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Parodontitis und Schwangerschaft

Date post: 23-Dec-2016
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Page 1: Parodontitis und Schwangerschaft

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DFZ 12 · 2013 Der Freie Zahnarzt 12 · 2013 · 62-71 · s12614-013-1652-5 · © Springer- Verlag Berlin Heidelberg 2013

Parodontitis und SchwangerschaftWas der Zahnarzt wissen muss

CME

RedaktionDr. Norbert Grosse, FrankfurtProf. Dr. Bilal Al-Nawas, MainzDr. Wolfgang Bengel, HeiligenbergDr. Lutz Laurisch, Korschenbroich

Dieser CME-Beitrag ist nach den Leitsätzen der Bundeszahn-ärztekammer zur zahnärztlichen Fortbildung einschließlich der Punktebewertung von BZÄK/DGZMK erstellt. Pro Fort-bildungseinheit können 2 CME-Punkte erworben werden.

A. Raffauf, P. Ratka-Krüger | Freiburg

Zusammenfassung

Stellt sich eine schwangere Patientin in der Zahnarztpraxis mit Schmerzen vor, ist der Behandler oft verunsichert, was er überhaupt machen darf und welche Behandlungen bis nach der Geburt aufgeschoben werden sollten. Insbesondere bei der Parodontitisbehandlung sind viele Zahnärzte zurück-haltend, da die Patientinnen häufig keine Beschwerden angeben. Am sinnvollsten ist die zahnärztliche Behandlung vor geplanter Schwangerschaft (präkonzeptionell). Aber auch die bereits schwangere Patientin sollte in den ersten Monaten parodontal und dental untersucht werden. Mund-hygieneinstruktion und professionelle Zahnreinigung sollen helfen, mögliche gingivale Entzündungen zu reduzieren, da diese oft in ihrer Ausprägung bis zum Ende der Schwanger-schaft zunehmen. Wird eine Parodontitis festgestellt, sollte eine systematische Parodontalbehandlung durchgeführt werden, denn auch hier ist ein Schub der Erkrankung zu erwarten. Eine adjuvante Antibiotikagabe sollte gut abge-wogen und möglicherweise gemeinsam mit dem Gynäko-logen besprochen werden. Ob parodontalpathogene Keime oder deren Stoffwechselprodukte negativen Einfluss auf den Schwangerschaftsverlauf haben können, ist trotz vieler Hin-

weise noch nicht geklärt. Da jedoch die Vorteile der frühzeiti-gen Parodontitisbehandlung überwiegen, sollte diese nicht bis zum Zeitpunkt nach der Geburt verschoben werden.

Schlüsselwörter

Frühgeburt - Prävention - Mundhygiene - Gingivitis - Attachment-Verlust

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LernzieleNachdem Sie den Lerninhalt absolviert haben, wissen Sie …

D wie sich das Parodont während der Schwangerschaft verändert.

D welche parodontalen Erkrankungen Sie während der Schwangerschaft behandeln sollten.

D welche Eingriffe bis nach der Geburt verschoben werden sollten.

D welche zahnärztlichen Empfehlungen Sie der Schwangeren geben.

Parodontale Veränderungen während der Schwanger-schaft, Gingivitis und pyogenes GranulomWährend der Schwangerschaft kommt es zu starken hormonellen Veränderungen und gleichzeitig zu einer modifizierten Immun­antwort. Dies begünstigt die Entstehung einer Gingivitis, die in der Regel in ihrer Ausprägung bis zum Ende der Schwanger­schaft zunehmend verläuft [1]. Über hormonsensitive Rezepto­ren der Gingiva kommt es zu erhöhter Permeabilität und Proli­feration der Gefäße sowie verstärkter Fibroblastenbildung [2,3]. Dadurch entstehen häufig Pseudotaschen und Schwellungen. Hinzu kommt eine Verschiebung der oralen Flora zugunsten parodontalpathogener Keime [4]. Bei schwangeren Frauen konn­te ein erhöhtes Vorkommen von Campylobacter rectus und Pre-votella intermedia nachgewiesen werden [5,6]. Man geht davon aus, dass dies ebenfalls auf hormonelle und immunologische Modulationen zurückzuführen ist. Auch eine bereits vorhande­ne Parodontitis kann durch die veränderten Umstände stärker voranschreiten ([7]; »Abb. 1, Abb. 2). In zirka 5 Prozent der Schwangerschaften kommt es durch die verstärkte Gewebeproliferation zu der Entstehung eines „Schwangerschaftstumors“, auch pyogenes Granulom genannt ([8,9], »Abb. 3). Hier kann in den meisten Fällen nach der Geburt eine vollständige Spontanremission beobachtet werden [10,11]. Bei ungünstiger Lage und starker Ausprägung kann jedoch auch eine chirurgische Exzision erwogen werden.

Parodontitis und FrühgeburtDie Prävalenz von Frühgeburten ist vor allem in den Industrie­ländern in den letzten Jahrzehnten gestiegen. Dies wird unter anderem auf Risikofaktoren wie Mehrlingsschwangerschaften, Adipositas, Schwangerschaftsdiabetes, Rauchen und vermehrt geplante Geburten zurückgeführt. Insbesondere inflammato­rische Prozesse gelten als begünstigend oder auslösend für eine Frühgeburt [12]. Parodontale Erkrankungen zählen ebenfalls zu den inflammatorischen Erkrankungen und werden daher als möglicher Risikofaktor diskutiert. Außerdem konnte bei wissen­schaftlichen Untersuchungen der Übertritt von oralen Pathoge­nen und deren Stoffwechselprodukten in die Fruchtblase nach­gewiesen werden. Es wird davon ausgegangen, dass diese zu einer frühzeitigen Kontraktion der Gebärmutter oder auch zu einer Präeklampsie (im Volksmund „Schwangerschaftsvergiftung“; [13]) beitragen könnten. Einzelne Studien konnten zeigen, dass gerade mit schweren Parodontitiden sehr frühe Frühgeburten assoziiert werden [14,15]. Auch ein niedriges Geburtsgewicht wird in diesem Zusammenhang diskutiert und konnte im Tier­versuch nachgewiesen werden [16­18]. Jedoch fehlt es derzeit an untereinander vergleichbaren klinischen Studien, da die Studien­populationen sehr unterschiedlich sind. Außerdem erscheint es schwierig zu definieren, ab wann eine Parodontitis vorliegt.

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2 Parodontitis bei einer Schwangeren; bei einer bereits bestehenden Parodontitis ist während der Schwangerschaft

mit einer Progression zu rechnen

1 Gingivitis bei einer Patientin in der 17. Schwangerschaftswoche (a) und vier Wochen nach der Geburt (b). Während der Schwanger-schaft wurden eine Mundhygieneinstruktion und professionelle Zahnreinigung durchgeführt

3 Pyogenes Granulom

Dies beeinflusst deutlich die Ergebnisse der einzelnen Studien und macht es schwierig, sie untereinander zu vergleichen. Daher sind weitere wissenschaftliche Untersuchungen abzuwarten, um eine eindeutige Aussage über die Parodontitis als Risikofaktor für Frühgeburten treffen zu können.

Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob bei einem positiven Zusammenhang die frühzeitige Intervention einer Frühgeburt, Präeklampsie oder niedrigem Geburtsgewicht entgegenwirken kann. Dies konnte bisher ebenfalls nicht eindeutig belegt wer­den. Jedoch wurde auch kein negativer Einfluss auf den heran­wachsenden Fetus oder die Mutter durch eine Parodontalbe­handlung festgestellt [19]. Darum ist eine Behandlung parodon­taler Erkrankungen auch während der Schwangerschaft prinzi­piell zu befürworten.

MundhygieneWährend der Schwangerschaft ist die gründliche Mundhy giene sehr wichtig, um der erhöhten Entzündungsneigung der Gingiva entgegenzuwirken und parodontalpathogene Keime zu reduzie­ren. Dabei muss neben dem Zähneputzen besonders auf eine

konsequente Zahnzwischenraumpflege geachtet werden. Der Zahnarzt sollte die Patientinnen über die Wichtigkeit der Mund­hygiene und geeignete Hilfsmittel informieren. Zur Unterstüt­zung der häuslichen Mundhygiene ist es sinnvoll, zu Beginn und zum Ende der Schwangerschaft neben der Motivation und Instruktion eine professionelle Zahnreinigung durchzuführen [20]. Gegebenenfalls kann bei erschwerter Mundhygiene auf­grund eines ausgeprägten Würgereizes oder bei starken Ent­zündungen der Mundhöhle der Gebrauch einer alkoholfreien Mundspüllösung empfohlen werden.

Behandlungskonzept zur ParodontitistherapieIm günstigsten Fall stellt sich die Patientin vor einer geplan­ten Schwangerschaft zur Untersuchung in der zahnärztlichen

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Praxis vor. Hier sollten alle ggf. vorhandenen oralen Entzün­dungsherde wie Karies, Pulpa­ und Parodontalerkrankungen behandelt werden.

Zur parodontalen Diagnostik vor oder zu Beginn einer Schwangerschaft eignet sich der parodontale Screening­Index (PSI). Gibt dieser Hinweise auf eine Erkrankung des Zahnhalte­apparats, sollte ein vollständiger Parodontalstatus erhoben wer­den. Weiterhin ist es zu empfehlen, beim Mundhygienetraining auf Schwachstellen hinzuweisen und die Zahnzwischenraum­pflege zu erläutern. Falls eine nichtchirurgische Parodontalbe­handlung durchgeführt werden muss, sollte dies möglichst nicht während des ersten Trimenons oder zum Ende des dritten Tri­menons erfolgen [21]. Besonders in der zweiten Hälfte des letzten Schwangerschaftsdrittels ist die Behandlung aufgrund der Lage­rung erschwert, da eine Kompression der V. cava bei Rückenlage zu vermeiden ist (V.­cava­Kompressionssyndrom). Bei der Erhe­bung der Befunde ist darauf zu achten, dass ein echter Attach­ment­Verlust von Pseudotaschen unterschieden wird, die durch Schwellungen und Gingivaproliferation auftreten können. Hier bieten der Parodontalbefund, vorhandene Röntgenbilder und die Lage der Schmelz­Zement­Grenze im Bezug zum Limbus alveolaris eine gute Orientierung.

Der Attachment­Verlust ist durch den Abstand der Schmelz­Zement­Grenze bis zum Taschenboden definiert. Zusätzliche röntgenologische Untersuchungen sind bei Schwangeren auf ein absolutes Mindestmaß zu reduzieren und nur bei akuten Erkran­kungen oder unklaren Beschwerden durchzuführen [22]. Paro­dontalchirurgische Eingriffe sollten bis nach der Geburt verscho­ben werden. Lediglich die Entfernung stark störender Gingiva­wucherungen (pyogenes Granulom, s. Abschn. „Parodontale Veränderungen während der Schwangerschaft, Gingivitis und pyogenes Granulom“) kann ggf. während der Schwangerschaft in Erwägung gezogen werden.

AntibiotikatherapieLiegt eine zuvor nichtbehandelte aggressive oder nekrotisieren­de­ulzerierende Parodontalerkrankung oder abszedierende Ent­zündung mit Allgemeinsymptomatik vor, ist in Einzelfällen eine systemische Antibiotikagabe zu überdenken. Diese kann auch bei bereits vorliegenden Frühgeburtsbestrebungen in Erwägung gezogen werden, um den zusätzlichen Übertritt oraler Keime in die Blutbahn abzuschirmen.

Zur Entscheidungsfindung und Auswahl des geeigneten Prä­parats sollte in diesen Fällen immer ein Konsil mit dem behan­delnden Gynäkologen erfolgen [22].

Fallbeispiel»» Anamnese»und»Befunde

Eine 32­jährige Patientin stellte sich mit Schmerzen und Schwel­lungen der Gingiva vor (»Abb. 4). Zu diesem Zeitpunkt befand sie sich in der 18. Schwangerschaftswoche. Außerdem konnte bei ihr ein Schwangerschaftsdiabetes festgestellt werden. Ein aktuelles Orthopantomogramm lag aufgrund der Behandlung einer Dentitio difficilis vor (»Abb. 5). Die werdende Mutter wies eine mäßige Mundhygiene auf. Der Parodontalstatus (»Abb. 6) zeigte stark erhöhte Sondierungstiefen bis 11 mm. Diese waren vor allem im ersten, zweiten und dritten Quadranten festzustel­len. Unter Berücksichtigung der starken Schwellungen konnte ein maximaler Attachment­Verlust von 8 mm an Zahn 26 vor­

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gefunden werden. Weitere parodontologische Tests ergaben die folgenden Befunde:

D "Bleeding­on­probing" (BOP)­Index: 59 Prozent, D Sulkusblutungsindex: 84 Prozent, D approximaler Plaqueindex: 62 Prozent.

Dabei ist jedoch die erschwerte Reinigungsmöglichkeit auf­grund von Schwellung und Schmerzen zu berücksichtigen. Die klinischen und röntgenologischen Verfahren ergaben zusam­

menfassend die Diagnose einer generalisierten aggressiven Parodontitis mit multiplen Parodontalabszessen bei verlager­tem Zahn 13 sowie Nichtanlage 35, persistierenden Milchzäh­nen 53 und 75 sowie vorliegender Schwangerschaft in der 18. Schwangerschaftswoche.

»» BehandlungsablaufIm Rahmen der Akutbehandlung wurden die Abszesse drai­niert. Zusätzlich erfolgte eine Einlage mit Jodoformstreifen. Eine

4 Generalisierte schwere chronische Parodontitis bei einer Patientin in der 18. Schwangerschaftswoche. a Frontalansicht, b rechts, c links, d Oberkiefer, e Unterkiefer

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6 Parodontalstatus bei Behandlungsbeginn

5 Orthopantomogramm in der 16. Schwangerschaftswoche; dieses wurde aufgrund einer Dentitio difficilis des Zahns 38

alio loco angefertigt

täglich zweimalige Mundspülung mit Chlorhexidindiglukonat (0,2­prozentig, alkoholfrei) wurde empfohlen. Des Weiteren wurde eine professionelle Zahnreinigung und Mundhygiene­instruktion durchgeführt. Es wurde ein Termin zum Scaling und Wurzelglätten im zweiten Trimenon angesetzt. Aufgrund des klinischen Bilds und des Vorliegens eines Schwangerschafts­diabetes als Risiko einer Frühgeburt wurde nach Rücksprache mit dem Gynäkologen eine adjuvante Antibiotikagabe erwogen und das Antibiotikum ausgewählt. Die Patientin wurde inst­ruiert, prophylaktisch am Vortag der Behandlung mit der Ein­nahme von 500 mg Amoxicillin (dreimal täglich für 14 Tage) zu beginnen, um einer transienten Bakteriämie vorzubeugen. Es wurde ein „site“­spezifisches Scaling und Wurzelglätten durchgeführt.

Die Patientin nahm nun weiterhin das Antibiotikum für die nächsten 13 Tage ein. Im Abstand von einer Woche und 14 Tagen wurde das klinische Behandlungsergebnis kontrolliert. Hier zeigten sich schnell ein deutlicher Rückgang der Schwel­lungen und abszedierenden Bereichen sowie ein Rückgang der Beschwerden (»Abb. 7).

Der nächste Kontrolltermin fand sieben Wochen nach der Geburt statt, da die Patientin die weiteren Kontrolltermine vor der Geburt aus persönlichen Gründen abgesagt hatte. Ihr Sohn war in der 39. Woche geboren worden. Im Parodontalbefund konnte eine deutliche Besserung der Sondierungstiefen, des BOP und des Zustands der marginalen Gingiva festgestellt werden (»Abb. 8, »Abb. 9). Die Patientin wurde in die unterstützende Parodontitistherapie im Intervall von vier Monaten eingebun­den. Außerdem wurden die Extraktion von Zahn 38 sowie eine kieferorthopädische Beratung und Weiterbehandlung eingeleitet.

»» EpikriseBei der Patientin war bereits in der 18. Schwangerschaftswoche eine generalisierte schwere parodontale Entzündung festgestellt worden, die aufgrund des hohen Attachment­Verlusts und des jungen Alters der Patientin Hinweise auf eine aggressive Paro­

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8 Parodontalstatus sieben Wochen nach der Geburt

7 Fotostatus 14 Tage post interventionem. a Frontalansicht, b rechts, c links, d Oberkiefer, e Unterkiefer

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9 Fotostatus sieben Wochen nach der Geburt. a Frontalansicht, b rechts, c links, d Oberkiefer, e Unterkiefer

dontitis ergab. Aufgrund des schweren klinischen Bilds und der Schmerzsymptomatik wurde in diesem speziellen Fall gemein­sam mit dem Gynäkologen entschieden, eine adjuvante Anti­biose mit Scaling und Wurzelglätten zu kombinieren. Dies ist sicherlich nicht als Standardprozedere anzusehen und ist nur in Einzelfällen nach gründlicher Abwägung von Nutzen und Risiko angebracht. Wegen der raschen deutlichen Besserung des

Beschwerdebilds und des klinischen Befunds nach der Geburt ist die Behandlung als erfolgreich zu bewerten. Weiterhin sind jedoch noch kieferorthopädische Maßnahmen und die Entfer­nung des teilretinierten Zahns 38 notwendig. Die Tatsache, dass in diesem Fall keine Frühgeburt vorlag, kann ebenfalls als posi­tiver Faktor gewertet werden. Ob es jedoch aufgrund der Par­

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odontitistherapie zu diesem Schwangerschaftsverlauf kam, ist nicht zu belegen.

Fazit für die Praxis D Werdende Mütter sollten vom Zahnarzt während der Schwangerschaft begleitet werden. Dies schließt eine denta­le und parodontale Untersuchung sowie eine professionelle Zahnreinigung und Mundhygieneunterweisung zu Beginn und zum Ende der Schwangerschaft ein.

D Bei akuten Beschwerden ist die Behandlung unabhängig vom Zeitpunkt der Schwangerschaft durchzuführen.

D Eine notwendige Parodontitisbehandlung sollte im ersten Trimenon und zum Ende des dritten Trimenons vermie­den werden.

D Die Antibiotikagabe kann bei akuten Parodontalerkran­kungen in Betracht gezogen werden. Dies ist mit dem behandelnden Gynäkologen abzustimmen.

LiteraturDas vollständige Literaturverzeichnis kann bei der Red aktion angefordert werden: [email protected].

» Prof. Ratka-Krüger absolvierte das Studium der Zahnheilkun-de von 1980–1985 an der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt a. M., und wurde dort 1985 approbiert.

» Im Jahr 1997 erfolgten Habilitation, die Ernennung zur Privatdo-zentin und 2004 die außerplanmäßige Professur. Seit 2007 obliegt ihr die Leitung der Sektion Parodontologie in der Klinik für Zahn-erhaltungskunde und Parodontologie der Zahnklinik Freiburg.

» Im Jahr 2010 erhielt sie den Thieme-Förderpreis für Innovative Lehr-projekte und Reformansätze in der medizinischen Ausbildung für den Studiengang „MasterOnline Parodontologie & Periimplantäre Thera-pie“, 2012 den Instructional Development Award (IDA) der Universität Freiburg und 2013 den Excellence in Dental Education Award der Asso-ciation for Dental Education in Europe (ADEE).

» Ihre Hauptarbeitsgebiete sind nichtchirurgische Parodontitistherapie und lokale/systemische Antibiotikatherapie, plastische und regenera-tive Parodontalchirurgie, Einfluss von Allgemeinerkrankungen auf das Parodont, Einfluss von Parodontitis auf den allgemeinen Gesundheits-zustand, Wechselbeziehung zwischen Parodont und Endodont sowie „e-learning“ in der Zahnmedizin.

» Dr. Raffauf wurde 1982 in Lahnstein geboren und studierte von 2002–2008 in Freiburg Zahnmedizin.

» Nach ihrem Staatsexamen verbrachte sie die Assistenzzeit in einer niedergelassenen Praxis in Berlin, bevor sie 2011 als wissenschaft-liche Mitarbeiterin in die Klinik für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie des Universitätsklinikums Freiburg wechselte. Hier befindet sie sich als Postgraduierte in der Ausbildung zur Spezia-listin für Parodontologie.

» Derzeit betreut sie unter anderem eine Studie zum Thema „Parodontale Veränderungen bei Schwangeren mit und ohne Frühgeburtsbestrebungen“.

Interessenkonflikt: A.B. Raffauf und P. Ratka-Krüger geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Alle Patienten, die über Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts zu identi-fizieren sind, haben hierzu ihre schriftliche Einwilligung gegeben. Im Fall von nichtmündigen Patienten liegt die Einwilligung eines Erziehungsberechtigten oder des gesetzlich bestellten Betreuers vor. Alle im vorliegenden Manuskript beschriebenen Untersuchun-gen am Menschen wurden mit Zustimmung der zuständigen Ethik-kommission, im Einklang mit nationalem Recht sowie gemäß der Deklaration von Helsinki von 1975 (in der aktuellen, überarbeiteten Fassung) durchgeführt. Von allen beteiligten Patienten liegt eine Einverständniserklärung vor.

Prof. Dr. Petra Ratka-KrügerKlinik für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie, Department für Zahn-, Mund- und KieferheilkundeUniversitätsklinikum Freiburgpetra.ratka-krueger @uniklinik-freiburg.de

Dr. Anne RaffaufKlinik für Zahnerhaltungskunde und ParodontologieUniversitätsklinikum FreiburgHugstetterstr. 5579106 [email protected]

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Teilnehmen und Punkte sammeln auf springerzahnmedizin.de

Welche der folgenden Aussagen über das pyogene Granulom trifft zu?

òEin pyogenes Granulom sollte in jedem Fall umgehend entfernt werden. òEin pyogenes Granulom tritt in 50 Prozent al-ler Schwangerschaften auf. òEin pyogenes Granulom bildet sich häufig nach der Schwangerschaft vollständig zu-rück. òEin pyogenes Granulom ist auf die veränder-te Keimflora zurückzuführen. òEin pyogenes Granulom wird durch Antibio-tikatherapie behandelt.

Wie sollten Sie bei der Behandlung einer chronischen Parodontitis, die beschwerdefrei verläuft und während der Schwangerschaft festgestellt wird, vorgehen?

òSie sollten diese Parodontitis nach der Ge-burt behandeln. òSie weisen die Patientin darauf hin, dass bei Beschwerdefreiheit eine solche Parodontal-erkrankung nicht progredient ist. òSie sollten die Parodontitis sofort zu Beginn der Schwangerschaft behandeln. òSie sollten die Parodontitis nicht im ersten Trimenon oder zum Ende des dritten Trime-nons behandeln. òSie klären die Patientin darüber auf, dass Sie die Parodontitis zu jedem Zeitpunkt der Schwangerschaft behandeln können.

Welche der folgenden diagnostischen Maß-nahmen sollten Sie vor oder zu Beginn einer Schwangerschaft durchführen?

òDen PSI òEinen Abstrich für den Interleukin-1β-Poly-morphismus òEinen mikrobiologischen Test òBestimmung der Speichelfließrate (Sialo-metrie) òEin Orthopantomogramm zur parodontalen Diagnostik

Eine schwangere Patientin in der 12. Schwan-gerschaftswoche kommt mit leichten Be-schwerden am Zahnfleisch. Sie stellen bei der Erhebung des PSI fest, dass kein Attachment-Verlust vorliegt, jedoch Gingivaschwellun-gen und vermehrte Blutung vorhanden sind. Wozu raten Sie der Patientin?

òSie raten der Patientin bis nach der Geburt abzuwarten, da die Beschwerden dann häu-

fig rückläufig sind. òSie raten der Patientin sich erst im zweiten Trimenon wieder zur Weiterbehandlung vor-zustellen. òSie raten der Patientin zu einer professionel-len Zahnreinigung und Mundhygieneunter-weisung. òSie raten der Patientin zu einem Scaling und Wurzelglätten an allen Zähnen. òSie raten der Patientin, ein Orthopantomo-gramm zur genaueren Diagnostik erstellen zu lassen.

Welche der folgenden Aussagen über Verän-derungen in der Schwangerschaft trifft zu?

òÜber hormonsensitive Rezeptoren der Gingi-va kommt es zu erhöhter Permeabilität und Proliferation der Gefäße sowie verstärkter Fibro blastenbildung. òEs kommt zu einer Verschiebung der oralen Keimflora zugunsten kariogener Keime. òBei schwangeren Frauen konnte ein erhöh-tes Vorkommen von Aggregatibacter actino-mycetemcomitans und Tannerella forsythia nachgewiesen werden. òEine bereits vorhandene Parodontitis kann durch die veränderten Umstände nicht stär-ker voranschreiten. òWährend der Schwangerschaft kommt es nur zu geringen hormonellen Veränderun-gen und zu einer verbesserten Immunant-wort.

Wie wird der Attachment-Verlust definiert? òAls Abstand zwischen Zahnfleischrand und Limbus alveolaris òAls Abstand zwischen Limbus alveolaris und apikaler Begrenzung des Saumepithels òAls Abstand vom Zahnfleischrand zur Schmelz-Zement-Grenze òAls Abstand von der marginalen Gingiva zum Taschenboden òAls Abstand von der Schmelz-Zement-Gren-ze zum Taschenboden

Welche der folgenden Aussagen bezüglich der Mundhygiene während der Schwanger-schaft trifft zu?

òEine professionelle Zahnreinigung ersetzt die regelmäßige Zahnzwischenraumpflege. òEs sollte im zweiten Trimenon eine einmalige professionelle Zahnreinigung durchgeführt werden.

òDie regelmäßige gründliche Reinigung der Zähne und Zahnzwischenräume kann einer Entzündung der Gingiva entgegenwirken. òEine Mundhygieneinstruktion ist nur bei deutlichen, fortgeschrittenen Entzündungs-zeichen der Gingiva notwendig. òSchwellungen und Blutung sind hormonell bedingt und können durch die Mundhygie-ne nicht beeinflusst werden.

Warum ist in der späten Schwangerschaft (Ende des dritten Trimenons) eine Parodon-talbehandlung (Wahleingriff) zu vermeiden?

òDa der Würgereiz erhöht ist. òDa die Blutungsneigung erhöht ist. òDa die Lagerung auf dem Rücken nicht zu empfehlen ist (V.-cava-Kompression). òDa das Immunsystem stark geschwächt ist. òDa die Gingiva die stärkste Schwellung auf-weist.

Ein Parodontalabszess sollte während der Schwangerschaft …

òzu jedem Zeitpunkt behandelt werden. ònicht behandelt werden, um eine Bakteriä-mie zu vermeiden. òdurch Extraktion des schuldigen Zahns be-handelt werden. òdurch ein lokales Antibiotikum behandelt werden. òmöglichst zum Ende des dritten Trimenons behandelt werden.

Sie diagnostizieren bei einer Schwangeren in der 30. Schwangerschaftswoche eine ne-krotisierende-ulzerierende Gingivitis. Was ist Ihre Empfehlung?

òSie überlassen die Behandlung dem Gynä-kologen. òSie geben nach Rücksprache mit dem Gynä-kologen Antibiotika und unternehmen wei-tere Behandlungsschritte erst nach der Ge-burt. òSie behandeln den akuten Zustand sofort durch Reinigung, Mundhygieneinstruktion und ggf. Antibiotikagabe nach Rücksprache mit dem Gynäkologen. òSie empfehlen eine zweimal tägliche Chlor-hexidinspülung und kontrollieren die Gingi-va alle 14 Tage. òSie empfehlen der Patientin, sich nach der Geburt in der Uniklinik vorzustellen.

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