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23 Heilberufe / Das Pflegemagazin 2014; 66 (2) PflegePraxis Journal Club DOI: 10.1007/s00058-014-0231-8 JOURNAL CLUB FÜR SIE GELESEN VON Monika Thomm Gerhard Schröder Erhöhtes Dekubitusrisiko: Fragen Sie Patienten nach Schmerzen! Patienten mit Dekubitus nennen Schmerz als das Symptom, das sie am stärk- sten belastet. Dennoch existieren kaum Studien zur Prävalenz von dekubitus- bedingtem Schmerz. Autoren aus Großbritannien und Kanada untersuchten jetzt die Häufigkeit von Schmerz im Bereich von druckbelasteter Haut. I n der Studie wurde erstmals bei einer großen, repräsentativen Population von stationären Patienten der sogenannte UPAR-Schmerz (Unattributed Pressure Area Related) ausgewertet, also ein vom Patienten berichteter Schmerz im Bereich der Haut mit erhöhtem Dekubitus-Risiko, ohne dass notwendigerweise ein Dekubi- tus vorliegen musste. Denn in einem früheren systematischen Review zu den Erfahrungen von Patienten mit Schmerz und Druckulzera wurde der Schmerz in Bereichen der Haut mit erhöhtem Druck bereits vor der Entwicklung eines Deku- bitus empfunden, dessen Bedeutung aber vom medizinischen Fachpersonal oft nicht erkannt. Die Auswertung basiert auf den Daten von 2.010 Patienten aus neun Akutkran- kenhäusern in Großbritannien, die im Rahmen von Routine-Dekubitus-Unter- suchungen erhoben wurden. Von der Gesamtgruppe wiesen 327 Patienten (327/2.010: 16,3%) einen UPAR-Schmerz auf. Bei 1.769 Patienten ließ sich kein Druckgeschwür nachweisen, dennoch berichteten 223 von ihnen über UPAR- Schmerz (223/1,769: 12,6%). Von 241 Betroffenen mit Dekubitus gaben 104 an, unter UPAR-Schmerz zu leiden (104/241: 43,2%). Demnach berichtet ein Patient von sechs im Krankenhaus von Schmerz in Hautarealen mit erhöhtem Dekubitus- Risiko. Bei einem von acht Patienten ge- schieht dies ohne Vorliegen eines Deku- bitus, umgekehrt sind mehr als zwei von fünf Patienten mit Dekubitus von Schmerz in diesem Bereich betroffen. Diese Ergeb- nisse sprechen nach Ansicht der Autoren klar dafür, bei stationären Patienten mit erhöhtem Dekubitusrisiko ein Monitoring auf UPAR-Schmerz sowie ein entspre- chendes Schmerzmanagement zu imple- mentieren, unabhängig davon, ob ein Druckgeschwür vorliegt oder nicht. (pe) Briggs M et al. The prevalence of pain at pres- sure areas and pressure ulcers in hospitalised patients. BMC Nursing. 2013;12:19 Kommentar: Allen Praktikern, die Patienten in der postoperativen Phase betreuen, ist bekannt, dass lang einwirkender und vor allem hoher Druck zu Schmerzen im Gewe- be führen kann. Besonders häufig klagen diese Patienten über Schmerzen an den Fersen. Werden die angegebenen Schmer- zen nicht beachtet, können sich Druckge- schwüre entwickeln. Im überarbeiteten Expertenstandard Deku- bitusprophylaxe in der Pflege (2010) ersetzt deshalb die „Hautinspektion“ den vorher bei der Risikoerkennung verwendeten Begriff der „Hautbeobachtung“. Die Inspektion der Haut umfasst nicht nur die Beobachtung – also das Betrachten der druckgefährdeten Hautpartien –, sondern auch das Abtasten der Areale und das Erfragen von Schmerzen an den Druckauflagestellen bei gefährdeten Patienten. Manchmal geben Patienten erst dann Schmerzen an, wenn man die vom Druck belastete Stelle mit dem Finger ein- drückt. Die spannende Frage aus der zitierten Studie lautet: Warum entwickelten viele Patienten Schmerzen, jedoch keine Druckgeschwüre? Die Erklärung lautet: Nicht immer führt der Schmerz als Frühzeichen einer Ischämie zwangsläufig zum Dekubitus. Wird sofort mit einer Druckentlastung der betroffenen Stelle reagiert, kann sich das „Dekubitalge- schwür“ wieder zurückbilden. Deshalb müssen Schmerzen an druckexponierten Stellen als Warnsignal sehr ernst genommen werden und erfordern eine sofortige Reak- tion. Dies kann sich schwierig gestalten bei Patienten mit dementieller Erkrankung oder anderen Einschränkungen der Schmerzmit- teilung. Hier ist es wichtig, die Mimik zu beobachten, da diese am meisten über vorhandene Schmerzen verrät. Gerhard Schröder Akademie für Wundversorgung Dransfelder Str. 22, 37079 Göttingen www.akademie-fuer-wundversorgung.de
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23Heilberufe / Das P�egemagazin 2014; 66 (2)

PflegePraxis Journal Club

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JOURNAL CLUB FÜR SIE GELESEN VON

Monika Thomm

Gerhard Schröder

Erhöhtes Dekubitusrisiko: Fragen Sie Patienten nach Schmerzen!Patienten mit Dekubitus nennen Schmerz als das Symptom, das sie am stärk-sten belastet. Dennoch existieren kaum Studien zur Prävalenz von dekubitus-bedingtem Schmerz. Autoren aus Großbritannien und Kanada untersuchten jetzt die Häufigkeit von Schmerz im Bereich von druckbelasteter Haut.

In der Studie wurde erstmals bei einer großen, repräsentativen Population von

stationären Patienten der sogenannte UPAR-Schmerz (Unattributed Pressure Area Related) ausgewertet, also ein vom Patienten berichteter Schmerz im Bereich der Haut mit erhöhtem Dekubitus-Risiko, ohne dass notwendigerweise ein Dekubi-tus vorliegen musste. Denn in einem früheren systematischen Review zu den Erfahrungen von Patienten mit Schmerz und Druckulzera wurde der Schmerz in Bereichen der Haut mit erhöhtem Druck bereits vor der Entwicklung eines Deku-bitus empfunden, dessen Bedeutung aber vom medizinischen Fachpersonal oft nicht erkannt.

Die Auswertung basiert auf den Daten von 2.010 Patienten aus neun Akutkran-kenhäusern in Großbritannien, die im Rahmen von Routine-Dekubitus-Unter-suchungen erhoben wurden. Von der Gesamtgruppe wiesen 327 Patienten (327/2.010: 16,3%) einen UPAR-Schmerz auf. Bei 1.769 Patienten ließ sich kein Druckgeschwür nachweisen, dennoch berichteten 223 von ihnen über UPAR-Schmerz (223/1,769: 12,6%). Von 241 Betroffenen mit Dekubitus gaben 104 an, unter UPAR-Schmerz zu leiden (104/241: 43,2%).

Demnach berichtet ein Patient von sechs im Krankenhaus von Schmerz in

Hautarealen mit erhöhtem Dekubitus-Risiko. Bei einem von acht Patienten ge-schieht dies ohne Vorliegen eines Deku-bitus, umgekehrt sind mehr als zwei von fünf Patienten mit Dekubitus von Schmerz in diesem Bereich betroffen. Diese Ergeb-nisse sprechen nach Ansicht der Autoren klar dafür, bei stationären Patienten mit erhöhtem Dekubitusrisiko ein Monitoring auf UPAR-Schmerz sowie ein entspre-chendes Schmerzmanagement zu imple-mentieren, unabhängig davon, ob ein Druckgeschwür vorliegt oder nicht.

(pe)

Briggs M et al. The prevalence of pain at pres-sure areas and pressure ulcers in hospitalised patients. BMC Nursing. 2013;12:19

Kommentar: Allen Praktikern, die Patienten in der postoperativen Phase betreuen, ist bekannt, dass lang einwirkender und vor allem hoher Druck zu Schmerzen im Gewe-be führen kann. Besonders häufig klagen diese Patienten über Schmerzen an den Fersen. Werden die angegebenen Schmer-zen nicht beachtet, können sich Druckge-schwüre entwickeln. Im überarbeiteten Expertenstandard Deku-bitusprophylaxe in der Pflege (2010) ersetzt deshalb die „Hautinspektion“ den vorher bei der Risikoerkennung verwendeten Begriff der „Hautbeobachtung“. Die Inspektion der

Haut umfasst nicht nur die Beobachtung – also das Betrachten der druckgefährdeten Hautpartien –, sondern auch das Abtasten der Areale und das Erfragen von Schmerzen an den Druckauflagestellen bei gefährdeten Patienten. Manchmal geben Patienten erst dann Schmerzen an, wenn man die vom Druck belastete Stelle mit dem Finger ein-drückt. Die spannende Frage aus der zitierten Studie lautet: Warum entwickelten viele Patienten Schmerzen, jedoch keine Druckgeschwüre? Die Erklärung lautet: Nicht immer führt der Schmerz als Frühzeichen einer Ischämie zwangsläufig zum Dekubitus. Wird sofort mit einer Druckentlastung der betroffenen Stelle reagiert, kann sich das „Dekubitalge-schwür“ wieder zurückbilden. Deshalb müssen Schmerzen an druckexponierten Stellen als Warnsignal sehr ernst genommen werden und erfordern eine sofortige Reak-tion. Dies kann sich schwierig gestalten bei Patienten mit dementieller Erkrankung oder anderen Einschränkungen der Schmerzmit-teilung. Hier ist es wichtig, die Mimik zu beobachten, da diese am meisten über vorhandene Schmerzen verrät.

Gerhard SchröderAkademie für Wundversorgung Dransfelder Str. 22, 37079 Göttingen www.akademie-fuer-wundversorgung.de

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Bach als Blutdrucksenker

— Einer aktuellen Studie zufolge hat vor allem klassische Musik das Zeug zum Blutdrucksenker. Wie das Team um Prof.Dr. Hans-Joachim Trappe, Herne, herausfand, wirkt sich Musik über das vegetative Nervensystem auch auf den Blutdruck aus. Eine Studie mit 60 Probanden am Marienhospital zeigte, dass Bachs Orchesterstudie Nr. 3 den Blutdruck um durchschnittlich 7,5 zu 4,9 mmHg senkt, also von z.B. 140:90 mmHg auf 132:85 mmHg. Auch die Herzfrequenz sank um etwa sieben Schläge/Minute. Nach der Beschallung stiegen Blutdruck und Herzfre-quenz dagegen wieder. Blutdruck senkende Effekte wurden aber auch bei Heavy Metal Musik festgestellt. Da nicht jede Musikrichtung jedem Menschen gefalle, seien auch immer individuelle Vorlieben zu berücksichtigen. Dennoch hätten sich insbesondere Musikrichtungen aus dem klassischen Bereich bei bestimmten Erkrankungen bewährt, so Trappes Fazit.

www.hochdruckliga

Gesund altern

— Auch wer erst nach der Rente körperlich aktiv wird, verbes-sert noch seine Chancen, gesund zu altern, haben englische Epidemiologen aus Daten der English Longitudinal Study of Ageing (ELSA) herausgelesen. Von den 3.450 Studienteilnehmer (Durchschnittsalter 64 Jahre), die bei Studienbeginn 2002 noch keine chronischen Erkrankungen aufwiesen, hatten acht Jahre später 38% eine chronische Erkrankung, 32% zeigten Behinde-rungen. Von den 273 Teilnehmern, die passiv blieben, schafften es nur 12, gesund zu altern; von den 275 Teilnehmern, die sich zu etwas mehr Bewegung aufraffen konnten, waren es immer-hin 12,4%.

Br J Sports Med 2013, online 25 November

OP – Personalentwicklung lohnt sich

— Der OP gilt als „Motor“ eines Krankenhauses. Doch immer häufiger stoßen Kliniken hier aufgrund von Personalmangel an ihre Grenzen. Systematische Personalentwicklung kann sich für Kliniken daher als Wettbewerbsvorteil erweisen, wie eine Untersuchung aus Ebersberg zeigt. Als in der dort ansässigen Kreisklinik 2010 aufgrund von Personalmangel nur ein redu-ziertes OP-Programm erfolgen konnte, entschloss sich das Management zu Gegenmaßnahmen. Dazu zählten neben der vorübergehenden Schließung eines OP’s, ein Coaching der Führungskräfte, Investitionen in Aus-, Fort- und Weiterbildung, die Schaffung einer Praxisanleiter-Stelle, Veränderungen der Aufbauorganisation, partizipative Qualitätsmanagement-Projekte u.ä. Die Bemühungen waren erfolgreich: Nach 1,5 Jahren stand wieder ausreichend Pflegepersonal zur Verfügung, um regelhaft sechs OP-Säle zu betreiben sowie deren Betriebs-zeiten auszudehnen. Zwei Jahre nach Beginn des Programms konnten alle Überstunden abgebaut werden und inzwischen stehen vier ausgebildete OP-Pflegekräfte auf einer Warteliste.

HeilberufeSCIENCE (2013) 4:22

1-Jahres-Mortalität: Sondener-nährung bei Demenz fragwürdigEine PEG-Sonde hat bei Patienten mit fortgeschrittener Demenz keinen Einfluss auf das Überleben. Das hat eine US-Studie bei Pflegeheimbewohnern ergeben.

Forscher in den USA untersuchten den Zusammenhang zwischen der Anlage von Ernährungssonden und der Über-

lebenszeit bei Pflegeheimbewohnern mit fortgeschrittener Demenz.

Von über 36.000 Bewohnern (Durchschnittsalter 85 Jahre) erhielten knapp 2.000 (5,4%) eine PEG-Sonde innerhalb der ersten zwölf Monate nach dem Auftreten von Ess- und Schluck-störungen. Unterschiede im Überleben zwischen der PEG-Gruppe und der Gruppe ohne künstliche Ernährung fanden sich nicht. Die 1-Jahres-Mortalität lag in beiden Gruppen bei zirka 50 Prozent. Auch der Zeitpunkt der PEG-Anlage hatte keinen Einfluss auf das Überleben.

Die PEG-Anlage bei Patienten mit fortgeschrittener Demenz ist definitiv „out“, dies liest man in Studien wie zum Beispiel der vorliegenden und spürt es in der eigenen Praxis. Die Anzahl von PEG-Anlagen aufgrund von demenzbedingten Schluck- und Ernährungsstörungen in unserer Klinik ist gegenüber 1997 um fast 100% zurückgegangen.

Ebenso wichtig wie die Tatsache, dass eine PEG das Leben Demenzkranker nicht verlängert, scheint mir die Frage nach Lebensqualität und Selbstbestimmtheit eines Menschen am Ende seines Lebens. Gemeinsam mit Angehörigen rekonstru-ieren wir bei solchen Patienten ohne Patientenverfügung oft deren so genannten mutmaßlichen Willen („Hätte Ihr Vater eine solche künstliche Ernährung gewollt?“).

Vor allem aufgeklärte Angehörige, denen die schlechte Pro-gnose einer fortgeschrittenen Demenzerkrankung bewusst ist, plädieren nach meiner Erfahrung praktisch zu 100% für eine bestmögliche Zuwendung und „Füttern“ so gut als möglich, aber äußerst selten nur für eine Sondenernährung. Wenn man sich die Zeit nimmt, die eine komplexe Entscheidung wie die-se braucht, um von und mit der Familie besprochen zu werden, ist das Reizthema „Demenz und PEG“ in meiner Wahrnehmung von der Liste der schwierigen Probleme am Ende des Lebens verschwunden.

Dr. Joachim Zeeh, Meiningen

Der Beitrag wurde erstmals publiziert in: MMW - Fortschritte der Medizin 2013; 155 (1): 35 basierend auf: J. Am. Geriatr. Soc. 2012; 60: 1918

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Gewalt gegen Pflegekräfte – ein weltweites ProblemDer Pflegeberuf birgt ein sehr hohes Risiko für Gewalthandlungen am Arbeitsplatz. Jede zweite Krankenschwester ist in ihrem Berufsalltag von physischer oder psychischer Gewalt betroffen. Dabei üben nicht nur Pati-enten Gewalt gegen Pflegende aus, sondern auch deren Angehörige sowie Ärzte oder andere Pflegekräfte.

In einer Analyse von 160 Studien mit insgesamt mehr als 150.000 befragten

Pflegekräften geben Paul E. Spector et al. aus Tampa, USA, einen Überblick über die weltweite Situation der Gewalterfah-rungen im Berufsalltag von überwiegend weiblichen Pflegekräften.

Demzufolge waren weltweit 36,4% der Krankenschwestern an ihrem Arbeitsplatz körperlicher Gewalt und 67,2% psychi-scher Gewalt ausgesetzt. 37,1% waren Opfer von Mobbing und 27,9% wurden sexuell belästigt. 50% der Pflegekräfte gaben allgemein an, in ihrem Berufsleben bereits Opfer von Gewalt geworden zu sein, und 32,7% wurden bei einem Angriff verletzt.

Um sich ein klareres Bild von dieser Situation zu verschaffen, unterteilten die Autoren die Ergebnisse in verschiedene Bereiche: Untersucht wurde die Art der Gewalt (physisch, psychisch, Mobbing, sexuelle Belästigung), in Bezug auf den Zeitraum, die verschiedenen Arbeitsplät-ze (Notaufnahme, Geriatrie, Psychiatrie, Krankenhaus) sowie die Quelle (Pati-enten, Angehörige, Krankenschwestern, Ärzte, Personal), und die Weltregion („Anglo“, Asien, Europa, Mittlerer Osten).

Körperliche Gewalt ist demnach am stärksten verbreitet in den Bereichen Ge-riatrie, Psychiatrie und in Notaufnahmen, wobei die Geriatrie der einzige Bereich ist, in dem die physische Gewalt gegen-über der psychischen überwiegt. Mobbing durch Kollegen ist vor allem in Kranken-häusern ein Problem: Hier waren 78,3% der Pflegekräfte davon betroffen.

In der Anglo-Region, bestehend aus englischsprachigen Ländern mit ähn-lichem kulturellem Hintergrund, scheint die Gewalt gegen Pflegepersonal am wei-testen verbreitet zu sein. Hier ist die Rate körperlicher Gewalt fast doppelt so hoch wie beispielsweise im Mittleren Osten. Psychische Gewalt erfahren in allen Län-

dern über 50% der Betroffenen. Mobbing wird am seltensten in Europa und am häufigsten im Mittleren Osten erlebt. Se-xuelle Belästigung ist mit 38,7% in der Anglo-Region am weitesten verbreitet.

Insgesamt gehen etwa zwei Drittel der Vorfälle körperlicher Gewalt von Pati-enten und fast ein Drittel von Angehöri-gen aus. In Asien und dem Mittleren Osten sind Gewalthandlungen durch Angehörige allerdings viel häufiger, im Mittleren Osten sogar häufiger als die durch Patienten ausgeübten Angriffe. Die Zahlen für durch anderes Personal ver-übte physische Gewalt sind eher gering, psychische Gewalt hingegen kommt hier häufiger vor, vor allem in Asien mit 50%.

Die Studie macht deutlich, dass die von Patienten oder ihren Angehörigen ausge-hende körperliche Gewalt gegenüber Pflegenden nur ein Teil des Problems ist. Bisher weniger registriert wurden die ebenfalls hohen Raten an psychischer Gewalt, sexueller Belästigung und Mob-bing. Die Dunkelziffer ist hier wahr-scheinlich noch wesentlich höher, vermu-ten die Autoren. Entsprechende Gewalt-Präventionsprogramme sollten daher auch diese Formen der Gewalt, die häu-figer auch von Kollegen ausgehen, ein-schließen. Dabei müssen ausgeprägte regionale Unterschiede berücksichtigt werden. (MW)

Paul E. Spector et al. Nurse exposure to phys-ical and nonphysical violence, bullying, and sexual harassment: A quantitative review. International Journal of Nursing Studies 51 (2014) 72–84

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Nur wenige Studien haben sich bislang mit potenziellen Risikofaktoren für

die Prävalenz von und die Qualität der Schmerzen während und nach der Hei-lung von chronischen Wunden befasst. Daher gingen kanadische Wissenschaftler nun diesen Fragen in einer Studie mit 396 ambulant behandelten Patienten mit Beinulzera nach. Primärer Endpunkt war die Schmerzprävalenz bei Wundheilung, sekundärer Endpunkt die Schmerzinzi-denz zum gleichen Zeitpunkt. Die Be-schwerden wurden mithilfe des Short Form McGill Pain Questionnaire erfasst, die gesundheitsbezogene Lebensqualität mittels des Medical Outcomes Survey Short Form und seinen beiden Kategori-en Physical Component Summary (PCS) und Mental Component Summary (MCS).

Bei Aufnahme in die ambulante Betreu-ung berichteten 87% der Patienten (344/396) über Schmerzen, darunter 37% (146/396) über moderate bis schwere Schmerzen. Schmerz bei Berührung ga-ben 67% an, 56% beschrieben ihn als dumpf und anhaltend sowie 52% als klop-fend. 70% der Patienten mit Beschwerden (293/344) kamen zu Studienbeginn ohne Schmerzmittel aus, unter den Patienten mit moderaten bis schweren Schmerzen waren es 58% (84/146).

Zum Zeitpunkt der Wundheilung wie-sen 32% der Patienten Schmerzen auf (Prävalenz) und 3,5% berichteten über moderate bis schwere Schmerzen. Neu aufgetretene Schmerzen (Inzidenz) gaben 5,3% an. In einer bivariaten Analyse stell-ten sich moderate bis schwere Schmerzen als Risikofaktoren für Beschwerden bei Wundheilung heraus; dieser Zusammen-hang blieb bei multivariater Analyse je-doch nicht bestehen. Zu den Risikofak-toren zählten dagegen weibliches Ge-schlecht, die Anwendung von Kurz- zugbinden, niedrige PCS- und MCS-Scores, die Einnahme nicht-steroidaler

Antirheumatika sowie Schmerzen bei Berührung.

Während Schmerzen bei chronischen Wunden traditionell mit der Behandlung verbunden werden, legt diese Untersu-chung nahe, dass Schmerzen bei einem nicht unerheblichen Teil der Betroffenen auch bei Wundheilung bestehen. Das kön-ne die Mobilität der Patienten einschrän-ken und die Rezidivgefahr erhöhen, so die Autoren. Weitere Untersuchungen seien dazu notwendig.

(aks)

VanDenKerkhof EG et al.: Leg ulcer nursing in the community: prospective cohort study of the symptom of pain. Nursing 2013; 12: 3

Kommentar: 424 Patienten mit Beinulzera (Ulcus cruris venosum und Ulcus cruris arte-riosum/venosum) wurden in die prospektive Langzeitstudie (2004–08) eingeschlossen, von denen 396 Patienten (216 Frauen, 180 Männer; Altersdurchschnitt: 65 Jahre) die Einschlusskriterien erfüllten. Die Patienten wurden im häuslichen Setting von Pfle-genden mit Fachexpertise im Wundmanage-ment professionell beraten und behandelt. Die Schmerzeinschätzung erfolgte mit standardisierten Instrumenten zu Beginn der Wundbehandlung und bei Wundheilung. Neben der Erfassung der Komorbiditäten sind die psychosoziale Situation und der Einfluss auf die Lebensqualität berücksich-tigt worden. Unklar ist jedoch, ob der Schmerz von Beginn an effektiv schmerz-therapeutisch behandelt worden ist. Bei Aufnahme litten 58% der Patienten, die keine Analgetika genommen haben bzw. bei denen keine Analgetika-Verordnung erfolgt ist, unter mittleren bis starken Schmerzen. Offenkundig wird in dieser Studie, dass die Schmerzstärke, erfasst mit VAS und/oder NRS, eine weniger zuverlässige Vorhersage von Schmerz bei Wundheilung erlaubt als die Beschreibung mittels Adjektiven. Die Verbalisierung hingegen anhand von Adjek-tiven wie pochend, elektrisierend, brennend, oder berührungsempfindlich (Allodynie) ist deutlich aussagekräftiger für die Stärke der Schmerzen nach erfolgreichem Wundma-nagement. Vor allem die Allodynie blieb auch nach Wundheilung bestehen. Dies zeigt die hohe Bedeutung einer kontinuier-lichen Erfassung und frühzeitigen Behand-lung insbesondere der Allodynie während des Wundmanagements. Bei jeder Wund-behandlung muss das Thema Schmerz mit den Patienten kommuniziert werden, denn nur, wenn dieser bekannt ist, kann er ver-mieden und gezielt behandelt werden. Bei persistierenden Schmerzen nach Wundhei-lung drohen Chronifizierung, Einschrän-kungen der Mobilität und erhöhte Rezidiv-gefahr. Die Autoren betonen, dass in Zukunft Schmerz als „fünftes Vitalzeichen“ in der Behandlung berücksichtigt werden muss.

Monika ThommStationsleitung des Schmerzzentrums Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Universitätsklinikum Köln Kerpener Str. 62, 50937 Köln [email protected]

Beinulzera: Schmerzen bei Wundverschluss sind keine SeltenheitZum Zeitpunkt der Heilung von Beinulzera sind Schmerzen offenbar nicht selten: In einer aktuellen Studie berichtete etwa ein Drittel der circa 400 Teilnehmer über Schmerzen im Wundbereich. Dabei waren Beschwerden bei Behandlungsbeginn offenbar kein Risikofaktor.

Auch wenn die Wunde verheilt ist, leiden viele Patienten mit Beinulzera weiter un-ter Schmerzen.

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Durchbruchschmerzen sind hinsicht-lich Dauer, Intensität und Häufigkeit

recht verschieden: Bis zum Erreichen der höchsten Schmerzintensität können zwischen drei und 15 Minuten vergehen, sie können bis zu 60 Minuten andauern, und die Schmerzepisoden können 1,5- bis sechsmal am Tag auftreten. Ein Patentre-zept für die Bedarfsmedikation gibt es nicht. Für jeden Patienten muss ein ge-eignetes Medikament gefunden werden.

Die Deutsche Gesellschaft für Schmerz-medizin (DGS) empfiehlt in ihren aktu-ellen Praxisleitlinien für Durchbruch-schmerzen schnell wirkende Opioide der WHO-Stufe III. Alle hierfür zur Verfü-gung stehenden Präparate sind Fentanyl-haltige Fertigarzneimittel, bei denen das Opioid transmukosal über die Mund-schleimhaut oder über die Nasenschleim-haut resorbiert wird. Hilfreich bei der Auswahl könnten die Ergebnisse einer Metaanalyse sein, in der Studien aus den Jahren 2007 bis 2010 betrachtet wurden.

Die Arbeitsgruppe um Giovambattista Zeppetella verglich verschiedene Fenta-nyl-Präparate (Nasenspray, Pektin-Nasen-spray, Bukkaltabletten, Bukkalfilmtablet-ten, Sublingualtabletten, Lutschtabletten) sowie ein schnell freisetzendes orales Morphin-Präparat. Parameter für die Wirksamkeit war die Schmerzlinderung in der ersten Stunde nach der Anwendung im Vergleich zu Placebo.

Fünfzehn Minuten nach der Anwen-dung waren das Fentanyl-Nasenspray, das Fentanyl-Pektin-Nasenspray, Fentanyl-Bukkaltabletten und Fentanyl-Lutsch-tabletten effektiver als alle anderen Prä-parate. Sublingual- und Bukkal-(film)tabletten holten 30 Minuten nach der Anwendung auf. Zu diesem Zeitpunkt waren alle untersuchten Fentanyl-Präpa-rate wirksamer als Placebo. Am schlech-testen schnitt das schnell freisetzende orale Morphin-Präparat ab: Es linderte erst nach 45 Minuten die Schmerzen bes-ser als Placebo. Es ist daher eher für Durchbruchschmerzen geeignet, die län-ger anhalten oder langsam zunehmen, so die Autoren.

Beim Vergleich der verschiedenen Prä-parate, so das Fazit, erwies sich das Fen-tanyl-Nasenspray als überlegen, weil es Durchbruchschmerzen sowohl nach 15 als auch nach 30 Minuten am besten lin-derte. Bei den anderen Fentanyl-Gale-niken und auch beim Morphin-Präparat trat eine klinisch relevante Schmerzre-duktion erst später ein.

Judith Neumaier

Zeppetella G et al. A network meta-analysis of the efficacy of opioid analgesics for the management of breakthrough cancer pain episodes. J Pain Symptom Manage. 2013; Aug 24. [Epub ahead of print].

Durchbruchschmerz: Wie schnell wirken Fentanyl-Präparate?Durchbruchschmerzen erreichen innerhalb weniger Minuten die höchste Intensität. Daher muss die Bedarfsmedikation schnell wirken, und das hängt von der Art des Präparates ab.

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Wer schon einmal einem dreijährigen Kind Medizinsaft mit dem Löffel

eingeben musste, weiß, die korrekte Do-sierung ist eher Glücksache. Die erste Schwierigkeit beginnt schon beim Abmes-sen der vorgegebenen Saftmenge mit dem beigelegten Dosierlöffel. Dann muss die gesamte Ration noch in den kleinen Pa-tienten. Der aber reagiert nicht selten bereits beim Anblick des Löffels mit Widerwillen. Und selbst wenn es gelungen ist, ohne große Verluste die Medizin im Mund zu deponieren, geschluckt ist sie noch lange nicht.

Die schlechte Dosierbarkeit ist aber nicht der einzige Nachteile der flüssigen Darreichungsform: Da wären noch die chemische, physikalische und mikrobielle Instabilität sowie die Geschmacksproble-matik. Dennoch wird bei Kindern unter sechs Jahren aus Angst vor einer Aspira-tion der Saft der Tablette vorgezogen. Nach Ansicht von Viviane Klingmann von der Kinderklinik der Universität Düssel-dorf und ihren Kollegen zu Unrecht. Die Pädiater haben in einer offenen, rando-misierten Cross-over-Studie festgestellt, dass schon kleine Kinder problemlos Ta-bletten mit einem Durchmesser von 2 mm einnehmen können.

An 306 Kindern zwischen sechs Mona-ten und sechs Jahren hatten sie überprüft, inwieweit die kleinen Patienten Tabletten akzeptieren und wie gut sie diese im Ver-gleich zu Saft schlucken. Die Probanden mussten innerhalb von 15 Minuten eine unbeschichtete Tablette, eine beschichte-te Tablette − jede 2 mm groß − sowie 3 ml eines 15 %igen Glukosesafts einnehmen. Die Reihenfolge wurde randomisiert fest-gelegt. Die Mini-Tabletten sollten die Kinder mit drei Schlucken ihres Lieblings-getränks runterspülen, der Saft wurde entweder mit einer Pipette oder mit einem Löffel verabreicht.

Klingmann und Kollegen notierten, ob die Kinder die Tabletten sofort geschluckt bzw. sie zunächst gekaut und anschlie-ßend geschluckt haben, so dass kleine

Reste im Mund zurückgeblieben sind, oder ob sie sie sofort wieder ausgespuckt haben. Beim Saft achteten sie darauf, wel-che Menge die Kinder tatsächlich einge-nommen haben − komplett, nur einen Teil oder gar nichts − oder ob sie sich völlig verweigerten. Die Ergebnisse werteten sie insgesamt und unterteilt nach Alter der Probanden aus.

Die Kinder akzeptierten die Mini-Ta-bletten nicht nur besser, sie schluckten diese auch eher als den Saft. Je nach Al-tersgruppe lag dabei die Akzeptanz für die unbeschichtete Mini-Tablette zwi-schen 78,4 % und 100 %, für die beschich-tete zwischen 84,3 % und 100 %. Damit schnitten die Tabletten signifikant besser ab als der Saft, der nur Akzeptanzwerte von 64,7 %–90,2 % erreicht hat. Die Mini-Tabletten in Gänze geschluckt hatten je nach Altersgruppe 52,9 % bis 88,2 % (un-beschichtet) bzw. 47,1 %–84,3 % (be-schichtet), die komplette Saftmenge aber nur 39,2 %–72,5 %. Zwischenfälle bei der Einnahme gab es nur bei zwei Kindern

und beidemal mit beschichteten Tablette. Die Kinder, beide jünger als ein Jahr, hat-ten sich verschluckt und mussten husten. Ansonsten blieben die Zwischenfälle ohne klinische Relevanz.

Zeit zum Umdenken?Nach Ansicht der Studienautoren sind Mini-Tabletten auch für Kinder zwischen sechs Monaten und sechs Jahren eine ge-eignete Darreichungsform und eine gute Alternative zum Saft. Das gelte allerdings nur, so die Einschränkung Klingmanns, wenn die Gabe – wie in der Untersuchung auch – im Krankenhaus erfolge. Endgül-tige Rückschlüsse auf die Behandlung zu Hause ließen die Ergebnisse nicht zu. Auch könne das Risiko schwerer Zwi-schenfälle nicht endgültig beurteilt wer-den. Dennoch glauben Klingmann und ihre Kollegen, dass Kontrollorgane wie die Food and Drug Administration und die European Medicine Agency diese Da-ten bei der Überarbeitung der Leitlinien sowie künftigen Medikamentenzulas-sungen berücksichtigen werden.

Dr. Dagmar Kraus

Klingmann V. et al. Favorable Acceptance of Mini-Tablets Compared with Syrup: A Ran-domized Controlled Trial in Infants and Pre-school Children. The Journal of Pediatrics 2013; online 22. August 2013

Tabletten schlucken können schon die KleinstenWährend Erwachsene ihre Medikamente meist in Tablettenform einnehmen, bekommen kleine Kinder ihre Medizin bevorzugt als Saft − aus Angst, die Pille könnte in den „falschen Hals“ geraten. Womöglich ist diese Furcht, laut einer Studie aus Düsseldorf, unbegründet.

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Nicht alle Kinder nehmen so anstandslos ihren Arzneisaft


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