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Pliti echt E - agrarheute.com...Guy Smith (56), der stellvertretende NFU-Vorsitzende, ist...

Date post: 12-Oct-2020
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D as Datum 23. Juni für das Referen- dum steht, doch vieles ist noch un- gewiss, unter anderem auch, welche Auswirkungen ein Brexit für die bri- tischen Landwirte hätte. So schreibt es der Bauernverband für England und Wales (NFU) in einem Newsletter. Die Organisation ver- tritt rund 50.000 landwirtschaftliche Un- ternehmen, das sind etwa drei Viertel aller kommerziell arbeitenden Landwirte in Eng- land und Wales. Würde Großbritannien die EU verlassen, sei unsicher, unter welchen Be- dingungen die britischen Landwirte künftig Zugang zum EU-Markt hätten, gibt der NFU zu bedenken. Man müsse abwarten, welche finanzielle Unterstützung anstelle der ge- meinsamen Agrarpolitik von Seiten der Re- gierung vorgesehen sei. „Im Moment kann der NFU weder für die eine noch die andere Seite Stellung beziehen“, sagt der NFU-Vor- sitzende Meurig Rymond. Am 18. April, nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe, will der NFU-Rat über eine Positionierung beraten, die allerdings durchaus weiterhin in der Neu- tralität bestehen könnte. Eine Empfehlung an alle Mitglieder, mit „Ja“ oder „Nein“ zu stimmen, soll es nicht geben. Llyr Jones (36) bewirtschaftet die Derwydd Farm in Llanfihangel Glyn Myfyr im Nor- den von Wales. Der Junglandwirt ist noch zu keinem endgültigen Entschluss gekom- men. Die Landschaft am Rande des Natio- nalparks Snowdonia ist nicht ideal für groß- flächige Landwirtschaft, aber sie bietet sich für die extensive Beweidung mit Schafen an. Der Betrieb von Llyr Jones umfasst rund 630 ha. Es gibt, wie in der traditionellen wa- lisischen Schafzucht üblich, eine sogenannte Hochland- und eine Tiefland-Farm. Letztere umfasst knapp 20 % der Flächen. Sie liegt in einer Region mit besseren Böden im Flach- land und ist für den Anbau von Ackerkultu- FOTOS: FOTOLIA/PHOTOCREO BEDNAREK, JACOB, WERKBILDER Kurz & knapp P Die britischen Farmer wollen bislang offenbar mehrheitlich in der EU bleiben. P Sie befürchten Nachteile im Export und den Verlust der Direktzahlungen. P Der wachsende Wust an EU-Regeln sorgt aber auch für Verstimmung. P Der Bauernverband NFU verhält sich neutral. P Informationsveranstaltungen sollen die Meinungsbildung unterstützen. N MAI 2016 agrarmanager 17 Politik & Recht TITEL N Britische Farmer zum Brexit Unter den britischen Landwirten überwiegen die Befürworter der EU-Mitgliedschaft. Doch je näher das Referendum rückt, desto mehr wird auch über die Nachteile der gemeinsamen Agrarpolitik und der europäischen Integration gesprochen. Keine leichte Entscheidung
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Page 1: Pliti echt E - agrarheute.com...Guy Smith (56), der stellvertretende NFU-Vorsitzende, ist persönlich noch unentschie-den. Smith ist Landwirt in St. Osyth bei Clacton, nordöstlich

Das Datum 23. Juni für das Referen-dum steht, doch vieles ist noch un-gewiss, unter anderem auch, welche Auswirkungen ein Brexit für die bri-

tischen Landwirte hätte. So schreibt es der Bauernverband für England und Wales (NFU) in einem Newsletter. Die Organisation ver-tritt rund 50.000 landwirtschaftliche Un-ternehmen, das sind etwa drei Viertel aller kommerziell arbeitenden Landwirte in Eng-land und Wales. Würde Großbritannien die EU verlassen, sei unsicher, unter welchen Be-dingungen die britischen Landwirte künftig Zugang zum EU-Markt hätten, gibt der NFU zu bedenken. Man müsse abwarten, welche finanzielle Unterstützung anstelle der ge-meinsamen Agrarpolitik von Seiten der Re-gierung vorgesehen sei. „Im Moment kann der NFU weder für die eine noch die andere Seite Stellung beziehen“, sagt der NFU-Vor-sitzende Meurig Rymond. Am 18. April, nach

Redaktionsschluss dieser Ausgabe, will der NFU-Rat über eine Positionierung beraten, die allerdings durchaus weiterhin in der Neu-tralität bestehen könnte. Eine Empfehlung an alle Mitglieder, mit „Ja“ oder „Nein“ zu stimmen, soll es nicht geben.

Llyr Jones (36) bewirtschaftet die Derwydd Farm in Llanfihangel Glyn Myfyr im Nor-den von Wales. Der Junglandwirt ist noch zu keinem endgültigen Entschluss gekom-men. Die Landschaft am Rande des Natio-nalparks Snowdonia ist nicht ideal für groß-flächige Landwirtschaft, aber sie bietet sich für die extensive Beweidung mit Schafen an. Der Betrieb von Llyr Jones umfasst rund 630 ha. Es gibt, wie in der traditionellen wa-lisischen Schafzucht üblich, eine sogenannte Hochland- und eine Tiefland-Farm. Letztere umfasst knapp 20 % der Flächen. Sie liegt in einer Region mit besseren Böden im Flach-land und ist für den Anbau von Ackerkultu-

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Kurz & knapp

P Die britischen Farmer wollen bislang offenbar mehrheitlich in der EU bleiben.

P Sie befürchten Nachteile im Export und den Verlust der Direktzahlungen.

P Der wachsende Wust an EU-Regeln sorgt aber auch für Verstimmung.

P Der Bauernverband NFU verhält sich neutral.

P Informationsveranstaltungen sollen die Meinungsbildung unterstützen.

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MaI 2016 agrarmanager 17

Politik & Recht titel

N Britische Farmer zum Brexit

Unter den britischen landwirten überwiegen die Befürworter der eU-Mitgliedschaft.

doch je näher das referendum rückt, desto mehr wird auch über die nachteile der gemeinsamen

agrarpolitik und der europäischen integration gesprochen.

Keine leichte Entscheidung

Page 2: Pliti echt E - agrarheute.com...Guy Smith (56), der stellvertretende NFU-Vorsitzende, ist persönlich noch unentschie-den. Smith ist Landwirt in St. Osyth bei Clacton, nordöstlich

„Wir haben das große Glück, in einer für die Freilandhaltung von Schweinen idealen Ge-gend zu leben“, gibt der Junglandwirt zu. Leichte, ebene Sandböden ohne Staunässe. Dazu ein mildes Klima ohne große Tempe-raturschwankungen. Die Gegend gehört mit zu den trockensten in Großbritannien. Dazu eine gesunde Meeresbrise — der Hof liegt nur sechs Kilometer Luftlinie von der Nordsee-küste entfernt. Eine weitere Besonderheit sei-nes Betriebes ist die Vermarktung. Bis 2006 arbeitete das Familienunternehmen But-ler noch mit der Supermarktkette Waitrose zusammen. Inzwischen wird ausschließlich über Metzger verkauft. Den Abtransport der Tiere zu den Schlachthöfen organisiert Fami-lie Butler selbst. Der Großteil der Tiere wird in Ostengland und den angrenzenden Graf-schaften ausgeliefert. „Wir haben insgesamt 2.100 Zuchtsauen, die uns jede Woche an die 900 Ferkel werfen, so verlassen wöchentlich an die 700 Tiere den Hof Richtung Schlacht-bank“, berichtet Alastair Butler, der für den Verkauf und die Vermarktung der Schweine zuständig ist.

Höheres Tierwohl „Die Tierwohlstandards sind in Großbri-tannien viel höher als in anderen EU-Län-dern“, sagt Butler. „Seit 1999 sind bei uns schon keine Abferkelstände mehr erlaubt. Verglichen mit einem Tier im Stall hat das Freilandschwein 80-mal mehr Fläche zur Verfügung. Das war für uns Schweinezüch-ter anfangs nicht einfach, wir konnten nicht mehr mit den Billigimporten aus Dänemark, Deutschland oder den Niederlanden konkur-rieren. In den letzten Jahren wurde jedoch gute Lobbyarbeit geleistet“, so Alastair Butler. „Das Fleisch ist mit den heimischen Quali-tätskennzeichen ,Red Tractor‘ und ,Freedom Food‘ versehen, die versichern, dass die Ware aus Großbritannien stammt, und die Tiere nach höchsten Tierwohlstandards gehalten werden. Die Verbraucher sind jetzt besser informiert. Sie wissen, warum in Großbri-tannien produziertes Schweinefleisch mehr kosten muss, und treffen dementsprechend ihre Entscheidung. Das hat sich für uns in-zwischen ausgezahlt.“

Alastair Butler ist zuversichtlich: „Wenn wir gegen den Verbleib in der EU stimmen,

werden mit Sicherheit in Kürze neue Handels-vereinbarungen getroffen. Ich glaube nicht, dass wir hier viel verlieren würden. Anderer-seits reicht es uns Freiland-Schweinezüch-tern langsam mit diesen zunehmenden EU-Reglementierungen.“ Der EU scheine diese Art von Schweinehaltung ein Dorn im Auge zu sein. „Sie zieht sie nicht in Betracht“, so der Landwirt. „Freilandschweinehaltung gibt es in dieser Größe nur in Großbritan-nien. Daher bin ich eher gegen den Verbleib in der EU.“

Friedensdividende nicht vergessenGuy Smith (56), der stellvertretende NFU-Vorsitzende, ist persönlich noch unentschie-den. Smith ist Landwirt in St. Osyth bei Clacton, nordöstlich von London. Seit 30 Jahren bewirt-schaftet er die Wigboro Farm mit gut 400 ha. Guy Smith baut auf seinen Flä-chen vor allem Weizen, Leinsamen, Rapsöl, Kar-toffeln und Bohnen an. Ein Teil seiner Ernte wird nach Belgien und Irland exportiert. „Ich bin offen dafür, mich von den Vor-teilen der EU-Mitglied-schaft überzeugen zu las-sen, aber noch bin ich mir nicht sicher, welche Vor-teile das sein sollen“, sagte Smith in einem Interview mit der East An-glian Daily Times. Er weist darauf hin, dass die gemeinsame Agrarpolitik 46 % des EU-Haushalts ausmache.

Eine der großen Fragen ist aus seiner Sicht, wie sich ein Ausstieg auf den Außenhandel auswirken wird. Wie wichtig die Beziehun-gen zur EU sind, zeigt allein das Beispiel bri-tisches Lammfleisch — von dem 30 % nach Frankreich exportiert werden. Viele Land-wirte, so der Eindruck von Guy Smith, seien noch unentschieden. Immer wieder höre er das Argument, es gebe von Seiten der EU zu viele Reglementierungen. Was ihn persönlich in seiner Entscheidung beeinflussen wird, ist die, wie er es nennt „Friedensdividende“: Das

Leben in Frieden, das mit einem gemeinsa-men Europa möglich sei. „Dieser Punkt darf nicht außen vor bleiben“, betont Guy Smith. „Meine Eltern und Großeltern erlebten noch Luftangriffe, mein Onkel und Großonkel star-ben im Krieg — und das in Europa.“

Es wird spannend Um den Landwirten bei ihrer Entscheidung zu helfen, wird es in den nächsten Wochen bis zum Referendum zahlreiche Informa-tionsveranstaltungen von Seiten des NFU geben, verspricht Brian Finnerty vom Re-gionalbüro East Anglia. Der Großteil der Landwirte, mit denen er gesprochen habe, tendiere für einen Verbleib in der EU. „Im Moment ist noch vieles ungewiss und viele

ren geeignet. Dort wachsen Weizen, Gerste und Raps zur Ölpressung. Außerdem wird Si-lage produziert. Die Hochland-Farm besteht aus Weideland, über 30 % davon sind Berg-land, uneben und steinig. Llyr Jones besitzt 1.100 Mutterschafe, 270 Jungtiere und an die 1.800 Lämmer pro Saison. Auf seinem Hof stehen außerdem 30 Rinder. Er produziert Strom aus Wasserkraft, Sonne und Wind. In einer modernen Mühle wird Raps zu Speise- öl verarbeitet, jährlich 17.000 l, ein Drit-tel davon stammt aus eigenem Anbau.

Llyr Jones bereitet sich auf einen etwaigen Austritt aus der EU vor. „Ich bin nicht nur Landwirt, sondern auch Geschäftsmann“, sagt er. „Ist es soweit, würde ich die Wasserkraft ausbauen, und mich noch mehr auf Rapsöl spezialisieren.“ Er hat schon seine Fühler aus-gestreckt, könnte nach Island und Norwegen exportieren, wo kein Rapsöl produziert wer-den kann. Außerdem hat er die Baugeneh-migung für einen Legehennenstall auf dem Tisch. Für Dezember hat er 16.000 Hühner bestellt, nach zwei Jahren sollen noch ein-mal 16.000 dazukommen.

Nicht jedes Gesetz passtLlyr Jones erläutert: „Noch vor zwei Mona-ten hätte ich sofort sagen können, ich bin für den Verbleib in der EU. Jetzt höre ich immer mehr gute Argumente für den Ausstieg. Es sind die kleinen Dinge, die mich stören. Zum Beispiel dieses EU-Gesetz der doppelten Ohr-marken für Schafe. Das kostet mich 1.500 £, umgerechnet 1.900 € pro Jahr“, kritisiert der Junglandwirt. Außerdem stehe es in keiner Relation, was Großbritannien in die EU ein-bezahle und dafür im Gegenzug zurückbe-komme. Was er außerdem nicht versteht, ist, warum für sein Lammfleisch in einem ande-ren EU-Land nicht geworben werden darf. „Ich zahle 63 Pence, umgerechnet 80 Eu-rocent pro Schaf an eine Werbeagentur, die in Dubai werben darf, aber nicht in Frank-reich.“ Er vermutet, die Landwirte in ande-ren EU-Ländern hätten eine bessere Lobby. „Wir Briten repräsentieren uns nicht sehr gut in der EU. Die französischen Bauern zum Beispiel sind da viel stärker und verei-nigt. Wenn die was wollen, dann setzen sie das durch — im Gegensatz zu uns“, bedau-ert Llyr Jones.

Trotzdem hofft er auf einen Verbleib in der EU. „Ich bin lieber Teil der Party, als außer-halb zu stehen. Als Mitglied der EU kann man vielleicht doch mehr bewirken“, sagt er. „Über manche Reglements müsste man verhandeln. Nicht jedes Gesetz passt überall. Lebensmittelstandards oder Sicherheitsre-geln, diese Vorschriften können von der EU kommen, aber was länderspezifisch ist, da sollte es doch mehr Mitentscheidungsmög-lichkeiten geben.“ Würde Großbritannien die EU verlassen, befürchtet Llyr Jones eine Ver-teuerung seines Lammfleischs durch Einfuhr-zölle. In diesem Jahr sind seine EU-Direkt-zahlungen um 20 % gesunken, was 20.000 £, umgerechnet 25.400 €, weniger als im Jahr zuvor bedeutet. „2015 war sowieso ein har-tes Jahr“, blickt der junge Landwirt zurück. „Schlechte Fleischpreise, der Wegfall der russischen Abnehmer für Schaffelle durch das Embargo, das bedeutete noch einmal bis zu 40.000 £, umgerechnet 50.850 € weniger Einkommen. Tritt Großbritan-nien aus der EU aus, könnte meine Farm in Schwierigkeiten kommen.“

Freilandschweine nicht konkurrenzfähigDer Schweinehalter Alastair Butler (35) sieht einem etwaigen Austritt gelas-sener entgegen. „Ich hab mich zwar noch nicht entschieden, doch im Mo-ment tendiere ich gegen den Verbleib in der Europäischen Union“, so der Landwirt. Sein Unternehmen befindet sich unweit von Blythburgh, einem Dorf in Südostengland in der Graf-schaft Suffolk. Die Gegend wird in den britischen Medien als „outdoor pig capital“ beschrieben — Großbri-

tanniens Hochburg für Freilandschweine-haltung. „Blythburgh Real Free Range Pork“ gehört mit 24.000 Schweinen in Freiland-haltung zu den landesweit größten Betrie-ben. Das Unternehmen mit 24 Beschäftig-ten umfasst 142 ha. „Die Schweinehaltung ist Teil der Fruchtfolge. Zwei Jahre bleiben die Tiere auf einer Fläche. Während die-ser Zeit düngen sie mit ihren Ausscheidun-gen den Boden und wühlen ihn gleichzeitig um. Danach steht das Feld für vier Jahre der Pflanzenproduktion zur Verfügung, wie für den Anbau von Weizen, Zuckerrüben, Gerste oder Mais. Die Böden brauchen im ersten Jahr keine Zugaben von Phosphat und Kalium“, berichtet Alastair Butler.

GeGner Schweinehalter alastair Butler will eher raus aus der Gemeinschaft.

Unentschieden Farmer Guy Smith hat sich noch nicht festgelegt, wie er abstimmt.

Landwirte wünschen sich mehr Aufklärung und Information, bevor sie sich entscheiden können“, berichtet Brian Finnerty.

Llyr Jones, der junge Schafzüchter aus Wales, hat vor kurzem unter seinen Kollegen auf Twitter herumgefragt, wie sie zum Brexit stehen. 271 Landwirte haben geantwortet. Davon waren 59 % für den Verbleib in der EU, 41 % wollen die Gemeinschaft verlassen. „Das hätte ich nie gedacht, dass doch so viele mit dem Ausstieg liebäugeln“, überrascht den Schafhalter das Ergebnis. „Es ist sicher keine einfache Entscheidung. Auf jeden Fall wird es spannend“, sagt der Waliser. (leh)

Petra Jacob, freie Agrarjournalistin

18 agrarmanager MaI 2016 MaI 2016 agrarmanager 19

titel Politik & Recht

N Britische Farmer zum Brexit

befürworter Schafhalter Llyr

Jones rechnet für seinen Betrieb

mit Schwierigkeiten im Falle eines

austritts aus der EU.


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