Protein-Protein-WechselwirkungenDOI: 10.1002/ange.201208889
Orale Desinfektionsmittel inhibieren Protein-Protein-Wechsel-wirkungen des antiapoptotischen Proteins Bcl-xL und induzierenApoptose in humanen oralen Tumorzellen**Martin Gr�ber, Michael Hell, Corinna Grçst, Anders Friberg, Bianca Sperl, Michael Sattler undThorsten Berg*
In den letzten Jahren wurden auf dem Gebiet der nieder-molekularen Inhibitoren von Protein-Protein-Wechselwir-kungen große Fortschritte erzielt, die das ungemein großePotenzial des Ansatzes f�r die Grundlagenforschung und dieangewandte Forschung in das Zentrum des allgemeinen Be-wusstseins ger�ckt haben.[1] Einige der besten orthosterischenInhibitoren von Protein-Protein-Wechselwirkungen[2–5]
werden derzeit in klinischen Studien getestet. Wir berichtenhier, dass die Bisbiguanide Chlorhexidin[6] (aktiver Bestand-teil der kommerziellen Pr�parate Chlorhexamed, Chlorhexal,Periogard, Corsodyl und Chlorohex) und Alexidin[7] (Esem-dent), die seit vielen Jahren als orale Desinfektionsmittel imweltweiten menschlichen Gebrauch sind, die krebsrelevantenProtein-Protein-Wechselwirkungen zwischen dem antiapopt-otischen Bcl-2-Protein Bcl-xL und seinen proapoptotischenBindungspartnern inhibieren. Die Verbindungen induzierenApoptose in oralen Tumorzelllinien �ber den mitochondria-len Signalweg.
Unsere Untersuchung basierte auf der Annahme, dassniedermolekulare Verbindungen, die bereits als Wirkstoffef�r andere Zielstrukturen zugelassen sind, bis dato unbe-kannte Aktivit�ten gegen�ber Protein-Protein-Wechselwir-kungen[8] in ihrem therapeutischen Konzentrationsbereichaufweisen kçnnten.[9] Um diese Hypothese an einer f�r diemenschliche Gesundheit relevanten Protein-Protein-Wech-selwirkung zu �berpr�fen, konzentrierten wir uns auf dieWechselwirkung zwischen dem antiapoptotischen Bcl-2-Fa-
milienmitglied Bcl-xL und dessen proapoptotischem Bin-dungspartner Bad aus derselben Proteinfamilie. Die Wech-selwirkung zwischen Bcl-xL und proapoptotischen Bcl-2-Proteinen hat bereits betr�chtliche Aufmerksamkeit von Tu-morbiologen und Medizinalchemikern auf sich gezo-gen.[2, 10–12]
Eine aus 4088 Verbindungen bestehende Substanzbiblio-thek, die einen großen Anteil von klinisch genutzten kleinenMolek�len enthielt, wurde in einem Bindungsassay auf derBasis der Fluoreszenzpolarisation nach Inhibitoren derWechselwirkung von Bcl-xL und einem von der Bad BH3-Dom�ne abgeleiteten Peptid durchmustert (Z’= 0.64� 0.11;siehe Abbildung S1 in den Hintergrundinformationen).[13]
Die dabei als aktiv erkannten Verbindungen (Screeningkon-zentration: ca. 50 mm) wurden anschließend auf ihre Aktivi-t�ten gegen�ber anderen Protein-Protein-Wechselwirkungenaus einer vorangegangenen Screeningstudie �berpr�ft.[14]
Durch dieses Vorgehen wurden Chlorhexidin (1) und Alexi-din (2 ; Abbildung 1A) als potenziell selektive Inhibitoren derBcl-xL/Bad-Wechselwirkung identifiziert (Abbildung S2). Dierobotergest�tzte wiederholte Analyse best�tigte die dosisab-h�ngige Inhibition der Bindung zwischen Bcl-xL und Bad,sowie auch zwischen Bcl-xL und Bak, durch 1 und 2 mit�hnlichen Aktivit�ten (Abbildung S3). F�r die folgendenStudien wurde aufgrund des grçßeren Assayfensters dieWechselwirkung zwischen Bcl-xL und Bak anstelle derWechselwirkung zwischen Bcl-xL und Bad analysiert. Die
[*] Dr. M. Gr�ber,[+] M. Sc. C. Grçst,[+] Prof. Dr. T. BergInstitut f�r Organische Chemie, Universit�t LeipzigJohannisallee 29, 04103 Leipzig (Deutschland)E-Mail : [email protected]: http://www.uni-leipzig.de/~ tberg
Dr. M. Gr�ber,[+] Dipl.-Chem. M. Hell,[+] B. Sperl, Prof. Dr. T. BergAbteilung f�r Molekularbiologie, Max-Planck-Institut f�r Biochemieund Center for Integrated Protein Science Munich (CIPSM)Am Klopferspitz 18, 82152 Martinsried (Deutschland)
Dipl.-Chem. M. Hell[+]
Institut f�r Molekulare Gesundheitswissenschaften, ETH Z�richSchafmattstrasse 22, 8093 Z�rich (Schweiz)
Dr. A. Friberg,[$] Prof. Dr. M. SattlerInstitut f�r Strukturbiologie, Helmholtz-Zentrum M�nchenIngolst�dter Landstraße 1, 85764 Neuherberg (Deutschland)undMunich Center for Integrated Protein ScienceLehrstuhl f�r biomolekulare NMR-SpektroskopieDepartment Chemie, Technische Universit�t M�nchenLichtenbergstraße 4, 85747 Garching (Deutschland)
[$] Derzeitige Adresse: Department of BiochemistryVanderbilt University School of MedicineNashville, TN 37232-0146 (USA)
[+] Diese Autoren haben zu gleichen Teilen zu der Arbeit beigetragen.
[**] Diese Arbeit wurde großz�gig unterst�tzt durch die Abteilung f�rMolekularbiologie (Direktor: Prof. Dr. Axel Ullrich) am Max-Planck-Institut f�r Biochemie (MPIB), das BMBF (NGFN-2, Fçrderkenn-zeichen 01GS0451), die Deutsche Krebshilfe (Fçrderkennzeichen108614) und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (Fçrderkenn-zeichen BE 4572/1-1). Wir danken Prof. Ho Sup Yoon (NanyangTechnological University, Singapore) f�r das Bcl-xL-Plasmid und dieZuordnung der NMR-Signale der Proteinhauptkette. Wir dankenaußerdem Judith M�ller (MPIB) und den Mitarbeitern des MPIB f�rexperimentelle Unterst�tzung, und Angela Hollis f�r das kritischeLesen des Manuskriptes. Wir danken Prof. Dr. Wilhelm Krek (ETHZ�rich) f�r die Unterst�tzung der Arbeiten von M.H.
Hintergrundinformationen zu diesem Beitrag sind im WWW unterhttp://dx.doi.org/10.1002/ange.201208889 zu finden.
4583Angew. Chem. 2013, 125, 4583 –4588 � 2013 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim
manuelle Validierung der Substanzen 1 und 2 best�tigte derenAktivit�ten im unteren mikromolaren Konzentrationsbereich(IC50-Werte: Chlorhexidin: (21.0� 1.0) mm ; Alexidin: (18.2�1.6) mm ; Abbildung 1B,C, Tabelle 1)und Tabelle S1). DieseWerte liegen deutlich unterhalb des Konzentrationsbereichsdes oralen Desinfektionsmittels Chlorhexidin (1), das alsDigluconat in 0.1%-iger und 0.2%-iger Lçsung (w/v) einge-setzt wird, entsprechend einer Konzentration von 1.1 mm und2.2 mm. Die Wirksamkeit von Alexidin (2) als Desinfekti-onsmittel wurde oft bei einer Konzentration von 0.035% (w/v,in Form des Dihydrochlorids), entsprechend 600 mm, ge-zeigt.[15] Daher sind die Konzentrationen von Chlorhexidinund Alexidin, die in Mundsp�llçsungen genutzt werden,vermutlich mehr als ausreichend, um Bcl-xL in den oberfl�-chenexponierten Zellen in der Mundhçhle zu inhibieren.
Zur Kontrolle der Spezifit�t der beiden Verbindungenwurden diese zun�chst auf ihre Aktivit�ten gegen�ber Pro-tein-Protein-Wechselwirkungen getestet, die �ber die BIR3-Dom�ne von XIAP[16] und die zweite PDZ-Dom�ne vonhDLG1 vermittelt werden.[17] Keine der beiden Protein-Pro-tein-Wechselwirkungen wurden durch die Bisbiguanide si-gnifikant inhibiert (Abbildung 1B, C). Daraufhin wurde eineausf�hrliche Spezifit�tsanalyse gegen eine aus elf Mitgliedernbestehende Kollektion phosphorylierungsabh�ngiger, struk-turell diverser Protein-Protein-Wechselwirkungen durchge-f�hrt.[14] Diese Experimente best�tigten Chlorhexidin alsspezifischen Inhibitor der von Bcl-xL vermittelten Bindung,und zeigten f�r Alexidin noch andere, aber schw�chere Ak-tivit�ten auf (Abbildung 1D,E). Noch eingehendere Spezifi-t�tsanalysen zeigten, dass auch manche andere antiapoptoti-sche Bcl-2-Proteine durch Chlorhexidin und Alexidin in un-terschiedlichem Maße inhibiert werden (Abbildung S4), wasin Anbetracht der redundanten Funktionen antiapoptotischerBcl-2-Proteine vorteilhaft ist.
Auf Grund seines engeren Selektivit�tsprofils wurdeChlorhexidin f�r die thermodynamische Analyse der Bindungder Substanzen an Bcl-xL durch isotherme Titrationskalori-metrie (ITC) ausgew�hlt (Abbildung 1F). In �bereinstim-mung mit der Aktivit�t aus dem Inhibitionsassay wurde mit-tels ITC eine Dissoziationskonstante (Kd) von (10.4� 0.7) mm
bestimmt. Die Bindung an Bcl-xL wird sowohl durch eineenthalpische Komponente (DH =�(2.25�0.25) kcalmol�1)als auch durch eine entropische Komponente (DS = 16.0�
Abbildung 1. Chlorhexidin und Alexidin inhibieren die von Bcl-xL vermittelten Protein-Protein-Wechselwirkungen. F�r den Assay wurde die Dele-tionsmutante Bcl-xL D45–84 verwendet, in der die f�r die antiapoptotische Aktivit�t von Bcl-xL nicht relevante, flexible Region entfernt ist.[18, 19]
A) Strukturen von Chlorhexidin und Alexidin. Aktivit�tsprofil von B) Chlorhexidin und C) Alexidin gegen Bcl-xL, die BIR3-Dom�ne von XIAP und diezweite PDZ-Dom�ne von hDLG1. Aktivit�tsprofil von D) Chlorhexidin und E) Alexidin gegen�ber phosphorylierungsabh�ngigen Protein-Protein-Wechselwirkungen. F) Analyse der Bindung von Chlorhexidin an Bcl-xL mit ITC. Parameter des unteren Diagramms: N = (1.28�0.0278) Stellen; K= (9.05�1.31) � 104
m�1; DH = �(2493�78.14) calmol�1; DS = 14.2 calmol�1 deg�1.
Tabelle 1: Inhibitorische Aktivit�ten der Bisbiguanide 1–3 auf die Wech-selwirkung zwischen Bcl-xL und einem von Bak abgeleiteten BH3-Peptid,analysiert im Fluoreszenzpolarisationsassay.
Aktivit�t
1 IC50 = (21.0�1.0) mm
2 IC50 = (18.2�1.6) mm
3 (28�2) % Inhibition bei 100 mm
.AngewandteZuschriften
4584 www.angewandte.de � 2013 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2013, 125, 4583 –4588
1.7 cal mol�1 deg�1) vermittelt. Diese Daten weisen auf eineKombination elektrostatischer und hydrophober Wechsel-wirkungen zwischen dem Protein und der organischen Sub-stanz hin.
Zur Ermittlung der Bindungsstelle von Chlorhexidin undAlexidin an Bcl-xL wurden 1H,15N-HSQC-Experimente mitdemselben Proteinkonstrukt durchgef�hrt, das bereits zurNMR-basierten, strukturellen Charakterisierung der Bcl-xL/Bak-Wechselwirkung verwendet wurde.[18] Diesem Protein-konstrukt fehlt die aus den Aminos�uren 45–84 bestehendeungefaltete Region, die nicht f�r die antiapoptotische Akti-vit�t von Bcl-xL erforderlich ist, und die C-terminale Trans-membrandom�ne.[18, 19] Beide Verbindungen f�hren zu be-tr�chtlichen Ver�nderungen der chemischen Verschiebungenvon zu großen Teilen identischen Amidresonanzen (sieheAbbildung 2A–C sowie die Abbildungen S5 und S6). Diebeobachteten spektralen �nderungen kçnnen durch dieBindung der kleinen Molek�le in die hydrophobe BH3-Bin-dungstasche von Bcl-xL, in �hnlicher Weise wie BH3-Dom�-nen-Peptide, erkl�rt werden. Die st�rksten Ver�nderungender chemischen Verschiebungen traten in den Helices a2–a5auf, welche die Bindungstasche f�r von BH3-Dom�nen ab-geleitete Peptide oder f�r niedermolekulare Verbindungenbilden (Abbildung S7).[18] Daher liegt es nahe, dass die beidenVerbindungen ebenfalls in die hydrophobe BH3-Bindungs-
tasche von Bcl-xL binden. Diese Daten sind konsistent mit derin den Fluoreszenzpolarisationsassays durch die kleinenMolek�le hervorgerufenen Verdr�ngung von BH3-Dom�-nen-Peptiden aus der Bcl-xL-Bindungstasche (siehe Abbil-dung 1B,C sowie Abbildung S3). Aminos�uren mit starkenVer�nderungen der chemischen Verschiebungen sind unteranderem Phe146, Val126, Glu129, Leu108, Asn136 und Gly94(siehe Abbildung 2C und Abbildung S6). Die ersten vierdieser Aminos�uren sind Teil einer hydrophoben Tasche, inwelche gem�ß einer Rçntgenkristallstrukturanalyse[20] derBcl-xL-Inhibitor ABT-737[11] bindet (siehe Abbildung 2 D undAbbildung S7C). Interessanterweise sagten molekulare Do-ckingexperimente mit AutoDockVina voraus,[21] dass einerder beiden 4-Chlorphenyl-Ringe des Chlorhexidins in diegleiche hydrophobe Tasche von Bcl-xL bindet wie der 4-Chlorbiphenyl-Rest von ABT-737.
Der durch die molekularen Dockingstudien vorgeschla-gene Bindungsmodus wurde durch chemische Synthese undbiochemische Untersuchung von Analoga hinterfragt. DasEntfernen der Chloratome des Chlorhexidin (1) wie im De-schlorohexidin (3) f�hrte zu einer starken Verringerung derBindungsaffinit�t (Tabelle 1). Die im Zuge der Erstellung derStruktur-Wirkungs-Beziehungen gesammelten Daten zeigen,dass geeignete hydrophobe Wechselwirkungen durch die �u-ßeren Substituenten an den Biguaniden f�r die Bindung an
Abbildung 2. Nachweis der Bindung von Chlorhexidin (1) und Alexidin (2) an Bcl-xL D45–84 durch NMR-Titrationen. A) Ver�nderungen der chemi-schen Verschiebungen in 1H,15N-HSQC-NMR-Experimenten durch Bindung von 1 (obere Reihe) und 2 (untere Reihe) an Bcl-xL. B) GraphischeDarstellung der Ver�nderungen der in A) gezeigten chemischen Verschiebungen f�r 1 in der Struktur von ungebundenem Bcl-xL (PDB-Eintrag:1MAZ).[19] Die Grafik wurde mit PyMOL[22] erzeugt. C) Die Amidresonanzen von Phe146, Val126, Leu108, Glu129, Asn136 und Gly94 in 15N-mar-kiertem Bcl-xL D45–84 (100 mm) in Abwesenheit von 1 (schwarz) zeigen starke und Dosis-abh�ngige Ver�nderungen der chemischen Verschiebun-gen bei Zugabe von 1 (50 mm, blau; 100 mm, magenta; 200 mm, orange; 400 mm, gr�n). D) �berlagerung der Dockingpose von 1 (Kohlenstoffato-me rosafarben dargestellt) mit der Cokristallstruktur von ABT-737 (Kohlenstoffatome gr�n dargestellt) gebunden an Bcl-xL (PDB-Eintrag: 2YXJ).[20]
Aminos�uren, f�r die Ver�nderungen der chemischen Verschiebungen in (C) gezeigt sind, sind wie in (B) eingef�rbt.
4585Angew. Chem. 2013, 125, 4583 –4588 � 2013 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.angewandte.de
Bcl-xL notwendig sind, und dass k�rzere Linkereinheitenzwischen den beiden Biguaniden gut toleriert werden (Ta-belle S1).
Da die in vielen Tumorzellen vorliegende �berexpressionvon Bcl-xL deren Apoptoserate verringert, wurde die Wir-kung von 1 und 2 auf die Apoptoserate von Tumorzellen ausoralen Geweben n�her untersucht. Deschlorohexidin (3)diente aufgrund der hohen strukturellen �hnlichkeit zumspezifischeren Inhibitor 1 und seiner signifikant geringerenAktivit�t in vitro als Negativkontrolle. Drei Plattenepithel-karzinom-Zelllinien der Zunge (SCC-4, SCC-9, SCC-15) undzwei Rachenkarzinom-Zelllinien (FaDu und Detroit 562)wurden mit den beiden Verbindungen behandelt, und diedurch irreversiblen DNA-Abbau gekennzeichnete Apoptosemittels TUNEL-Assay visualisiert (Abbildung 3A). Sowohl1 als auch 2, aber nicht die Negativkontrolle 3, induzierten dief�r die Apoptose charakteristischen DNA-Strangbr�che inallen f�nf Zelllinien (siehe Abbildung 3B,C und Abbil-dung S9).
Antiapoptotische Proteine der Bcl-2-Familie wie Bcl-xL
inhibieren den intrinsischen Apoptoseweg durch Bindung
und Blockierung proapoptotischer Bcl-2-Proteine. KleineMolek�le, die eine Aufhebung der Inhibition durch die an-tiapoptotischen Bcl-2 Proteine bewirken, ermçglichen dieOligomerisierung der proapoptotischen Bcl-2 Proteine Bakund Bax, die in der Mitochondrienmembran lokalisiert sind.Dadurch kommt es zur Depolarisierung der Mitochondrien-membran und Induktion der Apoptose �ber den intrinsischenSignalweg. Um zu kl�ren, ob die durch Chlorhexidin undAlexidin induzierte Apoptose �ber diesen intrinsischen Si-gnalweg verl�uft, wurde ein mitochondrialer Membrande-polarisierungs-Assay mit denselben f�nf Tumorzellliniendurchgef�hrt, die auch f�r den TUNEL-Assay verwendetwurden. Der Membrandepolarisierungs-Assay beruht auf derTatsache, dass der kationische Farbstoff Tetramethylrhoda-minethylester (TMRE) in Zellen mit intakten, aktiven Mi-tochondrien schnell akkumuliert, nicht aber in apoptotischenZellen mit depolarisierter Mitochondrienmembran (Abbil-dung 4A). 1 und 2 bewirkten eine starke Reduktion derTMRE-Einlagerung, die durch Depolarisierung der Mito-chondrienmembran und darauffolgende Induktion der Apo-ptose durch die Substanzen erkl�rt werden kann (siehe Ab-bildung 4 B,C und Abbildung S10). Dagegen verursachteDeschlorohexidin (3), das in vitro eine geringe Aktivit�t ge-gen�ber Bcl-xL aufweist, nur eine deutlich geringere Reduk-tion der TMRE-Einlagerung.
Um weitere Belege daf�r zu erbringen, dass die Induktionder Apoptose in den Tumorzellen zumindest teilweise durchdie Inhibition der Bcl-xL/Bak-Wechselwirkung hervorgerufenwird, wurde ein Coimmunpr�zipitations-Assay in FaDu-Zellen durchgef�hrt (Abbildung S11). Dieser Assay best�-tigte, dass sowohl 1 als auch 2 die Bindung zwischen Bcl-xL
und Bak hemmen, wohingegen Verbindung 3 nur einen ge-ringen Einfluss hatte. Die Daten der zellul�ren Assays bele-gen die F�higkeit von 1 und 2 zur Induktion der Apoptose inTumorzelllinien aus humanen oralen Geweben �ber den in-trinsischen Signalweg und deuten darauf hin, dass dieserEffekt zumindest teilweise durch die Hemmung von Bcl-xL
hervorgerufen wird. Unsere Daten best�tigen fr�here Un-tersuchungen, welche von der Induktion des Zelltodes durchVerbindung 1 in L929-Fibroblasten[23] sowie der Apoptose-induzierenden Aktivit�t von 2 auf Tumorzelllinien des Kopf-und Nackenbereiches, einschließlich FaDu-Zellen, berich-ten.[24]
Um festzustellen, ob 1 und 2 bevorzugt Tumorzellen ge-gen�ber nichttransformierten Zellen angreifen, wurde einZellviabilit�ts-Assay an SCC-4- und FaDu-Zellen, sowie annormalen humanen Vorl�uferzellen des Zahnfleischs(HGEP) durchgef�hrt. Die Zellviabilit�t der beiden geteste-ten Tumorzelllinien war signifikant st�rker durch 1 und 2beeintr�chtigt als die der nichttransformierten Zellen (Ab-bildung S12). Dies legt nahe, dass es einen therapeutischbrauchbaren Konzentrationsbereich f�r die beiden Verbin-dungen geben kçnnte. Unser Ergebnis ist in �bereinstim-mung mit dem beschriebenen Fehlen der Zytotoxizit�t von 2gegen�ber prim�ren Inselzellen des Pankreas[25] und der be-vorzugten Inhibition von Krebszellen gegen�ber nichttrans-formierten Zellen durch 2[24] und bietet eine molekulare Er-kl�rung f�r die letztere Beobachtung.
Abbildung 3. Chlorhexidin (1) und Alexidin (2) induzieren Apoptose inTumorzelllinien der Zunge und des Rachens, analysiert durch einTUNEL-Assay. A) Prinzip des TUNEL-Assays. B) Die durch Behandlungder Zellen mit den Verbindungen f�r 24 h verursachten, f�r die Apo-ptose charakteristischen DNA-Strangbr�che sind markiert (rot). Zell-kerne wurden mit DAPI angef�rbt (blau). Gezeigt sind repr�sentativeFluoreszenzbilder. Maßstabsbalken: 10 mm. C) Quantifizierung der inB) und in Abbildung S9 gezeigten Experimente. Die Daten zeigenDurchschnittswerte und Standardabweichungen von im Triplikatdurchgef�hrten Experimenten. Mindestens 100 Zellen wurden pro Ex-periment und Bedingung analysiert. ** p<0.01; *** p<0.001 (t-Testgegen DMSO-Kontrolle).
.AngewandteZuschriften
4586 www.angewandte.de � 2013 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2013, 125, 4583 –4588
Wir haben das antiapoptotische Protein Bcl-xL als Ziel-protein zweier Wirkstoffe aus oralen Desinfektionsmittelnidentifiziert. Unserer Kenntnis nach ist dies der erste Bericht,der mittels zellbasierter mechanistischer Daten belegt, dassSubstanzen, die in den Industrienationen im gegenw�rtigenallt�glichen menschlichen Gebrauch sind, einen hemmendenEffekt auf eine krankheitsrelevante Protein-Protein-Wech-selwirkungen im physiologisch relevanten Konzentrations-bereich aus�ben kçnnen. Unsere Ergebnisse legen Krebser-krankungen als potenzielle neue therapeutische Indikationf�r bekannte orale Desinfektionsmittel nahe. W�hrend dieklinische Zulassung des ersten orthosterischen niedermole-kularen Inhibitors einer intrazellul�ren Protein-Protein-Wechselwirkung noch aussteht, zeigt unsere Entdeckung,dass die Hemmung von Protein-Protein-Wechselwirkungenein potenzieller Wirkmechanismus mancher bereits verwen-deter Therapeutika sein kçnnte. Wir glauben, dass unsere
Daten einen betr�chtlichen Einfluss auf die Wahrnehmungvon Protein-Protein-Wechselwirkungen als relevante Ziel-strukturen f�r niedermolekulare organische Molek�le habenwerden.
Eingegangen am 6. November 2012,ver�nderte Fassung am 24. Dezember 2012Online verçffentlicht am 19. M�rz 2013
.Stichwçrter: Apoptose · Inhibitoren · Protein-Protein-Wechselwirkungen · Tumortherapeutika · Wirkstoff-Forschung
[1] J. A. Wells, C. L. McClendon, Nature 2007, 450, 1001.[2] C. Tse, A. R. Shoemaker, J. Adickes, M. G. Anderson, J. Chen, S.
Jin, E. F. Johnson, K. C. Marsh, M. J. Mitten, P. Nimmer, L.Roberts, S. K. Tahir, Y. Xiao, X. Yang, H. Zhang, S. Fesik, S. H.Rosenberg, S. W. Elmore, Cancer Res. 2008, 68, 3421.
[3] M. A. Dechantsreiter, E. Planker, B. Matha, E. Lohof, G. Hol-zemann, A. Jonczyk, S. L. Goodman, H. Kessler, J. Med. Chem.1999, 42, 3033.
[4] C. Mas-Moruno, F. Rechenmacher, H. Kessler, Anti-CancerAgents Med. Chem. 2010, 10, 753.
[5] H. Carol, C. P. Reynolds, M. H. Kang, S. T. Keir, J. M. Maris, R.Gorlick, E. A. Kolb, C. A. Billups, B. Geier, R. T. Kurmasheva,P. J. Houghton, M. A. Smith, R. B. Lock, Pediatr. Blood Cancer2013, 60, 633.
[6] G. McDonnell, A. D. Russell, Clin. Microbiol. Rev. 1999, 12, 147.[7] F. L. Rose, G. Swain, J. Chem. Soc. 1956, 4422.[8] P. Filippakopoulos, S. Picaud, O. Fedorov, M. Keller, M. Wrobel,
O. Morgenstern, F. Bracher, S. Knapp, Bioorg. Med. Chem. 2012,20, 1878.
[9] J. P. Overington, B. Al-Lazikani, A. L. Hopkins, Nat. Rev. DrugDiscovery 2006, 5, 993.
[10] G. Lessene, P. E. Czabotar, P. M. Colman, Nat. Rev. Drug Dis-covery 2008, 7, 989.
[11] T. Oltersdorf, S. W. Elmore, A. R. Shoemaker, R. C. Armstrong,D. J. Augeri, B. A. Belli, M. Bruncko, T. L. Deckwerth, J. Dinges,P. J. Hajduk, M. K. Joseph, S. Kitada, S. J. Korsmeyer, A. R.Kunzer, A. Letai, C. Li, M. J. Mitten, D. G. Nettesheim, S. Ng,P. M. Nimmer, J. M. O�Connor, A. Oleksijew, A. M. Petros, J. C.Reed, W. Shen, S. K. Tahir, C. B. Thompson, K. J. Tomaselli, B.Wang, M. D. Wendt, H. Zhang, S. W. Fesik, S. H. Rosenberg,Nature 2005, 435, 677.
[12] M. Orz�ez, L. Mondragon, A. Garcia-Jareno, S. Mosulen, A.Pineda-Lucena, E. Perez-Paya, Bioorg. Med. Chem. Lett. 2009,19, 1592.
[13] H. Zhang, P. Nimmer, S. H. Rosenberg, S. C. Ng, M. Joseph,Anal. Biochem. 2002, 307, 70.
[14] M. Gr�ber, W. Janczyk, B. Sperl, N. Elumalai, C. Kozany, F.Hausch, T. A. Holak, T. Berg, ACS Chem. Biol. 2011, 6, 1008.
[15] W. R. Roberts, M. Addy, J. Clin. Periodontol. 1981, 8, 213.[16] Z. Nikolovska-Coleska, R. Wang, X. Fang, H. Pan, Y. Tomita, P.
Li, P. P. Roller, K. Krajewski, N. G. Saito, J. A. Stuckey, S. Wang,Anal. Biochem. 2004, 332, 261.
[17] Z. Songyang, A. S. Fanning, C. Fu, J. Xu, S. M. Marfatia, A. H.Chishti, A. Crompton, A. C. Chan, J. M. Anderson, L. C. Cant-ley, Science 1997, 275, 73.
[18] M. Sattler, H. Liang, D. Nettesheim, R. P. Meadows, J. E.Harlan, M. Eberstadt, H. S. Yoon, S. B. Shuker, B. S. Chang, A. J.Minn, C. B. Thompson, S. W. Fesik, Science 1997, 275, 983.
[19] S. W. Muchmore, M. Sattler, H. Liang, R. P. Meadows, J. E.Harlan, H. S. Yoon, D. Nettesheim, B. S. Chang, C. B. Thomp-son, S. L. Wong, S. L. Ng, S. W. Fesik, Nature 1996, 381, 335.
[20] E. F. Lee, P. E. Czabotar, B. J. Smith, K. Deshayes, K. Zobel,P. M. Colman, W. D. Fairlie, Cell Death Differ. 2007, 14, 1711.
Abbildung 4. Chlorhexidin (1) und Alexidin (2) induzieren die Depola-risierung der Mitochondrienmembran in Tumorzelllinien der Zungeund des Rachens. A) Prinzip des Assays. B) Die mitochondriale Einla-gerung des Fluoreszenzfarbstoffes Tetramethylrhodaminethylester(TMRE) ist in Zellen, die 1 und 2 f�r 24 h ausgesetzt waren, stark re-duziert, w�hrend die der Substanz 3 ausgesetzten Zellen signifikantgeringere mitochondriale Einlagerung von TMRE zeigen. EinzelneZellen wurden nach TMRE-Gehalt (x-Achse) und Zellgrçße (Vorw�rts-streulicht, y-Achse) per Durchflusszytometrie sortiert. Die Experimentewurden im Triplikat durchgef�hrt; repr�sentative Durchflusszytometrie-bilder sind gezeigt. C) Quantifizierung der in B) und Abbildung S10 ge-zeigten Experimente. Die Daten bezeichnen Mittelwerte und Standard-abweichungen der im Triplikat durchgef�hrten Experimente. * p<0.05;** p<0.01; *** p<0.001 (t-Test der Substanzen gegen DMSO-Kon-trolle). ### p<0.001 (t-Test von 30 mm 1 gegen 30 mm 3). +++ p<0.001(t-Test von 10 mm 2 gegen 10 mm 3).
4587Angew. Chem. 2013, 125, 4583 –4588 � 2013 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.angewandte.de
[21] O. Trott, A. J. Olson, J. Comput. Chem. 2010, 31, 455.[22] W. L. DeLano, The PyMOL Molecular Graphics System,
DeLano Scientific, Palo Alto, CA, USA, 2002.[23] G. Faria, C. R. Cardoso, R. E. Larson, J. S. Silva, M. A. Rossi,
Toxicol. Appl. Pharmacol. 2009, 234, 256.
[24] K. W. Yip, E. Ito, X. Mao, P. Y. Au, D. W. Hedley, J. D. Mocanu,C. Bastianutto, A. Schimmer, F. F. Liu, Mol. Cancer Ther. 2006,5, 2234.
[25] D. Doughty-Shenton, J. D. Joseph, J. Zhang, D. J. Pagliarini, Y.Kim, D. Lu, J. E. Dixon, P. J. Casey, J. Pharmacol. Exp. Ther.2010, 333, 584.
.AngewandteZuschriften
4588 www.angewandte.de � 2013 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2013, 125, 4583 –4588