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Otto Modersohns zweiter Ehe mit der Malerin Paula ... 2007.pdf · Mathilde Modersohn, um 1970 Foto:...

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Mathilde Modersohn, um 1970 Foto: A. Kretscmer, Dortmund Die am 2. November 1907 geborene Tochter aus Otto Modersohns zweiter Ehe mit der Malerin Paula Modersohn-Becker, die wenige Tage nach der Geburt des einzigen Kindes im Alter von 31 Jahren gestorben war, hat sich um die Erhaltung und Pflege des künstlerischen Nachlasses ihrer Mutter in vielfältiger Weise verdient gemacht, insbesondere durch die 1978 gegründete Paula Modersohn-Becker Stiftung. Durch sie konnte ein wesentlicher Teil der Gemälde und Zeichnungen der Malerin für Bremen gesichert werden. Die Kunsthalle wie die Kunstsammlungen der Böttcherstraße, deren Neueinrichtung im Paula Modersohn-Becker Haus Tille Modersohn noch mit lebhaftem Interesse und Engagement verfolgt hat, zeigen diese Bilder in ihren Sammlungen. Mathilde Modersohn ging beruflich einen anderen Weg als ihre berühmte Mutter. Sie wirkte bis zu ihrer Pensionierung als Sozialarbeiterin. Sie starb am 26. August 1998 und wurde an der Seite ihrer Mutter in Worpswede beigesetzt.
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Mathilde Modersohn, um 1970 Foto: A. Kretscmer, Dortmund

Die am 2. November 1907 geborene Tochter aus Otto Modersohns zweiter Ehe mit der Malerin Paula Modersohn-Becker, die wenige Tage nach der Geburt des einzigen Kindes im Alter von 31 Jahren gestorben war, hat sich um die Erhaltung und Pflege des künstlerischen Nachlasses ihrer Mutter in vielfältiger Weise verdient gemacht, insbesondere durch die 1978 gegründete Paula Modersohn-Becker Stiftung. Durch sie konnte ein wesentlicher Teil der Gemälde und Zeichnungen der Malerin für Bremen gesichert werden. Die Kunsthalle wie die Kunstsammlungen der Böttcherstraße, deren Neueinrichtung im Paula Modersohn-Becker Haus Tille Modersohn noch mit lebhaftem Interesse und Engagement verfolgt hat, zeigen diese Bilder in ihren Sammlungen. Mathilde Modersohn ging beruflich einen anderen Weg als ihre berühmte Mutter. Sie wirkte bis zu ihrer Pensionierung als Sozialarbeiterin. Sie starb am 26. August 1998 und wurde an der Seite ihrer Mutter in Worpswede beigesetzt.

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Geburt und Tod Neunzehnhundertsieben. Eine Hommage Marina Bohlmann-Modersohn Das Ereignis der Geburt des ersten Kindes wird kaum drei Wochen später erschüttert durch den Tod der Mutter. Unglaublich zunächst. Hilflosigkeit des verwitweten Vaters. Wer kann dem achtzehn Tage alten Säugling die nährende Geborgenheit geben, die er braucht? Die Familie beschließt, das kleine Mädchen der Schwester der Verstorbenen anzuvertrauen, die wenige Monate zuvor selbst eine Tochter geboren hat. Sie nimmt Mathilde an ihre Brust. Ihre liebevolle Fürsorge wirkt beruhigend auf das Kind. Mit ihrer fast gleichaltrigen Cousine wächst Mathilde auf wie mit einer Schwester. Das Haus der Tante wird zu ihrem Zuhause. Ein paar Jahre vergehen. Der Vater hat inzwischen wieder geheiratet. Höchste Zeit, seine kleine Tochter Mathilde endlich zu sich und seiner neuen Frau zu holen, damit sie von nun an bei ihnen lebe. Aber Mathilde fühlt sich fremd in der neuen Umgebung und neben einer Frau, die sie nicht kennt und zu der sie „Mutter“ sagen soll.

Mathilde Modersohn, 1912

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Elsbeth, Tille, Otto und Louise Modersohn, um 1912 Gut, dass es noch die Halbschwester Elsbeth gibt, die Tochter aus der ersten Ehe des Vaters. Elsbeth, deren Mutter starb, als sie zwei war, ist neun Jahre älter als Mathilde. Mathilde geht zur Schule. Zuhause hört sie manchmal, wie ihr Vater nach ihrer Mutter gefragt wird. Der Name „Paula“ fällt. Eine verstorbene Tante, erklärt man ihr besänftigend. Eines Tages wird ein Denkmal über den Schulhof transportiert, der an den örtlichen Friedhof grenzt. Die Kinder laufen zusammen, auch Mathilde. Das Denkmal ist aus Stein und zeigt eine lebensgroße, zurücksinkende Frauenfigur. „Es ist für das Grab Deiner Mutter!“ rufen die Kinder. Mathilde schüttelt den Kopf. „Erst spät habe ich erfahren, dass Mutter kurz nach meiner Geburt gestorben ist“, sagt Mathilde Modersohn. Ihr stiller, freundlicher Blick schweift versunken nickend über die zahlreichen Gemälde ihrer Eltern an den Wänden ihrer Wohnung und bleibt schließlich auf einem kleinen Portrait ihrer Mutter ruhen, das über dem Schreibtisch hängt. Paula Modersohn-Becker hat das „Selbstbildnis vor grünem Hintergrund mit blauer Iris“ um 1905 gemalt. Für einen Moment lang verschmelzen zwei Gesichter zu einem einzigen: das der Mutter mit dem der Tochter. Die äußere Ähnlichkeit ist groß.

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Man stellt sich vor, wie sich die beiden Frauen gegenübersitzen. Worüber mögen sie sprechen? Was mögen sie sich zu sagen haben? Nein, sie selbst könne weder zeichnen noch malen, sagt Mathilde Modersohn lächelnd und streicht mit der Hand bedächtig über die glatte Oberfläche des schweren runden Mahagonitisches mit den Löwenfüßen, der ihrem Elternhaus entstammt. Die Jahre, in denen sie als Säuglings- und Kinderschwester gearbeitet hat und schließlich für die Einrichtung von Mütterberatungsstellen in Ostfriesland zuständig war, sind lange vorbei. Ihr Erbe, das umfangreiche künstlerische Werk ihrer Mutter, hat sie den Händen von Experten übergeben, damit es geschützt und gepflegt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werde. Mathilde Modersohn, unverheiratet und kinderlos, stirbt im Alter von einundneunzig Jahren.

Paula Modersohn-Beckers Grab, Foto um 1920

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Paula Modersohn-Becker und Otto Modersohn, um 1902 Die Gesellschaft-Otto-Modersohn-Museum e.V. erwirbt mit Hilfe der Kulturstiftung der Länder, der Niedersächsischen Sparkassenstiftung, der Kreissparkasse Verden, der Waldemar Koch Stiftung aus Bremen und Spenden von Mitgliedern der Gesellschaft-Otto-Modersohn-Museum e.V. neun Bilder aus dem Nachlass Mathilde Modersohns, der Tochter Paula Modersohn-Beckers, für die Sammlung der Otto Modersohn Stiftung in Fischerhude. Otto Modersohn (1865-1943), dessen Name eng mit der Künstlerkolonie Worpswede verbunden ist, hat ein außergewöhnlich umfangreiches malerisches und zeichnerisches Werk hinterlassen, das im 19. Jahrhundert wurzelt und sich in die Tradition der französischen Landschaftsmalerei stellt, aber keiner kunsthistorischen Strömung zugeordnet werden kann. Bereits früh revoltierte der Akademiestudent gegen die Lehren seiner Professoren in Düsseldorf und entwickelte sich zu einem unabhängigen Einzelgänger, der seine künstlerischen Ziele mit den Begriffen Einfachheit, Intimität und Innerlichkeit definierte und seine kreative Kraft aus der geistigen Versenkung in der Natur schöpfte. Um es mit Rilke zu sagen: „Wir fühlen das Wesen eines Mannes, der

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mit allen Fasern sich mit der Natur verwachsen fühlt; der nicht leben könnte ohne die unaufhörliche innige Berührung mit den Revieren der Bäume, der Wiesen, der stillen Wasserflächen; in dem alle Träume und alle Sehnsucht sofort die Gestalt einer Landschaft annehmen.“ Auch die auf den frühen Tod seiner zweiten Frau Paula Modersohn-Becker folgenden 36 Schaffensjahre an der Seite seiner dritten Frau Louise Modersohn-Breling in Fischerhude und im Allgäu sind durch intensive Arbeit und eine meisterhafte Malkultur geprägt.

Louise Modersohn-Breling und Otto Modersohn in Stuttgart, 1920

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Als Otto Modersohn am 10. März 1943 starb, waren seine Söhne Ulrich (*1913) und Christian (*1916) Soldaten, seine beiden Töchter Elsbeth und Mathilde Modersohn, aus den vorhergehenden Ehen mit Helene Schröder und Paula Modersohn-Becker, waren als Krankenschwester und Fürsorgerin nicht in Fischerhude tätig. Seine dritte Ehefrau, Louise Modersohn-Breling - sie lebte mit Zweitwohnsitz im Allgäu - beschloss sich über die testamentarische Verfügung ihres Mannes, seinen künstlerischen Nachlass keinesfalls zu teilen, hinwegzusetzen und alle Kinder gleich zu bedenken, bzw. den Nachlass gerecht zu teilen. Otto Modersohn selbst hatte einen ausgewählten Bestand seiner Werke nie veräußert, in der vagen Hoffnung, diese Auswahl möge einmal den Grundstock eines ihm zugeeigneten Museums bilden. Nach dem Krieg lebte Christian Modersohn mit seiner Mutter auf dem Gailenberg bei Hindelang, wo er zusammen mit seiner Frau Anna von 1948 bis 1955 in einem von Otto Modersohn 1930 erworbenen alten Bauernhof eine erste Familiengalerie betrieb. 1957 kehrte er zusammen mit seiner Familie nach Fischerhude zurück. Die, seit den retrospektiven Ausstellungen zum Werk Otto Modersohns in den Sechziger Jahren, häufiger gestellten Nachfragen zum Werk seines Vaters legten den Gedanken an einen permanenten Ausstellungsraum nahe. 1974 war es dann soweit. In einer dem Abbruch geweihten Scheune aus der Dorfmitte entstand unweit des Wohnhauses die Keimzelle des heutigen Museums. 1980 folgte dann ein dringlicher Werkstatt- und Atelierbau und in den Jahren 1985 und 1996 kamen zwei Erweiterungsbauten des Museums hinzu. Alle diese Bauvorhaben wurden vorwiegend mit Eigenmitteln der Familie realisiert. Erwähnenswert ist die Hilfe der Stiftung Niedersachsen beim abschließenden Erweiterungsbau im Jahr 1996. Das Jubiläumsjahr der Worpsweder Kolonie, 1989, war auch für das Otto Modersohn Museum von entscheidender Bedeutung. Enge Freunde der Familie und des Museums gründeten zu Beginn des Jahres die Gesellschaft-Otto-Modersohn-Museum e.V. Der Verein fördert im Rahmen seiner Möglichkeiten Ausstellungen und Veröffentlichungen und ist durch Zukäufe auch am Ausbau der Sammlung der Otto Modersohn Stiftung beteiligt. Die Otto Modersohn Stiftung wurde durch Christian und Anna Modersohn ebenfalls 1989 ins Leben gerufen. 1997 wurde der Stiftungsbestand erweitert und in eine rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts umgewandelt. Die Sammlung der Otto-Modersohn-Stiftung soll durch Zustiftungen erweitert werden.

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Anna und Christian Modersohn, um 1988 Das Otto Modersohn Museum selbst wird von der Familie Modersohn privat geführt. Die Gebäude und der Grund auf dem es steht, sind in ihrer Zweckbestimmung auf Jahre hinaus festgelegt, den Zielen von Stiftung und Gesellschaft verpflichtet und untergeordnet. Für den laufenden Betrieb erhält das Otto Modersohn Museum keine weiteren öffentlichen Hilfen von Kommune, Kreis oder Land. 2006 wurden der Otto Modersohn Stiftung von der Paula Modersohn-Becker Stiftung in Bremen neun Bilder Otto Modersohns aus dem Nachlass von Mathilde Modersohn zum Kauf angeboten. Es ergab sich damit nach 63 Jahren die Möglichkeit, einige wichtige Bilder der Worpsweder Jahre für die Otto Modersohn Stiftung zu sichern und Lücken in der Sammlung zu schließen. Im Otto Modersohn Museum sind heute die wesentlichen Bestände des damals auf die Mitglieder der Familie verteilten Nachlasses wieder versammelt. Es fehlten noch die für das Gesamtbild seines Schaffens wichtigen Gemälde aus der Hinterlassenschaft von Mathilde Modersohn, die diese Bilder ihres Vaters testamentarisch zur Stützung der von ihr gegründeten Paula Modersohn-Becker Stiftung verwenden wollte. Das Konvolut hat nicht den Charakter einer in sich geschlossenen Sammlung. Ihre Bedeutung erhalten sie durch ihre Stellung im Gesamtzusammenhang der Otto Modersohn Stiftung, die sie vervollständigen. Die Besonderheit dieser Arbeiten ergibt sich aus der Provenienz, aus dem Vorbesitz der zweiten Tochter des Malers, die in einer repräsentativen Auswahl von Bildern das Andenken an den Vater bewahrte.


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