (1993) Policy-Analyse Kritik und

Neuorientierung Politische Vierteljahresschrift ndash

Sonderheft (24) 9ndash36

Jahn D (2006) Einfuumlhrung in die Vergleichenshy

de Politikwissenschaft Wiesbaden

Jann WWegrich K (2003) Phasenmodelle

und Politikprozesse Der Policy Cycle in

Bandelow N C (Hg) Lehrbuch der Politikshy

feldanalyse MuumlnchenWien 71ndash106

Jarren O (1998) Medien Mediensystem und

die politische Oumlffentlichkeit im Wandel in

Sarcinelli U (Hg) Politikvermittlung und

Demokratie in der Mediengesellschaft Beishy

traumlge zur politischen Kommunikationskultur

Opladen 74ndash96

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munikation in der Mediengesellschaft Eine

Einfuumlhrung Wiesbaden

Kommission der Europaumlischen Gemeinschaften

(2001) Europaumlisches Regieren ndash Ein Weiszligbuch

25072001 KOM(2001)428 endguumlltig Bruumlssel

Kommission der Europaumlischen Gemeinschaften

(2002a) Mitteilung der Kommission bdquoAktionsshy

plan Vereinfachung und Verbesserung des Regeshy

lungsumfeldsldquo 05062002 KOM(2002)278

endguumlltig Bruumlssel

Kommission der Europaumlischen Gemeinschaften

(2002b) Mitteilung der Kommission bdquoEuroshy

paumlisches Regieren Bessere Rechtsetzungldquo

06062002 KOM(2002)275 endguumlltig2 Bruumlssel

Lassnigg L (2009) Oumlkonomisierung des Lershy

nens und Vertreibung der Bildung bdquoLifelong

Learningldquo und bdquoevidence-based PolicyPracshy

ticeldquo MAGAZIN erwachsenenbildungat (78ndash

2009)

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for the helping professions Pacific GroveCA

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wissenschaften Einfuumlhrung in Probleme ihrer

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Research for Evidence-Based Practice New

York

Schubert K (1991) Politikfeldanalyse Opladen

Schulz W (2008) Politische Kommunikation

Theoretische Ansaumltze und Ergebnisse empirishy

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Seiden-Pielen EFarin K (1994) Die Scharfshy

macher Schauplatz innere Sicherheit Berlin

Seipel CRieker P (2003) Integrative Sozialshy

forschung Konzepte und Methoden der qualitashy

tiven und quantitativen empirischen Forschung

WeinheimMuumlnchen

Statistik Austria (2008) Standard-Dokumentashy

tion Metainformationen (Definitionen Erlaumlushy

terungen Methoden Qualitaumlt) zur Gerichtlishy

chen Kriminalstatistik Wien

Wagner G G (2007) Die Beeinflussung der

Erhebungsprogramme der amtlichen Statistik

durch die akademische Wissenschaft ndash Das Beishy

spiel der Volkszaumlhlung 20102011

Wagschal U (1999) Statistik fuumlr Politikwissenshy

schaftler MuumlnchenWien

Wollmann H (1986) Gesetzgebung als experishy

mentelle Politik ndash Moumlglichkeiten Varianten und

Grenzen erfahrungswissenschaftlich fundierter

Gesetzgebungsarbeit in Schreckenberger W

(Hg) Gesetzgebungslehre Grundlagen ndash Zushy

gaumlnge ndash Anwendung Stuttgart 72ndash95

Wollmann H (2003) Kontrolle in Politik und

Verwaltung Evaluation Controlling und Wisshy

sensnutzen in Schubert KBandelow N C

(Hg) Lehrbuch der Politikfeldanalyse Muumlnchen

Wien 335ndash360

Page 14: Polizeiliche Kriminalstatistik. Im Spannungsfeld von ... · provisions involve selecting an interventi on to provide, practitioners will attempt to maximize the likelihood that their

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12010

Heritier A (1993) Policy-Analyse Kritik und

Neuorientierung Politische Vierteljahresschrift ndash

Sonderheft (24) 9ndash36

Jahn D (2006) Einfuumlhrung in die Vergleichenshy

de Politikwissenschaft Wiesbaden

Jann WWegrich K (2003) Phasenmodelle

und Politikprozesse Der Policy Cycle in

Bandelow N C (Hg) Lehrbuch der Politikshy

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Jarren O (1998) Medien Mediensystem und

die politische Oumlffentlichkeit im Wandel in

Sarcinelli U (Hg) Politikvermittlung und

Demokratie in der Mediengesellschaft Beishy

traumlge zur politischen Kommunikationskultur

Opladen 74ndash96

Jarren ODonges P (2006) Politische Komshy

munikation in der Mediengesellschaft Eine

Einfuumlhrung Wiesbaden

Kommission der Europaumlischen Gemeinschaften

(2001) Europaumlisches Regieren ndash Ein Weiszligbuch

25072001 KOM(2001)428 endguumlltig Bruumlssel

Kommission der Europaumlischen Gemeinschaften

(2002a) Mitteilung der Kommission bdquoAktionsshy

plan Vereinfachung und Verbesserung des Regeshy

lungsumfeldsldquo 05062002 KOM(2002)278

endguumlltig Bruumlssel

Kommission der Europaumlischen Gemeinschaften

(2002b) Mitteilung der Kommission bdquoEuroshy

paumlisches Regieren Bessere Rechtsetzungldquo

06062002 KOM(2002)275 endguumlltig2 Bruumlssel

Lassnigg L (2009) Oumlkonomisierung des Lershy

nens und Vertreibung der Bildung bdquoLifelong

Learningldquo und bdquoevidence-based PolicyPracshy

ticeldquo MAGAZIN erwachsenenbildungat (78ndash

2009)

Lorenz H (2009) Amtliche Statistik

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Mayntz R (Hg) (1983) Implementation politishy

scher Programme (II) Ansaumltze zur Theoriebilshy

dung Opladen

Menges G (1982) Die Statistik Wiesbaden

Muir Gray J A (2001) Evidence-based practice

for the helping professions Pacific GroveCA

Opp K-D (2005) Methodologie der Sozialshy

wissenschaften Einfuumlhrung in Probleme ihrer

Theoriebildung und praktische Anwendungen

Wiesbaden

Rubin A (2008) Practitionerrsquos Guide to Using

Research for Evidence-Based Practice New

York

Schubert K (1991) Politikfeldanalyse Opladen

Schulz W (2008) Politische Kommunikation

Theoretische Ansaumltze und Ergebnisse empirishy

scher Forschung Wiesbaden

Seiden-Pielen EFarin K (1994) Die Scharfshy

macher Schauplatz innere Sicherheit Berlin

Seipel CRieker P (2003) Integrative Sozialshy

forschung Konzepte und Methoden der qualitashy

tiven und quantitativen empirischen Forschung

WeinheimMuumlnchen

Statistik Austria (2008) Standard-Dokumentashy

tion Metainformationen (Definitionen Erlaumlushy

terungen Methoden Qualitaumlt) zur Gerichtlishy

chen Kriminalstatistik Wien

Wagner G G (2007) Die Beeinflussung der

Erhebungsprogramme der amtlichen Statistik

durch die akademische Wissenschaft ndash Das Beishy

spiel der Volkszaumlhlung 20102011

Wagschal U (1999) Statistik fuumlr Politikwissenshy

schaftler MuumlnchenWien

Wollmann H (1986) Gesetzgebung als experishy

mentelle Politik ndash Moumlglichkeiten Varianten und

Grenzen erfahrungswissenschaftlich fundierter

Gesetzgebungsarbeit in Schreckenberger W

(Hg) Gesetzgebungslehre Grundlagen ndash Zushy

gaumlnge ndash Anwendung Stuttgart 72ndash95

Wollmann H (2003) Kontrolle in Politik und

Verwaltung Evaluation Controlling und Wisshy

sensnutzen in Schubert KBandelow N C

(Hg) Lehrbuch der Politikfeldanalyse Muumlnchen

Wien 335ndash360


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