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PfeiferMobil_Muriel Stern

Date post: 07-Mar-2016
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Reisebericht
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Bericht Muriel Stern PfeiferMobil Dezember 2008 - März 2009 Unterwegs sein – Ausschauhalten – Innehalten – mich „Niederlassen“ für eine gewisse Zeit – Malen an neu entdeckten Orten – mir ein anderes, vertieftes Einlassen auf spannungsreiche Situationen zu ermöglichen – es war wunderbar! Mein Wunsch en plein air die Staffelei aufzustellen und zu malen, trieb mich gegen Süden. Mein Ziel war es unmittelbar wechselnde Farb- und Lichtstimmungen direkt malerisch umzusetzen. Schnee und Regen hinter mir lassend, auf der Suche nach Wärme, fuhr ich Richtung Süditalien. Sei es in Küstenstädtchen, kleinen Bergdörfern oder grösseren Städten, immer wieder habe ich neue, interessante Alltags-Situationen vorgefunden. Mich interessierte das Zusammentreffen von Gegensätzen in Hinterhöfen, auf Baustellen, Vorplätzen, Gassen, Abstellplätzen, bei Hausecken, Treppen- und Strassensituationen, Eingängen, Garagen, verlassenen Sommer- und Bade-Einrichtungen, sowie in Hafengebieten und Industriezonen. Das Malen en plein air, in einem neuen Umfeld hat mir, beziehungsweise meiner künstlerischen Tätigkeit belebende und frische Impulse gegeben und die Entwicklung meiner Arbeit vorwärts getrieben. Unzählige Fotos und unglaublich viel Inspirationsmaterial habe ich mit nach Hause genommen. Sonne, Wind, Meeresluft, mediterranes Essen und Campingkatzen waren meine Begleiter.
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Bericht Muriel Stern PfeiferMobil Dezember 2008 - März 2009

Unterwegs sein – Ausschauhalten – Innehalten – mich „Niederlassen“ für eine gewisse Zeit – Malen an neu entdeckten Orten – mir ein anderes, vertieftes Einlassen auf spannungsreiche Situationen zu ermöglichen – es war wunderbar!

Mein Wunsch en plein air die Staffelei aufzustellen und zu malen, trieb mich gegen Süden. Mein Ziel war es unmittelbar wechselnde Farb- und Lichtstimmungen direkt malerisch umzusetzen. Schnee und Regen hinter mir lassend, auf der Suche nach Wärme, fuhr ich Richtung Süditalien.

Sei es in Küstenstädtchen, kleinen Bergdörfern oder grösseren Städten, immer wieder habe ich neue, interessante Alltags-Situationen vorgefunden. Mich interessierte das Zusammentreffen von Gegensätzen in Hinterhöfen, auf Baustellen, Vorplätzen, Gassen, Abstellplätzen, bei Hausecken, Treppen- und Strassensituationen, Eingängen, Garagen, verlassenen Sommer- und Bade-Einrichtungen, sowie in Hafengebieten und Industriezonen.

Das Malen en plein air, in einem neuen Umfeld hat mir, beziehungsweise meiner künstlerischen Tätigkeit belebende und frische Impulse gegeben und die Entwicklung meiner Arbeit vorwärts getrieben.

Unzählige Fotos und unglaublich viel Inspirationsmaterial habe ich mit nach Hause genommen. Sonne, Wind, Meeresluft, mediterranes Essen und Campingkatzen waren meine Begleiter.

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Roma_Villa Maraini ISR

Calabria_Palmi

Sicilia_Siracusa Lipari_Pianoconte

Liguria_Moneglia

Sicilia_S. Alessio

Sicilia_S.Maria la Scala

Calabria_Tropea

Autostrada Chiasso => Italia

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Besonders angetan war ich von der süditalienischen Winter-Campingwelt. Verlassene Stühle, einzeln oder aufeinander gestapelt, Tische, Topfpflanzen, Vorplätzchen mit Kunstrasen-Vierecke, Plastik-Blumensträusse, sie alle warten auf den Sommer und die Campingtouristen. Nicht zu vergessen sind die Wohnwagen aller Grössenordnungen, auf Italienisch rimorcchi oder roulotte. Oliven, nenne ich die kleinen ovalen Anhänger. In Gruppen oder einsam auf ihrem eingezeichneten Terrain harren sie aus, bis sommerliche Temperaturen herrschen und ihre Besitzer aus dem Norden eintreffen.

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Ich malte an Häfen, in Fischerdörfern, unter Bungalow- und Wohnwagenvordächern und in einem unbenutzten Campingbüro. Immer wieder bin ich auf äusserst hilfsbereite Menschen gestossen, die mir gute Arbeitssituationen und interessante Einblicke ermöglichten. Auf diese Begegnungen möchte ich hier etwas genauer eingehen und einige Erlebnisse schildern.

Im Camping La Timpa, auf Sizilien wurde mir vom Dottore, dem Campingbesitzer, zuerst ein unbenutztes bagno, später sogar ein ufficio (Büro) zur Verfügung gestellt – ich durfte es als Atelier benutzen. Mehrere Wochen blieb ich auf diesem Camping. War es sonnig und warm arbeitete ich draussen im Fischerdorf, bei kaltem und windigem Wetter malte ich in „meinem“ ufficio. Der Dottore interessierte sich sehr für die entstanden Bilder und wollte sie auch allen Besuchern zeigen. Er stellte mich als artista che dipinge vor und schien ganz stolz zu sein eine junge Künstlerin als Gast zu haben.

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Im Fischerdorf war ich eine willkommene Ablenkung. Jung bis alt kam vorbei und hielt oft ein Schwätzchen mit mir „...brava, brava....a fatto piacere d` incontrarti...“. Nicht selten hatte einer der InteressentenInnen früher in der Schweiz oder in Deutschland gearbeitet. Die Cousine eines Bäckers in Arth Goldau habe ich kennengelernt und der postino war in den 80er Jahren im Wallis als Maurer tätig. Immer wieder freute es die Leute mir zu erzählen, sie hätten parenti in Svizzera auch wenn sie oft nicht mehr genau wussten wo, selbst wenn es die eigene Tochter betraf.

Vor einer Trattoria habe ich mehrere Tage gemalt. Das Personal, der Chef und zwei Köche kamen, hatten sie gerade keine Kunden zu bedienen, immer wieder auf die Strasse um mir beim Malen über die Schulter zu schauen. Sie haben mir caffè offeriert und mich und meine Begleitung eines Mittags zum pranzo eingeladen. Um 15 Uhr sollten wir vorbei kommen, um nach ihrer Arbeit mit ihnen zu essen. Es gab Fisch und Meeresfrüchte in allen Variationen: roh, gegrillt und frittiert.

Die Mutter des jungen Kochgehilfen der Trattoria, kam jeden Tag vorbei und war hingerissen als ich den Wäscheständer lo stendino der Nonna malte. Der Dorfmaler wurde mir vorgestellt, seine Bilder hängen in der Trattoria zum Verkauf. Ein Zitrusfrucht-Anbauer schenkte mir Zitronen, Orangen und cedri (Zedrat, die älteste Zitrus-Frucht). Mir wurde gesagt, ich hätte einen für sie ganz neuen Malstil, indem ich Alltägliches statt Meer und Fischerdorf als Bildinhalte wählte.

Vor der Eingangstüre einer älteren Frau habe ich ebenfalls einige Tage gearbeitet. Erschien ich mit meiner Staffelei, kam sie aus ihrer Wohnung und brachte mir einen Plastikstuhl. So konnte ich komfortabler, als auf meinem kleinen Camping-Klappstühlchen arbeiten. Als ich ihren stendino malte, hätte sie mir am nächsten Tag beinahe die getrocknete Wäsche wieder aufgehängt, um mein Bild-Sujet zu vervollständigen.

Viele Einheimische verstanden nicht, warum ich im Winter nach Sizilien kam. Im Sommer sei es schön warm und auch viel mehr los. So ruhig und verschlafen gefiel es mir aber besonders gut. Ich verdrängte die Vorstellung wie diese Küstenorte im Sommer überrennt werden. Das milde Klima, das sich gut zum Arbeiten und Auskundschaften eignete, genoss ich sehr. Zu dieser Jahreszeit war es auch möglich die Bewohner anders wahrzunehmen. Sie hatten mehr Zeit und widmeten sich anderen Tätigkeiten als dem Tourismus. Fischer sassen in Garagen und reparierten ihre Netze oder bemalten ihr Boot, während die Frauen Wäsche wuschen, häkelten, strickten und vor allem viel schwatzten. Campingbesitzer flickten kaputt gegangene Stühle. Alle rüsteten sich für die neue Saison. Quartierladen, Gassen und die Piazze dienten als Treffpunkte für ein Palaver. Manchmal schien die Zeit still zu stehen. Bescheidenheit, Ruhe, Zeitlosigkeit und selbstverständliches Tun und Lassen erlebte ich hier besonders stark. Diese Stille kontrastierte stark mit dem Verkehrschaos in den grösseren Städten, wo der Fussgänger in der Hierarchie ganz klar an letzter Stelle steht. Autos, Vespas und Apes (3rädrige Piaggio Lieferwägelchen) standen oft total beschädigt kreuz und quer auf Trottoirs, Strassen und Plätzen – ein für unsere Begriffe sehr fremdes und chaotisches Bild.

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Frühmorgens, nach einer Nacht am Hafen in Siracus fragte ich einen älteren Herrn nach einer offenen Café-Bar. Dieser offerierte uns darauf einen Espresso, in einem kleinen Hüttchen, direkt am Hafen. Später, nach einem Besuch auf dem Markt stellte ich meine Staffelei an eben diesem Hafen auf. Die Sonne schien, es war richtig warm – ich malte im T-Shirt. Pensionierte Männer trafen sich um das Treiben am Hafen zu beobachten. Fischer unterbrachen ihre Arbeit, neugierig und interessiert, um zu sehen was auf der Leinwand zu entstehen begann.

In Industriegebiete oder Fabrikareale hinein zu kommen, erwies sich als schwierig bis unmöglich. Ich wurde sogar weggeschickt, nicht einmal Fotografieren war erlaubt. Hinter einer Werft, in Ligurien konnte ich mich aber einrichten und arbeiten. Eine ältere Frau, die früher in der Fabrik gearbeitet hatte und

immer noch nebenan wohnt, kam aus ihrer Wohnung um mir zuzuschauen und bedankte sich als sie ging für das Gespräch.Das Mobilhome war als Arbeits-, Wohn- und Reisemöglichkeit äusserst praktisch und das Bewegen und Parkieren in Städten Dank des Navigationssystems und der Hilfsbereitschaft der Italiener gut zu bewältigen. Reich an vielen schönen Begegnungen, glücklich über intensive Arbeits-Auseinandersetzungen kehre ich zurück – etwas traurig zwar, dass die 3 Monate bereits um sind! Ich bin sehr dankbar, die Möglichkeit gehabt zu haben mit dem PfeiferMobil soviel erleben zu dürfen und für meine Arbeit profitiert zu haben.

Grazie mille!

Muriel Stern, Luzern März 2009


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