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PAT-STARTER 2013

Date post: 30-Mar-2016
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Das Eventmagazin zum Projektauswahltreffen von Schüler Helfen Leben vom 17. bis 19. Mai 2013.
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STARTER Vier Projekte zur Wahl Seite 4 Schnackt a Madl platt? Seite 11 Dein sozialer Fingerabdruck Seite 21
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Starter

Vier Projekte zur WahlSeite 4

Schnackt a Madl platt?Seite 11

Dein sozialer FingerabdruckSeite 21

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Unterstützer

Als 1992 Schülerinnen und Schü-ler die Initiative ergriffen und mit dem Auto ihrer Eltern einen Hilfs-

transport nach Kroatien organisierten, als der 1994 gegründete Verein Schüler Hel-fen Leben die Jugendbegegnungsstätte in Sarajevo einrichtete oder auch als 1998 der erste Soziale Tag durchgeführt wurde, waren dies nahezu selbsterklärliche Pro-jekte. Funktionsweise, Umfang und Ziel waren auf den ersten Blick erkennbar, waren greifbar.

Im Laufe seines nunmehr 20-jährigen Bestehens hat der Verein allerdings eine neue Dimension von Unterstützungsar-beit erreicht. Die Projekte, die auf dem Projektauswahltreffen zur Wahl stehen, laufen auf einer abstrakteren Ebene ab. Es geht nicht nur um bloße humanitäre Hilfe, sondern vor allem um Langfristi-geres, Tiefgreifenderes, es geht um die Unterstützung der Jugend, die die Bal-kanländer in Zukunft gestalten soll. Viele junge Menschen spielen angesichts von Krisen-Situationen mit dem Gedanken, ihr Land zu verlassen, um sich anderswo eine Existenz aufzubauen. Die Staaten Südosteuropas sind vielerorts noch im-mer von Armut, Korruption, Kriminalität und Arbeitslosigkeit gezeichnet.

Um diesen Problemen zu begegnen, sollen gesellschaftliche Integration, frei-williges Engagement und regionale Zu-sammenarbeit gefördert werden. Die Projekte ermöglichen den Jugendlichen,

offen und gleichsam kritisch mit der Geschichte ihrer eigenen Länder um-zugehen und sich dort aktiv in eine Ge-sellschaft einzubringen, in der sie leben möchten.

Diese Entwicklung in der Unterstützungs-arbeit Eures Vereins zeigt aber auch, dass soziales Engagement zeitlos wichtig ist. Mit materieller Hilfe während eines Kon-flikts oder kurz danach, so essentiell sie ist, ist es längst nicht getan. Nach dieser Maxime handelt Ihr seit Vereinsgründung und das ist gut so. In den vergangenen 20 Jahren habt Ihr Großartiges geleistet. Ihr schafft Identifikation mit Jugendlichen, denen es weniger gut geht als Euch, Ihr haltet die Augen offen für Missstände und Probleme außerhalb Eures persönli-chen Umfelds.

Auch in Zukunft gilt also: Drückt dieser Welt, eurer Umgebung weiterhin euren sozialen Fingerabdruck auf. Damit könnt Ihr viel bewegen und verändern – genau-so wie mit einer Stimme auf dem Projekt-auswahltreffen.

Letztes Jahr habt Ihr für ein Projekt ge-stimmt, das straffällig gewordene Jugend-liche zurück in die Gesellschaft führt. Ich bin gespannt, wofür Ihr Euch dieses Jahr entscheiden werdet.

Herzlichst,Ulrich Wickert

Grußwort

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1PAT-STARTER 2013___

Das diesjährige Projektauswahltreffen (PAT) ist gerade vorbei und ihr haltet den „Starter“ in den Händen. Paradox? Auf den ersten Blick schon. Aber dieses Ma-gazin heißt Starter, weil es jetzt an euch ist, die Dinge in die Hand zu nehmen. Startet durch, erzählt euren Mitschülern von diesem Wochenende, von Schüler Helfen Leben (SHL), vom Balkan. Erklärt ihnen, wofür sie am Sozialen Tag ihre Stif-te gegen Gartenscheren oder ihre Hefte gegen Aktenordner tauschen werden und warum soziales Engagement wichtig ist. Ihr kennt euch jetzt aus, macht euch zu Botschaftern für Jugendhilfe in Südost-europa.Und nicht nur das. Dank eurer Stimmen kann SHL weiterhin gezielt vor Ort helfen. Wie das Projekt eurer Wahl von nun an gefördert wird, könnt ihr auf Seite 6 nach-vollziehen. Dort stellen wir euch noch einmal das Gewinnerprojekt aus dem letzten Jahr vor und haben einen Blick hinter die Kulissen der Unterstützungsar-beit geworfen.Hier und auch in vielen anderen Berei-chen gilt: Gemeinsam können wir mehr bewegen als allein. Vielleicht wird aus diesem Grund bald sogar ein europa-weiter Sozialer Tag in Zusammenarbeit mit Jugendhilfsorganisationen anderer

Länder realisiert. Einen Ausblick darauf geben uns die Projektkoordinatoren auf den Seiten 22-23.Apropos Internationalität: Sie ist oft Her-ausforderung und Bereicherung zugleich, sei es im Bereich Integration, sei es im Bereich Völkerverständigung. Auf letzte-re wird übrigens nicht nur auf dem Bal-kan hingearbeitet, sie findet auch auf viel kleinerer Ebene auf dem PAT statt: Schü-ler aus den verschiedensten Regionen Deutschlands kommen hier zusammen und entdecken ihre Gemeinsamkeiten. Nordlichter diskutieren auf einer Wellen-länge mit Bayern über Jugendpartizipati-on und Berliner Hipster tauschen sich mit Kölschen Jecken über die Organisation des Sozialen Tags an der eigenen Schu-le aus. So geschehen auf dem PAT 2013. Glaubt ihr nicht? Wir empfehlen euch die Lektüre der Seite 11.Wenn ihr auch Völkerverständigung be-treiben möchtet, denkt doch mal über ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) oder über andere Formen des Engagements bei SHL nach. Möglichkeiten, sich aktiv in den Verein einzubringen, haben wir auf Seite 20 für euch aufgeführt. Außerdem berichten Alumni und aktuelle Freiwillige auf

Seite 24 von ihren Erfahrungen bei SHL.Als kleines Extra haben wir ab Seite 12 ein wenig Balkan to go für euch zusam-mengestellt. Ob Südosteuropa-Literatur oder die Top Ten-Balkansongs von SHL-Auslandsmitarbeitern, nehmt ein Stück dieser faszinierenden Region mit nach Hause!

Sei es dank interessanter Workshops (S. 8), Balkanreise (S. 7) oder Energizern (S. 10) – wir hoffen, ihr behaltet dieses Wochenende lange in guter Erinnerung und gebt euer Wissen weiter.

Bleibt nur noch zu sagen:

Hvala! - Danke! ...für eure Teilnahme am PAT und am Sozialen Tag!

Melanie Schipplingfür die STARTER-Redaktion

„Einmal Balkan zum Mitnehmen, bitte!“

editorial

Besuche uns auf unserer Homepage

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schuelerhelfenleben

Page 4: PAT-STARTER 2013

2___PAT-STARTER 2013

Sag jetzt nichts!

Wie stark bist du vom Balkan fasziniert?(Jan-Nicholas Vogt, 19, Eckernförde)

Deine stärkste Empfindung während des PATs war? (Lina Horstmann, 17, Werpeloh)

Wie viel Lachfalten kann dir der beste Energizer bereiten?(Charlotte Danner, 17, Grafing, und Vanessa Sedlmeier, 16, Grafing)

Befragt von Florian Muarrawi.

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3PAT-STARTER 2013___

1 | Editorial

2 | Sag jetzt nichts!

27 | Impressum

pat gehabt4 | Vier Projekte zur WahlEine Vorstellung der Projek-te, die auf dem diesjährigen PAT zur Auswahl standen

6 | Bühne frei für eure EntscheidungWie sich das Projekt des PAT 2012 entwickelt hat

7 | „Putujemo balkanom!“Auf der Reise durch den Balkan des Pro-jektauswahltreffens

8 | Aus den Workshops

10 | „Do you know my big fat pony?“

Pat-StarterEventmagazin zum PAT 2013

balkan news12 | Viel Engagement und große WünscheInterview mit Nada und Marija

16 | „Die Seele hat kei-ne Nationalität“ Interview mit der Auto-rin Marica Bodrožić

shl aktuell20 | Engagement auf allen EbenenDeine Möglichkeit, bei SHL aktiv zu werden

21 | Dein sozialer FingerabdruckWas macht soziales En-gagement aus?

24 | FSJ-TimelineVom Aktiven bis zum Vorstand

11 Schnackt a Madl platt?

Völkerverständigung auf dem Projektauswahltreffen.

14 Von Spontanität, Abenteu-ern und Gastfreundschaft

Yuka, Freiwillig in Tirana, berichtet von ihrer Arbeit auf dem Balkan

22 Gemeinsam mehr bewegen

Vision für einen europaweiten Sozialen Tag

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Vier Projekte zur Wahl

Vier Projekte standen zur Wahl – ihr habt euch entschieden. Das Gewin-nerprojekt findet ihr auf dem Einleger im Magazin, einen Überblick aller Projekte gibt es hier.

PMSH – Chance Plus – „Neue, alte Heimat“

In die Heimat zurückkehren müssen, die völlig fremd geworden ist. Für viele Jugendliche aus dem Kosovo ist das Realität. Mit dem Projekt „Chance Plus“ möchte die Organisation „Per Mendje te Shendoshe“ (PMSH), was auf Al-banisch so viel heißt wie „für den gesunden Verstand“, diesen jungen Menschen Unterstüt-zung bei der Reintegration in die kosovarische Gesellschaft bieten. 1999 endete der Kosovo-Krieg, seitdem sind viele Menschen wieder in ihre alte Heimat zurückgekehrt, um dort das Land und ein neues Leben aufzubauen. Doch nicht alle taten dies freiwillig, immer mehr Menschen werden von westeuropäischen Ländern zwangsweise in das Kosovo zurückge-bracht. Meist handelt es sich dabei um die eth-nische Minderheit der Roma. Diese hat in der kosovarischen Gesellschaft, wie auch andere Minderheiten wie Serben, Ashkali und Balkan-Ägypter, schwer. Sie werden nicht als gleich-wertige Mitglieder der Gesellschaft anerkannt, Ausbildungs- und Arbeitsplätze sind ihnen nur

schwer zugänglich. Ein weiteres Problem ist, dass viele Kinder und Jugendliche in Westeu-ropa aufgewachsen sind und weder die Kultur noch die Sprache jemals richtig kennen gelernt haben. Diese Situation überfordert viele junge Menschen, so leiden viele unter psychischen Problemen, auch die Selbstmordrate ist hoch. Aus diesem Grund betreut PMSH durch das Projekt „Chance Plus“ junge Rückkehrer indi-viduell. Zum einen bietet PMSH Seminare und Workshops an, die die Jugendlichen auf ihr neu-es Leben im Kosovo vorbereiten. Zum anderen gibt es Sozialarbeiter, die sich mit persönlichen Situationen, Problemen und Erwartungen je-des einzelnen beschäftigen. Vor Ort bietet die Organisation ein Betreuungsprogramm an, das auch bei der Suche nach Arbeitsplätzen unter-stützt. Um die Betreuung der jungen Rückkeh-rer weiterhin zu sichern, setzt sich PMSH auch vor der Lokalregierung für deren Förderung ein. Durch das Programm „Chance Plus“ schafft die Organisation so in einer schwierigen Situa-tion wertvolle Perspektiven.

Most – „Freiwillige packen‘s an!“

Arbeitslosigkeit, Armut, Korruption und Krimi-nalität prägen vielerorts das Leben in Bosnien und Herzegowina. Vor allem bei Jugendlichen führt das zu Resignation. In einer Umfrage gab fast die Hälfte der Befragten an, ihre Heimat für immer verlassen zu wollen, sollte sich eine Chance dazu bieten. Genau an diesem Punkt setzt die Organisation „Most“ an. In den Städ-ten Visegrad, Doboj und Zenica möchte sie im Rahmen ihres Projektes Jugendliche dazu aus-bilden, in ihren Gemeinden aktiv zu werden und so selbst etwas zum Wandel der Gesell-schaft beitragen zu können. Hierfür hat „Most“ ein mehrstufiges Projektprogramm geplant. In Schulen der drei Städte gibt es zunächst Workshops für Schüler und Lehrer, in denen

sie mehr über das Thema so-ziales Engagement erfahren. Für die zweite Seminarphase können sich aus jeder Stadt circa 40 Schüler bewerben. Anschließend lernen sie, Freiwilligenprojekte konkret zu pla-nen und umzusetzen. Für die dritte Phase des Projektes haben sich Aktivisten in Gruppen zusammengeschlossen, um konkrete soziale und gesellschaftliche Probleme anzugehen. Dies sind beispielsweise Umweltschutzaktivi-täten oder Programme für Kinder, Jugendliche und alte Menschen. Durch das Projekt gewin-nen junge Menschen Fähigkeiten, die sie ein-setzen können, um die Probleme der Gesell-schaft selbst anzupacken und werden so auch zum Vorbild für andere.

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5PAT-STARTER 2013___

Open Commu-nication – „Deine Meine Unsere Geschichte“

Vor mehr als zehn Jah-ren endeten die Kriege im

Südosten Europas, doch eine umfas-sende Verständigung und Versöhnung gibt es zwischen den Völkern Serbiens, Bosniens und Kroatiens noch immer nicht. Hier möchte „Open Communi-cation“ einhaken und durch Seminare und Simulationen an Schulen für eine grenzübergreifende Aufarbeitung sor-gen. Dafür bildet die Organisation Stu-denten zu Trainern aus, die dann an den teilnehmenden Schulen mit den Schülern arbeiten. Kinder und Jugendliche sollen verste-hen, wie es zu den Konflikten der 1990er Jahre kam und wie sie dazu beitragen können, solche Auseinandersetzun-gen in Zukunft zu vermeiden. Auch Lehrer nehmen an Trai-nings teil, um zu lernen, auch im Schulunterricht die Themen

Menschenrechte, Krieg und Versöh-nung, kritisches Denken und Tole-ranz aufzugreifen. Weiter tragen

die Seminare dazu bei, Vorurteile gegenüber den Nachbarvölkern

abzubauen, denn diese werden oft noch immer durch die älte-re Generation geschürt. Nach der Seminarphase bereitet „Open Communication“ die Schülergruppen aus allen

drei Ländern auf eine Simula-tion von Gerichtsverfahren vor.

Dabei geht es um Prozesse zu Men-schenrechtsverletzungen, die im ehemaligen Jugosla-

wien geschehen sind. Die Schüler spielen dabei die Rollen der Prozessbeteiligten. So erfahren die Schüler hautnah, was

sich in den 1990er Jahren zugetragen hat und lernen dabei, Meinungen respektvoll zu äußern. Durch die Zusammenarbeit der Schülergruppen aus Serbien, Bosnien und Kroatien stärkt das Projekt das Verständnis und die Toleranz zwischen den Völ-kergruppen. Durch ihr Engagement hofft „Open Communica-tion“, Tabus zu brechen und der Versöhnung einen Schritt näher zu kommen. (ip)

Lice Ulice – „Gesichter der Straße“

„Lice Ulice“, was auf Serbisch so viel bedeutet wie „Gesichter der Straße“, ist der Titel eines Straßenmagazins. In einem

Straßensozialzentrum in Belgrad produzieren auf der Straße lebende Kinder und Jugendliche die Ausgaben

des Magazins. Seit der Gründung von „Lice Ulice“ vor zwei Jahren konnten so bereits fünfzehn regu-

läre und drei regionale Ausgaben erscheinen. Ohne Chance auf Ausbil-

dung oder

Arbeit leben in der Hauptstadt Serbiens über 1.000 von ihnen. Diesen bietet „Lice Ulice“ die Möglichkeit, den Teufelskreis von Armut und Ausgrenzung zu durchbrechen und Ar-beitserfahrung zu sammeln. Zunächst lernen die Jugendlichen die Produktion einer Zeitung kennen und verkaufen die Ausgaben von „Lice Ulice“ anschlie-ßend. Dabei dürfen sie die Hälfte des Verkaufspreises behalten. Auch in Fragen der Aus- und Weiterbildung unterstützt das Zen-trum Projektteilnehmer. Doch nicht nur das Arbeitsleben steht im Fokus des Projektes: Durch Sozialkampagnen motiviert es die Jugendlichen dazu, sich für ihre eigenen Interessen einzu-setzen. Diese Kampagnen machen Öffentlichkeit und Politik auf die Zustände auf den Straßen Belgrads aufmerksam. Die Pro-jektverantwortlichen hoffen, so die Belgrader dazu bewegen

zu können, Perspektiven für Straßenkinder zu schaffen, da es momentan von offizieller Seite nur unzureichende

Unterstützung gibt. Im Mittelpunkt des Straßensozial-zentrums stehen aber auch Kultur- und Freizeitange-bote wie Sportturniere oder Workshops. Durch diese

vielfältigen Angebote möchte „Lice Ulice“ Kindern und Jugendlichen, die auf der Straße leben, einen Weg zurück in die Gesell-

schaft zeigen, aber gleichzeitig auch die serbische Gesellschaft für diese Thematik sensibilisieren.

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seine Arbeit jährlich 70.000 Euro (befristet auf zwei Jahre), der Projektstart war im Oktober 2012. Seitdem bekommen in Ser-bien 200 straffällig gewordene Jugendliche zwischen 14 und 22 Jahren die Möglichkeit, sich wieder in die Gesellschaft zu inte-grieren.Der Bedarf ist da: Nach wie vor fehlen in Serbien staatliche Un-terstützungsmöglichkeiten für junge Menschen, die ihre krimi-nelle Vergangenheit hinter sich lassen wollen. „Lange Gefäng-nisstrafen würden den Jugendlichen ihre Perspektive rauben“,

ist Oliver Kainrad, Projektkoordinator von SHL, überzeugt. Statt-dessen setzt sich IAN für das Ableisten von Sozialstunden ein. Des Weiteren unterstützt „Aus der Kriminalität in die Gesell-schaft“ Ausbildungsmaßnahmen, das Erlernen von Computer-Know-How und Trainings für Bewerbungsgespräche. Bei Bedarf können die durch die Folgen des Bürgerkriegs teils traumatisier-ten jungen Menschen psychologisch betreut werden.

Hinter den Kulissen der Projektförderung von SHL.

Bühne frei für eure entscheidung!

oben: Teilnehmer eines Computerkurses mit ihren Abschluss-zertifikaten. unten: Theaterprojekt mit Jugendlichen.

Das PAT 2012: Junge, motivierte Schüler ka-men zusammen, infor-

mierten sich über Südosteu-ropa und wählten schließlich ein Gewinnerprojekt aus. Das Vorhaben „Aus der Krimina-lität in die Gesellschaft“ ge-wann die meiste Zustimmung. Doch was geschieht eigent-lich im Anschluss, wenn alle Schüler den Tagungsort des PATs verlassen haben und der Schulalltag wieder beginnt?

Jedes Jahr gewinnt ein Projekt mit einem anderen Schwer-punkt, doch die Projektför-derung von SHL läuft immer ähnlich ab:

Zuerst wird dem Gewinner die gute Nachricht mitgeteilt: Dei-ne Idee hat gewonnen! Zumeist vergeht ein halbes Jahr zwischen der guten Nach-richt und dem Projektstart.Dieser lange Zeitraum kommt zustande, weil sich im Vorfeld SHL und die kooperierende Organisation zu ausgiebi-gen Verhandlungen treffen. Gesprochen wird über den genauen Starttermin, die fi-nanzielle Unterstützung und Zuständigkeiten. Letztendlich muss der Soziale Tag, die fi-nanzielle Quelle der Förde-rung, dann auch noch stattge-funden haben.

Das Verhandlungsergebnis aus dem letzten Jahr: „Aus der Kriminalität in die Gesell-schaft“, getragen von der Or-ganisation „International Aid Network“ (IAN), erhält für

Als zweites Standbein von „Aus der Kriminalität in die Gesellschaft“ gilt die Öffent-lichkeitsarbeit. Sowohl bei der Bevölkerung als auch bei staatlichen Ämtern wird für eine andere Jugendpolitik ge-worben.

Die Projektkoordinatoren von SHL sind vor Ort direkter An-sprechpartner für die ausfüh-rende Organisation. Während der zweijährigen finanziellen Förderung wird versucht, die Leitidee des Vorhabens dau-erhaft im Land zu etablieren. Die Sozialämter sollen für eine Zusammenarbeit gewonnen werden, damit diese im Opti-malfall die Idee des Projektes aufgreifen und somit die Per-spektiven von Jugendlichen dauerhaft verbessern. Das bedeutet: Viel Überzeugungs-arbeit und Geduld werden be-nötigt.

Die Bilanz fällt nach etwa ei-nem halben Jahr positiv aus. Nach anfänglicher Skepsis der Sozialämter sehen diese die Projektmaßnahmen nun als gute Ergänzung an und vor al-lem die Jugendlichen vor Ort profitieren von dem geschaf-fenen Angebot.

Durch eure Wahl beim PAT setzt ihr einen großen Prozess in Gang, über verschiedene Länder, mit ganz unterschied-lichen Menschen und Zielen. Im Vordergrund steht dabei immer: Schüler wie du und ich wollen Lebensperspektiven retten. (fm)

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7PAT-STARTER 2013___

„Wir machen eine Balkanreise.“ Ganz un-bedarft mischte sich der STARTER unter die Reisenden in Selo Veselo, dem glücklichen Dorf. Sehen, riechen, hören, schmecken, den Balkan mit allen Sinnen erleben. Kommt mit, folgt unseren Eindrücken in der Fotoreise quer durch Südosteuropa. (fm, ip)

„Putujemo balkanom!“

Die GrenzeGeraune, Aufregung, Unbehagen. Am Grenzposten wird einem jungen Mann die Einreise verweigert. Wird es den anderen auch so ergehen? Die Bier trinkende Grenzpatrouille ist heute gut gelaunt und lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Sie essen, trinken und sum-men ihre Lieder. Immer wieder ertönt ein synchrones Stempelgeräusch. Puh, Erleichterung, die Reise geht weiter.

Der KioskAm Kiosk wird erst mal Proviant eingepackt. Wurst, Wurst und nochmal Wurst. Kandier-te Früchte, die unglaublich süß schmecken, aber auch nur in kleinen Portionen. Ajvar, ein Paprikamus, wird noch schnell auf die Stullen geschmiert. Zum Nachtisch gibt‘s Ba-klavar. Nichts wie los.

Das Wettbüro„Betrug, Betrug, Betrug!“, schreit ein auf-gebrachter Landsmann. Unbeeindruckt zählt Wettbaron Safet Haliloveć die Geld-scheine in seiner Hand und zieht an sei-ner Zigarette. „Neues Spiel, neues Glück! Hast du Arbeit? Hast du Frau? Frau ist gut zu Haus‘ bei Kindern, aber nicht hier.“Resigniert zuckt der Landsmann mit sei-nen Schultern und lässt sich wieder auf den maroden Stuhl fallen. Nun ist es sein letzter Schein. Ein erbärmlicher Anblick, bloß schnell weg von hier.

Der selbsternannte Roma-KönigDer bärtige Mann schwärmt von den alten Zeiten in den 70er-Jah-ren. Damals waren alle gleich. Glei-che Arbeit, gleicher Lohn. „Danach ging‘s nur noch bergab.“ So muss-te er nach Deutschland flüchten. Doch die Deutschen konnten mit einem Roma nicht viel anfangen. 1998 wurde seine Abschiebung in-nerhalb einer Woche durchgeführt. Nun ist er wieder in seiner Heimat.Seine derzeitige Arbeit: Postkartenverkäufer.

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aus den Workshops

Eine Wohnwagenkolonne, Frauen in bunten Gewändern. Eine Karawane zieht durch die Wüste. Im Hintergrund sind orientalische Klänge zu hören. Die musikalische Reise startet dort, wo die Geschichte der Roma begann – in Indien. Von dort geht es weiter, über Ägyp-ten, die Türkei und den Balkan bis nach Frankreich und Spa-nien. Die Kultur der Roma ist geprägt vom ständigen Unter-wegssein. Verstreut in vielen Ländern der Erde nehmen sie dort kulturelle Einflüsse auf und verändern ihre eigenen. Wie sich dieses Leben auf die Musik des Volkes auswirkt, verdeutlicht Žarko Jovašević in seinem Workshop. Zu Hör-beispielen erklärt er lebendig, welche Völker die Balkanmu-

sik geprägt haben, wo die re-gionalen Unterschiede liegen und welche geschichtlichen Ereignisse Einfluss nahmen. Die rhythmischen Klänge ent-führen die Teilnehmer in die bunte Welt des Balkans, aber erinnern auch an die traurigen Momente in der Historie der Roma. Auch wenn sie zuvor noch keinen Kontakt zu die-sem Musikgenre hatten, spü-ren sie in diesem Moment den ganz besonderen Charme, den es versprüht: Es gibt nur das Jetzt, der Moment muss gelebt werden. Zum Abschluss der Reise schlüpfen die Teil-nehmer selbst in die Rolle der Roma und studieren das Lied „Nane cocha, nane gad“ („Ich habe keinen Rock, ich habe kein Kleid“) ein. (ip)

Man stelle sich folgende Situ-ation vor: zwei Serben wollen in ihrer Ortschaft ein großes Fest feiern. Jedoch fühlen sich die 2.000 dort lebenden Al-baner schon seit langem von deren Traditionen mit den lär-menden Festen belästigt. Die Situation ließe sich mit einer demokratischen Abstimmung klären.Wie aber kann man gleich-zeitig die Rechte der Minder-heiten schützen? An diesem Beispiel wird deutlich, dass reine Demokratie nicht unter allen Umständen fair ist. Wie ließe sich hier ein Ausgleich schaffen? Mit dieser Grund-satzdiskussion beschäftigen sich die Teilnehmer des Work-shops „Demokratie jenseits des Mehrheitsprinzips“ und suchen nach Lösungsmög-lichkeiten, die die Demo-kratie aufrechterhalten und Minderheiten schützen. Mit verschiedenen demokrati-schen Modellen, die jeweils die Stimmen der Fraktionen

unterschiedlich gewichten, werden die Positionen genau aufgearbeitet. Durch die Dis-kussion und Gruppenarbeiten führen Wenz Federer, er stu-diert Internationale Beziehun-gen, und David Roth-Isigkeit, der schon seit 2004 bei SHL dabei ist. Eventuell versteck-te Probleme zeigen beide auf und förderten auf diese Weise die Diskussion mit sachlichem Input.Die Diskussion innerhalb des Workshops ist sehr angeregt – die eigentliche Problematik kann, den Erwartungen ent-sprechend, leider nicht op-timal gelöst werden. Selbst Kompromisse lassen sich schwer schließen, da immer eine Partei benachteiligt sein könnte. Demokratie und Fair-ness können in bestimmten Si-tuationen Gegensätze bilden. Für friedliches Zusammenle-ben verschiedener Bevölke-rungsgruppen ist eine gewisse Balance notwendig. (pf)

Demokratie jenseits des Mehrheitsprinzips

Musik, die die Welt verändert

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9PAT-STARTER 2013___

Mazedoniens roma – Der Drang nach einem

besseren Leben

14 Jugendliche, eine Bühne, ein Referent: Der ehemalige Auslandsfreiwillige Lukas Da-vid Meyer leitet dieses Jahr den Workshop Improvisati-onstheater. In Spielen rund um Gang, Körperhaltung, Sprache und Improvisation lernen die Teilnehmer, wie wichtig ihre Haltung und ihr Auftreten für die Präsenz sind. Um einen selbstbewussten Gang darzustellen, sollen sie beispielsweise die Schultern zurücknehmen, die Brust vor-strecken und „laufen wie ein serbischer Macho“.In kleinen Rollenspielen, Asso-ziationsketten und Improvisa-tionen können die Teilnehmer dann das Gelernte anwen-den. Dabei steigert sich der Schwierigkeitsgrad der Aufga-be zunehmend, sodass die Ju-gendlichen am Ende in wech-selnden Paarkonstellationen kurze Szenen selbst improvi-sieren. Obwohl nicht alle der Teilnehmer schauspielerische Erfahrungen haben und das Improvisieren nicht immer leicht fällt, ist der Referent am Ende mit der Improvisations-darbietung zufrieden. Spaß, Bewegung, Kommunikation,

gegenseitiger Respekt und ein Aufeinander-Eingehen erleichtern das gemeinsame Improvisieren. Aber die Teil-nehmer sollen nicht nur spie-lerisch dazulernen, sondern den Sprung von der schau-spielerischen auf die politi-sche Ebene schaffen und da-mit die Problematik, mit der SHL auf dem Balkan konfron-tiert wird, tiefer verstehen. Improvisationstheater ist eine Form der Kommunikation, die mehr Sinne anspricht und andere Räume erschließt. Außerdem wird durch die Be-wegung gedankliche Mobili-tät angeregt und verfestigte Strukturen können gelockert werden. Auch die Teilnehmer erkennen dies und stellen fest, dass Improvisations-theater Menschen verschie-denster Herkunft in kreativer Weise zusammenbringt und ihnen losgelöst von starren Stereotypen eine Stimme gibt. Aufeinander einzugehen ist wichtig, nicht nur bei Im-provisationen, sondern auch auf politischer Ebene, das ha-ben die Teilnehmer des Work-shops erkannt. (jm)

„Formal kann man als Roma kein Asyl in Deutschland er-halten“, machte der Referent Kristian Cierpka unmissver-ständlich klar. Der Workshop „Abgeschoben! Hintergründe zur Asylsuche von Roma aus Mazedonien“ vermittelte Wis-sen über die Lebensumstän-de der mazedonischen Roma und ihre Aussichtslosigkeit, in Deutschland Asyl zu beantra-gen.

Roma bilden mit einem Anteil von vier Prozent an der Ge-samtbevölkerung eine kleine Minderheit in Mazedonien. Die Regierung gewährt ih-nen umfangreiche Rechte, als Beispiel ist die Roma-Quote zu nennen. Diese Quote er-möglicht den Roma ausrei-chend Personal in der Ver-waltung stellen zu können. Diskriminierungen zwischen Roma und anderen Ethnien sind aber immer noch all-gegenwärtig. Unter den Ar-beitslosen finden sich viele Roma und vielfach sind ihre Perspektiven durch fehlende staatliche Unterstützungen düster. Doch es ist verkehrt, nur diesen Blick auf Roma zu haben. Es ist keine Schande,

ein Roma zu sein, sondern die Armut, in der viele von ihnen leben müssen, ist es.

Einige Roma entscheiden sich für das Verlassen ihrer Hei-mat und verbinden mit der Flucht nach Deutschland ein besseres Leben. Aber: Dieser Wunsch wird oft genug ent-täuscht. Laut dem Deutschen Grund-gesetz wird einem Flüchtling Asyl gewährt, der von staat-licher Seite wegen seiner re-ligiösen Einstellung, seiner politischen Meinung, seiner Herkunft oder seiner Sexua-lität diskriminiert wird. Pers-pektivlosigkeit zählt nicht zu den Asylberechtigungsgrün-den.„Im Durchschnitt hält sich ein Roma eineinhalb Monate in Deutschland auf, bis er wie-der abgeschoben wird“, sagt Kristian. Die Workshopteil-nehmer sind sich uneinig, wie der deutsche Staat mit Roma umgehen soll. Auf der einen Seite steht die Notwendigkeit, ihnen eine Perspektive zu er-möglichen, auf der anderen Seite wird der Verlust von fähigen Leuten im Herkunfts-land angemerkt. (fm)

Laufen wie ein serbischer Macho

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10___PAT-STARTER 2013

Do you know my big fat pony?

Eine Anleitung zum Selbsthüpfen. (jm)

Alle Teilnehmer bilden einen großen Kreis, einer begibt sich in die Mitte. Durch Klatschen findet man einen gemeinsamen Rhythmus. Die Person in der Mitte, beginnt an den anderen ent-lang zu hüpfen. Alle singen: „Do you know my big fat pony? Do you know my big fat pony? Do you know my big fat pony? This is how it goes!”Nun bleibt die Person aus der Mitte vor einem der Teilnehmer stehen und tanzt diesen an.

„Front to front to front, my baby“

„Side to side to side, my baby”

„Back to back to back my baby, this is how it goes”

Alle, die angetanzt wurden, begeben sich auch in den Kreis, hüp-fen und singen: „Do you know my big fat pony? Do you know my big fat pony? Do you know my big fat pony? This is how it goes!”

Wieder wird die Person, vor der man stehen geblieben ist, ange-tanzt, sodass sich eine immer größere Gruppe im Kreis befindet.Sein fröhliches Ende findet der Energizer, wenn alle Teilnehmer im Kreis hüpfen und das Pony-Lied singen.

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11PAT-STARTER 2013___

Schnackt a Madl platt?Auf dem PAT geht es nicht nur um soziales Engagement – auch Persön-lichkeiten lernen sich kennen. Dabei kommen die einen oder anderen Vorurteile an den Tag.

Mit dabei sind Katja (15) aus Lübeck und Natalie (16) aus Augsburg. Beide haben sich zuvor noch nie gesehen und erst auf dem PAT kennenge-lernt. Im gemeinsamen Ge-spräch äußern sie sich über Klischees über den Norden und den Süden. Schleswig-Holstein und Bayern sind na-türlich nur beispielhafte Regi-onen Deutschlands, zwischen denen SHL Verbindungen schafft. „Vielleicht sind die Nordlichter blasser als wir, da dort oben die Sonne weniger scheint“, vermutet Bayerin Natalie über die Haut von Katja. Bei-de halten sich zum Vergleich spontan die Arme aneinander. Natürlich ist ein Unterschied feststellbar – es wird gelacht. Aber auch zum Freistaat sind nicht alle Meinungen un-voreingenommen, wie Katja bestätigt: „Man muss sich anstrengen, um die Bayern zu verstehen.“ Selbstverständ-lich gibt es im Norden ebenso Dialekte, Katja demonstriert ihre Plattdeutsch-Kenntnisse. Über die Geschicklichkeiten der Schleswig-Holsteiner hat Natalie anzumerken: „Viel-

leicht ist der Nordmann sehr begabt beim Angeln.“ Katja lässt das nicht auf sich sitzen und – die Atmosphäre ist er-heitert – entgegnet: „In Bay-ern isst man nur Brezeln!“ Natalie fragt prompt: „Wieso? Was esst denn ihr?“ Die Diskussion verliert zu kei-nem Zeitpunkt an Lebendig-keit. Den beiden ist natürlich klar, dass nicht nur Vorurteile über den anderen sie verbin-den. Sie engagieren sich hier

auf dem PAT und im Rahmen des Sozialen Tages für einen guten Zweck und können sich

über ihre Erfahrungen austau-schen. Auf persönlicher Ebene begegneten sich die beiden zuerst bei einem Kennen-lernspiel am Freitagabend. Dabei sollten sich Nord- und Süddeutsche in Pärchen zu-sammentun. Nach Hobbies, Haustieren und Geschwistern tauschen sich die beiden nun freundschaftlich über schul-organisatorische Dinge aus. Beispielsweise äußern sie sich über Probleme bei der Ver-

waltung der Arbeitsvereinba-rungen oder ihre Motivation für den Besuch des PATs.

Die Meinung Katjas „Bayern ist als Freistaat auch irgend-wie überheblich“ konnte sich, zumindest bei Natalie, in keinster Weise bestätigen. Entgegen der typischen Er-wartungen saß Natalie auch nicht mit Bier und Tracht in der Runde. Im Gegenteil: Bei-de finden die Gemeinsamkei-ten von großen Festen der Re-gion. Man unterhält sich über die Münchner Wiesn und die Travemünder Woche, die für beide ein großes jährliches Er-eignis darstellen. Obwohl die Events verschiedene Namen tragen – so sind die Gründe für den Besuch gleich: etwas Zeit mit seinen Freunden ver-bringen. Auf dem PAT werden Vorur-teile überwunden – einander bisher fremde Jugendliche arbeiten zusammen für einen guten Zweck. Mittendrin ent-decken sie untereinander Ge-meinsamkeiten, wie bei Katja und Natalie. Beide unterneh-men viel mit ihren Freunden. Vielleicht trifft man die zwei bald irgendwo zusammen an. Ob Natalie dabei plattdeutsch lernt, ist eine andere Frage.(pf)

Katja (links) und Natalie (rechts) hinterfragen Klischees.

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Hallo Nada, hallo Marija! Was macht ihr in euren Projekten?

Nada: In unserem Begeg-nungshaus CK13 organisieren wir verschiedene Veranstal-tungen, zu denen wir alle Menschen einladen, zu kom-men. Mit Konzerten, Filma-benden, Theateraufführun-gen, Workshops und mehr bieten wir ein abwechslungs-reiches Programm. Dabei wol-len wir uns vor allem für mehr Toleranz und gegen Fremden-hass einsetzen. Ein Projekt, dass ich dort betreue, ist der Women’s Bazar, bei dem Frau-en Handarbeitsprodukte ver-kaufen können.Marija: Bei uns im Jugend-zentrum betreuen wir Grund-schüler aus benachteiligten Roma-Familien. Sie haben oft nur schlechte Chancen auf eine Schulbildung. Wir unter-stützen sie dabei, den Schul-alltag zu meistern, verteilen

Hilfsgüter und Schulmateriali-en an die Familien und helfen bei Hausaufgaben. Außerdem bieten wir im Jugendzentrum Freizeitaktivitäten und Work-shops an.

Wie können sich junge Leute in eurem Projekt engagieren?

Nada: Im CK13 ist das Enga-gement nicht sehr konstant.

Es ist eher so, dass Leute, die eine Idee oder ein Pro-jekt vor Augen haben, zu uns kommen und es mit und bei uns im Haus umsetzten. Es ist schwierig, die Leute dazu zu bewegen, sich am Projekt zu beteiligen. Was wir auf die Beine stellen, ist alternativ und das trifft in Serbien nicht immer auf Zuspruch.Marija: Wir haben bei uns immer fünf bis sechs Freiwil-lige, die sowohl aus Skopje als auch aus der Umgebung kommen. Einige davon kom-men über Organisationen zu uns, die Freiwilligendienste vermitteln.

Wie ist die Motivation der Ju-gendlichen, sich in euren Pro-jekten zu engagieren?Marija: In Mazedonien wird die Freiwilligenarbeit immer

An diesem Wochenende standen vier Projekte zur Auswahl, mit denen ihr euch inten-siv beschäftigt habt. Doch auf dem Balkan gibt es noch viel mehr Projekte, die SHL unterstützt. Der STARTER hat zwei Frauen getroffen, die in solchen Projekten arbei-ten, und sie nach dem Engagement von Jugendlichen in ihren Ländern befragt. Nada Matković lebt in Novi Sad in Serbien und arbeitet dort im Begegnungshaus CK13. Marija Brzovska kommt aus Skopje in Mazedonien. Dort arbeitet sie im Center for Social Initia-tive NADEZ.

Viel engagement und große Wünsche

Nada (links) und Marija (rechts) im Gespräch mit Inka Philipp.

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bekannter und es entstehen mehr und mehr Organisationen, die diese koordi-nieren. Die Menschen erkennen, dass die Arbeit in sozialen Projekten nichts mit der Bezahlung zu tun hat, sondern einen Wandel in Gang bringt.Nada: Wir haben im CK13 nur eine Frei-willige, die aus Deutschland kommt. Die Einheimischen kommen zu uns, um ihre eigenen Projekte zu realisieren, engagie-ren sich aber sonst nicht. Es werden auch immer weniger Menschen, die zu uns kommen, um etwas zu realisieren.

Wenn ihr das Engagement der jungen Leute in euren Ländern mit dem der deutschen Jugendlichen vergleicht, was stellt ihr da fest?

Nada: Die Menschen in Deutschland sind motivierter, Freiwilligenarbeit zu leisten. Es ist auch einfacher, so etwas zu machen, wenn die Grundbedürfnisse gedeckt sind. Die Lebensumstände in Serbien lassen es oft nicht zu, dass junge Leute ehrenamt-lich arbeiten. Wenn sie sich dann jedoch dafür entscheiden, dann machen sie dies bewusst und stehen hundertprozentig hinter dem Projekt. Marija: In Deutschland ist die Freiwil-ligenarbeit viel weiter entwickelt als in Mazedonien. Bei uns ist es in manchen Studiengängen Pflicht, ein soziales Prak-tikum zu leisten. Aber es ist schwierig, Leute zu motivieren, sich ehrenamtlich zu engagieren. Doch es wird leichter. Der Vorteil ist, dass junge Leute erkennen, dass die Arbeit in sozialen Projekten viele Vorzüge bietet. Beispielsweise treffen sie durch die Projekte neue Leute aus ganz Europa oder können an Reisen und Semi-naren teilnehmen.

Wenn ihr einen Wunsch für eure Projek-te hättet, welcher wäre das?

Nada: Obwohl wir im letzten Jahr den 6. Geburtstag vom CK13 gefeiert haben, kennen viele Menschen in Novi Sad unse-re Einrichtung noch nicht. Ich würde mir mehr Besucher wünschen, Menschen, das CK13 und seine Vorteile kennenler-nen wollen.Marija: Mein Wunsch ist größer. Ich wür-de mir mehr Geld wünschen, um ein größeres Haus zu bauen, wo wir allen Kindern helfen können, die unsere Hilfe brauchen.

Das Interview führte Inka Philipp.

1. Blam Blam – Dubioza Kolektiv2. Borino oro – Boban Markovic Orkestar3. Balkan – Azra4. Djurdjevdan - Bijelo Dugme 5. Dobar Dan – Elemental6. Izbejglica - Zoster7. Mahalageasca – Mahala Rai Banda8. Ti Ti Ti – S.A.R.S9. Sve prolazi – Edo Maajka10. Ja sam lazljiva - Denis & Denis

Durch die Fusion verschiede-ner Musikgenres einen neu-en Sound entwickeln, so be-schreibt Žarko Jovašević die Vision seiner Band Mr Žarko. Die Balkanmusik verschmilzt immer mehr mit der weltwei-ten Musikszene – in Hamburg mixen DJs südosteuropäische Sounds mit Elektrobeats, in Amerika gibt es Balkan-Beat-box-Bands und auch in Berlin entwickelt sich seit zehn Jah-ren eine solche Musikszene. Ein Konzert ist für Žarko eine imaginäre Reise, die die Zuhö-rer in fremde Welten entführt. Musik verkörpert die Gefühle, die Kultur und die Geschich-te eines Volkes. Balkanmusik verkörpert die Lebensphiloso-phie der südosteuropäischen Bevölkerung: „Weinen, aber trotzdem tanzen, das macht die Kultur auf dem Balkan aus“, beschreibt Žarko dieses Gefühl. Auch, wenn Musiker in ihren Liedern melancho-lische Anklänge einfließen ließen, so bliebe trotzdem immer das positive Lebens-gefühl. Auch in „The Land of forgotten dreams“, schlägt Mr Žarko eine Brücke zwischen

der Schönheit Serbiens, dem Heimatland Žarko Jovaševićs, und den dunklen Seiten des Staates. „Ich empfehle allen Menschen zu reisen, neue Kulturen und Länder kennen-zulernen“, regt der Musiker an. Nur so finde jeder zu einer eigenen kulturellen Identität. Auch einen Filmtipp zum The-ma Reisen hat Žarko: „Latcho Drom“ – „Gute Reise“, ist ein Film des französischen Regis-seurs Tony Gatlif. Dort nimmt er die Zuschauer mit auf eine Reise der Roma und lässt sie deren Geschichte musikalisch erleben. (ip)

Mr Žarko:www.mrzarko.comDebütalbum „Electric Gipsy Disco Noise“ erscheint 2013.

„Weinen, aber

trotzdem tanzen“

Die Auslandsmitarbeiter haben ihre Top-10-Playlist der Balkanhits zusammgestellt. Die Lieder findet ihr unter dem Link http://bit.ly/12JxXEJoder scannt einfach den QR-Code ein.

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Von Spontanität, abenteuern und GastfreundschaftYuka Mahn, 22 Jahre, absolviert derzeit ihren Freiwilligendienst bei der Organisation ARSIS in Tirana. In regelmäßigen Blogeinträgen berichtet sie von ihrem Leben in Albanien.

25.08.2012: Albanische Hochzeit

Oha, was haben denn Albaner für ein Party-Durchhaltevermögen! Da kann ich leider echt nicht mithalten. Andererseits wurde ich auch nicht vorge-warnt, dass die Party bis zum nächsten Mittag dauern würde. Eine echt alba-nische Hochzeit, mit ganz viel Tanz und Popullore. Schon die Vorbereitungen waren balkanesk geprägt. Zwei Stunden vor Abfahrt herrschte Chaos: „Was soll ich anziehen, was mache ich mit meinen Haaren, ach Gott, du musst noch zum Friseur, oh nein Elvira, dein Kleid muss noch gekürzt werden,…“ Planen im Voraus? Achwas! Als wir irgendwann tatsächlich alle soweit waren, ging es mit dem Auto nach Kavaj.Dass auf der Rückbank vier Leute sitzen und sich auf dem Schoß des Beifah-rers auch noch eine Person im Überschuss befindet, scheine nur ich nicht für selbstverständlich zu halten. Immerhin ist Kavaj mehr als eine Stunde Autofahrt entfernt. In solchen Momenten wird mir bewusst, wie deutsch ich doch geprägt bin. Ansons-ten fühle mich wie in einem Film. Das überfüllte Auto kurvt bei Sonnenuntergang mit albanischer Volksmusik über die Land-straße, vorbei an Straßenhunden, Schäfern und spielenden Kindern. Ich genieße die ausgelassene Stimmung im Auto und freue mich, dass ich in Albanien genau das erleben kann, was ich schon immer wollte: Leben inmitten einer anderen Kultur.In Albanien ist es Brauch, dass die Braut samstags und der Bräutigam sonntags Hochzeit feiert. Der zukünftige Ehepartner ist daher nur teilweise beim Fest des Partners anwesend. Wir fuhren also zur Party der Braut – dort wurde gegessen, zu Live-Musik getanzt, gratuliert, noch mehr gegessen und noch mehr getanzt. Irgendwann taten meine Füße merklich weh.Um 6 Uhr morgens ging es zurück zum Haus der Braut. Dort legten sich die Hochzeitsgäste schlafen – im Bett, auf der Couch, auf dem Boden. Ich ließ mir erklären, dass wir auf den Bräutigam warten. Der holt nämlich nach albanischem Brauch die Braut ab und „entführt“ sie zu ihrem neuen Zuhause. Als der Bräutigam endlich gegen 12 Uhr mittags ankam, gab es noch ein paar Tänze zu Live-Musik und dann fuhr das frischgebackene Ehepaar durch die albanische Hitze davon.

06.12.2012: Pasdite Germane

Die erste Aktivität, die ich organisiert und durchgeführt habe: „Pasdite Ger-mane“, der „deutsche Nachmittag“. An diesem Tag sollten die Kinder durch Spiele, Musik und ein Quiz die deutsche Kultur kennen lernen. Schon seit Anfang dieser Woche konnte ich nur noch unruhig schlafen, weil diese erste Aktivität doch unbedingt gelingen musste. Der erste Eindruck hat schließlich ziemliches Gewicht. Eine meiner Erkenntnisse dieses Nachmittags ist, dass die Kids ruhige Spiele mit Ordnung gern haben. Sie haben in ihrem Alltag keine Ordnung, keine Re-geln und keine Regelmäßigkeiten. Sie leben im Hier und Jetzt. So mögen sie Spiele, die nicht noch mehr Unordnung in ihr Leben bringen. Was mich aber wirklich am meisten gerührt hat, ist wie die Kinder meinen selbstgedrehten Film angenommen haben, den ich zum Abschluss gezeigt habe. In meiner ganzen Zeit hier habe ich sie noch nie so still und gespannt gesehen. Ich hatte ei-nen Kurzfilm in Deutschland gedreht, um den Kindern, Jugendlichen und Kollegen hier einen Eindruck von Deutschland und meinem Leben dort zu geben. Diese Idee kam mir, da ich plötzlich in deren Leben eingetreten bin und ich deren Leben ken-nenlernen darf. Sie hingegen kennen nur die albanische Yuka und wissen gar nicht, was es mit diesem deutschen Mädchen, das asiatisch aussieht und Englisch spricht, überhaupt auf sich hat.

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13.12.2012: Stromausfall

Letztens hatten wir abends im Büro kurz vor Feierabend wieder einmal Stromausfall. Hier nimmt man das ziemlich gelassen, weil in Tirana im kalten Winter alle ein bis zwei Wochen regelmäßig der Strom ausfällt. Für mich war es am Anfang immer noch etwas Aufregendes, auch das ist Teil meiner Albanien-Erfahrung. Da fast keiner mehr weiterarbeiten konnte, weil alle Computer ausgingen, entschlossen mein Kollege Vitmar und ich uns, eine kleine Jam-Session zu machen. Wir hatten beide unsere Instrumente dabei, da wir uns schon län-ger abgesprochen hatten, endlich mal die Lieder, die wir mit den Kindern einüben wollen, zusammen mit Instrumenten zu proben. Er packte seine Gitarre aus, ich meine Geige und Arditi, ein anderer Kollege, ging Bier holen. So saßen wir abends im Büro bei Kerzenlicht mit meinem Boss, Bier und Musik.

09.03.2013: Reisen auf dem Balkan

Eine Sache kann ich auf jeden Fall nicht behaupten: Dass ich nicht ge-nügend Abenteuer auf dem Balkan erlebe. Ich befinde mich gerade – es ist 00.46 Uhr – in einem Café an der kosovarisch-serbischen Grenze. Der erste Schock ist überwunden und ich kann darüber schmunzeln, wie zum Teufel ich in diese Situation geraten bin.Meine Absicht ist, nach Serbien zum Zwischenseminar zu reisen. Da ich aus Albanien die längste Anfahrt habe, hatte ich mich schon einen Tag vorher aufgemacht. In Prishtina verpasste ich meinen Anschlussbus nach Belgrad. Der nächste Bus: 22 Uhr! Uff - es war gerade mal 11 Uhr mor-gens. Das Glück war heute wohl nicht auf meiner Seite. Aber ich hatte im Bus ein Mädchen aus Prishtina kennengelernt, das den ganzen Tag mit mir verbrachte. Sie zeigte mir ihre Lieblingscafés, traditionell kosovari-sches Essen und nahm mich am Abend mit zu ihren Freunden, sodass ich mich bis kurz vor der Busabfahrt in einer Wohnung mit Musik, Bier und kosovarisch-albanischer Gastfreundschaft wieder-fand.

Später an der kosovarisch-serbischen Grenze: „Bejeni dokumen-tat gati!“ – „Halten Sie bitte Ihre Dokumente bereit!“- Der serbische Grenzbeamte sammelt die Reisepässe ein, 10 Minuten später kommt der Busfahrer zu mir und fragt mich, ob ich meinen Personalausweis dabei hätte. Ich hatte meinen Personalausweis gestern Abend absicht-lich aus meinem Geldbeutel genommen mit dem schlauen Gedanken: „Ich möchte ja nicht gleich beide Dokumente verlieren, falls meine Ta-sche verloren geht.“ Er schüttelt seinen Kopf und murmelt: „Ki prob-lem“ – „Das gibt ein Problem“ und sagt mir, dass ich die Grenze nicht überschreiten kann. Serbien verteilt keine Stempel, wenn man vom Kosovo aus in das Land will, da es Kosovo nicht als eigenen Staat an-sieht. Einreise nur über Mazedonien oder Montenegro oder eben mit Personalausweis. Ich stehe mitten in der Nacht an der Grenze und die

Grenzbeamten sagen mir, ich müsse zurückkehren. Ich schaue nach links und nach rechts: schwarze Nacht! So, wie das eben ist in verlassenen Grenzgegenden. Ich bin einfach nur sprachlos! Ausgesprochen herzlich und hilfsbereit sind dann die kosovari-schen Beamten. Sie helfen mir, eine Lösung zu finden. Um 3 Uhr fährt der nächste Bus nach Prishtina, noch eineinhalb Stunden bis dahin. Dann fahre ich zurück nach Tirana und werde nach Belgrad fliegen.

Weitere spannende Blogeinträge von Yuka findet ihr auf ihrem Blog: www.yukadiscoversalbania.blogspot.de

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Marica, Du bist bereits 1983, also vor Ausbruch des Krie-ges, nach Deutschland gezo-gen – wie hast Du den Krieg auf dem Balkan aus der Ferne erlebt?

Kurz bevor der Krieg ausbrach, saß ich während der Sommer-ferien mit meinen Verwandten in unserem Garten in Dalmati-en, unter einem riesigen Mira-bellenbaum, und in der Ferne hörten wir Schüsse, die aus Bosnien kamen – wir tranken gerade türkischen Kaffee und aßen Feigen am Nachmittag. Meine Tante sagte, dass der Krieg bereits begonnen habe. Ich erinnere mich genau an diesen Moment, alles war still, keiner sprach, die Kinder hör-ten auf zu spielen und dann kam es ein paar Monate spä-ter genauso, der Krieg brach aus. Ich sah dem Geschehen traurig aus Hessen zu, über das Fernsehen bekam ich die schrecklichen Bilder mit. Aber ich erlebte den Krieg vor allem durch die Erzählungen meiner Verwandten, die Angst hatten und die um ihr Leben und das Leben ihrer Kinder fürchteten. Meine Cousins gingen alle in den Krieg, das waren plötzlich zwölf junge Männer, die ich mir in militärischen Unifor-men vorstellte – statt in Jeans. Einer von ihnen sah aus wie Patrick Swayze in Dirty Dan-cing, ein wunderschöner jun-ger Mensch, ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass er jeden Tag an irgendeiner Front war und eine Waffe trug. Aber so war es. Und es hat uns alle verändert. Als er aus dem Krieg zurückkam, sah er nicht mehr wie er selbst aus. Keiner sah mehr wie er selbst aus. Die Ferne in Deutschland war also für mich emotional

gesehen keine. Im Gegenteil. Meine Eltern nahmen Flücht-linge aus Bosnien in unserem Haus im Taunus auf und die Geschichten, die diese Men-schen uns erzählten, waren noch schlimmer als das, was wir im Fernsehen sahen.

In Deinen Werken themati-sierst Du unter anderem die Konflikte in Deiner Heimat, Du selbst lebst seit einiger Zeit in Berlin. Macht die geo-graphische Entfernung es für Dich leichter oder schwieri-ger, darüber zu schreiben? Was ändert sich dadurch?

Meine Heimat ist nicht nur der Balkan, meine Heimat ist auch die Sprache, das Menschsein an sich und der konkrete Le-bensort ist es auch. Allerdings sage ich nie oder selten das Wort Heimat, ich würde eher das Wort Liebe und das Wort Leben benutzen. Dort, wo ich l(i)ebe, dort bin ich. Und man lebt ja nie allein, sondern im-mer mit den anderen zusam-men. Die Sprache ist der Ort der Betrachtung, auch des Verstehens, der Distanz – das verändert also alles. Es macht mich vor allem frei und ohne das Bedürfnis nach fester Zu-gehörigkeit. Allerdings habe ich einen deutschen Pass, da-rauf bin ich stolz, weil ich in diesem Land lebe und auch eine politische Stimme habe und wählen gehen möchte. Ich lebe seit über dreißig Jah-ren nicht mehr in Dalmatien,

wo ich geboren wurde. Das verändert auch alles. Nationalität und der eine Pass kommen mir mehr und mehr vor wie Fiktion, die wir jeden Tag neu für uns konstruieren. Wir brauchen Identitäten. Aber für mich sind das nur Orientierungen, die im Flie-ßen authentischer sind als im festgezurrten Zustand. Jean-Jacques Rousseau sagt in sei-nem „Gesellschaftsvertrag“, dass es die Eigentumsverhält-nisse sind, die zerstörerisch auf Menschen wirken, nicht die Verhältnisse zwischen den Menschen. Und beim Schrei-ben interessiert mich nur das Innere des Menschen, sein Kern, in dem alles gespeichert ist. Und natürlich erzählt sich damit auch das Äußere, die Lebensumstände, das Un-terwegssein, die den Kern abbilden und wiederum von neuem beschriften. Ich glau-be, dass jeder Mensch seine eigene innere Musik hat und diese will ich finden, das gilt für ein persönliches Gespräch genauso wie für die Konstruk-tion einer literarischen Figur. Die Seele hat keine Nationali-tät. Julia Kristeva hat kürzlich in einem Interview gesagt, sie glaube an „eine Menschheit, die zwar überall verschieden, aber doch universell ist“. Bes-ser kann man es nicht auf den Punkt bringen.

Du bist gebürtige Kroatin, pu-blizierst aber auf Deutsch – warum hast Du Dich für diese

Sprache entschieden?

Für mich gibt es da kein Aber. Vielmehr ist es ein Und. Das Und ist der Antrieb für jedes Erzählen, für Kunst über-haupt, für den Atem, der in den Dingen wohnt. Das Und ist der Ort, an dem sich alles verbindet. Und da ich seit über dreißig Jahren in der deutschen Sprache lebe, habe nicht ich sie, sondern sie mich erwählt. Man kann nur in ei-ner Sprache schreiben, die auch das eigene Leben ent-hält. In der deutschen Sprache bin ich einfach zu Hause.

Was bedeutet der abstrak-te Begriff „Sprache“ für Dich persönlich?

Sprache ist Bewusstsein, Spra-che ist ein Archiv des Lebens, der Klänge, der Ereignisse, der Gedanken und des inneren Seins und Sinns.

Prosa oder Lyrik, was ist Dir lieber?

Ich schreibe sowohl Prosa als auch Lyrik und liebe es das jeweils eine vom anderen durchdringen zu lassen; aber die Lyrik ist die Grundmelodie meines Schreibens, im Klang wohnt oft die viel größere Kraft und manchmal ist er so-gar logischer als alle Logik.

Du unterrichtest Schreib-werkstätten an Schulen und arbeitest auch sonst gern mit

Marica Bodrožić wurde in Svib in Dalmatien geboren und lebt heute als freie Schriftstel-lerin in Berlin. Im STARTER-Interview spricht sie darüber, wie sie die Balkan-Konflikte der

letzten Jahre erlebt hat und was Sprache für sie bedeutet.

„Die Seele hat keine Nationalität“

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17PAT-STARTER 2013___

Jugendlichen. Wie nimmst Du das Bewusstsein für die heu-tige Situation auf dem Balkan außerhalb Südosteuropas wahr?

In meinen Werkstätten, die ich im deutschsprachigen Raum seit vielen Jahren unterrich-te, sind die Jugendlichen sehr begeisterungsfähig, offen, spontan – sie verstehen im Grunde sofort, dass Sprache und Leben zusammenhängen, deswegen ist diese Arbeit so interessant für mich. Die Ju-gendlichen thematisieren von alleine manchmal den Krieg auf dem Balkan, aber auch den Zweiten Weltkrieg und die Rolle der Deutschen. Sie sehen einen strukturellen Zu-sammenhang zwischen allen Kriegen und haben ein natür-liches Empfinden für Gerech-tigkeit und für soziale Not.

Durch Deine Tätigkeit als Au-torin und Übersetzerin und bestimmt auch aus persön-lichem Interesse kennst Du

Dich in der Literaturszene Südosteuropas aus. Was ist Dein Lieblings-Balkan-Buch?

Das Buch, das ich seit Jahr-zehnten liebe und immer wieder lese, ist das Buch „Garten, Asche“ von Danilo Kis; dieser Schriftsteller ist 1989 in Paris im Exil gestor-ben. Er hat in serbokroati-scher Sprache geschrieben, hatte ungarisch-jüdische und montenegrinisch-ser-bische Wurzeln. Er war ein homo poeticus wie er im Bu-che steht; luzide wie er war, wusste er, dass er der „letzte jugoslawische Schriftsteller“ ist, er hat geahnt, dass es ei-nen Krieg geben könnte. Seine persönliche Geschich-te und die seiner Familie hat ihn zu einem einzigartigen Au-tor gemacht. „Garten, Asche“ ist ein Buch über seinen Vater, der in Auschwitz umgekom-men ist, aber Kis erwähnt das Wort Auschwitz darin nicht ein einziges Mal. Es ist ein außerordentlich lyrisches

Buch und es entstammt einer solchen Tiefe, dass es lebens- und bewusstseinsverändernd wirken kann.

Du schreibst derzeit an einem neuen Buch. Kannst Du uns darüber schon etwas verra-ten?

Ich schreibe an einem Essay über die Folgen des Krieges im ehemaligen Jugoslawien und

beschäftige mich mit der Frage, was Europa

von der e h e m a -ligen Föderativen Republik Jugoslawien eigentlich ler-nen kann. Denn Jugoslawien war vor dem Zusammen-bruch auch eine Gemein-schaft, in der verschiedene Völker, Religionen, Nationen und Mentalitäten einen ge-meinsamen Pass hatten. Auch wenn dieses Land tra-gisch gescheitert ist, glaube ich noch immer an die Idee, die es ausgemacht hat. Und Europa ist im Grunde, von Details einmal abgesehen, nichts anderes. Ein europä-ischer Pass würde mir sehr

gefallen! Das wäre der vierte in meinem Leben. Die Vier ist eine schöne Zahl!

Das Interview führte Melanie Schippling.

© Peter von Felbert

Steven GallowayDer Cellist von Sarajevo

Eine Mörsergranate nimmt 1990 im belager-ten Sarajevo 22 Menschen das Leben, die für Brot anstanden. Daraufhin beschließt ein couragierter Musiker, 22 Tage lang an der Einschlagsstelle der Opfer zu gedenken und allen anderen mit seinem Cellospiel Hoff-nung zu geben.

Fragmentarisch erzählt der Autor einige Tage aus dem Leben der in der Stadt Gefangenen: Dragan hat seine Frau und seinen Sohn noch rechtzeitig evakuieren können, ihm kommt die Erin-nerung an ein freies Sarajevo längst wie eine Illusion vor. Kenan begibt sich täglich beim Wasserholen für seine Familie und eine Nachbarin in Lebensgefahr. Strijela schließlich ist Scharfschüt-zin, die auf die Belagerer in den Bergen zielt. Sie will den Cellis-ten beschützen, während andere weit laufen, um ihn spielen zu hören. Das einfache Überqueren einer Kreuzung ist zur alltägli-chen lebensgefährlichen Herausforderung geraten. Ein Roman über Hoffnung inmitten von Ausweglosigkeit und über Solidarität inmitten von Angst. (ms)

Danko RabrenovićDer Balkanizer

Der Autor Danko Rabrenović floh 1991 als junger Mann vor dem Krieg in seinem Hei-matland von Belgrad nach Deutschland. Hier angekommen musste er sich mit einer für ihn gänzlich neuen Sprache, deutschen Eigenheiten und einer Menge kultureller Unterschiede auseinandersetzen. Denn

die Deutschen frühstücken, planen, zahlen und schimpfen ganz anders als die „Jugos“. Beiden Bevölkerungsgruppen hält Rabrenović in diesem Buch humorvoll den Spiegel vor. Er erzählt pointiert, wie er sämtliche Aufenthaltstitel der Bundesrepublik gesammelt hat, wie Integration trotz einiger Hürden und ohne den Verlust der eigenen Identität gelingen kann und warum er sich heute auf die Reise in beide Richtungen, auf den Balkan und zurück nach Deutschland, freut. Auch das vom Autor selbst gelesene Hörbuch lohnt sich, ebenso wie in seine Radiosendung „Der Balkanizer“ samstags um 20 Uhr bei WDR 5 – Funkhaus Europa mal reinzuhören. Livestream und Playlist gibt es unter http://www.funkhauseuropa.de/sendungen/balkanizer/. (ms)

Literaturtipps

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SHL, der Balkan und das Pat

zusammengefasst

ein SHL-Vorstandsmitglied hat seinen Schlafsack in der Stiftung in Berlin deponiert, um ihn nicht immer zu den Treffen mitbringen zu müssen.

Durchschnittlich 20,3 Jahre alt war der SHL-Vorstand im Jahr 2011

Balkan bedeutet dem Wortursprung nach soviel wie „Gebirge“ oder „Gebirgskette“.

99 der insgesamt 193 UNO-Mitgliedstaaten erkennen den Kosovo als unabhängigen Staat an.

Am PAT 2013 haben 97 Helfer und Betreuer mitgearbeitet.

ein Weihnachtsbrauch in Kroatien ist das Sähen von Weihnachtsweizen als Symbol der Fruchtbarkeit.

20 km ist die Adriaküste in Bosnien und Herzegowina lang.

4,5 cm ist der SHL-Presse-spiegel von 2011 dick.

505 000 km2 umfasst die Fläche des Balkans.8 direkte Nachbarn hat das

Land Serbien.

Seit 2006 findet das Projektauswahltreffen statt.

1044 Liter Getränke wurden für das PAT 2013 bestellt.

238 Teilnehmer gibt es auf dem PAT 2013

Zusammengestellt von Inka Philipp.

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19PAT-STARTER 2013___

No Man’s Land – Versöhnung auf dem todesstreifenBosnienkrieg 1993: Im Konflikt zwischen Bosniaken und Ser-ben ist kein Ende absehbar. Beide Parteien kämpfen mit vielen Verlusten. Inmitten der Fronten begegnen sich der Bosnier Ciki und der Serbe Nino in einem Graben. Beide sind schwer verletzt und auf der Suche nach der Lösung für die Situation. Mit Sätzen wie „Ich habe hier die Waffe und du eben nicht“ schieben sie im Wechsel die Kriegsschuld hin und her. Der eine richtet seine Waffe auf den anderen. Immer wieder wird geschrien. Mit da-bei, jedoch bewegungsunfähig, ist Cikis Kamerad Cera, der auf einer scharfen Mine liegt. Alle Beteiligten realisieren, dass es um ihr Überleben geht. Schließlich erkennen die drei vermeint-lichen Feinde aber die Sinnlosigkeit der Gewalt und versuchen, friedlich und lebend aus der Situation herauszukommen. Inzwischen haben auch beide Kriegsparteien die Geschehnisse im Graben wahrgenommen, können aber die Personen nicht er-

kennen. Sie kontaktieren die internationalen Blauhelmtruppen zum Klären der Situation. Jene sind durch ihre Befehle einge-schränkt und dürfen nicht einschreiten, sollen sich neutral ver-halten und beobachten. Entgegen dieser Befehle rücken jedoch einige Blauhelme vor, um Hilfe zu leisten. Unterstützt werden sie dabei von Journalisten, die mit ihrer Berichterstattung die Befehlshaber unter Zugzwang setzen.Der Oskar-prämierte Film zeigt ohne Tabus die Realität des Krie-ges. Mit vielen überspitzten Szenen kritisiert Regisseur Danis Tanovic die einzelnen Positionen der Kriegsparteien. Insgesamt macht der mit Humor angehauchte Kriegsfilm durch seine scho-nungslosen Darstellungen auch jeden Filmliebhaber zum Polit-versteher. Wegen teils dokumentarischer Inhalte ist der Film sowohl inhaltlich als auch emotional auf eine erschreckende Weise sehenswert. (pf)

Bosnisches SprichwortKo se smije ne misli loše. Wer lacht, beabsichtigt nichts Böses.

Albanisches SprichwortQё duke gabuar njeriu mёson andaj mё lejoni tё gaboj.Man sagt, dadurch, dass der Mensch Fehler macht, lernt er. Also lass mich Fehler machen.

SerbischNa dan društvenog aktivizma ostavljam sovj pećat. Am Sozialen Tag hinterlasse ich meinen Fingerabdruck.

Serbisches SprichwortUporedjivati babe i žabe.Omas mit Fröschen vergleichen (deutsch: Äpfel mit Birnen ver-gleichen)

Albanisches SprichwortMё mirё tё humbasёsh njё qast tё jetёs se sa jetёn nё njё qast.Besser einen Moment im Leben verlieren als das Leben in einem Moment verlieren.

SerbischUčenici pomažu učenicima. Schüler Helfen Leben.

SerbischBalkan za poneti. Balkan zum Mitnehmen.

SerbischNa dan društvenog aktivizima, krečim zidove. Am Sozialen Tag streiche ich Wände.

SerbischNa dan društvenog aktivizima, kosim travu. Am Sozialen Tag mähe ich Rasen.

SerbischKako si? Wie geht es dir?

Zusammengestellt von Inka Philipp.

Balkanesisch für anfänger

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shl

akt

uel

lengagement auf

allen ebenenDie meisten von euch wurden wahrscheinlich über das PAT oder den Sozialen Tag auf

SHL aufmerksam. Doch SHL ist viel mehr: Während des Jahres bietet dir der Verein viel-fältige Möglichkeiten zu weiterer Mitarbeit an.

Beim bundesweiten Aktiven-treffen (BWAT) treffen sich Alte SHLer und Frischlinge. Diskussionen über aktuelle Entwicklungen in der Balkan-region haben ihren Platz ge-nauso wie Filmabende, Refle-xionen über Migration, Spaß und Vernetzung. Auf Landes-ebene kannst du dich entwe-der den Nord-Aktiventreffen oder den Süd-Aktiventreffen anschließen. Je nachdem in welchem Bundesland du lebst. Wenn du selbst eigene Pro-jekte und Aktionen starten willst, dann schau bei einer Regionalgruppe vorbei. Regi-onalgruppen sollen dir helfen, dich mit anderen SHLern aus deiner Region zu vernetzen. Dir steht ein Koordinator zur Seite, damit du eigene Ideen auf die Beine stellen kannst.Von Infoständen, öffentlichen Demonstrationen oder Flyer-Verteilaktionen, vieles ist möglich.Die Regionalgruppe Itzehoe veranstaltete im März die-sen Jahres zum Beispiel eine Mahnwache für syrische Flüchtlingskinder. In Koope-ration mit dem Bundesbüro malten Aktive Transparente und zündeten Kerzen als Zei-chen des Gedenkens an. Ei-nige Passanten hielten inne,

blieben stehen und wollten sich über das Anliegen der Gruppe informieren.Wenn du erst seit kurzer Zeit aktiv bei SHL bist, dann ist dies ein idealer Ort, um dich einzu-bringen.Lass deinen Gedanken freien Lauf!

Hast du Freude am Organisie-ren und Vereinsarbeit macht dir Spaß? Dann könnte dir ein Praktikum oder ein Frei-williges Soziales Jahr bei SHL gefallen. Viele ehemalige FS-Jler bleiben dem Verein auch nach ihrem Arbeitsjahr treu. Sie engagieren sich im SHL-Vorstand oder bringen ihre er-worbenen Erfahrungen in die Stiftungsarbeit ein. Vorstands-mitglieder bei SHL betreuen die Freiwilligen und geben dem Verein eine strategische Richtung: „Da wollen wir hin“.

Sowohl in den Herbst- als auch Osterferien wird dir etwas ganz besonders angeboten:Es wird nicht nur über die Balk-anländer geredet, sondern ihr könnt mit euren Freunden direkt nach Südosteuropa fahren. Das letzte zehntägige Camp führte die Balkanreisen-den nach Belgrad, Sarajevo und Bijeljina. Neben Projekt-besuchen erhältst du Einbli-cke in die Kultur und Gesell-

schaft der Länder. Eine große Chance, dem Balkan mal wirk-lich nahe zukommen.

Eine mit viel Einsatz und Herz-blut verbundene Aktionsform ist das Durchführen von Hilfs-transporten. Dazu braucht ihr einen langen Atem, aber es lohnt sich. Im Januar die-sen Jahres wurde vom Bun-desbüro in Neumünster aus ein Päckchentransport or-ganisiert. Im Vorfeld wurde an Schulen um Sachspenden gebeten. Es kamen Kleidung, Schals, Decken und Schuluten-silien zusammen. Vier Schüler schafften das Kunststück, zwei Hilfstransporter nach Mon-tenegro ins Flüchtlingslager Konik zu fahren. Diese Hilfsak-tion hat den Flüchtlingen den Winter erträglicher gemacht. Damit aber dauerhaft ihre Notsituation überwunden werden kann, sind weitere Anstrengungen nötig.

Auf verschiedenen Ebenen kannst du SHL mitgestalten und eigene Einblicke und Er-fahrungen sammeln. Die vie-len SHLer, die schon seit Jah-ren den Verein ausmachen, können dies bestätigen.

Sei dabei! (fm)

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21PAT-STARTER 2013___

Dein sozialer Fingerabdruck

Lukas Peters (16)aus Braunschweig:„Der Fingerab-druck als solcher ist wertlos, da er viele Lücken hin-terlässt. Mithilfe vieler Fingerab-drücke überein-ander kann man jedoch ein Zei-chen setzen.“

Sönne Jensen (15) aus Hohenweststedt:„Mit dem eigenen Fingerabdruck kann man seine persön-liche Note setzen. Denn ohne jeden einzelnen Finger sind Aktionen wie der Soziale Tag un-möglich.“

Maximilian Jens (18) aus Kiel:„Man sollte auf je-den Fall fest andrü-cken. Denn so kann man langfristig seine Spuren hinterlassen und et-was Gutes tun.“

Moritz Adam (15) aus Oldenburg:

„Der Fingerabdruck symbolisiert gemeinsa-

me Arbeit und Individu-alität in einem. Beides ist

für mich besonders wich-tig – denn mithilfe von SHL

als zentralisierendem Medi-um kann man beides gleichzeitig tun.“

Kim Scheible (17) aus Wiernsheim:„Der Fingerabdruck ist Teil meiner Identität. Auch wenn ich mich be-ruflich nicht damit identifizieren kann – ich möchte nicht Er-zieherin werden –, arbeite ich am Sozialen Tag in ei-nem Kindergarten. Hier ist Uneigennützigkeit wichtiger als persönli-ches Interesse.“

John-Lloyd Holler (17) aus Neumünster:„Als zukünftiger FSJler bin ich

stolz, dass ich bald die Ver-antwortung für die Arbeit

bei SHL in Neumünster und deutschlandweit

übernehmen darf. Mit meinem Engagement

werde ich hoffentlich auch einen schönen Fingerabdruck hin-terlassen.“

Interviews von Philippe Fischer.

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22___PAT-STARTER 2013

Wie kam das Netzwerk S.A.M.E. zustande?

Niklas: Der Soziale Tag an sich ist keine deutsche Erfindung. Unsere Partnerorganisationen in Skandinavien führen den Sozialen Tag schon viel länger durch.Stefan: Nachdem auch SHL den Sozialen Tag durchgeführt hat, keimte irgendwann der Austausch zwischen Deutsch-land und den nördlichen Län-dern auf. 2011 fand in Oslo ein Treffen statt, 2012 war SHL Gastgeber in Berlin, für diesen Sommer ist ein internationa-les „summer camp“ in Italien geplant. Alles in allem muss man aber sagen, dass das Netzwerk noch sehr jung ist und sich im Aufbau befindet.

Woran arbeitet S.A.M.E.? Was ist das Ziel?

Stefan: Generell wollen wir gemeinsame Standpunkte su-chen und voneinander lernen, indem wir den Austausch in-tensiver gestalten und uns ge-genseitig Impulse geben. Niklas: Ziel ist auf jeden Fall die Institutionalisierung des

Austausches der europäi-schen Jugendorganisationen.

Welche Position nimmt SHL im Netzwerk ein?

Stefan: SHL ist sicherlich eine der treibenden Kräfte. Dies liegt daran, dass im Gegen-satz zu den anderen Orga-nisationen, deren jährlich wechselnde Vorstände für den S.A.M.E.-Dialog zuständig sind, bei SHL Niklas und ich als feste Projektkoordinatoren diese Aufgabe kontinuierlich wahrnehmen können. Niklas: Letztlich zeigt aber bei-

spielsweise auch die erwähnte Rotation des Sommercamps, dass jeder seine Aufgabe im Netzwerk übernimmt.

Wie läuft die Zusammenar-beit mit den Organisationen anderer Länder hinsichtlich Gemeinsamkeiten und Unter-schiede und Problemen ab?

Stefan: Gemeinsamkeit ist an erster Stelle der Soziale Tag. Alle Organisationen haben den Anspruch für, mit und von Jugendlichen gestaltet zu wer-den, außerdem wollen wir alle nachhaltige, sich entwickeln-de Projekte unterstützen. Niklas: Unterschiede beste-hen beispielsweise in der

Wahl der Projektregionen. Nur SHL hat sich auf einen fes-ten Raum, Südosteuropa, fest-gelegt. Aber so kann S.A.M.E. Projekte in der ganzen Welt unterstützen. Die Sprachbar-rieren sind manchmal prob-lematisch aber gemeinsame Ziele, motivierte Jugendliche, ein gewisser Mut und das ge-genseitige Ergänzen erleich-tern die Kooperation.

Was kann SHL von den ande-ren Organisationen lernen?

Stefan: Insbesondere in Nor-

wegen gibt es eine gute Akti-ven-Struktur. Ich denke hier können wir im Bereich Nach-wuchsgewinnung und Partizi-pation einiges lernen.

Was sind eure Visionen?

Niklas: Es gibt die Vision, den Sozialen Tag nach Europa zu tragen. Stefan: Ideal wäre ein ge-meinsames Datum, damit man auch gemeinsame euro-paweite Kampagnen starten kann. Damit generiert man mehr Aufmerksamkeit, kann mehr Jugendliche anspre-chen, auf eine größere Parti-zipation und auch Wachstum der Organisationen hoffen. Aus jugendlicher Perspektive kann ganz Europa gezeigt wer-den, wie schlecht es anderen Menschen geht und dass die Jugend in Europa nicht taten-los zusieht, sondern aktiv han-delt!

Welche Probleme gilt es bis dahin noch zu lösen?

Niklas: Wir sollten weniger über Probleme reden, son-dern mehr positiv denken. Denn viele Leute mit positiver Einstellung zeichnen S.A.M.E. aus. Natürlich gibt es Anlauf-schwierigkeiten, aber wir sind auf dem guten Weg, ein enge-res und noch besseres Netz-werk zu bilden.

Wie viel mehr kann man auf europaweiter Ebene statt nur auf nationaler Ebene errei-chen?

Stefan: Mehr Aufmerksam-keit, mehr Partizipation, mehr Projekte, mehr Menschen hel-fen!

Das Interview führte Jennifer Mackert.

S.A.M.E.: „Solidarity Action day Movement in Europe“ ist ein Netzwerk acht verschiedener Organisationen, die in insgesamt sechs verschiedenen Ländern einen Sozialen Tag (in mehreren Ländern auch „Action Day“ genannt) durchführen. Jugendliche aus Norwegen, Dänemark, Bel-gien, Deutschland, Serbien und Italien versuchen durch Kooperation ihr Ziel eines europaweiten Sozialen Tages zu verwirklichen. Niklas Kaapke (21) und Stefan Winkelmann (22), zwei ehemalige FSJler, vertreten SHL in diesem Netz-werk und sprechen im Interview über Ziele, Kooperation und Visionen.

Gemeinsam mehr bewegen

Stefan Winkelmann (links) und Niklas Kaapke (rechts) sind die Koordinatoren für S.A.M.E.

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23PAT-STARTER 2013___

Deine Meinung zum Sozialen tag!

Was verkörpert der Soziale Tag?

Jana Rochholz (16) aus Stade„Ich finde den sozialen Tag einzigartig, weil alle Teilnehmer nicht in irgendein Projekt hineingerissen werden. Jeder kann sich den Arbeitsplatz aussuchen und so seinen Teil beitragen.“

Philipp Kast (17) aus Augsburg„Schüler erarbeiten gutes Geld und spenden ihren Lohn. Das find' ich klasse!“

Wo wirst du am Sozialen Tag arbeiten?

Femke Steffen (16) aus Bad Segeberg„Ich weiß noch nicht genau, wo ich arbeiten werde. Aber das ist auch nicht das Wich-tige. Das Geld für den guten Zweck – das ist mir besonders wichtig.“

Was brachte dir persönlich der Soziale Tag?

Lukas Saur (17) aus Ellwangen„Ich weiß nun, welch enor-mes Potenzial eine Gruppen-dynamik entwickeln kann. Ich konnte als Organisator meine Mitschülerinnen und Mitschü-ler nicht nur für den Sozialen Tag, sondern auch für weitere Projekte gewinnen.“

Die Interviews führte Philippe Fischer.

Name: Fabio Ganassin (26)Organisation: Adelante Cooperativa, ItalienSlogan: „Get your hands dirty, let’s get involved!”

Vision: Unsere Vision ist, dass mit einem europaweiten Sozialen Tag die maximale Offenheit für den Austausch lokaler Initiativen erreicht wird. Wir hoffen wirklich, dass die europaweite Zusam-menarbeit die Grenzen der einzelnen Nationen überschreitet und die europäischen Jugendlichen zusammenbringt, sodass sie einander unterstützen können. „Think globaly, act locally, but, above all, just do!“

Name: Carmen Tynell (16) Organisation: Operation Dagsværk, Dänemark Slogan: „Knowledge, decision, action!“

Erfahrungen: Aufgrund meines Engagements habe ich nun ein differenzierteres Bild von der Welt. Ich glaube, dass man viel durch die Mitarbeit in solchen Organisationen wie OD Danmark oder SHL lernt. Durch die Projekte erhält man Einblicke in das Leben von Menschen, die sich von dem eigenen sehr stark un-terscheiden.

Name: Ine Schockaert (19)Organisation: Zuiddag, Belgi-en Slogan: „Work for a change“

Motivation: Die Welt braucht Veränderung. Wenn jeder das tut, was er oder sie tun kann, dann können wir dazu beitra-gen, dass die Welt zu einem besseren Ort wird.

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Aktueller FSJler

Name: Kristian Cierpka (23) FSJ: Auslandsfreiwilligendienst in Skopje (Mazedonien) 12/13

Kristian studierte bereits, als ihn der Wunsch nach einem dauerhaften Engagement im sozialen Bereich, am liebsten auf dem Balkan, packte und er über eine bekannte Suchma-schine auf den Auslandsfrei-willigendienst von SHL stieß. Die Chance zu haben, in einem

anderen Land zu leben, zu ar-beiten, Unterstützung zu leis-ten und neue Leute kennen zu lernen, gefällt ihm sehr. Im Allgemeinen bewertet er sei-nen Freiwilligendienst als eine gute, bereichernde, rundum schöne Erfahrung und Mög-lichkeit, die sich leider lang-sam dem Ende zuneigt. Der Balkan soll weiterhin eine Rol-le in Kristians Leben spielen, er kann sich gut vorstellen, dort ein Praktikum zu absol-vieren oder beruflich mit der

Region in Kontakt zu bleiben. Auch bei SHL möchte er sich weiter engagieren, unter an-derem um sein Wissen und seine Erfahrungen einzubrin-

gen und zu teilen. Vermissen wird er jedoch definitiv Ajvar, ein Paprikamus, und starken türkischen Kaffee.

Schule zu Ende…und was dann? Für viele ist ein FSJ eine gute Möglichkeit nicht gleich von der Schule ins Studium oder in eine Ausbildung zu wechseln, sondern mehr von der Welt zu entdecken, neue Leute kennen zu lernen, sich nach den eigenen Interessen zu engagieren und die eigene Persönlichkeit zu differenzieren. SHL bietet sowohl im Inland als auch auf dem Balkan Möglichkeiten für einen Freiwilligendienst. Wir haben Alumni, aktuelle und zukünftige FSJler nach ihren

Erfahrungen, Motivationen und Erwartungen gefragt. (jm)

FSJler-timeline

2005

2006

2007

2008

2009

2010

2011

2012

2013

2014

Alumni

Namen: Ines Callsen (26) & Hauke Kramm (26) FSJ: Bundesbüro-Pressearbeit 06/07 & Auslandsfreiwilligen-dienst Sarajevo (Bosnien und Herzegowina) 07/08

Ines und Hauke haben ihr FSJ bereits vor mehreren Jahren absolviert und dieses Jahr ge-meinsam das PAT organisiert. In den Jahren ihres Engage-ments haben sie den Verein auf vielen Ebenen kennen ge-lernt. Die leitende Motivation für so viel Einsatz ist nach wie vor die Begeisterung an dem Engagement und daran, dass jungen Menschen so viel Ver-antwortung übertragen wird und dabei auch noch Raum für Kreativität und Eigenstän-digkeit bleibt. Noch immer fasziniert es sie, dass man bei SHL gemeinsam so viel errei-

chen kann und dass jeder die Freiheit hat sich nach seinen Möglichkeiten und Interessen einzubringen. Auch weiterhin wollen Ines und Hauke sich für den Verein engagieren, jedoch ihren Aufgabenbe-reich verändern, um auch den nachfolgenden Generationen die Möglichkeit zur Übernah-me von Verantwortung und Partizipation zu ermöglichen.

Zukünftige FSJlerin

Name: Merle Goßing (18)FSJ: Bundesbüro-Aktivenbe-treuung 13/14

Für ein FSJ bei SHL hat Mer-le sich entschieden, weil sie schon seit 2009 im Verein ak-tiv ist. In dieser Zeit hat sie sich immer gut betreut gefühlt und möchte jetzt andere in diesem Sinne für den Verein begeis-tern. Sie erwartet ein FSJ der besonderen Art mit viel Raum für selbstständiges Arbeiten. Ganz besonders freut sie sich

aber darauf, die Projektregi-on von SHL kennen zu lernen. Denn Merle war noch nie auf dem Balkan und kann es kaum abwarten, sich selbst einen Eindruck machen. Außerdem hat sie ein großes Ziel: Wäh-rend ihres FSJs möchte Merle einen Hilfstransport nach Süd-osteuropa organisieren. Auch nach ihrem FSJ will Mer-le dem Verein treu bleiben, an dem sie ganz besonders die Partizipation der vielen motivierten Jugendlichen, die Transparenz und das aktive Mitanpacken schätzt.

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Der Starter ist das Eventmagazin des Projektauswahltreffens von Schüler Helfen Leben e.V. Das Magazin hat den Schülerkongress mit 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmern vom 17. bis 19. Mai 2013 in Berlin begleitet und dokumentiert.

HerausgeberSchüler Helfen Leben e.V.Kaiserstraße 1224543 Neumünsterwww.schueler-helfen-leben.de

ChefredaktionMelanie Schippling (V.i.S.d.P.) (ms)

RedaktionPhilippe Fischer (pf), Jennifer Mackert (jf), Yuka Mahn (ym), Florian Muarrawi (fm), Inka Philipp (ip)

BildredaktionPaul Wagner,Momme Hell

TitelbildKristian Cierpka

Layout und SatzTobias Feitkenhauer

DruckKöllen Druck & Verlag GmbHMarienstraße 2610117 Berlin

Auflage300

Namentlich gekennzeichnete Artikel entsprechen nicht unbedingt der Meinung der gesamten Redaktion.

Impressum

Zu guter Letzt......möchten wir euch einen kleinen Einblick in die Arbeit der STARTER-Redaktion geben. Wenn ihr auf dem PAT 2014

selbst nachfragen und dokumentieren möchtet, seid ihr hier als Redakteure jederzeit herzlich willkommen.

Zu Anfang werden Themen gesammelt, konkrete Artikelideen entworfen und schließlich recherchieren alle Redakteu-re bereits vor der offiziellen Eröffnung des PATs eifrig in den Räumen der SHL-Stiftung.

So haltet ihr am Abschlusstag ein druck-frisches Heft in den Händen.

Später wird das Büro am Tagungsort be-zogen. Für Internetzugang, Verpflegung und Musik ist gesorgt, ab jetzt werden Interviews geführt und die ersten Texte geschrieben.

Die gesammelten O-Töne aus den Inter-views werden verschriftlicht.

Parallel zur Schreib-Arbeit wird am Lay-out gebastelt. Grafiken werden erstellt und Texte in das vorab entworfene De-sign des Starters eingefügt. Am Schluss werden Korrekturen bespro-

chen und letzte Änderungen vorgenom-men.

Starter

Vier Projekte zur WahlSeite 4

Schnackt a Madl platt?Seite 11

Dein sozialer FingerabdruckSeite 21

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