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[Physica-Lehrbuch] Grundlagen der Volkswirtschaftslehre || Die Nachfragekomponenten auf dem...

Date post: 18-Dec-2016
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7. Die Nachfragekomponenten auf dem Giitermarkt 7.1 Konsumnachfrage der Haushalte 7.1.1 Konsumfunktion Die Konsumnachfrage der HaushaIte kann mit Hilfe einer Konsumfunktion erfaBt und dargestellt werden. Dabei verbindet sich mit der Konsumfunktion die Frage nach den systematischen Abhangigkeiten der Konsumnachfrage der HaushaIte einer Volkswirtschaft von wirtschaftlichen EinfluBgroBen. Gibt es also wirtschaftliche Argumente, die gleichartig und dauerhaft auf Umfang, bzw. Hohe und Verlauf der Konsumnachfrage wirken? Es ist damit nach einer stabilen funk- tionalen Beziehung gefragt, mit der die Konsumnachfrage der Haushalte C erklart werden kann. Diese Frage laBt sich vereinfachend in Funktionsform schreiben: C = f(?). Eine solche noch als Frage formulierte funktionelle Beziehung kann auf der Grundlage von Erfahrungswissen rasch inhaltlich aufgeflillt werden. So liegt es nahe, den gesamtwirtschaftlichen Konsum als abhangig vom gesamtwirtschaftli- chen Einkommen zu sehen. Sicherlich wirkt sich auch das gesamtwirtschaftliche Vermogen auf Konsumhohe und Konsumverhalten aus. Gleichfalls ist anzuneh- men, daB Zinsen einen EinfluB auf den Konsum haben, denn bei geringeren Zinsen ist es beispielsweise fUr eine Reihe von Haushalten leichter, Kredite flir ihre Kon- sumwiinsche (Autos, Wohnungseinrichtungen u. a.) aufzunehmen. Die Erwartun- gen der Haushalte tiber die Wirtschaftsentwicklung im allgemeinen, tiber die Ent- wicklung der jeweils eigenen wirtschaftlichen Situation, aber auch tiber sich natio- nal wie international abzeichnende politische Veranderungen werden das Konsum- verhalten nicht unbeeinfluBt lassen. AuBerdem treten gesamtwirtschaftliche Kon- summoden oder Kultureinfltisse auf, die sich ebenfalls auf die Konsumnachfrage auswirken. Es kommen schlieBlich noch weitere nichtOkonomische oder au6erokonomische Einfliisse hinzu, die bis hin zum Wetter als Argumente in der Konsumfunktion zu beriicksichtigen sind, so daB die zunachst vollig unbestimmte Funktion nun inhaltlich besser ausgeflillt und wie folgt geschrieben werden kann: C = f(Einkommen, Vermogen, Zinsen, Erwartungen, ... , Wetter) . Auch diese Konsumfunktion enthalt nun aber neben prinzipiell bekannten, ei- nige noch naher zu definierende GroBen, und sie schlieBt Einfltisse mit ein, die schlecht faBbar und quantifizierbar sind und deren Wirkung zudem nicht flir aIle Konsumenten gleichartig sein dtirfte. Urn das gewiinschte Ziel einer moglichst einfachen, aber dennoch die we sent- lichen Einfltisse erfassenden Konsumfunktion zu erreichen, sei daher in einem G. Graf, Grundlagen der Volkswirtschaftslehre © Physica-Verlag Heidelberg 2002
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7. Die Nachfragekomponenten auf dem Giitermarkt

7.1 Konsumnachfrage der Haushalte

7.1.1 Konsumfunktion

Die Konsumnachfrage der HaushaIte kann mit Hilfe einer Konsumfunktion erfaBt und dargestellt werden. Dabei verbindet sich mit der Konsumfunktion die Frage nach den systematischen Abhangigkeiten der Konsumnachfrage der HaushaIte einer Volkswirtschaft von wirtschaftlichen EinfluBgroBen. Gibt es also wirtschaftliche Argumente, die gleichartig und dauerhaft auf Umfang, bzw. Hohe und Verlauf der Konsumnachfrage wirken? Es ist damit nach einer stabilen funk­tionalen Beziehung gefragt, mit der die Konsumnachfrage der Haushalte C erklart werden kann. Diese Frage laBt sich vereinfachend in Funktionsform schreiben:

C = f(?).

Eine solche noch als Frage formulierte funktionelle Beziehung kann auf der Grundlage von Erfahrungswissen rasch inhaltlich aufgeflillt werden. So liegt es nahe, den gesamtwirtschaftlichen Konsum als abhangig vom gesamtwirtschaftli­chen Einkommen zu sehen. Sicherlich wirkt sich auch das gesamtwirtschaftliche Vermogen auf Konsumhohe und Konsumverhalten aus. Gleichfalls ist anzuneh­men, daB Zinsen einen EinfluB auf den Konsum haben, denn bei geringeren Zinsen ist es beispielsweise fUr eine Reihe von Haushalten leichter, Kredite flir ihre Kon­sumwiinsche (Autos, Wohnungseinrichtungen u. a.) aufzunehmen. Die Erwartun­gen der Haushalte tiber die Wirtschaftsentwicklung im allgemeinen, tiber die Ent­wicklung der jeweils eigenen wirtschaftlichen Situation, aber auch tiber sich natio­nal wie international abzeichnende politische Veranderungen werden das Konsum­verhalten nicht unbeeinfluBt lassen. AuBerdem treten gesamtwirtschaftliche Kon­summoden oder Kultureinfltisse auf, die sich ebenfalls auf die Konsumnachfrage auswirken. Es kommen schlieBlich noch weitere nichtOkonomische oder au6erokonomische Einfliisse hinzu, die bis hin zum Wetter als Argumente in der Konsumfunktion zu beriicksichtigen sind, so daB die zunachst vollig unbestimmte Funktion nun inhaltlich besser ausgeflillt und wie folgt geschrieben werden kann:

C = f(Einkommen, Vermogen, Zinsen, Erwartungen, ... , Wetter) .

Auch diese Konsumfunktion enthalt nun aber neben prinzipiell bekannten, ei­nige noch naher zu definierende GroBen, und sie schlieBt Einfltisse mit ein, die schlecht faBbar und quantifizierbar sind und deren Wirkung zudem nicht flir aIle Konsumenten gleichartig sein dtirfte.

Urn das gewiinschte Ziel einer moglichst einfachen, aber dennoch die we sent­lichen Einfltisse erfassenden Konsumfunktion zu erreichen, sei daher in einem

G. Graf, Grundlagen der Volkswirtschaftslehre© Physica-Verlag Heidelberg 2002

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weiteren Schritt unterstellt, daB der Konsurn der Haushalte nur vom gesamtwirt­schaftlichen Einkomrnen Y abhangig sei und daB der EinfluB der anderen genann­ten GroBen weitgehend konstant bleibt oder in der Beobachtungsperiode als kon­stant angenomrnen werden kann. FUr diese vereinfachte Konsumfunktion gilt da­her:

C = f(Y).

Der Zusammenhang zwischen dem AusmaB der Konsumnachfrage C und dem gesamtwirtschaftlichen Einkomrnen Y kann nach der allgemeinen Erfahrung als positiv unterstellt werden, so daB mit steigendem Einkomrnen Yauch der Kon­sum C zunimrnt.

Dieser weiterhin noch sehr allgemeine Zusamrnenhang Hillt sich noch konkre­ter fassen und als lineare Beziehung anschaulich und liberpriitbar formulieren. Die Konsumfunktion nimrnt dam it folgende Form an:

C = a + bY , mit • a als autonomem Konsum, der alle hier als konstant angenomrnenen Einfllisse

neben dem Einkomrnen auf die Konsumnachfrage zusamrnenfaBt, und • b als Konsumneigung, d.h. einer beobachtbaren VerhaltensgroBe, die aus­

driickt, urn wieviel Prozent der Konsum beispielsweise bei einer Einkomrnens­steigerung urn eine Einheit oder urn 100 Prozent ansteigt. Die Konsurnneigung b wird aufgrund von plausiblen und beobachtbaren Konsurnreaktionen groBer als null sein, denn Einkomrnenszuwachse schlagen sich imrner auch zumindest zu einem Teil in einem Mehrkonsurn nieder. Die Konsurnneigung b wird zum anderen nach aller Erfahrung kleiner als eins sein, weil aufgrund eines Ein­komrnenszuwachses im Durchschnitt nicht mehr als dieser Einkomrnenszu­wachs fur zusatzlichen Konsurn ausgegeben wird.

Diese lineare Konsurnfunktion ist nun in Abbildung 40 dargestellt. Dabei ist unterstellt, daB der autonome Konsum a eine positive GroBe ist, so daB selbst im (vollig hypothetischen) Fall eines gesamtwirtschaftlichen Einkomrnens von null noch Konsumnachfrage seitens der Haushalte stattfindet, die z.B. aus Vermogen finanziert werden mliBte. Da der autonome Konsurn a die Einfllisse zusamrnenfaBt, die neben dem Einkomrnen auf die Konsumnachfrage wirken, ist bei Anderungen dieser zunachst konstant gehaltenen GroBen mit entsprechenden Anderungen in der Dimension von a zu rechnen, was sich in Verschiebungen der Konsumfunktion ausdriickt oder sich mit anderen Worten darin zeigt, daB die Konsumfunktion unterschiedliche Achsenabschnitte auf der Ordinate oder C-Achse aufweisen wird. Die Griinde fur derartige Verschiebungen konnen bei allen oben genannten Argumenten liegen, so daB Vermogensanderungen, Zinsanderungen, aber insbe­sondere auch die weniger leicht meBbaren Erwartungsanderungen sich auf die Konsurnfunktion auswirken werden und deren Lage gemessen am Achsenabschnitt verandem.

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Die Konsumneigung b bestimmt den Anstieg der Konsumfunktion. Das in Abb. 40 hilfsweise eingezeichnete Dreieck solI verdeutlichen, daB bei einem Ein­kommenszuwachs urn eine Einheit der Konsurn im AusmaB von b ansteigt, wobei b wie schon erliiutert kleiner als eins ist oder einem Prozentsatz von unter 100% ent­spricht. Die Konsumneigung b stellt die marginale Veriinderung des Konsurns bei einer Einkommensveriinderung dar. Daneben liiBt sich eine durchschnittliche Kon­surnquote unterscheiden, die aus der Relation von Gesamtkonsurn C zu Gesamtein­kommen Y besteht und bei einem positiven Achsenabschnitt a jeweils groBer ist als b. Sofem allerdings der autonome Konsurn a einen absolut geringen Wert hat, sind b und der Durchschnittskonsurn praktisch identisch.

C a+bY

a

o Y

Abb. 40: Konsurnfunktion

FOr deutsche Verhiiltnisse liegt die GroBe b seit vie len Jahren tiber dem Wert von 0,85 und erreicht inzwischen etwa 0,90 oder 90 %. Dies bedeutet, daB von einem Einkommenszuwachs urn eine Einheit zwischen 85 % bis 90 % fUr zusiitzlichen Konsurn ausgegeben werden. Der dabei entstehende Restbetrag des Einkommenszuwachses wird fUr zusiitzliches Sparen genutzt.

7.1.2 Der Konsumverlauf fiber die Zeit

Die lineare Konsumfunktion in Abb. 40 weist einen kontinuierlichen Anstieg im AusmaB von b auf und ist zuniichst als einfache Niiherung fUr das gesamtwirt­schaftliche Konsurnverhalten der Haushalte, das positiv vom Einkommen gepriigt wird, unterstellt worden. Es ist nun ergiinzend zu fragen, ob der durchweg lineare Verlauf der Konsurnfunktion eine sinnvolle Hypothese des Konsurnverhaltens darstellt. Wird mithin bei immer groBeren Einkommenswerten immer der gleiche Teil des Einkommenszuwachses in zusiitzliche Konsumnachfrage flieBen? Oder gibt es mit steigenden Einkommenswerten eine Abnahme der Konsumneigung, so daB die Konsurnfunktion nicht linear, sondem nur unterproportional ansteigt? Gibt

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es schlie13lich gar Grunde oder Beobachtungen dafiir, daB die Konsumneigung mit steigendem Einkommen ebenfaIls ansteigt, was zu einem iiberproportionalen Ver­lauf der Konsumfunktion fiihren wiirde?

Auf diese Fragen erhalt man rasch die durchaus plausible Antwort, daB zu­mindest das iiberproportionale Ansteigen der Konsumfunktion bei steigenden Ein­kommenswerten wohl nicht als sinnvoIle Hypothese gewertet werden kann. Relativ haufig trifft: man daruber hinaus auf die Uberlegung, daB aufgrund der Wirkung des 1. Gossenschen Gesetzes oder des abnehmenden Grenznutzens zusatzlicher Guts­einheiten zu einem Zeitpunkt wohl auch bei gesamtwirtschaftlicher Betrachtung Sattigungstendenzen eintreten mii13ten, die fUr ein unterproportionales Ansteigen der Konsumverlaufs sprachen. An hinreichend vie len SteIl en in der volkswirt­schaftlichen Literatur finden sich derartige Argumentationen. Sie werden dann vielfach noch erganzt oder bestarkt durch eine Nebenbemerkung, die Keynes ange­sichts der Stagnationsfurcht in den 30er lahren gemacht hat, daB namlich der ge­samtwirtschaftliche Konsum unter bestimmten Umstanden in der Zukunft nicht weiter ansteigen konne, weil bereits ein iiberaus hohes Konsumniveau erreicht worden sei. In der Analyse von Keynes ist diese Stagnationsfurcht fiir den gesamt­wirtschaftlichen Konsum auch ein nicht unwesentliches zusatzliches Argument zur Begrundung staatlicher Eingriffe in Fonn von zusatzlich ausgeiibter Staatsnach­frage. Damit soIl ein Gegengewicht zur stagnierenden Konsumnachfrage in ihrer Auswirkung auf die Giitemachfrage und die Beschaftigung geschaffen werden.

Die gesamtwirtschaftliche Sattigung mit Konsumgiitem bei steigendem ge­samtwirtschaftlichem Einkommen laBt sich zunachst als okonomisch begriindbare Hypothese nicht ausschlie13en. Es muB dann aber nochmals auf die Wirkungsweise von Sattigungsgrenzen naher hingewiesen werden. Sattigungsgrenzen gibt es bei einzelnen Wirtschaftssubjekten oder Personen fUr spezifische Giiter zu einem je­weiligen Zeitpunkt. Das 1. Gossensche Gesetz gilt fUr diesen relativ engen Rahmen von wirtschaftlichen Gegebenheiten. Das 1. Gossensche Gesetz gilt aber keines­falls fUr aile Giiter, bei allen Personen einer Volkswirtschaft iiber unterschiedli­che Einkommensbereiche hin. Zumindest ist es fUr diese Breite unterschiedlicher wirtschaftlicher Gegebenheiten nicht fonnuliert. Damit ist aber auch eine gesamt­wirtschaftliche Sattigung mit Konsumgiitem bei steigendem gesamtwirtschaftli­chern Einkommen keinesfalls mit Notwendigkeit zu erwarten. Es kommt hinzu, daB die von Keynes erwahnte Stagnationsfurcht ebenfaIls keine naturgesetzliche Not­wendigkeit ist, sondem zeitgebundene Haltungen in der Folge des Ersten Welt­kriegs widerspiegelt.

Die Frage nach dem Konsumverlauf fiber die Zeit la13t sich nach aIlem nur mit einem Blick auf das beobachtbare Konsumverhalten beantworten. Das be­obachtbare Konsumverhalten legt keine empirischen Anhaltspunkte fUr eine ge­samtwirtschaftliche Sattigung nahe. Steigende Einkommen gehen nicht mit ab­nehmender Konsumneigung einher. Auch wenn die Daten, auf die in TabeIle 2 und der daraus entwickelten Abb. 41 zuriickgegriffen wird, nicht mit dem gedanklichen Konzept einer jeweils nur zu einem Zeitpunkt oder fUr einen begrenzten Zeitraum geltenden Konsumfunktion deckungsgleich sind, la13t sich gleichwohl aus dem zeitlichen Verlauf von verfiigbarem Einkommen der privaten Haushalte in

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Deutschland und den dazugeMrenden jeweiligen privaten Verbrauchsausgaben im Zeitraum von 1960 bis 2000 eine allgemeine Tendenz einer konstanten Konsum­neigung bei unterschiedlichen Einkommenswerten erkennen. Es wird sogar ein leichtes Ansteigen der Konsumneigung deutlich. Die nachhaltigen gesamtwirt­schaftlichen Einkommenssteigerungen, die auch mit einem Anstieg des Einkom­mens pro Kopf verbunden sind, werden damit zu einer permanenten Ausweitung des Konsums absolut und pro Kopf verwendet. Der gesamtwirtschaftliche Konsum ist im Beobachtungszeitraum nachhaltig gewachsen, so daB yom Ergebnis her keine Siittigungsgrenze fiir die Konsumnachfrage beobachtbar ist.

Wenn nun aber die Konsumnachfrage bei steigendem Einkommen in ihrem Volumen immer weiter ansteigt, stellt sich selbstverstandlich die Frage nach der Bkonomischen Bewertung dieses Zusammenhangs. Die gesamtwirtschaftliche Kon­sumnachfrage richtet sich jeweils auf aIle unterschiedlichsten Giiter, die in den einzelnen Jahren verfUgbar sind. Mit steigendem Einkommen kBnnen zum einen mehr Giitermengen konsumiert werden. Zum anderen sind in Volkswirtschaften mit Zuwachsen des gesamtwirtschaftlichen Einkommens auch mehr Giiter vorhanden, sei es Uber die grBfiere nationale Produktion oder Uber die sich ausweitenden au­fienwirtschaftlichen Verbindungen. FUr diese im Beobachtungszeitraum selbst wie­derum wachsende Zahl an Giitem kann aufgrund der Daten keine Sattigungsgrenze insgesamt festgestellt werden. Dies ist nur scheinbar ein Widerspruch zum Satti­gungsgesetz, denn die wesentliche Bkonomischen Grunderkenntnis aus dem Ver­halten einzelner Personen besagt, daB die menschlichen Bediirfnisse prinzipiell unbegrenzt sind. Man wird also nicht yom gleichen Gut immer mehr Gutseinhei­ten anstreben. Wenn die Zahl der GUter zunimmt, kBnnen sich die WUnsche auf weitere und neue GUter richten. Die Daten belegen mithin die Grundbeobachtung menschlichen Verhaltens, daB Menschen bestrebt sind, immer mehr GUter zu errei­chen und daB sie die Zuwachse im verfiigbaren Einkommen tatsachlich fUr eine immer grBfiere Zahl von (nach den Regeln der VGR gemessenen) GUtem verwen­den. Sie begniigen sich nicht mit einem einmal erreichten Konsumniveau, sondem greifen mit steigendem Einkommen auch KonsummBglichkeiten auf, die ihnen unter Umstanden bei geringerem Einkommen noch gar nicht bewuBt waren.

Aus der Betrachtung von Abb. 41, in der die zeitliche Abfolge von verfiigba­rem Einkommen der privaten Haushalte und privatem Verbrauch in den Jahren 1960 bis 2000 im fiilheren Bundesgebiet bzw. in Deutschland dargestellt sind, er­gibt sich ein hoher Erkliirungswert des verfiigbaren Einkommens fiir den Konsum der Haushalte. Das bedeutet, daB die einfache Konsumerklarung, die den gesamtwirtschaftlichen Konsum neben der autonomen GrBfie a ausschlieBlich mit dem gesamtwirtschaftlichen Einkommen erklart, fUr beobachtbare Wirtschafts­perioden durchaus sinnvolle und plausible NaherungslBsungen bietet. Der Zusam­menhang zwischen den beiden GrBfien ist mit anderen Worten Uberaus eng und weist keine allzu groBen SWrungen auf. Gleichwohl ist ebenfalls erkennbar, daB Einkommen und Konsum nicht vBllig mechanisch miteinander zusammenhangen. Die Wirkung anderer EinflUsse kann zumindest in der kurzen Frist und im Kon­junkturverlauf nicht vBllig vemachlassigt werden.

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Tabelle 2: Verfugbares Einkommen der privaten Haushalte, Privater Verbrauch und Sparen in der Bundesrepublik Deutschland (1960 - 2000)

Jahr Verfugbares Einkom- Privater Verbrauch, Ersparnis, men Konsumausgaben Sparen

der privaten Haushalte Mrd.DM

1960 210,38 171,84 16,12 1961 224,80 188,33 18,76 1962 243,02 204,79 19,31 1963 254,97 216,79 23,79 1964 280,84 233,50 29,67 1965 310,03 257,62 35,82 1966 327,69 275,06 36,07 1967 335,90 282,63 35,50 1968 362,01 300,74 43,13 1969 391,97 330,90 50,64 1970 446,20 368,85 59,12 1971 486,09 408,98 63,92 1972 530,19 451,96 76,10 1973 574,61 495,59 79,84 1974 613,25 533,64 91,00 1975 667,95 583,45 104,04 1976 716,45 631,87 96,93 1977 760,72 682,13 94,69 1978 816,76 725,94 99,80 1979 881,03 781,31 113,56 1980 921,94 837,02 123,39 1981 961,89 883,52 138,90 1982 995,09 916,10 133,63 1983 1.036,10 959,28 117,39 1984 1.078,16 1.001,20 128,64 1985 1.119,93 1.036,53 133,58 1986 1.199,41 1.066,43 149,27 1987 1.240,56 1.108,02 159,56 1988 1.319,22 1.153,69 169,46 1989 1.384,49 1.220,95 173,32 1990 1.532,19 1.320,71 212,03 1991 1..898,65 1.667,32 250,09 1992 2.031,36 1.787,85 265,40 1993 2.108,37 1.858,84 263,27 1994 2.164,05 1.927,27 253,42 1995 2.234,53 2.003,86 252,12 1996 2.291,72 2.057,46 249,69 1997 2.339,31 2.111,13 244,81 1998 2.403,23 2.172,01 249,90 1999 2.474,43 2.248,12 245,79 2000 2.543,98 2.313,01 250,29

QueUe: Jahresgutachten 1995/96 des Sachverstandigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftli­chen Entwicklung, Tabelle 33*, S. 388/9 fur Werte des friiheren Bundesgebiets bis 1990. Ab 1991 Werte fur Deutschland nach dem Jahresgutachten 2001102 des Sachverstandigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, TabeUe 23*, S. 397.

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Der Konsumverlauf in Abb. 41 macht zwar den engen Zusammenhang zwi­schen Einkommen der Haushalte und deren Konsumausgaben deutlich, kann aber nicht als unmittelbare Ursache-Wirkungs-Beziehung oder wirtschaftstheoretische Erklarung des gesamtwirtschaftlichen Konsumverhaltens gewertet werden. Es ist vielmehr die Aufgabe von Konsumhypothesen, soIche Erklarungen zu liefem. Aus der Hille der in der Literatur entwickelten Hypothesen soIIen nachstehend zwei ausgewahlt und skizziert werden.

2.500

2.250

15 2.000 "ti ~ 1.750

~1.500 u ; 1.250 .c ~ 1.000 > ~ 750

~ 500 i 250 1965

2000

1994

1985

1980

1975

1970

0~1--r-~-+--+-~~--+--+--~~­1 0

I

o 250 500 750 1.000 1.250 1.500 1.750 2.000 2.250 2.500

Verfugbares Einkommen ( Mrd. OM )

Abb. 41: ZeitIiche AbfoIge von verfiigbarem Einkommen der privaten Haushalte und privatem Verbrauch (1960 - 2000)

7.1.3 Absolute Einkommenshypothese

Die vereinfache Konsumfunktion aus Abb. 40 wird in der Literatur aIs Umschrei­bung der absoluten Einkommenshypothese gewertet. Die absolute Einkommens­hypothese geht auf J.M. Keynes zurUck und spiegelt die kurzfristige Betrachtungs­weise seiner "General Theory" wider. Der zeitliche Zusammenhang von Einkom­men und Konsum ist hierbei von Bedeutung, denn beide GraBen beziehen sich auf die gleiche Periode, d.h. das Einkommen einer laufenden Wirtschaftsperiode Yt

bestimmt den Konsum der gIeichen Wirtschaftsperiode Ct.

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Damit sich der Verlauf der Konsumfunktion wie in Abb. 40 ergibt, ist im iibrigen eine Aussage zur Konsumneigung b entscheidend. Hierzu postuliert Key­nes ein fundamentales psychologisches Gesetz, das seiner Auffassung nach aus der Kenntnis der menschlichen Natur und aus konkreten Wirtschaftsdaten resul­tiert, wonach bei einer Einkommenssteigerung der Konsum immer zunimmt, aber urn weniger als den Betrag der Einkommenssteigerung. Die Konsumneigung ist positiv und kleiner als eins.

Keynes unterstellt daruber hinaus einen sich ausweitenden Abstand zwischen Einkommen und Konsum oder einen groBeren Anteil des Einkommens der gespart wird, wenn das Einkommen steigt. Dies Hillt sich mit einem positiven Achsenab­schnitt a der Konsumfunktion erfassen. Die absolute Einkommenshypothese lautet mithin in der Symbolik der Konsumfunktion von oben:

Keynes legt schlieBlich noch Wert auf die Feststellung, daB Konsum und Ein­kommen als reale GroBen zu verstehen sind. Er verweist dariiber hinaus aufweitere Einfliisse auf das Konsumverhalten, wie beispielsweise Vermogenseffekte durch Veranderungen des Werts des Geldvermogens, Veranderungen in den Zeitprafe­renzen zwischen Gegenwartsgiitem und Zukunftsgiitem, Veranderungen in der Steuerpolitik, Veranderungen in den Erwartungen iiber gegenwmige und kiinftige Einkommensniveaus. Das laufende Einkommen bleibt fUr ihn gleichwohl die we­sentlichste BestimmungsgroBe fUr den laufenden Konsum.

Abb. 41 legt jedoch nahe, daB dieser enge Zusammenhang zwischen beiden GroBen in gleichen Zeitperioden nicht durchweg mechanisch von einer Periode zur anderen we iter gilt. Es muG daher neben dem laufenden Einkommen einer Peri­ode andere Einflu8gro8en geben, die sich auf den Konsum einer jeweiligen Peri­ode auswirken. Welche der anderen Einfliisse sich hierbei als besonders bedeutsam erweisen, wird in der Literatur von den dort vorgestellten alternativen Konsum­hypothesen herausgearbeitet.

7.1.4 Permanente Einkommenshypothese

Von den zur absoluten Einkommenshypothese altemativen Konsumhypothesen sei hier lediglich die wichtigste aufgefiihrt. Es ist die permanente Konsumhypo­these, die von M. Friedman entwickelt wurde. Sie geht von einer Zweiteilung des Konsums und des Einkommens in einem jeweiligen Zeitraum aus und unter­scheidet transitorische, d.h. einmalige oder vorubergehende, und permanente oder auf Dauer erwartete Elemente in beiden GroBen. Der Konsum einer Beobach­tungsperiode t, Cb setzt sich damit aus dem transitorischen Konsum Cr und dem permanenten Konsum Cp zusammen:

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Fur das Einkommen einer laufenden Peri ode t, Yb gilt ebenfalIs, daB es aus transitorischen, einmaligen oder vOriibergehenden Bestandteilen Y T und aus dem permanenten Einkommen Y p besteht:

Das permanente Einkommen Y p entspricht dabei dem von den Haushalten auf Dauer erwarteten Einkommen oder dem auf die Gegenwart abdiskontierten Lebenseinkommen. Damit wird auch unterstelIt, daB nicht nur laufende und be­kannte EinkommensgroBen fUr Konsumentscheidungen von Bedeutung sind, Son­dem die nachhaltigen und auf Dauer erwarteten Einkommensmoglichkeiten. Die permanente Einkommenshypothese von M. Friedman charakterisiert diese Uberle­gung dadurch noch naher, daB er annimmt, daB lediglich zwischen dem per­manenten Einkommen Yp und dem permanenten Konsum Cp eine stabile Verhaltensbeziehung besteht, d.h.:

Damit soIl zum Ausdruck gebracht werden, daB das Hingerfristige Konsum­verhalten der Haushalte sich vorrangig am permanenten Einkommen und damit am auf Dauer oder uber den Lebenszyklus erwarteten Einkommen ausrichtet. Diese Uberlegung greift die uberall feststellbare Beobachtung auf, daB Haushalte ihren Konsum nach ihren dauerhaften Einkommensmoglichkeiten planen, ansonsten waren groBere Konsumentscheidungen der Haushalte, die nicht selten das Ein­kommen einer Periode ubersteigen, kaum nachvollziehbar.

Der Konsum einer laufenden Beobachtungsperiode Ct wird in aller Regel aber auch von vOriibergehenden Einflussen und Zufalligkeiten mitgepragt, so daB er transitorische Elemente enthalt. Diese stehen ihrerseits aber nicht notwendiger­weise in einem Zusammenhang mit den vorubergehenden oder zufalligen Veran­derungen beim Einkommen. Zwischen dem transitorischen Einkommen Y T und dem transitorischen Konsum CT gibt es daher keine zwingenden oder uber die Zeit hin konstanten oder fortdauemden Abhangigkeiten.

So plausibel diese Uberlegungen der permanenten Einkommenshypothese erscheinen, so schwierig ist es, sie mit einfachen Methoden empirisch naher zu beJegen, zumal sie mit der Einbeziehung unbekannter Erwartungen bei den permanenten Konsum- und EinkommensgroBen kaum direkt uberpriifbar sind. Es laBt sich jedoch feststellen, daB die Haushalte ihre Erwartungen uber kiinftige Einkommen vorrangig nach den ihnen bekannten derzeitigen, laufenden Einkom­men bilden werden, so daB uber langere Perioden hin das laufende Einkommen ein wesentlicher Baustein fiir die erwarteten kiinftigen Einkommen ist. Insoweit zeigt sich auch der in Abb. 41 recht stabile Zusammenhang zwischen dem laufenden verfiigbaren Einkommen der privaten Haushalte und ihrem Verbrauch. Der vom gedanklichen Ansatz her groBe Unterschied zwischen den beiden Konsumhypothe-

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sen, der absoluten und der pennanenten Einkommenshypothese, muB also im stati­stischen Bild nicht zu entsprechend groBen Divergenzen fiihren.

7.1.5 Sparverhalten der Haushalte

Die in Abb. 40 enthaltene einfache, lineare Konsurnfunktion unterstellt als Haupt­einfluBgroBe fUr die Konsumnachfrage der Haushalte das gesamtwirtschaftliche Einkommen und nimmt zugleich an, daB Einkommenszuwachse gemaB der Kon­sumneigung b zwar weitgehend, nicht aber vollstandig fUr zusatzlichen Konsurn verwendet werden. Es verbleibt mithin mit zunehmendem Einkommen jeweils ein Rest, der nicht in den Konsum flieBt, sondem der gespart wird. Die daraus fol­gende rein definitorische Beziehung lautet somit: Sparen ist die Nichtverwen­dung von Einkommen fiir Konsum oder mit S fUr Sparen:

S=Y-c.

Eine solche Definition fUr Sparen gilt generelI, sie liefert alIerdings keine Be­grUndung fUr die wirtschaftlichen Motive des von den Haushalten betriebenen Sparens. Es ist daher zu fragen, ob das Sparen durch eigenstandige okonomische Verhaltensannahmen als gesamtwirtschaftliche GroBe erkliirt werden kann. FUr viele Haushalte ist die Erspamis pro Monat oder pro Jahr nicht lediglich eine nicht weiter zu erklarende RestgroBe, sondem eine angestrebte, geplante ZielgroBe, mit der ihr wirtschaftliches Verhalten in kiinftigen Perioden nach ihren VorstelIungen beeinfluBt werden soIl. Gerade das Sparen stellt fUr viele Haushalte einen Bezug her zwischen dem Einkommen der laufeDdeD Periode uDd Einkommen oder Konsurn in kiinftigen Period en, womit sich der typisch langfristige Aspekt zeigt, der von der pennanenten Einkommenshypothese hervorgehoben wird.

An dieser Stelle solI nun aber keine eigenstandige Spartheorie vorgestellt werden, die gegebenenfalIs mit Erklarungsansatzen fUr die Verschuldung privater Haushalte zu kombinieren ware, urn auch die Bereitschaft fUr die Aufnahme von Krediten durch private Haushalte in einen geschlossenen Ansatz mit einzubezie­hen. Solche Uberlegungen werden in der Literatur vielfach mit Lebenszyklus­Hypothesen vorgetragen, wonach die Wirtschaftssubjekte tiber ihr Leben hin ein Vennogensziel anstreben. Wir beschranken uns hier auf die einfache definitorische Beziehung fUr das Sparen als Nichtverwendung von Einkommen fUr den Konsurn und werden diese lediglich mit einigen eher indirekten Argurnenten aus dem Kon­sumverhalten erganzen. Benutzt man in diesem Zusammenhang die eingangs entwickelte lineare Konsurnfunktion (C = a + bY), ergibt sich fUr das Sparen der Haushalte folgende Umschreibung:

S = Y - Coder

S = Y - (a + bY) bzw.

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S = Y - a - bY oder

S = - a + (1 - b)Y.

Ersetzt man schlieBlich den Klammerausdruck (1 - b) durch s, wobei s die Sparneigung angibt, folgt:

S = - a + sY .

Der definitorische Zusammenhang zwischen Spar- und Konsumneigung ist danach durch die Bedingung gegeben, daB beide Neigungen sich zu eins erganzen miissen, d.h. ein Einkommenszuwachs wird immer vollstandig entweder fUr zu­slitzlichen Konsurn oder/und flir zuslitzliches Sparen verwendet:

s=l-b oder

s + b = I

Wenn mithin Einkommenszuwlichse vollstandig entweder in zuslitzlichen Konsum oder in zuslitzliches Sparen flieBen, bedeutet dies bei den oben genannten typischen Werten der Konsumneigung in Deutschland von 85 % bis 90 %, daB die RestgroBe von IS % bis 10 % der Spameigung entspricht, bzw. daB von einem Einkommenszuwachs urn eine Einheit rd. 10 bis IS % fUr zuslitzliches Sparen be­nutzt werden.

Die unter Zuhilfenahme der Konsurnfunktion analytisch entwickelte Spar­funktion kann wie in Abb. 42 grafisch abgebildet werden:

S

Is = - a+ sY

o Y

-a

Abb. 42: Sparfunktion

Die Sparfunktion verUiuft flacher als die Konsumfunktion, da die Spar­neigung s erheblich kleiner ist als die Konsumneigung b, die den Anstieg der Kon­sumfunktion bestimmt. Der negative Achsenabschnitt, - a, auf der S-Achse ist vornehmlich rechentechnisch zu erklliren, denn beobachtbare Volkswirtschaften weisen durchweg positive Sparsummen auf. FUr konkrete Volkswirtschaften sind daher nur Bereiche der Sparfunktion weit rechts vom Schnittpunkt der Sparfunk­tion in Abb. 42 mit der Abszisse (der Y-Achse) von Bedeutung.

172

FUr erste Zwecke ist die lineare Sparfunktion eine durchaus sinnvolle Hy­pothese, vorrangig auch deshalb, weil das Sparen entlang einer Funktion wie in Abb. 42 bei Einkommenszuwachsen prinzipiell gleichf6rmig im AusmaB der Spar­neigung weitersteigt. Ein iiberproportionales Ansteigen der gesamtwirtschaftlichen Erspamis bei steigendem gesamtwirtschaftlichem Einkommen ist zumindest aus den Daten rur konkrete Volkswirtschaften nicht beobachtbar. Damit kann aus dem zeitlichen Verlauf der gesamtwirtschaftlichen Erspamis wiederum keine Tendenz zu einer Sattigung mit Konsumgiitem abgeleitet werden. W ohl aber ist zu beo­bachten, daB das Sparverhalten im Zeitablauf relativ deutlichen Schwankungen unterliegt, so daB die einfache, lediglich einkommensabhangige Sparfunktion aus Abb. 42 nur eine grobe Erklarung des Sparverhaltens lief em kann. Dies wird nicht nur von den Daten in der Tabelle 2 belegt, sondem auch von der daraus gewonne­nen zeitliche Abfolge von verrugbarem Einkommen der privaten Haushalte und Erspamis in Abb. 43.

Auf die Ersparnis wirken die bei der Konsumfunktion wegen der dort gerin­geren Bedeutung mit grofierem Recht als konstant unterstellten Einfliisse starker ein, wie z.B. das gegebene und das angestrebte Vermogen, die Zinsen und die Erwartungen iiber die kiinftige Wirtschafts- und Beschaftigungslage. Allerdings wird die insgesamt wichtige Beeinflussung der Erspamis durch das verfiigbare Einkommen dadurch nicht grundsatzlich beeintrachtigt, zumindest wenn man einen langerfiistigen Zusammenhang wie in Abb. 43 betrachtet.

250

:a: 200 0 -0 ... :a: 150 1/1 ·2 ... [ 100 1/1 ... w

50

0 0

-". ........... 2000

1990

19 1985

1983 197

970

1967

1960

~ ~ ~ 1.~1.~1.~1.~2.~2.~2.~

Verfiigbares Einkommen ( Mrd. OM )

Abb. 43: Zeitliche Abfolge von verrugbarem Einkommen der privaten Haushalte und Erspamis (1960 - 2000)

173

7.2 Investitionsnachfrage der Unternehmen

7.2.1 Bedeutung der Investitionen in Unternehmen

Die Investitionsnachfrage der Untemehmen richtet sich auf Investitionsgiiter, die im kiinftigen ProduktionsprozeB eingesetzt werden soHen. Investitionen fiihren bei den Untemehmen zunachst zu Ausgaben fUr den Erwerb der Giiter vor aHem des Anlagevermogens. Dieses Anlagevermogen wird auch als Kapitalstock einer Volkswirtschaft bezeichnet, so daB mit den Investitionen der Kapitalstock einer Volkswirtschaft zunimmt.

Zu den Investitionen zahlen im einzelnen Ausriistungen (von der Einrich­tung eines Geschafts- oder Verkaufsbiiros iiber den Kauf von Maschinen bis zur Beschaffimg von Lastkraftwagen), Bauten (vom Biirogebaude bis zur Fabrikati­ons- und Lagerhalle sowie der erganzenden AuBenanlagen) und Vorratsinvesti­tionen (Veranderungen der Bestande an Warenvorraten). Nicht zu den Investitio­nen hinzugerechnet werden hier die sogenannten Finanzinvestitionen, d.h. der Er­werb von Wertpapieren oder Beteiligungen.

Investitionen lassen sich danach unterscheiden, ob sie Ersatzinvestitionen darstellen, d.h. dazu dienen, den Sachanlagebestand oder Kapitalstock lediglich aufrecht zu erhalten. Ersatzinvestitionen werden dazu vorgenommen, urn die we­gen Veraltens oder technischer Mangel ausscheidenden Kapitalbestandteile durch neue zu ersetzen, ohne dadurch den Kapitalstock insgesamt zu verandem. 1m be­trieblichen ProzeB sollen die Abschreibungen D fUr die Finanzierung der Ersatzin­vestitionen verwendet werden, so daB der Kapitalstock oder das Produktionspo­tential durch Einsatz der Abschreibungsbetrage fUr Ersatzinvestitionen aufrecht erhalten bleibt.

Werden von den Untemehmen iiber die Ersatzinvestitionen hinaus noch Inve­stitionsgiiter nachgefragt und im ProduktionsprozeB eingesetzt, so vergroBert sich der Kapitalstock oder das Produktionspotential. Man spricht dann von Erweite­rungsinvestitionen oder Nettoinvestitionen. Diese gedankliche Trennung laBt sich allerdings bei konkreten Investitionsvorhaben nicht immer nachvollziehen, insbesondere wenn eine Ersatzinvestition auch zu einer Produktionssteigerung gegeniiber bisher fiihren kann.

Die Gesamtinvestitionen in einer Periode werden als Bruttoinvestitionen Ibr

bezeichnet. Die Bruttoinvestitionen Ibr bestehen mithin aus der Summe von Er­satzinvestitionen und den Erweiterungs- oder Nettoinvestitionen In. Die Brut­toinvestitionen setzen sich demnach auch aus der Summe von Abschreibungen D und Nettoinvestitionen In zusammen:

Ibr = D + In oder

174

Die Investitionen, die Uber den Ersatz oder die Abschreibungen hinausgehen, sind danach Nettoinvestitionen In.

Die Nachfrage der Untemehmen nach Investitionsgiitern - gleich ob zu Er­satz- oder zu Erweiterungszwecken - beruht auf einem wirtschaftlichen Entschei­dungs- und Abwagungproze8, der zumindest folgende Aspekte einbeziehen muB: • Investitionen betreffen Giiter, die in der Regel ein gro8eres finanzielles Ge­

wicht haben. Typische InvestitionsgUter fiihren zu erhebliehen und vielfaeh au­Bergewohnliehen Ausgaben, die grundlieh geplant und in ihren wirtsehaftliehen Konsequenzen erwogen sein mUssen.

• Investitionen liegen von der Defmition her nur dann vor, wenn die GUter lang­lebig sind, d.h. mindestens langer als ein Jahr im Produktionsproze8 einge­setzt werden konnen. Nieht nur bei Gebauden kann mit Einsatz- und Planungs­perioden von weit Uber zehn Jahren gereehnet werden. Dies verstarkt die Not­wendigkeit, Naehfrageentscheidungen nach InvestitionsgUtem griindlieh vorzu­bereiten, um die okonomisehen Auswirkungen mogliehst umfassend zu erfassen und beurteilen zu konnen. Zugleieh maeht es die Langlebigkeit von Investiti­onsprojekten notwendig, mit weit in die Zukunft gerichteten Erwartungen zu arbeiten. Diese Erwartungen werden sieh auf im Entseheidungszeitpunkt vorhandene naehprufbare wirtsehaftliehe BestimmungsgroBen stiitzen, sie wer­den aber bei deren Auswahl und Gewiehtung immer subjektive Einschiitzun­gen und individuelle Bewertungen einflieBen lassen. Es kommen untemeh­mensspezifische Saehverhalte hinzu, die wiederum in besonderem MaBe von subjektiven und erwartungsabhangigen Uberlegungen gepragt sind und sieh nieht in jedem Fall von AuBenstehenden in gleicher Weise naehvollziehen las­sen.

• Investitionen - gleieh ob Ersatz- oder Erweiterungsinvestitionen - erhalten oder vergro8ern das Produktionspotential. Es ist dabei aus Sieht des Ent­seheidungstragers unabdingbar, daB die mit dem erhaltenen oder vergroBerten Produktionspotential mogliche Giiterproduktion nieht nur einen Absatz­markt findet, sondem dabei aueh mindestens kostendeckend abgesetzt werden kann. Investitionen dienen der kiinftigen GUterproduktion. Sie werden nur dann getatigt, wenn die Investoren von hinreiehenden Absatzerwartungen ausgehen konnen und wenn zugleich dam it Ertragserwartungen aus dem Verkauf der kiinftig zu produzierenden Giiter bestehen, die das Investitionsvorhaben wirt­sehaftlieh vorteilhaft erseheinen lassen.

• Investitionen erfordem in der Regel einen hohen Kapitaleinsatz. Es ist dabei jeweils notwendig zu priifen, ob dieser Einsatz im Rahmen der beabsiehtigten Investition zumindest so rentabel ist, bzw. sieh dabei zumindest so verzinst wie bei einer entspreehenden Anlage mit geringerem Risiko beispielsweise in fest­verzinsliehen Wertpapieren. Die Investitionen fiihren demnaeh entweder zu di­rekten Kosten, weil der Investor die Mittel fUr die Investitionsausgaben nieht selbst zur VerfUgung hat, sondem als Kredit bei einer Bank aufuehmen muB. Die Zinsen fUr den Investitionskredit mUssen dann geringer sein als die Rentabilitat, die die Investition versprieht. Die Investitionen konnen daneben

175

zu indirekten Kosten oder Alternativkosten fiihren, die darin bestehen, daB der Investor mogliche vorhandene eigene Mittel statt in das Investitionsvorha­ben auch in eine risikolosere Anlage flieBen lassen konnte. Auch dieser Ver­gleich muB angestellt und zugunsten des Investitionsvorhabens entschieden worden sein. Nur dann kann die Investition von der Kostenseite her als wirt­schaftlich begriindet gelten. Selbstverstandlich spielen gerade bei der Abschat­zung der Alternativkosten wiederum subjektive Einschatzungen eine nicht un­wesentliche Rolle.

Diese fUr eine Entscheidung tiber die Nachfrage nach Investitionsgiitern zu pru­fenden Aspekte werden im Einzelfall durch weitere okonomische sowie strategi­sche Uberlegungen zu erganzen sein. Hierzu zahlen steuerrechtliche Gegeben­heiten, Finanzierungskonsequenzen bei weiteren MaBnahmen, Konkurrenzbedin­gungen und dergleichen.

7.2.2 Investitionsfunktion

In der hier verfolgten gesamtwirtschaftlichen Betrachtung der Investitionsnach­frage der Unternehmen kann die gesamte Ftille an Einfltissen auf das Investitions­verhalten nicht im einzelnen erfaBt werden. Fur einen vereinfachten gesamtwirt­schaftlichen Ansatz sind vorrangig zwei Wirkungseintlusse fUr Investitionsent­scheidungen von Bedeutung, die auch den wirtschaftlichen Entscheidungsrahmen und den AbwagungsprozeB veranschaulichen. Investitionen werden einerseits ab­hangig sein von den damit verbundenen Ertragserwartungen und andererseits von den Finanzierungskosten oder den alternativ zu erzielenden Ertragen.

Die Investitionsnachfrage der Unternehmen soIl nun anhand dieser vereinfa­chenden Festlegung als Investitionsfunktion dargestellt werden. Dabei ergibt sich die Frage, wie Ertragserwartungen und Finanzierungskosten oder alternative Ertrage analytisch zu erfassen sind. Insbesondere die unternehmensspezifischen subjektiven Ertragserwartungen, die sich auf eine prinzipiell unbekannte Zu­kunft richten, erscheinen nur schwer unter eine beobachtbare und meBbare GroBe subsumierbar zu sein. Da jedoch Ertragserwartungen an Absatzerwartungen ge­koppelt sind und diese in der Regel mit gesamtwirtschaftlichen Einkommensbewe­gungen parallel laufen, betrachtet man die Investitionsnachfrage als einkommens­abbangig. Diese NaherungslOsung bedeutet yom okonomischen EinfluB her, daB Investitionen zum heutigen Zeitpunkt von den Erwartungen tiber kiinftige Ein­kommensveranderungen abhangen. Diese Erwartungen tiber ktinftige Einkom­mensveranderungen sind nun aber nicht nur unbekannt, sondern auch erneut schlecht als beobachtbare und meBbare GroBe faBbar, so daB als eine weitere NaherungslOsung das absolute gegenwartige gesamtwirtschaftliche Einkom­men Yoder die Giiterproduktion, bzw. deren Veranderungen gegeniiber einer oder mehreren Vorperioden verbleiben.

Finanzierungskosten von Investitionen oder alternative Ertrage bestehen in Zinsen fUr einen Kredit oder eine langerfi"istige Anlage. Dieser EinfluB kann durch die Berucksichtigung eines relevanten Zinssatzes i eingefangen werden.

176

Die Investitionsfunktion, mit der die Investitionsnachfrage der Untemehmen I dargestellt werden solI, ergibt sich damit vereinfachend wie folgt:

I = f(Y, i).

Nach dieser Investitionsfunktion ist die Investitionsnachfrage I abhangig yom Einkommen Y und yom Zins i. Der Zusammenhang zwischen der nachgefragten Menge nach Investitionsgiitem I und dem Einkommen Y wird dabei positiv sein. Das heiBt, mit steigendem Einkommen nehmen die Absatz- und Ertragserwartun­gen zu, so daB die nachgefragte Menge nach Investitionsgiitem ebenfalls steigt. Der Zusammenhang zwischen lund dem Zins i wird dagegen negativ sein, was bedeutet, daB mit steigendem Zins und daher steigenden Finanzierungskosten fUr Investitionskredite oder mit steigenden altemativen Ertragen die nachgefragte Menge nach Investitionsgiitem sinken wird. Diese Abhangigkeiten lassen sich je separat und bei Konstanz des jeweils anderen Einflusses auf die Investitionsnach­frage grafisch abbilden.

Y

Abb. 44: Einkommensabhangige Investitionsnachfrage

Abb. 44 zeigt die positive Abbangigkeit der Investitionsnachfrage I yom Einkommen Y bei einem als konstant unterstellten, gegebenen Zins io•

In Abb. 45 ist dargestellt, daB bei einem hOheren Zinssatz i und damit hOhe­ren Finanzierungskosten die nachgefragte Menge nach Investitionsgiitem geringer ist und bei einem niedrigeren Zinssatz i grofier sein wird, wobei hierftir ein kon­stantes Einkommensniveau Yo zu unterstellen ist. An dieser Stelle sei zugleich nochmals an Aussagen im Abschnitt 6.3 erinnert, wonach der fUr Investitionsent­scheidungen wesentliche Zins in der Regel nicht der kurzfristige Geldmarkt­zins, sondern der langfristige Zins ist, der vomehmlich auf dem intemationalen Kapitalmarkt bestimmt wird und von den weltweiten Kapitalmarktverhaltnissen abhangt. Da im iibrigen die Inflationsraten zwischen den VoIkswirtschaften diffe­rieren, ergibt sich fUr jede Volkswirtschaft trotz gleicher weltweiter Basis des lang­fristigen Zinses ein inflationsratenabhangiges anderes nominales Zinsniveau flir

177

den nationalen langfristigen Zins. Es kommen darliber hinaus jeweils nationale Risikokomponenten hinzu, so daB gerade beim Investitionsverhalten "der Zins i" nicht einfach festzustellen ist.

I(Yo, i)

Abb. 45: Zinsabhangige Investitionsnachfrage

Die in den beiden Abbildungen 44 und 45 veranschaulichten Wirkungszu­sammenhange erscheinen je flir sich als vereinfachende Erfassung des Investiti­onsverhaltens plausibel. Gleiehwohl muB man sich darliber im klaren sein, daB bei konkreten Beobachtungen der Investitionsnachfrage m6gliche Interpretationspro­bleme auftreten werden, da Anderungen im Einkommensniveau und im Zinsniveau vielfach nieht je separat zu verzeichnen sind, sondem gemeinsam und gleiehzeitig erfolgen und sich hierbei gegebenenfalls kompensieren k6nnen. Dem Beobachter wird es dann schwer fallen, die Einfliisse hinreichend deutlich zu erkennen und zuzuordnen. Es kommt hinzu, daB im Unterschied zur Konsumnachfrage die Inve­stitionsnachfrage wegen ihrer besonderen Erwartungsabhangigkeit gr6Beren Ver­anderungen oder Schwankungen unterliegen wird. Insoweit ist immer wieder mit Verlagerungen der Investitionsfunktion zu rechnen.

7.2.3 Verlagerungen der Investitionsfunktion

Eine Verlagerung der Investitionsfunktion sei in Abb. 46 zunachst am Beispiel der einkommensabhiingigen Investitionsnachfrage dargestellt, wenn sich das zunachst konstant gehaltene Zinsniveau andert. Die in Abb. 46 enthaltene Investitionsfunk­tion Io(Y, io) entspricht der Ausgangsfunktion, wie sie bereits in Abb. 44 abgebildet ist. Sie zeigt die Einkommensabhangigkeit der nachgefragten Menge nach Investitionsgiitem beim gegebenen Zinsniveau io.

Steigt das Zinsniveau auf i2, so wird sich angesichts der hOheren Finanzie­rungskosten oder Altemativertrage die Investitionsfunktion nach Iz(Y, iz) verla­gem. Dies laBt sich ausgehend beispielsweise yom Punkt Go auf der Investitions­funktion Io(Y, io) mit Hilfe des nach links und des nach oben gerichteten Pfeiles

178

erkHiren. Steigende Zinsen werden bei unveranderten Einkommenserwartungen dazu fiihren, daB der Punkt G2a erreicht wird, was einem geringeren Volumen an Investitionsgiitemachfrage entspricht. Es trate ein Bewegung von Go gemaB dem nach links zeigenden Pfeil ein. Sollte das Nachfragevolumen seitens der Investoren trotz der ZinserhOhung im Vergleich zum Ausgangspunkt Go unverandert bleiben, mliBten sich die Einkommenserwartungen so stark erhOhen, daB der Punkt G2b auf der Funktion IzCY, i2) erreicht wird. Dies ist durch den vertikalen Pfeil nach oben angedeutet.

Y

I

Abb. 46: Verlagerungen der einkommensabhiingigen Investitionsnachfrage bei Zinsanderungen

Sinkt der Zins auf il ab, so verschiebt sich die einkommensabhiingige Inve­stitionsnachfrage nach I)(Y, i)). Bei im Verhiiltnis zur Ausgangslage unveranderten Einkommenserwartungen fiihrt die Zinssenkung dazu, daB das Volumen der Inve­stitionsnachfrage in Richtung des horizontalen pfeils nach rechts zunimmt, wo­durch der Punkt G)a auf der verlagerten Investitionsfunktion Il(Y, i)) erreicht wird. Gleichzeitig hat die Zinssenkung zur Folge, daB z.B. trotz sinkender Einkommens­erwartungen weiterhin das gleiche Volumen an Investitionsgiitemachfrage wie in Go realisiert werden kann, was mit dem nach unten gerichteten Pfeil zum Punkt Glb auf der Investitionsfunktion I) (Y, i)) verdeutlicht werden solI.

Flir Beobachter, auch wenn sie mit wirtschaftlichen Sachverhalten vertraut sind, stellt sich damit immer wieder ein Analyse-Problem bei der Erklarung der Veranderung im Volumen der Investitionsnachfrage. Die Veranderung kann so­wohl darauf zuruckzufiihren sein, daB sich die Investoren gemiiB einer gegebenen Investitionsnachfrage beispielsweise an geanderte Einkommenserwartungen an­passen oder daB sich aufgrund von Veranderungen des Zinsniveaus bei gegebenen Einkommenserwartungen Verlagerungen der gesamten Investitionsnachfrage

179

ergeben haben. Eine definitive Entscheidung dariiber ist auch deshalb problema­tisch, weil ein Beobachter die subjektiven Ertragserwartungen und die ebenfalls im Einzelfall nicht zweifelsfrei feststellbaren Zinsgrofien, die individuelle Einschat­zungen reflektieren, selten vollstandig erfassen kann.

Selbstverstandlich laBt sich diese Problematik auch anhand der zinsabhangi­gen Investitionsnachfrage darstellen, wozu Abb. 47 dienen solI. Die zinsabhangige Investitionsnachfrage der Abb. 45 gilt zunachst nur fUr ein gegebenes Einkom­mensniveau oder ein gegebenes Niveau der Einkommenserwartungen, beispiels­weise Yo. Nun andem sich im Zeitablauf die Einkommens- und Ertragserwartungen immer wieder, was zu Verlagerungen der zinsabhangigen Investitionsfunktion fiih­ren wird. Insbesondere konjunkturelle Schwankungen bewirken derartige Ande­rungen der Einkommens-, Absatz- und Ertragserwartungen, die sich dementspre­chend in Verlagerungen der zinsabhangigen Investitionsfunktion niederschlagen.

Die Ausgangssituation sei in Abb. 47 mit der Investitionsfunktion Io(Yo, i) angegeben, die die zinsabhangige Investitionsnachfrage beim Niveau der Ertrags­erwartungen von Yo reprasentiert.

I2(Y 2, i)

Abb. 47: Verlagerungen der zinsabhangigen Investitionsnachfrage bei Anderungen der Einkommenserwartungen

Reduziert sich nun das Niveau der Einkommens- und Ertragserwartun­gen auf einen geringeren Wert YI> weil z.B. die Investoren mit einem konjunktu­rellen Abschwung und mit geringeren Absatzmoglichkeiten und Ertragen rechnen, so fiihrt dies zur verlagerten Investitionsfunktion I1(Yh i). Ausgehend von einem Punkt Go auf der Investitionsfunktion Io(Y 0, i) bewirkt die geringere Einkommens­erwartung einen Riickgang der mengenmafiigen Investitionsnachfrage beim glei­chen Zinsniveau. Dies ist durch den von Go ausgehenden Pfeil nach links ange­deutet, so daB ein Punkt G1a erreicht wiirde. Sollte trotz verringerter Einkommens-

180

erwartungen das Nachfragevolumen nach Investitionsgiitern erhalten bleiben, mOOte das Zinsniveau deutlieh sinken, was mit dem von Go ausgehenden Pfeil nach unten zum Punkt G1b verdeutlicht wird. Eine Zinssenkung kann mithin geringeren Einkommenserwartungen entgegenwirken und gegebenenfalls zur Aufrechterhal­tung eines bisherigen Volumens an Investitionsgiiternachfrage beitragen.

Wenn andererseits die Einkommens- und Ertragserwartungen im kon­junkturellen Aufschwung steigen (von Yo auf Y2), so verlagert sieh die Investiti­onsnachfrage naeh hey 2, i), was niehts anderes bedeutet, als daB beim gleichen Zins wie in Go nunmehr das Volumen der Investitionsgiiternaehfrage steigt; dies ist durch den von Go nach reehts geriehteten Pfeil zum Punkt G2a verdeutlieht. Bei hOheren Einkommens- und Ertragserwartungen kann zum anderen das Volumen der Investitionsnachfrage unverandert bleiben, wenn sieh gleiehzeitig hohere Zin­sen ergeben, d.h. steigende Zinsen miissen dann nieht zur Reduktion des Investiti­onsvolumens fUhren, wenn die Ertragserwartungen sieh verbessern; dies ist dureh den von Go ausgehenden Pfeil naeh oben zum Punkt G2b verdeutlicht, der auf der Investitionsfunktion I2(Y 2, i) liegt.

Die hier verwandten Investitionsfunktionen sind formal als statische Funk­tionen dargestellt und abgebildet worden, obwohl die verbale Interpretation der wirtschaftliehen Zusammenhiinge und Einfliisse eher auf die dynamischen Ab­hangigkeiten abgestellt hat, die sieh beispielsweise von Erwartungen ergeben, welche die Investoren unter UmsUinden fUr mehrere Perioden in der Zukunft ent­wiekeln. Die Investitionsfunktionen mOOten daher wegen der Erwartungsabhangig­keit der Nachfrager immer eine Zusanunenschau gegenwiirtiger wirtsehaftlieher Bedingungen mit den in der Zukunft liegenden Perioden bringen. Einige der die hier behandelten Verlagerungen der Investitionsfunktionen lieBen sieh dann aueh im Rahmen eines systematischen Modellansatzes ableiten und waren nieht nur ad hoc anzunehmen. Hierrur waren jedoeh entspreehende mathematisehe Ansatze erforderlieh, die zu Differenzen- oder Differentialgleichungssystemen fiihrten. Dies soil in der vorliegenden einfUhrenden Darstellung nieht geleistet werden.

Es sei aber der Hinweis gegeben, daB die Verwendung von dynamischen In­vestitionsfunktionen in makrookonomischen Modellen von Giitermarkten zum Konzept des Akzelerators fUhren. Damit lassen sieh in einem geschlossenen Giitermarktmodell Verlagerungen der Investitionsnaehfrage iiber die Zeit hin ab­leiten, die zu Schwingungen der gesamtwirtsehaftliehen Giiternaehfrage fUhren. In vereinfaehten Interpretationen werden solche Modellbausteine bereits als Erkla­rungsansatz rur Konjunktursehwankungen herangezogen. So bereehtigt die prin­zipielle Vorgehensweise mittels zeitabhangiger, dynamiseher Investitionsfunktio­nen ist, so problematisch und eingeschriinkt bleibt aber der okonomische Aus­sagegehaIt der Akzelerator-Modelle, weil sie in der Regel nieht in einen groBe­ren makrookonomisehen Modellrahmen integriert werden. Damit lassen sie we­sentliehe Wirkungszusanunenhange zwischen dem Giitermarkt und den anderen gesamtwirtsehaftliehen Markten, die sich aus dem volkswirtsehaftliehen Kreislauf ergeben, unbeaehtet.

181

7.3 Staatsnachfrage nach Giitern

7.3.1 Okonomische Einfliisse auf die Staatsnachfrage

Die Staatsnachfrage nach Giitem, St, will die von seiten des Staates ausgehende Nachfrage erfassen, die auf dem Giitermarkt, dem Markt fUr Waren und Dienstleistungen, ausgeiibt wird. Die Staatsnachfrage nach Giitem richtet sich konkret auf Biiromaterial und Biiroeinrichtungen in Amtsstuben, sie umfaBt Kraft­fahrzeuge und Material, schlieBt militiirische Giiter mit ein und erstreckt sich auch auf Beratungsdienstleistungen oder Gutachten, die der Staat in Auftrag gibt. Es ist nun wiederum zu fragen, ob systematische okonomische EinfluBgroBen ausfindig gemacht werden konnen, die das Niveau und die Veranderungen der Staatsnach­frage in ihrem Volumen pragen.

Vielfach erscheint es naheliegend, die Staatsnachfrage, die immer auch mit Ausgaben verbunden ist, in einem Zusammenhang zu sehen mit den fUr die Aus­gaben erforderlichen Finanzierungsmirteln und insoweit eine Verbindung herzu­stellen zwischen dem Volumen der Staatsausgaben und den typischen staatlichen Einnahmen, den Steuern. Die Steuereinnahmen des Staates sind ihrerseits wie­derum von der Wirtschaftstatigkeit abhiingig und stehen in einem direkten Zu­sammenhang mit der Entwicklung des gesamtwirtschaftlichen Einkommens und der gesamtwirtschaftlichen Produktion. In aller Regel nehmen beispielsweise bei steigendem gesamtwirtschaftlichen Einkommen auch die Steuereinnahmen des Staates zu. Die zunehmenden Einnahmen werden von vie len staatlichen Entschei­dungstragem, die wie Private ebenfalls prinzipiell unbeschriinkte Wiinsche haben, ohne weitere Verzogerung fUr zusatzliche Staatsausgaben, d.h. fUr zusatzliche Staatsnachfrage verwendet. Es ergabe sich bei dieser Wirkungskerte eine enge positive Abhiingigkeit der Staatsnachfrage St vom gesamtwirtschaftlichen Einkommen Y:

St = fCY) .

Diese positive Verbindung von Staatsausgaben mit dem gesamtwirtschaftli­chen Einkommen kann bei einer Betrachtung tatsachlicher Daten iiber weite Zeit­raume hin nachvolIzogen werden. Die Staatsnachfrage nach Giitem steigt in aller Regel historisch mit dem gesamtwirtschaftlichen Einkommen, das fUr den Staat seinerseits wiederum die Basis flir die Einnahmeerzielung iiber Steuem ist. Gleichwohl ist der Zusammenhang nicht durchweg zwingend, weil der Staat nicht nur mit fixen Prozentsatzen an den gesamtwirtschaftlichen LeistungsgroBen betei­ligt ist. Er kann diese Anteilswerte beispielsweise mit seiner Hoheitsgewalt veran­demo So ist es ihm bzw. den staatlichen Entscheidungstragem moglich, die einmal iibemommenen Aufgaben auszuweiten oder zu reduzieren und dementsprechend mehr oder weniger Giiter bzw. Einkommen aus der Volkswirtschaft zu verwenden, so daB die enge Beziehung seiner Giitemachfrage zum gesamtwirtschaftlichen Einkommen aufgelOst wird.

182

7.3.2 Politische Einfliisse auf die Staatsnachfrage

Die Staatsnachfrage setzt immer politische Entscheidungen voraus, die sich beobachtbar nicht nur an den von den Einnahmen gegebenen Grenzen bzw. den jeweils bestehenden Anteilswerten der Staatseinnahmen an gesamtwirtschaftlichen LeistungsgroBen orientieren. Sie sind zum Teil sogar vollig unabhangig von sol­chen okonomischen Uberlegungen. So konnten steigende Einnahmen dazu be­nutzt werden, bei unverandertem Ausgabeverhalten Rficklagen zu bilden, was sich somit nicht in unmittelbarer Gfitemachfrage des Staates selbst niederschlagen wird. Steigende Einnahmen dienen zorn Teil auch als Grundlage rur die Forderung nach sinkenden Steuersatzen, so daB die Staatsausgaben wiederum relativ unverandert bleiben konnten. SchlieBlich sind konstante oder steigende Staatsausgaben beob­achtbar, wenn die Einnahmen ihrerseits konstant bleiben oder sinken. Die Forde­rung nach antizyklischem Verhalten des Staates konnte zu derartigen gegenlaufigen Entwicklungen von staatlichen Einnahmen und den Ausgaben aufgrund der staat­lichen Nachfrage ruhren. Es konnte aber auch lediglich der simple Wunsch staatli­cher Entscheidungstrager nach einem groBeren Anteil des Staates an der gesamt­wirtschaftlichen Leistung Grund fUr die Staatsausgabenentwicklung und damit die Staatsnachfrage nach Giltem sein.

Diese wenigen Reaktionsweisen beschreiben immer wieder beobachtbare Moglichkeiten oder Erwagungen, die den Entscheidungstragem des Staates of­fenstehen. Dabei werden sich die Entscheidungstrager nicht selten weniger von okonomischen als vielmehr von allgemeinen politischen Motiven leiten lassen. Der Staat hat als Aufgabenstellung nicht nur die Realisierung wirtschaftlicher oder wirtschaftspolitischer Ziele, sondern er verfolgt bewuBt mit einer Reihe staats­politischer Aufgaben nicht-okonomische oder auBer-okonomische Ziele, und er wird dazu in parlamentarischen Demokratien von seinen Wahlem ermachtigt. Sy­stematische okonomische Argumente oder Abhangigkeiten werden dabei weder auf seiten der Wahler, noch auf seiten der staatlichen Entscheidungstrager durchweg die entscheidende Rolle spielen, zumal sie von beiden nicht immer hinreichend eingeschlitzt werden konnen. Die Staatsnachfrage nach Giitern unterliegt inso­weit grundsatzlich au6er-okonomisch Eintliissen und stellt zorn Teil auch ein bewuBtes Gegengewicht gegen vorrangig okonomische Wirkungszusammenhange oder okonomische Ergebnisse (z.B. im VerteilungsprozeB) dar.

FUr viele Analysezwecke in makrookonomischen Modellen liegt es daher nahe, die Staatsnachfrage nicht mit okonomischen EinfluBgroBen zu erklaren, die sich fiber die Zeit hin gleichf6rmig und stabil auf Volumen und Veranderung der Staatsnachfrage auswirken, sondem sie als autonome, im jeweiligen Zeitpunkt gegebene Nachfragegro6e aufzufassen. Die Staatsnachfrage St wird daher in den hier gewahlten Beobachtungsperioden nicht weiter okonomisch begrundet, sondem als aus dem politischen ProzeB sich ergebende vorgegebene GroBe bewertet, was mit folgender Umschreibung erfaBt werden solI:

St = St.

183

Mit St sei symbolisch die Exogenitat der Staatsnachfrage zwn Ausdruck ge­bracht. Exogenitat bedeutet hierbei, daB aufier-okonomische Erklarungen vorrangig St bestimmen und es keine im Rahmen der okonomischen Analyse zu verwenden­den systematischen oder stabilen wirtschaftlichen EinflufigroBen fUr St geben mufi.

7.4 Exportnachfrage

7.4.1 Einfliisse auf die Exportnachfrage

Auf dem Giitermarkt einer offenen Volkswirtschaft treten nicht nur inlandische Nachfrager auf, sondem auch Wirtschaftssubjekte, die ihre Wohnung oder ihren Sitz im Ausland haben. Die Nachfrage dieser so defmierten Auslander oder Ge­bietsfremden nach inlandischen Giitem, d.h. nach Giitem aus der inlandischen Produktion, wird als Exportnachfrage bezeichnet.

Die Exportnachfrage ergibt sich in aller Regel aus einer Vielzahl von Ein­fliissen, die nicht nur in den enger okonomischen Grunden gesehen werden darf. Es kommt hinzu, daB die Einflu8gro8en aus der Sicht eines einzelnen Landes, das weltweit in Exportbeziehungen mit anderen Volkswirtschaften steht, nicht nur sachlich zahlreich sind, sondem sich auch deshalb als kaum iiberschaubar erwei­sen, weil die Zahl der AuBenhandelspartner allein von den beteiligten Landem her iiberaus groB ist. Typische Einfliisse auf die Exportnachfrage lassen sich gleich­wohl nachfolgenden Argumenten zuordnen. • Ein erstes, traditionelles Argument fUr Aufienhandel und damit fUr die Nach­

frage nach Exportgiitem von Auslandem besteht darin, daB sie im Ausland iiberhaupt nicht verfiigbar sind (z.B. Rohstoffe) oder im Ausland das techni­sche Wissen nicht vorhanden ist, urn entsprechende Guter zu produzieren.

• Exportnachfrage kommt auch dann zustande, wenn die im Inland produzierten Giiter, die im Ausland gleichartig verfUgbar sind, bei entsprechender Qualitat preisgiinstiger sind, bzw. bei vergleichbarem Preis eine bessere Qualitat auf­weisen.

• Auslandische Nachfrager erwarten eventuell auch Vorteile aus ihrer Nachfrage nach inlandischen Giitem, wenn sie hierdurch mit gUnstigeren Zahlungsbedin­gungen rechnen konnen oder ihren Lieferwiinschen eher entsprochen wird. Dies gilt auch fUr Serviceleistungen und fUr erganzende Giiter, die mit einem Exportgut zu einer aus Sicht des Nachfragers erst bedeutsamen GesamtIei­stung verbunden werden.

• Bei Exportgiitem unserer Tage stellt man im iibrigen immer wieder fest, daB sie von jeweiligen Auslandem trotz der auch im betreffenden Ausland vorhande­nen technisch weitgehend gleichartigen Giiter deshalb nachgefragt werden, weil sie dort einen besonderen Geschmack treffen, eine besondere Qualitatsstufe oder ein besonderes Design reprasentieren und damit einen speziellen Wunsch oder eine spezifische Praferenz erfiillen konnen. 1m Rahmen der Europaischen

184

Union waren in diesem Zusammenhang Giiter wie Butter, Kase, Wein oder Be­kleidung zu nennen.

• Wie fUr jede gesamtwirtschaftliche NachfragegroBe spieJt auch bei der Export­nachfrage, die von seiten auslandischer Wirtschaftssubjekte ausgetibt wird und sich auf die inlandische Gtiterproduktion richtet, eine Rolle, daB sie finanziert werden kann. Als gesamtwirtschaftliche NachfragegroBe aus einer jeweiligen auslandischen Volkswirtschaft wird sie daher in Verbindung zu sehen sein, mit den EinkommensgroBen und der Einkommensentwicklung der auslandischen Volkswirtschaften. FUr die Exportnachfrage eines Landes ist dernnach anzu­nehmen, daB sie yom Niveau und der Entwicklung der gesamtwirtschaftli­chen Einkommen aller ausliindischen Volkswirtschaften abhangt. Es zeigt sich in diesem Zusammenhang besonders deutIich, daB eine anschauliche, ein­fache Exportnachfragefunktion von ihrer Konstruktion her auf Schwierigkeiten st6Bt, weil Einkommensniveaus und Einkommenstrends aller an inlandischen Exportgtitem interessierten auslandischen V olkswirtschaften mit ihren keines­wegs tixen Anteilswerten am inlandischen Export insgesamt nur schwer zu ei­ner aussagekraftigen, stabilen EinfluBgroBe zusammengefaBt werden konnen.

• In diesem Zusammenhang ist auch bedeutsam, daB Exportgeschafte in der Regel zwei Wiihrungsriiume betreffen, die durch Wechselkurse untereinander verbunden sind. Wechselkurse sind fUr Einkommensumrechnungen erforder­lich. Wechselkurse stellen daneben generell einen wichtigen Preisbestandteil von Exportgeschaften dar. Die Wechselkurse sind insofem von ihrem Niveau und ihrer Veranderungsrichtung her ein gewichtiger Einflu6faktor fUr die Ex­portnachfrage.

• Staatliche Instanzen greifen damber hinaus seit Urzeiten in den grenziiber­sChreitenden Gtiterverkehr ein. Sie beeinflussen dabei einerseits die Preise der Gtiter direkt (tiber Zolle) oder indirekt (tiber Quoten), sie nehmen daneben vie 1-fach auf AuBenhandelsmengen EinfluB tiber Ein- und Ausfuhrverbote und an­dere Handelshemmnisse wie "freiwillige" Beschrankungen. Aber auch techni­sche Vorschriften wie Normen, zulassige Bestandteile von Waren etc. dienen der Steuerung von AuBenhandelsstromen. Die staatIiche Instanzen verwenden zudem UnterstUtzungen und Subventionen, urn ihre Exportindustrie zu for­demo

• Die angefiihrten EinfluBgroBen fUr die Exportnachfrage lassen sich im Einzel­fall noch erganzen urn eher nicht-okonomische Griinde, wie beispielsweise historische Handelsbeziehungen, Good-Will-Touren von politischen Reprasen­tanten oder Vertrauensverhaltnisse, die sich tiber personliche Bekanntschaften zwischen den Handelspartnem ergeben.

Wollte man aile diese Einfltisse in einer Exportfunktion erfassen, stieBe man auf beachtliche Schwierigkeiten, denn sie waren in der vorliegenden Form und Ftille kaum hinreichend systematisierbar und zu eindeutigen gesamtwirtschaftlichen Wirkungszusammenhangen zu vereinen. Es wird daher erforderlich sein, sich auf wenige und leicht faBbare Argumente zu beschranken, urn eine konkrete Formulie­rung einer Exportnachfrage vorzulegen.

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7.4.2 Eine einfache Exportfunktion

Als Baustein eines gesamtwirtschaftlichen Ansatzes kann mit einer einfachen Exportfunktion gearbeitet werden, die wesentliche wirtschaftliche Bestimmungs­faktoren erfaBt. Aus okonomischer Sicht sind hierbei Preise immer wesentIich. In ihnen schlagen sich zumeist die anderen Einflusse in mehr oder weniger direkter Form nieder. Preiseinflusse wirken zudem in jedem Fall auf wirtschaftliche Nach­frageentscheidungen ein, auch wenn im Einzelfall andere Griinde gleichfalls und mit unter Umstanden noch groBerem Gewicht den Ausschlag geben werden. Preise von Gutem machen immer einen AbwagungsprozeB zwischen wirtschaftlichen Vorteilen einer Handlungsmoglichkeiten und deren Kosten erforderlich. Fur die einfache Exportfunktion heiBt dies nun, daB in ihr drei Preiseinfliisse enthalten sind. Die Exportnachfrage X laBt sich dam it wie folgt fassen:

X = f(P, Po. e), mit

• Pals inHindischem Preisniveau oder dem Preisniveau der Exportguter im In­land,

• P a als ausHindischem Preisniveau und • e als Wechselkurs. Seit Einftihrung des Euro wird im Euro-Raum die Mengen­

notierung fUr den Wechselkurs benutzt. Damit gibt e die Relation von auslandi­schen Wiihrungseinheiten an, die fUr eine inlandische Wahrungseinheit bezahlt werden muB. Der Wechselkurs lautet z.B.: e = 0,90 $11 Euro, d.h. fUr eine Ein­he it der inlandischen Wahrung Euro muB ein Auslander (aus dem Dollar­Raum) 0,90 US-$ zahlen.

Die Abhangigkeit der Exportnachfrage X von den EinfluBgroBen in der Ex­portfunktion laBt sich in den Einzeldiagrammen der Abbildung 48 grafisch ver­anschaulichen. Dabei ist jeweils der EinfluB einer einzelnen GroBe auf die Export­nachfrage dargestellt unter der Annahme der jeweiligen Konstanz der weiteren GroBen.

In der Abbildung 48 a kommt der Zusammenhang zwischen dem Volumen der Exportnachfrage X und dem inHindischen Preisniveau P, das auch das Preisniveau der Exportguter pragt, zum Ausdruck. Dabei zeigt sich der ubliche Verlauf einer Nachfragekurve, die mit steigenden Preisen geringere nachgefragte Mengen impliziert. Je teurer mithin die inlandischen Guter sind, um so geringer fallt danach das V olumen der Exportnachfrage seitens der auslandischen Wirt­schaftssubjekte aus.

Die Abbildung 48 b macht deutlich, daB das Volumen der Exportnachfrage X steigt, wenn das Preisniveau im Ausland Pa steigt (und wie angenommen, gleichzeitig das Inlandspreisniveau und der Wechselkurs konstant bleiben). Je teurer mithin die Guter im Ausland sind, urn so eher werden auslandische Wirt­schaftssubjekte auf inlandische Giiter zuriickgreifen und entsprechend groBere Nachfrage nach Exportgutem entfalten.

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In der rechten Abbildung 48 c ist die Abh3ngigkeit der Exportnachfrage von Anderungen in der Hohe des Wechselkurses e dargestellt, wobei das in­landische und das auslandische Preisniveau als gegeben angenommen sind. Mit steigendem Wechselkurs e (d.h. einer Aufwertung der inlandischen Wahrung oder einer Abwertung der auslandischen Wahrung) nimmt die Nachfragemenge nach Exportgiitem abo Ein steigender Wechselkurs bedeutet aus inlandischer Sicht, einen steigenden Preis flir die inlandische Wahrung (gemessen in Auslandswah­rung) oder ein steigendes e bedeutet aus auslandischer Sicht, daB ein Auslander mehr flir eine Einheit der inlandischen Wahrung bezahlen muB. Damit wird es fUr auslandische Wirtschaftssubjekte mit steigendem e auch teurer, inlandische Giiter zu beziehen, was ihre reduzierte Exportnachfrage begriindet.

P Pa e

x X X ~a ~b ~c

Abb. 48: Abhangigkeiten der Exportnachfrage von ihren wesentlichen EinfluBgro­Ben

Fiir die Interpretation der Abbildungen 48 a bis 48 c ist nochmals auf die An­nahme der jeweiJigen Konstanz der anderen Einflu8gro8en zu verweisen. In konkreten Beobachtungsperioden ist in der Regel nicht damit zu rechnen, daB die Voraussetzungen flir diese Annahme vorliegen. Vielmehr ergeben sich kompensa­torische Einfliisse zwischen den Preisniveaus im Inland oder Ausland und dem Wechselkurs, so daB die Gesamtwirkungen auf die Exportnachfrage immer einer naheren Analyse bediirfen.


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