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Pflege neu denken - bosch-stiftung.de · Schritte in die politische Öffentlichkeit hinein tun 76...

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Klinische Pharmakologie und Therapie 2 Zur Zukunft der Pflegeausbildung Pflege neu denken ROBERT BOSCH STIFTUNG
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Klinische Pharmakologie und Therapie 2

Zur Zukunft der Pflegeausbildung

Pflege neu denken

ROBERT BOSCH STIFTUNG

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Sonderdruck

Pflege neu denken

Zur Zukunft der Pflegeausbildung

herausgegeben von der Robert Bosch Stiftung

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Die Deutsche Bibliothek – CIP-EinheitsaufnahmeEin Titeldatensatz für diese Publikation ist bei der Deutschen Bibliothek erhältlich.

Das Werk mit allen seinen Teilen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Bestim-mungen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlages unzulässig und straf-bar. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigung des Verlages repro-duziert werden. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen unddie Einspeicherung, Nutzung und Verwertung in elektronischen Systemen, dem Intranet und dem Inter-net.

© Robert Bosch Stiftung GmbH, Stuttgart 2000

1. Nachdruck 2001

Gedruckt auf chlor- und säurefrei gebleichtem Papier.

Im Text wird die weibliche Form verwendet, auch wenn es sich um männ-liche und/oder weibliche Personen handelt.

Dieser Sonderdruck ist ein Auszug aus dem Gesamtwerk „Pflege neudenken“.

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Vorwort

Eine Reform der Ausbildung in den Pflegeberufen ist überfällig. Währenddie Qualifizierung von leitenden und lehrenden Pflegepersonen im ver-gangenen Jahrzehnt durch die Einrichtung von etwa 50 Studiengängen anUniversitäten und Fachhochschulen auf ein höheres Niveau angehobenwerden konnte, blieben die Ausbildungen in den Pflegeberufen generell äl-teren, überholten Strukturen verhaftet. Erforderliche Änderungen der zuvermittelnden Inhalte, der Zielsetzung und der Unterrichtsgestaltung sindnur in geringem Umfang zu erkennen. Auch die beruflichen Veränderun-gen und die gestiegenen Anforderungen an die Berufsangehörigen werdenin den Ausbildungen nur unzureichend berücksichtigt.

Dazu gehört die steigende Zahl chronisch kranker Menschen und diedamit verbundenen langjährigen pflegerischen Betreuungen, auch imhäuslichen Bereich der zu Pflegenden, die längere Lebensdauer und derdamit im Zusammenhang stehende Anstieg gerontopsychiatrischer Sym-ptomatik, die Medizintechnik mit den sich stetig ausweitenden Möglich-keiten in Diagnostik und Therapie sowie die präventiven und rehabilitati-ven Aufgaben, durch die der klassische Bereich der Kranken- und Alten-pflege ausgeweitet wird.

Auch das Pflegeverständnis und das berufliche Selbstverständnis habensich nachhaltig verändert. Berufliche Pflege bedeutet nicht (mehr), vorran-gig Arzt-Assistenz zu leisten oder ärztliche Anordnungen auszuführen. ImMittelpunkt der Pflege stehen vielmehr der pflegebedürftige Mensch mitseinem subjektiven Erleben gesundheitlicher Einschränkungen, der objek-tive Anlaß für den Pflegebedarf und das mitbestimmende Umfeld. An-gehörige und Helfer sind in einem weit höheren Maße als je zuvor verant-wortlich in die Betreuung von Patienten und Klienten einbezogen.

Die Pflege kranker und alter Menschen ist in den letzten 20 Jahren an-spruchsvoller und komplexer geworden, sowohl von den fachlichen Anfor-

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derungen als auch von den Erwartungen der zu Pflegenden und ihrer An-gehörigen her gesehen.

Die Robert Bosch Stiftung hat vor zwei Jahren zehn Experten aus Pra-xis, Ausbildung und Wissenschaft eingeladen und beauftragt, in einer „Zu-kunftswerkstatt zur Verbesserung der Pflegeausbildung“ Vorschläge zu ei-ner zukunftsweisenden Pflegeausbildung zu erarbeiten. Das Ergebnis dergemeinsamen Arbeit ist in der vorliegenden Schrift „Pflege neu denken“zusammengefaßt. Darin wird Pflege als zwischenmenschliche Beziehungskizziert, aber auch die Kennzeichen der Pflege als Beruf und Dienstlei-stung sowie deren volkswirtschaftliche Bedeutung sind hervorgehoben.Hinzugezogene Fachleute haben prognostische Aspekte aufgezeigt und ge-sellschaftliche Entwicklungen, die die Gestaltung des Gesundheitswesensbeeinflussen werden, verdeutlicht. Der systematischen Analyse folgen Vor-schläge für eine Änderung der Pflegeausbildung, zunächst in breiten Aus-führungen zum Lehren und Lernen, zur curricularen Auswahl des zu ver-mittelnden Wissens und Könnens, zur Theorie-Praxis-Koordination, zurQualitätsverbesserung und zur Veränderung der Rahmenbedingungen derAusbildung. Sie sind in zehn Empfehlungen zusammengefaßt und mündenin ein Ausbildungsmodell der Zukunft, das u.a. vorsieht,– Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflegeausbildung zu einer genera-

listischen Pflegeausbildung zusammenzufassen und einen Ausbildungs-abschluß mit Schwerpunktsetzung zu ermöglichen,

– zwei- und vierjährige Ausbildungsgänge zu schaffen, die sich im Zu-gangs-, Anforderungs- und Kompetenzprofil unterscheiden,

– vier Qualifikationsstufen einzurichten, denen patienten- und klienten-sowie organisations- und gesellschaftsbezogene Aufgaben zuzuordnensind,

– die Ausbildungsinhalte weitgehend fächerübergreifend zu ordnen, inModulen zusammenzufassen und entsprechend zu unterrichten,

– die Leistungsbeurteilung nach einem Kreditpunkt-System vorzuneh-men, das auf einer breiten Absprache unter den Bildungseinrichtungengegründet ist.

Mit dem zukunftsgerichteten Modell soll die Pflegeausbildung in das be-stehende Bildungssystem einbezogen werden, so daß auch die angestrebteDurchlässigkeit innerhalb der Bildungshierarchie erreicht wird und die Fi-nanzierung der Ausbildung auf eine neue Basis gestellt werden kann.

Pflegeausbildungsverbünde als Orte der Ausbildung und die Anforde-rungen an die Qualifikation der Lehrenden sowie die Wege ihrer Qualifi-

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kation werden ebenso aufgezeigt wie die Notwendigkeit, qualitätsorien-tierte Prozesse im Ausbildungsgeschehen einzuführen und ein geeignetesInstrumentarium dafür zu entwickeln und zu erproben.

Der Zukunftswerkstatt, an ihrer Spitze Frau Dr. Anna-Paula Kruse, giltunser Dank. Jedes Mitglied war bereit, sich auf die Aufgabe und die damitverbundene umfangreiche Arbeit einzulassen. Ein weiterer Dank gilt denBearbeitern der Zukunftsprognosen und Trends sowie den vier hinzugezo-genen Experten, Frau Prof. Dr. Ruth Schröck, Institut für Pflegewissen-schaft der Universität Witten-Herdecke, Herrn Prof. Dr. Andreas Kruse,Institut für Gerontologie, Universität Heidelberg, Herrn Dr.Willi Rückert,Kuratorium Deutsche Altenhilfe, und Herrn Ulrich Brösamle, Sozialmini-sterium des Landes Baden-Württemberg. Sie haben wichtige Anregungenund Empfehlungen in das Manuskript eingebracht. Herrn Prof. Dr. Hart-mut von Hentig und Herrn Prof. Dr. Jörg Splett danken wir für intensive,lebhafte und fruchtbare Diskussionsbeiträge. Die reibungslose Organisati-on, die Protokollierung und Auswertung der Sitzungen durch Frau ReginaAssel, cand. Pflegepädagogik, Katholische Fachhochschule Mainz, warenwichtige Voraussetzungen für das Gelingen der Zukunftswerkstatt, ebensodie Moderation der Brainstorming-Sitzungen durch Herrn Erhard Vollert,Robert-Bosch-Krankenhaus Stuttgart.

1992 veröffentlichte die Robert Bosch Stiftung die Denkschrift „Pflegebraucht Eliten“. Sie half dabei, eine Akademisierung des Berufsfeldes Pfle-ge in Deutschland anzustoßen. Dem hier vorgelegten Werk „Pflege neudenken – Zur Zukunft der Pflegeausbildung“ wünschen wir eine ähnlicheWirkung. Es geht darum, Veränderungen einzuleiten hin zu einer Ausbil-dung, die die persönliche Entwicklung der Lernenden fördert und sich stär-ker den künftigen Aufgaben der Pflegenden zuwendet. Nur so kann es ge-lingen, die Qualität der Pflege zu steigern und im Vergleich mit unserenNachbarländern wie auch im Wettbewerb auf dem Ausbildungsmarkt zubestehen.

Stuttgart, im September 2000 Robert Bosch Stiftung

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Inhalt

Einleitung 9

Begründungen für eine Änderung der Pflegeausbildung 14

1. Belastung der Gegenwart durch Strukturen aus der Vergangenheit 14

2. Ausrichtung der Strukturen an aktuellen und kommenden Aufgaben 21

Empfehlungen 26

1. Pflegen als menschliche Begegnung und gesellschaftlichen Auftrag begreifen 26

2. Pflegesituationen aktiv gestalten 30

3. Ausbildungsinhalte neu ordnen und geeignete Lernwelten schaffen 33

4. Theorie und Praxis neu denken und verändern 35

5. Ausbildung zum Lebens- und Erfahrungsraum werden lassen 38

6. Schulen durch mehr Selbständigkeit handlungsfähiger machen 41

7. Durch Professionalität zur Qualität gelangen 43

8. Berufliche Autonomie stärken 45

9. Pflege internationalisieren: Europa als Ausbildungsort undArbeitsmarkt wahrnehmen 47

10. Strukturen verändern: Ausbildung neu gestalten 49

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Das neue Ausbildungsmodell 52

1. Die wichtigsten Merkmale des neuen Ausbildungsmodells 52

2. Gegenüberstellung von Pflegeausbildung der Zukunft und derzeit bestehender Ausbildung in der Pflege 56

3. Ausbildungsstruktur und Aufgaben der Pflegefachpersonen im Überblick 61

Neue Wege konzipieren, erproben, bewerten und implementierenVorschläge zur Umsetzung 70

1. Mut haben, kleine Schritte zu tun 71

2. Zur Wertorientierung beitragen 71

3. Als Lehrerteam, als Kollegium konstruktiv aktiv werden,um angestrebte Ziele zu realisieren 72

4. Eigenständiges Lernen braucht räumliche und materielle Voraussetzungen 73

5. Interkollegialen und interprofessionellen Austausch und Zusammenarbeit verbessern 73

6. Der praktischen Ausbildung bessere Bedingungen schaffen 74

7. Pflegeschulen öffnen und öffentlich bekannter machen 75

8. Kooperation zwischen Ausbildungsstätten und Hochschulen einleiten 75

9. Schritte in die politische Öffentlichkeit hinein tun 76

10. Neue Wege konzipieren, erproben, bewerten, implementieren 76

11. Rechtliche Voraussetzungen für die Erprobung neuer Ausbildungsstrukturen schaffen 77

Pflege neu denken rechnet sich 78

Die Robert Bosch Stiftung 84

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Mitglieder der Kommission „Zukunftswerkstatt Pflegeausbildung“

Christel BiensteinLeiterin des Instituts für Pflegewissenschaft an der Universität Witten/Herdecke

Sr. Veronika DreymüllerLeiterin des Referates Pflege im Krankenhaus, Maria Hilf/Marienhaus GmbH,Waldbreitbach

Prof. Dr. Stefan GörresUniversität Bremen, Fachbereich Pflegewissenschaft

Prof. Dr. Barbara Knigge-DemalFachhochschule Bielefeld, Fachbereich Pflegepädagogik

Dr. Anna-Paula KruseMinisterialrätin a. D., Niedersächsisches Sozialministerium

Ursula OelßnerDirektorin der Krankenpflegeschule am Robert-Bosch-Krankenhaus, Stuttgart

Rudolf RöderAusbildungsleiter, Robert Bosch GmbH, Schwieberdingen

Christine SowinskiKuratorium Deutsche Altershilfe, Köln

Prof. Dr. Frank WeidnerKatholische Fachhochschule Nordrhein-Westfalen, Fachbereich Gesundheits-wesen, Direktor des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung, Köln

Angelika ZegelinUniversität Witten/Herdecke, Institut für Pflegewissenschaft

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Die Zukunft beginnt heuteLeben heißt denken und handeln,

denken und handeln aberheißt verändern

(James Allen)

Einleitung

Die vielfältigen Veränderungsprozesse in unserer Gesellschaft, die zumTeil tiefgreifend in Strukturen der Versorgungssysteme des Gesundheits-wesens einwirken, zwingen zu Veränderungen im Arbeitsfeld Pflege. Dazuzählen– die demographische Entwicklung, die durch eine überproportionale Zu-

nahme des Anteils alter und sehr alter Menschen gekennzeichnet ist,– eine in rascher Entwicklung begriffene Pflegewissenschaft, Medizintech-

nologie und Gentechnologie,– eine zunehmende Aufspaltung in stationäre und ambulante Versorgung,

mit Vorrang des ambulanten Geschehens,– eine Finanzierung, in der die Selbstbeteiligung der Patienten und öko-

nomische Gesichtspunkte bei den Leistungsträgern eine immer größereRolle spielen.

Die vorhandenen beruflichen Ausbildungen in der Kranken-, Kinderkran-ken- und Altenpflege müssen reformiert werden, um die Angehörigen derPflegeberufe auf künftige Anforderungen vorzubereiten und um sie zu be-fähigen, mit größtmöglicher Flexibilität in dem weiten AufgabenbereichPflege verantwortlich tätig sein zu können.Wenn eine solche Reform nichtvollzogen wird, droht den Pflegeberufen ein Verlust an Zuständigkeit undVerantwortung in ihrem Wirkungsbereich; die eben begonnene Professio-nalisierung würde stagnieren und letztlich zurückfallen. Für die Gesell-schaft würden Folgen mit erheblichen negativen Auswirkungen eintreten:In der Pflege von Menschen und der damit verbundenen Begleitung undBeratung würde die Qualität mehr und mehr abnehmen. Für Aufgaben mithohen fachlichen Anforderungen würden die entsprechend qualifiziertenPersonen fehlen. Aber auch ökonomische Gesichtspunkte sind von großerWichtigkeit.Aus- und Weiterbildungen müssen trotz hoher beruflicher An-

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forderungen in ihrer Gesamtdauer reduziert und effektiver gestaltet wer-den. Es gilt zu prüfen, welche Befähigungen geschult werden müssen, umden beruflichen Anforderungen in guter Qualität zu entsprechen und umzukünftigen neuen Aufgaben mit Offenheit und Lernbereitschaft zu be-gegnen.

Mit dem Ziel, Empfehlungen für zukunftsweisende Veränderungen biszum Jahr 2020 im Ausbildungsgeschehen zu erarbeiten, hat die RobertBosch Stiftung einen Kreis unabhängiger und kompetenter Fachleute ge-beten, sich der Thematik „Zukunft der Pflegeausbildung“ anzunehmen.

In 16 ein- und mehrtägigen Sitzungen hat sich die „ZukunftswerkstattPflegeausbildung“ aus unterschiedlichen Blickwinkeln mit den gesell-schaftlichen Entwicklungen, den Pflegeausbildungen und den Aufgabender professionell Pflegenden in den nächsten Jahren beschäftigt. Sie warsich bewußt, daß zu den professionell Pflegenden nicht nur die Berufsan-gehörigen der Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflege gehören. DieBeschränkung auf die Pflegeberufe im engeren Sinne erfolgte jedoch, weilunter anderem die Heterogenität der beruflichen Situationen und Anfor-derungen die Prägnanz der Arbeit deutlich verringert hätte. Heilerzie-hungspflege beispielsweise hat in ihrer Arbeit einen großen sozialpädago-gischen und sozialpflegerischen Anteil; Hebammen beraten und betreuenvorrangig gesunde Frauen. Sie betonen immer wieder, daß Schwanger-schaft, Geburt und Wochenbett primär keine „kranken-“pflegerische Ar-beit erfordern.

Die „Zukunftswerkstatt Pflegeausbildung“ hat unter bestimmten Fra-gestellungen Experten einbezogen. Gleich zu Beginn der Arbeit der Zu-kunftswerkstatt haben Prof. Dr. Hartmut von Hentig, ehemals Laborschu-le an der Universität Bielefeld, und Prof. Dr. Jörg Splett, Philosophisch-Theologische Hochschule St. Georgen in Frankfurt am Main, durch eineintägiges Expertengespräch Impulse für die nachfolgenden Sitzungen ge-geben. Eine Expertengruppe erhielt den Auftrag, dem Gremium die vor-aussichtliche Entwicklung des Gesundheitswesens bis zum Jahr 2020 auf-zuzeigen. Je intensiver diskutiert wurde, desto stärker trat die Komplexitätder Sachverhalte hervor:

Die heutige Ausbildung entspricht häufig nicht den derzeitigen Anfor-derungen an Fachlichkeit und Qualität. Noch fließen Erkenntnisse derPflegeforschung in nur geringem Maße in die Ausbildung ein. Sie nimmtzukünftige Aufgaben und Strukturen kaum in den Blick. Dazu gehören:– die steigende Zahl langfristig Pflegebedürftiger und Kranker,– die längere Lebensdauer der Menschen,

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– die stark wachsende Zahl demenziell erkrankter Menschen,– die Zunahme ambulanter Behandlungen,– die sich stetig ausweitende Medizintechnik sowie– die wachsenden Ansprüche an die Kompetenzen der Pflegenden.

Das Pflegeverständnis und ebenso das berufliche Selbstverständnis habensich verändert. Der Pflegebedarf ist nicht mehr vorrangig an ärztlicher As-sistenz und an der Ausführung ärztlicher Anordnungen auszurichten, son-dern an der komplexen Pflegesituation, zu welcher der objektive Anlaß fürden Pflegebedarf wie auch die aus dem subjektiven Krankheitserleben her-aus sich ergebenden Pflegebedürfnisse gehören.

Junge Menschen, die heute ausgebildet werden, sind wahrscheinlich bisweit in die erste Hälfte des Jahrhunderts hinein berufstätig. Unter welchenBedingungen Pflege dann ausgeübt wird, ist heute nicht mit Bestimmtheitfestzulegen. Mit Sicherheit läßt sich jedoch sagen, daß der seit längeremsich vollziehende fachliche und gesellschaftspolitische Wandel, der diePflege stark beeinflußt, unvermindert fortschreiten wird. In der zukünfti-gen Ausbildungskonzeption muß dieser berücksichtigt werden: inhaltlich,methodisch-didaktisch und nicht zuletzt schulrechtlich, bezogen auf Schul-form, Lehrerqualifikation, Dauer der Ausbildung, die Relation zwischenpraktischer und theoretischer Ausbildung, bei den Berechtigungen nachAusbildungsabschluß, den Aufstiegsmöglichkeiten sowie der Finanzierungder Ausbildung.

Die Konzeption der Ausbildung und die Prägnanz des Aufgabenbereichsder ausgebildeten Pflegepersonen muß auch eine positiv-werbende Wir-kung haben. Denn bei der noch mehrere Jahre anhaltenden Steigerung desBedarfs an Pflegepersonen braucht der Pflegeberuf viele Menschen, diesich qualifiziert ausbilden lassen wollen. Die „Zukunftswerkstatt Pflege-ausbildung“ hat Strukturen gesucht und gefunden, um dem gestellten Auf-trag und seiner Zielsetzung gerecht zu werden.

Aus den zahlreichen Möglichkeiten, Veränderungen einzuleiten und zubewirken, haben sich zehn Empfehlungen herauskristallisiert. In ihnen sindviele Aspekte pflegerischer Ausbildung enthalten. Umsetzungsvorschlägeund ein visionäres Ausbildungsmodell wurden entwickelt. Die Empfehlun-gen sind das komprimierte Ergebnis umfangreicher Texte der einzelnenMitglieder der Zukunftswerkstatt und der gemeinsamen Diskussion. Man-che Empfehlungen fordern ein grundsätzliches Umdenken und die Bereit-schaft, gewohnte Strukturen aufzugeben und neue zu erproben. Das kannschon in naher Zukunft geschehen.

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Andere Empfehlungen weisen weit in die Zukunft hinein. Um sie zurealisieren, werden Modelle nötig sein und Menschen, die sich mit vielEnergie und Kenntnissen für das einsetzen, was sie für wichtig erachten.All das soll nicht nur im engeren Umfeld pflegerischer Lernorte gesche-hen. Die Empfehlungen richten sich sowohl an Lehrende und Lernendepflegerischer Ausbildungen als auch an Pflegedirektoren, kaufmännischeDirektoren, Kuratoriums- oder Vorstandsmitglieder von Einrichtungsträ-gern und ihren Verbänden, an Berufsorganisationen der Pflegenden, An-gehörige der Pflegeberufe, Sachbearbeiter in Schulbehörden auf allen Ebe-nen, Fachhochschulen und Universitäten sowie Kommunalpolitiker, Ver-treter von Kassen und der Heimaufsicht. In ganz besonderer Weise richtensich die Vorschläge an Landes- und Bundespolitiker. Sie sind aufgerufen,sich des Themas intensiv anzunehmen und die notwendigen Entscheidun-gen herbeizuführen.

Die Texte stehen in einem sachlogischen Zusammenhang zueinander. Inder systematischen Darstellung zur Denkschrift haben die Mitglieder derZukunftswerkstatt zunächst im Abschnitt I „Pflegen und Pflege heute: Be-ruf – Professionalisierung – Dienstleistung“ Voraussetzungen, Bedingun-gen und Entwicklungen der Pflege analytisch betrachtet. Es folgen Aus-führungen zur zukünftigen „Entwicklung des Gesundheitswesens bis zumJahr 2020“. Gesellschaftliche Bedingungen werden aufgezeigt, unter denenPflege sich voraussichtlich vollziehen, entwickeln oder reduzieren wird.Daran schließt sich ein kurzer Rückblick an, der die Ausgangslage derKrankenpflegeausbildung an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, dieweitere Entwicklung bis 1945 und die besonderen Belastungen nachKriegsende aufzeigt. Ein Überblick über Krankenpflegeausbildungswegein der ehemaligen Sowjetzone und späteren DDR gehört dazu. Eine Skiz-zierung der gegenwärtigen Situation der Ausbildungen in der Kranken-,Kinderkranken- und Altenpflege innerhalb der Bundesrepublik Deutsch-land schließt sich an. Ausführungen über die Pflegeausbildung in Europabilden den Abschluß des historisch orientierten Teiles. In einer visionärenKurzgeschichte hat ein Krankenpflegeschüler seine Vorstellung von derPflegeausbildung in etwa 20 bis 30 Jahren aufgezeigt. Damit wird in den zu-kunftsgerichteten Teil übergeleitet.

Im Abschnitt „Zukünftige Anforderungen an die Pflegeausbildung:Neue Qualifikationen und innovative Formen des Lehrens und Lernens“wird der vieldeutige Begriff des Lernens unter verschiedenen Aspektenbetrachtet, und Kennzeichen günstiger Lernumwelten werden aufgezeigt.Von dort wird die Brücke zu „einem neuen Ausbildungsmodell“ geschla-

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gen. Die im Anhang aufgeführten Arbeiten und Projekte, die von derRobert Bosch Stiftung gefördert oder im Rahmen der Förderpreise fürPflegeschulen ausgezeichnet worden sind, geben einen Eindruck, auf wel-chen Wegen und mit welchen pädagogischen und pflegerischen ImpulsenVeränderungen schon jetzt bewirkt werden können.

Der Personenkreis, der in der „Zukunftswerkstatt Pflegeausbildung“ zu-sammengearbeitet hat, war bestrebt, einen großen Schritt zu tun: von denheutigen Gegebenheiten in den pflegerischen Ausbildungen und der Be-rufswirklichkeit der Pflegenden zu den zu erwartenden Anforderungen inden nächsten zwei Jahrzehnten. In der Realität wird es ein prozeßhaftesGeschehen mit wechselnden Tempi sein, mal rasch bis sprunghaft, mal re-tardierend im Verlauf. Wenn mit dieser Arbeit eine breite Diskussion überpflegerische Ausbildung in naher Zukunft ausgelöst und dabei der Blickweit nach vorn gerichtet wird, dann ist ein angestrebtes Ziel erreicht.Wennzudem noch der Mut gestärkt wird, eingefahrene Wege zu verlassen undNeues zu wagen, ohne vorher absolute Sicherheit für einen Erfolg verbu-chen zu können, dann ist ein weiteres Ziel erreicht.

Aus einem kleinen Anfang kann Großes erwachsen. Wichtig ist, daß dasZiel erkannt ist und mit der erforderlichen Energie und Bereitschaft zuVeränderungen angestrebt wird.

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Begründungen für eine Änderung der Pflegeausbildung

1. Belastung der Gegenwart durch Strukturen aus der Vergangenheit

Die pflegerischen Ausbildungen in Deutschland haben sich bisher stets in-nerhalb der vor annähernd 100 Jahren gegebenen Normen und Formenentwickelt. Mit dem jetzt erforderlichen Entwicklungsschritt muß ein neu-er Weg begangen werden, sonst lassen sich die vorhandenen Defizite nichtbeseitigen. Die Defizite sind zu einem beträchtlichen Teil systemimmanent,unter anderem sind sie bedingt durch– die Einbindung in Krankenhausstrukturen,– formal-rechtliche Vorgaben des Gesetzgebers,– Finanzierungsmodalitäten der Ausbildung,– tarifrechtliche Regelungen für die Lernenden und– den Mangel an wissenschaftlichen Erkenntnissen in der Pflege.

Der Krankenhausträger war früher immer und ist heute noch überwiegendgleichzeitig Träger der Krankenpflegeschule. Die Schule ist damit Be-standteil des Krankenhauses und die beschäftigten Lehrpersonen sind des-sen Arbeitnehmer.

Die Finanzierung einer Schule, das heißt die Sach-, Betriebs- und Perso-nalkosten, laufen über den Finanzhaushalt des Krankenhauses, also weit-gehend über Einnahmen von den Leistungsträgern, den Krankenkassen,den Trägern psychiatrischer Versorgungseinrichtungen und von selbstzah-lenden Patienten. Die öffentliche Hand war früher überhaupt nicht an derFinanzierung beteiligt, heute wirkt sie in einigen Bundesländern teilweiseunterstützend. Nur wenige Schulen haben einen eigenen Etat.

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Die hauptamtlich Lehrenden der Kranken- und Kinderkrankenpflege-schulen in den alten Bundesländern sind zu einem hohen Prozentsatz drei-jährig ausgebildete Pflegepersonen mit einer Weiterbildung, die vonSchwesternschaften, Berufsverbänden und Gewerkschaften durchgeführtwird. Dauer, Inhalt und Prüfungsanforderungen sind nicht verbindlichfestgelegt. Mit einer solchen, meist zweijährigen Weiterbildung wird dieForderung des Gesetzgebers erfüllt, der in den staatlich anerkanntenKranken- und Kinderkrankenpflegeschulen eine im Verhältnis zur Zahlder Schülerinnen ausreichende Zahl von Unterrichtsschwestern bezie-hungsweise Unterrichtspflegern vorschreibt. Die Lehrenden haben durcheine solche Weiterbildung keine Qualifikation, die denen der Gewerbe-lehrer gleichzusetzen ist. Durch die Denkschrift „Pflege braucht Eliten“hat die Robert Bosch Stiftung dazu beigetragen, daß akademische Lehr-qualifikationen für Lehrerinnen im Pflegeberuf schrittweise etabliert wer-den.

Dieser Fortschritt wird in den Kranken- und Kinderkrankenpflegeschu-len nur sehr langsam bemerkbar. Absolventen der Studiengänge „Pfle-gepädagogik“ oder „Lehramt für Gesundheitsberufe“ werden von Schul-trägern bisher nur zögernd eingestellt, oder es erfolgt eine Einstellung un-ter der Vergütung, wie sie tarifrechtlich für Unterrichtsschwestern gilt.Andere Eingruppierungsregelungen liegen noch nicht vor. Ein beträchtli-cher Anteil des Unterrichts wird von Honorarlehrkräften erteilt, die kaumeine pädagogische Qualifikation nachweisen können.

Die Schülerinnen einer an ein Krankenhaus angeschlossenen Kranken-oder Kinderkrankenpflegeschule sind Schüler und gleichzeitig Arbeitneh-mer mit tarifvertraglichen Rechten und damit sozialversichert. Sie werdenauf den Stellenplan des Pflegedienstes angerechnet. Je mehr Schülerinnenein Krankenhaus über seine eigene Schule aufnimmt, desto geringer wirdsein Personalbestand an ausgebildeten Pflegepersonen. Die Zuständigkeitfür den Einsatz der Lernenden auf den Krankenstationen und in anderenFeldern der praktischen Ausbildung lag früher bei den „Oberinnen“, denleitenden Schwestern. Die Versorgung der Abteilungen mit zahlenmäßigausreichendem Pflegepersonal hatte und hat oft Vorrang vor dem Ge-sichtspunkt einer strukturierten, folgerichtig aufbauenden praktischenAusbildung. Der Kampf zwischen Pflegedienstleitung oder Pflegedirekto-rium und Schulleitung über die Zuständigkeit für die praktische Ausbil-dung ist noch nicht überall beendet. Selbst wenn die Zuständigkeit bei derSchulleitung liegt, ist damit noch keine Anleitung im Praxisfeld gesichert.Dies bleibt oft ungeplant und ist eher zufällig.

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Der Doppelstatus, gleichzeitig Lernender und tarifrechtlich gesicherterArbeitnehmer zu sein, dient zwei Zielsetzungen, die oft nicht miteinanderin Einklang gebracht werden können, nämlich der Krankenversorgung unddem Bildungsauftrag. Spannungen treten immer wieder auf.

Weiterhin ist die Koordinierung zwischen dem in der Schule erworbe-nen Wissen und Können und dem praktischen Lernen auf den Kran-kenstationen oder in ambulanten Pflegediensten zu gering. Was die Schulevermittelt, wird oft als praxisfern und als zu zeitaufwendig abgewertet. Eskann auch geschehen, daß in der Praxis neuere Hilfsmittel eingesetzt oderPflegemethoden angewendet werden, die in der Schule noch nicht bekanntsind.

Die Verweildauer der Patienten in Krankenhäusern hat abgenommen.Der Anteil an ambulanter Versorgung ist gewachsen und wird weiter zu-nehmen. Mit der Ausbildung konnte bisher nur geringfügig darauf reagiertwerden. Die Ausbildungsvorschrift verlangt einen Einsatz von vier Wochenin der ambulanten Pflege innerhalb der dreijährigen Ausbildung. DieseZeit reicht nicht aus, um auf die pflegerischen Aufgaben außerhalb von sta-tionären Einrichtungen einigermaßen angemessen vorbereitet zu sein.

Da die Lernenden dem Stellenplan des Pflegedienstes zugerechnet sindund über den Krankenhausetat bezahlt werden, besteht seitens des Kran-kenhauses kaum Interesse, den Ausbildungsanteil zu erhöhen. Die Span-nung zwischen Krankenversorgung und Bildungsauftrag ist auch hierspürbar.

Eine Kranken- oder Kinderkrankenpflegeschule gilt kaum noch als po-sitiver Faktor im Betriebsgeschehen. Es wird häufig übersehen, daß– auf diesem Weg Nachwuchs gewonnen werden kann und die Personal-

politik dadurch erleichtert wird,– eine Bildungspolitik auch immer eine Außenwirkung hat und zum Ima-

ge der Institution beitragen kann,– Impulse zur Verbesserung pflegerischer Leistungen, zur Qualitätssteige-

rung und zur Fortbildung des Pflegepersonals von der Pflegeschule aus-gehen können.

Die Verweildauer der ausgebildeten Personen in den Pflegeberufen istkurz. Auffällig ist, daß nur wenige ab dem mittleren Lebensalter, von etwa35 bis 40 Jahren, im Beruf anzutreffen sind. Das bedeutet auch, daß diedurch Erfahrung erworbene Kompetenz für den Beruf verloren geht. Des-halb sollte einiges getan werden, um die Bereitschaft zum Berufsverbleiboder zur Berufsrückkehr zu steigern. Dazu gehören die Beratung über be-

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rufliche Chancen und Möglichkeiten der Weiterbildung, qualifizierte Be-werberauswahl, transparente Personalpolitik in den Institutionen und Be-trieben und nicht zuletzt eine Zuweisung von Verantwortung und formalerKompetenz, die dem erworbenen Wissen und Können entsprechen. Auchaus ökonomischer Sicht ist alles zu unterstützen, was den Verbleib im Be-ruf fördert, denn eine dreijährige Ausbildung kostet pro Person insgesamtetwa 100 000 DM.

Es haben sich auch Defizite entwickelt, die im nicht ausreichend ent-wickelten berufspolitischen Bewußtsein ihren Ursprung haben. Von Pfle-genden ist eher zu erfahren, was nicht zu ihren Aufgaben gehört. Häufigklagen sie über hohe Belastungen durch Übernahme oder Zuweisung vonArbeitsanteilen anderer Berufsgruppen, wie zum Beispiel venöse Blutent-nahmen aus dem ärztlichen Bereich oder Mobilisationstraining aus demAufgabenbereich von Physiotherapeuten. Eine negative Abgrenzung zuanderen Berufen reicht aber nicht aus, um ein eigenes Profil zu erreichen.Seit Jahren fordern die Pflegenden vom Gesetzgeber ein Berufsbild fürihren Beruf und die Festschreibung vorbehaltener Tätigkeiten, das heißtdie Festschreibung von Arbeiten, die nur von ausgebildeten Pflegeperso-nen ausgeführt werden dürfen. Es fehlen jedoch klare Aussagen darüber,über welche Kompetenzen qualifiziert ausgebildete Pflegepersonen verfü-gen und welches Ausmaß an Verantwortung die Berufsangehörigen zuübernehmen in der Lage sind. Es sollte nicht vorrangig gefragt werden, obZeit vorhanden ist, Aufgaben anderer Berufsgruppen zu übernehmen, umsie dann gegebenenfalls zeitweilig in den eigenen Aufgabenkatalog einzu-beziehen. Wichtiger ist es zu klären, ob die Aufgaben aus fachlicher Sichtzum festen Bestandteil des eigenen Aufgabenspektrums gehören könnenund ob dafür ein Zeitbudget anzustreben ist. Die Abwehr neuer Aufgabenoder ihre mürrische, widerwillige Übernahme sind keine zukunftsgerichte-ten Handlungsweisen. Der Verteilungskampf um Kompetenzen und Zu-ständigkeiten im Hinblick auf den Erhalt von Arbeitsplätzen und Auf-stiegschancen, Kostenmanagement und Personalabbau wird auch die Pfle-geberufe erfassen und zu schmerzhaften Erfahrungen führen.

Das berufspolitische Defizit liegt hier in– einer unzureichenden Konturierung der beruflichen Zuständigkeiten,– einer bisher zu geringen „Ausbeute“, belastende Situationen in Chancen

umzuwandeln, und in– der mangelnden Wahrnehmung drohender Verluste, wenn in kleinen

Schritten oder Schnitten pflegerische Aufgaben durch andere Berufs-gruppen inhaltlich verringert werden, beispielsweise bei der Mobilisa-

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tion von Patienten, dem Führen von Beratungsgesprächen oder derSterbebegleitung. Ein solcher Verlust kann auch einsetzen, wenn dieAufgaben von den Pflegenden nicht in der erforderlichen Qualität ge-leistet werden (können).

Grundlegende Änderungen sind nötig und möglich. Das insulare Daseinpflegerischer Ausbildungen muß beendet werden.Wie auch andere Ausbil-dungen im berufsbildenden Schulwesen oder an Hochschulen, sind sie ingrößere Zusammenhänge zu stellen, gesellschaftlich, gesundheitspolitisch,ökonomisch und bildungspolitisch.

Vertraute und primär auf Sicherheit ausgerichtete Strukturen müssenverlassen werden; ebenso ist zu akzeptieren, daß manches, was vor Jahrenvon vielen als Fortschritt gepriesen wurde, sich heute hemmend auswirkt.Dazu zählen auch die von staatlichen Regelungen unabhängige Weiterbil-dung zur Lehrperson in Pflegeschulen und die damit verbundenen Be-rechtigungen nach dem Krankenpflegegesetz.

Der Aufbruch hat schon begonnen. Die pflegewissenschaftlichen undpflegepädagogischen Studiengänge an Fachhochschulen und die univer-sitären Studiengänge zur Lehrerausbildung mit dem Schwerpunkt Pflegesind von großer Bedeutung für die pflegerischen Berufe. Erstmals ist Pfle-ge Gegenstand wissenschaftlicher Analyse und Theoriebildung (und dasdurch Personen, die selbst unmittelbare pflegerische Erfahrung einbrin-gen!). Erstmals werden Lehrende für die Pflege in regulären Lehramtsstu-diengängen ausgebildet, welche die Pflege als zentrales Fach in den Mittel-punkt stellen.

Der Transfer pflegewissenschaftlicher Erkenntnisse in die Berufswirk-lichkeit und in pflegerische Ausbildungen muß angebahnt und vollzogenwerden, sowohl bei der Unterrichtsgestaltung als auch bei der inhaltlichenund methodisch-didaktischen Unterrichtsplanung.

Universitär ausgebildete Lehrerinnen werden derzeit vor allem in Al-tenpflegeschulen eingesetzt, da diese in einigen Bundesländern als öffent-liche Schulen oder als Ersatzschulen geführt werden. Die Kranken- undKinderkrankenpflegeschulen in den alten Bundesländern können nachden geltenden Vorschriften des Krankenpflegegesetzes und der dazu-gehörigen Ausbildungs- und Prüfungsverordnung ohne eine solche Leh-rerqualifikation betrieben und geleitet werden. Es liegt derzeit im Ermes-sen des Schulträgers, sich entweder für eine zur Unterrichtsschwester bzw.zum Unterrichtspfleger weitergebildete Krankenpflegeperson oder für ei-ne Lehrerin mit einem Studienabschluß zu entscheiden. Für die weiterge-

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bildeten Pflegepersonen besteht ein Tarifvertrag. Der Vertrag sieht keinehöhere Eingruppierung für Lehrpersonen vor, die ihre Lehrbefähigungdurch ein Studium erworben haben.

Die Länderregierungen sind nur wenig geneigt, über die bundesrechtli-chen Vorschriften hinaus höhere Forderungen an die Qualifikation derLehrpersonen zu stellen.Allenfalls verlangen sie für manche theoretischenFächer akademische Honorarlehrkräfte. Die Sorge, dem Land finanzielleLasten aufzubürden, ist dabei entscheidend, denn die Kosten für höherqualifiziertes Lehrpersonal belasten die Länderhaushalte, da die Kranken-kassen voraussichtlich nicht bereit sein werden, Mehrkosten zu überneh-men.

Es ist also zur Zeit nicht gewährleistet, daß die bereits jetzt schon aka-demisch ausgebildeten Lehrpersonen auch in den Schulen tätig werden, fürdie sie vorrangig ausgebildet worden sind. Die bestehende rechtliche Son-derstellung und die Finanzierungsmodalitäten der pflegerischen Ausbil-dungen sind entscheidende Hindernisse.

Die Pflegeausbildungen können nicht noch weitere Jahrzehnte außer-halb des öffentlichen Schul- und Hochschulwesens oder ohne klare An-bindung daran fortgeführt werden. Die Schaffung des Berufsfeldes Pflegedurch die Kultusministerkonferenz 1995 kann als ein erstes positives Zei-chen von seiten der Länderregierungen gewertet werden, diesen Sonder-status aufzuheben.

Der Zeitpunkt für zentrale Veränderungen in der formalen organisato-rischen Struktur der Pflegeausbildung ist günstig, weil die berufliche Bil-dung ganz allgemein in ihrer Effizienz und gesellschaftlichen Bedeutungdiskutiert wird. Gegenstand dieser Diskussion sind:– die Leistungen der Lernenden,– die Qualitätsanforderungen an Schule und Lehrende,– die Berechtigungen, die zusätzlich zum berufsbildenden Abschluß er-

worben werden können,– die zukünftige Arbeitsmarktlage für die in der Ausbildung stehenden

Menschen,– die sich verstärkende europäische Konkurrenzsituation,– die Dauer der Ausbildung und– die Zugangswege.

Es ist zu wünschen, daß die pflegerischen Ausbildungen in die neuenzukünftigen Regelungen des berufsbildenden Schulwesens einbezogenwerden.

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Neben dieser Darstellung überwiegend struktureller Aspekte pflegeri-scher Ausbildungen sind deren Inhalte und Zielsetzungen kritisch zu be-trachten und mit der Aufgabenvielfalt im Beruf in Beziehung zu setzen.Die Ausbildungen sind im theoretischen wie im praktischen Teil ausgerich-tet auf pflegerisches Handeln in Einrichtungen des Gesundheitswesens,überwiegend Krankenhäuser und Heime (Altenpflege), und werden in en-ger Verbindung mit ärztlichen Dienstleistungen gesehen.

Die Berufsausübung findet aber nicht mehr in dieser engen Zuordnungstatt. Erhebliche Veränderungen haben stattgefunden, weitere stehen be-vor. Aufgaben der Steuerung, der Vernetzung mit anderen Leistungser-bringern und Institutionen usw. kommen auf die größte Berufsgruppe imGesundheitswesen zu. Ein weiter expandierender Arbeitsmarkt innerhalbdes Gesundheitswesens ist zu erwarten.

Es ist überholt, die Ausbildung an den Lebensphasen der Menschen aus-zurichten (Kranken-, Kinderkranken-, Altenpflege). Ein wesentlich be-deutsameres Differenzierungsmerkmal sind die Art und das Ausmaß derPflegebedürftigkeit und die damit in Beziehung zu setzende fachlicheKompetenz der Pflegenden. Je höher und je komplexer die pflegerischenAnforderungen im Einzelfall sind, desto differenzierter müssen die pflege-rischen Kenntnisse sowie das begründbare pflegetechnische Handeln sein.Dabei ist die Transparenz der pflegerischen Leistungen anzustreben. Ko-operation und Kommunikation mit anderen an der Versorgung der hilfs-bedürftigen Personen Beteiligten werden ebenso zu einem immer wichti-geren Faktor im Behandlungs- und Betreuungsgeschehen wie auch spezifi-sche Qualitätsanforderungen im Rahmen der Pflege.

Ein hoher Anteil junger Menschen muß für den Pflegeberuf geworbenwerden, wenn der prognostizierte höhere Pflegebedarf in den nächstenJahrzehnten infolge eines zunehmenden Anteils langfristig pflegebedürfti-ger Menschen und einer wachsenden Zahl von Menschen, die im hohenAlter pflegebedürftig werden, gedeckt werden soll. Bei der abnehmendenZahl junger Menschen in unserem Staat und dem größer werdenden An-gebot medientechnisch ausgerichteter Berufe kann nicht davon ausgegan-gen werden, daß sich der prozentuale Anteil an Jugendlichen, die sich ei-nem Pflegeberuf zuwenden, erhöht. Aus einem höheren Lebensalter derMenschen ergibt sich allerdings nicht unabdingbar ein höherer Pflegebe-darf. Die heute 40- bis 50jährigen Menschen haben nicht die physischenund psychischen Belastungen des Zweiten Weltkrieges und die Mangel-ernährung der Nachkriegszeit erlitten. Sie haben auch nicht über Jahre hin-weg schwerste körperliche Arbeit unter sehr ungünstigen Bedingungen lei-

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sten müssen wie viele der heute über 65jährigen. Durch veränderte Ein-kommens- und Wohnverhältnisse, durch Arbeitsschutzgesetze und besseremedizinische Versorgung einschließlich Kurberechtigungen ist es möglich,daß die künftige Generation der Älteren und Alten ihren nachberuflichenLebensabschnitt bei besserer Gesundheit und mit mehr Möglichkeiten derSelbstpflege leben kann als die der jetzigen „Alten“.

Innerhalb der Europäischen Union gehören die Pflegeberufe zu den we-nigen Berufen, für die gezielt Richtlinien ausgearbeitet worden sind undfür die damit die gegenseitige Anerkennung der Ausbildungsabschlüssegrundsätzlich möglich ist. Als das vor etwa 25 Jahren geschah, waren dieAusbildungsbedingungen im Geltungsbereich der EU-Richtlinien noch re-lativ homogen. Inzwischen haben sich die Pflegeausbildungen in den ein-zelnen Staaten weiterentwickelt. Die Vergleichbarkeit der Ausbildungenwird immer schwieriger, zumal sowohl die Bildungsstrukturen als auch dieSchul- und Berufsabschlußbezeichnungen erheblich differieren.

Der größte Teil der europäischen Staaten hat die Pflegeausbildungen zu-mindest teilweise in den tertiären Bildungssektor verlagert und mit einemweiterführenden Zugang zu einem Hochschulstudium verbunden. Das istvor vielen Jahren in Skandinavien geschehen, dann in den Niederlanden, inBelgien und in Osteuropa. Am weitesten ist Großbritannien im Projekt2000 mit der Entscheidung gegangen, die Pflegeausbildung insgesamt andie Universität zu verlegen.

Deutschland als eines der reichsten EU-Länder darf im Niveau der pfle-gerischen Ausbildungen und damit in der Qualität der beruflichen/profes-sionellen Pflege nicht hinter dem erreichten Stand seiner Nachbarstaatenzurückbleiben. Die „Zukunftswerkstatt Pflegeausbildung“ hat diesenAspekt in ihren Überlegungen und Vorschlägen berücksichtigt.

2. Ausrichtung der Strukturen an aktuellen und kommenden Aufgaben

Bedarfskalkulationen und Innovationen zur Personalgewinnung müssendie starken Unterschiede in der Pflegebedürftigkeit beachten, die inner-halb der Gruppe, die Hilfe benötigt, vorhanden sind. Die Fähigkeit, sichselbst in allen Lebensbereichen zu organisieren, zu versorgen und zu pfle-gen, die sogenannte Selbstpflegekompetenz, ist beim Säugling nicht gege-ben. Sie wächst mit zunehmendem Lebensalter und nimmt meist im hohenLebensalter wieder ab. Für eine durch Lebensalter, Krankheit oder Behin-

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derung eingeschränkte Selbstpflegekompetenz muß ein Ausgleich geschaf-fen werden. Ein Defizit kann alterstypisch sein. Das Defizit kann so geringsein, daß für den Ausgleich keine fachspezifisch ausgebildete Personbenötigt wird und fast jedermanns Alltagskompetenz ausreicht, um etwabeim Einkaufen, beim Reinigen der Wohnung oder bei der Wäschepflegezu helfen. Das Defizit kann zunehmen, zum Beispiel bei der Körperpflege,zu der die Nagel- und Haarpflege gehören, und bis zur völligen Hilflosig-keit führen. Dann muß zur pflegerischen Hilfe durch Bezugspersonenfachliche Kompetenz hinzukommen.

Die fachliche Kompetenz ist nach Erfordernissen graduell zu differen-zieren. Ein langfristig eingeschränkter Selbstpflegezustand, der keinegroßen Schwankungen aufweist, bei dem der Pflegebedarf nach fachlichenGesichtspunkten ermittelt und in zeitlich festgelegten Abständen immerwieder überprüft wird, bedarf einer anderen Qualifikationsstufe der Pfle-genden, wie es zum Beispiel bei akuten Verschlechterungen des Zustandsoder einem langfristig eingeschränkten Selbstpflegezustand mit hohenSchwankungen, etwa durch Schmerzattacken,Verwirrtheitszustände, Herz-Kreislauf-Komplikationen oder hormonelle Dysfunktionen erforderlichist. Diesen unterschiedlichen Qualifikationsanforderungen müssen diezukünftig ausgebildeten Pflegepersonen Rechnung tragen können.

Eine Forderung nach gleich hoher Qualifikation aller beruflich Pflegen-den geht an der Pflegewirklichkeit vorbei und nützt dem Bestreben nachgrößtmöglicher Qualität der Pflege nicht, sie schadet eher.

Zu bedenken ist:– Der Pflegeberuf muß für viele Frauen und Männer erstrebenswert sein,

sowohl für die, die in höherem Maße an praktischem Tun, basierend aufhandlungsleitender Theorie, interessiert sind, als auch für diejenigen, dieverstärkt an theoretischer pflegewissenschaftlicher Begründung undprozeßgeleiteter, vernetzter Ausrichtung des beruflichen Handelns In-teresse haben.

– Das Erlernte und die Anforderungen im Beruf müssen in deutlichemZusammenhang stehen, sonst wächst bei den engagierten Berufsan-gehörigen die Enttäuschung über das Brachliegen des Wissens und Kön-nens mit der Folge, daß der Beruf nach wenigen Jahren verlassen wird.

– Pflege muß bei erforderlicher Qualität bezahlbar bleiben. Personalko-sten spielen dabei eine wichtige Rolle. Daher müssen Pflegebedürftig-keit und berufliche Qualifikation der Pflegenden sinnvoll aufeinanderbezogen sein. In der Regel erfordert hohe Pflegebedürftigkeit eine hoheQualifikation der Pflegenden, geringere Pflegebedürftigkeit eine gerin-

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gere Qualifikation der Pflegenden. Wenn das nicht beachtet wird, ent-steht die Gefahr der Über- oder der Unterforderung.

– Pflege muß qualitätsorientiert und in Kooperation mit den anderen be-teiligten Berufsgruppen stattfinden.1

– Ausbildungsabschlüsse müssen einen Zugang zum Arbeitsmarkt er-schließen und auf ein lebenslanges Lernen vorbereiten. GünstigeChancen auf dem Arbeitsmarkt sind erreichbar, wenn klare, anforde-rungsorientierte Ausbildungsprofile geschaffen werden und erworbeneQualifikationsstufen mit differenzierten Aufgaben- und Verantwor-tungszuweisungen im beruflichen Arbeitsfeld im Einklang stehen sowieeine klare Zuordnung von Ausbildungsprofilen zu beruflichen Aufgabenvorhanden ist.

Um eine Ausbildungsstruktur nach Qualifikationsstufen zu erreichen, mußdie seit vielen Jahren bestehende Struktur der Ausbildungen nach Lebens-phasen der zu Pflegenden aufgegeben werden. Die Einteilung in drei pfle-gerische (Grund-)Berufe (Kranken-, Kinderkranken-, Altenpflege) wirdbisher als eine positive Besonderheit gegenüber unseren europäischenNachbarn angesehen und häufig mit fachlichen Argumenten im Hinblickauf die Qualität der Leistungen gegen Veränderungen verteidigt.

Durch ein Verharren in traditionellen Bahnen verschließt sich den Pfle-geberufen die Chance, gestaltend und verantwortlich in dem bereits be-gonnenen Umstrukturierungsprozeß im Gesundheitswesen mitzuwirken.Die Gefahr, Pflege als „Restkategorie“ von Aufgaben in der Behandlung,Versorgung, Betreuung und Beratung hilfsbedürftiger Menschen zu sehen,wird sonst größer.

Für die erforderlichen Veränderungen der Ausbildung sind Vorschlägeerarbeitet worden, die in den folgenden Abschnitten dargelegt werden. Ineinem Ausbildungsmodell der Zukunft werden die entscheidenden struk-turierenden Elemente zu Niveauunterschieden in der Qualifikationführen. Sie beziehen sich auf– das Maß der Verantwortung im Hinblick auf Pflegeanamnese, Pflege-

planung, Pflegeprozeß und dessen Evaluation,

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1 Eine indirekte Bestätigung dafür, insbesondere zu Qualitätsfragen und zur Zu-sammenarbeit mit anderen Berufen, ist der Beschluß der 72. Gesundheitsmi-nisterkonferenz „Ziele für eine einheitliche Qualitätsstrategie im Gesundheits-wesen“ vom 9./10. Juni 1999.

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– die Fähigkeit, Schlußfolgerungen aus Beobachtungen, Befunden undPflegeergebnissen zu ziehen, also auf Transferleistungen,

– die Zuweisung pflegerischer Aufgaben, bezogen auf das Ausmaß derPflegebedürftigkeit.

Das von der „Zukunftswerkstatt Pflegeausbildung“ entwickelte Ausbil-dungsmodell schließt sowohl eine generalistische Ausbildung, eine genera-listische Ausbildung mit Schwerpunktsetzung und Vertiefung als auch eineSpezialisierung ein. Es ist durchlässig und bietet Möglichkeiten des beruf-lichen Aufstiegs.

Mehrere Vorteile liegen in der neuen Ausbildungsstruktur:– Die Absolventen sind für ihr Berufsleben flexibler ausgebildet.– Je nach Pflegebedarf einer Institution oder eines ambulanten Dienstes

können die Pflegepersonen entsprechend ihrer Qualifikationsstufe ein-gestellt werden: Pflegepersonen, die den hohen Anforderungen auskomplexen Pflegesituationen entsprechen, und Pflegepersonen, die vonihrer Ausbildung her geringere fachliche Anforderungen angemessenerfüllen können.

– Unterschiedliche Qualifikationsstufen innerhalb der Pflegeberufe kön-nen dazu beitragen, vermehrt Pflegefachpersonen mit kürzerer Ausbil-dungszeit dort mit Pflege zu beauftragen, wo die alltägliche Unterstüt-zung nicht mehr ausreicht oder wo selbst gutwillige Pflege durch über-beanspruchte Bezugspersonen zu einer Gefahr für sie selbst oder fürden Patienten werden kann.

– Die Zahl der Ausbildungsstätten kann durch Konzentration (Pflegeaus-bildungsverbünde) bei gleichbleibender Zahl der Ausbildungsplätzeverringert werden. Das senkt die Kosten der Ausbildung durch effizien-tere Nutzung von Räumen, Lehrmitteln und Lehrpersonen und läßt aufeine Steigerung der Qualität der Ausbildung hoffen.

– Größere Schulsysteme können einen über den verpflichtenden Unter-richt hinausgehenden Unterricht in allgemeinbildenden Fächern anbie-ten und damit den Erwerb eines nächsthöheren Schulabschlusses unter-stützen.

– Pflege bleibt als Beruf mit unterschiedlichen Zugangsvoraussetzungenfür viele offen und bietet den Aufstieg bis in den tertiären Bildungsbe-reich hinein.

Wie bisher werden auch zukünftig Menschen mit verschiedenen Begabun-gen und Neigungen Interesse an einem pflegerischen Beruf haben. Die

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Aufgaben in der Pflege sind vielfältig. Das Ausmaß an Verantwortungdafür ist zu differenzieren und bei einer neuen Ausbildungsstruktur zu be-achten.

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Empfehlungen

Die folgenden Empfehlungen sollen zum Nachdenken anregen, Diskussio-nen auslösen, Mut zum Erproben neuer Strukturen machen, Veränderun-gen zur Folge haben und so mittelbar auf künftige Gesetzgebung und Fi-nanzierung der Ausbildung wirken.

Das Zukunftsweisende der Empfehlungen ist auf einer Zeitschiene zudenken. Einige Empfehlungen sind sehr bald zu verwirklichen, wenn Be-reitschaft zur Veränderung und zur heilsamen Unruhe vorhanden ist. Die-ser bald zu verwirklichende Anteil wird sich an Schulen mit guter perso-neller und materieller Ausstattung wahrscheinlich noch vergrößern lassen.Andere Empfehlungen weisen weiter in die Zukunft hinein und werdenmehr Zeit für eine Umsetzung benötigen. Das darf jedoch nicht dazuführen, sie in Vergessenheit geraten zu lassen.

Sollten die Empfehlungen zum Stein des Anstoßes werden, dann ist dasauch erwünscht, denn auch dadurch kommt Bewegung in die notwendigeDiskussion.

1. Pflegen als menschliche Begegnung undgesellschaftlichen Auftrag begreifen

– Die Würde des Menschen achten– Zur Interaktion und Kommunikation befähigen– Den Prozeß des Werdens begleiten– Verständnis für Fremdes gewinnen oder Fremdes vorurteilsfrei

akzeptieren– Sich der Wechselwirkung zwischen Kulturen bewußt werden – Pflegen als gesellschaftlichen Auftrag begreifen

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Die Würde des Menschen achten

Die Achtung vor der Integrität und die grundsätzliche Wertschätzung desanderen sind von großer Bedeutung für die Beziehung zwischen Men-schen. Das Miteinander in Familie, Schule und Beruf bietet ein wichtigesÜbungsfeld, um die Wertschätzung des anderen zur inneren Haltung wer-den zu lassen und zu entsprechendem Verhalten und Handeln zu führen.Das setzt allerdings voraus, daß die Erziehenden und Lernenden sich alsPersonen in das Geschehen des sozialen Lernens einbringen.

Während der Ausbildung in einem pflegerischen Beruf muß dem sozia-len Lernen besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Je höher derPflegebedarf eines Menschen ist, desto stärker wird er von Pflegepersonenabhängig. Seine Integrität und Intimsphäre (sein Person-Sein) können er-heblich gefährdet werden, wenn seine persönlichen Grenzen nicht respek-tiert und Nähe und Distanz einseitig von den Pflegenden her bestimmtwerden. Vor allem in der praktischen Ausbildung ist adäquates pflegeri-sches Verhalten und Handeln einzuüben.

Zur Interaktion und Kommunikation befähigen

Das Deuten von Alltagssituationen und das Verstehen von verbalen undnonverbalen Äußerungen ist ein wichtiger Bestandteil im zwi-schenmenschlichen Geschehen. Im Verlauf einer pflegerischen Ausbildungist daher die Fähigkeit zu schulen, die Erfordernisse einer Situation, dieBedürfnisse anderer und die eigene Betroffenheit differenziert wahrneh-men zu können. Gleichermaßen wichtig ist es, den oder die anderen zuWort kommen zu lassen und ihnen zuzuhören. Nur dann kann Interaktiongelingen.Auch in asymmetrischen Kommunikationssituationen muß dialo-gisches Geschehen möglich bleiben können. Das kann geschehen, indemAnteilnahme an der Befindlichkeit des anderen emotional zum Ausdruckkommt, sei es durch Berührung, durch gemeinsame Bewegung, durch Be-trachtung von Fotografien oder andere zwischenmenschlich bedeutsameHandlungen.

Eine Versprachlichung des Wahrgenommenen und des eigenen Erle-bens, das mit der Wahrnehmung verbunden ist beziehungsweise war, hatgroßen Wert; Sprache und Denken bedingen einander. DifferenzierteSprache führt zu differenzierter Wahrnehmung; eine gesteigerte Aus-drucksfähigkeit durch Erweiterung des aktiven Wortschatzes und ein sorg-

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samer Umgang mit der Sprache tragen zum Gelingen zwischenmenschli-cher Kommunikation bei. Die Arbeit am sprachlichen Ausdruck muß da-her Bestandteil der beruflichen Ausbildung sein.

Den Prozeß des Werdens begleiten

Persönliche und berufliche Identität zu entwickeln, ist ein lang dauernderund im Leben nie gänzlich abgeschlossener Prozeß. Dieser Prozeß kanndurch (berufliche) Bildung beeinflußt werden, ebenso durch erlittene odermiterlebte besondere Situationen des Lebens wie Geburt, Krankheit, Be-hinderung, Verlust eines nahestehenden Menschen oder das Wissen umden baldigen eigenen Tod. Pflegende und zu Pflegende können daher glei-chermaßen in einem Werde- und Wandlungsprozeß stehen, wenn sie sichbegegnen.

Während der Ausbildung ist der Werdeprozeß der Lernenden von denLehrenden zu begleiten. Zudem müssen die Lernenden vorbereitet wer-den, das mögliche prozeßhafte Geschehen in den von ihnen zu pflegendenMenschen wahrzunehmen. Es sind die Fähigkeiten zu schulen, eigene Hal-tungen und Handlungen zu reflektieren, Entscheidungen zu treffen unddamit Verantwortung zu übernehmen, Stellung zu beziehen, gegebenen-falls Korrekturen am eigenen Verhalten und Tun vorzunehmen.

Die Entwicklung zur eigenverantwortlich handelnden Person kann überpartnerschaftliche Gestaltung von Lehr- und Lernprozessen, über Kennt-nisse und (selbst)kritische Beachtung normativer Regelungen gefördertwerden.

Verständnis für Fremdes aufbauen oder Fremdes vorurteilsfreiakzeptieren

Beruflich Pflegende kommen immer wieder mit Menschen in Kontakt, de-ren Kulturkreis, Lebensform, religiöse Riten und Wertvorstellungen, Ein-stellungen zur Sexualität, zum Mann-Sein, zum Frau-Sein oder eine durchLebensumstände oder Lebensalter mitbestimmte Sichtweise des Lebensfür sie fremd sind. Für manches Fremde kann bei näherer Kenntnis Ver-ständnis aufgebracht werden, manches bleibt fremd und befremdlich.Dann besteht die Gefahr der Abwertung des fremd gebliebenen Menschenund des Verächtlichmachens dessen, was für ihn wertvoll ist. Die Ausbil-

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dung kann dazu beitragen, die Abwehr und Abwertung Fremden gegenü-ber zu verringern, zum Beispiel, indem Einblicke in andere Lebensweisenermöglicht werden und Verständnis aufgebaut wird für die Bedürfnisseund Verhaltensweisen, die sich aus unterschiedlichen Kulturen und Reli-gionen ergeben. Dann können in der Pflegepraxis Bedürfnisse, die ausfremden Sitten und Gebräuchen erwachsen sind, wahrgenommen werden,und es kann ihnen weitestmöglich entsprochen werden.

Sich der Wechselwirkung zwischen Kulturen bewußt werden

Zum modernen Leben gehört die immer intensiver werdende Wechselwir-kung zwischen Kulturen. Sich der eigenen kulturellen und religiösenTradition und Geschichte zu vergewissern und Kenntnisse über fremdekulturelle Traditionen und Kulturgewohnheiten zu erwerben, trägt zumverständnisvollen Zusammenleben in einer pluralistischen und multikultu-rellen Gesellschaft bei. Ausbildung und damit verbundener Unterrichtmuß daher über die Vermittlung fachlicher Inhalte hinaus das eigene kul-turelle Erbe und das geschichtliche Werden einbeziehen. Es werden dannauch Lehr- und Lernsituationen entstehen, die eine Verbindung zu Tradi-tionen und Riten anderer Völker und Nationen ermöglichen und Erfah-rungen aus dem Umgang mit Patienten oder Klienten aus anderen Kultur-kreisen in einem anderen Licht erscheinen lassen.

Pflegen als gesellschaftlichen Auftrag begreifen

Berufliches Pflegen, das originär Betreuen, Begleiten und Beraten ein-schließt, ist ein gesellschaftlicher Auftrag. Es wird erwartet, daß die An-gehörigen des Pflegeberufs den in der Gesellschaft vorhandenen Bedarf anpflegerischen Leistungen erbringen. Durch Rechtsvorschriften sind be-stimmte Voraussetzungen dafür geschaffen worden. Die Finanzierung er-folgt größtenteils aus öffentlichen Mitteln beziehungsweise durch dieBeiträge der Versicherten.Außerdem bestehen in unserer Gesellschaft tra-dierte und religiöse Motive zur Versorgung kranker und hilfsbedürftigerMenschen; sie sind ein Teil der Geschichte pflegerischer Berufe und wirkenbis in die Gegenwart hinein. Sie werden zum Teil erfüllt, ohne daß dafür eingesetzlicher Auftrag besteht, beispielsweise verwirrte Menschen mit länge-rem Zeitaufwand zu versorgen als vorgegeben oder für einen kranken oder

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behinderten Menschen einen Brief zu schreiben, Kontakte wieder herzu-stellen oder zu schaffen, um der Vereinsamung des Kranken entgegenzu-wirken.

Der gesellschaftliche Auftrag muß in der Ausbildung transparent ge-macht werden. Die Akzeptanz des Pflegeberufes in der Gesellschaft undeine Unterstützung seiner Forderungen nach Veränderungen sind nur zuerreichen, wenn Angehörige des Pflegeberufes bereit sind, den Bedürfnis-sen und Anforderungen der Gesellschaft an eine auf den einzelnen Men-schen bezogene Pflege zu entsprechen und die verkürzte Auffassung vonPflege als nur körperbezogene Handlungen sowohl von der Gesellschaftals auch von Pflegenden revidiert wird. Weiterhin ist es unerläßlich, vonBeginn der Ausbildung an eine Engführung des beruflichen Pflegever-ständnisses zu vermeiden und die Weite des Pflegeberufes aufzuzeigen, dieauch Betreuen, Begleiten, Beraten umfaßt.

2. Pflegesituationen aktiv gestalten

– Pflege an den Erfordernissen orientieren, planen und durchführen– Verantwortung der Pflegenden betonen– Pflegebedürftigkeit nicht mit Hilflosigkeit gleichsetzen– Pflegen als eine personenbezogene Dienstleistung auffassen– Beruflich Pflegende auf neue Arbeitsfelder vorbereiten

Pflege an den Erfordernissen orientieren, planen und durchführen

Aktive Gestaltung einer Pflegesituation erfordert, das Pflegegeschehen inseiner Komplexität zu sehen. Dazu gehört es,– sowohl den Mangel in der Selbstpflege dessen, welcher der Pflege be-

darf, als auch seine vorhandenen Selbstpflegemöglichkeiten wahrzuneh-men,

– die (selbst)pflegerischen, prophylaktischen, therapeutischen, rehabilita-tiven, psychosozialen Erfordernisse in der gegebenen Situation zu er-kennen,

– entsprechend fachliches Handeln und Verhalten zu planen,Angebote zuentwickeln sowie die Voraussetzungen für die Umsetzung zu schaffen(personell, sächlich, strukturell bzw. institutionell),

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– die Planung der Pflege und das pflegerische Handeln dem betreutenMenschen verständlich und einsichtig zu machen, ebenso den Berufsan-gehörigen, die an der Versorgung des zu pflegenden Menschen ebenfallsbeteiligt sind,

– das Handeln durchzuführen, auf Auswirkungen hin zu überprüfen, ge-gebenenfalls die Planung zu revidieren und das Handeln der neuen Pla-nung anzupassen.

Um solche Zusammenhänge herstellen und dementsprechend arbeiten zukönnen, ist viel Übung unter Anleitung nötig.

Verantwortung der Pflegenden betonen

Da pflegerisches und ärztliches Tun oft eng aufeinander bezogen sind, ins-besondere in der stationären Versorgung, wird Pflege häufig als ein Wir-kungsbereich betrachtet, der grundsätzlich an ärztliche Weisung gebundenist. Doch Pflege findet auch ohne enge Bindung an ärztliche Handlung oderärztliche Anordnung statt. Die sich vollziehende Verlagerung pflegerischerArbeit aus stationären Bereichen in häusliche wird sich noch erheblich aus-weiten. Damit werden sich der pflegerische Aufgabenbereich ohne unmit-telbare Arztnähe und das Maß der Verantwortung vergrößern. Durch einequalifizierte Ausbildung müssen die Pflegenden sorgfältig darauf vorberei-tet werden,handlungsautonomer tätig sein zu können,das heißt,auch die si-tuativen Erfordernisse zu erkennen und Prioritäten zu setzen.

Zur pflegerischen Handlungskompetenz gehört es,– den Pflegebedarf zu ermitteln,– nach pflegefachlichen Gesichtspunkten zu handeln und dabei pflegeri-

sche Methoden einzusetzen,– Angehörige zu beraten,– begründete Pflegehinweise zu geben,– die Qualität von Pflegemaßnahmen bzw. ihre Auswirkungen zu beurtei-

len,– Überforderung pflegender Angehöriger sowie eine Vernachlässigung

der zu Pflegenden zu erkennen,– Grenzen der eigenen Kompetenz und Zuständigkeit festzustellen und– Verantwortung für das eigene Tun bewußt zu übernehmen.

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Pflegebedürftigkeit nicht mit Hilflosigkeit gleichsetzen

In aktiv gestalteten Pflegesituationen ist der zu Pflegende durch (Re-)Ak-tivierung seiner Selbstpflegefähigkeit und seiner Mitbestimmung im Pfle-gegeschehen als Mitwirkender am pflegerisch-therapeutischen Prozeß zubeteiligen. Ebenso ist das in seiner Umgebung getroffene Pflegearrange-ment zu beachten und sinnvoll/konstruktiv in die Pflege einzubeziehen,insbesondere in der ambulanten Pflege. Pflege durch Familienangehörigeund andere Bezugspersonen ist unerläßlich. Sie kann außer pflegerischenHandreichungen dem zu Pflegenden Geborgenheit und Zuwendung ge-ben. Es obliegt den beruflich Pflegenden, diesen Personen Hilfen für eineangemessene Qualität ihres pflegerischen Tuns zu geben und sie vor Über-forderung zu schützen. In der Ausbildung muß auf diese im Berufslebensehr wichtige Aufgabe vorbereitet werden.

Pflegen als eine personenbezogene Dienstleistung auffassen

Pflegen ist eine personenbezogene Dienstleistung. Das Wort „Dienst-leistung“ wirkt für manche in bezug auf Pflege befremdlich und abwer-tend. Es ist aber eine Tatsache, daß von denen, die Pflege in Anspruch neh-men, Erwartungen und Forderungen an die Leistungen der Pflegendengestellt und die erbrachten Leistungen vergütet werden. Wirtschaftlicheund ökologische Zusammenhänge zwischen dem Handeln der Pflegenden,der Qualität ihrer Leistungen und dem Unternehmen, in dessen Auftragsie handeln, sind in den vergangenen Jahren zunehmend wichtiger gewor-den.

Beides – Kundenaspekt und Unternehmensaspekt – sind in die pflegeri-sche Ausbildung einzubeziehen. Vor allem ist zu vermitteln, welches Ver-halten und welche Fähigkeiten von den Pflegenden erwartet werden, wennihre Dienste in Anspruch genommen werden.

Beruflich Pflegende auf neue Arbeitsfelder vorbereiten

Qualifiziert ausgebildete Pflegepersonen können außerhalb der traditio-nellen stationären und ambulanten Arbeitsfelder tätig werden, indem sieihr Wissen und ihre Kompetenzen in vielen Lebenszusammenhängen alsselbständige Anbieter oder in Institutionen wie Schulen, Gesundheitsäm-

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tern, Familienbildungsstätten, Verbraucherzentralen, Betrieben, Gemein-dezentren, Volkshochschulen und im häuslichen Bereich einbringen. NeueFormen von Lebensgemeinschaften und Betreuungsangebote wie Senio-ren-Wohngemeinschaften und „Betreutes Wohnen“ bieten weitere Aufga-benfelder, in denen Organisation, Beratung und Betreuung sowie Präven-tion zu leisten sind.

Mit Offenheit gegenüber den neuen Bedingungen und Möglichkeitenfür ihr Handeln können Pflegende qualifizierte Arbeitsplätze gewinnen.Zukünftig werden Experten benötigt, um bei Pflegebedarf zu beraten undEntscheidungshilfen gegenüber Pflegeanbietern oder in bezug auf Pflege-hilfsmittel geben zu können.

Auf diese neuen Berufschancen muß die Ausbildung grundsätzlich vor-bereiten und die Bereitschaft fördern, bei der Berufsausübung bisherkaum bekannte Wege einzuschlagen.

3. Ausbildungsinhalte neu ordnen und geeignete Lernwelten schaffen

– Durch Lehrer(fort)bildung auf didaktische und methodische Aufga-ben sowie wissenschaftsorientiertes Lehren vorbereiten

– Inhalte wissenschaftsorientiert lehren– Unterricht an der Komplexität von Pflegesituationen ausrichten– Lehrmethoden einsetzen, die zur aktiven Auseinandersetzung anre-

gen– Voraussetzungen für prozeßhaftes Lernen schaffen und die Reflexion

des Lerngeschehens ermöglichen und einüben

Durch Lehrer(fort)bildung auf didaktische und methodische Aufgabensowie wissenschaftsorientiertes Lehren vorbereiten

Die drei vorangegangenen Empfehlungen setzen notwendigerweise eineentsprechende Qualifizierung der Lehrenden voraus. Eine gute Vorberei-tung auf die Lehrtätigkeit allein reicht nicht aus, denn die Komplexität desLehr-Lern-Geschehens hat zugenommen, die Unterrichtsmethoden habensich differenziert, die Stoffülle ist gewachsen und die Lehrenden haben dieAufgabe, das Wesentliche für die Berufsausbildung auszuwählen; gestiegen

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sind auch die Ansprüche und Erwartungen der Lernenden an die Lehren-den. Dieser Prozeß der steigenden Anforderungen wird sich fortsetzen.Dem muß durch kontinuierliche Bildung der Lehrenden entsprochen wer-den.

Inhalte wissenschaftsorientiert lehren

Begründet lernen bedeutet, Einsicht in vermittelte Sachverhalte über dasschlichte „so ist es richtig“ hinaus zu gewinnen. WissenschaftsorientierteVermittlung gibt zudem Kenntnis darüber, auf welchen Grundlagen dasWissen und seine Begründung derzeit fußt. Wissenschaftsorientiertes Leh-ren muß kritisches Fragen einüben, widersprechende Meinungen und Be-funde zur Diskussion stellen, Formen der Datensammlung thematisierenund den Umgang mit Fachliteratur, Fachzeitschriften und Forschungsbe-richten fördern.

Unterricht an der Komplexität von Pflegesituationen ausrichten

Unterricht, der sich jeweils auf ein einzelnes Fach bezieht, kann die Kom-plexität von Pflegesituationen und den daraus sich ergebenden Aufgabender Pflegenden nicht entsprechen. Daher ist in weiten Teilen der tradierteFächerkanon zu verlassen und fächerübergreifender Unterricht zu planen.Exemplarischer Unterricht und didaktische Reduktion können helfen, dieStoffülle zu bewältigen und die fachliche Qualität des Unterrichts zu ver-bessern. Bei der Planung von Unterricht sollten die Vorkenntnisse der Ler-nenden einbezogen werden.

Lehrmethoden einsetzen, die zur aktiven Auseinandersetzung anregen

Unterrichtsgeschehen soll Interesse und Neugier wecken und zu eigenerLernaktivität führen. Geeignete Methoden können dazu beitragen, das zuerreichen; zu nennen sind hier insbesondere Projektunterricht, Gruppen-unterricht, Rollenspiel, Übungen, Bearbeitung beispielhafter Vorkomm-nisse, Training in „Skill-Labs“, Arbeiten mit Simulationspatienten. SozialesLernen ist dabei als immanentes Ziel stets einzubeziehen.

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Voraussetzungen für prozeßhaftes Lernen schaffen und die Reflexion desLerngeschehens ermöglichen und einüben

Lernen muß als ein Prozeß verstanden und erlebt werden, in dem bisheri-ges Wissen, praktische Erfahrungen und neues Wissen und Können sowieproblemorientiertes und problemlösendes Denken miteinander verknüpftwerden. Das erfordert ein zielgerichtetes Lehren, das den Kenntnisstandder Lernenden einbezieht, Denkanstöße gibt und Zeit läßt, die Impulseaufzunehmen und konstruktiv-kreativ zu verarbeiten.

Der Weg des Lehrens und Lernens vom Ausgangspunkt bis zum er-reichten Stand muß rückschauend überprüfbar sein. Das kritische Be-trachten des Lehr-Lern-Geschehens durch die Lehrenden und Lernendenmuß die Effizienz des Geschehens einbeziehen.

4. Theorie und Praxis neu denken und verändern

– Umfassendes und zusammenhängendes Lernen selbstverständlichwerden lassen

– Curriculare Arbeit immer wieder überprüfen– Arbeitsplätze in ihrer Bedeutung als Lernorte neu entdecken– Lernorte miteinander vernetzen– Durch Lernen in verschiedenen Lernorten den Blick weiten

Umfassendes und zusammenhängendes Lernen selbstverständlich werden lassen

Der traditionelle Lernbegriff geht von einem festen, geschlossenen Kennt-niskanon und einem auf seine Vermittlung hin organisierten Unterrichts-plan aus. Ein Lernen, das zum Erfassen von Zusammenhängen führen, so-ziale Erfahrungen ermöglichen und zur Identitätsfindung beitragen soll,bedarf eines anderen Verständnisses von Lernen und einer anderen Lern-kultur.

Lernsituationen müssen geschaffen werden, in denen fachliches undüberfachliches Lernen, Praxisnähe und Einbeziehung des gesellschaftli-chen Umfeldes, individuelle und soziale Erfahrung miteinander verknüpft

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werden. So können Lernprozesse zu vielfältigen Erfahrungsmöglichkeitengestaltet werden.

Curriculare Arbeit immer wieder überprüfen

Diskussionen darüber, ob, warum, mit welchem Ziel, für welche beruflicheAufgabe etwas gelernt werden soll, müssen stattfinden. Bei der Auswahlvon Lehrinhalten und der Festlegung von Lernzielen ist grundsätzlich zuklären, welche Berufssituationen zu bewältigen sein werden und welchespezifischen Qualifikationen dafür herausgebildet werden müssen. Curri-culare Arbeit ist also sowohl den Berufssituationen als auch den berufli-chen Qualifikationen verpflichtet.

In curriculare Entscheidungen müssen außerdem die Adressaten undihre zum Teil unterschiedlichen Lernvoraussetzungen einbezogen werden,um einen heterogenen Leistungsstand erkennen und berücksichtigen zukönnen. Die Ausbildung in Pflegeberufen muß die legitimierten wissen-schaftlichen Erkenntnisse aus der Pflegewissenschaft einbeziehen.

Der Festlegungsgrad eines erarbeiteten Curriculums (offenes, halboffe-nes oder geschlossenes Curriculum) ist zu bestimmen. Ein geschlossenesCurriculum läßt den Lehrenden wenig Variationsbreite in der Unterrichts-planung, dafür ist die Vergleichbarkeit durchgeführter Lehr- und Lernpro-zesse gut möglich. Bei einem offenem Curriculum ist es genau umgekehrt,und die Ausrichtung des Lehrgeschehens auf die Adressaten hin läßt sichin weitem Umfang realisieren.

Pflegerische Ausbildungen müssen eine Vergleichbarkeit zulassen, undes muß gleichzeitig eine deutliche Ausrichtung auf die Adressaten im Lern-geschehen möglich sein. Ein halboffenes Curriculum läßt beides zu. Eswird daher für pflegerische Ausbildungen empfohlen.

Arbeitsplätze in ihrer Bedeutung als Lernort neu entdecken

Im Pflegeberuf umfaßt die praktische Ausbildung den größten zeitlichenAnteil. Die Lernenden sind bei der jetzigen Struktur der Ausbildung in dasreguläre Arbeitsgeschehen einbezogen. Sie lernen innerhalb eines zu ver-antwortenden Handlungsgeschehens die konkreten Anforderungen desBerufes kennen, erwerben manuelle Fertigkeiten, übernehmen Normen,

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Einstellungen, Wertorientierungen und erfahren ihre individuelle Belast-barkeit. So wird berufliche Identität erworben.

Dieses Lerngeschehen muß in seiner Bedeutung erkannt und genutztwerden, indem entsprechende Anleitungen erfolgen, Möglichkeiten zumwiederholenden, übenden Lernen geschaffen und Begründungen für dasHandeln oder Unterlassen am Lernort erörtert werden. Diese Lernprozes-se sind als Erfahrung in der Lerngruppe aufzuarbeiten, zu diskutieren undzu evaluieren.

Lernorte miteinander vernetzen

Lernorte müssen auf Ausbildungsziele und Qualifikationsstufen hin ausge-richtet sein. Sie müssen untereinander vernetzt sein. Dafür sind Mindest-standards festzulegen. Um dies zu erreichen, sind– Kooperationsstrukturen zu schaffen,– lernortübergreifende Curricula zu konzipieren und zu implementieren,– Projekte zu initiieren und durchzuführen, die theorie- und praxisüber-

greifend sind,– Lernwerkstätten in Praxisfeldern einzurichten,– Lernorte regelmäßig zu evaluieren,– Mentoren aus verschiedenen Lernorten in Zirkeln zusammenzuführen,– Theorie und Praxis qualifikationsorientiert zu gestalten,– Lernvoraussetzungen und Praxiseinsätze aufeinander abzustimmen und– Lernen durch Fallbesprechung oder mit Simulationspatienten zu er-

möglichen.

Durch Lernen in verschiedenen Lernorten den Blick weiten

Die praktische Ausbildung findet bisher fast ausschließlich dort statt, woPflegebedarf vorhanden ist: in stationären und ambulanten Einrichtungender Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflege. Alle diese Institutionensind auf verschiedene Weise verflochten mit anderen Institutionen, vonderen Arbeitsweise und Entscheidungsbefugnisse die Pflegenden nurgeringe Kenntnisse haben, wie Gesundheitsamt, Krankenkassen, Pflege-kassen, öffentliche Verwaltung, Heimaufsicht, Medizinischer Dienst, Tan-dempraxen. Diese Institutionen sollten als Lernorte auf ihre Lernmöglich-

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keiten hin geprüft und mit ihnen gegebenenfalls eine Kooperation ange-strebt werden. Da Prävention und Beratung Bestandteile zukünftiger pro-fessioneller Pflegearbeit sein werden, sind Schulen, Betriebe, Verbrau-cherorganisationen, Frauenhäuser, Gefängnisse und andere Einrichtungenebenfalls als mögliche Lernorte in die Ausbildung einzubeziehen. Lernortemit unterschiedlichen Strukturen bieten die Möglichkeit, systemimma-nente und systemübergreifende Zusammenhänge kennenzulernen.

5. Ausbildung zum Lebens- und Erfahrungsraum werden lassen

– Lernorte zu Stätten dialogischen Lerngeschehens entwickeln– Zur eigenen Verantwortung im Lerngeschehen hinführen– Alltägliche Erfahrungen in die schulische Lernwelt einbeziehen– Mediale Lernwelten erschließen– Schule ist mehr als eine Institution der Stoffvermittlung

Lernorte zu Stätten dialogischen Lerngeschehens entwickeln

Wenn das Ziel angestrebt wird, zur Entwicklung eines mündigen, selbstän-digen Menschen während der Ausbildung beizutragen, dann muß Lehrenund Lernen zu einem dialogischen Geschehen entwickelt werden, dasheißt zu einem Lehr- und Lerngeschehen, in dem die Balance zwischen derVerantwortung der Lehrenden und der Selbstverantwortung der Lernen-den immer neu erprobt wird.

Die Fremdsteuerung im Lernprozeß durch die Lehrenden muß schritt-weise in Selbststeuerung der Lernenden überführt werden; damit wird ei-ne Voraussetzung für lebenslanges Lernen geschaffen. Die Lehrenden ha-ben mehr und mehr die Aufgabe, Lernangebote zu unterbreiten, zu bera-ten und gemeinsam mit den Lernenden Lernfortschritte zu beurteilen. Dassetzt ein verändertes Rollenverständnis der Lehrenden und Lernendenvoraus.

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Zur eigenen Verantwortung im Lerngeschehen hinführen

Die Fähigkeit, Lernprozesse selbst zu steuern und zu intensivieren, wächstmit zunehmendem Wissen und Können der Lernenden. Die Fähigkeitbraucht zu ihrer Entfaltung jedoch Gestaltungsspielraum und unterstüt-zende Lernmittel, ein erweitertes Lernverständnis und eine geeigneteLernkultur. Sie sind von den Lehrenden zu schaffen und zu gestalten.Neue Konzepte wie „Contract-learning“ sind zu erproben. WachsendeVerantwortung der Lernenden für ihr eigenes Lernen kann keine verrin-gerte Verantwortung der Lehrenden zur Folge haben. Eine sorgfältigeBegleitung des einzelnen und eine klare Zielsetzung für den Ausbildungs-abschluß bleiben unerläßlich. Dazu gehört es, als Lehrende Unterforde-rung oder Überforderung sowie Lernschwierigkeiten zu erkennen undAbhilfe zu schaffen.

Alltägliche Erfahrungen in die schulische Lernwelt einbeziehen

Alltagsfragen, Alltagserfahrungen und Alltagsprobleme, welche die Ler-nenden in der beruflichen Praxis erfahren, sind bewußt in schulische Lern-situationen einzubeziehen. So wird das Ausbildungsgeschehen stärker mitder Erfahrungswelt der Lernenden verbunden. Zudem kann der Wertpflegerischen Tuns, das vorrangig an Bedürfnissen der zu Pflegenden undan Situationen orientiert ist, eindeutiger vermittelt werden. Das Erfassenpflegerelevanter Situationen wird dadurch geschult und ein fachlich be-gründbares Verständnis für pflegebedürftige Menschen kann erreicht wer-den. Multiprofessionelles Handeln sollte ebenfalls geübt werden. Eine guteMöglichkeit bieten multiprofessionell konzipierte Themenschwerpunkteoder Module – beispielsweise die Behandlung von Patienten mit Schlagan-fall –, die berufsübergreifend anzubieten sind.

Die praktischen Lernorte müssen innerhalb des gesamten Lerngesche-hens einen höheren Stellenwert erhalten, wenn Theorie-Praxis-Koordina-tion gelingen soll.

Mediale Lernwelten erschließen

Richtig angewendet, steigern die neuen Medien die Lernmöglichkeiten,vorzugsweise die des kognitiven Lernens, und bieten die Chance eigenver-

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antwortlicher Gestaltung von Bildung und Ausbildung. Voraussetzung isteine entsprechend geeignete technische Ausstattung und eine Vermittlungdes technischen Wissens zur Nutzung der Medien an die Lernenden.

Die Verknüpfungsmöglichkeiten verschiedener Techniken und Instru-mente, Datenbanken und Lernprogramme, Kommunikations- und Infor-mationsformen bieten die Chance,– aktiv zu lernen und fürs Lernen motiviert zu bleiben,– Lernchancen wahrzunehmen,– unabhängig von Ort und Zeit zu lernen,– mit eigenem Tempo und selbstgewählter Intensität zu lernen,– interdisziplinäres Lernen zu erproben,– Informationsmöglichkeiten individuell auszuwählen,– neue Wege der Selbstqualifikation zu finden,– Theorie und Praxis zu verknüpfen,– selbstgesteuert und organisiert am Arbeitsplatz zu lernen,– das Lernen im Team zu verbessern,– einen Erfahrungsaustausch mit Tele-Tutoren zu ermöglichen und– direkten Austausch und Vernetzung mit anderen Schulen zu schaffen.

Schule ist mehr als eine Institution der Stoffvermittlung

Lehren und Lernen werden positiv beeinflußt durch gestaltete, geordneteRäume mit ausreichendem Freiraum für jeden einzelnen und viel natürli-chem Licht, durch gute Belüftung und möglichst wenig störenden Lärm.All das wirkt positiv auf das Wohlbefinden; Rücksichtnahme, Aufmerk-samkeit und Konzentration werden erleichtert.

Lehren und Lernen werden auch durch einen Rhythmus positiv beein-flußt, der zum Beispiel besondere Höhepunkte eines Schuljahres und dergesamten Ausbildungszeit vorsieht, auf die gemeinsam hingearbeitet wer-den kann und die ein gemeinsames Erleben ermöglichen.

Die Institution Schule kann zum Lebensraum werden, wenn die äußereund innere Gestaltung der Lernumwelt mit kreativer Aufmerksamkeit be-achtet wird. So erhalten die jungen Menschen die Chance, eigeninitiativund konstruktiv (Lebens-)Zeit zu gestalten.

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6. Schulen durch mehr Selbständigkeit handlungsfähigermachen

– Budgetverantwortung auf die Schulen übertragen und neue Formender Finanzierung schaffen

– Bewerberauswahl nach festgelegten Kriterien vornehmen– Leistungsstand der Schule durch Qualitätsentwicklung und Qualitäts-

sicherung fördern und erhalten– Prüfungsanforderungen mit dem Curriculum in eindeutige Verbin-

dung bringen

Budgetverantwortung auf die Schulen übertragen und neue Formen derFinanzierung schaffen

Die Finanzierung pflegerischer Ausbildungen wird seit Jahren diskutiert.Die sehr unterschiedlichen Finanzierungsmodalitäten in der Bundesrepu-blik Deutschland bei der Deckung der Sach- und Personalkosten sowie der„Schülergehälter“ (Ausbildungsvergütung) blockieren Veränderungenund Modellversuche. Nur schrittweise und über einen längeren Zeitraumwird eine grundlegende Änderung zu erreichen sein.

Der erste Schritt kann sehr bald getan werden. Er sollte die Verlagerungder Budgetverantwortung vom Schulträger auf die Schulleitung zum Zielhaben. Die Fähigkeit für einen effizienten Umgang mit Geld- und Sach-werten kann dadurch gefördert werden. Die Schule erhält Entscheidungs-möglichkeiten innerhalb des vorgegebenen Finanzrahmens und gewinnt soauch mehr Planungsspielraum.

Der zweite Schritt muß auf eine Finanzierung der Ausbildungskostenhinzielen, die frei ist von einer Bindung an Institutionen (Krankenhäuser,Pflegeheime, ambulante Pflegedienste usw.), deren Kostenkalkulationenanderen Vorgaben folgen müssen. Pflegerische Ausbildungen sollten, wieandere berufliche Schulbildungen auch, über öffentliche Haushalte finan-ziert werden. Auf dem Weg dorthin darf die Frage nach Wert und Nutzeneines „Schülergehaltes“ nicht ausgeblendet werden. Während einer quali-tativ hochwertigen beruflichen Bildung kann es nicht Verpflichtung einerSchule sein, lohnabhängige Arbeit für die Lernenden bereitzuhalten.

Die Finanzierung der Ausbildungen und die Einbeziehung der Ausbil-dungen in bestehende Schulformen stehen in engem Zusammenhang. Je

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rascher hier Veränderungen stattfinden, desto schneller muß der Modusder Finanzierung geändert werden.

Bewerberauswahl nach festgelegten Kriterien vornehmen

Der Auswahl von Bewerbern für eine pflegerische Ausbildung müssen Kri-terien zugrunde gelegt werden, die für die beruflichen Anforderungen vonBedeutung sind. Dazu sind insbesondere zu rechnen:– sprachliche Kompetenz (z. B. beim Gespräch mit Patienten oder Be-

wohnern und im multiprofessionellen Team),– ethische Verantwortungsbereitschaft,– Wahrnehmungs- und Beobachtungsfähigkeit,– soziale Kompetenz,– Kritikfähigkeit,– motorische Fähigkeiten,– gute Allgemeinbildung,– „äußeres Erscheinungsbild“, Selbstdarstellung und positive Ausstrah-

lung,– soziales Engagement,– Fähigkeit zur körperlichen Berührung.

Die Auswahl sollte mittels fundierter Assessmentverfahren und durch qua-lifizierte Personen, die nicht nur dem Lehrerkollegium, sondern auch demFührungsteam des Pflegebereichs angehören, vorgenommen werden.

Leistungsstand der Schule durch Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung fördern und erhalten

Schulen müssen sich zu lernenden Institutionen entwickeln und sich selbstin Qualitätsentwicklung, Qualitätssicherung und Kundenorientierung ein-beziehen.

Dazu sind– personelle und organisatorische Voraussetzungen zu schaffen,– transparente Strukturen während der Ausbildungsdauer zu entwickeln,– Ziele für den theoretischen Unterricht und die praktische Ausbildung

festzulegen,

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– Lernorte für die praktische Ausbildung auszuwählen und deren Qualitätständig zu überprüfen,

– Evaluation der Lehre und der Zielsetzungen durchzuführen,– Leistungsvergleiche mit anderen Einrichtungen („benchmarking“, „best

practices“) anzustellen.

Schulen müssen in eigener Verantwortung Veränderungen im alltäglichenGeschehen der Ausbildung vornehmen und auf ihre Auswirkung hin über-prüfen können.

Prüfungsanforderungen mit dem Curriculum in eindeutige Verbindung bringen

Prüfungsleistungen sollen mehr sein als eine möglichst getreue Wiederga-be übernommener Lehrinhalte. Prüfungen müssen fächerübergreifend ge-staltet werden, so daß von den Prüflingen in Zusammenhängen gedachtund argumentiert werden kann. Im Prüfungsgeschehen müssen Möglich-keiten vorhanden sein, die berufliche Wirklichkeit einzubeziehen und da-bei Begründungs-, Entscheidungs- und Handlungskompetenz erkennbarwerden zu lassen. Solche Prüfungsanforderungen müssen mit dem Lehr-und Lerngeschehen innerhalb der Ausbildung in signifikanter Weise inVerbindung stehen.

7. Durch Professionalität zur Qualität gelangen

– Ein fachlich breites Fundament legen– Pflegewissenschaftliche Erkenntnisse in die Ausbildung einbeziehen– Professionalität und Qualität im Zusammenhang sehen– Professionalität als Voraussetzung für Inter- und Transprofessionalität

erkennen

Ein fachlich breites Fundament legen

Auf Werthaltungen basierende Schlüsselqualifikationen wie Fach-, Sozial-,Kommunikations-, Beratungs- und Managementkompetenz müssen in

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ihren Grundzügen während der Ausbildung entwickelt werden. DieseKompetenzen sind in der Berufsausübung unerläßlich und müssen im Ver-lauf einer beruflichen Karriere ständig erweitert und vertieft werden. Ne-ben der Beherrschung pflegerischer Konzepte und Techniken sind siezukünftig wesentlicher Bestandteil beruflicher Pflege.

Pflegewissenschaftliche Erkenntnisse in die Ausbildung einbeziehen

Qualifikationen von Berufsangehörigen sind kein loses Bündel einzelnerKenntnisse und Fertigkeiten, sondern werden als dauerhafte Haltung imBerufsleben erkennbar. Für den Pflegeberuf bedeutet es, daß die beruflichPflegenden in ihren Handlungen einerseits zunehmend auf (pflege)wissen-schaftlich gestützte Begründungen zurückgreifen sollen und dies auch tun;andererseits die organisatorischen Rahmenbedingungen dafür schaffen,ummit dem anvertrauten Patienten und dessen Angehörigen gemeinsam ein in-dividuelles Pflegegeschehen möglichst selbständig gestalten zu können.

Die ersten Schritte sind durch die Einrichtung pflegewissenschaftlicherStudiengänge getan. Die neuen pflegewissenschaftlichen Erkenntnissemüssen Eingang in die Pflegeausbildung finden.

Professionalität und Qualität im Zusammenhang sehen

Pflegeleistungen müssen in einer nachweisbaren, möglichst hohen unddennoch bezahlbaren Qualität erbracht werden. Qualität als Ergebniseiner Leistung wird unter anderem bestimmt durch die Qualifikation derbeteiligten Mitarbeiter und durch die Überprüfbarkeit der pflegerisch-the-rapeutischen Handlungen. Eine Ausbildung, die auf berufliche Leistungs-fähigkeit zielt, muß diese Anforderungen einplanen und Übungsmöglich-keiten schaffen, die Qualitätsüberprüfungen einschließen.

Professionalität als Voraussetzung für Inter- und Transprofessionalität erkennen

Eine enge, zielgerichtete Zusammenarbeit verschiedener Berufsgruppenzur Behandlung und Betreuung pflegebedürftiger Menschen wird zuneh-men (müssen), wenn Professionalität erreicht und die vorhandenen Mög-

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lichkeiten der Versorgung trotz knapper werdender Finanzmittel realisiertwerden sollen. Pflegerische, ärztliche, psychologische und andere thera-peutische Berufsgruppen werden in einem inter- bzw. transprofessionellenSystem zusammenarbeiten. Ein solches Arbeiten setzt ein Selbstverständ-nis eigener Professionalität in jeder beteiligten Berufsgruppe voraus, sonstkann die Kooperation und Koordination nicht gelingen.

Wenn die Pflegenden in berufsübergreifender Arbeit als gleichwertigePartner mitwirken wollen, muß die Entwicklung beruflicher Haltungenund Qualifikationen im Pflegeberuf intensiv in die Ausbildung einbezogenund multiprofessionelles Lernen und Handeln eingeübt werden.

8. Berufliche Autonomie stärken

– Autonomie durch einen aktiv gestalteten Prozeß erwerben underhalten

– Transparenz des Leistungsangebotes anstreben– Qualifikation als Bestandteil beruflicher Autonomie sehen– Berufspolitische Interessen wecken und fördern– Forderungen an den Gesetzgeber präzisieren

Autonomie durch einen aktiv gestalteten Prozeß erwerben und erhalten

(Handlungs-)Autonomie erfordert einen gesellschaftlichen Auftrag sowieProfilbildung und Grenzziehung des eigenen Wirkens. Außerdem setzt sieeinen Bezug zur Geschichte des eigenen Berufes voraus. In den pflegeri-schen Berufen ist das bisher nur teilweise erfüllt. Die sich etablierendePflegewissenschaft und die Studiengänge für Pflegefachlehrerinnen sindein wichtiger Beitrag zur größeren Eigenständigkeit des Berufes.

Den Lehrenden obliegt es, den Lernenden Forschungsergebnisse derPflegewissenschaft zu vermitteln, forschungsintendiertes Arbeiten in derPflege verständlich zu machen und sich um eine enge Verbindung von Pfle-gepraxis und Pflegewissenschaft zu bemühen. Eine (pflege)wissenschaft-lich begründete Pflegepraxis trägt zur Autonomie des Berufes bei.

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Transparenz des Leistungsangebotes anstreben

Prägnante positive Aussagen über das, was von Berufsangehörigen pflege-rischer Berufe verantwortlich geleistet werden kann, machen das Berufs-bild sichtbar. Das ist sowohl für die Personen wichtig, welche die Leistun-gen der Pflegenden in Anspruch nehmen wollen oder müssen bzw. dafürzahlen, als auch für diejenigen, die mit den pflegerischen Berufen zusam-menarbeiten. Transparenz des beruflichen Handelns kann dazu dienen, dieSicherheit und Qualität der pflegerischen Leistungen erkennbar werden zulassen. Sie kann die Sorge der zu Pflegenden verringern, durch unqualifi-zierte Pflege geschädigt zu werden.

Qualifikation als Bestandteil beruflicher Autonomie sehen

Fachliches Wissen und Können sind im Verlauf eines Berufslebens stetig zuergänzen, nur dann kann der Anschluß an den jeweils aktuellen Stand desBerufes erhalten und den Anforderungen aus der Pflegepraxis qualitativangemessen entsprochen werden. Fachliche Kompetenz trägt zu gesell-schaftlicher Akzeptanz und zur beruflichen Eigenständigkeit bei. DieseZusammenhänge sind während der Ausbildung aufzuzeigen, ebenso dieWege, auf denen der Anschluß an die Berufsentwicklung durch Lehrgänge,Workshops, Fortbildungen, Fachliteratur oder Fachzeitschriften gehaltenwerden kann.

Berufspolitische Interessen wecken und fördern

Für grundlegende Veränderungen müssen auf politischer Ebene Mehrhei-ten gesucht werden. Dazu bedarf es starker berufspolitischer Organisatio-nen. Die Stärke ergibt sich aus der Zahl der Mitglieder und aus deren En-gagement. Die Bereitschaft, sich berufspolitisch einzusetzen, kann gewecktwerden, wenn Zusammenhänge und Hintergründe zwischen Zielsetzungendes Berufes und gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen erkennbarwerden. Während der beruflichen Ausbildung sollten die Lernenden be-fähigt werden, berufspolitisch zu diskutieren und zu argumentieren. Sokönnen sie später zur Durchsetzung beruflicher Ziele beitragen.

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Forderungen an den Gesetzgeber präzisieren

Die geltenden rechtlichen Vorschriften für die pflegerischen Ausbildungenlassen nur wenige grundlegende Gestaltungsänderungen zu. Wenn zu-kunftsweisend ausgebildet werden soll, müssen die gesetzlichen Bestim-mungen neu gefaßt werden. Das ist zu fordern. Weiterhin sind gesetzlicheBestimmungen zur eindeutigen Aufgaben- und Verantwortungszuweisungan die pflegerischen Berufe anzustreben.

Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Selbstverwaltung der Pflegeberufe,um nicht nur professionelle Handlungsleitlinien für die Berufsausübungentwickeln, sondern auch sanktionierende Kontrolle ausüben zu können.Während der Ausbildung sind deshalb berufspolitische Themen sachlich-informativ zu erörtern und die gemeinsame Verantwortung der Berufsan-gehörigen für die Entwicklung des Berufsstandes aufzuzeigen.

9. Pflege internationalisieren: Europa als Ausbildungsort und Arbeitsmarkt wahrnehmen

– Sich gegenseitig kennenlernen– Internationale Kompatibilität ermöglichen– Lernende nichtdeutscher Herkunft fördern– Fremdsprachliche Kenntnisse stärken

Sich gegenseitig kennenlernen

In einem zusammenwachsenden Europa und angesichts der wachsendenGlobalisierung müssen die Pflegenden Kenntnisse erwerben über Planung,Organisation und Durchführung von pflegerischen Ausbildungen und überAnforderungsprofile von Prüfungsabschlüssen und den mit den Abschlüs-sen verbundenen Berechtigungen außerhalb des eigenen Landes und vorallem in den Nachbarstaaten.

Schulpartnerschaften und die Vernetzung mit Schulen im Ausland sindanzustreben; Lehrerinnen mit pflegerischer und pädagogischer Auslands-erfahrung können dabei eine gute Hilfe sein. Auch gemeinsame Schüler-projekte und die neuen Medien mit ihren Möglichkeiten der Informationund Kommunikation sind hier als geeignete Helfer zu nutzen.

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Internationale Kompatibilität ermöglichen

Langfristig ist anzustreben, die Ausbildungssysteme für Pflegeberufe zu-mindest innerhalb der EU-Staaten kompatibel zu gestalten. Dazu ist es un-erläßlich, daß die pflegerischen Ausbildungen in der BundesrepublikDeutschland eindeutig und bundeseinheitlich in das sich entwickelnde be-rufsbildende Schulwesen eingepaßt und somit formal klare Zugangskrite-rien, Anforderungs- und Abschlußprofile für die Ausbildungen geschaffensowie die Zugangsberechtigungen zu weiterführenden Bildungsgängenfestgelegt werden.

Über die erste Berufsqualifizierung hinaus müssen sich die Pflegendenmit den Berufskolleginnen anderer Länder in Fortbildungs-, Weiterbil-dungs- und Studienabschlüssen vergleichen können. Neben formalrechtli-chen Regelungen von seiten des Staates (so weit sie erforderlich sind) sinddazu Absprachen und Regelungen zwischen den großen Berufsverbändenmit ihren internationalen Verbindungen zu treffen, um so die erforderli-chen Voraussetzungen dafür zu schaffen.

Lernende nichtdeutscher Herkunft fördern

Der Anteil ausländischer Menschen an pflegerischen Ausbildungen nimmtzu. Es gibt Schulen, in denen ihr Anteil bis zu einem Viertel und mehr be-trägt.Auch wenn ein allgemeinbildender Schulabschluß in Deutschland er-worben worden ist, kann nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden,daß das Sprachverständnis ein Niveau erreicht hat, wie es für eine Pflege-ausbildung und den Umgang mit zu pflegenden Personen erforderlich ist.Eine entsprechende Förderung ist geboten, zum einen, um dem einzelnengute Startchancen in den Beruf zu geben, zum anderen, um diese Men-schen für den Pflegeberuf zu gewinnen und damit ihre besonderen Kennt-nisse vor allem in Sprachen, Lebensgewohnheiten und religiösen Riten ausihrem Herkunftsland für ausländische Patienten und Heimbewohner nut-zen zu können.

Fremdsprachliche Kenntnisse stärken

Sprache als Medium des Ausdrucks und der Verständigung sollte nicht aufdie Muttersprache beschränkt bleiben. Möglichkeiten, während der pflege-

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rischen Ausbildung fremdsprachliche Kenntnisse zu erwerben, zu erwei-tern und anzuwenden, sollten gesucht und genutzt werden.

10. Strukturen verändern: Ausbildung neu gestalten

– Neue Kriterien für eine Differenzierung pflegerischer Ausbildung an-wenden

– Ausbildungsniveau und zukünftige berufliche Anforderung und Ver-antwortung in enge Beziehung zueinander setzen

– Qualität wichtiger als Quantität erachten– Den rechtlichen Sonderstatus der Pflegeschulen aufheben– Den Stellenwert praktischer Pflege wieder erhöhen

Neue Kriterien für eine Differenzierung pflegerischer Ausbildungen anwenden

Es ist überholt, die Ausbildungen an Lebensphasen der Menschen auszu-richten, also in Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflegeausbildung zudifferenzieren. Ein wesentlich bedeutsameres Differenzierungsmerkmal istdas Ausmaß der Pflegebedürftigkeit und die damit in Beziehung zu set-zende fachliche Kompetenz der Pflegenden. Je höher und je komplexer diepflegerischen Anforderungen im Einzelfall gegeben sind, desto differen-zierter müssen die pflegerischen Kenntnisse sowie das begründbare pfle-getechnische Handeln sein. Kriterien für eine Differenzierung der Ausbil-dung im Pflegeberuf müssen daher Anforderungsprofile sein, die auf un-terschiedliche Grade an Kompetenzen und Verantwortung imPflegegeschehen ausgerichtet sind.

Ausbildungsniveau und zukünftige berufliche Anforderung und Verant-wortung in enge Beziehung zueinander setzen

Die Ausbildung muß so konzipiert werden, daß die in der Pflegepraxis vor-handenen unterschiedlichen Anforderungen berücksichtigt werden. Das istzu realisieren, indem mehrere Qualifikationsstufen in der Ausbildung ge-schaffen werden. Zugangsvoraussetzungen, Theorie-Praxis-Relationen,

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Umfang der Einbeziehung wissenschaftlicher Arbeitsweisen und die Prü-fungsanforderungen sind Maßstäbe dafür.

Qualität wichtiger als Quantität erachten

Die Diskussion über ausreichende pflegerische Versorgung der Bevölke-rung wird fast ausschließlich mit Hinweisen über den zahlenmäßigen Be-darf an Pflegefachpersonen geführt. Eine solche Argumentation greift zukurz. Pflegefachpersonen mit der Befähigung, Pflegesituationen differen-ziert wahrzunehmen, sind in der Lage, sofort die erforderlichen Maßnah-men einzuleiten und damit zeitliche Verzögerungen und Pflegefehler zuvermeiden. Ebenso können sie die vorhandene Selbstpflegekompetenz desPatienten einschätzen und die mögliche pflegerische Unterstützung durchBezugspersonen aus seinem persönlichen Umfeld oder durch ehrenamtli-che Helfer konstruktiv gestalten. Die Zielsetzung nach hoher Ausbildungs-und Leistungsqualität innerhalb einer jeden Ausbildungsqualifikation mußdeshalb Vorrang haben vor dem Bestreben, eine möglichst große Zahl vonPersonen auszubilden. Höher qualifizierte Fachkräfte verringern letztend-lich den Bedarf an Pflegepersonen.

Den rechtlichen Sonderstatus der Pflegeschulen aufheben

Der rechtliche Sonderstatus, den die pflegerischen Ausbildungen seit Jah-ren innehaben, ist kein förderliches Privileg mehr. Die pädagogischen, di-daktisch-methodischen Entwicklungen im Schulwesen und die Finanzie-rungsregelung beruflicher Bildung durch die öffentliche Hand sind für dieKranken-, Kinderkranken- und Altenpflegeschulen weitgehend ohne Aus-wirkungen geblieben. Die an den Pflegeschulen erworbenen Abschlüssebieten keine formalrechtliche Anbindung an weiterführende Fach- oderFachhochschulen. Die Gefahr dauerhafter Isolierung vom berufsbildendenSchulwesen und unzureichender Anbindung der Ausbildung an(pflege)wissenschaftliche Erkenntnisse besteht, wenn der Sonderstatus inseiner jetzigen Form erhalten bleibt. Ein Übergangsstadium mit der Er-probung neuer Wege muß gewagt werden, um Stagnation zu verhindern.

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Den Stellenwert praktischer Pflege wieder erhöhen

In unserer Gesellschaft wird der Wert einer Ausbildung häufig nach demAnteil des theoretischen Unterrichts bemessen. Diese Wertakzentuierungließ sich zumindest zeitweilig auch in den Schulen pflegerischer Ausbil-dungen erkennen. Pflegerisches Können erweist sich jedoch zum Beispieldurch zutreffende Beobachtung, sicheres Handeln und geschickte Nutzungpflegerischer Hilfsmittel. Diese Fähigkeiten dürfen nicht nachrangig ange-sehen werden, sie müssen zu einem wichtigen Schwerpunkt in der Ausbil-dung werden. Besonders sorgfältig muß das pflegerische Tun eingeübt wer-den, das direkte Körperberührung erfordert. Scheu und Scham auf seitender Lernenden und der zu Pflegenden müssen beachtet und fördernd re-flektiert werden.

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Das neue Ausbildungsmodell2

1. Die wichtigsten Merkmale des neuen Ausbildungsmodells

Qualifikationsstufen

An die Stelle der bestehenden Dreigliederung der pflegerischen Berufe(im engeren Sinne) tritt eine Pflegeausbildung, gegliedert durch drei bzw.vier Qualifikationsstufen:

Pflegefachperson I 2jährige berufsbildende Pflegeschuleoder gleichwertige Schulausbildung

Pflegefachperson II (Sek II) 4jährige berufsbildende Pflegeschuleoder gleichwertige Schulausbildung

Pflegefachperson II mit Diplom (Hochschule/Berufsakademie) oder Bachelor-Abschluß

Pflegefachperson III mit Universitätsdiplom, Magister- oderMasterabschluß

Die Durchlässigkeit zwischen den Qualifikationsstufen ist garantiert.

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2 Die ausführliche Beschreibung des neuen Ausbildungsmodells findet sich inTeil V der Systematischen Begründung.

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Generalisierung und Spezialisierung

Die Ausbildung orientiert sich nicht mehr an Lebensphasen, sondern amPflegebedarf. Sie ermöglicht eine höhere Flexibilität der Einsatzmöglich-keiten von Pflegefachpersonen.

Pflegefachpersonen I werden generalistisch, ohne Schwerpunktsetzungfür allgemeine Arbeitsfelder im Pflegeberuf ausgebildet. Sie werden vor-rangig in Pflegesituationen tätig sein, die voraussichtlich über einen länge-ren Zeitraum konstant sind oder bei komplexen Pflegesituationen in en-gem Kontakt mit Pflegefachpersonen II arbeiten.

Pflegefachpersonen II (Sek II) werden ebenfalls generalistisch ausgebil-det, aber mit einer Schwerpunktsetzung und mit Vertiefungen. Die Ausbil-dung soll sie zur differenzierten Pflegediagnostik und zur selbständigenSteuerung von Pflegeprozessen befähigen, so daß sie in der Lage sind, inkomplexen Pflegesituationen sach- und fachgerecht zu handeln und gege-benenfalls Weisungen zu erteilen.

Pflegefachpersonen II mit einem an einer Hochschule oder Berufsaka-demie erworbenen akademischen Abschluß sollen, wie die im Sekundar-bereich II ausgebildeten Pflegefachkräfte, für die genannten beruflichenTätigkeiten ausgebildet und mit gleichen pflegerischen Aufgaben betrautwerden. Zudem sollen sie verstärkt auf die Übernahme von Aufgaben imorganisations- und gesellschaftsbezogenen Aufgabenfeld vorbereitet sowiezur Durchführung kleinerer Forschungsprojekte oder Teile von For-schungsprojekten befähigt werden.

Pflegefachperson III kann werden, wer nach Abschluß der Ausbildungzur Pflegefachperson II ein ein- bis zweijähriges Studium absolviert und esmit einem Universitätsdiplom, Magister oder Mastergrad abschließt. DieDauer eines Studiums richtet sich nach der angestrebten Spezialisierung.Spezialisierungen können sich an heute vorhandenen Fachweiterbildungenorientieren. Es werden weiterhin Management-Studiengänge angebotenwerden, die, wie bisher, zur Leitung und Führung von Einrichtungen, Ab-teilungen und Personal befähigen. Außerdem werden bestehende Studi-engänge fortgesetzt und weiterentwickelt, die Pflegewissenschaft, Pflege-forschung und Pflegebegutachtung zum Inhalt haben.

Spezialisierungen für Pflegefachpersonen II bleiben auch außerhalb destertiären Bereichs erhalten. Sie werden inhaltlich an den beruflichen Er-fordernissen ausgerichtet.

Promovierte Pflegefachperson. Als weitere Stufe der Qualifikation bie-tet sich, wie auch in anderen wissenschaftlichen Disziplinen, die Möglich-

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keit einer Promotion. Promovierte Pflegefachpersonen werden überwie-gend in der Wissenschaft beschäftigt sein, also in der Lehre und Forschungan Hochschulen und wissenschaftsbezogenen Instituten, aber auch inBehörden oder später in Institutionen der beruflichen Selbstverwaltung.

Modularisierung in Verbindung mit Kreditpunktesystem und Basismodulen

Modularisierung des Lernens bedeutet eine Strukturierung der Lehr- undLerninhalte in zusammenhängende, überschaubare Themen, die in einembestimmten Zeitraum intensiv bearbeitet werden und mit einer definiertenLernkontrolle abschließen. Richtungsweisende Ziele sind den Modulenübergeordnet, durch sie ist ein kohärenter Lern-Lehr-Prozeß zu gewähr-leisten. Mit der Abschlußkontrolle können Kreditpunkte vergeben wer-den, die anstelle von Benotung stehen. Darüber hinaus müssen allgemeineVerständnisgrundlagen als Basismodule in komplexen Zusammenhängenüber längere Ausbildungsabschnitte hinweg gelehrt und gelernt werden.Hohe Selbständigkeit der Lernenden und damit wachsende Eigenverant-wortung für den Lernerfolg sind als Zielsetzung mit dem Lernen in Modu-len verbunden. Das erfordert eine kontinuierliche Beratung und Beglei-tung der Lernenden durch Lehrende, die ihren Auftrag darin sehen, ziel-orientiert berufspädagogisch zu arbeiten und, über die Vermittlung vonUnterrichtsinhalten hinaus, die Lernenden in ihrem „Prozeß des Werdens“zu fördern. Modularisierung und Kreditpunkte ermöglichen individuelleslebenslanges Lernen und stellen die Vergleichbarkeit der Lernergebnissesicher.

Weitere Gestaltungsprinzipien der Ausbildung

Die überwiegend medizin- und krankheitsorientierte Pflegeausbildungwird in eine pflege- und gesundheitsorientierte Ausbildung überführt.Fächerübergreifender und fächerintegrativer Unterricht, ausgerichtet anPflegesituationen, Pflegephänomenen,Verläufen individueller Krankheits-geschehnisse, gegebenenfalls verbunden mit (pflegeforschungs)prakti-schen Übungen, werden zur notwendigen Veränderung beitragen.

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Praktische Ausbildung

Die praktische Ausbildung kann nicht nur in Einrichtungen der stationärenKrankenversorgung oder Altenpflege stattfinden. Der häuslichen Pflegeund den zukünftigen Aufgaben der Betreuung und Beratung wie auch derPrävention muß in der praktischen Ausbildung mehr Raum gewährt wer-den. Die geplante und reflektierte Anleitung durch qualifizierte und frei-gestellte Mentoren, Praxisanleiter und Pflegelehrer ist ein wichtiger Faktorim Ausbildungsgeschehen.

Ziel dieses Ausbildungsbestandteiles ist die praktische Handlungsfähig-keit, die das Beobachten, Planen und Bewerten der pflegerischen Arbeiteinschließt. Die Organisation, Durchführung und Qualitätssicherung derpraktischen Ausbildung wird durch Pflegeausbildungsverbünde sicherge-stellt.

Prüfungsgestaltung

Die Prüfungen sollen den beruflichen Schwerpunkt Pflege erkennen las-sen. Dazu gehört auch die Fähigkeit, komplexe Pflegesituationen zu erfas-sen, notwendige Schritte einzuleiten und zu begründen; theoretisches Wis-sen ist zu vernetzen. Eine Vergleichbarkeit des Anforderungsniveaus sowieder Beurteilung von Prüfungsleistungen ist künftig unerläßlich.

Qualitätsorientierung

Die Vergleichbarkeit von Prüfungsleistungen steht in enger Beziehung zurangestrebten Qualitätsorientierung einer jeden Schule. Das Qualitätsni-veau einer Bildungsdienstleistung ergibt sich aus vorhandenen Strukturenund angewandten Prozessen. Zu den Strukturen zählen die Ausstattungder Bildungseinrichtung und die Qualifikation der Lehrenden. Die Prozes-se beziehen sich auf Vorgänge im Lehr-Lern-Geschehen, auf das Assess-mentverfahren bei der Auswahl der Lernenden und auf die interne und ex-terne Überprüfung des Qualitätsmanagements.

Die nachfolgende vergleichende Tabelle 1 gibt einen Überblick über diegeplante zukünftige Ausbildung und die heutige Ausbildungsstruktur.

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2. Gegenüberstellung von Pflegeausbildung der Zukunft undderzeit bestehender Ausbildung in der Pflege

Tab. 1

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Zukunftsmodell

1. QualifikationsstufenEs gibt drei bis vier Qualifikationsstufen:Pflegefachperson I, berufsbildende PflegeschulePflegefachperson II, berufsbildende Pflege-schulePflegefachperson II, Fachhochschule/Berufsaka-demie (Bachelor/FH-Diplom)Pflegefachperson III, Hochschule (Universitäts-diplom oder Master)

Die Ausbildung nach Qualifikationsstufen orien-tiert sich an der unterschiedlichen Komplexitätvon Pflegesituationen und der damit in Relationstehenden erforderlichen Fachkompetenz undVerantwortung. Durchlässigkeit zwischen denQualifikationsstufen ist gegeben. Eine klare De-finition der Qualifikationsstufen erleichtert eineadäquate und flexible Zuweisung von Pflege-fachpersonen je nach Pflegebedarf.

2. Generalisierung, Schwerpunktsetzung undSpezialisierungEs gibt einen Berufsabschluß Pflege (generali-stisch).

Durch die umfassende Bestimmung des Aufga-benfeldes der Pflegenden erhält die Ausbildungeine breitere Grundlage: Pflege- und Behand-lungsprozesse, organisations- und gesellschafts-bezogene Prozesse werden auf allen Qualifika-tionsstufen in die Ausbildung einbezogen.

Ausbildung zur Pflegefachperson II schließt eineSchwerpunktsetzung ein. Spezialisierungen er-folgen entweder im weiterführenden Studiumzum Master oder außerhalb des tertiären Bil-dungsbereichs als Fort- und Weiterbildung. DieSpezialisierungen werden in anderen Organisa-

Heutige Ausbildungsstruktur

1. QualifikationsstufenDie Ausbildung endet mit einem Ex-amen entweder in Krankenpflege,Kinderkrankenpflege oder Alten-pflege. Daneben gibt es eine Kran-ken- und Altenpflegehelferausbil-dung.

2. Ausrichtung der Ausbildung anLebensphasen und stationärenPflegeeinrichtungenDie Ausbildung bezieht sich entwe-der auf Kinder, kranke Erwachseneoder alte Menschen, die vorwiegendin stationären Einrichtungen derKranken- und Altenpflege gepflegtwerden.Die Ausbildungen in der Kranken-und Kinderkrankenpflege sind deut-lich medizin- und krankenhausorien-tiert und bereiten häufig stärker aufAusführungen ärztlicher Anordnun-gen und auf Arztassistenz vor als aufden originären Aufgabenbereich derPflege. Es folgt nur eine geringeVorbereitung auf häusliche Pflege.

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tionsformen als die bisherigen Fachweiterbil-dungen durchgeführt; der zeitliche Aufwandverringert sich, weil bereits die AusbildungKenntnisse vermittelt, die heute Bestandteilvon Weiterbildungen sind.

3. Modularisierung, KreditpunktesystemDer Lernprozeß ermöglicht individuelles Ler-nen, aber auch ein Lernen, das klare Leistungs-überprüfungen zuläßt. Module sind dafür eingeeignetes Instrument, und sie bestimmen dasUnterrichtsgeschehen. Die Leistungen zum Ab-schluß eines Moduls werden mit Kreditpunktenbewertet und damit national und internationalvergleichbar. Die Verantwortung der Lernen-den für die eigenen Lernfortschritte und für einlebenslanges Lernen wird zunehmen. Die Ein-gliederung von Berufsrückkehrern wird erleich-tert. Der Ausbildungsort kann ohne Problemegewechselt werden.

4. Gestaltungsprinzipien/InhalteNeue Lehr-Lern-Formen und Inhalte müssenmit den angestrebten Qualifikationen undKompetenzen im Einklang stehen. Daher wer-den vorrangig Unterrichtsformen angewendet,welche die Aktivität der Lernenden herausfor-dern, wie Projektunterricht, erfahrungsbezoge-ner und handlungsorientierter Unterricht, Ein-satz neuer Medien, Skill-Labs.Der Unterricht ist fächerübergreifend undfächerintegrativ, um sowohl die Stoffülle zu ver-ringern als auch den Bezug zu den pflegeberuf-lichen Aufgaben im gesamten Unterricht herzu-stellen.Das Lehr-Lern-Geschehen ist prozeßhaft zu ge-

Es gibt mehrere arbeitsfeld- undfunktionsbezogene zweijährige Fach-weiterbildungen zur Fachkranken-schwester oder zum Fachkranken-pfleger, die begonnen werdenkönnen, wenn nach Ausbildungsab-schluß noch ein bis zwei Jahre Pra-xiserfahrung im Beruf nachgewiesenwerden können. Dieser zeitaufwen-dige Weg der Weiterbildung wirdhöchstens einmal im Leben beschrit-ten. Er bietet keinen Anreiz, sich fürandere Spezialaufgaben erneut zuqualifizieren.

3. Modularisierung, Kreditpunkte-systemnicht vorhanden

4. Gestaltungsprinzipien/InhalteDie Ausbildung ist gekennzeichnetdurch– Frontalunterricht,– traditionellen Fächerkanon,– atomisierte Themen und– Medizin-/Krankheitsorientierung.Vereinzelt werden neue Lehr-Lern-Formen umgesetzt.

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stalten und durch Reflexion und Evaluation inseiner Wirksamkeit zu überprüfen. Lehren undLernen muß die Persönlichkeit der Lernendenals Ziel einschließen.

5. Praktische AusbildungDie angestrebte Breite der Ausbildung erfor-dert praktische Ausbildung an sehr unterschied-lichen Praxisorten. Spezielle Kooperations-strukturen zwischen den Lernorten werden denTheorie-Praxis-Transfer sichern. Ausgebildeteund partiell freigestellte Mentoren in den prak-tischen Lernorten (Betrieben) haben für eineangemessene Praxisvermittlung zu sorgen.

6. PrüfungenZum einen wird eine formale Vergleichbarkeitder Abschlußergebnisse gegeben sein, zum an-deren eine inhaltliche Gestaltung erreicht, mitwelcher der Leistungsstand für die angestrebteQualifikationsstufe erkennbar wird. Die Fähig-keit, praktisches Handeln und theoretischesWissen in Beziehung zueinander zu setzen, istdabei von Bedeutung. Der Prüfungsvorsitz liegtbei einer Pflegelehrperson.

7. Qualifikation der LehrendenDie Zahl der hauptamtlichen Lehrpersonen sollerhöht werden und ihre Qualifikation durch einentsprechendes Studium mit der von Lehrernan berufsbildenden Schulen gleichwertig sein.Für Managementfunktionen einer Schulleitung

5. Praktische AusbildungDie Einsatzorte und die Ausbildungs-zeit in der Praxis sind durch die Aus-bildungs- und Prüfungsordnung engvorgegeben. So findet die praktischeAusbildung fast ausschließlich imKrankenhaus bzw. im Altenheimstatt. Die Arbeitsleistung der Lernen-den steht meist im Vordergrund. ZurAnleitung sind zum Teil Mentorenvorhanden, jedoch fehlt für sie meisteine klare Aufgaben- und Kompe-tenzzuweisung.Die Vernetzung mit der schulischenAusbildung ist noch gering.

6. PrüfungenPrüfungsfächer und zeitlicher Prü-fungsumfang sind vorgegeben. DieInhalte,Anforderungen und Bewer-tungen des schriftlichen Prüfungsteilswerden meist von der zuständigenBehörde festgelegt. Kennzeichen derPrüfungen ist ein unverbundenesPrüfen von Einzelfächern. Der Prü-fungsvorsitz kann nicht von einerPflegelehrperson übernommen wer-den, er steht nur Medizinern zu. In ei-nigen Bundesländern wird von diesergesetzlichen Vorgabe abgewichen.

7. Qualifikation der LehrendenDie hauptamtlichen Lehrpersonensind überwiegend 3jährig ausgebilde-te Pflegepersonen mit einer meist2jährigen Weiterbildung, die nachden gesetzlichen Vorschriften zumUnterrichten in der Pflege und zur

Zukunftsmodell Heutige Ausbildungsstruktur

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müssen zusätzliche Qualifikationen nachgewie-sen werden.Die Anzahl der Honorarlehrpersonen wird ver-ringert, dafür werden mehr hauptamtlich Leh-rende mit pädagogischer, pflegefachlicher undanderer fachlicher Lehrbefähigung unterrich-ten.

8. Zugangsberechtigung und Ausbildungs-dauerGezielte Bewerberauswahl erfolgt durch diffe-renziertes und verbindliches Assessmentverfah-ren, mit dem die Befähigung für die Ausbildungüberprüft wird. Der Abschluß der allgemeinbil-denden Schule ist daher nicht der allein ent-scheidende Faktor. Befähigte Hauptschüler er-halten den Zugang zur Ausbildung zur Pflege-fachperson I.Dauer in der ÜbersichtPflegefachperson I: 2 Jahre (entspricht von derZielsetzung her der heutigen 3jährigen Ausbil-dung)Pflegefachperson II: 4 Jahre (wird umfassenderausgebildet, ist breiter einsetzbar und durchSchwerpunktsetzung mit zusätzlichem Wissenund Können ausgestattet).Pflegehilfeausbildung entfällt.

9. Rechtlicher Status der Schulen und derLernendenBerufsbildende Pflegeschulen sind in das be-rufsbildende Schulwesen und in den tertiärenBildungsbereich einbezogen. Es können Ver-bundschulen, Bildungszentren, Berufsfachschu-

Schulleitung berechtigt sind. EineVorbereitung auf ein zweites Lehr-fach ist mit der Weiterbildung nichtverbunden. Eine langsame Verände-rung ist festzustellen: Absolventenpflegepädagogischer Studiengängeund Absolventen vom Lehramtsstu-diengang Pflegewissenschaft werdenals Lehrende in den Pflegeschuleneingestellt.Die hauptamtlichen Lehrpersonenverfügen zwar über die fachlicheQualifikation für Pflegeunterricht,Unterricht in anderen Fächern wirdweitgehend Fremddozenten ohnepädagogische Lehrbefähigung undohne pflegerische Orientierungübertragen.

8. Zugangsberechtigung und AusbildungsdauerRealschulabschluß und vollendetes17. Lebensjahr sind die vorgeschrie-benen Zugangsvoraussetzungen.Auswahlverfahren sind sehr unter-schiedlich gestaltet, verbindlicheVorgaben sind bisher nicht ent-wickelt worden.Kranken- und Kinderkrankenpflegebundeseinheitlich geregelt 3 Jahre,Altenpflege länderrechtlich geregelt2 oder 3 Jahre.Fachkrankenschwester/Fachkranken-pfleger: 6 bis 7 Jahre (3jährige Aus-bildung – darauffolgende 1- bis 2-jährige Berufstätigkeit und 2jährigeWeiterbildung.Pflegehilfeausbildung: 1 Jahr

9. Rechtlicher Status der Schulenund der LernendenDie Kranken- und Kinderkranken-pflegeschulen haben einen Sonder-status. Sie sind weder Berufsschulenoch Berufsfachschule (mit Ausnah-

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len, Fachhochschulen, Berufsakademien in un-terschiedlicher Trägerschaft sein. Eine aus-schließliche und betriebswirtschaftliche Abhän-gigkeit von einem Krankenhaus zum Beispielbesteht nicht mehr. Mit den praktischen Lern-orten werden ausreichend große und qualitativgute Pflegeausbildungs-Verbünde geschaffen.Die Lernenden sind keine Arbeitnehmer.

10. QualitätsmanagementDie Qualität jeder Schule und die in ihr ablau-fenden Lehr-Lern-Prozesse bedürfen konti-nuierlicher Überprüfung. Dazu werden die ma-terielle und personelle Ausstattung, die curricu-lare Arbeitsweise, die Anwendung geeigneterLehr-Lern-Formen, die Schwerpunktsetzungenund Qualitätsvergleiche mit anderen Institutio-nen herangezogen.

11. FinanzierungEine Mischfinanzierung wird angestrebt:– Sach- und Personalkosten für den Schulbe-trieb durch die öffentliche Hand– Kosten für die praktische Ausbildung durchdie betrieblichen Lernorte– „Ausbildungsbeihilfe“ durch BAföG/Prakti-kantenvergütungSchulen haben ein eigenes Budget.

me einiger Bundesländer). Trägervon Krankenpflegeschulen sindKrankenhausträger oder freige-meinnützige Organisationen (Schwe-sternschaften, Ordensgemeinschaf-ten).Die Lernenden sind Arbeitnehmer(Tarifvertrag) und Schüler zugleich.

10. QualitätsmanagementEin Qualitätsmanagement nach heu-tigem Verständnis findet kaum statt.Die curriculare Arbeit hängt davonab, ob ausreichend Lehrpersonen zurVerfügung stehen und ob sie für die-se Arbeit genügend Vorbildung ein-bringen können. Mindeststandardsfür die Ausstattung von Pflegeschu-len sind kaum vorhanden.

11. FinanzierungDie gesamte Finanzierung – Sach-und Personalkosten der Kranken-und Kinderkrankenpflegeschulen so-wie die tarifliche Vergütung der Ler-nenden – ist Bestandteil des Finanz-haushalts des Krankenhauses, die Fi-nanzierung erfolgt also letztlich überdie Einnahmen für die Behandlungund Betreuung der Kranken. (Durch-schnittlich sind pro Schüler pro Jahretwa 33 000 DM anzusetzen. Die vonden Lernenden erbrachten Arbeits-leistungen sind davon nicht abgezo-gen.)Die Finanzierung der Altenpflege-ausbildung ist in den einzelnen Bun-desländern unterschiedlich geregelt.Ein Umlageverfahren ist gescheitert.

Zukunftsmodell Heutige Ausbildungsstruktur

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3. Ausbildungsstruktur und Aufgaben der Pflegefachpersonenim Überblick

Eine Darstellung der neuen Ausbildungsstruktur ist in den Tabellen 2 bis 5zusammengefaßt. Die Abbildung 1 zeigt die drei Aufgabenfelder derPflege.

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organisationsbezogenesAufgabenfeld(sekundäres Feld)– Organisationsprozesse– Pflege- und Qualitätsmanagement– Unternehmensmanagement und -entwicklung

Patienten- undklientenbezogenes Aufgabenfeld

(primäres Feld)– Pflege- und Behandlungsprozesse

– Patienten/Klienten/Bewohner

gesellschaftsbezogenesAufgabenfeld(tertiäres Feld)– Gesellschaftsprozesse– Pflege- und Gesundheitspolitik

Abb. 1 Aufgabenfelder der Pflege (Weidner 1999)

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enPflege- und Behandlungsprozesse

Page 66: Pflege neu denken - bosch-stiftung.de · Schritte in die politische Öffentlichkeit hinein tun 76 10. Neue Wege konzipieren, erproben, bewerten, implementieren 76 11. Rechtliche Voraussetzungen

65

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Em

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Ber

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g fü

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Page 67: Pflege neu denken - bosch-stiftung.de · Schritte in die politische Öffentlichkeit hinein tun 76 10. Neue Wege konzipieren, erproben, bewerten, implementieren 76 11. Rechtliche Voraussetzungen

66

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stuf

enOrganisationsprozesse

Page 68: Pflege neu denken - bosch-stiftung.de · Schritte in die politische Öffentlichkeit hinein tun 76 10. Neue Wege konzipieren, erproben, bewerten, implementieren 76 11. Rechtliche Voraussetzungen

67

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klei

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ung

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Page 69: Pflege neu denken - bosch-stiftung.de · Schritte in die politische Öffentlichkeit hinein tun 76 10. Neue Wege konzipieren, erproben, bewerten, implementieren 76 11. Rechtliche Voraussetzungen

68

Qua

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Pfl

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PF

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P I

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FP

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ng in

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vant

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ieru

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esun

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len,

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„Auch der längste Wegbeginnt mit dem ersten Schritt.“

(Chinesisches Sprichwort)

Neue Wege konzipieren, erproben, bewerten und implementierenVorschläge zur Umsetzung

Die folgenden Vorschläge erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeitund sind nicht als Soll-Vorschriften gedacht, sondern als Mut machende,kreativitätsfördernde Anregungen. Sie richten sich nicht nur an die Leh-renden und Lernenden in den Pflegeschulen, sie richten sich an alle, die fürdie Ausbildung Verantwortung tragen. Das sind auch Tarifkommissionenund nicht zuletzt die Politiker, die im Bundestag und in den Länderparla-menten Entscheidungen treffen und damit Rahmenbedingungen für dieAusbildung und für die Berufsausübung schaffen. Die Mitglieder der „Zu-kunftswerkstatt Pflegeausbildung“ wollen zu Aktivitäten außerhalb des ge-wohnten beruflichen und schulischen Umfeldes ermuntern. Die Umset-zungsvorschläge sind in ihrer Abfolge nicht an den Empfehlungen ausge-richtet. Sie sind in konzentrischen Kreisen gedacht.

Im engsten, innersten Kreis stehen die Individuen der Lernenden undder Lehrenden und durch die Gedanken zur Wertorientierung mittelbarauch die zu pflegenden Menschen. Der nächstgrößere Kreis umfaßt kolle-giales, interkollegiales und interprofessionelles Arbeiten und die Voraus-setzungen für selbständiges Lernen. Dann folgen Anregungen zur prakti-schen Ausbildung.

Im äußersten Kreis sind Gedanken zur Öffnung der Schule, zum Wirkenin die politische Öffentlichkeit hinein und zur Kooperation zwischen Aus-bildungsstätten und Hochschulen enthalten.

Die Anregungen stehen im engen Zusammenhang mit dem neuen Aus-bildungsmodell, das ausführlich in Teil V der Systematischen Begründungdargestellt ist und von allen Empfehlungen am weitesten in die Zukunfthineinweist.

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Am Anfang steht die Analyse:– Was ist vorhanden?– Was ist Bestandteil des eigenen Handelns?– Welche personellen und finanziellen Ressourcen stehen zur Verfügung?– Welche Gegebenheiten lassen sich ohne aufwendige Beteiligung ande-

rer Gremien verändern?– Wer kann, wer muß bei welchem Vorhaben einbezogen werden?– Woher kann ideelle oder aktive Unterstützung gewonnen werden?– Vor allem: welche Ziele sind mir, sind uns wichtig und warum sind sie es?

So läßt sich sowohl die Ausgangsposition klären als auch der einzuschla-gende Weg zumindest in Umrissen erkennen.

1. Mut haben, kleine Schritte zu tun

Kleine Schritte, die zum gesetzten Ziel führen, bereiten den Boden zu wei-teren Taten. Um diese Schritte tun zu können, sind die vorhandenenFreiräume zu erkennen und zu nutzen. Sie können liegen:– in dem relativ großen Spielraum, den die Ausbildungs- und Prüfungs-

ordnung derzeit zuläßt,– in Gegebenheiten vor Ort für die praktische Ausbildung,– in der Freiheit der methodisch-didaktischen Unterrichtsgestaltung,– in einer verbesserten Organisation des Schulbetriebes, eventuell durch

Einsatz einer Organisationsassistentin, die für Einsatz- und Stundenplä-ne und ähnliche Aufgaben zuständig ist,

– in der Durchforstung bisher vermittelter Lehrinhalte und der Eliminie-rung nicht mehr zeitgemäßer Wissensstoffe,

– in fakultativen Lernangeboten wie Entspannungstechniken oder Sportzur Steigerung der Selbstpflegekompetenz der Lernenden und/oder

– im Fremdsprachenunterricht, um den Zugang zu fremdsprachlicherFachliteratur oder die Kommunikation mit fremdsprachlichen Klientenoder Patienten zu erleichtern.

2. Zur Wertorientierung beitragen

Pflegerisches Handeln oder Unterlassen ist stets – wenn auch nicht immerals ein bewußter Vorgang – mit wertender Haltung verbunden. Für diese

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dem Handeln stets innewohnende Wertung bedarf es der Sensibilisierung,um wahrzunehmen, was gleichzeitig mit der fachlichen Leistung in Pflege-situationen menschlich zum Ausdruck kommt. Das kann in reflektierendenGesprächen nach praktischer Anleitung im Pflegealltag geschehen, aberauch losgelöst vom aktuellen pflegerischen Tun.

Mit jungen Menschen sind Gespräche zu führen über:– subtile Machtausübung im Umgang mit Menschen, die von pflegerischer

Betreuung abhängig sind,– die Anwendung an sich sinnvoller Regelungen, ohne sie auf ihre Sinn-

haftigkeit auf gegebene Situationen hin zu überprüfen,– eigene Urteile, welche die Sicht auf Ereignisse und Handlungen bestim-

men und fast unbemerkt zu einengenden Vorurteilen werden können,– das Menschenverständnis, das dem Einzelnen eigen ist, bedingt durch

seine Erziehung und seinen bisherigen Lebenslauf sowie dem in unsererKultur vorherrschenden Menschenverständnis.

Einen Einstieg dazu kann Literatur bieten.3 Durch eintretende Betroffen-heit können Grenzen des bisherigen eigenen Erlebens und Urteilens über-schritten werden.

3. Als Lehrerteam, als Kollegium konstruktiv aktiv werden,um angestrebte Ziele zu realisieren

Lehrerdasein ist oft ein Einzelkämpferdasein mit hohem Kräfteverbrauchund oft unbefriedigendem Ergebnis. Konstruktive Zusammenarbeit übergemeinsam vereinbarte Ziele ist das Gegenmittel und kann helfen, neueWege zu gehen.

Für eine Schule pflegerischer Ausbildung kann sie darin bestehen,– die Kriterien für die Bewerberauswahl zu erarbeiten oder zu überarbei-

ten,

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3 z.B. Max Frisch: Andorra; Heinrich Böll: Wanderer kommst du nach Spa; Ber-thold Brecht: Die unwürdige Greisin;Theodor Adorno: Erziehung nach Ausch-witz; Nikolai Leskow: Der Gaukler Pamphalon; Leo Tolstoi: Der Tod des IvanIljitsch; Ruth Schwerdt: Eine Ethik für die Altenpflege (für die Hand der Leh-renden); Berichte von Menschen aus der Zeit ihrer schweren Krankheit undseelischen Not, z.B. Claudio Curten: Unerhörte Patientenfragen, und ClaudioCurten, Patientenwirklichkeit (CK-Verlag, Claudio Curten, München)

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– Kriterien für die Auswahl externer Dozenten festzulegen und deren Be-gleitung zu klären und zu leisten,

– Pflegepädagogen aus dem eigenen Kollegium Unterricht zu übertragen,der bisher von Ärzten, Biologen oder Hygienikern erteilt wurde, und da-mit die Qualität des Unterrichts zu verbessern und die Zahl der Ho-norarlehrkräfte zu verringern,

– Schulentwicklung zu konzipieren, verbunden mit pflegerischem undpädagogischem Leitbild und unter Einbeziehung von Lernenden,

– den Kosten- und Finanzierungsplan der Schule kennen und verstehenlernen und die Voraussetzungen zu schaffen, das Budget der Schule ver-antwortlich zu verwalten,

– eine mögliche Beteiligung der Schule an vorhandenen Förderprogram-men zu prüfen,

– internationale Schulpartnerschaften und Auslandsaufenthalte für Schü-lerinnen sowie für Lehrende in den Blick zu nehmen.

4. Eigenständiges Lernen braucht räumliche und materielle Voraussetzungen

Dazu gehören:– Anschauungsmaterial,– Lerninseln,– Skill-Labs,– gut ausgestattete Bibliotheken mit ausreichenden Öffnungszeiten,– Computer-Lernprogramme, CD-ROM und Internet,– Global-Classroom-Projekte.

Zudem müssen begleitende Hilfen bei der Nutzung der technischen Me-dien, bei der Auswahl des Lernangebotes während des Lernprozesses undbei der Überprüfung des Leistungsstandes gegeben werden.

5. Interkollegialen und interprofessionellen Austausch und Zusammenarbeit verbessern

Ein Kollegium als Team braucht den Austausch. Viele der drängendenschulischen und beruflichen Probleme, wie sie in den Empfehlungen ange-

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sprochen sind, lassen sich nicht im Alleingang lösen.Als Möglichkeiten bie-ten sich dazu an:– Netzwerke zwischen Ausbildungsstätten zu gründen,– Lernortkooperationen zu bilden und einen institutionalisierten Aus-

tausch zu schaffen,– Curricula gemeinsam zu entwickeln und zu erproben,– Lehr- und Lernmittel auszuwählen, zu entwerfen, herzustellen oder die

Herstellung anzuregen sowie vorhandene Lehr- und Lernmittel auszu-tauschen,

– Konsenskonferenzen zu Qualitätskriterien durchzuführen,– mit innovativ arbeitenden Personen Austausch zu fördern und gemein-

sam Projekte durchzuführen,– externe Evaluation der Ausbildungsstätten einzuleiten,– Fort- und Weiterbildung im Sinne von Personal- und Organisationsent-

wicklung zu ermöglichen.

6. Der praktischen Ausbildung bessere Bedingungen schaffen

Die Qualität der praktischen Ausbildung ist in erheblichem Maße beein-flußbar durch Ideenreichtum, optimale Ausnutzung vorhandener Möglich-keiten, klare Zielvorgabe und transparente Organisation.

Als Anregungen seien hier genannt:– gezielt praktische Lernsituationen schaffen oder auftretende Pflegesi-

tuationen fokussiert für das Lernen nutzen,– begleitende, reflektierende Gespräche zum Lernvorgang machen,– Lernziele für das praktische Lernen mit den im Pflegebereich verant-

wortlichen Personen vereinbaren und gemeinsam an der Erreichung derZiele arbeiten,

– je nach Ausbildungstand die Lernenden einbeziehen und Lernverträgemit ihnen absprechen,

– Qualifikation der Mentoren sichern, ihre formale Kompetenz stärkenund ein Zeitbudget für ihre Anleitungsaufgaben erwirken,

– Beurteilungskriterien für den praktischen Leistungsstand diskutierenund gegebenenfalls abändern,

– die für die praktische Ausbildung verantwortlichen Pflegepersonen ander Zielsetzung der praktischen Ausbildung beteiligen und in die schuli-sche Ausbildung sowie in die Prüfungen einbeziehen,

– Stationen und Einrichtungen nur dann an praktischer Ausbildung betei-

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ligen, wenn vereinbarte Mindeststandards von ihnen erfüllt werden; ei-ne Beteiligung an der praktischen Ausbildung muß als positive Kenn-zeichnung gelten,

– praxisintegrierte Projektwochen durchführen,– Lernwerkstätten im praktischen Ausbildungsfeld schaffen.

7. Pflegeschulen öffnen und öffentlich bekannter machen

Pflegeschulen sind ein Teil unserer Gesellschaft; in der Gesellschaft ist je-doch relativ wenig über sie bekannt. Eine Öffnung läßt sich erreichen, in-dem– Schulräume für schulexterne Veranstaltungen geöffnet werden, etwa für

die Schulung pflegender Angehöriger, ehrenamtlicher Mitarbeiter vonHospizgruppen oder für kulturelle Veranstaltungen ganz anderer Art,

– sich Lehrerinnen für Pflegeberufe und Pflegepädagogen an der Vorbe-reitung und Durchführung von Schulpraktika für Schülerinnen aus all-gemeinbildenden Schulen beteiligen und/oder

– Informationsveranstaltungen über Pflegeberufe für Abschlußklassenallgemeinbildender Schulen sowie Hospitationen für an der Pflegeaus-bildung Interessierte angeboten werden,

– mit dem Arbeitsamt Kontakt gehalten wird und Möglichkeiten für Wie-dereinsteigerinnen in den Beruf geschaffen werden,

– die örtliche Presse regelmäßig Informationen über Schulleben und Aus-bildungsgeschehen erhält.

8. Kooperation zwischen Ausbildungsstätten und Hochschulen einleiten

In der begonnenen Umbruchsituation ist eine Kooperation zwischen denBildungsinstitutionen besonders wichtig. So wird ein gegenseitiges Gebenund Nehmen möglich, und eine übermäßige Distanz läßt sich vermeiden.

Gegenstände kooperativer Arbeit können sein:– Transfer pflegewissenschaftlicher Erkenntnisse in die pflegerische Aus-

bildung,– Zuordnung von (alltäglicher) Pflegepraxis zu forschungsintendiertem

Handeln,– Zielsetzungen von Pflegeforschung,

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– thematische Schwerpunkte der Lehrerausbildung, Pflegepädagogik-Stu-dium,

– Lehrerfortbildung für nicht akademisch ausgebildete Lehrende im Ge-sundheitswesen,

– Curricula für Module der Ausbildung, der Schwerpunktsetzungen undSpezialisierungen,

– Datenpool für kreatives Lernen, „global classroom“-Projekt,– Vergleich und Abgleich von Bildungsabschlüssen in der Pflege mit Ab-

schlüssen im europäischen Ausland.

9. Schritte in die politische Öffentlichkeit hinein tun

Kleine Reformen innerhalb des bestehenden Systems reichen nicht mehraus, um die erforderlichen grundlegenden Veränderungen zu bewirken. Esmuß mehr geschehen. Pflegende sollten sich zu kompetenten Gesprächs-und Diskussionspartnern von Politikern und Behörden befähigen.Während der Ausbildung muß damit begonnen werden.

Anzustreben sind:– Kontakte zu Politikern und zu Landesbehörden, die für das Gesund-

heitswesen und die Pflege zuständig sind,– Gespräche am „Runden Tisch“ über die Situation der Pflege und der

Pflegeausbildung (Betroffene, Beteiligte, Experten und Vertreter ande-rer Berufsgruppen müssen zusammengeführt werden),

– Beteiligung an berufspolitischen Aktivitäten, die in die politische Öf-fentlichkeit hineinwirken,

– Aufmerksames Lesen von Tageszeitungen und Fachpresse, um sich ei-nen Pool von Berichten zuzulegen, der für die eigene Öffentlichkeitsar-beit hilfreich sein kann.

10. Neue Wege konzipieren, erproben, bewerten,implementieren

Die in den Empfehlungen vorgeschlagenen zukunftsweisenden Ausbil-dungsstrukturen müssen konzipiert, erprobt und kritisch begleitet sowiedurch Bedarfserhebungen (Pflegebedarf und Bedarf an Pflegefachperso-nen) begründet werden.

Das könnte geschehen durch:

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– Modellversuchefür eine zweijährige Pflegeausbildung,für eine integrative Ausbildung auf verschiedenen Ebenen:• innerhalb der Institutionen wie bisher,• im Fachhochschulbereich mit einem Bachelor-Abschluß,• in einer Berufsakademie, ebenfalls mit einem Abschluß des tertiären

Bildungssystems,– Förderprogramme der öffentlichen Hand und durch Stiftungen,– Bereitstellung von Forschungsmitteln des Bundes, der Länder, der EU,

von Forschungsförderern.

11. Rechtliche Voraussetzungen für die Erprobung neuer Ausbildungsstrukturen schaffen

Die geltenden Vorschriften lassen es nicht zu, grundlegende Strukturver-änderungen bestehender Pflegeausbildungen modellhaft zu erproben unddamit eine empirische Basis für ein neues Regelwerk einer generalisti-schen Pflegeausbildung zu schaffen. Durch Experimentierklauseln könnendie absolut bindenden und für eine zukunftsweisende Entwicklung einen-genden Rechtsvorschriften aufgebrochen werden. Eine Öffnung der gel-tenden Vorschriften ist möglichst bald zu verwirklichen.Verhindert werdenmuß dagegen eine immer weiter gehende Aufsplitterung pflegerischer Be-rufe. Sie steht der Zielsetzung nach breitbasiger und effizienter Ausbil-dung, die einen flexiblen Berufseinsatz ermöglicht, entgegen.

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Pflege neu denken rechnet sich

Die Mitglieder der „Zukunftswerkstatt Pflegeausbildung“ haben sich auchmit Fragen der Kostenentwicklungen für die Pflege im allgemeinen und fürdie Pflegeausbildungen im besonderen auseinandergesetzt. Auch wenn ei-nige als wesentlich erachtete Zahlen und Summen genannt werden, so sollund kann nicht der Eindruck erweckt werden, als könne man aus heutigerSicht die Kostenentwicklung für die kommenden 20 Jahre und darüber hin-aus mit Sicherheit einschätzen oder bestimmen. Ebenso ist es unmöglich,die Kostenveränderungen, die sich durch die Umsetzung der Empfehlun-gen und Vorschläge der Denkschrift ergeben, nur annähernd präzise anzu-geben. Zu komplex ist das in Augenschein genommene Handlungsfeld, zuvielfältig sind die beeinflussenden Faktoren.

Dennoch haben sich die Mitglieder der Zukunftswerkstatt mit diesenFragen auseinandergesetzt, Argumente hinsichtlich der ökonomischenKonsequenzen für und wider abgewogen und verschiedene Entwicklungenerörtert. Dabei hat sich die Überzeugung durchgesetzt, daß sich „Pflegeneu denken“ rechnen muß und die vorgeschlagenen Wege dazu auch bei-tragen werden, daß sich „Pflege neu denken“ rechnen wird! Im folgendenwerden einige bedeutsame Zahlen zum Pflegewesen und Argumente an-geführt, die diese Aussage stützen und plausibel machen.

Das Gesundheitswesen ist mit einem Umsatzvolumen von über 500 Mil-liarden DM und einem Anteil von etwa 10% am Bruttoinlandsprodukt einbedeutender Wirtschaftssektor. Mit mehr als vier Millionen Beschäftigtenist es nach der Automobilbranche zweitgrößter Arbeitgeber. Es ist davonauszugehen, daß das Pflegewesen heute und morgen eines der bedeutend-sten gesellschaftlichen Handlungsfelder ist. Nach Schätzungen werden proJahr in Deutschland nahezu 80 Milliarden DM mit steigender Tendenz al-lein für Personalkosten in der Pflege ausgegeben. Der Pflegemarkt umfaßtetwa 25 000 zugelassene Einrichtungen, an die zur Zeit 21 Milliarden DM

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aus Mitteln der Pflegeversicherung fließen. Grob geschätzt sind es mehr als8 Millionen Menschen, das entspricht 10% der gesamten Bevölkerung, dieals Leistungsempfänger (Pflegestufe 0 bis 3) oder Leistungserbringer (Fa-milienangehörige und sonstige Bezugspersonen im Umfeld des zu Pfle-genden) von den Entwicklungen im Pflegewesen maßgeblich betroffensind. Diese Zahlen lassen sich wie folgt aufschlüsseln: Neben etwa 1,7 Mil-lionen pflegebedürftigen Menschen im Sinne des Pflegeversicherungsge-setzes (PVG, Pflegestufe 1 bis 3) sind etwa 2,1 Millionen Menschen hinzu-zurechnen, deren Pflege- und Hilfebedarf sich unterhalb der Pflegestufe 1des PVG beziehungsweise aus den Bestimmungen des BSHG ergibt. Aufder anderen Seite kümmern sich mehr als 1,3 Millionen Menschen um ih-re pflegebedürftigen Angehörigen. Grundsätzlich sind zu den pflegendenAngehörigen diejenigen hinzuzurechnen, die darüber hinaus Hilfsbedürf-tige in privaten Haushalten versorgen, da Pflege- wie auch Hilfebedarfnicht immer klar voneinander zu trennen sind. Geschätzt dürfte es sichnochmals um etwa 2 Millionen Menschen handeln, so daß wir insgesamtvon mehr als 3 Millionen pflegenden und helfenden Angehörigen in priva-ten Haushalten ausgehen müssen.4

Daneben werden mehr als 15 Millionen Patienten Jahr für Jahr in den2263 Krankenhäusern (1998) medizinisch und pflegerisch versorgt. Mehrals die Hälfte aller Krankenhausfälle und gut zwei Drittel der Kranken-hauskosten entfallen dabei auf Patienten mit chronischen Krankheiten.5

Anfang 1997 gab es bereits 11 000 ambulante Pflegedienste. Hinzu kom-men 1500 teilstationäre Tagespflege- und knapp 4000 Kurzzeitpflegeein-richtungen. Die Zahl der Mitarbeiter in der häuslichen Pflege lag bei etwa107 000.6

Etwa 1,1 Million Menschen sind hierzulande als Pflegefachkräfte beruf-lich mit der Erbringung von pflegerischen Dienstleistungen in ambulantenoder stationären Arbeitsfeldern beschäftigt. Darunter befinden sich mehrals 900 000 examinierte Fachpersonen und fast 150 000 einjährig ausgebil-

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4 Modellrechnungen des Kuratoriums Deutsche Altershilfe, Köln, 19985 Krankenhausreport 1999. M. Arnold, M. Litsch, F. W. Schwartz (Hrsg.). Stutt-

gart: Schattauer-Verlag6 Die in der Konzertierten Aktion im Gesundheitswesen vertretenen Pflegeor-

ganisationen (Hrsg.): Pflegerischer Fortschritt und Wandel – Basispapier zumBeitrag „Wachstum und Fortschritt in der Pflege“ im Sondergutachten 1997 desSachverständigenrates für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen.Band II: Fortschritt und Wachstumsmärkte, Finanzierung und Vergütung. Esch-born, Göttingen, Hannover, Wiesbaden, Wuppertal 1998

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dete Pflegehelfer7. Der Anteil beschäftigter ausländischer Pflegenderbetrug 1995 etwa 7%8. Zugleich werden etwa 118 000 Menschen an etwa1800 Ausbildungsstätten der Pflege von Lehrenden in einem Pflegeberufausgebildet. Davon ausgehend, daß ein Ausbildungsplatz in einem Kran-kenpflegeberuf den Kostenträger etwa 33 000 DM (Altenpflege durch-schnittlich 23 500 DM) im Jahr kostet, beläuft sich die grob geschätzte Sum-me der gesamten Ausbildungskosten für etwa 120 000 Schülerinnen derPflegeberufe auf etwa 4 Milliarden DM pro Jahr. Diese gewaltige Summewird derzeit zum größeren Teil von den Krankenkassen aufgebracht.Gleichzeitig muß bedacht werden, daß der Berufsverbleib ausgebildeterPflegefachpersonen nur bei 5 Jahren liegt9. Die Frage nach der Dauer desBerufsverbleibs von Pflegekräften ist allerdings umstritten. Andere Unter-suchungen gehen beispielsweise von einer Verweildauer von 7 Jahren aus.

Durch das vorgeschlagene Stufenmodell der Ausbildung in eine zwei-jährige berufliche Ausbildung zur Pflegefachperson I und eine vierjährigeberufliche oder akademische Ausbildung zur Pflegefachperson II wird einflexibleres und anpassungsfähigeres System der beruflichen Pflege ge-schaffen. Die „Zukunftswerkstatt“ geht bei aller Vorläufigkeit der Schät-zungen davon aus, daß künftig etwa 50% der beruflich Pflegenden dieQualifikationsstufe I und 50% die Qualifikationsstufen II (45%) und III(5%) haben werden.

Die Ausbildungskosten werden den vorangegangenen Überlegungenzufolge auf eine zweijährige Ausbildung und die vierjährigen Ausbildungs-gänge verteilt. Zwar ist davon auszugehen, daß die höheren Anforderun-gen an die Lehrenden, die Ressourcen und Rahmenbedingungen des neu-en Ausbildungsmodells generell kostenintensiver sein werden. Dies wirdjedoch überwiegend durch die Zusammenlegung von jetzt noch eher viel-fältigen kleineren Schulen zu Schul- und Ausbildungszentren und die ge-zielte Vernetzung der Lernorte überwiegend aufgefangen werden können.Durch verbesserte Personaleinsätze, eine günstigere Raum- und Material-bewirtschaftung, zentralisierte Verwaltungsaufgaben und ähnliche admini-strative Veränderungen können die Schulen Kosten einsparen.

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7 Auszubildende und Beschäftigte in den Pflegeberufen 1995; vgl. Statist. Bun-desamt 1997, 1998, Berufsbildungsbericht 1998

8 Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, 19969 vgl. U. Mergner: Arbeitsbedingungen in der stationären Krankenpflege: Ent-

stehungszusammenhänge, Problemzonen, Ansatzpunkte für veränderungs-orientiertes Handeln. Wiesbaden: Hessische Landesentwicklungs- und Treu-handgesellschaft 1992

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Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen erscheint es nicht unwahr-scheinlich, den derzeitigen Kostenrahmen für die Pflegeausbildungen vonetwa 4 Milliarden DM in etwa einhalten zu können. Den Empfehlungenzufolge sollen die Kosten nun aber sowohl von der öffentlichen Hand alsauch wie bisher von den Betrieben und damit von den jeweiligen Kosten-trägern übernommen werden.

Auch über die zukünftige Vergütung der Arbeit von Pflegefachpersonenmuß nachgedacht werden. Eine 30jährige Krankenschwester (stellvertre-tende Stationsleitung), verheiratet, verdient heute im stationären Diensteines Krankenhauses in der Vergütungsgruppe Kr. IV inklusive der übli-chen Zulagen etwa 4400 DM brutto im Monat, inklusive Arbeitgeberan-teile betragen die monatlichen Kosten etwa 5500 DM. Die „Zukunfts-werkstatt“ hält es für geboten und bezahlbar, daß die Pflegefachperson I inZukunft ein vergleichbares Einkommen erhalten muß – wohl wissend, daßdie heutigen Tarifsysteme dies noch nicht zulassen. Eine 30jährige verhei-ratete Pflegefachperson II sollte zukünftig ein der zunehmenden Verant-wortung entsprechendes höheres Gehalt beziehen, das in etwa der Vergü-tungsgruppe BAT IVa entspricht, die üblicherweise im öffentlichen Dienstfür FH-Absolventen (z. B. Sozialarbeiter) gezahlt wird. Der Verdienst ei-ner Pflegefachperson III sollte mit BAT IIa vergleichbar sein. Grundsätz-lich plädiert die „Zukunftswerkstatt“ für leistungs- und verantwortungsbe-zogene Zulagen, die in Zukunft ein möglicherweise niedrigeres Grundge-halt ergänzen können.

Auf den ersten Blick entstehen durch diese Forderungen höhere Ge-samtlohnsummen, als dies heute der Fall ist. Allerdings sind betriebs- undvolkswirtschaftliche Aspekte zu bedenken, welche die Überlegungen in einanderes Licht stellen:1. Durch eine flexiblere und angemessenere Pflegeausbildung nach dem

vorgeschlagenen Modell wird es unter anderem auch zu einer Verbesse-rung der Pflegebedarfsermittlung kommen. Die Sicherung und Ent-wicklung der Pflegequalität vor Ort und stärker zum Einsatz kommen-de präventive Konzepte werden erst zur Nachhaltigkeit pflegerischerDienstleistungen und zur Verhinderung von neuer oder schwerererPflegebedürftigkeit beitragen.

2. Die Stufung der Qualifikationen und die Modularisierung der Inhalteführen zu individuelleren Lernwegen und begünstigen den Wiederein-stieg, insbesondere nach Familienphasen, sowie die Kompatibilität aufdem europäischen Arbeitsmarkt für Pflegefachpersonen, ausgenommenPflegefachpersonen I, nach der derzeitigen EU-Regelung. Diese Pro-

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zeßorientierung dürfte einen zwar schwer zu bemessenden, aber dochwirksameren volkswirtschaftlichen Nutzen haben.

3. Durch die besondere Konstruktion des pflegerischen Bildungssystemsder Zukunft und seine erhöhten Durchlässigkeiten werden die derzeitstark separierten Weiterbildungsgänge sowohl in Dauer als auch in Zahlverringert, was Kosten einsparen dürfte. Wohlgemerkt fließen in diezukünftige vierjährige Ausbildung Inhalte und Ziele ein, die heute nochüberwiegend den Weiterbildungen vorbehalten sind.

4. Zugleich wird es durch die höhere Kompatibilität der Qualifikationsstu-fen mit den jeweiligen Pflegekontexten und durch die verstärkte Qua-litätsorientierung zu einer Reduzierung von Pflegefehlern und Gefahrsi-tuationen für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen in der Praxiskommen. Gerade die pflegerischen und medizinischen Fehlleistungenrücken heute angesichts der zunehmenden Bedeutung des Pflegesektorsimmer mehr in den Mittelpunkt des gesellschaftlichen Interesses.

5. Die empfohlenen Wege sollen darüber hinaus zu einer verbesserten Ver-zahnung von beruflicher Pflege, Pflege durch Familienangehörige undHelfende aus dem persönlichen Umkreis des Pflegebedürftigen und denmedizinischen Versorgungssystemen führen. Dies betrifft sowohl dieVerringerung der Rückfälle, die Verzögerung von Chronifizierungen alsauch verlängerte Phasen der Selbständigkeit von Pflegebedürftigen undihren Familien.

Alles zusammengenommen sind dies beabsichtigte Wirkungen, die zu Ko-steneinsparungen sowohl in den Betrieben als auch in der Gesellschaft bei-tragen werden. Generell zielt das neue Ausbildungsmodell darauf ab, durchflexiblere und angemessenere Dienstleistungsangebote den jeweiligenPflegebedarf präziser zu erheben, gezielter zu behandeln und seine Ent-stehung nachhaltiger zu verhindern. Dies dürfte letztendlich dazu führen,daß die Zahl der beruflich Pflegenden stabil bleiben wird oder sogar leichtrückläufig sein kann. Und dies trotz steigender Zahlen älterer und pflege-bedürftiger Menschen in der Gesellschaft.

Schließlich sind da noch die Prognosen, die einen Mehrbedarf von etwa80 000 Pflegefachpersonen bis zum Jahr 2010 vorhersagen, wobei der Be-darf im stationären Bereich bei 20 000 bis 30 000 Pflegefachpersonenliegt.10 Gleichzeitig wird davon ausgegangen, daß die Zahl der Personen

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10 vgl. Modellrechnungen des Pflegebedarfs 1997 und 2010 des KuratoriumsDeutsche Altershilfe, Manuskript, Köln 1998

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mit Hilfe- und Pflegebedarf bis zum Jahre 2010 um insgesamt 723 000 oder17% zunehmen wird, wobei sich der Anteil der über 65jährigen sogar um23% erhöhen wird.11 Es sei an dieser Stelle aber ausdrücklich daran erin-nert, daß diese Prognosen auf einer einfachen Fortschreibung der Ent-wicklungen auf dem Niveau von 1990 beruhen. Es ist also eine deutlicheSteigerung des Bedarfs an Pflegepersonen und damit der Personalkostenzu erwarten. Eine gründliche Reform der Pflegeausbildungen, die sichquantitativ und qualitativ am Bedarf orientiert, ist von daher gesehen keinLuxus, sondern eine gesellschaftliche und wirtschaftliche Notwendigkeit.Pflege neu denken kann sich in der Tat rechnen!

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11 PROGNOS AG, 1989

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Die Robert Bosch Stiftung

Die Robert Bosch Stiftung ist eine der großen unternehmensverbundenenStiftungen in Deutschland und wurde 1964 gegründet. Sie verkörpert in-nerhalb der Verfassung des Hauses Bosch die gemeinnützigen und sozialenBestrebungen des Firmengründers und Stifters Robert Bosch(1861 –1942). Rund 92 Prozent des Stammkapitals der Robert BoschGmbH gehören der Robert Bosch Stiftung GmbH. Die Stimmrechte ausdiesen Anteilen liegen bei der Robert Bosch Industrietreuhand KG. Dieausgeschüttete Dividende des Unternehmens fließt der Stiftung anteiligzu.

Die Robert Bosch Stiftung verfolgt in ihrer gemeinnützigen Arbeit fol-gende Zwecke: Gesundheitspflege, Völkerverständigung, Wohlfahrtspfle-ge, Bildung und Erziehung, Kunst und Kultur, Geistes-, Sozial- und Natur-wissenschaften. In ihrer Förderung setzt die Stiftung Schwerpunkte, ent-wickelt innovative Programme, Wettbewerbe und Förderpreise undunterstützt modellhafte Praxisprojekte. 1999 wurden 73,7 Millionen Markbereitgestellt. Seit 1964 hat die Robert Bosch Stiftung 898,3 MillionenMark bewilligt.

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