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Pharma Research - PM- Report · Med) die Erwartung, dass die Nut-zenbewertung in der Medizintechnik...

Date post: 30-May-2020
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Pharma Research Kontakt zum PM-Report: Redaktion: 030/545927-70 • Anzeigen: 030/44279-72 • E-Mail: [email protected] • Internet: www.pm-report.de Klinische Forschung Medical Affairs Market-Access Versorgungsforschung 4. Mai 2/12 Das Special zum PM-Report Die European Medicines Agency (EMA) fordert, dass klinische Studien, die außerhalb der Europäischen Union (EU) durchgeführt werden, dennoch den hier geltenden ethischen Anforde- rungen und Bestimmungen der Good Clinical Practice (GCP) entsprechen müssen. Dazu stellt die EMA fest, dass Pharmaforschung immer globali- sierter werde und klinische Studien an allen Orten der Welt stattfinden. Orte, an denen es ganz andere gesetzliche Bestimmungen und auch kulturelle Unterschiede gebe. Doch auf die Er- gebnisse dieser Studien müssten sich weltweit alle Ärzte und Patienten ver- lassen können. Die EMA will konkre- te Schritte in die Wege leiten, um ei- ne internationale Zusammenarbeit zur Regulierung der klinischen Forschung zu erreichen. Mit folgenden Aktionen will die EMA sicherstellen, dass die in der EU anerkannten ethische Prin- zipien und Standards überall beachtet werden: • Werden die Rechte, die Sicherheit und Unversehrtheit von Personen oder die Qualität und Integrität von Daten beschädigt, dann werden die Ergeb- nisse der Studien verworfen und/oder behördliche Sanktionen eingeleitet • Ergebnisse von klinischen Stu- dien, für die kein Protokoll an eine unabhängige ethische Kommission übermittelt wurde, bleiben bei einer Bewertung unberücksichtigt • Das gilt genauso für Studien, bei denen von den Probanden keine Ein- willigungserklärungen vorliegen • Als Teil des Zulassungsantrags sollen Pharmaunternehmen die EU- Zulassungsbehörden mit Informatio- nen versorgen, die die Durchführung der Studie und die Einhaltung der ethischen Bestimmungen und GCP- Standards zusammenfassen • Der Bericht soll eine Begutach- tung enthalten, wie und in welchem Umfang ethische und GCP-Stan- dards eingehalten wurden Nachrichten ....................Seite 33 Meldung von Nebenwirkungen, Erforschung multimorbider Pa- tienten, klinische Prüfungen von Medizinprodukten, Bayer lagert Forschung aus, deutsche Biotech- Branche, Nutzenbewertung für Medizintechnik, evidenzbasierte Pharmazie, Compound Manage- ment, Nachbesserungen bei der Nutzenbewertung Klinische Prüfung von advanced therapy medicinal products von Dr. Rosmarie Gudenus, Granzer Regulatory Consulting & Service ............................Seite 37 Eine Bilanz des freiwilligen Harmonisierungsverfahrens für klinische Prüfungen Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) hat eine erste Bilanz gezogen. ............ ..........................................Seite 41 Frühe Nutzenbewertung: „Ein lernendes System verlangt Fairness von beiden Seiten!“ Was Dr. Rainer Hess, unpartei- ischer Vorsitzender des G-BA, zur frühen Nutzenbewertung zu sagen hat...........................Seite 43 Stellenwert von Ergebnissen aus indirekten Vergleichen Konsenspapier von drei medizinischen Fachgesellschaften. ..........................................Seite 45 Seltene Erkrankungen: Versorgungsmängel .......Seite 46 Kann Telemedizin die Versorgung verbessern? .......................Seite 46 Fehlversorgung von Patienten mit Demenz .....................Seite 46 Inhalt EMA will weltweite ethische Standards für klinische Studien Spritze mit Blutprobe Foto: Amgen
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Page 1: Pharma Research - PM- Report · Med) die Erwartung, dass die Nut-zenbewertung in der Medizintechnik längst nicht den Stellenwert einneh-men werde. Nach Erwartungen des BVMed wird

Pharma ResearchKontakt zum PM-Report: Redaktion: 030/545927-70 • Anzeigen: 030/44279-72 • E-Mail: [email protected] • Internet: www.pm-report.de

Klinische Forschung • Medical Affairs • Market-Access • Versorgungsforschung 4. Mai 2/12

Das Special zum PM-Report

Die European Medicines Agency (EMA) fordert, dass klinische Studien, die außerhalb der Europäischen Union (EU) durchgeführt werden, dennoch den hier geltenden ethischen Anforde-rungen und Bestimmungen der Good Clinical Practice (GCP) entsprechen müssen. Dazu stellt die EMA fest, dass Pharmaforschung immer globali-sierter werde und klinische Studien an allen Orten der Welt stattfinden. Orte, an denen es ganz andere gesetzliche Bestimmungen und auch kulturelle Unterschiede gebe. Doch auf die Er-gebnisse dieser Studien müssten sich weltweit alle Ärzte und Patienten ver-lassen können. Die EMA will konkre-te Schritte in die Wege leiten, um ei-ne internationale Zusammenarbeit zur Regulierung der klinischen Forschung zu erreichen. Mit folgenden Aktionen will die EMA sicherstellen, dass die in der EU anerkannten ethische Prin-zipien und Standards überall beachtet werden:

•WerdendieRechte,dieSicherheitund Unversehrtheit von Personen oder die Qualität und Integrität von Daten beschädigt, dann werden die Ergeb-nisse der Studien verworfen und/oder behördliche Sanktionen eingeleitet

•Ergebnisse von klinischen Stu-dien, für die kein Protokoll an eine unabhängige ethische Kommission übermittelt wurde, bleiben bei einer Bewertung unberücksichtigt

•DasgiltgenausofürStudien,beidenen von den Probanden keine Ein-willigungserklärungen vorliegen

•Als Teil des Zulassungsantragssollen Pharmaunternehmen die EU-Zulassungsbehörden mit Informatio-nen versorgen, die die Durchführung der Studie und die Einhaltung der ethischen Bestimmungen und GCP-Standards zusammenfassen

•Der Bericht soll eine Begutach-tung enthalten, wie und in welchem Umfang ethische und GCP-Stan-dards eingehalten wurden

Nachrichten ....................Seite 33Meldung von Nebenwirkungen, Erforschung multimorbider Pa-tienten, klinische Prüfungen von Medizinprodukten, Bayer lagert Forschung aus, deutsche Biotech-Branche, Nutzenbewertung für Medizintechnik, evidenzbasierte Pharmazie, Compound Manage-ment, Nachbesserungen bei der Nutzenbewertung

Klinische Prüfung von advanced therapy medicinal productsvon Dr. Rosmarie Gudenus, Granzer Regulatory Consulting & Service ............................Seite 37

Eine Bilanz des freiwilligen Harmonisierungsverfahrens für klinische PrüfungenDas Paul-Ehrlich-Institut (PEI) hat eine erste Bilanz gezogen. ............ ..........................................Seite 41

Frühe Nutzenbewertung: „Ein lernendes System verlangt Fairness von beiden Seiten!“Was Dr. Rainer Hess, unpartei-ischer Vorsitzender des G-BA, zur frühen Nutzenbewertung zu sagen hat...........................Seite 43

Stellenwert von Ergebnissen aus indirekten VergleichenKonsenspapier von drei medizinischen Fachgesellschaften. ..........................................Seite 45

Seltene Erkrankungen: Versorgungsmängel .......Seite 46

Kann Telemedizin die Versorgung verbessern? .......................Seite 46

Fehlversorgung von Patienten mit Demenz .....................Seite 46

Inhalt

EMA will weltweite ethische Standards für klinische Studien

Spritze mit Blutprobe Foto: Amgen

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Die Bundesärztekammer (BÄK) befürwortet, Ärzte und andere Ge-sundheitsberufe in den Fachinfor-mationen eines Arzneimittels dazu zu motivieren, jeden Verdachtsfall einer Nebenwirkung an die zustän-dige Bundesoberbehörde zu mel-den. Dadurch werde der in Deutsch-land vorherrschenden Praxis entge-gengewirkt, Nebenwirkungen vor-rangig an die pharmazeutischen Unternehmen zu melden, begründet die BÄK.

Einen solchen Hinweis sieht der Kabinettsentwurf der 16. Novelle des Arzneimittelgesetzes vor. Aller-dings mahnt die BÄK eine Verschär-fung des Entwurfes an: Bisher sol-len in der Packungsbeilage und in den Fachinformationen nur Neben-wirkungen der Arzneimittel „bei be-stimmungsgemäßem Gebrauch“ auf-geführt werden – also nicht bei Me-dikations- und Anwendungsfehlern. Aber gerade diese Informationen könnten Patienten bei der sicheren Anwendung des Arzneimittels unter-stützen, kritisiert die Kammer. Auch für Ärzte und andere Gesundheits-berufe seien diese Kenntnisse wich-tig und müssten auf jeden Fall in den Fachinformationen enthalten sein.

Der Entwurf sieht unter ande-rem auch Neuregelungen der Vor-aussetzungen für klinische Studien am Menschen vor: Der Prüfer an ei-ner Prüfstelle soll die alleinige Ver-antwortung für die Durchführung der klinischen Prüfung tragen – inklusive der Sicherstellung der Qualifikation, Information, Anleitung und Überwa-chung der weiteren beteiligten Ärz-te. „Die vorgesehene Bewertung der Qualifikation des Prüfers durch die Ethik-Kommission und die aus-drückliche Benennung eines Stell-vertreters des Prüfers mit vergleich-barer Qualifikation sind daher grund-sätzlich angemessen“, befindet die BÄK. Da der Stellvertreter im Ver-tretungsfall die gleiche Verantwor-tung trage wie der Prüfer, sei aber zur Sicherstellung seiner Qualifika-tion auch eine Bewertung der Quali-fikation des Stellvertreters durch die Ethik-Kommission unabdingbar.

Die Erforschung multimorbider Patienten muss verbessert werden, fordert die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM). Mehr als 20% der deutschen Bevölke-rung sind älter als 65 Jahre. Knapp 40% der über 65-Jährigen haben bis zu vier Erkrankungen gleichzeitig, über 16% sogar mehr. Sie sind oft auf eine Vielzahl an Medikamen-ten angewiesen. So hat eine ameri-kanische Studie gezeigt, dass Pati-enten mit fünf Erkrankungen durch-schnittlich zwölf verschiedene Sub-stanzen zu sich nehmen müssen. Das Risiko unüberschaubarer Wech-selwirkungen zwischen den einzel-

nen Präparaten und wei-terer Folgeerkrankungen steige damit erheblich an. Studien, die diese Patien-tengruppe hinreichend un-tersuchen und entscheiden-de Fortschritte in ihrer Be-handlung befördern, seien in der Forschung deutlich unterrepräsentiert, bedauert die DGIM. „Deshalb liegen bislang noch viel zu weni-ge valide Ergebnisse vor, und die Mehrzahl der Er-kenntnisse über die Thera-

pie Multimorbider ist nicht evidenz-basiert“, stellt Prof. Dr. med. Cornel Sieber vom Institut für Biomedizin des Alterns der Friedrich-Alexan-der-Universität Erlangen-Nürnberg, fest. Sie könnten demzufolge auch nicht in Leitlinien überführt werden, an denen sich Ärzte bei der Behand-lung orientieren. Ein Grund hierfür sei u. a., dass es noch keinen wis-senschaftlichen Konsens in grund-legenden methodischen Fragen gibt. Schon bei der Definition von Multi-morbidität und der Anzahl und Art der berücksichtigten Erkrankungen gingen die Meinungen auseinander, bedauert Sieber.

Patienten mit fünf Erkrankungen müssen durch-schnittlich zwölf verschiedene Substanzen einneh-men Foto: ABDA

Eine Zwischenbilanz des Verfahrens zur Genehmigung klinischer Prüfungen von Medizinprodukten hat das Bundesinstitut für Arznei-mittel und Medizinprodukte (BfArM) gezogen. Seit der Einführung des Verfahrens vor zwei Jahren habe sich die Qualität entsprechender Prüfun-gen deutlich gesteigert. Es bestehe bei den Genehmigungsanträgen aber teilweise noch Optimierungsbedarf, unter anderem hinsichtlich der Daten-qualität und der Umsetzung der Grundsätze der „Guten Klinischen Praxis“. So führten unklare Angaben zur Probandensicherheit oft zu Rückfragen an die Antragsteller. Bisher sind rund 500 Genehmigungsanträge gestellt wor-den. Die Genehmigungsquote beträgt ca. 70%. Sie wird vom BfArM als hoch eingestuft und sei auch ein Ergebnis der wissenschaftlichen Beratung („scientific advice“) des Bundesinstitutes. Rund 50% der beantragten klini-schen Prüfungen befassen sich mit Medizinprodukten der höchsten Risiko-klasse, wie z. B. Herzschrittmacher und anderen Implantaten. Innerhalb der EU werden rund 30% der erfassten Prüfungen in Deutschland durchgeführt. Klinische Prüfungen müssen nicht zwingend durchgeführt werden, um Me-dizinprodukte in Verkehr bringen zu können. In geeigneten Fällen sieht das europäische Medizinprodukterecht auch klinische Daten von vergleichba-ren Produkten als ausreichend an. Antragstellern empfiehlt das BfArM, die Beratung bereits im Vorfeld zu nutzen und einen gut vorbereiteten Antrag einzureichen, um späteren Nachbesserungsbedarf so gering wie möglich zu halten.

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Bayer will Teile seiner Medika-mentenforschung auslagern. Da-bei geht es um die frühen Arznei-mitteltests (klinische Phase I) am Menschen und die damit betrau-ten Stationen in Berlin und Wup-pertal. Dort werden geplante Neupro-dukte an Gesunden auf Verträglich-keit geprüft. Gesucht wird ein exter-ner Betreiber für die beiden Labors. Laut Financial Times begründeten die Bayer-Manager Damian O‘Connell, Leiter Klinische Pharmakologie, und Andreas Busch, Chef der Medizinfor-schung, den Schritt mit der schwan-kenden Auslastung der Probandensta-tionen. Ein externer Spezialist könne die Tests effizienter betreiben, vier bis fünf Kandidaten für eine Übernahme seien bereits angesprochen worden. Mit dieser Maßnahme bestärke sich ein weltweiter Trend, stellt das Blatt fest, dass sich Pharmakonzerne auf die Vermarktung ihrer Produkte kon-zentrieren und Teile der Forschung und Entwicklung auslagern. Neben Bayer gehen so beispielsweise Astra- Zeneca, Merck und Sanofi-Aven-tis vor. Unumstritten ist die Strategie nicht. Als Gefahr beschreiben Kriti-

ker, dass bei einer FuE-Auslagerung die Kontrolle über Kernaufgaben ver-loren gehe. Und durch Reibungsver-luste würden finanzielle Einsparun-gen und angestrebte Zeitgewinne wie-der aufgebraucht. Risiken bestünden zudem in der Geheimhaltung von In-formationen, weil externe Dienstleis-ter meist mehrere Pharmakonzerne betreuten.

Die Nutzenbewertung trifft nicht nur die Arzneimittel, auch Pro-dukte der Medizintechnik sollen ihr unterzogen werden. Nach Para-graf 137 e Sozialgesetzbuch V kann der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) eine Erprobung einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungs-methode beschließen, die „das Po-tential einer erforderlichen Behand-lungsalternative“ aufweist, ohne dass der Nutzen bereits belegt ist. Kann – nicht muss. Auch deshalb äußerte Dr. Matthias Perleth, Leiter der Fachbe-ratung Medizin beim G-BA, bei ei-ner Veranstaltung des Bundesver-bandes Medizintechnologie (BV-Med) die Erwartung, dass die Nut-

zenbewertung in der Medizintechnik längst nicht den Stellenwert einneh-men werde. Nach Erwartungen des BVMed wird es Produkte mit der höchsten Risikoklasse treffen, doch das sind nur knapp 10%.

Wie Nutzenbewertung und Er-probung allerdings ablaufen sollen, das bleibt im Unklaren. So beste-hen Unsicherheiten und offene Fra-gen, die auch nach einer Anhörung beim G-BA offensichtlich nicht hin-länglich geklärt werden konnten. Dr. Gabriela Soskuty, Leiterin Gesund-heitspolitik bei der B. Braun Melsun-gen AG, stellt fest, dass es nur Fragen und wenige Antworten gibt. So kon-statiert sie eine allgemeine Ratlosig-keit bei Begriffsdefinitionen, unter-schiedliche Interpretationen des Ge-setzes und Unklarheiten, beispiels-weise: „Welche Daten müssen mit Antrag vorgelegt werden?“, „Wie wird Vertraulichkeit der eingereich-ten Unterlagen gewährleistet?“, „Wie werden verschiedene Nutzenaspekte berücksichtigt?“

Was bei der Verfahrensordnung noch zu klären ist, hat Soskuty eben-falls zusammengestellt:

- Mit welcher bisherigen Methode ist eine Methode mit Potential zu ver-gleichen?

- Wann ist der Nutzen einer Me-thode „hinreichend belegt“? Ist Nut-zen immer Patientennutzen oder wird auch ökonomischer Nutzen, Anwen-der- oder Systemnutzen berücksich-tigt?

- Wie sind „Potential“, „erforder-liche Behandlungsalternative“ und „maßgeblich“ definiert?

- Erarbeitet der G-BA das Studien-design autonom oder muss er externe Fachkompetenz, wie wissenschaftli-che Institute, Fachgesellschaften und Industrie, einbeziehen?

- Nach welchen Kriterien erfolgt die Auswahl der an der Erprobung teilnehmenden Leistungserbringer, falls sich mehr qualifizierte Leistungs-erbringer um die Teilnahme bewerben, als mit der praktischen Durchführbar-keit der Studie vereinbar ist?

- Unter welchen Bedingungen werden mit dem in der Erprobung

Die deutsche Biotech-Bran-che wächst sowohl an Um-satz wie an Forschungsausga-ben. Die rund 400 Unternehmen konnten ihren Umsatz um 10% auf 1,09 Mrd. Euro und die Zahl der Beschäftigten um 4% auf gut 10.000 steigern. Der Biotechno-logie-Report 2012 der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young sagt, dass im Vergleich zu 2011die Ausgaben für Forschung und Entwicklung (FuE) um 4% auf 783 Mio. Euro erhöht wurden. Die Zahl der Wirkstoffe in der Medikamen-ten-Entwicklung bei den deutschen Biotech-Unternehmen liegt bei 301 (2011: 304, 2010: 344, 2009: 337). In der klinischen Prüfung – also in den Phasen I bis III – befinden sich derzeit 143 (2011: 144, 2010: 151, 2009: 141) Wirkstoffe. Der Report stellt fest, dass der Biotech-Sektor in Deutsch-land im europäischen Vergleich über die am zweitstärksten gefüllte Ent-wicklungspipeline verfügt – hinter der britischen Branche mit 218 Wirk-stoffen. 2011 brachen die Firmen insgesamt 27 Projekte wegen mangelnder Wirkung der Substanzen oder Unternehmensübernahmen ab. Der Bericht enthüllt den Trend, dass sich viele Firmen von der forschungs- und kosten-intensiven Wirkstoffentwicklung abwenden und sich vermehrt auf die Dia-gnostik und Dienstleistungen konzentrieren.

Maßgeschneidert

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MaßgeschneidertVon „one size fits all“ zu passgenauen Modellen

Deutscher Biotechnologie-Report 2012German Biotechnology Report 2012

Assurance | Tax | Transactions | Advisory

Ernst & Young

Die globale Ernst & Young-Organisation im Überblick Die globale Ernst & Young-Organisation ist einer der Marktführer in der Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung und Transaktionsberatung sowie in den Advisory Services. Ihr Ziel ist es, das Potenzial ihrer Mitarbeiter und Mandanten zu erkennen und zu entfalten. Die 152.000 Mitarbeiter sind durch gemeinsame Werte und einen hohen Qualitätsanspruch verbunden.

Die globale Ernst & Young-Organisation besteht aus den Mitgliedsunternehmen von Ernst & Young Global Limited (EYG). Jedes EYG-Mitgliedsunternehmen ist rechtlich selbstständig und unabhängig und haftet nicht für das Handeln und Unterlassen der jeweils anderen Mitgliedsunternehmen. Ernst & Young Global Limited ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach britischem Recht und erbringt keine Leistungen für Mandanten. Weitere Informationen finden Sie unter www.de.ey.com

In Deutschland ist Ernst & Young mit über 7.000 Mitarbeitern an 22 Standorten präsent. „Ernst & Young“ und „wir“ beziehen sich in dieser Publikation auf alle deutschen Mitgliedsunter-nehmen von Ernst & Young Global Limited.

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Ernst & Young ist bestrebt, die Umwelt so wenig wie möglich zu belasten. Diese Publikation wurde daher auf Papier gedruckt, das zu 60% aus Recycling-Fasern besteht.

Diese Publikation ist lediglich als allgemeine, unverbindliche Information gedacht und kann daher nicht als Ersatz für eine detaillierte Recherche oder eine fachkundige Beratung oder Auskunft dienen. Obwohl sie mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, besteht kein Anspruch auf sachliche Richtigkeit, Vollständigkeit und/oder Aktualität; insbesondere kann diese Publikation nicht den besonderen Umständen des Einzelfalls Rechnung tragen. Eine Verwendung liegt damit in der eigenen Verantwortung des Lesers. Jegliche Haftung seitens der Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und/oder anderer Mitgliedsunternehmen der internationalen Ernst & Young-Organisation wird ausgeschlossen. Bei jedem spezifischen Anliegen sollte ein geeigneter Berater zurate gezogen werden.

Bildrechte unbefristet

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befindlichen Medizinprodukt ver-gleichbare Medizinprodukte, die je-doch nicht Gegenstand der Erpro-bung sind, während der Studie er-bracht und erstattet? Was passiert, wenn während der Erprobungspha-se vergleichbare Produkte auf den Markt kommen?

- Wie hoch ist eine „angemessene“ Beteiligung des Herstellers an den Kosten der Erprobung?

- In welcher Form, durch welche G-BA-Instanz und zu welchem Zeit-punkt erfolgt die Beratung des Her-stellers, und welche Rechtssicherheit ergibt sich für den Hersteller aus der Beratung?

Die ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände und die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) wollen die evidenzbasierte Phar-mazie fördern und gründen des-halb den Fachbereich „Evidenz-basierte Pharmazie“ im Deutschen Netzwerk Evidenzbasierte Medizin (DNEbM). Die beiden Gründungs-mitglieder haben eine „Pharmazie-bibliothek“ mit kostenfreiem Zugang zu Datenbanken, Journalen, Tutori-als und anderen Informationsquel-len mit Relevanz für die evidenzba-sierte Pharmazie zusammengestellt. Für die evidenzbasierte Pharmazie stelle diese Bibliothek ein erstes An-gebot für alle praktisch tätigen Apo-thekerinnen und Apotheker sowie für die Studierenden der Pharmazie dar. Der neue Fachbereich soll sich als ei-ne neue Plattform für einen profes-sionellen Austausch etablieren.

Wie gehen Unternehmen mit dem Compound-Management (Verwal-tung von Präparaten) um und wo liegen die größten Herausforderun-gen? In einer Umfrage hat Pharma IQ 4000 Fachleute aus der Präparate-Verwaltung befragt. Nahezu die Hälf-te der Befragten hatte dabei ein Team zur Bibliotheks- oder Probenverwal-tung, das für biologische Stoffe oder Proben zuständig ist. Den Umfrage-

ergebnissen zufolge nannten 66,8% der Fachleute in der Branche drei Be-reiche, denen die Hauptsorge in ihrer derzeitigen Position oder Abteilung gilt: die Qualität der Proben, welche beim Transport beeinträchtigt wer-den kann, die Verwaltung der Proben-Daten sowie der gewaltige Bedarf an der Schaffung neuer Bibliotheken, um

den neuen Forschungen gerecht zu werden. Als die größten Herausfor-derungen beim Umgang mit biologi-schen Proben oder Materialien ergab die Studie, dass der Erhalt und die Si-cherung der Proben-Qualität sowie die Einführung eines effizienten Iden-tifikations- und Trackingsystems für die Befragten oberste Priorität hat.

Die frühe Nutzenbewertung soll ein „lernender Prozess“ sein, d. h. aus Fehlern will man lernen. Die Lernfähigkeit soll jetzt bei der Ver-gleichstherapie und den Orphan Drugs bewiesen werden: Es soll einige Nachbesserungen geben. Zum großen Leidwesen der Pharmaunternehmen kann der G-BA die Vergleichstherapie erst einmal festlegen, was dazu führ-te, dass sie häufig eine völlig andere als in den bereits durchgeführten Zu-lassungsstudien der Hersteller war. Konsequenz: Die Firmen müssen neue Studien anstrengen und zahlen. Doch daran will der Gemeinsame Bundes-ausschuss (G-BA) erst einmal nichts ändern, weil die Pharmaunternehmen einen anderen Blickwinkel bei ihren Studien als die Prüfer hätten.

Immerhin konnten sich Bundesgesundheitsministerium (BMG), Kas-sen, G-BA und die Pharmaverbände darauf einigen, dass der zuständige Ausschuss (Arzneimittel) seine Auswahl der Vergleichstherapie in Zukunft begründen muss. Diese Gründe sollen dann in den Beratungsgesprächen mit den Herstellern dargelegt werden. Den Beratungen sollen in Zukunft auch Vertreter des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) beiwohnen. Damit Hersteller und G-BA sich besser kennenlernen und das Dossier und die Vergleichstherapie vor der Erstellung des Dossiers besprechen können, sollen die bisher freiwilligen Beratungsgespräche „ver-pflichtend“ werden. Außerdem soll der G-BA schon bei der Planung von klinischen Studien mit einbezogen werden, um spätere Auseinandersetzun-gen bereits im Vorfeld zu vermeiden.

Bei den Orphan Drugs – deren Zusatznutzen als erwiesen gilt – kommt das IQWiG nur noch zum Zuge, wenn die Präparate mehr als 50 Mio. Eu-ro Umsatz im Jahr verbuchen. Für alle weiteren Medikamente aus dem Seg-ment ist der G-BA für die Prüfung verantwortlich.

Die größten Probleme bei der Verwaltung von Präparaten

Quelle: Pharma IQ. Grafik: PM

Probenqualität

Neue Automatisationstechnologie

Integration der Automatisationstechnologie

Management von Probendaten

Aufbau einer Bibliothek

Sparzwänge

Stellenstreichungen

66,7

33,3

33,3

66,7

66,7

16,7

16,7

alle Angaben in %

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von Dr. Rosmarie Gudenus, Prin-cipal Consultant, Granzer Regulato-ry Consulting & Services

Seit Anfang 2009 sind in der Eu-ropäischen Union „neuartige The-rapien“ unter einem Sammelbegriff gruppiert und durch die Verordnung Nr. 1394/2007 einem gemeinsamen Regelwerk unterstellt. „Neuartige Therapien“ (advanced therapy medi-cinal products – ATMPs) umfassen so unterschiedliche Arzneimittel wie somatische Zelltherapeutika, Gen-therapeutika und biotechnologisch bearbeitete Gewebezubereitungen. Allen gemeinsam ist der Einsatz modernster naturwissenschaftlicher Methoden, wie der rekombinanten Biotechnologie, Stammzellenfor-schung, Gentransfer, Zell- und Ge-webekultur, Tumorbiologie und der daraus entstandenen „personalisier-ten“ Medizin. All diese neuartigen Therapien verbindet nicht nur der hoch innovative Einsatz modernster Technologien. Sowohl die Heraus-forderungen bei der Herstellung als auch die Erforschung von Wirksam-keit und Sicherheit von ATMPs ist äußerst komplex und erfordert be-sondere Expertise die Wirksamkeit und Sicherheit der Arzneimittel be-treffend.

Es hatte sich gezeigt, dass derartige innovative Therapieansätze überwie-gend von universitären Forschungs-einrichtungen, kleinsten Start-ups und mittelgroßen Unternehmen ent-wickelt werden, deren primärer Fo-kus meist wissenschaftlicher Natur, aber nicht unbedingt auf die spezi-fischen Anforderungen der Medika-mentenentwicklung ausgerichtet ist. Dazu kam, dass die Behörden der einzelnen europäischen Staaten un-terschiedliche Sichtweisen vertraten und die wissenschaftliche Experti-se nicht gleichermaßen gegeben war. Diese Situation hatte in den vergan-genen Jahren trotz vieler guter Ide-en zu einer Stagnation der Entwick-lung neuartiger Therapien in Europa geführt.

Mit der Verordnung Nr. 1394/2007, welche am 30. Dezember 2008 in Kraft trat, hat die Europäische Arz-neimittelagentur (EMA) ein Maß-nahmenpaket zur Förderung inno-vativer Therapieansätze geschaffen. Im Wesentlichen beinhaltet die AT-MP-Verordnung die Definition und Klassifizierung von „neuartigen The-rapien“ und die Notwendigkeit der zentralisierten Zulassung über die EMA. Dazu kommt, dass für das Zu-lassungsverfahren ein eigener Aus-schuss (das „Committee for Ad- vanced Therapies“ – CAT) ins Leben gerufen wurde, welcher Experten aus ganz Europa vereint. Vor allem aber wurden mehrere Bestimmungen ein-geführt, die die Entwicklung von in-novativen Therapien speziell für uni-versitäre Organisationen, Klein- und Mittelbetriebe erleichtern sollen.

Klassifizierung von neuartigen Therapien

Hinter diesem Sammelbegriff ver-bergen sich moderne Therapieansät-ze wie beispielsweise aus humaner Leber gewonnene Progenitorzellen, welche Patienten mit einem ange-borenen Defekt im Lebermetabolis-mus verabreicht werden. Oder Arz-neimittel, welche aus genetisch-ver-änderten, lebenden Bakterien be-stehen, die Stoffe produzieren, die zur Behandlung von Mucositis nach Chemotherapie oder Bestrahlung bei Krebspatienten eingesetzt wer-

den. Humane Fibroblasten, welche auf einer biologisch abbaubaren Ma-trix kultiviert werden und in der Der-matologie eingesetzt werden können, sind ein Beispiel für eine biotechno-logisch bearbeitete Gewebezuberei-tung (auch Tissue-Engineering-Pro-dukte – TEP).

ATMPs enthalten meist lebende Zellen, Bakterien oder Viren, wel-che entweder genetisch verändert und meist durch Zellkultur vermehrt werden. Häufig werden einem Spen-der bestimmte Zellen entnommen und später – nach Bearbeitung im Labor – einem Patienten verabreicht (entweder dem Zellspender selber – autolog – oder einem anderen Patien-ten – allogen).

Die Kriterien, nach denen ein Arzneimittel als ATMP eingestuft wird, sind zwar in der Verordnung beschrieben, erfordert häufig ganz spezielle Fachkenntnisse. Zusätz-lich werden ATMPs auch öfter in Kombination mit Medizinproduk-ten oder Geräten angewandt. Um eine einheitliche Kategorisierung zu ermöglichen, ist vorgesehen, dass im Zweifelsfall diese Einstu-fung durch das CAT vorgenommen werden kann. Das CAT verpflichtet sich, ein Beurteilungsverfahren in-nerhalb von 60 Tagen nach Einrei-chung der entsprechenden Unterla-gen abzuschließen.

Seit 2009 hat das CAT 51 Anträge auf Beurteilungsverfahren erhalten, davon wurden ein Drittel als somati-

Klinische Prüfung von advanced therapy medicinal products

ATMP-Klassifizierung durch CAT

Quelle: EMA. Grafik: PM

Stand Nov. 2011

somatischeZelltherapeutika (SZ = 17)

Gentherapeutika (GT = 11)

biotechnologisch bearbeiteteGewebeprodukte (TEP = 17)

neuartige Therapie, abernicht genauer definiert (? = 1)

keine neuartigeTherapie (KNT = 5)

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Pharma Research

sche Zelltherapeutika eingestuft, ein weiteres Drittel als biotechnologisch bearbeitete Gewebeprodukte und et-wa ein Fünftel als Gentherapeutikum (Abb. 1).

Zulassung nach dem zentralen Verfahren der EMA

Bisher waren einige neuartige Arz-neimittel, zum Beispiel Gewebe-produkte, der nationalen Gesetzge-bung unterworfen und deren Zulas-sung wurde in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten unterschiedlich ge-handhabt: in vielen Fällen galten sol-che Produkte nicht als Arzneimittel, sondern als Medizinprodukte, für die bei der Zulassung keine Daten aus klinischen Studien vorliegen muss-ten.

Für bereits am Markt befindli-che Produkte räumt die Verordnung Übergangsfristen für eine zentrale Neuzulassung ein: Produkte, die in die Kategorie „somatische Zellthe-rapeutika“ oder „Gentherapeutika“ fallen und in einem der Länder be-reits am Markt sind, mussten bis zum 30. Dezember 2011 eine Zulassung durch die EMA erhalten, um weiter vermarktet werden zu können, für biotechnologisch bearbeitete Gewe-bezubereitungen gilt diese Frist bis 30. Dezember 2012 (von der zentra-len Zulassung durch die EMA aus-genommen sind nicht routinemäßig hergestellte ATMPs).

Seit dem Inkrafttreten der ATMP-Verordnung hat ein einziges derarti-ges Arzneimittel eine zentrale Zulas-sung durch die EMA erhalten: Chon-droCelect (von TiGenix N.V.) besteht aus autologen, kultivierten Knorpel-

zellen, die aus dem Knie des Patien-ten entnommen werden und in Zell-kultur vermehrt werden. Chondro-Celect wird zur Behebung einzelner symptomatischer Knorpeldefekte in der Femurkondyle des Knies bei Er-wachsenen angewendet. Bereits im Juni 2009 gab die EMA eine positive Empfehlung für die Marktzulassung des ersten ATMPs.

Seither hat das CAT sieben weite-re Zulassungsanträge erhalten, von denen zwei negativ beurteilt wurden und zwei Anträge vorzeitig zurück-gezogen wurden. Ein weiterer An-trag ist derzeit noch in Evaluierung. Interessanterweise gab das CAT letztes Jahr für ein weiteres ATMP eine positive Beurteilung, welche aber vom CHMP, dem übergeordne-ten Gremium der EMA, abgelehnt wurde. Es handelt sich dabei um Glybera (von Amsterdam Molecular Therapeutics BV), einem Genthe-rapeutikum. Bei diesem Arzneimit-tel wird bei Patienten mit Lipopro-teinlipasedefizienz – einem selte-nen Gendefekt – mit Hilfe eines at-tenuierten Virusvektors das fehlen-de Enzym ersetzt. Das Zulassungs-verfahren wurde nun in eine neuer-liche Prüfung aufgenommen.

Spezielle Anforderungen an kli-nische Prüfungen mit ATMPs

Obwohl die Verordnung Nr. 1394/2007 explizit betont, dass die GCP-Kriterien, die in der Richtli-nie 2005/28/EC niedergelegt sind, für alle Entwicklungsprodukte gleich gelten und auch den international festgelegten Regeln folgen müssen, gelten für Prüfpräparate mit ATMPs

(ATIMP) dennoch ei-nige spezielle zusätz-liche Anforderungen. Deshalb wurden En-de 2009 von der EU-Kommission weitere Richtlinien veröffent-licht, um der speziel-len Situation von AT-MPs gerecht zu wer-den.

Wie für alle anderen Prüfpräparate sind die Voraussetzung für den

Beginn der klinischen Prüfung eines Arzneimittels für ATMPs der Eintrag in die EudraCT-Datenbank, das Vor-liegen ausreichend nichtklinischer Daten und die entsprechende Doku-mentation der chemisch-pharmazeu-tischen und biologischen Charakte-risierung des Prüfpräparates, welche von der zuständigen Ethikkommis-sion und den entsprechenden natio-nalen Gesundheitsbehörden bewer-tet werden. In Deutschland sind das speziell für ATMPs das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), in Österreich das Bun-desamt für Sicherheit im Gesund-heitswesen (BASG) der Österreichi-schen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES). An-träge zu klinischen Studien werden in beiden Ländern innerhalb von 90 Ta-gen nach Einlangen eines ordnungs-gemäßen Antrages entschieden.

Klinische Prüfungen mit ATIMPs, die in mehreren Mitgliedsstaaten durchgeführt werden, können seit Ja-nuar 2009 auch eine Studiengeneh-migung über die von der Organisati-on der Heads of Medicines Agencies (HMA) ins Leben gerufene Volunta-ry Harmonisation Procedure (VHP) für klinische Prüfungen erlangen. In diesem Verfahren wird ein einzelner Antrag auf Genehmigung einer kli-nischen Prüfung durch die Behörden der EU-Mitgliedsstaaten gemein-sam geprüft. Erste Erfahrungen mit diesem Verfahren zeigten, dass die Zeitspanne bis zur Genehmigung ei-ner multinationalen klinischen Prü-fung in allen beteiligten EU-Staaten auf unter drei Monate gesenkt wer-den konnte.

Zentrale Zulassungsanträge von ATMPs bei der EMA

Quelle: EMA. Grafik: PM

2009 2010 2011 2012 Total

beantragt 3 1 2 1 7

positive Stellungnahme 1 0 11 0 2

negative Stellungnahme 12 0 1 0 2

zurückgezogen 1 1 0 0 2

1 Gutachten zur erneuten Überprüfung 2Anmeldung nachträglich zurückgezogenStand Nov. 2011

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Pharma Research

procedures, guidelines and related documents on advanced therapies; March 2012 meeting (http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/docu-ment_library/Committee_meeting_report/2012/03/WC500124395.pdf)

Richtlinie 2005/28/EG der Kom-mission vom 8. April 2005 zur Festle-gung von Grundsätzen und ausführli-chen Leitlinien der Guten Klinischen Praxis für zur Anwendung beim Men-schen bestimmte Prüfpräparate so-wie von Anforderungen für die Er-teilung einer Genehmigung zur Her-stellung oder Einfuhr solcher Pro-dukte. Amtsblatt der Europäischen Union 9.4.2005, L91/13–19

International Conference on Har-monisation (ICH) E8 European Me-dicines Agency (EMEA) (1995) ICH Topic E 8. General Considerations for Clinical Trials CPMP/ICH/291/95 (http://www.emea.europa.eu/pdfs/hu-man/ich/029195en.pdf).

European Commission (2009). De-tailed guidelines on good clinical practice specific to advanced thera-py medicinal products (03/12/2009, ENTR/F/2/SF/dn D(2009) 35810).

Clinical Trials Facilitation Group (2008). Guidance document for a Vo-luntary Harmonisation Procedure (VHP) for the assessment of multi-national Clinical Trial Applications. Pilot Phase proposed by CTFG (ht-tp://www.hma.eu/fileadmin/dateien/Human_Medicines/01-About_HMA/Working_Groups/CTFG/2010_03_VHP_Guidance_v2.pdf)

H. Krafft, C. Bélorgey, G. Szalay (2012): Experience and further de-velopment with the Voluntary Har-monization Procedure for multina-tional clinical trials in the European Union. Nature Rev. Drug Discov. 9, 426 (2010)

Richtlinie 2004/23/EG des Euro-päischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstan-dards für die Spende, Beschaffung, Testung, Verarbeitung, Konservie-rung, Lagerung und Verteilung von menschlichen Geweben und Zellen. Amtsblatt der Europäischen Union, 7.4.2004, L 102/48–58

Zusätzliche behördliche Anfor-derungen bei der Genehmigung klinischer Studien mit ATMPs

Für Arzneimittel, welche Zellen oder Gewebe enthalten, muss be-rücksichtigt werden, dass deren Ent-nahme durch qualifizierte und zer-tifizierte Entnahmeorganisationen oder Gewebeeinrichtungen erfolgen muss. Zertifizierungen müssen von den entsprechenden nationalen Be-hörden beantragt werden.

Für klinische Prüfungen mit Prüf-präparaten, welche genetisch verän-derte Organismen enthalten, müssen zusätzliche Genehmigungen einge-holt werden: In Deutschland ist bei klinischer Prüfung mit Prüfpräpara-ten, die gentechnisch veränderte Or-ganismen (GVOs) enthalten oder aus solchen bestehen, eine Bewertung der Risiken einer eventuellen Freiset-zung des GVO in die Umwelt vorzu-nehmen. Das PEI trifft die Entschei-dung über die Genehmigung im Be-nehmen mit dem Bundesamt für Ver-braucherschutz und Lebensmittelsi-cherheit (BVL).

In Österreich gelten für klinische Prüfungen mit Arzneimitteln der Gentherapie und Arzneimitteln, die GVOs im Sinne des österreichischen Gentechnikgesetzes enthalten, die Bestimmungen dieses Bundesgeset-zes. Als Voraussetzung für klinische Studien ist neben der Genehmigung durch das BASG zusätzlich auch ei-ne Einreichung im Bundesministeri-um für Gesundheit notwendig.

Risikominimierende Maßnah-men in klinischen Studien mit ATMPs

Die Entwicklung neuartiger The-rapien erfordert die Etablierung von Systemen, welche zur Minimierung eventueller Risiken beitragen sol-len. So werden in klinischen Studi-en mit ATMPs höhere Anforderun-gen an zwei Aspekte der Risikomin-derung gelegt:

- Die Rückverfolgbarkeit einge-setzter Zellen oder Gewebe von de-ren Gewinnung, der Herstellung des Prüfpräparates und seiner Ausgangs-materialien bis zur Gabe an den Pati-enten und zu deren Entsorgung

- Die Langzeitnachbeobachtung von Nebenwirkungen ist ein Aspekt von entscheidender Bedeutung für die Regelung der Arzneimittel für neuartige Therapien. Gefordert wer-den auch für klinische Studien eine detaillierte Beschreibung der Nach-beobachtungsmaßnahmen und des Risikomanagementplans.

Die ATMP-Verordnung fordert ei-nen Archivierungszeitraum für die Aufzeichnungen zur Rückverfolg-barkeit von 30 Jahren ab Verfallsda-tum des Prüfpräparates.

Spezielle Anreize für For-schungseinrichtungen, Klein- und Mittelbetriebe

Um die Entwicklung neuartiger Therapien gezielt zu fördern, sind so-wohl bei der wissenschaftlichen Bera-tung durch die EMA als auch bei Zu-lassungsanträgen finanzielle Erleich-terungen vorgesehen: Für wissen-schaftliche Beratungen werden Klein- und mittelgroßen Unternehmen (KMU) eine Ermäßigung von 90% sowie für andere Antragsteller eine Ermäßigung von 65% ermöglicht. Ei-ne Ermäßigung der Zulassungsgebühr um 50% ist vorgesehen, wenn der An-tragsteller ein Krankenhaus oder ein KMU ist und nachweisen kann, dass innerhalb der Gemeinschaft ein spezi-elles Interesse im Sinne der öffentli-chen Gesundheit an dem Arzneimittel für neuartige Therapien besteht.

LiteraturVerordnung (EG) Nr. 1394/2007

des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Arzneimittel für neuartige The-rapien und zur Änderung der Richtli-nie 2001/83/EG und der Verordnung (EG) Nr. 726/2004

M. Schüßler-Lenz, C. K. Schneider :) Klinische Prüfung mit Arzneimit-teln für Neuartige Therapien. Bun-desgesundheitsbl. 53:68–74; 2010;

Summaries of scientific recom-mendations on classification of ad-vanced-therapy medicinal products (http://www.ema.europa.eu/ema/in-dex.jsp?curl=pages/regulation/ge-neral/general_content_000301.jsp&mid=WC0b01ac05800862c0)

CAT monthly report of application

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Pharma Research

Vor drei Jahren ist das freiwilli-ge Harmonisierungsverfahren für klinische Prüfungen (VHP, Volun-tary Harmonisation Procedure) an den Start gegangen. Es ermög-licht Antragstellern, das Verfahren zur Genehmigung klinischer Prü-fungen mit einem Antrag gleichzei-tig in mehreren europäischen Län-dern zu starten. Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) hat nun eine erste Bilanz gezogen. Und die fällt „sehr positiv“ aus: Die Zeitspanne bis zur Genehmigung einer multinationalen klinischen Prüfung in allen beteilig-ten EU-Staaten sei auf unter drei Mo-nate gesenkt worden.

Das PEI betont die Notwendigkeit der Harmonisierung mit dem erhebli-chen Zeitaufwand. In jedem europä-ischen Land, in dem eine solche kli-nische Prüfung durchgeführt werden soll, bedarf es einer nationalen Ge-

nehmigung. Das hieß, dass sie in je-dem Land erneut das gesamte Ver-fahren der Validierung, Bewertung, Mängelbehebung und Genehmi-gung/Ablehnung durchlaufen muss-te. Bei einer großen multinationalen Studie in mehr als zehn Mitgliedstaa-ten konnte – und kann – die Geneh-migung in allen Ländern leicht mehr als ein Jahr dauern.

Die „Clinical Trials Facilitation Group“ (CTFG), eine Arbeitsgrup-pe der HMA („Heads of Medicines Agencies“) hat mit dem VHP nach Ansicht des PEI ein Verfahren ent-wickelt, das sowohl für Antragstel-ler als auch für die Arzneimittelagen-turen in Europa einen großen Fort-schritt darstellt: Mit einem einzigen Antrag wird ein Genehmigungsver-fahren in allen Ländern, in denen die klinische Prüfung stattfinden soll, gestartet. „Die Prüfung und Bewer-

tung klinischer Studien ist von zen-traler Bedeutung für die Entwicklung neuer Arzneimittel. Diese Verfahren in Europa zu harmonisieren und so zu einer Beschleunigung bei gleich-zeitig größter Sorgfalt bei der Be-wertung zu sorgen, ist uns im PEI ein großes Anliegen“, sagt Prof. Klaus Cichutek, Präsident des PEI.

Eine aktuelle Auswertung zeigt, dass das Verfahren die Genehmigung multinationaler klinischer Studien tatsächlich deutlich beschleunigt hat: Im Jahr 2011 betrug die mittlere Zeit-spanne bis zur Genehmigung einer multinationalen klinischen Prüfung nur noch 82 Tage. Vorher konnte dies einige Monate bis hin zu mehr als ei-nem Jahr dauern. Dabei benötigt das eigentliche Harmonisierungsverfah-ren im Mittel nur ca. 50 Tage.

Die Antragsteller sollen nach der positiven Bewertung der Unterlagen

Eine Bilanz des freiwilligen Harmonisierungsverfahrens für klinische Prüfungen

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Pharma Research

innerhalb der folgenden 20 Tage die Genehmigung in den einzelnen Län-dern, in denen die Studie durchge-führt werden soll, beantragen. Die Frist für die Genehmigung liegt dort bei nur noch zehn Tagen – was mög-lich ist, weil alle wissenschaftlichen Fragen bereits im neuen harmoni-sierten Verfahren geklärt wurden.

Dass sich die Zeitspanne bis zur Genehmigung multinationaler klini-scher Prüfungen in den drei Jahren von 124 Tagen im ersten Jahr auf in-zwischen 82 Tage reduziert hat, liegt daran, dass das Harmonisierungsver-fahren bereits mehrfach überarbeitet wurde. Das PEI bewertet das als ei-nen Vorteil dieses freiwilligen Ver-fahrens, das keiner Gesetzesände-rung bedarf und bei dem sinnvolle Änderungen recht kurzfristig umge-setzt werden könnten.

„Das Verfahren ist eine wichti-ge Vereinfachung für Antragsteller und bewertende Arzneimittelagen-turen. Die Verfahren selbst werden beschleunigt, Ressourcen der Be-teiligten werden optimal eingesetzt und nicht durch doppelte Arbeit be-lastet“, erläutert Dr. Hartmut Krafft, Vorsitzender der CTFG. In diesem Zusammenhang weist das PEI stolz darauf hin, dass Experten des Insti-tutes alle Harmonisierungsverfahren unabhängig davon koordinieren, ob die klinischen Prüfungen in Deutsch-land durchgeführt werden oder nicht.

Im Jahr 2009 wurden 26 Anträ-ge gestellt, 2011 waren es bereits 85 Anträge und die Anzahl steigt weiter. Insgesamt sind es bisher 170 Anträge. Während nach VHP-Einführung zu-nächst vor allem universitäre Einrich-tungen und kleine Unternehmen das Verfahren nutzten, wird das Angebot inzwischen auch von großen Phar-maunternehmen geschätzt – und dies über Europa hinaus: Mehr als 40% der Anträge kommen von Antragstel-lern mit Firmensitz in den USA.

Das PEI betont die Einsicht der Europäischen Kommission, die Ver-fahren zu harmonisieren. Für Mit-te 2012 werde ein Entwurf für eine neue Richtlinie zur klinischen Prü-fung erwartet.

Quelle: H. Krafft, C. Bélorgey, G. Szalay: Experience and further deve-lopment with the Voluntary Harmo-nization Procedure for multinational

clinical trials in the European Uni-on. Nature Reviews Drug Discove-ry vom 10. April 2012 (doi:10.1038/nrd3202-c2)

Gemeinsame wissenschaftliche Bewertung – nationale Genehmigung

Seit 2. März 2010 wird ein modifiziertes freiwilliges Harmonisierungs-verfahren (VHP; Voluntary Harmonisation Procedure) für alle klinische Arzneimittel-Prüfungen angeboten. Ein einzelner, bei der Clinical Trials Facilitation Group (CTFG) in Englisch eingereichter Antrag auf Genehmi-gung einer klinischen Prüfung wird gemeinsam geprüft. Wissenschaftliche Fragen zum Prüfplan und zur Prüfsubstanz durch die Behörden der EU-Mitgliedstaaten, in denen die klinische Prüfung stattfinden soll, werden ge-meinsam geklärt. Danach erfolgt die nationale Genehmigung der klinischen Prüfung durch die Behörde jedes einzelnen Mitgliedstaates i. Allg. mit einer kurzen Gesamtfrist von zehn Tagen.

Wichtige Kriterien des neuen Verfahrens sind:•DieklinischePrüfungsollindreiodermehrMitgliedstaatendurchge-

führt werden• Genehmigungspflichtige nachträgliche Änderungen (Substantial

Amendments) werden in diesem Verfahren ebenfalls bearbeitet• DiegemeinsamewissenschaftlicheBewertungbeginntsofortnachEin-

reichung eines einzelnen Antrages in englischer SpracheDie neue Version des „Guidance document for a Voluntary Harmonisa-

tion Procedure (VHP) for the assessment of multinational Clinical Trial Ap-plications“ finden Sie auf der HMA-Homepage (http://www.hma.eu/filead-min/dateien/Human_Medicines/01-About_HMA/Working_Groups/CT-FG/2010_03_VHP_Guidance_v2.pdf).

Zeitspanne bis zur Genehmigung einer multinationalen klinischen Prüfung

Quelle: Paul-Ehrlich-Institut (PEI). Grafik: PM

VHP Richtlinie Erstes Jahr VHP(01.03.2009–28.02.2010)

Zweites Jahr VHP(01.03.2010–28.02.2011)

Erste Hälftedrittes Jahr VHP

(01.03.2011–31.08.2011)

0,0000

14.285,7143

28.571,4286

42.857,1429

57.142,8571

71.428,5714

85.714,2857

100.000,0000

durchschnittliche Zeit der Antragsbewilligung durch VHPdurchschnittliche Zeit des Sponsors zur nationalen Antragseinreichungdurchschnittliche Zeit bis zur nationalen Genehmigung

VHP Richtlinie Erstes Jahr VHP(01.03.2009–28.02.2010)

Zweites Jahr VHP(01.03.2010–28.02.2011)

Erste Hälftedrittes Jahr VHP

(01.03.2011–31.08.2011)

0

20

40

60

80

100

120

140

90

124

8782

Maximalzeit einer VHP

Tag

e

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Pharma Research

So appelliert Dr. Rainer Hess, un-parteiischer Vorsitzender des Ge-meinsamen Bundesausschusses (G-BA), in seinem Kommentar zur frü-hen Nutzenbewertung. Monatlich nimmt er Stellung im G-BA-Newslet-ter zu aktuellen Themen, die natürlich auch „seinen“ Ausschuss betreffen. Die frühe Nutzenbewertung ist da ei-ne Art Dauerbrenner. Beispielsweise schreibt Hess: „Die Auseinanderset-zung um die frühe Nutzenbewertung neuer Arzneimittelwirkstoffe ... hält an.“ Die Rolle der Pharmaunterneh-men findet er dabei nicht besonders erfreulich, denn „jede Veröffentli-chung einer Nutzenbewertung ... wird von Seiten der pharmazeutischen In-dustrie kritisch, zum Teil auch pole-misch kommentiert.“

Hess bezeichnet diese Kritik als un-angebracht, da die Beschwerden sei-tens der Hersteller sich „selten und dann meist einseitig mit der vom IQWiG vorgenommenen Einzelbe-wertung auseinandersetzen“. Und er setzt noch nach, dass die Kritik „aber immer in dem allgemeinen Vorwurf fehlender Transparenz und Innovati-onsfeindlichkeit gipfelt.“ Darin ver-mutet er, dass die Hersteller gegen die Bewertungsmethodik des IQWiG stänkern wollen. So lange, bis es sich auszahle – nämlich „noch in dieser

Legislaturperiode Gesetzesänderun-gen in ihrem Sinne zu erreichen.“ Er schüttelt derweil den Kopf, wenn dann gleichzeitig betont werde, dass die Pharmaunternehmen zwar die Früh-bewertung akzeptieren, aber eben die Verfahrensweise nicht stimmig sei.

Und genau da pocht Hess auf den Ausdruck „lernendes System“. Und dies bräuchte noch mehr Zeit und

Fairness von beiden Seiten, fordert er. Man müsse über den Tellerrand blicken, denn „andere Länder haben Jahre gebraucht, um vergleichbare Bewertungsverfahren zu etablieren, und machen sich die Entscheidungen über die Bewertung eines medizini-schen Nutzens leichter ...“ Als Bei-spiel nennt er die QALYs.

Hess betont, dass „dieses Verfah-ren für pharmazeutische Unterneh-men den Vorteil hat, dass der me-dizinische Nutzen (und bei Orphan Drugs – den Arzneimitteln zur Be-handlung seltener Krankheiten – sogar der medizinische Zusatznut-zen) als gesetzlich mit der Arznei-mittelzulassung gegeben angesehen wird. Ein Verordnungsausschluss in der gesetzlichen Krankenversiche-rung (GKV) ist im Falle der Orphan Drugs nur noch bei einer vom phar-mazeutischen Unternehmen nicht widerlegbaren Unzweckmäßigkeit des Arzneimittels zu befürchten.“ Dafür muss das Pharmaunterneh-men nachweisen, dass ein medizi-nischer Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie besteht – wenn der Hersteller einen höheren Erstattungspreis für sein Produkt erzielen wolle.

Einen möglichen Vorwurf der In-novationsfeindlichkeit kontert er:

Frühe Nutzenbewertung: „Ein lernendes System verlangt Fairness von beiden Seiten!“

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Hess: „Alle Beteiligten wissen und ak-zeptieren inzwischen aber auch, dass sich eine solche Frühbewertung neuer Arzneimittelwirkstoffe in Deutschland nicht von jetzt auf gleich konfliktfrei einführen lässt.”

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Pharma Research

„Internationale Vergleiche, wie sie die Industrie gern anstellt, um die Innovationsfeindlichkeit von Bewer-tungsentscheidungen in Deutsch-land zu belegen, verbieten sich schon aus diesem Grund. Die von der Industrie angestellten statisti-schen Vergleiche stimmen aber auch deswegen nicht, weil sie die auf An-wendungsgebiete und Subgruppen bezogenen Bewertungsempfehlun-gen des IQWiG an den G-BA pro-zentual vergleichen mit auf Arznei-mittel bezogenen Entscheidungen anderer Länder.“

Der G-BA habe schon von sich aus nachgebessert, weil sich Veränderun-gen bereits aufgrund eigener Erfah-rungen mit der frühen Nutzenbewer-tung ergeben hätten:

1. Bei Orphan Drugs erfolgt in Zukunft zunächst keine eigenstän-dige Festlegung einer zweckmäßi-gen Vergleichstherapie mehr durch den G-BA als Grundlage der inso-weit allein rechtlich zulässigen Be-wertung des Ausmaßes eines gesetz-lich zu unterstellenden Zusatznut-

zens. Vielmehr wird ausschließlich auf der Grundlage der Zulassungsstu-dien das Ausmaß des Zusatznutzens durch den G-BA bewertet.

Eine Beauftragung des IQWiG mit der Durchführung einer Nut-zenbewertung bei zuvor festgelegter zweckmäßiger Vergleichstherapie er-folgt erst dann, wenn der Umsatz des betreffenden Arzneimittels die ge-setzliche Grenze von 50 Mio. Euro überschritten hat und damit einer un-eingeschränkten Nutzenbewertung unterliegt.

Bereits vom IQWiG durchgeführ-te Bewertungen von Orphan Drugs werden durch die Beschlussfassung des G-BA entsprechend umgestellt. Das pharmazeutische Unternehmen kann allerdings auch für eine Orphan Drug eine Beratung zur zweckmäßi-gen Vergleichstherapie beantragen, um sich für den Fall einer Umsatz-steigerung rechtzeitig auf die dann durchzuführende Nutzenbewertung vorzubereiten.

Diese Verfahrensumstellung er-folgt, weil das erste Orphan-Drug-

Verfahren zeigte, dass bei einer von den Zulassungsstudien abweichen-den Festlegung einer Vergleichsthe-rapie das pharmazeutische Unterneh-men auch das Ausmaß eines Zusatz-nutzens nur im Verhältnis zu dieser abweichenden Vergleichstherapie be-legen müsste, was einem indirekten Beleg eines Zusatznutzens gleich-kommt, der rechtlich nicht verlangt werden kann.

2. Der G-BA wird die Auswahl der zweckmäßigen Vergleichsthe-rapie nach den dafür maßgeben-den Kriterien der Verfahrensord-nung in dem vom pharmazeuti-schen Unternehmen beantragten Beratungsgespräch wie bisher dar-legen, demnächst aber auch aus-führlich schriftlich begründen.

Diese Umstellung erfolgt, weil hierzu in der Beratung am häufigs-ten Differenzen auftreten, das Bera-tungsergebnis aber rechtlich auch für den G-BA noch nicht bindend ist. Das pharmazeutische Unternehmen muss jedoch, gerade wenn es an sei-ner abweichenden Auffassung bei der Dossiererstellung festhalten will, die fachlichen Gründe für die Auswahl der ihm in Rückkoppelung mit dem G-BA-Unterausschuss Arzneimittel mitgeteilten Vergleichstherapie nach-vollziehen können, um hierauf in sei-nem Dossier Bezug zu nehmen.

Ein erster Erfahrungsaustausch fand am 22. März 2012 statt – gemein-sam mit dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) unter Beteiligung des IQWiG, des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinproduk-te (BfArM), des Paul-Ehrlich-Institu-tes (PEI), der Arzneimittelkommissi-on der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) und der Arbeitsgemeinschaft der Wis-senschaftlichen Medizinischen Fach-gesellschaften (AWMF) und mit Ver-tretern der Industrie.

Das Protokoll dieses Expertenge-spräches wird nach Fertigstellung veröffentlicht unter: http://www.g-ba.de/institution/service/veranstal-tungen/veranstaltungen-amnog/

Der vollständige Kommentar un-ter: http://www.g-ba.de/institution/presse/newsletter/123/?#8

Der G-BA und die frühe NutzenbewertungDer G-BA hat bisher insgesamt 29 Dossiers vorliegen. Davon sind 14 be-

reits abgeschlossen. Spannend bleibt, wie die Preisverhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband ausgehen – und wie oft die Schiedsstelle eingreifen muss. Den ausgehandelten Preis wollen die Hersteller auf jeden Fall geheim halten. Kritiker nennen als Grund, dass die Unternehmen eine Preisspirale nach unten fürchten, wenn sich andere Länder auf Deutschland für ihre Re-ferenzpreise berufen.

Fünf Nutzenbewertungen haben soeben begonnen. Für drei Wirkstoffe können die Hersteller ihre Stellungnahme abgeben, da das Verfahren er-öffnet worden ist. Bei fünf Nutzenbewertungen bereitet der G-BA die Be-schlussfassung vor. Die Nutzenbewertung für Dexmedetomidin wurde frei-gestellt. Begründet der G-BA: „Nach § 35 a Abs. 1 a SGB V können Fertig-arzneimittel, obwohl sie die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Nut-zenbewertung nach § 35 a Abs. 1 SGB V erfüllen, von der Nutzenbewer-tung nach § 35 a Abs. 3 SGB V freigestellt werden. Voraussetzung ist, dass die zu erwartenden Ausgaben des Fertigarzneimittels für die gesetzlichen Krankenkassen geringfügig sind. Ausgehend von den im 5. Kap. § 15 VerfO festgelegten Maßstäben zur Beurteilung der Geringfügigkeit der Ausgaben für das Arzneimittel und unter Berücksichtigung der vom Antragsteller ein-gereichten Unterlagen hat der Gemeinsame Bundesausschuss beschlossen, dem Antrag des pharmazeutischen Unternehmers auf Freistellung seines Fertigarzneimittels Dexdor® von der Nutzenbewertung nach § 35 a Abs. 1 a SGB stattzugeben.“ Das Nutzenbewertungsverfahren zum Wirkstoff Olme-sartanmedoxomil, Amlodipin, Hydrochlorothiazid ist gegenstandslos ge-worden.

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Pharma Research

Die Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Bio-metrie und Epidemiologie e. V. (GMDS), die Deutsche Regi-on der Internationalen Biometri-schen Gesellschaft (IBS-DR) und das Institut für Qualität und Wirt-schaftlichkeit im Gesundheitswe-sen (IQWiG) haben einen Konsens über den Stellenwert von Ergeb-nissen aus indirekten Vergleichen erzielt. Die drei Institutionen haben dazu eine gemeinsame Stellungnah-me veröffentlicht.

Die Autoren betonen, dass die Ver-sion 4.0 der Allgemeinen Metho-den des IQWiG die Verwendung di-rekter Vergleiche aus randomisier-ten kontrollierten Studien als Basis für den Beleg des Nutzens bevor-zugt. So formuliert das im Übrigen auch der Methods Guide des Nati-onal Institute for Health and Clini-

cal Excellence (NICE) aus England. Falls derartige Studien nicht zur Ver-fügung stehen, gibt es die Möglich-keit der indirekten Vergleiche. Als Verfahren kommen ein einfacher in-direkter Vergleich von zwei Interven-tionen in Frage wie auch Vergleiche, in denen direkte und indirekte Evi-denz (z. B. mixed treatment compari-sion – MTC, Meta-Analyse, Multip-le-Treatment-Meta-Analyse – MTM) kombiniert werden. Vom IQWiG wie vom NICE werden nicht adjustierte indirekte Vergleiche als nicht ausrei-chend abgelehnt. Als Verfahren der Wahl werden ausschließlich adjus-tierte indirekte Vergleiche akzeptiert, „in denen die Randomisierung der betrachteten Studien erhalten bleibt“:

Das Konsenspapier sagt, dass die Ergebnisse adjustierter indirek-ter Vergleiche nur dann valide sind, wenn zusätzlich zu den Annahmen

von Meta-Analysen die Ähnlich-keitsannahme sowie die Konsistenz-annahme – das gilt für die Kombina-tion von direkter und indirekter Evi-denz – kommt.

Indirekte Vergleiche bergen aber hohe Risiken für verfälschte Ergeb-nisse und sind mit wichtigen, bis-her ungelösten methodischen Proble-men verbunden. Deshalb lassen sich nach Ansicht der Autoren gegenwär-tig in der Regel aus den Ergebnissen indirekter Vergleiche Aussagen zum Nutzen nur mit einer geringeren Er-gebnissicherheit ableiten. Gemäß der Skala des IQWiG sind demnach in der Regel also nur ein „Hinweis“ oder ein „Anhaltspunkt“ für einen Nutzen möglich, wenn nur indirek-te Vergleiche zur Verfügung stehen. Das gelte auch für die frühe Nutzen-bewertung von Arzneimitteln gemäß AMNOG.

Quelle: Stellenwert von Ergeb-nissen aus indirekten Vergleichen,

Stellenwert von Ergebnissen aus indirekten Vergleichen

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Gemeinsame Stellungnahme von IQWiG, GMDS und IBS-DR, Auto-ren: Ralf Bender, Carsten Schwenke, Claudia Schmoor, Dieter Hauschke

Seltene Erkrankungen: Versorgungsmängel

Um die Versorgung von Patien-ten mit seltenen Erkrankungen ist es nicht zum Besten bestellt. Das Projekt EiVE hat über einen Zeitraum von drei Jahren ver-sucht, Probleme aufzuspüren, die der ganzheitlichen Versorgung die-ser Patienten entgegenstehen. Auf-gedeckt wurden Mängel in den Ver-sorgungsprozessen, die von Quali-täts- und Effizienzproblemen hervor-gerufen werden. Dazu wurden die Koordination und das Innovations-verhalten bei 18 seltenen Erkrankun-gen evaluiert, die sich in Prävalenz, Progredienz- und Versorgungskom-plexität unterscheiden.

Wie schwierig sich die Situati-on gestaltet, zeigen Einzelbeispie-le: So dauert es vom ersten Auftre-ten von Symptomen bis zur gesicher-ten Stellung der Diagnose für die genetisch bedingte Bindegewebser-krankung Marfan-Syndrom 607 Ta-ge. Was überrascht: Die Wahrschein-lichkeit einer frühzeitigen Diagnose nimmt mit zunehmender Arztdichte signifikant ab.

Wo exakt die Schwierigkeiten liegen, beschreibt der Bericht so: „Durch die hohe Anzahl von unter-schiedlichen Erkrankungen und die Diversität unterschiedlicher Krank-heitsbilder bedarf es ausgeprägten Wissenaustausches, in dessen Zen-trum der Betroffene nicht nur als Er-krankter, sondern häufig auch als Träger von Expertenwissen steht. Der Mangel an standardisierten Ab-läufen bei seltenen Erkrankungen und die erschwerte Zugänglichkeit von relevantem Wissen über seltene Erkrankungen erfordert eine erhöh-te Innovationstätigkeit der Akteure.“

In Bezug auf Präparate zur Be-handlung seltener Erkrankungen se-

hen die Autoren für die Patienten die Hürden Verfügbarkeit und Zugang, die durch verzögerte Zulassungen und unzureichende Erstattungsrege-lungen erhöht werden.

Die 16 beobachteten Arzneimit-tel – in der EU sind derzeit 55 Orphan Drugs zugelassen – erhielten fast al-le eine Zulassung. Acht wurden zu-erst in den USA, sieben zuerst in der EU und eines zuerst in der Schweiz zugelassen. Die Verzögerungen wa-ren mit durchschnittlich 362 Tagen in den USA und 394 in der EU am kürzesten. In Ländern, in denen es zu längeren Verzögerungen kam – ins-besondere Kanada und Australien – existierten für derartige Medikamen-te Restriktio-nen und kaum Anreize für Entwicklung und Vermark-tung.

Q u e l l e : Versorgungs-f o r s c h u n g und Betrof-fenenalltag, E rge b n i s s e des Projektes Entwicklung innovati-ver Versorgungskonzepte am Beispiel seltener Erkrankungen (EiVE), Cars-ten Schlutz, Jonas Schreyögg

Kann Telemedizin die Versorgung verbessern?

Die AOK Niedersachsen hat ihr telemedizinisches Gesundheitspro-gramm „Herzinsuffizienz“ bis En-de des Jahres 2014 verlängert. Ob damit allerdings der Beweis für das Funktionieren von Telemedizin er-bracht ist, bleibt dahingestellt. Die Ergebnisse sind nämlich eher beschei-den. Oder, wie es Prof. Volker Ame-lung und Dr. Christian Krauth von der Medizinischen Hochschule Han-nover (MHH), die die Evaluationen durchführten, umschreiben: Es han-dele sich „um eher kleine, aber rele-vante Effekte“. Was das heißt? In der telemedizinischen Betreuung starben

im Laufe eines Jahres 13,2% der Pa-tienten, in der Kontrollgruppe 14,5%. Schlaganfälle oder Herzinfarkte erlit-ten in der Kontrollgruppe 24,6%, in der telemedizinisch betreuten Grup-pe 23,4%. Etwas bedeckt hält sich die AOK, wenn es darum geht, die erziel-ten Einsparungen zu beziffern. Ein Gesamtplus kann man nicht nennen, „aber bei bestimmten Patientengrup-pen haben wir 15% der Gesamtkosten eingespart.“

Fehlversorgung von Patienten mit Demenz

Das Deutsche Zentrum für Neu-rodegenerative Erkrankungen in der Helmholtz-Gemeinschaft (DZ-NE) hat die Über-, Unter- und Fehl-versorgung bei der Pharmakothe-rapie von Patienten mit Demenz kritisiert. Das Arzneimittelmarkt-neuordnungsgesetz mit der frühen Nutzenbewertung führe zwar zu ei-nem erheblichen Anstieg der Arz-neimittelverbrauchsstudien, die aber zum Teil und nicht immer zu Recht als Versorgungsstudien bezeichnet wurden. Ziel dieser Studien sei nicht immer nur die Verbesserung der Ver-sorgung, sondern zum Teil auch die Steigerung des Absatzes bzw. die Entwicklung von Marketingstrategi-en. Dementsprechend seien bei der Durchführung der Studien deutliche Qualitätsschwankungen zu beobach-ten. Die DZNE fordert deshalb ein-heitliche Forschungsstandards und eine klare Ausrichtung dieser For-schung, die zu einer Optimierung des Medikationsmanagements bei-tragen müsse. Es gehe also um die Vermeidung unnötiger Medikamen-te ohne Nutzen oder sogar mit ei-nem Risiko für den Patienten, aber auch um die Beseitigung von Ver-sorgungslücken. Die Versorgungs-forschung müsse die Verbesserung der Lebensqualität, die flächende-ckende Versorgung mit Medikamen-ten, deren Nutzen belegt ist, und die Vernetzung der beteiligten Versorger vor Ort zum Ziele haben.

Versorgungsforschungund Betroffenenalltag

Ergebnisse des Projektes Entwicklung innovativer

Versorgungskonzepte am Beispiel seltener Erkrankungen (EiVE)

Carsten Schultz

Jonas Schreyögg (Hrsg.)

Page 14: Pharma Research - PM- Report · Med) die Erwartung, dass die Nut-zenbewertung in der Medizintechnik längst nicht den Stellenwert einneh-men werde. Nach Erwartungen des BVMed wird

PM-Report 5/12Seite 47

Pharma Research

Diese Ergebnisse stammen aus einer Online-Umfrage, die der Berliner Ärzteverlag auf seiner Plattform Medizin-auskunft.de bei Patienten durchgeführt hat, die bereits gegen Bluthochdruck behandelt werden. Die Fragen zielten beispielsweise auf Erfahrungen mit Medikamenten, Nebenwirkungen, die Behandlung mit nichtmedika-mentösen Therapien und ihren Kenntnisstand über die Erkrankung ab. Außerdem wurden Menschen befragt, die nicht behandelt werden: was sie über Bluthochdruck wissen und wie häufi g sie ihren Blutdruck checken lassen.

Den Fragebogen (28 Fragen) für Bluthochdruckpatienten haben 1.428 Patienten, den für Unbehandelte (11 Fragen) 1.302 Personen beantwortet. Die Ergebnisse können gegen eine Gebühr abgefordert werden.

Weitere Informationen: Berliner Ärzteverlag GmbH, Stichwort Umfrage, Suarezstr. 55, 14057 Berlin. E-Mail: [email protected]

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Bei 22% der Bluthochdruckpatienten wurde die Erkrankung bereits vor über zehn Jahren festgestellt.

Und 46% haben vor ihrer derzeitigen Medikation bereits ein anderes Medikament erhalten.

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Anpassung arzneimittel-rechtlicher Vorschriften an EU-Vorgaben

Die Bundesregierung will das Eindringen von gefälschten Arz-neimitteln in die legale Lieferkette verhindern. Weiteres Ziel des Ent-wurfes eines „Zweiten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrecht-licher und anderer Vorschriften“ ist die Schaffung eines Gemein-schaftskodexes für Humanarznei-mittel hinsichtlich der Pharmako-vigilanz. Sie hat dazu einen Gesetz-entwurf (17/9341) vorgelegt, mit dem eine entsprechende EU-Richt-linie in deutsches Recht umgesetzt werden soll. Damit ist die Überwa-chung von auf dem Markt befindli-chen Arzneimitteln auf Nebenwir-kungen gemeint, die beispielswei-se in den Zulassungsstudien noch nicht entdeckt wurden. Auch hierzu liegen Europäische Richtlinien vor. Ferner sollen im Heilmittelwerbe-

gesetz Änderungen zur Anpassung an die europäische Rechtsprechung vorgenommen werden, die laut Ge-setzentwurf der weiteren Liberali-sierung des Heilmittelrechtes die-nen. Der Gesetzentwurf wurde am Donnerstag, 26. April, in erster Le-sung im Bundestag beraten.

Jeder Herzschlag

Die US-Kardiologin Leslie Saxon will über das Internetportal every-heartbeat (http://everyheartbeat.org, siehe Bild) den Herzschlag je-des Menschen aufzeichnen. Da-von verspricht sie sich wichtige Erkenntnisse über das menschli-che Herz. Außerdem könnte vielen Menschen mit unerkannten Herz-problemen geholfen werden.

Schon 2013 soll mit dem Sammeln der Daten begonnen werden. For-scher und Ärzte sollen Zugriff auf die anonymisierten Daten erhalten.

Später ist geplant, dass auch andere Informationen, wie Fettwerte, Blut-druck oder Grippeerkrankungen, ins

System eingespeist und für Studien-zwecke zur Verfügung gestellt wer-den.

Kritiker sehen Gefahren des Miss-brauches. Im Gesundheitsbereich ge-he es um so enorme Summen, dass die Begehrlichkeiten aller Partei-en, die sich Profit versprechen – wie Pharmaindustrie, Sozial- und Kran-kenversicherungen – sehr groß sind.


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