Date post: | 17-Mar-2016 |
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Berge | Muntognas
# 43 : Somm
er | Stà 2012
NameN gebeN uNd VermesseN
Von schartenhöhen und Nebengipfeln
VerkaufeN uNd schützeN
die schwierige aufgabe der touristiker
badeN uNd triNkeN
die Wassertradition aufleben lassenberge[ muntognas ]
#43Sommer | Stà 2012
piz43_Cover_RZ.indd 1 14.05.12 20:08
die yacht-master ii
J E D E R O L E X Z E U G T V O N G R O S S E R T E C H N I S C H E R L E I S T U N G .
D I E YA C H T- M A S T E R I I W U R D E U R S P R Ü N G L I C H S P E Z I E L L F Ü R
D I E A N FO R D E R U N G E N V O N S EG E L P R O F I S E N T W I C K E LT. A L S
E R S T E K O M P L I K A T I O N D E R W E L T I S T I H R P A T E N T I E R T E R
PR O G R A MMIER B A R ER COUNTD O W N MIT E INEM MECH A NI S CHEN
SPEICHER AUSGERÜSTET, DER DIE PERFEKTE SYNCHRONISIERUNG
M I T J E D E M R EG AT TA S TA R T E R L AU B T.
Zegg_116681_220x287_0312.indd 1 21.03.12 16:19
INHALT / CUNTGNU
Editorial. Die Berge rufen.
Namen geben und vermessen. Zuerst wurden sie ver-messen und mit Namen versehen. Heute streitet sich die Wissenschaft, ob die Berge noch immer wachsen.
Alpen-Club auf Gratwanderung. Umweltschutz und Tourismus, rote Socken oder Funktionsbekleidung. Im SAC wird engagiert diskutiert.
Vermarkter und Umweltschützer. Ariane Ehrat und Urs Wohler stehen an der Spitze der beiden Engadi-ner Tourismusdestinationen.
«Da wirt das gantze erdtrich brinnen.» Geht die Welt im Dezember unter? Nein, sagt der Churer Geo-loge Markus Weidmann, aber irgendwann viel später.
Graubündens höchste Wirtin. Silvia Bergo leitet das Berghaus Diavolezza auf 2978 m ü. M.
Die Farben der Natur versammelt. George Stein-mann sammelt seit 25 Jahren Mineralwasser-Pigmente, Steine und Flechten. Diesen Sommer stellt er im Zent-rum für Gegenwartskunst in Nairs aus.
Heidi, Bond und Sennentuntschi. Die Berge als be-liebte Kulisse: Über zweihundert Spielfilme wurden im Engadin schon gedreht – und ungezählte Werbefilme.
Ohne Blitz und Donner in der Wand. Im Serlas Parc in S-chanf kann bei jedem Wetter geklettert werden: Der künstliche Berg steht in der schützenden Halle.
Ad fontes – Wasser wieder entdecken. Die Trink-hallen von Nairs und St. Moritz-Bad sollen aufleben.
Auch tief im Fels muss alles klappen. Davide Maz-zucchi kontrolliert tief im Bernina-Massiv die Druck-stollen.
Geplant – und trotzdem zugebaut. Was kann und konnte die Raumplanung bewirken?
Der mit den Bergen kocht. Sternekoch Martin Gö-schel bringt Moosbrot und Arvenrauch auf den Tisch.
Alpinismus und Visionen im Museum. Im Museum Alpin in Pontresina entdeckt man Alpinismus, Kris-talle, Tiere, alte Wohnkultur – und Bahn-Fantasien.
Bücher. Neuerscheinungen aus der Region in Deutsch und Romanisch.
Pizzeria. Aktuelles aus Südbünden.
Vorschau. Impressum.
Titelbild und Bild rechts von Heiko Blankenstein. Titelbild: Detail aus «Crossbreed»,
2012. Bild rechts: Detail aus «When you breathe in, I breathe out», 2009. Beides sind
Leuchtkastenzeichnungen, 90 x 127 cm. www.heikoblankenstein.com
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Traditionell erfrischend. Natürlich auch mit Geschmack. Rhäzünser erstrahlt in frischem Glanz! Schon probiert?www.rhaezuenser.ch
5piz 43 : Sommer | Stà 2012
Liebe Leserinnen und Leser – chara lectura, char lectur
EDITORIAL Urezza Famos
Die Berge rufenLas muntognas cloman
Der Ausspruch gilt noch immer: «Der Berg ruft.»
Und doch bleiben die Berge Orte des Schre-
ckens, des Aberglaubens und der Geheimnisse.
Wir fürchten uns davor, aber sie strahlen gleichzeitig
Faszination aus. Wer in Südbünden lebt, ist von vielen
Bergen umgeben. Die Menschen hier sind mit der
Schönheit und den Gefahren jeden Tag direkt kon-
frontiert. Wer aber für Ferien oder zur sportlichen He-
rausforderung anreist, will die Berge erleben, entde-
cken. So sind es denn oft Gäste und Zugezogene, die
den Berg untersuchen, interpretieren, vermessen oder
hier Filme drehen. Viele haben Ansprüche ans Ge-
birge und nehmen es in Beschlag: Künstler, Wissen-
schaftler, Bergsteiger, Naturliebhaber, Forscher. Da-
hinter steckt wohl der Wunsch, hier Neues zu erleben,
dem Himmel nahe zu sein.
Vor allem aber sind die Berge in den letzten 150 Jahren
zusehends zum Freizeit-Ort geworden. Das hat die
Diskussionen über die verträgliche Nutzung ange-
heizt. Die Meinungen dazu gehen weit auseinander,
so weit wie die Nutzungen: Die einen bezwingen den
Gipfel immer noch zu Fuss oder auf den Skiern, andere
lassen sich lieber mit einer Bahn hinaufbringen. Aber
beide Gruppen sind der Tourismusbranche willkom-
men. Die Begleiterscheinungen sind bekannt: Die ur-
banen Bedürfnisse werden heute auch in den hinters-
ten Tälern befriedigt – die Globalisierung macht vor
unseren Gipfeln nicht Halt. Mit dieser piz-Ausgabe
stellen wir Ihnen Menschen vor, die sich intensiv mit
der Bergwelt beschäftigen.
Ein Hinweis: piz organisiert am 24. August in Vnà und
am 20. September in Chur, jeweils um 20 Uhr, span-
nende Stunden zum Thema Weltuntergang. Wenn Sie
dabei sein wollen, finden Sie alles Wichtige dazu auf
Seite 46. Und wenn Ihnen unsere Themen zusagen,
zögern Sie nicht, piz zu abonnieren und weiterzuemp-
fehlen. Kontaktieren Sie uns per E-Mail oder rufen Sie
an. www.pizmagazin.ch, +41 (0)81 864 72 88
L’ expressiun «la muntogna cloma» vala amo
adüna. Adonta da quai restan las muntognas ün
lö da schnuizi, da superstiziun e misteris. Tant
co ch’ellas ans fan temma, ans fascineschna eir. Chi
chi viva in Grischun dal Süd, es circundà da munto-
gnas. Quia es la populaziun di per di con- fruntada di-
rectamaing cun lur bellezza e privels. Chi chi vain
d’utrò in vacanzas o in tschercha da la sfida sportiva,
voul scuvrir las muntognas e tschercha l’aventüra.
Perquai sun quels chi examineschan, interprete-
schan e masüran oura las muntognas o tillas douvran
sco motiv in lur films, pelplü giasts o fulasters. Blers
han eir aspettativas invers la muntogna e tilla confis-
fisceschan: Artists, scienciats, alpinists, amatuors da
la natüra, perscrutaders. Davo quai as zoppa faquint il
giavüsch da ramassar nouvas experienzas, d’esser plü
dastrusch pussibel al tschêl.
Ils ultims 150 ons sun las muntognas dvantadas vie-
plü spazi per passantar il temp liber. Quai ha dat andit
a discussiuns, quant ch’ellas cumportan insomma da
gnir trattas a nüz. Ils maniamaints van fermamaing
ourdglioter, tant sco’ls differents adövers: Ils üns til-
las vendschan amo adüna a pè o süls skis, oters as la-
schan transportar sülla pizza. Tuottas duos gruppas
sun baivgnüdas al sectur turistic. Ils fenomens secun-
dars sun cuntschaints: ils bsögns urbans vegnan cun-
tantats hozindi eir aintasom las vals las plü isoladas –
la globalisaziun nu’s ferma neir davant nossa pizza. In
quist’ediziun as laina preschantar persunas chi s’oc-
cupan intensivamaing cul muond muntagnard.
Avis: piz organisescha per vo als 24. auost a Vnà ed als
20. settember a Cuoira uras plain tensiun davart il
tema da l’apocalipsa. Scha vo laivat esser da la partida,
chattaivat tuot las infuormaziuns importantas sün
pagina 46. Scha noss temas as interessan, abunai il piz
ed ans racumandai inavant! Vo ans pudaivat contac-
tar per email o per telefon.
www.pizmagazin.ch, +41 (0)81 864 72 88
6 piz 43 : Sommer | Stà 2012
Glaubt man dem Höhenmeter, sind die Berge im
Winter höher als im Sommer. Aber der Höhen-
meter irrt, denn der Höhenmeter ist ja gar kein
Höhenmeter, sondern ein Barometer, das den aktuel-
len Luftdruck misst und uns dann die Höhe angibt.
Wer bei kalten Temperaturen auf die Berge steigt, er-
hält vom Messgerät einen höheren Wert als bei war-
men. Die Abweichung ist marginal und das physikali-
sche Gesetz mag vielen banal erscheinen. Dass dieses
kleine Ding heute eine recht genaue Höhe angibt,
grenzt an ein Wunder und lässt kaum mehr ahnen,
wie mühselig die wissenschaftliche Eroberung der
Berge war. Die Schweizer Karte aus dem Jahr 1712 von
Johann Jakob Scheuchzer enthielt weder Höhenanga-
ben noch ein Gradnetz.
Die Gelehrten glaubten lange, der Gotthard sei die
höchste Erhebung der Alpen. Es gab Versuche, die re-
lative Höhe der Berge anhand von Schneegrenzen
oder Vegetationsstufen zu bestimmen. Ab 1705 unter-
nahm Scheuchzer kaum eine Alpenreise ohne Queck-
silberbarometer. Er musste ein meterlanges Glasrohr
und ein Gefäss mit Quecksilber mit sich schleppen
und jeweils vor der Messung das flüssige Metall ins
Glasrohr abfüllen.
1787 auf dem Mont BlancAls Horace-Bénédict de Saussure, Schweizer Pionier der
Alpenforschung, am 3. August 1787 auf den Mont
Blanc gestiegen war, machte er in der dünnen Höhen-
luft auch vergleichende barometrische Messungen.
Die ergaben, dass der Mont Blanc der höchste Gipfel
Europas ist. Er errechnete einen Wert von 4775 Metern
und kam den heute geltenden 4807 Metern recht nahe.
Da sich die Wissenschaft bis anhin kaum für die Berge
interessierte, kannte man häufig nicht einmal deren
Namen. Dass dies zum Problem wurde, zeigte der
Briefwechsel zwischen den beiden Schweizer Univer-
salgelehrten Albrecht von Haller und Jacques-Barthé-
lemy Micheli du Crest. Am 20. Juli 1754 gelangte Mi-
cheli du Crest mit der Bitte an Haller, die Namen der
sieben Berge auf einer beigelegten Skizze zu überprü-
fen. Das Schreckhorn und das Wetterhorn waren rich-
tig angeschrieben, Jungfrau, Mönch und Eiger aber
falsch. Die schriftliche Antwort Hallers vom 30. Juli
1754 ergab noch eine Verschlechterung. Crest veröf-
fentlichte später den «Prospect Géometric». Von vier-
zig bezeichneten Bergspitzen waren nach heutiger
Nomenklatur nur gerade fünf korrekt benannt. Dies
ist einem Text aus den «Mitteilungen der Naturfor-
schenden Gesellschaft Bern, 2009» zu entnehmen.
Die Dufourkarte entstehtDie Forschungen geschahen auf privater Basis. «Die
Vermessung der Alpen ist als ein eigendynamischer
Prozess zu verstehen, in dessen Verlauf einzelne Al-
pengipfel als Orte definiert wurden, die es zu errei-
chen galt», sagt David Gugerli, Professor für Technik-
geschichte an der ETH Zürich.
Später war es vor allem das Militär, das eine koordi-
nierte Vermessung forderte. 1837 gründete Guillaume-
Henri Dufour das Eidgenössische Topographische
Bureau in Genf – Vorgänger der heutigen Landesto-
pografie. «Il faut à tout prix franchir les alpes», hatte
Dufour schon im März 1834 als wichtigste Losung an
seinen Stab definiert. 1840 publizierte der Astronom
und Geodät Johannes Eschmann die «Ergebnisse der
trigonometrischen Vermessungen in der Schweiz».
Sie dienten der Dufourkarte als geodätisches Bezugs-
system. Aber Vermessungen in den Alpen waren nicht
einfach. Die in eidgenössischen Diensten stehenden
Kartografen hatten öfters Höhenangst und waren
nicht immer wetterfest.
So begab es sich, dass Berufsleute aus Nordbünden ins
aufstrebende Engadin zogen um die Berge topogra-
fisch auszumessen. Unter ihnen auch der junge Geo-
meter Johann Wilhelm Coaz. Er war Vermesser im
Namen geben und vermessen
Erst wurden die Berge vermessen und mit einem Namen versehen. Dann wurde diskutiert, was ein Berg, ein Gipfel oder nur ein unbedeutender Felszacken ist. Heute streitet sich die Wissen-schaft, ob und warum die Berge noch immer wachsen.
Text: Walter Aeschimann
Fotos: Marco Volken
8 piz 43 : Sommer | Stà 2012
Dienste Dufours und erhielt den Auftrag, einen da-
mals namenlosen Berg zu besteigen. «Der 13. Septem-
ber 1850 wurde zu einem Versuch der Erstbesteigung
des Bernina festgesetzt. (...) Wir versahen uns daher
nur für einen Tag mit Speise und Trank. Ein Beil zum
Einhauen von Tritten ins Gletschereis, ein Seil und
Bergstöcke waren unser gesamtes Hilfsgerät», schil-
derte Coaz später seine Tat. Nachdem sie Spalten über-
wunden, einen Weg im Gletscherlabyrinth gefunden
und Felswände bezwungen hatten, war es so weit:
«Abends gegen 6 Uhr, also 12 Stunden nach unserem
Abmarsch von Berninahäuser, betraten wir den bisher
von Menschen noch nie erklommenen höchsten Gip-
fel des Piz Bernina, auf 4055 m ü. M.» Acht Stunden
später, nach einem abenteuerlichen Abstieg, kehrten
sie in ihr Quartier zurück.
Belächelte ErstbesteigungJohann Wilhelm Coaz war zusammen mit Jon und
Lorenz Ragust Tscharner auf dem Gipfel. Weil der
heute mit 4048,6 Metern vermessene Kulminations-
punkt des Kantons Graubünden noch keinen Namen
hatte, nannte Coaz ihn Piz Bernina. «Am zweiten Tage
nach der Erstbesteigung begab ich mich nach Same-
dan und teilte im Kasino meinen Bekannten die statt-
gefundene Ersteigung des Bernina mit, fand aber nur
zweifelndes Lächeln, denn der Bernina gilt als uner-
steigbar. Erst vor der Ortschaft, da, wo gegenwärtig
das Hotel Bernina steht, vermochte ich die Herren von
der Ersteigung des Bernina zu überzeugen, indem ich
ihnen mit dem Fernrohr die auf der Berninaspitze flat-
ternde Fahne zeigte.»
Die spätere Vermessung des Piz Bernina geschah mit-
tels Triangulation, bis heute Basis jeder Landesver-
messung. Der Theodolit, das Winkelmessgerät zur Hö-
henbestimmung, musste jedoch mühselig in die
Höhe und in die damals unbekannte Gletscherwelt
getragen werden. Die topografische Karte der Schweiz
1:100’000, die Dufourkarte, wurde zwischen 1845
und 1865 publiziert und entstand damit parallel zum
modernen Bundesstaat. Es ist das erste amtliche Kar-
tenwerk, das die ganze Schweiz umfasst.
Wann ist der Berg ein Berg?Kaum waren die Berge mit Namen versehen und die
Höhen wissenschaftlich austariert, begann eine neue
Diskussion: Was ist ein Berg, was ein Gipfel oder nur
ein unbedeutender Felszacken? Die Debatten kamen
auf, weil die Alpen als sportliches Freizeitvergnügen
entdeckt wurden. Einer der bekanntesten Alpinisten
war Karl Blodig, ein Augenarzt und Bergsteiger aus Ös-
terreich. Er hatte sich aufgemacht, alle Viertausender
zu bezwingen, und beeinflusste damit massgeblich
die Diskussion darüber, wie viele Gipfel dieser magi-
schen Höhe es in den Alpen gibt. Im August 1911 hatte
er mit der Besteigung des Picco Luigi Amedeo den 68.
Viertausender und somit alle Viertausender der Alpen
bestiegen. Der Picco Luigi Amedeo ist ein 4470 Meter
hoher Gipfel im Mont-Blanc-Massiv. In seinem Buch
«Die Viertausender der Alpen» aus dem Jahr 1923
räumte Blodig dann allerdings ein, es sei strittig, die-
sen «Gipfelblock» als eigenständig zu bezeichnen.
Erst Anfang der 1990er-Jahre machten sich die Alpen-
Verbände der Schweiz, Italiens und Frankreichs daran,
eine offizielle Liste der eigenständigen Gipfel aufzu-
setzen, denn «bis heute gibt es keine eindeutige alpi-
nistische und topografische Referenzliste für die Gip-
fel der Alpen, die über 4000 Meter hoch sind», schrieb
die Internationale Alpinismusvereinigung (UIAA) im
März 1994. «Unter Gipfel im weitesten Sinne des Wor-
tes versteht man einen Punkt der Oberfläche der Al-
pen, der sich mit einem gewissen Höhenunterschied
von der umliegenden Fläche abhebt», beginnt die De-
finition. Jeder Gipfel muss «autonom» sein, das heisst,
eine «Individualität» besitzen. Diese Liste der 4000er
sei «in erster Linie für Bergsteiger gemacht. Sie basiert
Vorangehende Seite:
Erosion im Münstertal
9piz 43 : Sommer | Stà 2012
demzufolge nicht ausschliesslich auf topografischen
Kriterien (…), sondern auch auf komplementären, et-
was subjektiven Kriterien, die sich mit der Evolution
des Bergsteigens evtl. noch ändern können», heisst es
in den UIAA-Ausführungen weiter.
Schartenhöhe und DominanzGrundlage bilden trotzdem topografische Kriterien:
«Für jeden Gipfel gilt der Grundsatz, dass zwischen
ihm und dem höchsten angrenzenden Sattel oder ei-
ner Scharte der Höhenunterschied nicht weniger als
30 Meter sein darf.» 30 Meter entsprechen wohl nicht
ganz zufällig der klassischen alpinistischen Seillänge.
Zum Kriterium der «Schartenhöhe» wird der Abstand
in horizontaler Richtung zwischen dem zu prüfenden
Gipfel und dem Hang eines in der Nähe liegenden
Viertausenders in Betracht gezogen (Dominanz).
Die UIAA definierte so 82 Gipfel und 46 Nebengipfel.
Während die UIAA nur zwischen Haupt- und Neben-
gipfel unterschied, ist auch üblich, kleine Nebengip-
fel, grosse Nebengipfel, relativ selbständige Hauptgip-
fel oder grosse Hauptgipfel zu benennen, bis hin zum
Berg. Um einen Gipfel als eigenständigen Berg zu be-
zeichnen, gelten in den Alpen mindestens 100 bis 300
Meter Schartenhöhe und eine Dominanz von einem
bis drei Kilometern. Der Piz Bernina hat eine Schar-
tenhöhe von 2234 Metern zum Malojapass und eine
Dominanz von 138 Kilometern. Er ist der Schweizer
Berg mit der grössten «Dominanz». Der nächsthöhere
Berg ist das Finsteraarhorn.
Wachsen die Berge?Als auch diese Diskussionen einigermassen geregelt
schienen, streute die Wissenschaft erneut Verwir-
rung. Die Berge wachsen, verkündete sie. Dies ist
umso erstaunlicher, als die Experten bislang dachten,
der Alpenriegel nehme nicht mehr weiter an Höhe zu.
Der Zusammenprall der afrikanischen mit der konti-
nentalen Platte vor 50 Millionen Jahren hatte die Al-
pen hervorgebracht und die Berge aufgeformt. Dann
schien Ruhe einzukehren. Die Geodäten stellten je-
doch fest, dass sich die trigonometrischen Mess-
punkte weiterhin verschieben und sich die Alpenwelt
bis zu 1,3 Millimeter pro Jahr hebt.
Dies wird von einigen Wissenschaftlern damit erklärt,
dass die Alpenfaltung noch schwach im Gange sei.
Andere gehen davon aus, unter ihnen der Geologe
Fritz Schlunegger von der Uni Bern, dass die Kollision
der Kontinente zum Stillstand gekommen ist und an-
dere Phänomene verantwortlich sind, etwa der so ge-
nannte «isostatische Ausgleich».
«Nicht die Bewegung von Erdplatten, sondern Auf-
triebskräfte lassen die Berge wachsen», ist Schluneg-
ger überzeugt. Wirksam werden diese Kräfte, weil die
Erosion an den Gebirgen nagt. Das ergibt gigantische
Mengen an Material, um welches die Alpen erleichtert
werden und deshalb weniger auf den Erdmantel drü-
cken. Die auf dem Erdmantel «schwimmenden» Kon-
tinentalplatten sinken weniger ein – die Alpen heben
sich. Mit neuen geochemischen Verfahren ist nun
festgestellt worden, dass die Erosionsraten bis zu zehn-
mal so hoch sind wie angenommen.
Die Alpen könnten noch dramatischer wachsen,
wenn sich Hypothesen von Geophysikern der ETH in
Zürich bewahrheiten sollten. Beim Crash der Konti-
nente sind Teile der äusseren Schicht ins Erdinnere
vorgerückt und haben sich verkeilt. Die hängen nun
wie Gewichte an der europäischen Platte unter der Al-
penwelt. Irgendwann, in ein paar Millionen Jahren,
könnten diese Gewichte wegbrechen und in die Tiefe
sausen. Dann würden die Alpen nach oben schnellen
wie ein Luftballon, der unter Wasser gehalten und
plötzlich losgelassen wird – bis auf 7000 Meter Höhe.
Dann müssten die Berge erneut vermessen, die Debat-
ten um Felszacken oder Gipfel abermals geführt und
auch der Höhenmeter müsste neu gerichtet werden.
Impressionen vom Piz Blaisun
im Albulagebiet.
10 piz 43 : Sommer | Stà 2012
Streit», «Abspaltung» und «Krach» titelten die
Medien im letzten Jahr öfters, wenn es um den
Schweizer Alpen-Club SAC ging. Manchmal
mit einem Fragezeichen versehen, manchmal auch
nicht. Konflikte entzündeten sich an Hüttenrenovati-
onen, Heli-Landeplätzen, Extrembergsteigen, Mas-
sentourismus und Umweltschutz. So war in der Presse
zu lesen, dass die sogenannten traditionalistischen
«Rotsocken» Probleme mit den Leistungssportlern
hätten, dass jene, die Übernachtungskomfort schätz-
ten, mit den Puristen uneinig gingen. Die Zentrale des
SAC selber hielt sich derweil bedeckt. Sie bat die zu-
ständigen Sektionen, derartige Konflikte doch bitte
intern zu klären. Was wiederum die Frage aufwirft:
Steckt etwa doch etwas dahinter?
Heterogene MitgliederstrukturEines ist klar: Der SAC und seine Mitglieder sind un-
glaublich heterogen. Der Alpen-Club ist organisiert in
112 Sektionen, die 153 Hütten betreiben. Er kümmert
sich gemeinsam mit der REGA um Bergrettungen. Er
stellt die Nationalmannschaften im Sportklettern
und Skitouren und bildet Bergsportlerinnen und
Bergsportler aus. Natürlich prallen da widersprüchli-
che Auffassungen und Begehrlichkeiten aufeinander.
Klar ist auch: Der SAC und die ganze Outdoorbranche
haben in den letzten Jahren einen wahnsinnigen
Boom erlebt. Das multipliziert auch die Meinungen
zum adäquaten Umgang mit der Bergwelt, den Gra-
ben zwischen Nützen und Schützen. Die einen wollen
am liebsten alles so lassen, wie es ist. Die andern for-
dern eine Öffnung, die wiederum ganz unterschied-
lich aussehen kann. Also doch ein Streit?
Nichts für Rollkoffer-TouristenDie Kommentare auf entsprechende Artikel zeigen:
Vor allem an der Hüttenfrage scheinen sich die Ge-
müter zu entzünden. Von der «Arroganz gewisser
Samsonite-Rollkoffertouristen» über «Die Mensch-
heit verweichlicht» hin zu «Wenn ich bezahle, darf
ich auch eine einigermassen vernünftige Infrastruk-
tur erwarten!» streiten sich die Kritikerinnen und Kri-
tiker. Am häufigsten fällt das Killer-Argument: «Für
mich hat es jetzt schon genug Leute in den Bergen.»
Selbst war man natürlich immer schon vorher da.
Doch das kann nicht stimmen: Vor zwölf Jahren wa-
ren die Übernachtungszahlen bei den Hütten näm-
lich auf einem Tiefstpunkt. Das wurde zum finanziel-
Alpen-Club auf Gratwanderung
Text: Sina Bühler
Fotos: SAC und Marco Volken
Umweltschutz und Tourismus, Moderne und Tradition, rote Socken oder Funktionsbekleidung. Unter den Alpinisten wird engagiert diskutiert. Die Sektionen des SAC, des Schweizer Alpen-Clubs, kennen die Auseinandersetzungen. Es geht auch um den Komfort in den Hütten.
1 2
11piz 43 : Sommer | Stà 2012
len Problem, Sanierungen konnten die Sektionen
kaum noch finanzieren. Damals schuf der SAC eine
Hütten-Marketingstelle: Heute ist das Bruno Lüthis
Job. «Wir mussten neue Leute ansprechen, und die ha-
ben andere Bedürfnisse als die klassischen Nutzer»,
sagt er. Einen Streit habe es deswegen aber nicht gege-
ben. Eine Diskussion vielleicht. Lüthi weiss: «Es gibt
unterschiedliche Auffassungen: Die Puristen würden
am liebsten alles so lassen, wie es ist. Und andere
möchten mit der Zeit gehen und die Infrastruktur den
Bedürfnissen der heutigen Gäste anpassen», sagt er.
Eine Grenze, die im Übrigen nicht zwischen «neuen»
und «alten» Nutzern verläuft: «Auch klassische Alpi-
nistinnen und Alpinisten schätzen einen gewissen
Komfort», weiss er.
Oft sei der Komfort aber gar nicht das Thema. Beim
Abwägen, ob eine Hütte umfassend saniert werden
soll, seien die gesetzlichen Richtlinien wichtiger. «Zu-
erst einmal gilt es, Brandschutz, Lebensmittelhygiene
und Abwasserrichtlinien einzuhalten. Dann erst be-
mühen wir uns, die Infrastruktur dem heutigen Stan-
dard anzupassen.» Indem man die Massenlager in
kleinere Räume unterteilt beispielsweise.
Klares ZielpublikumDas wird offensichtlich auch geschätzt: Wie Christian
Haller, Präsident der Sektion Bernina, erzählt. «Wir
haben in unserer Jenatsch-Hütte ein einziges Zweier-
zimmer eingerichtet, das zehn Franken mehr kostet.
Es ist jeweils Monate im Voraus ausgebucht.» Weil ei-
nes der ehemaligen Personalzimmer nicht mehr ge-
braucht wurde, war kein eigentlicher Umbau nötig.
Einen «Richtungsstreit» zwischen den Nutzerinnen
und Nutzern der Hütten gebe es deswegen aber nicht,
das sei ein Medien-Hype. Meist würden die mögli-
chen Konflikte ohnehin durch einen ganz simplen
Fakt entschärft: Es sei je nach Hütte ziemlich klar, wer
zum Zielpublikum gehöre. «Auf die einen kommt
man mit dem Auto, eine Postautolinie führt daran
vorbei, die Wanderungen in der Nähe sind eher kurz
und leicht. Hier übernachten Familien und Wande-
rer.» Andere Hütten hingegen seien auf Alpinistinnen
und Alpinisten ausgerichtet. So komme sich in den
Bergen gar niemand in die Quere.
Eine neue Hütte?Auch Gianna Rauch, Sektionspräsidentin des SAC En-
giadina Bassa, findet, die beiden Positionen und Be-
dürfnisse hätten gut nebeneinander Platz, in ver-
schiedenen Hütten. Und wo sich die beiden Gruppen
vermischen? «Da spielt die Kommunikationsfähigkeit
der Verantwortlichen eine Rolle. Dann wird vom Hüt-
tenwart halt klar gesagt: Um drei Uhr gibt es Zmorge
für die Bergsteiger, und er macht ab sieben Uhr ein
zweites Frühstück für die Wanderer.» Die Linard-
Hütte, die zu ihrer Sektion gehört, sei so ein Beispiel:
Ursprünglich für Alpinisten gedacht, zieht sie heute
viele Familien an. Ein problemloses Nebeneinander.
Intensive Diskussionen sind der Sektion trotzdem
nicht fremd. Als vor vier Jahren die Idee aufkam, eine
leerstehende Hütte auf der Alp Sprella im Münstertal
zur SAC-Unterkunft umzubauen, provozierte das den
Protest von Umweltorganisationen: Die Alp Sprella
kann zwar heute schon von Gruppen gemietet wer-
den, liegt aber mitten in der «Biosfera Val Müstair»
und wäre die erste neue Hütte des SAC seit über 25 Jah-
ren. 2009 sprach sich die SAC-Abgeordnetenver-
sammlung für die neue Hütte aus und die Sektion ver-
sprach, Bedenken von Umweltschützern ernst zu
nehmen. So hat sie sich beispielsweise bereit erklärt,
auf eine Winternutzung zu verzichten. Wie es weiter-
geht, ist noch unklar. Zurzeit läuft das Verfahren beim
Amt für Raumplanung.
Die dritte Sektion in Südbünden, der CAS Bregaglia,
muss sich solche Konfliktlösungen gar nicht erst über-
legen: Sie besitzt bloss eine einfache Hütte, die Sasc
3 42
1-4 Hütten-Impressionen
3 Hütte Es-cha, oberhalb von
Madulain und Zuoz
Die SAC-Hütten im Engadin und in der ganzen Schweiz im Internet:www.sac-cas.ch/Huette-suchen.971.0.htmlReservationen erfolgen di-rekt bei den Hüttenwarten oder den Sektionen.
12 piz 43 : Sommer | Stà 2012
Furä im Val Bondasca. Die finanziellen Mittel sind be-
schränkt, utopische Überlegungen über teure Neu-
oder Umbauten muss sich die Sektion deswegen keine
machen. Obwohl sie das auch aus Prinzip nicht würde,
wie der Sektionspräsident Martin Ganzoni sagt: «Zu
uns kommen wenig Tagestouristen, es übernachten
fast nur Kletterer, die auf den Pizzo Badile, Pizzo Cen-
galo oder auf den Trubinasca wollen.» Die Gäste kom-
men meist spät nachmittags und verlassen die Hütte
in den frühen Morgenstunden wieder.
Komfort ist aber doch ein Thema. 1995 wurden bei ei-
ner Sanierung und Erweiterung die Anzahl Schlaf-
plätze pro Zimmer reduziert: Statt einem einzigen gibt
es nun vier Zimmer und die Wolldecken wurden
durch Duvets ersetzt. Ein paar Jahre später wurde die
Winterhütte komplett neu aufgebaut und 2009 die
WC-Anlage mit Duschen versehen. «Ideen für weitere
Verbesserungen im Bereich Komfort sind vorhanden,
aber es sind nur kleine, einfache Schritte möglich»,
sagt Ganzoni.
Historische Diskussion«Sinnkrise» und «Richtungsstreit» gab es bei den Hüt-
ten aber immer schon: Im gesamten Alpenraum ent-
zündeten sich die Diskussionen – spätestens nach dem
Zweiten Weltkrieg, als immer mehr Menschen die Al-
pen entdeckten. So mussten sich die heutigen Puris-
tinnen und Puristen, die der neuen Generation «Ver-
weichlichung» vorwerfen, von ihrer Elterngeneration
dasselbe sagen lassen. Und jene wiederum von ihren
Grosseltern. Interessant ist allerdings, dass heute jene,
die es gerne einfach haben, meist in den urbanen SAC-
Sektionen beheimatet sind. «Sie haben oft ein verklär-
tes Bild der Alpen», sagt Christian Haller. Und fügt la-
pidar hinzu: Man könne das locker sehen oder
militant – die Entwicklung lasse sich trotzdem kaum
aufhalten. Spektakuläre Hütten wie der High-Tech-
Bau Monte Rosa in Zermatt oder die neue Cristallina-
Hütte im Tessin bleiben dennoch die Ausnahme.
Christian Haller hat nach den betrieblichen Erfah-
rungen mit der erweiterten Tschierva-Hütte (siehe un-
ten) allerdings eine Konsequenz bereits gezogen: «Mir
baut in Zukunft keiner eine Hütte, der nicht mindes-
tens zwei Wochen da oben gewohnt hat.»
Neue Tschierva-HütteDie erweiterte und umgebaute Tschierva-Hütte in der
Bernina-Gruppe wurde 2003 eingeweiht. «Eine fan-
tastische Hütte», sagt Christian Haller, Präsident der
SAC-Sektion Bernina, der sie gehört. Architektonisch
und aus Sicht der Gäste ist die Erweiterung sehr gut ge-
lungen, doch betrieblich hat sie einige Schwächen:
«Von der Küche bis zum Speisesaal muss das Personal
durch drei Türen, das ist unpraktisch und das Perso-
nal ist deswegen nicht glücklich», weiss Haller. Nicht
zuletzt deshalb will er vor einem nächsten Um- oder
Neubau die Architekten zuerst mindestens zwei Wo-
chen als Hüttenwart verpflichten.
5 Für die Gäste bereit
6 Bondasca-Hütte: Schönwetter-
service durchs Fenster
7 Modern und für den Ansturm
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Notruf 144
14 piz 43 : Sommer | Stà 2012
Interview: Franco Brunner
Fotos: Mayk Wendt
piz: Frau Ehrat, Herr Wohler, welches ist der schönste Berg
der Schweiz und weshalb?
Ariane Ehrat: Ich habe nur Lieblingsberge. Bei mir
hängt viel von der Stimmung, der Wetterlage und der
verfügbaren Zeit ab. So finde ich immer gerade den
passenden Lieblingsberg. Das kann die Fuorcla Surlej
sein oder der Muottas da Schlarigna mit dieser wun-
derbaren, rund 1400-jährigen Arve. Das sind für mich
fantastische Aussichtspunkte und nicht zuletzt auch
ganz persönliche Rückzugsorte.
Urs Wohler: Mir kommen bei dieser Frage gleich zwei
Bilder in den Sinn. Zum einen der Moment, wenn
man an einem schönen Herbsttag vom Oberengadin
nach Zernez kommt und den prächtigen Piz Linard
mit seiner fast schon an das Himalaya-Gebirge erin-
nernden Pyramidenform erblickt. Zum anderen ist
zum Beispiel ein Mot Madlain für mich persönlich ein
sehr wertvoller Ort. Das ist eigentlich nur ein runder
Hügel, jedoch mit einem steilen Weg nach oben und
einem wunderbaren Edelweissparadies.
Das klingt romantisch. Aber Sie als Touristiker sehen beim
Betrachten eines Berges doch nicht nur die Schönheit der
Natur, sondern vor allem die touristischen Möglichkeiten.
A.E.: Heutzutage ist ja auch in der Gedankenwelt so
schnell alles vernetzt, dass man einen Berg sowohl aus
privater als auch aus beruflicher Sicht betrachtet. Per-
sönlich mache ich die Unterscheidung Privat und Be-
ruf jedenfalls nicht bewusst. Was jedoch immer mit-
schwingt, ist der Gedanke, dass man der Natur Sorge
tragen muss. Denn wenn man vom touristischen As-
pekt eines Berges spricht, klingt das ja immer nach Zi-
vilisation. Deshalb ist es für unsere Gesellschaft und
unsere Nachkommen unheimlich wichtig, dass wir
uns bewusst sind, welches Kapital die Natur darstellt.
Wie geht das denn zusammen, wenn man die Natur als
Kapital betrachtet und ihr gleichzeitig Sorge tragen will?
U.W.: Das Leben besteht nun mal auch aus Interessens-
und Zielkonflikten, keine Frage. Gerade deshalb müs-
sen wir als Repräsentanten der Tourismusbranche uns
auch immer sehr intensiv mit diesem Spannungsfeld
zwischen Nutzen und Schützen auseinandersetzen.
Aber Sie üben doch den Spagat, wenn Sie auf der einen Seite
von einem wunderbaren, schützenswerten Stück Natur
und auf der anderen Seite von einem Markt- und Ge-
schäftsobjekt reden.
A.E.: Wir sind heute glücklicherweise in der Zeit ange-
kommen, in der Nachhaltigkeit ein absolut zentraler
Wert ist. Jede Destination hat die Wahl, diese Nach-
haltigkeit für sich zu interpretieren und zu erfüllen.
Weil sich der Ökofundamentalismus und Kapitalden-
ken angenähert haben, haben wir heute die grosse
Chance, beide Seiten miteinander zu verbinden.
U.W.: Wichtig ist auch, dass die Angebote der einzel-
nen Destinationen auf den regionalen Stärken beru-
gen. Natürlich kann es zu Zielkonflikten kommen,
etwa mit der einheimischen Bevölkerung. Einerseits
geht es darum, die Region so zu erhalten, wie sie ist,
schliesslich ist das unsere touristische Grundlage. An-
dererseits soll es aber auch möglich sein, sich weiterzu-
entwickeln. An diesem Punkt ist die Diskussion heute
zwar immer noch anspruchsvoll, jedoch sehr gut
möglich. Denn eines ist klar: Nur gemeinsam können
wir unseren grössten Trumpf behalten: Wir sind nicht
austauschbar! In diesem Sinne sind wir als Touristiker
sozusagen beides, Vermarkter und Umweltschützer,
denn die Umwelt ist unser Kapital.
Schön und gut, aber mehr Umsatz für eine Bergtourismus-
region ist doch automatisch mit einem grösseren Eingriff
in die Natur gekoppelt. Das ändern die Diskussionen nicht.
A.E.: Nein. Genau das darf es heutzutage eben nicht
mehr sein. Zudem reden wir heute auch nicht mehr
vom Umsatz, sondern vom Beibehalten oder Steigern
Ariane Ehrat und Urs Wohler stehen an der Spitze der beiden Engadiner Tourismusdestinati-onen. Im Gespräch erklären sie unter anderem, wie sie den Spagat zwischen Verkäufer und Schutzpatron der Berge meistern.
Vermarkter und Umweltschützer
\ Urs Wohler ...... ist seit 2005 Direktor der heutigen Tourismusorganisation Engadin Scuol Samnaun Val Müstair AG. Zuvor war er Leiter Marketing-Services von Grau-bünden Ferien und Geschäftsführer des Kur- und Verkehrsvereins Vals-Valsertal. Der gebürtige Berner hat an der Academia Engiadina und der Hochschule Luzern studiert.
Y Ariane Ehrat ...... ist seit 2008 Direktorin von Enga-din-St.Moritz-Tourismus. Sie hat Kom-munikationswissenschaften in Lu-gano und Memphis (USA) studiert, war Leiterin der Abteilung Kommunika-tion und Marketing vom Schweizer Ra-dio DRS sowie Marketingchefin der Al-penarena Flims-Laax-Falera. In den Achtzigerjahren war sie Profi-Skirenn-fahrerin. Ihren grössten Erfolg feierte sie mit einer Silbermedaille in der Ab-fahrt bei der Weltmeisterschaft 1985.
16 piz 43 : Sommer | Stà 2012
der Wertschöpfung. Mit anderen Worten, im Touris-
mus geht es nicht mehr um quantitatives, sondern
ausschliesslich um qualitatives Wachstum. Und das
schon seit einigen Jahren. Vielleicht haben wir Touris-
tiker immer noch das Image der rücksichtslosen Pro-
fitstreber. Wir sind wohl noch nicht in der Glaubwür-
digkeitsphase angekommen, in der klar wird, dass
wir – wie es Urs Wohler eben gesagt hat – nicht nur
Vermarkter, sondern auch Umweltschützer sind.
Dorthin müssen wir aber kommen. Wir sind uns abso-
lut bewusst, dass es langfristig nur noch funktioniert,
wenn sich der Einheimische als Gastgeber und damit
auch der Gast wohl fühlt, wenn die Natur stimmt und
der Komfort gewährleistet ist.
U.W.: Das sehe ich genauso. Zum Thema Wachstum
möchte ich noch anfügen, dass wir in Bezug auf die
Auslastung der bestehenden Kapazitäten noch jede
Menge Wachstumsmöglichkeiten haben. Wir haben
sogar in der Hochsaison noch freie Kapazitäten, erst
recht in den Saisonrandzeiten.
Wurde also in der Vergangenheit alles viel zu gross dimen-
sioniert?
U.W.: Nein. Das Problem ist, dass zum Beispiel gegen
Frühling hin, wenn man bei uns immer noch unter
Top-Bedingungen Ski fahren kann, die Nachfrage
massiv zurückgeht, denn im Unterland explodiert
dann gleichzeitig das Alternativangebot. Das ist eine
grosse Herausforderung.
A.E.: Die Rahmenbedingungen haben sich in den ver-
gangenen zehn Jahren extrem verändert. Auf der ei-
nen Seite kann man früher mit dem Skifahren begin-
nen und man kann auch länger fahren. Auf der
anderen Seite fliegen die Leute heute gerne einmal ein
paar Tage nach Mallorca oder rasch nach New York um
zu shoppen. Die Möglichkeiten sind um einiges grö-
sser geworden.
Im Münstertal wird der Tour-de-Ski-Tross Halt machen.
Ist dieser Grossanlass keine Mehrbelastung für das Bios-
fera-Gebiet?
U.W.: Die Tour-de-Ski ist ein Medienevent, der dieses
Jahr im Val Müstair und damit erstmals auch in der
Schweiz stattfinden wird. Das gibt grosse punktuelle
Aufmerksamkeit. Eine solche Veranstaltung kann
man heute ohne Umweltbelastungen durchführen.
Da wird zum Beispiel ein temporäres Stadion gebaut.
Zudem ziehen bloss die paar hundert Aktiven mit ih-
rem Tross von Austragungsort zu Austragungsort. Die
Besucher kommen aus der Region selbst.
Den professionellen Skizirkus und somit die verschiedens-
ten Berg-Destinationen kennen Sie, Frau Ehrat, aus Ihrer
Zeit als Profiskirennfahrerin bestens. Wie hat sich seit die-
ser Zeit die touristische Bergwelt verändert?
A.E.: In den mit Bergbahnen erschlossenen Gebieten
haben sich vor allem das Design und die Ästhetik sehr
stark verändert. Früher wurden irgendwo Masten zu-
betoniert und irgendwelche Bauten hingestellt. Heute
legt man sehr viel Wert darauf, dass es rund um eine
Bergstation schön aussieht. Auch die Ursprünglich-
keit wird heute viel stärker gewichtet als früher.
Was sehen Sie nach Annahme der Zweitwohnungsinitia-
tive auf sich zukommen?
U.W.: Die Initiative wird einschneidende Veränderun-
gen mit sich bringen, keine Frage. Aber vielleicht ist es
auch eine Chance, sich kreativ zu überlegen, wie man
in Zukunft zum Beispiel die Hotellerie finanziert. Ich
bin überzeugt, dass heute das Wissen hierfür vorhan-
den ist. Für uns als Tourismusorganisation ist ent-
scheidend, dass sich durch die Initiative unser Auftrag
nicht verändert hat. Wir wollen nach wie vor die
Nachfrage fördern.
A.E.: Ich persönlich bedaure das Abstimmungsergeb-
nis. Nun müssen Wege gefunden werden, dem Volks-
willen zu entsprechen. Mit Blick auf das Oberengadin
ist es nun wichtig, sehr sorgfältig auf die alpinen Ski-
weltmeisterschaften hinzuarbeiten, die wir mögli-
cherweise 2017 durchführen dürfen. Auch die Olym-
piakandidatur mit dem Motto «Zurück in die Berge» ist
eine Chance. Solche Anlässe bieten die Chance, Inves-
titionen, die durch die Initiative wohl wegfallen wer-
den, anderswo und gemeinsam zu generieren – selbst-
verständlich unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit.
Zum Schluss ein Blick in die Kristallkugel: Wie sieht die En-
gadiner Bergwelt in zwanzig Jahren aus?
A.E.: Zuerst hoffe ich, dass der auftauende Permafrost
bei uns zu keinem gröberen Problem wird und dass
die Erosion nicht weiter voranschreitet. Weiter hoffe
ich, dass wir auch in zwanzig Jahren noch Mut haben
und Pioniergeist entwickeln. Im Tourismus wird es
dann vermehrt überregionale Allianzen geben.
U.W.: Auch ich blicke durchaus positiv in die Zukunft
der Engadiner Bergwelt. Wenn alle Seiten mit dem
gleichen Engagement wie heute weiterarbeiten, dann
wird es sich auch in zwanzig Jahren immer noch sehr
lohnen, auf einen der wunderbaren Engadiner Berg-
gipfel zu steigen, um von dort aus die herrliche Aus-
sicht zu geniessen.
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18 piz 43 : Sommer | Stà 2012
Zuerst kommen riesige Fluten, vierzig Ellenbogen
hoch, und «ertrenken alle berg vnd landt». Selbst
Fische und Vögel beginnen zu klagen, dass sie
«der todt will nemmen hin». Dabei ist dies erst der An-
fang des grossen Untergangs. Die nächste Flut wird
brennen wie Schwefel, die übernächste alles zerstören,
«stett, schloss alle turn und huß». Da stellt sich die
Frage: «Wie mag der mensch kon lebig druß?»
Es waren dramatische Schilderungen, die in Chur an
Ostern 1517 vorgetragen wurden, womöglich in der
Kathedrale oder auf dem Vorplatz. Der Kirchenvater
Augustin, Papst Gregor der Grosse, König Salomon,
Propheten wie Joel und Zephania, alle hatten sie ihren
grossen Auftritt. Selbst regionale und lokale Bekannt-
heiten fanden noch einen Platz im «Churer Weltge-
richtsspiel»: Der im Bistum verehrte heilige Florinus
von Remüs (Ramosch) trat ebenso auf wie Ulrich Tho-
mali; dem Publikum wohlbekannt als Schelm, der
1504 in Chur inhaftiert worden war.
Vierzehn Tage lang folgt in diesem «Churer Weltge-
richtsspiel» eine Katastrophe nach der anderen:
Bäume und Kräuter beginnen Blut zu schwitzen, nach
Stürmen, Fluten, Bergstürzen und Erdbeben («Das erd-
rich bidmet grusamlich, da nieder valt thier vnd
viech») schiessen die Himmelskörper auf die Erde nie-
der («das gstirn wirt och von hymmel schussen»),
letztlich geht alles in Flammen auf («Lufft, wasser, fir-
namendt wir(d) für»).
Heutige Szenarien mit wenig DramaturgieIm Vergleich zum «Churer Weltgerichtsspiel» (das ne-
benbei auch eine der ältesten Aktgliederungen im
deutschsprachigen Drama aufweist) scheinen selbst
die Endzeit- und Katastrophenfilme Hollywoods zu
verblassen. Erst recht harmlos sind die modernen Un-
tergangsprophezeiungen, die sich ungeniert und mit
wenig dramaturgischen Kenntnissen bei allen mögli-
chen Kulturen und Wissenschaftsdisziplinen bedie-
nen, um aus Kalendern, Kometen, Zahlenspielen, My-
then oder kryptischen Schriften das Ende der Welt
zusammenzudichten.
Dabei ist der Weltuntergang schon seit Jahrhunderten
omnipräsent, auch in Graubünden. Bereits der
schweizweit älteste, um 800 entstandene Bilderzyklus
in der Klosterkirche von Müstair zeigt das Jüngste Ge-
richt. Und die Darstellung von Jesus, wie er nach den
apokalyptischen Katastrophen die Menschen richtet
und gruppiert (links von ihm die Seligen, rechts die
Verdammten), ist fester Bestandteil sakraler Malerei.
«Natürlich steht der Weltuntergang bevor»Nur, was hat es mit den Katastrophen tatsächlich auf
sich? Naheliegend, dies einen Mann zu fragen, der
sich seit Jahren mit Naturgefahren in Graubünden
und der natürlichen Dynamik von Mutter Erde ausei-
nandersetzt. Optimistisch stimmt es dabei nicht, dass
Markus Weidmann sein Büro für erdwissenschaftli-
che Öffentlichkeitsarbeit ausgerechnet in Chur be-
treibt – jener Stadt also, in der vor fünf Jahrhunderten
das dramatische Weltgericht aufgeführt wurde und
die Friedrich Dürrenmatt in «Das Versprechen» so
schilderte: «Die Stadt war von Bergen eingekesselt, die
jedoch nichts Majestätisches aufwiesen, sondern eher
Erdaufschüttungen glichen, als wäre ein unermessli-
ches Grab ausgehoben worden.» Und tatsächlich:
«Natürlich steht der Weltuntergang bevor», sagt Mar-
kus Weidmann ohne zu zögern.
Aus geologischer Sicht sei alles im Wandel. Die Welt,
wie sie heute von uns bevölkert wird, sei nichts ande-
res als ein pragmatisches Recycling-Produkt unterge-
gangener Welten: «Was vor Jahrmillionen in die
Meere gespült wurde, wird heute von Bergsteigern be-
zwungen. Und was von unserer Welt in die Meere ge-
spült wird, wird in Millionen Jahren wieder bestiegen.
Jedem Weltuntergang folgt irgendwann wieder ein ge-
birgsbildender Weltaufgang.»
Text: Thomas Kaiser
Unzählige Theorien und Prophezeiungen datieren den Weltuntergang auf den kommenden De-zember. Macht nichts. Denn in Graubünden hat der Weltuntergang weit weniger Konjunktur als vielmehr Kontinuität. Ein historischer Rückblick und ein Gespräch mit einem Geologen.
«Da wirt das gantze erdtrich brinnen»
Illustration rechte Seite:
«Zorn Zeichen Gottes». Erd-
beben (linke Reihe, drittes Bild v.
oben), Kometen, Hagel oder
Feuersbrünste als Warnung oder
Strafe. – «Frontispiz» aus: Bar-
tholomäus Anhorn, Christliche
Betrachtung der vielfältigen /
sich dieser Zeit erzeigenden
Zornzeichen Gottes / und Vor-
botten seiner gerechten Straffen,
Basel 1665.
20 piz 43 : Sommer | Stà 2012
Auf all die pseudowissenschaftlichen Theorien, wel-
che die Kalender der Maya, die Mythen der Zulu oder
der Hopi bemühen, in denen unbekannte Planeten
nur auftauchen, um mit der Erde zu kollidieren, in de-
nen Zahlenspiele so gut wie jedes gewünschte Ergeb-
nis hervorbringen können, geht Markus Weidmann
zunächst nicht ein.
Von welcher Welt reden wir?Entscheidender sei doch die Frage, von welcher Welt
man grundsätzlich spreche. So sei ja schliesslich jeder
Mensch, jedes Lebewesen, zum unvermeidbaren Un-
tergang des persönlichen Mikrokosmos verdammt:
«Die Welt, die ein Mensch darstellt, geht unter, wenn
er stirbt. Staub zu Staub, Asche zu Asche. Atome zu
Atomen.» Auch im Falle einer Wiedergeburt.
Ob all die aktuell kursierenden Theorien eine Projek-
tion der eigenen Sterblichkeit auf die grosse Welt sei?
Möglich, meint Markus Weidmann. Lieber ist ihm
aber eine gewisse Systematik. Die nächstgrössere
Welt – die den Untergang eines einzelnen Individu-
ums zu überleben vermöge – sei jene von Gemein-
schaften und Kulturen; ihr Untergang sei in einer iso-
lierten Wahrnehmung durchaus mit dem Untergang
der Welt an sich gleichsetzbar. Und letztlich, ja, «letzt-
lich ist auch die gesamte belebte Welt zum Untergang
verurteilt».
«Der Countdown läuft», sagt Markus Weidmann. «In
rund einer Milliarde Jahren wird die Kohlenstoffdi-
oxid-Konzentration in der Atmosphäre voraussicht-
lich so niedrig sein, dass alle Pflanzen absterben. Da-
nach wird der Sauerstoffgehalt zurückgehen und alles
tierische Leben aussterben. Und in zwei Milliarden
Jahren wird nur noch überleben, wer sich bei globalen
Durchschnittstemperaturen von 70 Grad wohlfühlt.»
Grund dafür sei der GAU in Sachen Weltuntergang:
das Sterben der Sonne, die sich dabei aufbläht und da-
durch stärker leuchtet. «Dieser Weltuntergang wird in
unserem Sonnensystem niemanden kalt lassen.»
Mutter Erde: bakterienresistentUnd wenn man nicht so lange warten mag? Wäre
denn nicht etwas Aussergewöhnliches möglich? «Ein
Beben, das die Erde auseinanderreisst? Unmöglich.
Genauso wenig, wie ein spürbares, aber feines Zittern
der Haut einen Menschen zu zerreissen vermag», sagt
Markus Weidmann.
Und was ist mit dem sogenannten Polsprung, wie er
auch prophezeit wird? «Diese magnetische Feldum-
kehr kommt tatsächlich vor, so alle 250’000 Jahre,
aber erstens brauchen Nord- und Südpol mehrere
Jahrtausende, um ihre Position zu tauschen, und
zweitens hat der Polsprung, anders als behauptet,
keine Auswirkungen auf die Erdrotation; schon gar
nicht bringt er die Erdachse zum Kippen.»
Ohne Dramatik sterben?Dann heisst es also einfach weiterleben und irgend-
wann ohne globale Dramatik sterben? Lebenstipps
will Weidmann keine geben, sagt aber, dass man in
Graubünden die Eintretenswahrscheinlichkeit ver-
schiedener Naturgefahren mittlerweile recht gut ein-
schätzen könne. Nicht, dass man Erdbeben voraussa-
gen könnte, «aber man kann beispielsweise Häuser
erdbebensicher bauen».
Was einen möglichen Untergang des Planeten Erde be-
trifft, empfiehlt Weidmann, den Planeten nicht zu ei-
ner gutmütigen, fürsorglichen oder verletzlichen
Mutter zu machen: «Begriffe wie ‹Mutter Erde› oder
auch der Ansatz: ‹Gaia – die Erde ist ein Lebewesen› –
verleiten dazu, falsche Schreckensszenarien zu ent-
werfen. Die Erde ist kein Lebewesen. Sie rächt sich des-
halb auch nicht in einem vermenschlichten oder
göttlichen Sinn an den Menschen.»
So schnell wird nichts passierenWarum die Rache ausbleibt, erklärt Weidmann so:
«Im Vergleich zur Erde sind wir in etwa so gross wie
Bakterien auf unserer Haut im Vergleich zu uns. Ja,
uns vermögen Bakterien zwar umzubringen. Doch:
99 Prozent der Erde sind heisser als 1000 Grad, und der
Erdkern – doppelt so gross wie der Mond – besteht aus
Metall. Wie können also ‹menschliche Bakterien› je-
mandem etwas anhaben, der zu 99 Prozent heisser ist
als 1000 Grad und im Kern aus einer soliden Metall-
Legierung besteht?»
«Da wirt das gantze erdtrich brinnen» heisst es im
«Churer Weltgerichtsspiel». In Graubünden dürfte das
so schnell nicht passieren. Und mittlerweilen sollte
man ethisches Verhalten auch nicht mehr von Schre-
ckensbildern abhängig machen müssen, sagt Weid-
mann, fügt dann aber mit einem Augenzwinkern
hinzu: «Aber das Sprichwort gilt noch: Geteiltes Leid
ist halbes Leid, geteilte Freude doppelte Freude – und
geteilte Angst ist Massenhysterie.»
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22 piz 43 : Sommer | Stà 2012
Als der Reporter fürs piz-Magazin mit der Seil-
bahn zum Interviewtermin hochfuhr, war
oben gerade Schneeschaufeln angesagt. Dass
es über Nacht plötzlich einen halben Meter Neu-
schnee absetzen kann, ist auf der Diavolezza nichts
Ungewöhnliches. «Wir leben hier oben mit den Ber-
gen», sagt Silvia Bergo-Schneebeli. Und lacht dabei.
Seit bald zwei Jahren führt sie das Regime im bekann-
ten Berghaus. Und das verlangt Qualitäten in vielerlei
Hinsicht. Vor ihrem Job auf der Diavolezza leitete sie
ad interim das alte, nostalgische Hotel Fex im Fextal.
Jetzt ist sie Chefin eines Grossbetriebs, den Jahr für
Jahr Tausende von Gästen im Winter und im Sommer
besuchen. Ein Widerspruch?
«Gar nicht», findet Silvia Bergo. Denn es kommt ihr
nicht auf Äusserlichkeiten an, sondern auf die Gestal-
tungsspielräume, die sich ihr bieten. Von Beginn weg,
erzählt sie, habe sie sich auf der Diavolezza wohl ge-
fühlt. «Dieses Haus sprach zu mir», drückt sie die erste
Begegnung mit einer fast schon übersinnlich wirken-
den Umschreibung aus. Und was sagte das Berghaus
zu ihr? Bei der Beantwortung dieser Frage wird es
handfest und konkret. Silvia Bergo begann, sanfte Ak-
zente zu setzen. Sie möchte Situationen schaffen, von
denen alle Gäste profitieren, denn die Palette ist weit
gespannt: Bergsteiger, Wanderer, Familienausflügler
und Skifahrer, aber auch Sonnenanbeter, ETH-Physi-
ker und Glaziologen kommen auf den Berg.
Heimische und indische Küche kombiniertIn der Küche etwa legt sie viel Wert auf regionale Pro-
dukte. Fleisch vom Rätischen Grauvieh kommt
ebenso zum Zug wie alte Gemüsesorten, die heute von
breiten Kreisen wiederentdeckt und gepflegt werden.
Silvia Bergo behändigt ein einschlägiges Kochbuch
und beginnt zu blättern. Ein unbekanntes Küchen-
universum tut sich auf. Ein zweites Buch trägt den Ti-
tel: «Indisch kochen». Indisch? Ja, auch in diese Rich-
tung soll sich die Küche auf der Diavolezza entwickeln.
Denn Gäste aus Indien stehen in den nächsten Jahren
explizit im touristischen Fokus des Engadins.
Silvia Bergo will den künftigen Besuchern aus Asien
aber nicht einfach das ihnen vertraute heimische Es-
sen vorsetzen. Ihr schwebt vielmehr eine Kombina-
tion von indischen und schweizerischen Spezialitä-
ten vor: «Das ist spannend, und hier kann sich viel
Neues entwickeln.» Das zeigt: Silvia Bergo hat mit
Nullachtfünfzehn-Lösungen nichts am Hut. Sie
Graubündens höchste Wirtin
Text: Ralph Hug
Fotos: Daniel Martinek
Silvia Bergo heisst Graubündens höchste Wirtin, jedenfalls wenn man die Höhenlage als Mass-stab nimmt. Sie leitet das Berghaus Diavolezza auf 2978 m ü. M. Regionale und ökologische Aspekte sind ihr wichtig. Und natürlich, dass sich die Gäste wie zuhause fühlen.
23piz 43 : Sommer | Stà 2012
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möchte neue Wege beschreiten, etwas Besonderes bie-
ten und sich nicht mit dem Nächstbesten zufrieden
geben. Mit kleinsten Tricks lassen sich auch in einem
eingespielten Betrieb markante Verbesserungen erzie-
len. Ein Beispiel: Im so genannten «Massenlager», wo
früher Matratze an Matratze lag, entfernte sie je zwei
aus einer Zehnerreihe und legte die übrigen zu Zweier-
gruppen zusammen. In der Mitte wurde ein Vorhang
montiert. Und schon sieht das ehemalige «Massenla-
ger» viel individueller aus. Es bietet den Gästen mehr
Raum, das «Sardinen»-Gefühl ist weg. Bei den Berg-
steigern und Hochwanderern, die hier oben zu ihren
Touren starten, kommt dies gut an.
Ab 17 Uhr wird es ruhigAn sonnigen Tagen tummelt sich auf der Diavolezza
viel Volk. Doch nach 17 Uhr, wenn die letzte Seilbahn
ins Tal gefahren ist, kehrt Ruhe ein. Das geräumige Res-
taurant bietet Raum für Gespräche und Kontakte zwi-
schen den übernachtenden Gästen. Abends bildet
sich eine temporäre Gemeinschaft, die Bergwelt lässt
die Menschen näherrücken. Diese Stimmung gefällt
Silvia Bergo sehr. Und wenn sich dann die Nacht über
die Bernina-Gruppe senkt, ist es auch für sie bald Zeit,
sich in ihre kleine Wohnung zurückzuziehen.
Am nächsten Morgen steht die Wirtin oft schon mor-
gens um 3 Uhr auf, um den Tourengruppen das Früh-
stück zu servieren. Sie verabschiedet die Bergsteiger
persönlich und wünscht ihnen «Berg Heil!». «Das ge-
hört für mich einfach dazu», sagt sie. Ein allfälliges
Schlafmanko kompensiert sie in Zeiten mit schwäche-
ren Frequenzen.
Bündens höchste Hotelière lebt die meiste Zeit im Jahr
auf der Diavolezza, verbringt aber die Freizeit regel-
mässig mit ihrem Mann und ihrem mittlerweile
20 Jahre alten Sohn. Die Familie lebt in Hausen am Al-
bis im Knonauer Amt. Ist ihr das nicht zu wenig? Beide
Seiten haben sich darauf eingestellt. Als Klavierlehrer
und Konzertpianist ist ihr Mann ebenfalls häufig aus-
ser Haus. Jeden Abend wird telefoniert, mit dem Sohn
geht die Verbindung am Bildschirm über Skype. Übri-
gens: Silvia Bergo hat ihren Mann im Pontresiner No-
belhotel Kronenhof kennengelernt, als sie dort im Ser-
vice tätig war und ihr Mann im Kurorchester spielte.
Man hilft sich gegenseitigAls Leiterin eines Betriebs mit 27 Angestellten bringt
sie einen guten Rucksack mit. Sie hat die Hotelfach-
schule absolviert und besitzt auch Fachabschlüsse in
Hotelmanagement und Marketing. Ein Betrieb auf
3000 Meter Höhe funktioniert anders als einer im Tal.
Hier oben sind zwar die Funktionen ebenso klar ver-
teilt, doch: «Wir helfen einander aus, wenn viel zu tun
ist.» Das schweisst ein Team zusammen. Die meisten
Angstellten arbeiten denn auch schon seit Jahren im
Berghaus, ein klares Zeichen für Zufriedenheit am Ar-
beitsplatz.
Silvia Bergo ist noch lange nicht am Ziel angelangt.
«Ich möchte die alten Geschichten und Erzählungen
wieder ins Haus bringen», sagt sie. Denn das 1893 ge-
gründete Hospiz ist ein Ort voller Geschichten von
Menschen, die das Berghaus prägten. Sie möchte die-
ses Erbe den Gästen nahebringen, indem die Doppel-
zimmer mit den Namen und Biografien von Erstbe-
steigern versehen werden. So wird die Diavolezza von
einem funktionalen Grossgasthaus zu einem Ort, wo
Schicksale und Triumphe, Freuden und Leiden, grosse
Gefühle und bittere Niederlagen gegenwärtig sind.
Ein Ort also, der nicht nur ein grandioses Bergpano-
rama bereithält, sondern wo auch die Spuren der Men-
schen zu sehen sind, die sich in diesem «Festsaal der
Alpen» bewegten.
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Heini Hofmann
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Erstmalige Übersicht über die konkreten Eisen bahn- und Bergbahn-Projekte im und zum Engadin von 1838 bis 1938. Aus einigen entstehen die heute existierenden Bahnwunder, die ande-ren bleiben Utopie. Über 500 meist farbige und historische Illustra-tionen.
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Marco Jehli / Heini Hofmann / Ernst Huber / Jon Duri Gross
Bahnvisionen im Engadin
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Marcella Maier
Das grüne Seidentuch Eine spannende Familiensaga aus dem Engadin. Vier Frauen, vier Generationen.15x23 cm, 224 Seiten, 18 Abb., gebunden, Schutzumschlag. 978-3-907067-21-5 CHF 29.50
Constance Hotz
Vier Tage im MärzEin Roman vom Suchen und Finden – spannend, poetisch und unterhaltsam. 15x23 cm, 196 Seiten, ge-bunden, Schutzumschlag. 978-3-907067-35-2 CHF 29.50
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Liebe und LeidenschaftFamiliensaga von Clara Koller-Marbach und dem St.Moritzer Hotelarchitekten Karl Koller. Reich illustriert, 17x24 cm, 220 Seiten 978-3-907067-38-3CHF 39.--
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Wir machen Schule!
26 piz 43 : Sommer | Stà 2012
George Steinmann hatte 1988 und 1989 zweimal
das damals gerade neu gegründete Atelierhaus
in Nairs kuratiert. Er hat hier ein Klima der
Grenzüberschreitungen und der Transdisziplinarität
geschaffen, das sich bis heute erhalten hat. Bei seinen
Erkundungen in der näheren Umgebung stiess er auf
die Heilquellen des Unterengadiner Fensters – für ihn
eine nachhaltig wirkende Entdeckung. Steinmann er-
kundet seither 16 Quellen systematisch. Direkt am Ur-
sprung dieser Quellen sammelt der Künstler Mineral-
substanzen, die er in der Folge reinigt und verfeinert,
so dass daraus schliesslich ein feines Pigment entsteht.
Dieses wiederum wird zum künstlerischen Schaffen
verwendet.
Seit dem ersten Besuch kommt Steinmann jedes Jahr
teils mehrmals ins Unterengadin zurück, um diese Ar-
beit weiterzuführen. Pigmente, Wasser, Mineralien
und Farben setzt er ganz unterschiedlich in seinem
künstlerischen Arbeiten ein. Entstanden sind unter
anderem mit Quellwasser behandelte Fotoserien, mo-
nochrome Gemäldereihen mit unterschiedlich farbi-
gen Quellpigmenten oder Blätter mit grafischen
Strukturen. Die Spannung der Arbeiten entsteht aus
der stets neuen und vielschichtigen Mischung von
Spuren natürlicher Farbigkeit, gestalterischem Ent-
wurf und malerischer Tradition.
Wissenschaftliche NeugierIn diesem Sommer präsentiert er einige dieser Arbei-
ten im Zentrum für Gegenwartskunst in Nairs. Die
Ausstellung «Das gelbe Gerüst» stellt die Verbindung
zu Steinmanns erstem Besuch von 1988 her. Das Ge-
rüst steht für den 2013 geplanten Umbau des Hauses
und gelb steht für positive Energie und lässt sich auf
die aktuelle Entwicklung des Ortes beziehen.
Eines der zentralsten Elemente von Steinmanns Ar-
beiten ist das präzise Interesse für den Ort seiner
künstlerischen Intervention. Stets begleiten ihn for-
schende Fragen aus verschiedensten Fachgebieten. Im
Zentrum der Ausstellung in Nairs steht denn auch die
vielfältige Sammlung unterschiedlichster natürlicher
Stoffe. Nebst Quellsubstanzen zeigt er Flechten, Ge-
steinsarten, Beeren und die daraus entstandenen
Säfte. Mit der Mixed-Media-Installation «The World
and the Mind» (1988 – 2012) wird eine grosse Auswahl
dieser Materialien im Ausstellungskontext gezeigt.
2007 hat er sie erstmals als eigenständige Arbeit ausge-
stellt. Damit veranschaulicht George Steinmann, dass
Entdecken, Bearbeiten und Ordnen wichtige Schritte
vor dem Ausstellen sind. Ein Tisch voller Gläser, Pul-
ver, Gesteine und Flechten sind das Kondensat seiner
Sammeltätigkeit.
Ohne Werk, aber mit Wirkung
Wie nachhaltig Nairs und die Quellen für Steinmanns
Schaffen sind, zeigt sich auch an einem seiner letzten
Projekte: Von 2010 bis 2012 realisierte er ein Kunst-
am-Bau-Projekt an der Abwasseraufbereitungsanlage
Bern. Er nennt es «Kunst ohne Werk aber mit Wir-
kung». Unter anderem hat er bei dieser Arbeit sämtli-
che nass verarbeiteten Baumaterialien wie Beton,
Gips, Kalk, Fassadenverputz und die Farbanstriche für
das ganze Gebäude mit Quellwasser aus Scuol-Tarasp
«homöopathisch informiert». Diese Arbeit wird im
Dachstock von Nairs dokumentiert.
Aussergewöhnlich ist auch die sorgfältige Handwerk-
lichkeit, die sein Werk durchdringt. Der Künstler
schlägt mit seinem Denken und seinen Arbeiten nicht
nur Brücken zur Wissenschaft, sondern ebenso zu ver-
schiedensten anderen Spezialgebieten des Wissens.
Text: Rachel Mader
Fotos: George Steinmann
AUSSTELLUNGVernissage 23. Juni,18 h.
Führungen am 24.6., 14.30 h; 11.7., 20 h; 3.8., 18.30 h;
15.8., 20 h; 24.8. und 8.9., 18.30 h;
20.9., 20 h.Interdisziplinäres Kolloquium:
«Ist Wasser mehr als H2O?», über das Lebenselement
zwischen Mythos und Molekül. 18. August, 16-19 h.
Bis 29.9.2012 Details unter www.nairs.ch
«Das gelbe Gerüst», so heisst die Ausstellung von George Steinmann im Zentrum für Gegen-wartskunst in Nairs. Steinmann war einst selber Kurator im Haus und hat hier die Mineralien und Farbpigmente der Quellen entdeckt. Das lässt ihn seit 25 Jahren nicht mehr los.
Die Farben der Natur versammelt
Die Natur bietet die Ausgangsmaterialien an: Pflanzen und Steine, wie man sie rund um Nairs antrifft.
Von der Bonifazius-Quelle rot gefärbte Steine (oben) und ein Blick in die Installation «The World and the Mind» (unten).
«The World and the Mind» (oben) und die leuchtenden Flechten, die an der Kirche Tarasp wachsen (unten).
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32 piz 43 : Sommer | Stà 2012
Leo Blättler holt eine Kalaschnikow und legt sie
auf den Tisch. Sie sieht echt aus, ist aber aus
Gummi und erinnert an die Zeiten, als immer
wieder internationale Blockbuster im Engadin ge-
dreht wurden. Das Maschinengewehr ist ein Souvenir
des St. Moritzer Bergführers und Unternehmers an
den James-Bond-Streifen «A View to a Kill» (1985). In
der spektakulären Eröffnungssequenz, die im Enga-
din und auf Island gedreht wurde, spielte er einen rus-
sischen Soldaten, der auf Skiern dem letztmals von Ro-
ger Moore gespielten Geheimagenten Ihrer Majestät
hinterherrast. Die fünfminütige Actionszene beginnt
mit einem Helikopterangriff, gedreht auf dem isländi-
schen Gletscher Vatnajökull, und setzt sich nahtlos
mit spektakulären Ski-Stunts fort, die am Piz Palü ge-
filmt wurden. Um das geografische Durcheinander
perfekt zu machen, gibt der Film auch noch vor, die
Verfolgungsjagd spiele in Sibirien.
Dieser wilde Mix von Schauplätzen aus aller Welt ist
typisch für Filme, in denen es vor allem darum geht,
spektakuläre Bilder von Gletschern und wilden Ge-
birgslandschaften zu zeigen. Solche Produktionen
fanden zuletzt – von Werbespots abgesehen – nur
noch selten den Weg ins Engadin. Das gilt allerdings
für die ganze Schweiz. Offenbar sind andere Länder
auf diesem Markt viel aktiver – und auch erfolgreicher:
«Unsere Konkurrenten heissen Österreich oder Neu-
seeland», sagt Urban Frye, Direktor der Organisation
Film Location Switzerland mit Sitz in Luzern.
Ein Mix von DrehortenDie Abwesenheit von internationalen Grossprodukti-
onen bedeutet allerdings nicht, dass im Engadin keine
Filme mehr gedreht würden. Eine Schweizer Produk-
tion, die 2010 das grosse Publikum anpeilte, war der
Gruselfilm «Sennentuntschi» des Regisseurs Michael
Steiner. Gefilmt wurde im Brunnital, im Schächental,
in Uster, in Zürich, aber auch in Soglio und Bondo im
Bergell. Das sieht im fertigen Film dann so aus: In ei-
ner der ersten Szenen zeigt die Kamera die Kirche von
Soglio. Nach einem Schnitt folgen Innenaufnahmen
mit den Kirchgängern und dem Pfarrer, die allerdings
in der Kirche von Santa Croce im italienischen Nach-
bardorf Piuro gedreht wurden.
Für die Beizenszenen wählten die Filmemacher das
Hotel Bregaglia in Promontogno aus. Dessen Interieur
passte offensichtlich ideal zur Handlung, die 1975
spielt. Die Alp, auf der sich die Sennen mit dem Sen-
Heidi, Bond und Sennentuntschi
Text: Andreas Kneubühler
Fotos: zVg
Weit über zweihundert Spielfilme wurden im Enagadin schon gedreht – und ungezählte Wer-befilme. Die Zeiten der grossen internationalen Filmproduktionen sind zwar im Moment vor-bei, die Region bleibt aber ein begehrter Drehort.
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33piz 43 : Sommer | Stà 2012
nentuntschi eine zunehmend blutige Auseinander-
setzung liefern, liegt dann aber im Urner Schächental.
Die 60 Meter hohe Felswand, über die am Schluss
gleich zwei Hauptfiguren in den Tod stürzen, wurde
hingegen wiederum im Bergell, in der Nähe von
Bondo, gefunden. – Kein Wunder wurde der Film un-
ter dem neutralen Label «Alpenthriller» vermarktet.
Heidi und der «Teufel von Mailand»Der Blick zurück zeigt, wie gefragt das Engadin als
Filmkulisse war – und immer noch ist: Der Journalist
und Filmkenner Jürg Frischknecht zählte zwischen
1899 und 2002 über siebenhundert Filme, davon 120
Spielfilme. Mehr als die Hälfte spielt in St. Moritz.
Viele dieser Produktionen wurden aber vor allem des-
halb im Engadin gedreht, weil die Handlung in der Re-
gion angesiedelt ist. Dazu gehören natürlich die ver-
schiedenen Heidi-Versionen. Die erste stammt aus
dem Jahr 1952, die vorläufig letzte von 2001. Regisseur
Markus Imboden drehte damals unter anderem in
Sent und Scuol. Die Hütte vom Alpöhi stand auf der
Alp Zezina Dadaint.
Ein aktuelles Beispiel für einen Film mit dem Schau-
platz Engadin ist die Schweizer Fernsehproduktion
«Der Teufel von Mailand». Die Romanvorlage von
Martin Suter spielt im erfundenen Val Grisch, das ei-
gentlich nur das Engadin sein kann. Gefilmt wurde
denn auch unter anderem im Hotel Castell in Zuoz.
Schlagzeilen machte bei den Dreharbeiten eine vom
Helikopter aus gefilmte Autoverfolgungsjagd zwi-
schen Ardez und Ftan. Bei einem heiklen Manöver
streifte der Rotor den Fels. Die Filmcrew hatte Glück
im Unglück: Es gab einen Totalschaden am Helikopter,
aber keine ernsthaft Verletzten.
Die Geschichte illustriert, dass Filmen in den Bergen
immer eine besondere Herausforderung ist. Davon
kann Leo Blättler viele Geschichten erzählen. In den
letzten dreissig Jahren war er bei zahlreichen Produk-
tionen dabei, als Verantwortlicher für die Sicherheit,
als Bergführer, als Scout für Drehplätze, als Organisa-
tor der nötigen Bewilligungen. Blättler erinnert sich
an die Dreharbeiten zu «Gran Paradiso» (2000), für
ihn der letzte grosse Bergfilm, der im Engadin gedreht
wurde. Den Part des Gran Paradiso übernahm dabei
übrigens der Piz Palü. «Da kamen dreissig Leute aus
Hamburg, die noch nie einen Berg gesehen hatten. Für
sie brauchte es zuerst eine Schnellbleiche, damit sie
lernten, wie man sich auf einem Gletscher bewegen
muss.» Immer wieder musste die Crew daran erinnert
werden, wie fatal ein einziger Fehltritt sein kann.
Mehr Vorsicht am BergEs gab häufig Auseinandersetzungen mit Regisseuren.
Jeder Tag, an dem wegen schlechten Wetters nicht ge-
dreht werden kann, kostet mehrere Zehntausende
Franken. «Noch ein Schuss», heisse es jeweils, so Blätt-
ler. Er setzte andere Prioritäten: «Man muss sicher sein,
dass man den Drehort rechtzeitig verlassen kann.»
Das bedeutet, dass die Helikopter vor dem erwarteten
Wetterumbruch genügend Zeit haben, um die ganze
Crew aus dem Gletscher herauszufliegen. Oder dass
vor Drehbeginn genügend Material transportiert
wird, um notfalls für eine Nacht im Eis gewappnet zu
sein. Blättler erinnert sich an heftige Dispute mit ei-
nem Produzenten, der unbedingt einen «young,
tough movie» drehen wollte und dabei auf dem Ge-
lände oberhalb der Bovalhütte die angeheuerten
Snowboarder Risiken aussetzen wollte, die von den
Kennern der Berge nicht zu verantworten waren.
Beeindruckt haben ihn die englischen Grossprodukti-
onen. Jede Einzelheit sei mit den Gewerkschaften ge-
regelt gewesen: «Um zehn Uhr gab es Tee oder Kaffee,
auch wenn man gerade in einer Gletscherspalte
drehte.» Um Punkt zwölf Uhr stand das Mittagessen
bereit. Die Schauspieler mussten sitzend essen kön-
nen, sonst war die Filmgesellschaft verpflichtet, einen
3 4 5
1, 2 Erinnerungen an den James-
Bond-Streifen «A View to a Kill»:
Leo Blättler mit der Gummi-
kalaschnikow und die harten
Drehbedingungen am Berg.
Fotoarchiv Leo Blättler
3–5 Dreharbeiten zum «Teufel
von Mailand».
Fotos: SRF/Daniel Ammann
34 piz 43 : Sommer | Stà 2012
Zuschlag zu zahlen. Ein besonderes Erlebnis gab es bei
den Dreharbeiten zu Fred Zinnemanns («High Noon»)
letzten Film «Five Days One Summer» von 1982, der
im Engadin und dort vor allem auf der Diavolezza ge-
dreht wurde. Darin entwickelt sich eine Eifersuchts-
geschichte zwischen einem von Sean Connery ge-
spielten Kletterer und einem jüngeren Rivalen und
Bergführer. In der entscheidenden Szene stürzt der
junge Bergführer in eine Spalte. Dort entdeckt er im
Eis eine Gletscherleiche und erkennt darin seinen seit
Jahrzehnten vermissten Vater.
Die echte GletscherleicheFür diesen melodramatischen Moment sei eine Puppe
vorgesehen gewesen, für die das Eis mit einer Ketten-
säge herausgeschnitten werden musste, erzählt Blätt-
ler. Doch dann erfuhr die Crew, dass am Morteratsch
eine echte Gletscherleiche entdeckt worden sei. Sofort
flog man hin. Doch die Realität passte dann doch
nicht zur Geschichte. «Die echte Gletscherleiche sah
aus wie ein mumifizierter Lederstrumpf.»
Es waren die Bond-Filme – neben «A View to a Kill» war
Blättler auch bei «A Spy Who Loved Me» dabei – die
ihm besonders in Erinnerung geblieben sind. Auch
wegen des Aufwandes, der betrieben wurde. Einmal
sollte tief unten in einer Gletscherspalte gefilmt wer-
den. Britische Alpinisten frästen Holzplattformen ins
Eis. Doch als man einige Zeit später weiterdrehen
wollte, sah alles anders aus, die Spalte hatte sich verän-
dert. Die Szenen wurden nie verwendet. Für die Bond-
Filme war jeweils der Modeunternehmer und Filme-
macher Willy Bogner für die Aufnahmen der Skistunts
verantwortlich. Bogner drehte später auch eigene
Filme («Fire and Ice») im Engadin und nutzt die Ge-
gend bis heute als Schauplatz für Werbefilme.
Für eine der spektakulärsten Szenen in «A View to a
Kill» stürzte John Eaves, ein früherer Weltmeister im
Freestyle-Skifahren, als Double von Bond in eine Glet-
scherspalte, prallte zuerst an die eine, dann an die an-
dere Wand, landete rund 15 Meter in der Tiefe und
fuhr weiter. Dafür musste zuerst eine geeignete Stelle
gesucht werden. Dann sei sie zuerst mit weichen Kar-
tonschachteln aufgefüllt worden, um den Sturz zu
dämpfen, schildert Blättler. Darüber kam ein weisses
Tuch, darauf wurde Schnee geschaufelt und John
Eaves konnte losfahren.
Im gleichen Film hatte Leo Blättler auch seinen Auf-
tritt als russischer Soldat. Zusammen mit anderen
Bergführern fuhr er ein Couloir hinunter, in dessen
Mitte sich ein offener Spalt befand. «Es war so steil,
praktisch senkrecht, man stürzte automatisch», schil-
dert er. Diese gefährliche Passage war auch der Grund,
wieso sein Souvenir, die Kalaschnikow, aus Gummi
ist. «Damit wir uns nicht verletzten.»
Mehr Werbung für den Drehort Sind solche Produktionen endgültig Vergangenheit?
Der Verein Film Location Switzerland ist dabei, mit
Tourismusdestinationen Verträge abzuschliessen und
sich als erste Anlaufstelle für internationale Filmpro-
duktionen anzubieten. Auf der Homepage der Organi-
sation wird die Schweiz nicht nur wegen der vielen
Banken und Luxushotels als attraktiver Drehplatz an-
gepriesen, sondern auch wegen der ökonomisch vor-
teilhaften Produktionsbedingungen: Auf engem Raum
gebe es sowohl Berge als auch Seen oder Städte, die mit
dem gut ausgebauten Verkehrsnetz «in Rekordzeit» er-
reicht werden könnten. Dazu erlaubten die Gesetze
längere Arbeitszeiten als in den Nachbarstaaten und
es sei in der Schweiz einfach, die nötigen Drehbewilli-
gungen zu erhalten. Film Location Switzerland soll
2013 starten. Zu den Interessenten gehört auch Enga-
din Tourismus. Möglich also, dass irgendwann wieder
einmal ein Bond-Darsteller auf halsbrecherischer
Flucht durch Engadiner Schnee und Eis seinen Fein-
den entkommt – wie immer.
6 Fred Zinnemann, Regisseur
von «High Noon», drehte seinen
letzten grossen Film «Five Days
One Summer» im Engadin.
7 Dreharbeiten zu Sennen-
tuntschi in Soglio.
Foto: Keystone
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36 piz 43 : Sommer | Stà 2012
Text: Franco Brunner
Fotos: Mayk Wendt Zwei junge Männer nippen in der Lounge des Vor-
raums im Serlas Parc in S-chanf an ihrer Cola.
Aus dem unteren Geschoss hört man gelegent-
lich Kugeln über die Bowlingbahn rollen. In der Klet-
terhalle dröhnt Rock aus den Lautsprechern: «Enter
Sandman» der amerikanischen Kult-Metal-Band Me-
tallica. Gleich beim Eingang sind die Regeln ange-
schlagen: «Kinder nicht überfordern», «Sturzraum
freihalten», «Partnercheck vor jedem Start». Beim
Blick hinauf in die steile, teils überhängende Wand be-
schleicht einen ein mulmiges Gefühl. Da klettern tat-
sächlich Leute hinauf? Noch ist niemand da, der im
Takt des metallenen Sandman die steilen Wände
hochkraxeln will.
Gian Luck nimmt es gelassen. Der ausgebildete Berg-
führer ist Geschäftsführer von Go Vertical, der Betrei-
berin der vor einem Jahr eröffneten Kletterhalle in
S-chanf. Mit der Auslastung ist er so sehr zufrieden,
dass Serlas Parc nun das ganze Jahr über geöffnet
bleibt. Klar, es gibt Schwankungen bei den Besucher-
zahlen, vor allem wenn Klettern in freier Natur prak-
tisch vor der Hallentüre draussen möglich ist. Der
künstliche Berg ist aber ein perfektes Schlechtwetter-
und Winterprogramm.
Vom Anfänger bis zum LeistungssportlerSchönwetter oder Regen, Sommer oder Winter: Die In-
door-Kletter-Klientel ist durchmischt. Hier üben
Schülergruppen und der 70-jährige Senior, hier trai-
nieren versierte Sportkletterer oder die Anfängerin.
Gian Luck freut besonders, dass abends immer auch
viele Einheimische die Wand zu bezwingen versu-
chen. Das beweist ihm, dass Serlas Parc tatsächlich ei-
nem Bedürfnis entspricht.
«Es ist auch Zeit geworden», ergänzt er und erinnert
daran, dass die Idee schon rund 20 Jahre in den Köp-
fen herumgeisterte. «Wir wollen die Leute nicht da-
von abhalten, sich draussen in der Natur zu bewegen,
ganz im Gegenteil», betont der Geschäftsführer. Alle,
die hier arbeiteten kämen selber aus dem Outdoor-Be-
reich. «Wir bieten ganzjährige Trainingsgelegenhei-
ten und wollen Neulinge motivieren», ergänzt Luck.
In der Engadiner Bergführer- und Kletterszene ist der
Serlas Parc gut aufgenommen worden. «Hallen kön-
nen viele Leute für den Sport begeistern», sagt zum
Beispiel Leo Blättler. Der Bergführer und Geschäftslei-
ter von St. Moritz Experience nutzt das Angebot auch
persönlich und erinnert daran: «Wir Bergführer ha-
ben uns immer für eine solche Halle eingesetzt.»
Drinnen und draussen sind zweierleiUrs Ettlin, Herausgeber des Engadiner «Kletterfüh-
rers», doppelt nach. Vor allem für die Jugend sei das
eine ideale Übungsmöglichkeit. Persönlich, so räumt
er ein, sei er aber «kein Fan des Hallenkletterns». Ihm
fehle hier das Naturerlebnis. Und wer sich in der Natur
draussen an eine Steilwand wage, brauche trotz Hal-
lenerfahrung eine gründliche Einführung.
«Draussen und drinnen eine Wand zu durchsteigen,
sind zwei verschiedene Sportarten. In der Halle gibt es
keine objektiven Gefahren», stellt Ettlin fest und er-
gänzt:. «In der freien Natur sind die Griffe auch nicht
so schön rot markiert.» Dass Halle und Natur aber zu-
sammenspielen, weiss auch er und stellt fest: «Das Ni-
veau der Sportkletterer ist überall dort, wo es Trai-
ningshallen gibt, in den vergangenen Jahren fast
explosionsartig besser geworden.»
Inzwischen steigt eine Frau fast spielerisch leicht die
Wand empor, während ihr Partner sie am Boden si-
chert. Ganz offensichtlich ist dies nicht der erste Ver-
such dieser jungen Engländerin, einen künstlichen
Berg zu bezwingen. Auch vier junge Italiener sind
flink in der Wand unterwegs. Und aus den Boxen er-
tönt inzwischen «Black hole sun» der US-Grunge-Band
«Soundgarden» – passend zu diesem kaltfeuchten
Mittwochnachmittag.
Seit rund einem Jahr kann im Serlas Parc in S-chanf bei jedem Wetter geklettert werden: der künstliche Berg steht in der schützenden Halle. Diese Trainingsmöglichkeiten werden ge-schätzt, aber den echten Berg ersetzen sie nicht.
Ohne Blitz und Donner in der Wand
570 m2 künstlicher «Fels»Die Kletterhalle Serlas Parc in S-chanf bietet 570 Quadratmeter künstlichen «Fels» mit Routen in den unterschiedlichsten Schwierigkeitsgraden. Zusätzlich gibt es Boulderwände, an denen weder Seil noch Gurt benutzt werden. Im Serlas Parc werden Kurse in allen Stärkeklassen ange-boten. Mit «Flexclimb» gibt es in S-chanf eine Weltneuheit. Hier kann der Kletterer mit beweg-lichen Griffen und einer interaktiven Steuerung via Touchscreen seine individuelle Route sel-ber zusammenstellen. – Kletterwände gibt es auch in der Academia Engiadina in Samedan und im Hochalpinen Institut Ftan. Sie sind aber weitgehend für die Schulen reserviert. Übungs-wände gibt es ausserdem bei der Luftseilbahn Diavolezza, im Sportzentrum Vicosoprano und in Poschiavo in der Sporthalle «Palestra Sta. Maria».
Der Künstler der «Wildnis»Giuliano Pedretti (1924–2012) leistete mit seinem Engagement im Kulturarchiv Oberengadin wichtige Arbeit für das kulturelle Gedächtnis des Engadins. Sein künstlerisches Vermächtnis sichert ihm einen Platz in der Kunstgeschichte.
G iuliano Pedretti nannte das Engadin eine «Wildnis». Anschaulich schildert er sein Leben als Künstler und Jäger in den autobiografischen Notizen – nach-zulesen in der Monografie, die Ulrich Suter 2004 über den Künstler heraus-
gegeben hat. Als «barock» beschrieb er die Oberengadiner Berglandschaft und be-tonte den Gegensatz zu den «gotischen» Bergen des Bergells. Pedretti kannte ihre Schönheit und ihre Gefahren. Eine Lawine hatte im Winter 1951 das Elternhaus in Samedan zerstört. Bewusstlos wurde der junge Giuliano aus den Schneemassen geborgen und überlebte wie durch ein Wunder. Aus dieser existenziellen Erfahrung schöpfte er Kraft für das ganze weitere Leben. Eine geradezu unbändige Dynamik zeichnet sein Schaffen aus. In den Skulpturen manifestiert sich sein Erleben der Umwelt. Kühne Schrägen setzt er der gewohnten bildhauerischen Vertikalen entgegen. Wer in den Bergen wandert, erfährt durch die stets wechselnde Perspektive etwas von Pedrettis Weltsicht. Das Hochtal mit sei-ner Landschaft und Kultur, mit den Menschen und Tieren ist eine der Grundlagen, die sein Schaffen bestimmte. Pedretti galt als einer der letzten Vertreter der klassischen Moderne. Ein Kompliment eigentlich, doch hatte das manchmal auch etwas unausgesprochen Abwertendes; als ob die Kunst sein Schaffen längst überholt hätte. Das kümmerte ihn nicht. Gerne erzählte er Episoden aus seiner Bekanntschaft mit Alberto Giacometti, lieber jeden-falls, als sich um Ausstellungen seiner eigenen Werke zu kümmern. Pedretti lotete die Möglichkeiten der Kunstrichtungen aus: Der in Samedan aufge-wachsene Sohn von Turo Pedretti war Jäger, Sgraffito-Maler (grosses Weltbild in der Schule Samedan) und Plastiker (Neptun-Brunnen in Samedan, Löwen-Brunnen in Thusis). Im Januar starb er an den Folgen eines Verkehrsunfalls. (zVg/Th. Kaiser)
Giuliano Pedretti (1924–2012)im Andrea Robbi Museum Sils Mariaausgewählte Werke
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Giuliano Pedretti (1924–2012)im Andrea Robbi Museum Sils Mariaausgewählte Werke
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40 piz 43 : Sommer | Stà 2012
Die beiden Trinkhallen in St. Moritz-Bad und
Nairs auf Tarasper Boden lottern dem Zerfall
entgegen. Die St. Moritzer Halle steht seit einem
halben Jahrhundert leer, statt Kurgäste behauste das
1864 erbaute Gebäude ein Moorlager des Heilbades ne-
benan, Rasenmäher und Gartengeräte. In Nairs ver-
bietet ein Schild den Zugang, steht doch die 1876 er-
baute und ebenfalls seit Jahren nicht mehr benutzte
«Kathedrale des Wassers» am Ufer des Inns direkt un-
ter brüchigem Fels, der abzustürzen droht. Doch jetzt
kehrt in beiden Orten neues Leben zurück – in die
ehrwürdigen Hallen, die von der Zeit des blühenden
Engadiner Bädertourismus im 19. Jahrhundert zeugen.
In Scuol wurde die Kehrtwende, zum Quellort pas-
send, am UNO-Weltwassertag vom 22. März 2012 ein-
geleitet und der Verein «Pro Büvetta Tarasp» aus der
Taufe gehoben. Er möchte das unter Schutz stehende
nationale Baudenkmal sanft renovieren. Als erstes soll
der Hang gesichert und die Felssturzgefahr gebannt
werden. In einem zweiten Schritt wäre das architekto-
nische Juwel zu sanieren. Wobei der Investitionsbe-
darf geschätzte acht bis zehn Millionen Franken be-
trägt, die der Verein durch Beiträge von Institutionen,
Kulturstiftungen und privaten Mäzenen decken will.
In St. Moritz ist man einen Schritt weiter, sind doch
dort die Finanzen bereits gesprochen. Im März 2012
stimmten die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger
einem Kredit von 4,48 Millionen Franken für die Sa-
nierung und Erweiterung des Gebäudes zu und gaben
grünes Licht zur Rettung des «Paracelsusgebäudes» in-
klusive eines Erweiterungsbaus.
Wasserkuren heuteDoch weder im Unter- noch im Oberengadin führt der
Weg zurück zur reinen Trinkhaus-Kultur. Die Zeiten
sind passé, in denen Touristen in die Berge pilgerten,
einzig, um dort Wasser direkt ab dem Quell zu verkos-
ten. Mineralwasser gibts heute jederzeit und überall in
Flaschen abgefüllt – fernab der Quellen. Darum sind
für die kulturhistorisch wichtigen Häuser des Wassers
neue Nutzungen gefragt.
Richten wir unseren Blick zuerst nach St. Moritz-Bad,
der Geburtsstätte des Bädertourismus im Oberenga-
din. Seiner Heilquellen wegen verwandelte sich das
einstige Bauerndorf im 19. Jahrhundert in den mon-
dänen Bäderkurort mit internationaler Ausstrahlung.
Paracelsus’ LobDas Areal aus Zeiten des Heilbädertourismus mit Bad,
Grand Hotel, Kurzentrum, Konzertsaal und Trink-
halle war Visitenkarte des Ortes. Paracelsus hatte die
Qualität des St. Moritzer Wassers schon 1539 in sei-
nem Werk «De Morbis Tartareis» gelobt: «Ich ziehe
den Sauerbrunnen allen anderen Sauerbrunnen, die
mir in Europa bekannt sind, vor, den ich im Engadin
bei St. Moritzen fand und dessen Quelle im August
essig sauer hervor läuft. Der, welcher dieses Wasser als
Arznei trinkt, erlangt seine Gesundheit und wird nie-
mals weder Stein noch Sand, weder Podagora (Gicht)
noch Gelenksucht verspüren.» Dieses Lobes wegen
steht in St. Moritzer das «Paracelsusgebäude».
Heute ist vom einstigen Ensemble nur noch die Trink-
halle übrig geblieben. Und seit die Quelle um 1920
versiegte, fiel das «Parcelsusgebäude» in einen Dorn-
röschenschlaf. Heute, nach fast 100 Jahren, wird der
letzte Zeuge der St. Moritz Bäderkultur zu neuem Le-
ben erweckt. Nach der im Sommer 2014 geplanten
Wiederinbetriebnahme steht die Trinkhalle ganz im
Zeichen der Kultur und des Trinkens. Sie wird zum
Veranstaltungsort für Konzerte, Lesungen und Aus-
stellungen ausgebaut und im Museumsteil die Ge-
schichte des Wassers und des Kurens erzählen, von der
Bronzezeit bis in die Gegenwart. Die dafür notwen-
dige Besucher-Infrastruktur wie Garderoben, kleines
Office und sanitäre Anlagen bringt das den Umbau lei-
tende Architekturbüro Ruch & Partner in einem sepa-
Ad fontes – Wasser wieder entdecken
Text: Daniela Schwegler
Fotos: Archive
Zurück zu den Quellen: St. Moritz-Bad und Scuol-Tarasp besinnen sich ihrer Heilwassertradi-tion. Sie wollen ihre Trinkhallen als architektonische Zeugen mit neuen Inhalten füllen. Man hofft auf eine sprudelnde Zukunft.
2
4
5
1
3
1 Wasserkuren waren noch kurz vor dem Zweiten Weltkrieg in Tarasp ein ge-sellschaftliches Ereignis.
2, 3 Auf der Postkarte lockte der Spring-brunnen und auf der Europakarte der Werbung lag damals Tarasp im Zentrum Europas.
4 Die drei Quellen in der Büvetta Nairs, inszeniert wie in einer Kathedrale.
5 Das damalige «Grand Hotel Kurhaus Tarasp», noch ohne das 1913 erbaute Kurmittelhaus Nairs neben der Brücke.
42 piz 43 : Sommer | Stà 2012
ERNST BROMEISWichtiger Mittdenker bei der Wiederbelegung der Büvetta
Nairs ist Ernst Bromeis. Der aus Ardez stammende Sportler
und Aktivist will hier ein Was-ser-Kompetenzzentrum ein-richten: «Ich möchte das Be-
wusstsein der Menschen schärfen, denn Wasser ist unser
Lebenselixier. Und den Umgang damit müssen wir lernen.»
raten Anbau unter, damit die Trinkhalle möglichst im
Originalzustand erhalten bleibt. «Wir wollen die
Trinkhalle schonungsvoll in eine neue Zeit herüber-
retten», so Projektleiter Stefan Lauener, «indem wir
die Patina leben lassen und das Gebäude mit Zurück-
haltung und Achtung vor der Bausubstanz sanieren.»
Urgeschichtliche QuellfassungDas renovierte Haus des Wassers wird auch Platz bie-
ten für die hölzerne, bronzezeitliche Fassung der Mau-
ritiusquelle, die vor 3500 Jahren gebaut wurde und auf
die die St. Moritzer mit Fug und Recht stolz sind. Diese
Quellfassung ist «für ganz Mitteleuropa ein einzigar-
tiges Zeugnis der urgeschichtlichen Bautechnik», sagt
Mathias Seifert vom archäologischen Dienst Grau-
bündens. Seit 1907 lagerten die mächtigen ausgehöhl-
ten Lärchenstämme und die ineinandergesetzten
Bohlen- und Rundholzkasten allerdings im Dunkel
des Kellergeschosses des Engadiner Museums. Dort
fristeten sie zwar ein Schattendasein, blieben aber
dank des guten Raumklimas optimal erhalten. Wie
schon die Jahrtausende zuvor. Dank der konservie-
renden Wirkung des Quellwassers und dem Mantel
aus Lehm befindet sich das Prunkstück in einem so
guten Zustand, als wäre es erst vor kurzer Zeit verbaut
worden. «Das Holz ist steinhart. Man sieht noch jeden
Hieb des Beils», berichtet Mathias Seifert.
Dies im Gegensatz zu vielen Pfahlwasserbauten aus
der Stein- und Bronzezeit, die zwar über das Label ei-
nes Unesco-Weltkulturerbes verfügen, aber nicht im
gleich guten Zustand erhalten sind und aufwendige
Konservierungsmassnahmen nötig haben. Mit der
St. Moritzer Trinkhallen-Renovation kommt auch die
uralte Quellfassung zu neuem Ruhm und zu Ehren.
Sie wird den Besucherinnen und Besuchern in der re-
novierten Halle neu präsentiert. Heilwasser wird man
von ihr allerdings nicht mehr direkt verkosten kön-
nen, dafür aber ab einem neuen Trinkbrunnen.
Pro Büvetta will Nairs rettenGrosse Pläne für die alte Trinkhalle hegt man auch im
Unterengadin. «Nairs und die Region Unterengadin
sollen das Wasserzentrum Nummer eins der Schweiz
werden», sagt Architekt Christof Rösch, der als künst-
lerischer Leiter des Zentrums für Gegenwartskunst in
Nairs jahrelange Basisarbeit geleistet hat. 2013 wird
das frühere Kurmittelhaus saniert. Und sobald die nö-
tigen Millionen zusammen sind, die Trinkhalle auf
der anderen Seite des Flusses. Doch eigentlich träu-
men die Initianten in Nairs davon, das gesamte Ge-
bäude-Ensemble am Fusse des Inns einer neuen Nut-
zung zuzuführen – samt dem zurzeit leerstehendem
Hotel «Palace», der Villa nebenan und dem Quell-
häuschen. «Nairs soll zum Zentrum mit internationa-
ler Ausstrahlung werden, das die Menschen zum
Thema Wasser führt», skizziert Rolf Zollinger, ehema-
liger Hotelier aus Vulpera, eine Zukunft des Unteren-
gadiner Ortes. «Die ganze Welt soll hier wieder zusam-
menkommen und es soll ein Anziehungspunkt für die
interdisziplinäre Forschung zum globalen Thema
Wasser entstehen.»
Ernst Bromeis als ZugpferdWichtiger Drahtzieher und Mitdenker ist auch Ernst
Bromeis, der mit seinem Projekt «Das blaue Wunder»
international bekannt geworden ist und zum offiziel-
len Wasserbotschafter der Region gewählt wurde. Seine
Wassertrilogie hatte der aus Ardez stammende Bromeis
2008 begonnen. Er schwamm damals durch 200 eis-
kalte Bündner Seen. 2010 schwamm er 300 Kilometer
in den grössten Gewässern der Schweiz. Diesen Früh-
ling wollte er den Rhein von der Quelle bis zur Mün-
dung durchschwimmen, musste aber aufgeben.
Künftig will er neben neuen Expeditionen sein Wis-
sen in den Dienst des geplanten Wasserzentrums in
Nairs stellen, das hier in der Trinkhalle Tarasp optimal
verankert wäre. Das Wasserzentrum soll, ähnlich dem
76
6, 7 Das Paracelsusgebäude in
St. Moritz-Bad, einst Teil einer
grossen Trinkhallen-Anlage.
Heute steht nur noch der Zent-
ralbau. Er wird nun zum Kultur-
zentrum und Museum.
43piz 43 : Sommer | Stà 2012
World Economic Forum WEF in Davos, ein Ort mit
weltweiter Ausstrahlung werden. Bromeis schwebt
vor, dass sich hier Verantwort liche aus Wirtschaft und
Politik zum Thema Wasser austauschen können und
Forscher gemeinsam nach Lösungen suchen. Gleich-
zeitig soll das Kompetenzzentrum fest in der Region
verankert sein. Auch Schülerinnen und Schüler sollen
sich mit dem Thema Wasser auseinandersetzen kön-
nen, «denn ich möchte das Bewusstsein der Men-
schen schärfen. Wasser ist unser Lebenselixier. Und
den Umgang damit müssen wir lernen», so die Ziele
des Rekordschwimmers.
Wie genau der neue Verein Pro Büvetta Tarasp, das be-
stehende Zentrum für Gegenwartskunst, Gemeinde
und Tourismus in Nairs dereinst zusammenspannen,
wird sich in den nächsten Monaten weisen. «Es geht
um eine Neuinterpretation vorhandener Qualitäten»,
sagt Christof Rösch, «denn Nairs hat ein enormes Po-
tenzial. Es ist einer der sakralsten Orte des ganzen Un-
terengadins.» Nachdem die Sanierung der Trinkhalle
mit dem Verein Pro Büvetta gut aufgegleist sei, gelte es,
inhaltlich weiterzuarbeiten und an einer künftigen
Bespielung des Ortes zu feilen. Falls es gelinge, finanz-
starke Geldgeber für den Kauf des Hotels Palace zu ge-
winnen, hätten Hotel- und Kunstbetrieb natürlich
ganz neue Perspektiven.
In einer Zeit, in der rund vierzig seelenlose Retorten-
siedlungen als Resorts im Alpenraum in Planung
seien, in die Milliarden gesteckt werden sollen, sei das
«historische Resort Nairs» ein Schatz, den man nur he-
ben müsse. «Es ist ein unglaublich energiereicher Ort,
der sich aus seiner 150-jährigen Geschichte nährt, aus
seinen reichen Quellen, und aus der Kulturarbeit, die
wir hier in den letzten Jahren geleistet haben und
auch weiter leisten», sagt Christof Rösch und ist über-
zeugt, «dass immer mehr Leute vom 0815-Wellness-
Resort-Tourismus genug haben.» Denn der sehe auf
der ganzen Welt gleich aus. «Unser traditionsreicher
Ort direkt an den Quellen ist deshalb einzigartig. Wir
müssen ihn nur neu beleben.
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44 piz 43 : Sommer | Stà 2012
Der Berg schnauft, ein kühler Luftzug streicht
durch den Stollen. «Wenns draussen warm ist,
ziehts die Luft hinauf», erklärt Davide Mazzuc-
chi, «bei Kälte drückt sie nach unten.» Der Kraftwerks-
mitarbeiter geht voran, die Leuchtfarben seines Ar-
beitsoveralls kämpfen gegen das Grau an, das alles zu
verschlucken droht. Links schimmert geheimnisvoll
die Druckleitung, verliert sich tiefer drin im Berg. Ein
leichter Schauder läuft den Rücken hinunter. Es ist
kühl, zehn Grad bloss, jahrein, jahraus. In regelmässi-
gem Abstand weist eine Glühbirne den Weg. Die Lei-
tung ist etwa hüfthoch, zusammengesetzt aus drei
Meter langen Rohrstücken. Über vier Kubikmeter
Wasser schiessen hier jede Sekunde durch, wenn die
Anlage unter Volllast läuft. Tropfen überall an der Lei-
tung. «Die Leitung schwitzt», beruhigt Mazzucchi.
Kein Grund zur Sorge, jede Schweissnaht sei einzeln
geprüft und geröntgt worden.
Der 54-Jährige bewegt sich im Berg drin so unbefan-
gen wie jeder andere an seinem Arbeitsplatz auch. Vor
38 Jahren hat er sich an die Arbeit im Stollen gewöh-
nen müssen. Als Maschinenschlosserlehrling bei der
Kraftwerksgesellschaft Forze Motrici Brusio in Cam-
pocologno, einer der Vorgängergesellschaften des
heutigen Unternehmens Repower, gings zum ersten
Mal in einen Druckstollen hinein. Ein ziemliches
Abenteuer sei das gewesen, erinnert sich der graume-
lierte Fachmann, man habe damals viel mehr impro-
visiert als heute.
Druck, Klappen, Schalter und SchmierungSeine Arbeitstage beginnen mit einem morgendli-
chen Kontrollgang im Berg. Dutzende von Stellen gilt
es zu überwachen: Drosselklappe, Schutzschalter, Tur-
binenschmierung, Ölstand, Wasserdruck, Generator-
kühlung, Temperaturfühler. Da heisst es Messwerte
ablesen, Luft ablassen, auf aussergewöhnliche Geräu-
sche horchen und Einstellungen anpassen. Ein Zwei-
erteam teilt sich jeweils auf die benachbarten zwei An-
lagen auf, die zusammen so viel Strom produzieren,
wie 6000 Haushalte verbrauchen. «Der eine über-
nimmt das Kraftwerk Cavaglia, der andere das höher-
gelegene Kraftwerk Palü.» Sagt’s, nimmt ein Notlicht
von der Halterung in der Wand, setzt den Helm auf
und besteigt die Stollenbahn. Ein Warnton und los.
Tief im Berginnern überwindet die Bahn 220 Meter
Höhenunterschied entlang der 800 Meter langen
Druckleitung. An der steilsten Stelle schlägt das mit
einer achterbahnähnlichen Steigung von 71,5 Pro-
zent zu Buche. Bei Führungen kehren manche gleich
wieder um: «Platzangst – die halten das nicht aus.»
Zum Mittagessen raus an die SonneAuch Kraftwerksprofis ist es nicht immer ganz geheuer
im Berg drin. Das zeigt sich bei Revisionsarbeiten,
zum Beispiel an den Pumpen in der unterirdischen
Kaverne des Kraftwerks Palü. Die Stollenbahn ist oben
angekommen. Ein paar Schritte sind es zur Kaverne,
wo das Wasser weiter in den Speichersee hochge-
pumpt wird. Drei Monate lang wird bei einer Revision
in diesem geräumigen Raum mit seinen mannshohen
blauen, gelben und roten Installationen und Rohren
gearbeitet, vierzig Meter unter Tag. Bloss zwischen-
drin, zum Mittagessen, fährt man hinauf ans Sonnen-
licht. Trotz guter Beleuchtung schlage der Druck des
Bergs manchem aufs Gemüt, sagt Mazzucchi, «den
schicken wir dann alle zwei Stunden hoch an die fri-
sche Luft».
Hat der Stollenkoller auch ihn schon heimgesucht?
Theatralisch hebt Mazzucchi die Hände, doch sein
Gesicht lacht dazu: «Bis jetzt zum Glück nicht!» Den-
noch gibt es Tage, die der Familienvater nie vergessen
wird. Den 17. Juli 1987 zum Beispiel. Kurz vor Arbeits-
schluss sah er eine Schnecke, die im Druckstollen an-
derthalb Meter die feuchte Wand hochgekrochen war.
Das gabs zuvor noch nie. Am Tag darauf über-
Auch tief im Fels muss alles klappen
Text und Fotos:
Thomas Müller
Die Arbeit beim Energieunternehmen und Stromproduzenten Repower führt Davide Mazzuc-chi tief ins Bernina-Massiv. Unter Tag kontrolliert er den Druckstollen und bei Revisionsarbei-ten in den unterirdischen Kavernen ist er ein gefragter Spezialist.
45piz 43 : Sommer | Stà 2012
Ökostrompfad Ospizio BerninaDer Ökostrompfad führt in einer rund zweieinhalb-
stündigen Wanderung vom Bahnhof Ospizio Bernina
bis zum Gletschergarten in Cavaglia. Dort sind die
«Marmitte dei Giganti» zu sehen, die riesigen Wasser-
löcher («Gletschermühlen») aus prähistorischer Zeit.
Unterwegs trifft man auf zwölf Informationstafeln,
die in Deutsch und Italienisch Wissenswertes über die
Stromproduktion, über die Geologie, die Geschichte
und Technik berichten. Auch die vor über hundert
Jahren gebaute Berninabahn wird vorgestellt, denn
die Elektrifizierung des Tals ist eng mit dem Bahnbau
verbunden. Am landschaftlich reizvollen Weg liegen
die beiden Kraftwerke Palü und Cavaglia. Der Öko-
strompfad ist von Juni bis Oktober frei zugänglich.
Weitere Informationen zum Thema finden Sie unter:
www.valposchiavo.ch (Suche mit Stichwort Ökostrom-
pfad), www.ghiacciai.info
schwemmte ein verheerendes Hochwasser das Pusch-
lav, ausgelöst durch Murgänge im tiefer liegenden Val
Varuna nach ungewöhnlich starken Regenfällen.
Stehen keine Unterhaltsarbeiten an, geht es nach dem
morgendlichen Kontrollgang wieder an die Bergober-
fläche. Oft stehen dann Arbeiten in der Werkstatt in
Cavaglia auf dem Programm, wo die Kraftwerksmitar-
beiter bei Tageslicht und begleitet von Radio Engia-
dina Ersatzteile fertigen: Zylinder, Kolben oder Ven-
tile, die sich durch Sand und Wasser abgenutzt haben.
Der Hersteller kann nicht weiterhelfen, bei ihm sind
keine Pläne mehr vorhanden, die Anlagen stehen aber
auch schon seit 1927 in Betrieb.
Das stolze Betriebsgebäude in Cavaglia erinnert an die
Zeiten, als hier auf 1703 Metern über Meer noch das
Betriebszentrum für alle Kraftwerke im Tal stand. In
drei Schichten wurde hier gearbeitet, vierzig Familien
lebten im Weiler, der ganzjährig nur durch die Berni-
nabahn erschlossen ist. 1974 wurde die Leitzentrale
nach Robbia verlegt und auf Fernsteuerung umge-
stellt. Die Berninabahn und der Stromversorger sind
miteinander gross geworden. 1907 ging an der Grenze
zu Italien in Campocologno das grösste Hochdruck-
wasserkraftwerk Europas ans Netz, das den Gleich-
strom für die 1910 eröffnete Berninabahn lieferte.
Umgekehrt wäre der spätere Bau der Kraftwerke Ca-
vaglia und Palü ohne die Materialtransporte per Bahn
nicht möglich gewesen.
Über dem Pumpenraum liegt das senkrecht in den
Berg gebaute Kraftwerk Palü. Davide Mazzucchi öff-
net die Tür zum untern Raum. Die Turbine schnurrt
sanft. «Knapp halbe Last», erkennt der Spezialist mit
geübtem Ohr. Die Konstruktion sei weltweit einzigar-
tig, sagt er. Unten dreht eine Francis-Turbine und 35
Meter weiter oben an der selben Achse eine Pelton-
Turbine. So wird die Kraft des Wassers gleich doppelt
genutzt. Das ungewöhnliche Kraftwerk soll deshalb
als historisches Zeugnis erhalten bleiben, wenn die
Nachfolgeranlage, das Kraftwerksprojekt «Lagobi-
anco», in voraussichtlich zehn Jahren verwirklicht
sein wird. Hoch mit dem Lift und raus vor die Tür.
Mazzucchi blinzelt im Tageslicht, atmet durch. Er ist
auch hier in seinem Element. Als Jäger liebt er den
Berg im Sonnenschein mindestens ebenso sehr.
1 2
1 Davide Mazzucchi kontrolliert
tief im Berg, ob Druck,
Klappen, Schalter und Schmie-
rung in Ordnung sind.
2 Kraftwerkszentrale Cavaglia
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«Geht die Welt am 21. 12. 2012wirklich unter?»
Gemäss einer Deutung des Maya Kalenders steht im Dezember 2012 der Weltuntergang bevor. Doch: Kann die Welt überhaupt unter-gehen? Können die stärksten Erdbeben, Vul-kanausbrüche und Flutwellen die Erde zer-stören? Gab es überhaupt schon Weltunter-
gänge? Der Churer Geologe Markus Weidmann geht diesen Fragen nach und erläutert aus einer
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GEFISCHT – GEJAGT – VEREDELT
Laudenbacher bietet in seinen Verkaufsgeschäften in
St. Moritz-Bad und La Punt Chamues-ch eine grosse
Auswahl bester Fleisch-, Wurst- und Fischspezialitäten
an, darunter drei Sorten Siedwürste, bis 20 Sorten Rohwürste
und 15 Sorten Trockenfleisch, Engadiner Wildsaibling und
Alaska-Wildlachs. Alles hausgemacht! Weitere Produkte wer-
den von erlesenen Manufakturen der Region bezogen: Angus
Beef, Nusstorten, Birnbrote, Geiss-, Schafs- und Alpkäse, Ho-
nig, Schnäpse. Im Sortiment im Geschäft in St. Moritz-Bad findet
man zusätzlich Wein aus dem Veltlin und der Bündner Herr-
schaft, Engadiner Bier und Soglio-Produkte. Attraktive Ge-
schenkkörbe werden nach Kundenwunsch zusammengestellt –
sie sind das ganze Jahr über ein willkommenes Präsent.
Die Wurzel des Familienbetriebs Laudenbacher ist eine Fleisch-
veredlerei in La Punt Chamues-ch. Seit über 40 Jahren, in
zweiter Generation, werden hier Salsiz, Siedwürste und Trocken-
fleisch mit Liebe und Leidenschaft zubereitet. Diese Spezialitäten
gibt’s vom Rind, Schwein, Lamm, Hirsch und Reh, von der Gams
und vom Steinbock. Das Fleisch wird teils luftgetrocknet, teils
geräuchert. Beim Räuchern macht es die Mischung des Holzes
aus: dafür werden Arve, Lärche und Tanne aus einheimischen
Wäldern verwendet. Im Frühling und im Herbst wird der Holzkel-
ler aufgefüllt. Für Riccardo Laudenbacher ist es «immer wieder
eine willkommene Abwechslung, mal wieder einen Tag zu hol-
zen». Er sägt und spaltet das Holz, lagert es anschliessend zwei
Jahre im Wind des Chamuera-Tals zum Trocknen. Je nach
Produkt, Temperatur und Menge verwendet er zum Räuchern
eine andere Holz- und Rindenmischung. Ein kleines Feuer in der
Ecke der 300-jährigen Rauchkammer brennt langsam vor sich
hin – es verleiht den Produkten den einmaligen Geschmack.
Jeweils von Mai bis Juli sind Laudenbachers oft am Lej da Li-
vigno anzutreffen, begleitet von Chico und Joja, den beiden
schwarzen Retriever-Hunden. Sie fischen dort vor allem Saib-
linge, den wohl feinsten Süsswasserfisch. Roh als Carpaccio mit
etwas frischer Zitrone und Pfeffer, in Butter gebraten oder leicht
geräuchert gelten Wildsaiblinge als wahre Delikatesse.
Im Juli reisen Laudenbachers jeweils nach Alaska, um edle
Rotlachse, wilde Pinklachse oder gewaltige Königslachse zu fi-
schen. «Ein riesiges Wohnmobil, ein saftiges Angussteak, ein
kühles Alaskan-Amber-Bier und ein Schluck Iva aus der Heimat
machen dort am Lagerfeuer den Tag perfekt», schildert Ric-
cardo Laudenbacher. Der begehrte Lachs wird in die Schweiz
importiert und anschliessend im Engadin selbst geräuchert.
In der Jagdsaison verarbeitet Laudenbacher bis zu 200 Tiere,
der grosse Teil für die Jäger selbst. «Gutes Geld für gutes Wild!»
Der Metzger kauft dann Hirsch, Reh und Gamsfleisch und mit
etwas Glück gibts im Oktober sogar den einen oder anderen
Steinbock. «Ist das Wild einheimisch?» Diese Frage braucht
man im Laden gar nicht erst zu stellen. Jedes Stück kann hier
bis zum Jäger zurückverfolgt werden. Als Kunde lohnt es sich,
früh in der Jagdsaison vorbeizukommen, denn Reservationen
nimmt man nicht gerne entgegen. Wer zuerst da ist, bekommt
die besten Stücke: «Es hat, so lange es hat.»
Der Laden in La Punt (Plaz 2) ist montags und donners-
tags das ganze Jahr über offen. Weitere Öffnungszeiten
und wann der Laden in St. Moritz-Bad (Gallerie, Via Te-
giatscha 7) geöffnet hat, erfährt man unter:
www.laudenbacher.ch
Tel.: +41 (0)81 854 30 50
In den beiden Spezialitätengeschäften Laudenbacher in St. Moritz-Bad und La Punt Chamues-ch kommt der wilde Geschmack des Engadins in die Regale.
piz : Publireportage
48 piz 43 : Sommer | Stà 2012
Wann ist ein Dorf eine Stadt? Nun, rein nume-
risch gilt: Eine Stadt hat mehr als 10’000 Ein-
wohner. Dazu kommen noch ein paar Attri-
bute: In einer Stadt herrscht häufig ein Verkehrschaos,
sind die Bodenpreise markant höher als auf dem Land.
Eine Stadt hat Industriebrachen, oft eine Pres tigemeile
und es werden dauernd Ereignisse inszeniert. Und ei-
nen Hauch von Welt erhält eine Stadt schliesslich
dann, wenn man sie direkt mit dem Flugzeug errei-
chen kann.
Das Oberengadin ist eine Stadt. In den elf Gemeinden
leben etwa 18’000 Menschen. Fast 100’000 sind es in
der Hochsaison – und den definitorischen Rest kennt
man im Hochtal auch: Verkehrsprobleme, hohe Bo-
denpreise, Industriebrachen (leere Hotels), Prestige-
meile, Flughafen. Das Oberengadin hat aber auch
Qualitäten einer Geisterstadt. Denn im Durchschnitt
fast 60 Prozent aller Wohnungen zwischen Sils und S-
chanf sind Zweitwohnungen, die während gut zehn
Monaten im Jahr ungenutzt sind. Das hat zur Folge,
dass ganze Quartiere die meiste Zeit des Jahres wie
ausgestorben sind. Die Infrastruktur aber muss auf die
Spitzenauslastung ausgerichtet werden. Zweitwoh-
nungen sind somit nicht nur eine ineffiziente, son-
dern auch eine teure Beherbergungsform, spülen den
Gemeinden aber via Gebühren und Steuern Millio-
nen in die Kassen. St. Moritz zum Beispiel, quasi die
City dieser Stadtlandschaft, hat ein Eigenkapital von
über 100 Millionen Franken.
Unterschiedlich starkes UnbehagenDas sind ein paar Fakten zum Oberengadin, die nie-
mand bestreitet. Nur das Unbehagen darüber mani-
festiert sich sehr unterschiedlich. Wohl wurde in den
letzten Jahren hier und dort versucht, diese Entwick-
lung in den Griff zu bekommen – allerdings nicht
überall mit Erfolg. 2005 kam es dann zu einer kleinen
Sensation. Obwohl von sämtlichen Gemeindepräsi-
denten und dem regionalen Gewerbe bekämpft,
stimmten die Oberengadiner mit fast 72 Prozent einer
Kreisinitiative zu, die den Zweitwohnungsbau auf
jährlich rund hundert Wohnungen begrenzen will.
Seit 2009 ist das Gesetz in Kraft, doch seit dem
11. März 2012 und der neuen Verfassungsbestim-
mung, wonach der Zweitwohnungsanteil in einer Ge-
meinde die 20-Prozent-Marge nicht überschreiten
darf, ist eh alles anders. Kein Zweifel: Bauen in den
Bergen wird in den nächsten Jahren schwieriger.
Geplant – und trotzdem zugebaut
Text: Marco Guetg
Karten: Swisstopo
18’000 ständige Bewohner und 100’000 in der Hochsaison: Die Agglomeration Oberengadin wirft raumplanerische Fragen auf. Die Planungen hätten wenig genützt, sagt Architekt Robert Obrist. Ohne Pläne sähe es schlimm aus, kontert der Kantonsplaner Cla Semadeni.
1950 1985 2009
49piz 43 : Sommer | Stà 2012
Landeskarten reproduziert
mit Bewilligung von swisstopo
(BA120218).
Hat die Planung gewirkt?Wir nutzen den Moment der Zäsur für einen Rück-
blick. Seit Ende der 1960er-Jahre hat Graubünden ein
Raumplanungsgesetz. Mit Blick auf den verbauten Ist-
Zustand stellt sich die Frage: Wie weit hat das Gesetz
diese Entwicklung wirklich lenken können? Wir fra-
gen Robert Obrist, den St. Moritzer Architekten und
Planer und seit den 1960er-Jahren immer auch ein un-
bequemer Zwischenrufer. Zuerst hält er fest: «Ende der
1960er-Jahre haben wir die Regionalplanung Oberen-
gadin gegründet – gegen den Willen der Politiker. Vie-
les ist seither erreicht worden, wenn auch nichts be-
sonders Visionäres. Immerhin haben wir inzwischen
regionale Richtpläne.» Aber letztlich renne der Planer
der Realität stets ein bisschen hinterher.
Einspruch aus Chur. Er kommt von Cla Semadeni,
dem Leiter des Kantonalen Amtes für Raumentwick-
lung: «Das Gegenteil ist richtig! Nicht der Planer rennt
der Realität hinterher, sondern die planerischen Mit-
tel haben immer Vorwegwirkungen.» Semadeni
nennt Beispiele: «Dank ausgeschiedenen Gefahrenzo-
nen werden Fehlinvestitionen vermieden, über Bau-
zonenstrukturen werden bestimmte Überbauungsbil-
der erhalten oder weiterentwickelt, über Baugebiets-
abgrenzungen werden wichtige Grundlagen für land-
wirtschaftliche Meliorationen geschaffen.»
Stockwerkeigentum als Grundübel«Planung ist ein Prozess», sagt Robert Obrist. Deshalb
sei es müssig, den Willen zur Gestaltung mit dem Re-
sultat zu vergleichen: «Wer glaubt, dass man heute et-
was plant und dann zehn Jahre seine Ruhe hat, irrt. Al-
les bewegt sich.» Als Beispiel nennt er das
Stockwerkeigentum. Für Robert Obrist ist es der Dreh-
und Angelpunkt der Entwicklung im Oberengadin
der letzten vierzig Jahre. «Als wir in den frühen
1960er-Jahren mit der Planung begannen», sagt Ob-
rist, «kannte man das Stockwerkeigentum noch
nicht.» Und als es dann als neue und für viele Men-
schen finanzierbare Variante zum Erwerb von Eigen-
tum aufkam, fand man es «aus sozialen Überlegungen
richtig». Doch niemand habe sich überlegt, welchen
Einfluss das Stockwerkeigentum auf das Berggebiet
hat. Einen guten, weil Eigentum und Einkommen ge-
schaffen werden, «oft aber einen verheerenden – vor
allem dort, wo zu viel Fremdkapital in ein Gebiet
fliesst wie im Oberengadin», so Obrist.
Neue Perspektiven für die PlanerDiese sichtbaren Auswüchse sind für Obrist letztlich
der Grund, weshalb die Zweitwohnungsinitiative an-
genommen worden ist. «Der Schweizer ändert nichts,
wenn er das Gefühl hat, es funktioniere ja noch eini-
germassen.» Es sei ein «Armutszeugnis», dass eine
Einzelperson wie Franz Weber so etwas hinkriege. Die
regionale Politik sei in all den Jahren nicht imstande
gewesen, das Problem anzupacken. «Ein Planer mit
Visionen, wie sie Franz Weber hat», sagt Obrist, «wäre
von den Gemeinden gleich in die Wüste geschickt
worden.» Auch die Kreisinitiative von 2005, die eine
Kontingentierung des Zweitwohnungsbaus im Ober-
engadin vorschreibt, wurde letztlich von einer klei-
nen, privaten Gruppe lanciert.
Während die Politik aufschreit, ist Robert Obrist nun
zufrieden: «Jetzt haben die Planer eine langfristige
Perspektive, und das ist neu.» Einspruch aus Chur.
«Dieser Verfassungszusatz hat nichts mit Raumpla-
nung zu tun», kontert Cla Semadeni, «weil Raumpla-
nung nichts mit einem sektoriellen Verbot zu tun hat.
Sie hat vielmehr die Aufgabe, die Ansprüche an den
Raum zu lenken, und nicht, sie in gut und schlecht
auszuscheiden.» Der Zweitwohnungsbau sei schon in
den 1970er- und 1980er-Jahren ein Thema gewesen.
Nur habe man ihn damals nicht a priori als schlecht
eingestuft, sondern als eine Erscheinung, «die man
aufnimmt und gezielt steuert». Was jetzt auf demokra-
1951 1985 2008
50 piz 43 : Sommer | Stà 2012
tische Weise entschieden wurde, laufe mittelfristig
auf einen Zweitwohnungsstopp hinaus, das habe mit
den «Grundsätzen der Nachhaltigkeit» nichts zu tun.
«Die Gemeinden haben viele kleine Probleme», sagt
Obrist, «aber räumliche Entwicklung im Engadin
hängt eng mit dem unseligen Zweitwohnungsbau zu-
sammen. Sogar Hotels seien vor Jahren von reichen
Italienern aufgekauft worden, «weil die Investoren da-
mals hofften, auch darin Zweitwohnungen bauen zu
können». Befriedigt schliesst Obrist mit dem Nach-
satz: «Das geht jetzt nicht mehr.»
Doch was vorhanden ist, bleibt. Und darauf wirft Ob-
rist einen anderen Blick. «Im Oberengadin stehen
ziemlich genau 10’000 Zweitwohnungen, die im
Schnitt vier bis sechs Wochen belegt sind und rund elf
Monate leer stehen. Die Hälfte dieser elf Monate ist
hier Winterzeit.» Er rechnet vor: «Wir heizen 10’000
mal fünf Monate, 50’000 Monate! Das ist – unabhän-
gig von der Wirkung dieser Bauten auf die Land-
schaft – eine ökologische und ökonomische Idiotie.»
Das Dorfgefühl als LandschaftsretterWir schauen auf den verbauten Ist-Zustand und fragen
weiter. Hat die Planung wirklich gegriffen? Es antwor-
tet der Pragmatiker Obrist: «Ohne Diskussion: Es
wurde zu viel gebaut, doch man hat das im Engadin
verhältnismässig gut gemacht. Das hat mit den ge-
schlossenen Dörfern zu tun. Die Rätoromanen, die
hier aufgewachsen sind, haben ein gutes Dorfgefühl.»
Wurden in den Gemeinden zu grosse Bauzonen ausge-
schieden? Tatsächlich habe man bis vor ein paar Jah-
ren die Bauzonen «immer ein bisschen grösser als nö-
tig gemacht», sagt Obrist. Jetzt gelte aber die Devise:
«Mehr nach innen bauen – ein richtiger Entscheid für
das Engadin mit seinen vielen Dörfern.»
Die Relativierung kommt aus Chur. Nicht allein die
Siedlungsstruktur sei die Retterin der Dörfer, so Cla
Semadeni. Er windet auch der Planung ein Kränz-
chen: «Dass St. Moritz in den letzten Jahren überhaupt
nicht nach aussen, sondern nach innen gewachsen ist,
ist das Resultat von planerischen Dispositionen, die
vor etwa zwanzig Jahren getroffen worden sind.»
Das Tempo ist gebremstWas vorhanden ist, bleibt, doch was kann noch wer-
den – aus den Dörfern, in den Skigebieten, mit den
Bergen? «Nach dem 11. März», so Obrist, «wird die Re-
gion nicht mehr in diesem Tempo weiterwachsen.»
Aber letztlich hänge wieder alles vom Geld und der Po-
litik ab: «Kommt weiterhin viel Geld ins Tal, muss die
Politik Gegensteuer geben.» Was mit der Landschaft
geschehen kann? Cla Semadeni erinnert daran, dass
das Oberengadin mehrfach geschützt ist: «Es wird er-
fasst durch das Bundesinventar der Natur- und Land-
schaftsdenkmäler, es gibt den Schutz der Oberengadi-
ner Seenlandschaft, der Gewässerschutz spielt mit
und es existiert eine richtplanerische Festsetzung,
welche Gebiete landschaftlich zu schützen sind.»
Eine Region weiter denken heisst, in der Region mit-
denken. Deshalb wünscht sich Robert Obrist nicht
nur eine kritische Opposition, sondern auch einen öf-
fentlichen, kritischen Diskurs über Fragen der Land-
schaft, der Gestaltung und der Planung und erhofft
sich endlich Architekten- und Planerkollegen, die das
tun, was er seit Jahren tut: unbequem dazwischenru-
fen. Schliesslich kommt Robert Obrist auf das zurück,
was er in den 1960er-Jahren mit der Gründung der Re-
gionalplanung Oberengadin angestrebt hat, und for-
muliert einmal mehr seinen bescheidenen Wunsch
mit grosser Wirkung: «Ich möchte, dass die Regionen
gegenüber den Gemeinden gestärkt werden. Denn
gute Regionalplanung muss man besser abstimmen.»
Aus Chur kommen dazu Signale. Cla Semadeni: «Die
Regionen sind angehalten, raumentwicklerisch vor-
auszudenken. Sie müssen jetzt tätig werden.» Robert
Obrist wirds freuen.
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52 piz 43 : Sommer | Stà 2012
Text: Flurina Badel
Fotos: Mayk Wendt Feines Kraut, verlockende Beeren oder saftiggrü-
nes Flussmoos – durch Wald und Feld des Enga-
dins zu wandern, ohne sich etwas in die Tasche
zu stecken, kommt bei Martin Göschel nicht vor. «Ich
bin ständig draussen unterwegs und sehe vieles, was
mich neugierig macht. Das packe ich dann ein, schaue
zu Hause nach, was es genau ist und überlege mir, was
ich damit machen könnte.» Und was Göschel damit
macht, sind bis zu 13-gängige Menus bestehend aus
Kreationen wie Wachtelei auf Moosbrot, in Verveine-
Salsiz umwickeltes Eglifilet an warmer Sauerampfer-
mayonnaise oder Wildkräutertaschen mit Guarda-
Kräutertee-Aufguss.
Seit drei Jahren ist der gebürtige Mannheimer Chef de
Cuisine im Gourmetrestaurant «L’Otezza» des Relais
& Châteaux Paradies in Ftan. Für seine dort entwi-
ckelte, eigenwillige Küche erhielt der 40-jährige Koch
18 Gault-Millau-Punkte und einen Michelin-Stern.
Vor seiner Zeit in Ftan führte Martin Göschel als Kü-
chenchef während fast neun Jahren das Varieté-Res-
taurant «Tigerpalast» in Frankfurt am Main. Dort
wurde er 2002 von Gault-Millau Deutschland zum
Aufsteiger des Jahres gewählt. Der «Tigerpalast» wurde
unter seiner Leitung als bestes Restaurant des Jahres
2006 ausgezeichnet. Doch die zeitaufwändigen admi-
nistrativen Arbeiten abseits der Küche des hektischen
Grossbetriebes ermüdeten ihn mehr und mehr. Also
wagte er 2009 den radikalen Wechsel von der Gross-
stadt in die Berge. «Zurück an den Kochtopf und an
den Urspung der Nahrungsmittel – das habe ich hier
in Ftan gefunden.»
Munt e val e flümSeine erste Speisekarte für das «L’Otezza» hat Martin
Göschel noch in Frankfurt entworfen. «Ein globales
Menu mit Gerichten, die es irgendwo geben könnte»,
sagt er lachend und seine stechend blauen Augen la-
chen mit. Doch dann bemerkte er auf seinen ersten
Streifzügen durch das Tal, dass es hier Bauern gibt, die
qualitativ hochstehende Lebensmittel produzieren.
«Es war eine Entdeckung, wie anders hier alles
schmeckt, viel intensiver, robuster und kräftiger.» Es
habe ihn auch sehr berührt zu sehen, mit wie viel
Sorge die Bauern ihre Tiere halten, wenn sie zum Bei-
spiel für die Schafe auf der Weide Salz auf grosse Steine
streuen. «Die Produkte werden hier in der Region mit
so viel Liebe hergestellt, da müssen wir gar nicht mehr
viel beigeben, nur das Wertvolle ordentlich verarbei-
ten und es auf den Teller bringen.» Martin Göschel än-
derte nach nur vier Wochen seine Speisekarte, wech-
selte von global auf lokal und begann, die Eigenheiten
seiner jetzigen Küche zu entwickeln. «Munt e val e
flüm», Berg und Tal und Fluss, heissen seine Gourmet-
Menus nun, und dieser Name ist Programm.
Spinnereien auf den TellernHummer und Langusten gibts im «L’Otezza» nicht.
Dafür gibt es Wachteln und Wachteleier aus S-chanf,
Artischocken und blaue Kartoffeln vom Demeter-Hof
Uschlaingias in Lavin. Das Fleisch bezieht Martin Gö-
schel ausschliesslich aus der Region. Er schätzt das
Wollschwein und schwärmt vom urtümlichen Enga-
diner Schaf. Von den Bio-Rindern verwendet er alle
Teile, von der Leber bis zum Filet. Das Wild schiesst ein
Unterengadiner Jäger.
Hinzu kommen ein paar «Spinnereien», die zu muti-
gen Kombinationen mit aussergewöhnlichen Zutaten
führen. Eine ist das Scuoler Mineralwasser aus der Vi-
Quelle, das er zu einem Gelée verrührt und mit sauer
eingelegtem Fisch kombiniert. Ausgefallene Zutaten
sind auch Arven- und Lerchenduft. In der Küchen-
werkstatt steht ein Kaltrauchgerät, mit dem er dem
Holz das Aroma entzieht. Dieser würzige Rauch setzt
eine dezente Geschmacksnote und dient auch dazu,
die Gäste olfaktorisch zu überraschen. So wird das
Tschliner Biersorbet in einem Wachspapierpäckchen
Seine Speisekarte liest sich wie ein Gedicht aus der Natur. Mit Moosbrot, Steinkartoffel, Heil-wasser, Arvenrauch oder Rehessenz lädt Sternekoch Martin Göschel ein, die Berge mit dem Gaumen zu entdecken.
Der mit den Bergen kocht
53piz 43 : Sommer | Stà 2012
serviert, das mit Arvenrauch gefüllt ist. Sobald der
Gast das Päckchen öffnet, weht ihm der ganze Taman-
gur-Wald entgegen. «Ich mag es, wenn das Raue dieser
Bergwelt sich in meinen Gerichten widerspiegelt.»
Die Welt am KüchentischJeden Tag zieht ein anderer von Göschels Team los,
sammelt Sanddorn, Vogelbeeren und nach dem ers-
ten Frost die Beeren der Eberesche für Chutney, Quen-
del und Zitronenthymian, Wiesenkopf oder Iva für
Essenzen. Was von der Ernte nicht gleich gebraucht
wird, füllt Keller, Vorratskammer und Gefriertruhe.
Laufend wird vakuumiert, getrocknet und einge-
weckt. Junge Arventriebe, Pilze, Wildkräuterpesto.
Auch im Winter soll das meiste auf dem Teller hausge-
macht und aus der Region sein. Sogar für die Präsenta-
tion der Speisen verwendet Martin Göschel heimi-
sche Materialien wie Schiefer oder Rindenstücke. Sein
12-köpfiges Team hat stets zu tun. Doch dem gefällt es
in Göschels Küche, für einen Saisonbetrieb hat er er-
staunlich wenig Wechsel im Team.
Seine neue Art zu kochen hat den Sternekoch verän-
dert, hat ihn offener gemacht und ihm Zugang zu den
Gästen verschafft. «Obwohl ich eigentlich jemand
bin, der lieber in der Küche bleibt, freue ich mich in-
zwischen, zu den Gästen an den Tisch zu gehen und
ihnen zu erklären, woher die Zutaten kommen und
wie sie verarbeitet wurden.» Er habe jetzt eine offene
Küche und lasse sich gerne in die Töpfe und auf die
Finger schauen. Regelmässig können zwei bis vier
Gäste an seinem Küchentisch dinieren und so miterle-
ben, wie ihr Menu entsteht. Mit dem Haus vertraute
Gäste kommen oft spontan zu ihm in die Küche. Mar-
tin Göschel schätzt diesen direkten, unmittelbaren
Austausch mit Menschen aus der ganzen Welt. Ihn
selbst aber zieht es nicht mehr so oft aus dem Engadin
hinaus. Im ersten Jahr schon, da habe es ihn immer
wieder in die Stadt gedrängt, da habe er dann stun-
denlang in einem Strassencafé gesessen und Passan-
ten beobachtet. «Mittlerweile brauche ich das nicht
mehr.» Er könne sich mit dieser Gegend und ihren
Menschen voll und ganz identifizieren, so Göschel
weiter. «Ich bin nun eher froh, wenn ich nach einer
Reise wieder hier auf dem Berg bin. Ich schnalle mir
lieber die Felle an, streife Wander- oder Joggingschuhe
über und laufe irgendwohin», meint er verschmitzt.
Immer mit offenen Augen und leeren Taschen, falls er
Kraut, Beeren oder Flussmoos begegnet.
Martin Göschel kommt nie
mit leeren Händen von seinen
Wanderungen zurück. So
entstehen seine Kreationen wie
der grüne Wildkräuter Gaz-
pacho (Rezept unten).
Grüner Wildkräuter-GazpachoRezept von Martin Göschel
280 ml klarer Tomatenfond
1 Knoblauchzehe
1 kleine Schalotte
1 kleine Karotte
1 Salatgurke
1 Strauchtomate
6 Mandeln
1 Bund Wildkräuter
Tabasco, Cayenne-Pfeffer, Salz, schwarzer Pfeffer
12 ausgestochene Gurkenperlen
Den klaren Tomatenfond und die geputzten und ge-
schälten Gemüse und Zutaten in einem Mixer fein pü-
rieren, sodass eine dicke Suppe entsteht. Diese durch
ein grobes Sieb passieren, damit die Suppe von der
Konsistenz her dünner wird, jedoch noch eine Bin-
dung aufweist. Kräftig mit Tabasco, Cayenne-Pfeffer,
Salz und Pfeffer abschmecken und bis zum Verzehr
kalt stellen.
Dazu ein Spiesschen mit Carpaccio vom Engadiner
Weiderind, mit verschiedenen getrockneten Wild-
kräutern und Blüten aromatisiert.
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Der KaffeealchimistDaniel Badilatti ist Inhaber der höchstgelegenen Kaffeerösterei Europas in Zuoz. Mit sensiblem Geschmackssinn tüftelt er an neuen Mischungen und mit Begeisterung betreibt er ein Handwerk, das in einer standardisierten Welt Sinnlichkeit pflegt.
mit einer dunklen Röstung kann man Qualitätsmängel
vertuschen. Deshalb verwendet Daniel Badilatti beim
Degustieren hell geröstete Bohnen und übergiesst sie
mit heissem Wasser. So probt, kombiniert und sucht er nach der
geeigneten Mischung. Die Auswahl ist riesig: Über 800 Kaffee-
aromen gibts und je nach Ernte kann der Geschmack einer
Sorte jedes Jahr ändern. «Die perfekte Mischung ist subjektiv,
aber natürlich verkaufe ich das am
liebsten, was mir persönlich am besten
schmeckt», so der Zuozer Kaffeeröster.
Kaffeeröster und Kaffeesieder sind
aufeinander angewiesen: Der Barista,
der Kaffeesieder, versucht der Ma-
schine das «Engelshaar» zu entlocken,
einen schwarzen Faden im braunen
Strahl, der nur erscheint, wenn die
Extraktionszeit des Espresso eine
Punktlandung ist. Der Barista verhin-
dert Bitterkeit und Säure und justiert dafür die Mühle je nach
Luftfeuchtigkeit neu. Er drückt das Pulver im Siebträger mit dem
richtigen Druck an und kontrolliert die Wassertemperatur.
Die Kunst des Röstens
Der perfekte Espresso aber gelingt nur, wenn die Röstung
stimmt. Und hier sind die äusseren Einflüsse gross. Zuoz liegt
hoch in den Bergen, die Luftfeuchtigkeit ist extrem niedrig.
Deshalb wird bei Badilatti länger, dafür bei niedriger Temperatur
geröstet als im Unterland. «Bei der Mischung Gourmetto Gastro
experimentierte ich drei Jahre lang, bis der Geschmack stimmte»,
sagt Bohnenalchimist Badilatti. Und er verarbeitet kleine Quan-
titäten. Während Grossproduzenten bis zu einer Tonne Bohnen
auf einmal rösten, sind es in Zuoz nur 60 Kilo. Das garantiert
Frische. Am besten schmeckt der Kaffee frisch geröstet und
frisch gemahlen. Da wäre es ideal, die Bohnen würden im Tal
bleiben, doch damit könnte der 100 Jahre alte Familienbetrieb
nicht überleben. Badilattis 25 Sorten reisen bis nach Russland.
Der «St. Moritz-Café» findet mit seinem klangvollen Namen viele
Anhänger.
Berufung und Perfektion
Haben die Bohnen die Rösterei in Zuoz
verlassen, bleibt zu hoffen, dass ihnen
unterwegs Sonne, Wärme und Feuch-
tigkeit nicht zu sehr zusetzen und die
ätherischen Öle nicht «verduften».
Passiert den Bohnen nichts, liegt alles
Weitere am Barista. «Dass in Italien der
beste Espresso zubereitet wird, liegt
sicher nicht am besseren Rohstoff,
sondern an der fachgerechten Zube-
reitung und am Berufsstolz der Baristi», weiss Daniel Badilatti. In
einer italienischen Bar ist Kaffeemachen nicht einfach ein Job,
bei dem auf den Knopf des Vollautomaten gedrückt wird, son-
dern eine Berufung. Baristi haben das Zirpen im Ohr und wissen,
wann die Milch für den Cappuccino perfekt cremig geschäumt
ist. Inzwischen gibt es auch in der Schweiz immer mehr Profi-
Kaffeebrauer. Die sich ausbreitende Kaffeekultur ist eine Gegen-
bewegung zur immer schneller werdenden Zeit. Hier haben
auch die «Kleinen» Potential. Daniel Badilatti reist deshalb viel
und pflegt persönliche Kontakte mit den Kaffeebauern, und er
kommt mit vielerlei Sorten zurück, die er kombiniert, mischt und
degustiert. Zuerst hell geröstet, damit er die Qualität prüfen kann,
doch danach, zum echten Kaffeegenuss, lieber dunkel geröstet.
Gallus Hufenus
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56 piz 43 : Sommer | Stà 2012
Das stattliche, mit Sgraffiti von Giuliano Pedretti
verzierte Patrizierhaus im Dorfzentrum von
Pontresina gehörte einst der Familie Delnon.
«Zuletzt wohnten noch zwei Schwestern dort. Nach
deren Tod entschloss sich die Erbengemeinschaft
1985 zum Verkauf des Hauses an die Gemeinde», er-
zählt Betriebsleiterin Annemarie Brülisauer, welche
die Besucher durch die Wohnräume führt. Der Berg-
führerverein ergriff anlässlich seines Jubiläums die
Gelegenheit, hier ein Alpinmuseum einzurichten.
Material dafür hatte er genug. Zum Beispiel die «Frem-
denbücher» der lokalen Hütten des Schweizer Alpen-
Clubs (SAC). Darin trugen sich schon vor hundert Jah-
ren die Gäste ein. Heute erhält Annemarie Brülisauer
nicht selten Anrufe von Forschern, welche diese Bü-
cher auf bestimmte Namen erkunden wollen.
Früher war es engDas Museum Alpin entführt die Gäste in die Welt des
19. Jahrhunderts. In der Stüva steht noch der Kachel-
ofen und in der engen Küche («chadafö») der Holz-
herd mit den russgeschwärzten Messingpfannen. Im
Schlafzimmer fallen die kurzen Betten auf. Die Leute
hätten früher halb sitzend geschlafen, um im Alarm-
fall schnell bereit zu sein, weiss die Kuratorin. Im un-
teren Dorfteil von Pontresina seien im 18. Jahrhun-
dert Dutzende von Häusern niedergebrannt. Die
Museumsbetreiber achteten darauf, die historischen
Räumlichkeiten möglichst getreu zu erhalten. Beim
Betreten ist hier und dort Bücken angesagt.
Vögel und MineralienIm Obergeschoss entfaltet das Alpinmuseum seinen
wahren Reichtum. Hier befinden sich Sammlungen
von atemberaubender Vielfalt und Üppigkeit. Andere
Museen würden für diese Kollektionen wohl viel be-
zahlen. So zum Beispiel für die Sammlung von 130 Vo-
gelpräparaten von Gian Saratz. Der Spross aus der be-
kannten Pontresiner Hoteliersfamilie verstand sich
aufs Handwerk des Ausstopfens. Die Vögel schoss er
selber. Zu allen Arten gibt es auch die Stimmen, die
man per Knopfdruck abrufen kann. Eine kurzweilige
Lektion in Engadiner Fauna.
Beim Anblick der Sammlung von Ernst Sury quellen
die Augen über: Kristalle und Mineralien in allen For-
men und Farben, so weit das Auge reicht, in grossen
Vitrinen, alle fein säuberlich mit Fundort angeschrie-
ben. Des Strahlers Herz schlägt hier höher. Selbst
Alpinismus und Visionen im Museum
Entgegen seinem Namen ist das Museum Alpin in Pontresina nicht nur dem Alpinismus gewid-met. Auch Strahler, Tierliebhaber und Bewunderer alter Wohnkultur kommen auf ihre Kosten. Derzeit zieht eine publikumsträchtige Sonderschau vor allem Bahnfreaks an.
1 2
Im Museum Alpin liegt auch dieses «Fremdenbuch» der
Tschierva-Hütte aus dem 19. Jahrhundert.
Text: Ralph Hug
Fotos: Jasmin Ilg
57piz 43 : Sommer | Stà 2012
echte Goldnuggets sind hinter dem Glas zu bewun-
dern. Nichts ist vielfältiger als die Natur – dies will uns
diese Schau in ihrer beinah erdrückenden Fülle sagen.
Die Kollektion alter Skimodelle von Simon Rähmi
wirkt dagegen fast schon karg. Immerhin soll es unter
den Exponaten auch Exemplare geben, die seinerzeit
von Hand aus Holz geschreinert wurden und gar nie
zum Einsatz kamen.
Sonderschauen ziehen Publikum anDas Museum Alpin setzt auf attraktive Wechselaus-
stellungen, die jeweils von Fachleuten thematisch er-
arbeitet werden. Die derzeitige Schau ist noch bis zum
Oktober 2012 zu sehen und hat das Zeug zum Publi-
kumsmagnet: «Bahnvisionen im Engadin» erzählt
unglaubliche Geschichten über unglaubliche Bahn-
projekte aus vergangenen Zeiten.
Natürlich muss auch das Museum Alpin mit begrenz-
ten Mitteln wirtschaften. Dennoch ist die Reihe der
bisher realisierten Sonderschauen ansehnlich. Die
nächste im Jahr 2012/13, so verrät Annemarie Brü-
lisauer jetzt schon, wird dem Thema «Bedrohte Tierar-
ten» gewidmet sein – Bär, Wolf, Luchs & Co. Das vor-
dringlichste Anliegen ist aber im Moment die
Inventarisierung der Museumsexponate. Bislang gibt
es noch kein Verzeichnis aller Gegenstände, dafür im-
mer mal wieder eine Überraschung, wenn eine seit
langem nicht mehr geöffnete Schublade ihr Geheim-
nis preisgibt. Spenden für dieses Projekt nimmt das
Museum gerne entgegen.
43 52
1–4 Museum Alpin, Pontre sina:
Aussen ein mächtiges Haus,
innen abwechslungsreiche
Ausstellungen.
5 Annemarie Brülisauer leitet
das Museum. Foto: UF
Sonderschau: Bahnvisionen fürs EngadinDie aktuelle Sonderschau im Museum Alpin in Pon-
tresina zeigt Bahnprojekte, von denen die meisten
zwar eine Konzession erhielten, aber trotzdem nie re-
alisiert wurden. Zum Glück. Oder was wäre heute von
einer Bahnlinie von Pontresina nach St. Moritz über
den Stazersee zu halten? Technisch machbar, aber nur
auf Kosten der Natur.
Noch viel verrückter war der Plan der «Orientbahn».
So klangvoll sollte eine Verbindung übers Münstertal
ins Südtirol und weiter durch Italien in den Balkan
heissen. Dieser Orientexpress fuhr nie, doch die Idee,
die Rhätische Bahn im Unterengadin mit dem Vinsch-
gau zu verbinden, ist noch heute als Wunsch in Dis-
kussion.
Richtig verrückt war das Projekt einer Stollenbahn un-
ter dem Biancograt bis hinauf auf den Piz Bernina.
Wers nicht glaubt, kann die Pläne im Museum Alpin
besichtigen. Die «Piz Berninabahn» bis auf 4000 Me-
ter über Meer – ein Projekt aus dem Jahr 1930 von
Eduard Zimmermann, Direktor der RhB-Bernina-
strecke –, sollte die Jungfraubahn im Berner Oberland
toppen. Das gelang nicht. Zu gross war die Skepsis der
Bevölkerung gegenüber solch utopischen Entwürfen.
Die Gemeindeversammlungen von Pontresina und
Samedan erteilten Zimmermann eine klare Abfuhr.
Weniger ambitiöse Pläne wurden aber durchaus reali-
siert, so die 1,6 Kilometer «Tramway» von St. Moritz
ins Bad. Sie wurde 1892 erstellt und war die erste elek-
trische Strassenbahn der Alpenregion. Das aufkom-
mende Auto machte ihr dann 1933 den Garaus. Oder
die Standseilbahn nach Muottas Muragl, die 1907 den
Betrieb aufnahm und noch heute die Gäste auf einen
der schönsten Aussichtspunkte des Oberengadins
bringt. Interessant, dass auch einmal eine Verlänge-
rung der Schienen von St. Moritz bis nach Maloja ge-
plant war. Die Konzession für eine «Oberengadiner
Transversale» wurde bereits 1886 erteilt, aber auch sie
blieb Papier. Als bahngeschichtliches Kuriosum kann
die «Funibahn» vermerkt werden, eine Art gezogener
Schlitten-Container. Er brachte die Skifahrenden bis
1939 von Corviglia zum Plateau Piz Nair Pitschen.
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60 piz 43 : Sommer | Stà 2012
BUCHER
Hirtenroman
Leo Tuor: «Giacumbert Nau, Cudisch e re-
marcas da sia veta menada / Bemerkungen zu
seinem Leben.» Romanisch / Deutsch.
Neuausgabe 2012, Limmatverlag, Fr. 38.50
«Giacumbert Nau» ist
ein Hirtenroman ohne
Idylle. Sein Bett ist zu
kurz, der Bach hat kei-
nen Steg. Giacumbert
flickt das Fenster mit
Plastik und verflucht die Gemeinde,
die Bauern. Er freut sich an der Pro-
zession der Schafe, aber er schimpft
auf den Schafstrott der Menschen.
Giacumbert liebt die Natur, die rau-
schenden Bäche. Und er hat zu
kämpfen mit ihr. Er ist trotzig und
einsam. Erinnerungen suchen ihn
heim an Albertina mit ihrem dun-
kelgelben Duft nach Safran, deren
Haut bitter schmeckt wie das Salz
der Erde, die einen anderen geheira-
tet hat. «Giacumbert Nau» ist ein
Buch voller Poesie und Kraft, Wut
und Zärtlichkeit – und ein Gesang
auf das Liebespaar.
Der Traum von der Orientbahn
Plinio Meyer-Tschenett: «Herr Clotin und die
Orientbahn. Die Geschichte des Hotels Müns-
terhof», Verlag Desertina, 80 S., Fr. 21.–
Dieses Buch ist eine
Zeitreise über fast 200
Jahre und sechs Genera-
tionen. Plinio Meyer be-
schreibt die Geschichte
seiner Vorfahren bis
heute. Es geht um die Suche nach
Glück in der Fremde, um Träume, Er-
folge und Rückschläge. 1850 wan-
dert Clotin Andri als «Kaffeejunge»
nach Venedig aus. Um 1860 eröffnet
er zwei Kaffeehäuser mitten in War-
schau. Zurück im Bündnerland, wit-
tert er wirtschaftlichen Aufschwung
für das Tal: Es sollte eine Eisenbahn
über den Ofenpass gebaut werden,
eine Verbindung von London nach
Konstantinopel durchs Müstair. Er
lässt das Hotel Münsterhof bauen,
doch er stirbt kurz vor der Eröff-
nung. Sohn Nicolaus holt Gäste aus
London, New York oder Stockholm
ins heute noch bestehende Hotel.
Silser Leben
Daniela Kuhn: «Zwischen Stall und Hotel,
15 Lebensgeschichten aus Sils i.E.»
Fotos: Meinrad Schade, 2. Aufl., 2012,
180 S., Fr. 34.–
Nietzsche, Rilke, Tho-
mas Mann und weitere
grosse Namen haben
dem zwischen St. Mo-
ritz und dem Bergell ge-
legenen Dorf Sils i. E. /
Segl und seiner Landschaft eine bei-
nahe magische Ausstrahlung verlie-
hen. Und noch heute begegnet sich
während der Saison Prominenz auf
der Dorfstrasse. Doch wer sind die
Silser? Der gelernte Hochbauzeich-
ner bewirtschaftet mitten im Dorf
einen kleinen Kuhstall, die einstige
Hotelbesitzerin hat als Kind mit
Anne Frank gespielt, der ehemalige
Pistenchef ist 840 Mal mit dem Ka-
nadierschlitten ausgerückt: Fünf-
zehn Silserinnen und Silser erzählen
Geschichten aus alten Zeiten und
vermitteln einen untouristischen
Blick hinter die Kulissen.
Mittelalter in Poschiavo
«Casa Tomé, una casa, una famiglia, uno
spaccato di vissuto locale», Fondazione Ente
Museo Poschiavino, 164 p., Fr. 30.–. Bezug:
www.museoposchiavino.ch.
Das Buch über
die Casa Tomé ist
auf Italienisch er-
schienen, mit
deutschen Zu-
sammenfassun-
gen. Das aussergewöhnliche Haus
stammt aus dem 14. Jahrhundert
und ist in authentischem Zustand
erhalten. 1993 wurde es unter Denk-
malschutz gestellt, ging 2002 in den
Besitz der Stiftung Talmuseum Ente
Museo Poschiavino über und wurde
2007 sanft renoviert der Öffentlich-
keit zugänglich gemacht. Nicht nur
das Äussere, auch die Inneneinrich-
tung stellt ein einzigartiges Zeugnis
der vorindustriellen, ländlichen Le-
bensweise dar. Das Buch schildert
die Geschichte der früheren Besit-
zerfamilie, aber auch die Geschichte
des Bauernhauses in Graubünden.
Die Nationalparkidee
Patrick Kupper: «Wildnis schaffen», Verlag
Haupt, Fr. 49.–
Als schweizerische Na-
turforscher Anfang des
20. Jahrhunderts einen
Nationalpark gründe-
ten, hatten sie eine
wegweisende Vision:
Abgeschottet von menschlichem
Einfluss sollte die Natur ihre eigene,
ursprüngliche Vegetation wieder-
herstellen. Diese Absicht unter-
schied sich radikal von der US-ame-
rikanischen Nationalparkidee. Nicht
der Erholung, sondern primär der
Forschung hatte ein Nationalpark zu
dienen. Das Konzept war innovativ
und beeinflusste die Gestaltung von
Schutzgebieten weit über die
Schweiz hinaus. «Wildnis schaffen»
ist die erste umfassende Darstellung
der Geschichte des schweizerischen
Nationalparks, von den Gründerjah-
ren vor dem Ersten Weltkrieg bis ins
21. Jahrhundert
La Müdada
Cla Biert: «La müdada», 420 p., Limmatver-
lag, 46.50 francs. Die Übersetzung er-
scheint 2013.
«Tuot las müdadas chi
quintan van be planet.
Hoz intant hast fat ün
bun pass, figl», disch
duonn’Aita Tach a seis
figl Tumasch. Cun la
famiglia Tach e la figüra principala
dal giuven Tumasch ans descriva Cla
Biert il muond pauril da la prüma
mità dal 20avel tschientiner vers il
temp da la modernisaziun, cur cha
bleras müdadas han marcà regiuns
muntagnardas sco quella da Saluorn.
«La müdada» da Cla Biert es il prüm
grond roman rumantsch, ingio chi
vain quintada – intretschada illa de-
scripziun da la regiun paurila i’l
temp da seis müdamaints radicals –
l’istorgia d’amur da Tumasch e Ka-
rin, la giuvna danaisa in vacanzas i’l
nöbel hotel sper il cumün. L’ouvra es
üna bellischma éducation sentimen-
tale ed ün chapitel socioistoric.
Wider die Fremdenfeindlichkeit
Bruno Ritter, Andrea Vitali: «Manone»,
Cinquesensi editore, 80 S., Fr. 38.–
Der im Bergell wohn-
hafte Maler Bruno
Ritter und der Autor
Andrea Vitali haben
ein starkes Buch gegen
die Fremdenfeindlich-
keit gestaltet. Der zweisprachige Co-
mics «Manone» schildert die Ge-
schichte italienischer Arbeiter im
Bergell Ende der Fünfzigerjahre, als
die mächtige Albigna-Staumauer ge-
baut wird. Die italienischen Arbeiter
sind unverzichtbar, trotzdem wer-
den sie von den Einheimischen ge-
schnitten und oft ausgegrenzt. Im
Comic geht es um Macht und Ge-
walt, um Einsamkeit und eine zarte
Liebe, um harte Arbeit und Entbeh-
rung, um Rassismus und grausame
Rache. Manone – er heisst so wegen
seiner riesigen Hände – ist Anführer
der Gastarbeiter und hat ein ausge-
prägtes Gerechtigkeitsgefühl.
Die Herren von Ramosch
Anna-Maria Deplazes-Haefliger: «Ge-
schichte der Herren von Ramosch und Ra-
mosch-Wiesberg (12. bis 14. Jahrhundert)»,
216 S., Verlag Desertina, Fr. 38.–
Die Herren von Ra-
mosch waren nach
1170 die einzigen Ade-
ligen mit Stammsitz
im Unterengadin. Ih-
nen gehörten auch
Güter im heutigen Südtirol und in
Tirol. Bis ins späte 14. Jahrhundert
konnten sie sich halten. Nachlässige
Verwaltung und ein Brudermord
führten dann aber zur Auflösung ih-
rer Herrschaft. Die Führungsschicht
der alten Grafschaft Vinschgau (zu
der auch das Unterengadin gehörte)
wurde im Spätmittelalter allmählich
umgestaltet. Das Buch analysiert die
vielschichtigen Beziehungen und
Veränderungen innerhalb der Adels-
gesellschaft und die wirtschaftli-
chen Verflechtungen anhand bisher
unbekannter oder nicht ausgewerte-
ter Quellen.
61piz 43 : Sommer | Stà 2012
BUCHER
Flurin und Niculin
Flurin Caviezel: «Wia gsait. Morgengeschich-
ten.» Buch und CD. Herausgegeben von
Schweizer Radio DRS 1, Fr. 32.–
«… und do hett dr Nicu-
lin …» – wer regelmäs sig
am Morgen Radio DRS 1
hört, kennt diesen Ni-
culin und vor allem
auch dessen Erfinder:
Flurin Caviezel. Der aus dem Unter-
engadin stammende Autor, Cabaret-
tist und Musiker tischt uns in seinen
Programmen und den kurzen Mor-
gengeschichten am Radio Alltagssi-
tuationen mit viel Witz und Ironie
auf. Zwar meinen wir immer, diesen
Alltag zu kennen, doch dann schlägt
die Geschichte eine unerwartete
Richtung ein – und meistens ist
dann Niculin der Besserwisser und
die Zuhörer zeigen Schadenfreude.
Jetzt gibt es die «Wia gsait»-Texte ge-
druckt und zwei Dutzend davon in
Caviezels Bünderdeutsch auf der
zum Buch gehörden CD.
Mineralquellen
Kathrin Mischol: «Mineralquellen im Unter-
engadin» Bezugsquellen: Apoteca Drogaria
Engiadinaisa und Stöckenius Scuol, Kul-
turzentrum Nairs. Fr. 48.70
Nirgendwo in Europa
entspringen auf so en-
gem Raum so viele ver-
schiedenartige Mine-
ralquellen wie im
Unterengadin: Es sind
über dreissig und jede ist in ihrer Zu-
sammensetzung anders. Die Ge-
schichte der Unterengadiner Mine-
ralquellen ist lang und bewegt. Der
Bädertourismus erlebte Ende des 19.
Jahrhunderts seine erste grosse
Blüte, als man voller Euphorie
glaubte, mit «Heilwasser» fast alles
kurieren zu können. Damals wurden
die grossen Hotels und Kuranlagen
gebaut. Heute versucht die Region
an diese Wassertradition anzuschlies-
sen. Das Buch beschreibt fast alle
Unternegadiner Quellen, erklärt die
geologischen Gründe und blendet
zurück in die Geschichte.
Peider Lansel
Rico Valär: «Peider Lansel: Essais, artichels e
correspundenza. Tom II Ouvras da Peider Lan-
sel.» Chasa editura rumantscha, 580 S., Fr.
38.– (auch mit Band 1 von Andri Peer)
Sechs Jahre lang hat sich
Rico Valär dem Leben
und Schaffen von Peider
Lansel (1863–1943) ge-
widmet. In Archiven
und Bibliotheken, auf
Dachböden, in Schränken, Schach-
teln und bei Nachfahren hat er Spu-
ren gefunden. Diese Dissertation
vervollständigt die Arbeit von Andri
Peer, die 1966 Lansels dichterisches
Schaffen zeigte. Der neue Band ist
eine süffig geschriebene Biografie
und das Porträt einer Symbolfigur
der rätoromanischen Bewegung.
Vorgestellt werden auch vier Prosa-
stücke und alle Essays. Auch Zei-
tungsartikel sind hier dokumentiert
– und in der ursprünglichen Form
belassen. Das Buch ist sowohl wis-
senschaftliche Dokumentation wie
spannende Bettlektüre.
Raubein oder Volksheld?
Randolph C. Head: «Jenatschs Axt», Soziale
Grenzen, Identität und Mythos in der Epoche
des Dreissigjährigen Krieges. Verlag Deser-
tina, Fr. 48.–
Während Anfang 2012
die Gebeine von Jürg
Jenatsch in Chur aus
der Gruft geholt und
wissenschaftlich unter-
sucht werden, liest man
im Buch «Jenatschs Axt» von einer
unumstrittenen Persönlichkeit. Der
in der Schweiz geborene Geschichts-
professor Randolph C. Head von der
Universität Kalifornien hat seine Er-
kenntnisse 2008 auf Englisch publi-
ziert. Jetzt liegt die aktualisierte Fas-
sung in Deutsch vor. Head beschreibt
Jenatsch als einen besonders gewalt-
tätigen und beweglichen Politiker
der «Bündner Wirren». 1621 betei-
ligte er sich am Mordanschlag auf
Pompejus von Planta, der mit einer
Axt erschlagen wurde. Das Buch be-
richtet auch über frühere Forschun-
gen an den Gebeinen Jenatschs.
PUBLITEXT
Restaurant «Chadafö»Jeden Sonntag «Buurabrunch»
à discrétion: Kaffee, Frucht-
säfte, Zopf, Gipfeli, Alpkäse,
Joghurt, Birchermüesli und
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mit Rösti und Speck stehen
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Kinder bis 14 zahlen
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Familienausflug nach Marguns Das Restaurant «Chadafö» auf Marguns ist ein idealer Ort für einen Familienausflug und bietet im Sommer jeden Sonntag einen reichhaltigen Brunch an. Hier geniessen es die Erwach-senen und die Kinder: Auf 2278 Meter über Meer gelegen und bequem mit der Gondelbahn ab Celerina erreichbar, ist das Bergrestaurant «Chadafö» ein idealer Ausflugsort für die gan-ze Familie. Die Kids finden auf dem grossen Spielplatz unter anderem eine Riesenschaukel, ein Trampolin, eine Hüpfburg und Elektroautos. Während die Kleinen sich so richtig austoben können, sitzen die Eltern am «Buurabrunch» (siehe Box rechts). Wer unter der Woche die Berge geniesst, findet in der Pizzeria «Chadafö» mit ihrer grossen Sonnenterrasse ein breites Angebot. Nach dem Essen lockt der Spaziergang. Die Wege auf Mar-guns sind Kinderwagen-tauglich. Wer mit grösseren Kindern unterwegs ist, kann die Abfahrt ins Tal auch mit dem Trot-tinett geniessen. Die mit Mountainbikerädern ausgerüsteten Gefährte sind wendig und schnell. Unterwegs geht es vorbei an blühenden Alpenwiesen. Im Waldstück lohnt es sich, sanft auf die Bremse zu treten und tief durchzuatmen: Den Duft in der Luft würde man am liebsten als Parfüm konser-vieren und mit nach Hause nehmen.
62 piz 43 : Sommer | Stà 2012
PIZZERIA
Super Constellation in SamedanDas ab 1951 gebaute Flug-zeug Super Constellation gilt als die schönste je ge-baute Verkehrsmaschine der Welt. Eine Schweizer Gruppe von Enthusiasten konnte eines der längst ausrangierten Flugzeuge retten und hat es restau-riert. Nur noch zwei von einst 850 gebauten Flug-zeugen dieses Typs fl ie-gen noch, darunter die Maschine in der Schweiz. Der Verein, der sich um dieses Flugzeug kümmert, hat heute 2400 Mitglieder. Er konnte im Jahre 2000 die Maschine in Santo Domingo kaufen und erwarb zusätzlich auf einem Schrottplatz eine zweite
Maschine als Ersatzteil-lager. Nach Monaten der Fronarbeit und nach Investition von rund einer halben Million Franken gelangte die Maschine 2004 in ei-nem abenteuerlichenÜberfl ug über sieben Etap-pen in die Schweiz. Heute ist die «Connie» vom Bundesamt für Zivilluft- fahrt als historisches Ver-einsfl ugzeug zugelassen. Auch diesen Herbst – am
29. September – kommt die «Super Connie» wieder nach Samedan. Sie wird dort um 10.15 Uhr landen und kann dann den ganzen Tag auf dem Fluplatz bestaunt werden.www.superconstellation.org
Nus colliains: Engadin mobilDas koordinierte Angebot des öffentlichen Verkehrs im Oberengadin bringt Gäste und Einheimische zu Veranstal-tungen und Sehenswürdigkeiten, zur Arbeit und wieder nach Hause. Engadin Bus, Ortsbus St. Moritz, PostAuto und Rhätische Bahn fahren als Tarifverbund. Die Fahrausweise sind auf allen Strecken gültig, ein attraktives Liniennetz und ein dichter Fahrplan sorgen dafür, dass alle Ziele gut erreichbar sind. Die Rhätische Bahn bietet seit über 120 Jahren erstklassige Bahnerlebnisse. Mit dem Engadin Bus reist man bequem von Maloja bis Cinuos-chel und erlebt die traditionellen Dörfer. Engadin Bus setzt seit diesem Frühling umweltschonendere und geräuschärmere Hybrid-Busse ein. Einzelne Strecken werden in Zusammenarbeit mit PostAuto Schweiz bedient. Der Ortsbus St. Moritz ver- bindet St. Moritz Bad und St. Moritz Dorf.Besondere Erleb-nisse bieten der Palm Express von PostAuto Schweiz, der St.
Moritz und Lugano direkt miteinander verbindet, sowie der Bernina- und der Glacierexpress der Rhätischen Bahn. Für diese Strecken sind Spezialbillette erhältlich.
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63piz 43 : Sommer | Stà 2012
PIZZERIA
Hotel «Le Prese» wird saniertErleichterung und Freude herrschen bei den Touristikern im Puschlav: Das seit mehr als drei Jahren geschlossene Hotel «Le Prese» befindet sich wieder in Schweizer Händen und wird zu neuem Leben erweckt. Die Stiftung der Basler Mäzenin Irma Sarasin-Imfeld hat versprochen, dem Haus zu neuem Glanz zu verhelfen. Zuvor gehörte das grosse Areal direkt am Lago di Poschiavo der Mailänder Leasint Spa, einer Tochtergesellschaft der Banca Intesa Sanpaolo. Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart. Irma Sarasin kennt das Haus aus vergangenen Zeiten. Es soll im Frühjahr 2013 wieder öffnen. In der Sarasin-Stiftung ist auch FDP-Grossrat Karl Heiz, Poschiavo, vertreten.
Kulturagenda Hotel Laudinella, Sommerprogramm 2012 Details: www.Laudinella.ch
5.7. Die Alpen in der Literatur, Vortrag von Mirella Carbone und Joachim Jung, 20.30 h
6.7. Pietro De Maria, Klavier-Rezital, 20.30 h13.7. Abschlusskonzert der Kurswoche Alphornbläser,
18 h, Kath. Kirche St. Karl, St. Moritz-Bad13.7. «An Evening at the Opera», Donizetti, Mozart,
Rossini, Verdi u.a., 20 h. Tickets: St. Moritz Tourist Info und Buchhandlung Wega
16.7. Maryam Sachs, «Ohne Abschied», 20.30 h 20.7. Abschlusskonzert des Laudinella-Kurses «Freude
am Klavierspielen», 20 h 26.7. Ferdinand Hodler und Giovanni Segantini:
Das Engadiner Hochtal als metaphysische Landschaft, Vortrag von Mirella Carbone und Joachim Jung, 20.30 h
27.7. Abschlusskonzert des Laudinella-Kurses «Cello x Cello x Cello», 17 h
3.8. Werkstattaufführung der Teilnehmer des Laudinella-Kurses «Vocal Swing», 18 h
6.8. Klavier-Rezital von den Gewinnern des Concours Géza Anda, 20 h
19.8. Camerata Salonistica mit dem Stummfilm «Fräulein Else», 17 h
22.8 «Alle Lust der Welt zu haschen, gierig bin ich ausgezogen.» Hermann-Hesse-Abend, 20.30 h
30.8 Friedrich Nietzsches späte Autobiographie «Ecce homo. Wie man wird, was man ist.» Vortrag von Mirella Carbone und Joachim Jung, 20.30 h
2.9. Eröffnungskonz. Meisterkurs für Klavier, 20.30 h 6./26.9. Dine around, Kochkurs: Anmeldung erforderl.8.9. Abschlusskonz.Meisterkurs für Klavier, 20.30 h 15.–22.9. Internationales Kulturfest Resonanzen.
Mit zahlreichen Konzerten, Lesungen, Filmen und Wanderungen.
18.10. Die Geschichte der Rhätischen Bahn, Vortrag von Mirella Carbone und Joachim Jung, 20.30 h
Vergiiget - verjuchzed - verzapftIn einer kleinen Tournee durch Südbünden sind die Slam-erin Tania Kummer, die Jodlerin Christine Lauterburg und der Spezialist auf alten Instrumenten, Dide Marfurt, ge-meinsam unterwegs. Ihr Programm «Vergiiget – verjuch-zed – verzapft» passt in kein Schema, ist anspruchsvoll, charmant, künstlerisch versiert – und sehr schweizerisch. Ein Schmelztiegel aus Gesungenem und Gejodeltem, Schweizer Musikgut aus fast vergessenen, gezupften und geblase-nen Instrumenten und den wunderbaren Ge-schichten und Slams der Jung-Autorin Tania Kummer.
Aufführungen:3. Oktober 2012:
Kurhaus Bergün
4. Oktober 2012:
Piz Tschütta, Vnâ
5. Oktober 2012:
Al Canton, Le Prese
Holzbildhauer an der ArbeitDiesen Sommer öffnet der aus Luzern stammende Künstler Alois Hermann seine Sommerwerkstatt in Vnà und gibt hier einen Einblick in sein Schaffen. Zu sehen sind Holz- und Bronzeskulpturen sowie Holzschnitte. Die Skulpturen sind inspiriert von der Begegnung mit Men-schen, während sich in den Holzschnitten die Landschaft des Unterengadins widerspiegelt. Hermann erklärt seine Leidenschaft für Holz mit der Einfachheit und Direktheit des Materials. Er vergleicht die Motorsäge mit einem Mu-sikinstrument. Für die Herstellung der Holzschnitte benützt Alois Hermann unterschiedlich grosse Sägen. «Ich arbeite nicht mit den Maschinen, sondern ich spiele mit ihnen», sagt er. Seit einigen Jahren arbeitet der Künstler im Som-mer in der ehemaligen Sägerei Denoth in Vnà. Hier öffnet er nun auch die Werkstatt für das Publikum.11.–25. Juli 2012, jeweils Mi, Fr, und Sa, 14–17 Uhr oder nach Vereinbarung: +41 (0)79 487 94 21, Haus Resgia De-noth, 7557 Vnà. www. alois-hermann.ch
64 piz 43 : Sommer | Stà 2012
PIZZERIA
Leta PeerIm Alter von nur 47 Jahren ist im Februar 2012 in Basel die Künstlerin Leta Peer an den Folgen ihrer Krebserkrankung ge- storben. Sie nahm schon als 22-Jährige an Kunstausstellungen teil und entwickelte ihre Malerei immer weiter. Rasch wurde sie mit ihren Ausstellungen bekannt. In den 1990er-Jahren konnte sie eine Wand in der Bündner Frauenschule gestalten, später auch die Glasfensterfront in der Churer Friedhofskapelle. Für ihre Freunde eher überraschend wandte sie sich der Landschaftsmalerei zu. Die Motive dazu fand sie vor allem im Unterengadin, der Heimat ihres Vaters Oscar Peer. Diese teils sehr kleinen Bil-der schickte sie ihren Bekannten in die halbe Welt hinaus mit der Bitte, sie zu fotografieren. Andere Bilder hängte sie bei einem Amerikaaufenthalt selber in fremde Wohnungen und fotografierte sie dort. Dieses Projekt der «borrowed places», der geborgten Plätze, stellte sie unter anderem in den Rokoko-Saalfluchten des Augsburger Schaezlerpa-lais aus. piz hatte in der Winterausgabe 2008/2009 Leta Peer mit Bildern aus dieser Ausstellung vorge-stellt. Die Künstlerin arbeitete mit feinem Humor. So schmuggelte sie unter anderem ihre Malerei – in digitalisierter Form – in Tafelbilder von histori-schen Altären. Leta Peer hinterlässt ihren Ehe-mann und eine achtjährige Tochter und vor allem eine grosse Lücke im Bündner Kunstschaffen.
Peter Kurzecks «Berg der Erinnerungen»Im Musem Chasa Jaura in Valchava im Münstertal stellt diesen Sommer der deutsche Schriftsteller Peter Kurzeck seinen «Berg der Erinnerungen» aus. Zu sehen sind viele hundert Manuskriptseiten in allen möglichen Erscheinungsformen. Der 69-jährige Peter Kurzeck ist als Verfasser stark autobiografisch geprägter Romane und Erzählungen bekannt geworden. Er schildert darin das Leben in einer sehr eigenwilligen Sprache. Seit Mitte der 1990er Jahre arbeitet er an einem mehrbändigen autobio-grafischen Romanprojekt. Kurzeck wurde schon mehrfach ausgezeichnet, darunter mit dem von Günter Grass gestifteten Alfred-Döblin-Preis. Seine Lesungen sind mitreissend. Die Manuskripte schreibt er konsequent von Hand – er zeigt sie ab 28. Juli in der Chasa Jaura in Valchava.www.museumchasajaura.ch
Nairs – Zentrum für Gegenwartskunst Sommerprogramm 2012Details und Ergänzungen: www.nairs.ch
Im Jahr des Wassers 2012 sind die Quellen (Funtanas) das Leitmotiv des Sommerprogramms. Am UNO-Weltwasser-tag wurde der Verein «Pro Büvetta Tarasp» gegründet. Sie Ausstelllung «La puntinada gelgua / Das gelbe Gerüst» von George Steinmann befasst sich mit den Mineralquellen (siehe Seite 26). Die Vitrine «in Memoriam» ist dieses Jahr dem tödlich verunglückten Giuliano Pedretti gewidmet (siehe Seite 58). Eine Gedenkveranstaltung für Pedretti findet am 8. September 2012, 20 h, statt.
Weitere Termine:29.6. Film: Thema Migration und Heimweh aus der
Reihe «Cuntrasts», Televisiun Rumantscha, 20 h2./3.7. Filmreihe Künstlerporträts: Dokumentation über
Dieter Roth und «Sans Soleil», jeweils 20 h4.7. Kulturhistorische Führungen: «Nairs – einst und
heute» mit Cordula Seger, 14.30 h (Wiederho-lungen am 8.8. und 7.9.)
13.7. Architektur: Wanderung nach dem Buch «Himmelsleiter und Felsentherme, Architektur-wandern in Graubünden.» Von Zernez nach Susch. Mit Lesungen von Köbi Gantenbein. 13.15 h
16.7. Film: «Bottled Life» über das Wassergeschäft, 20 h20.7. Literatur: Ad Fontes, Quell-Mythen in der
rätoromanischen Literatur mit Clà Riatsch, Rico Valär u.a., 20 h
3.8. Literatur: Hommage J. Semadeni (1910-1981), 20 h6.8. Film: «Mystery of Picasso», 20 h24.8. Lesung mit Musik: «Ustrinkata» mit Arno
Camenisch und Pascal Gamboni, 20 h27.8. Film: «Step Across the Border», 20 h19.9. Moskau in Nairs: Festival «Culturescapes»,
Künstlergespräch, 20 Uhr.28./29.9. Architektur, Kultur: Spaziergänge zum Thema
Brunnen und zu «Kultur macht Gäste», 10-16 h
Peter Kurzeck zeigt seine
Manuskripte in der Chasa
Jaura im Münsertal.
Neue Kraftwerke in Lavin und SamnaunDie Wasserkraft des Berg-
baches Lavinuoz auf dem
Gemeindegebiet von Lavin
im Unterengadin kann zur
Stromerzeugung genutzt
werden. Die Bündner
Kantonsregierung hat im
Frühling 2012 das Konzes-
sions- und Bauprojekt der
Ouvra Electrica Lavinuoz
Lavin SA (OELL) genehmigt.
Die Gemeindeversammlung
hatte sich schon 2010
dafür ausgesprochen. Auch
Samnaun will ein neues
Kleinkraftwerk bauen. Eine
bestehende Leitung vom
Tal auf die Alp Trida soll
künftig nicht mehr nur für
die Beschneiungsanlage
im Winter genutzt werden,
sondern im Sommer
auch als Zuleitung für
eine neue Turbine.
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PIZZERIAPIZZERIA
Hotel Waldhaus, Sils-Maria, Sommerprogramm 2012Details und Ergänzungen: www.waldhaus.ch
21.6. Zwei Erzählungen von Th. Mann, gelesen von Anina Jendreyko und Christoph Finger, 21.15 h
23.6. Jazz-Night mit den Piccadilly Six, 21 h 25.6. Lesung mit Norbert Hochreutener und Heinz
Ramstein aus den Romanen «Dubach sieht rot» und «Dubach im Machtpoker», 21.15 h
29.6. Theater: «Der Mann des Zufalls», 21.15 h2.7. Theaterabend: «Guten Morgen, du Schöne»,
von Maxie Wander, 21.15 h 6.7. Konzert mit der Dani Felber Big Band, 21.15 h9.7. Theater: «Der Orchesterdiener», 21.15 h 12.7. Shiatsu mit Claudia Carigiet12.7. Jazzkonzert, 21 h 15.7. Dimitri Theater, 16.30 h 16.7. Philosophie: Was kann ich wissen? Der Mensch
als erkennendes Wesen, 21.15 h 18.7. Philosophie : Was soll ich tun? Der Mensch als
zum Guten und Bösen fähiges Wesen, 21.15 h19.7. Concerto del Vino, 17 h 20.7. «Gigämaa & Landstriichmusig», 21.15 h 21.7. Elisabeth Schnürer liest aus dem Kinderbuch
«Kruwu», 17 h22.7. Philosophie: Was darf ich hoffen? Der Mensch
als transzendierendes Wesen, 21.15 h23.7. Lesung mit Iso Camartin aus seinem neusten
Werk «Im Garten der Freundschaft», 21.15 h 25.7. Familienkonzert «Uf em Sprung» mit der Band
Silberbüx, 17 h 26.7. Workshop mit der Band Silberbüx für Kinder ab
6 Jahren, 10 h 27.7. Die Jazzpianistin Irène Schweizer spielt, 21.15 h30.7. Konzert mit «Pflanzplätz» – traditionelle und
moderne Volksmusik, 21.15 h3.8. Musiktheater: Die Aufzeichnung des Malte
Laurids Brigge von Rainer Maria Rilke, 21.15 h4.8. Kinder: «Die Bremer Stadtmusikanten», 17 h 4.8. Lesung der Biographie von Vesselina Kasarova
mit Marianne Zelger-Vogt, musikalisch begleitet, 21.15 h
6.8. Lesung: «Die Stunde der Dilettanten. Wie wir uns verschaukeln lassen», 21.15 h
8.8. Tanzschlager der goldenen 20er-Jahre. Kammerphilharmonie Graubünden und Samuel Zünd, 21.15 h
12.8. Theater: «Retraite Scapin». Vorpremière, 21.15 h 13.8. Lesung: «Tod in Venedig», 21.15 h 17.8. Konzert: «Servus Wien», 21.15 h 20.8. Weingala: 12 Donne del Vino. 16 h 23.–26.8. Silser Kunst- und LiteraTourtage: Richard
Wagner, Richard Strauss, Otto Dix27.8. Arno Camenisch liest aus «Ustrinkata», begleitet
von einem Orchester, 21.15 h 30.8. Dürrenmatt-Abend, 21.15 h 3.9. Lesung aus dem Buch «Dem Süden verschwis-
tert» mit Autor Adrian Stokar und Schauspieler Jan Zierold, 21.15 h
8.9. Konzert «Mamma Mia – Rossini!». Mit Patric Ricklin und Band, 21.15 h
9.–15.9. Balint-Woche10.9. Lesung: «Die Frau im Turm» von Viola Roggen-
kamp, 21.15 h 14.9. Konzert mit dem Trio Jurkovic, Uhlir, Helesic,
feat. Pius Baumgartner, 21.15 h 15.-17.9. Tanzkurs mit Sonja Wenzler, 10.00 h16.–20.9. Lese-Seminare16.9. Vortrag von Luzius Keller: Proust lesen, 17.30 h20.9. Filmabend: «Die Frau mit den 5 Elephanten»,
21 h, auch am 6.10. 21.9. Duoabend mit «Dölüx», 21.15 h24.9. «Der Geiger auf dem Dach», Literarische
Erkundungen zu Marc Chagalls Schtetl-Bildern», 21.15 h
27.–30.9. Nietzsche-Kolloquium: «Ursprünge und Anfänge – Nietzsches Basler Zeit»
1.–4.10. Lese-Seminare 2.10. Musikalischer Workshop, 17.30 h4.10. Das Acappella-Ensemble «Zapzarap» interpre-
tiert Schweizer Lieder und Texte. 21.15 h
Piff, paff puff …… und du bisch duss.
Den Abzählreim gibt’s in
allen Sprachen. Der aus
Graubünden stammende, in
Zürich wohnhafte Fotograf
und Künstler Hans Danuser
hat ihm im 29. Stockwerk
Zürcher Hochhaus «Prime
Tower» in den Räumen der
Anwaltskanzlei Homburger
eine Hommage gewidmet.
Die Kunst-am-Bau-Arbeit
zeigt den Reim nicht nur
in Zürichdeutsch, son-
dern auch auf Englisch,
Französisch, Italienisch,
im rätoromanischen Idiom
Puter und in Bregaiot auf
die Wände appliziert.
Tonschmiede – das Blechprojekt27. Juli, 20.15 Uhr, Kirche San Lurench, Sentwww.dasblechprojekt.de
Blechbläserensemble«Tonschmiede – das Blechprojekt», so nennt sich ein in-
ternational zusammengesetztes Blechbläser-Ensemble. Es
besteht inzwischen seit fünf Jahren und beginnt die Jubi-
läumstournee unter dem Titel «Quinquennium» in Sent.
Die Musikerinnen und Musiker kommen aus Österreich,
Italien, Deutschland und der Schweiz und haben als Profis
den Weg ins Orchester gewählt oder widmen sich dem Un-
terrichten. Das Programm bietet die ganze Bandbreite von
Klassik über Jazz bis hin zur Populärmusik. Gespielt wird in
der klassischen Blechbläserbesetzung mit vier Trompeten,
Horn, vier Posaunen, Tuba und Schlagzeug.
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Druck | stampa AVD, Goldach (SG)
Autorinnen und Autoren, Fotos | auturas ed auturs, fotografias
Walter Aeschimann, *1957, Historiker und freier Journalist in Zürich
Franco Brunner, *1977, freier Journalist in Chur. www.francobrunner.ch
Sina Bühler, *1976, Redaktorin «work»
Marco Guetg, *1949, ist Journalist und lebt in Zürich
Ralph Hug, *1954, freier Jour nalist im «Pressebüro St. Gallen»
Thomas Kaiser, *1979, betreibt in Chur die Denk- und Schreibwerkstatt www. wortwert.ch
Andreas Kneubühler, *1963, freier Jour nalist im «Pressebüro St. Gallen»
Rachel Mader, *1969, Projektleitung «Organising Innovation» am Institut für Gegenwartskünste der Zürcher Hochschule der Künste
Daniel Martinek, *1968, freiberuflicher Fotograf. Er lebt in Celerina und Zürich.
Thomas Müller, *1965, freier Journalist in Zürich
Daniela Schwegler, *1971, freie Journalistin in Wald (ZH)
Marco Volken, *1965, fotografiert für zahlreiche Bergpublikationen. Er lebt in Zürich. www.marcovolken.ch
Mayk Wendt, *1982, ist in Ostdeutschland aufgewachsen und lebt seit sie-ben Jahren als Fotograf im Engadin. Er ist Mitglied von «freelens» in Hamburg. www.maykwendt.com
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Nr. 43, Sommer | Stà 2012.
Erscheint zweimal jährlich. Auflage: 30’000 Ex.
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che Kündigung erneuert es sich automatisch um zwei Jahre.
Nächste Ausgabe: Dezember 2012
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nimmt der Verlag keine Haftung. – Nachdruck, auch auszugs-
weise, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion.
Magazin für das Engadin und die Bündner SüdtälerMagazin per l'Engiadina ed il Grischun dal süd
Generationen | GeneraziunsIn seiner nächsten Ausgabe wird sich das piz-Magazin um die Generationen
kümmern. Im Zeichen knapp werdender öffentlicher Finanzen wird immer
häufiger der Generationenvertrag ins Spiel gebracht. Eltern unterstützen
ihre Kinder in den ersten Lebensjahren, umgekehrt sorgen später die Kin-
der für ihre älter werdenden Eltern. Das – so stellt man es sich gemeinhin
vor – klappe in den Berggebieten noch viel besser als im Unterland. Wir
möchten unter anderem der Frage nachgehen, ob diese Vorstellungen noch
stimmen. Und wir werden Unternehmen vorstellen, die seit Generationen
von der gleichen Familie geführt werden, und Traditionen beleuchten, in
denen Fähigkeiten und Engagement der Vorfahren immer weitergetragen
wurden und werden. Schliesslich möchten wir Ihnen Menschen, die aus
berühmten Dynastien stammen vorstellen und von ihnen erfahren, wie sie
sich in der heutigen Generation, in einer veränderten Welt, fühlen. – Freuen
Sie sich also auf piz im Winter 2012 /13.
Foto
: yem
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hoto
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Viel zu schön für 14 Tage.Bleiben Sie für immer.
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Puntschella, Pontresina T. +41 81 842 76 60
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