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Nutzen und Vorteile von Clustermanagement in der Vierländerregion Bodensee

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1 3 ANGEWANDTE GEOGRAPHIE Online publiziert: 23. Februar 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 Nutzen und Vorteile von Clustermanagement in der Vierländerregion Bodensee Am Beispiel des Life-Science Clusters BioLAGO e. V. Thorsten Leupold · Marcel König STANDORT (2014) 38:2–7 DOI 10.1007/s00548-014-0309-1 geringe Inputkosten oder die Nähe zu Wasser bzw. zu einem Hafen – heute eine geringer werdende Rolle einzunehmen. Daraus ergibt sich keineswegs, dass diese Standortfaktoren nicht nach wie vor für bestimmte Unternehmen eine zen- trale Rolle spielen. Im 21. Jahrhundert kann jedoch der Mangel einiger Standortfaktoren beispielsweise durch Out- sourcing ins Ausland und geringere Frachtkosten zwar nicht völlig kompensiert werden, der entstehende Nachteil kann aber immerhin verringert werden. Vielmehr kommt heutzu- tage – besonders in den Industrieländern – der Optimierung der Produktivität, also der Steigerung des Verhältnisses von Output zu Input, und der Verbesserung der Innovationskraft eine zentrale Rolle zu. So schrieb Michael E. Porter: „[…] competitive advantage rests on making more productive use of inputs, which requires continual innovation“ (Porter 1998, S. 78). Somit ist also die Produktivitäts- und Innovationskraft ausschlaggebend für die Wettbewerbsfähigkeit einer Region und ihrer Unternehmen. Außerdem leitet sich daraus ab, dass Regionen sich ständig neuen Wettbewerbsbedingungen stellen mussten und auch weiterhin stellen müssen. Nun scheint es Regionen zu geben, die sich offensichtlich erfolgreicher an sich verändernde Wettbewerbsbedingun- gen angepasst haben als andere. Diese Aussage trifft sicher zu, wenn man an Regionen wie das Silicon Valley denkt, das durch eine starke Konzentration von IT-Unternehmen charakterisiert wird, oder an Hollywood, den für seine flo- rierende Filmindustrie weltbekannten Stadtteil von Los Angeles. Aber auch in weltweit weniger bekannten Regionen wie der Vierländerregion Bodensee konzentrieren sich die wirtschaftlichen Aktivitäten mehrerer Branchen. Die Vier- länderregion Bodensee erstreckt sich über die Bodensee- Anrainerstaaten Deutschland (fünf Landkreise), Schweiz (fünf Kantone), Österreich (Bundesland Vorarlberg) und das Fürstentum Liechtenstein. Insgesamt leben in diesem inter- Räumliche Konzentrationen von miteinander vernetzten Unternehmen und Institutionen entlang einer Wertschöp- fungskette (Cluster) stellen für Unternehmen und Regionen einen erheblichen Wettbewerbsvorteil dar. Davon profitie- ren nicht nur bekannte Regionen wie das Silicon Valley, auch die Wettbewerbsfähigkeit weniger weltweit bekannter Regionen, wie die der Vierländerregion Bodensee wird in der Theorie von drei wesentlichen Kategorien beeinflusst: Steigerung der Produktivität, Verbesserung der Innova- tionskraft und Stimulation von Unternehmensgründungen. Im Folgenden werden zunächst die Vorteile eines Clusters theoretisch erörtert. Anhand des Life-Science-Clusters Bio- LAGO e. V., das den Bodensee umgreift, werden diese im Anschluss empirisch aufgezeigt. Standortfaktoren im Wandel Der globale Wettbewerb fordert heutzutage nicht nur Unter- nehmen, sondern zunehmend auch Regionen als Träger von Standortfaktoren heraus (Terstrieb 2008). Außerdem ist spätestens seit Beginn des 21. Jahrhunderts eine verän- derte Wettbewerbsdynamik spürbar – hervorgerufen durch eine mehr und mehr vernetzte und globalisierte Welt. Mit zunehmendem Wohlstand einer Nation scheinen Stand- ortfaktoren, die für frühere Generationen das Maß aller Dinge für den unternehmerischen Erfolg bedeuteten – etwa Dipl.-Verw. Wiss. T. Leupold () · M. König Bodensee Standort Marketing, Max-Stromeyer-Straße 116, 78467 Konstanz, Deutschland E-Mail: [email protected] M. König E-Mail: [email protected]
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AngewAndte geogrAphie

Online publiziert: 23. Februar 2014© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

Nutzen und Vorteile von Clustermanagement in der Vierländerregion BodenseeAm Beispiel des Life-Science Clusters BioLAGO e. V.

Thorsten Leupold · Marcel König

STANDORT (2014) 38:2–7DOI 10.1007/s00548-014-0309-1

geringe Inputkosten oder die Nähe zu Wasser bzw. zu einem Hafen – heute eine geringer werdende Rolle einzunehmen. Daraus ergibt sich keineswegs, dass diese Standortfaktoren nicht nach wie vor für bestimmte Unternehmen eine zen-trale Rolle spielen. Im 21. Jahrhundert kann jedoch der Mangel einiger Standortfaktoren beispielsweise durch Out-sourcing ins Ausland und geringere Frachtkosten zwar nicht völlig kompensiert werden, der entstehende Nachteil kann aber immerhin verringert werden. Vielmehr kommt heutzu-tage – besonders in den Industrieländern – der Optimierung der Produktivität, also der Steigerung des Verhältnisses von Output zu Input, und der Verbesserung der Innovationskraft eine zentrale Rolle zu. So schrieb Michael E. Porter: „[…] competitive advantage rests on making more productive use of inputs, which requires continual innovation“ (Porter 1998, S. 78).

Somit ist also die Produktivitäts- und Innovationskraft ausschlaggebend für die Wettbewerbsfähigkeit einer Region und ihrer Unternehmen. Außerdem leitet sich daraus ab, dass Regionen sich ständig neuen Wettbewerbsbedingungen stellen mussten und auch weiterhin stellen müssen.

Nun scheint es Regionen zu geben, die sich offensichtlich erfolgreicher an sich verändernde Wettbewerbsbedingun-gen angepasst haben als andere. Diese Aussage trifft sicher zu, wenn man an Regionen wie das Silicon Valley denkt, das durch eine starke Konzentration von IT-Unternehmen charakterisiert wird, oder an Hollywood, den für seine flo-rierende Filmindustrie weltbekannten Stadtteil von Los Angeles. Aber auch in weltweit weniger bekannten Regionen wie der Vierländerregion Bodensee konzentrieren sich die wirtschaftlichen Aktivitäten mehrerer Branchen. Die Vier-länderregion Bodensee erstreckt sich über die Bodensee-Anrainerstaaten Deutschland (fünf Landkreise), Schweiz (fünf Kantone), Österreich (Bundesland Vorarlberg) und das Fürstentum Liechtenstein. Insgesamt leben in diesem inter-

Räumliche Konzentrationen von miteinander vernetzten Unternehmen und Institutionen entlang einer Wertschöp-fungskette (Cluster) stellen für Unternehmen und Regionen einen erheblichen Wettbewerbsvorteil dar. Davon profitie-ren nicht nur bekannte Regionen wie das Silicon Valley, auch die Wettbewerbsfähigkeit weniger weltweit bekannter Regionen, wie die der Vierländerregion Bodensee wird in der Theorie von drei wesentlichen Kategorien beeinflusst: Steigerung der Produktivität, Verbesserung der Innova-tionskraft und Stimulation von Unternehmensgründungen. Im Folgenden werden zunächst die Vorteile eines Clusters theoretisch erörtert. Anhand des Life-Science-Clusters Bio-LAGO e. V., das den Bodensee umgreift, werden diese im Anschluss empirisch aufgezeigt.

Standortfaktoren im Wandel

Der globale Wettbewerb fordert heutzutage nicht nur Unter-nehmen, sondern zunehmend auch Regionen als Träger von Standortfaktoren heraus (Terstrieb 2008). Außerdem ist spätestens seit Beginn des 21. Jahrhunderts eine verän-derte Wettbewerbsdynamik spürbar – hervorgerufen durch eine mehr und mehr vernetzte und globalisierte Welt. Mit zunehmendem Wohlstand einer Nation scheinen Stand-ortfaktoren, die für frühere Generationen das Maß aller Dinge für den unternehmerischen Erfolg bedeuteten – etwa

Dipl.-Verw. Wiss. T. Leupold () · M. KönigBodensee Standort Marketing,Max-Stromeyer-Straße 116, 78467 Konstanz, DeutschlandE-Mail: [email protected]

M. KönigE-Mail: [email protected]

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nationalen Verflechtungsraum 2,2 Millionen Menschen auf einer Fläche von rund 11.000 Quadratkilometern.

Auffällig ist, dass sich in diesen besonders wettbewerbs-fähigen Regionen sogenannte Cluster herausgebildet haben, also Konzentrationen von Unternehmen einer oder mehre-rer Branchen entlang einer Wertschöpfungskette. Spätestens seit den Cluster-Ansätzen von Michael E. Porter interessie-ren sich deshalb Wissenschaftler verschiedener Disziplinen, Politiker und Wirtschaftsförderer für die Frage, warum sol-che räumlichen Konzentration von Unternehmen – jenseits von historischen Entwicklungen und der Abhängigkeit von natürlichen Ressourcen – ganz bestimmten Regionen zuzu-ordnen sind. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Phänomen beginnt mit Alfred Webers klassischer Standort-theorie, in der sich Weber überwiegend mit der optimalen Standortwahl industrieller Einzelunternehmen beschäftigte. Sie geht weiter mit der Theorie der innovativen oder krea-tiven Milieus, die durch die sogenannte GREMI-Schule (Groupe de recherche européen sur les milieux innovateurs) maßgeblich beeinflusst wurde und klären soll, warum einige Regionen innovativer sind als andere. Daneben befassen sich noch zahlreiche weitere andere Ansätze mit diesem Phänomen (vgl. Beckord 2008).

Allerdings vermag nach Krafft (2006) keiner der bishe-rigen Ansätze die Entstehung von Clustern vollständig zu erklären. Die Frage, warum sich bestimmte Cluster gerade an diesen bestimmten Standorten herausgebildet haben, ist also nicht gänzlich zu lösen. Da ein Cluster nun aber sowohl für die Unternehmen als auch für die Region selbst offen-sichtlich einen erheblichen Wettbewerbsvorteil darstellt, will dieser Beitrag – theoretisch und anhand eines Praxis-beispiels – zeigen, dass Regionen mit Cluster Wettbewerbs-vorteile gegenüber Regionen ohne Cluster aufweisen.

Clusterdefinition

Zuerst ist es allerdings sinnvoll, den Begriff des Clusters näher zu beleuchten. Dabei bilden die Arbeiten von Michael E. Porter gewissermaßen die Grundlage aller Cluster-An-sätze. In seiner Arbeit „Clusters and the new economics of competition“ definiert er ein Cluster wie folgt: „Clusters are geographic concentrations of interconnected companies and institutions in a particular field. Clusters encompass an array of linked industries and other entities important to competition. […] Clusters also often extend downstream to channels and customers and laterally to manufactures of complementary products and to companies in industries related by skills, technologies, or common inputs“ (Porter 1998, S. 78).

So verknüpft ein Cluster sowohl die horizontale Wert-schöpfungskette, also Unternehmen derselben Branche, als auch die vertikale Wertschöpfungskette, beispielsweise

Zulieferer und Handwerker. Darüber hinaus kann die Wis-senschaft durch Erkenntnisse auf ganzer Länge der Wert-schöpfungskette die Akteure des Clusters beeinflussen. Es entsteht ein sehr breit aufgestelltes Netzwerk aus verwand-ten und unterstützenden Branchen (vgl. Abb. 1).

Das Diamant-Modell

Weiterführend konkretisiert Michael E. Porter seinen Cluster-ansatz in einigen Punkten anhand des von ihm entwickelten Diamant-Modells (Porter 1998, 1990). In diesem beschreibt er, welche Standortfaktoren dazu führen, dass Unternehmen langfristige Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen generie-ren können. Folgende vier Dimensionen bilden den Diaman-ten: Faktorbedingungen, Nachfragebedingungen, verwandte und unterstützende Branchen sowie Firmenstrategie, Struktur und Wettbewerb (vgl. Abb. 2). Nach Schuler fand Michael E. Porter diese vier Dimensionen in überdurchschnittlicher Aus-prägung in Clustern vor (Schuler 2008).

Unter dem Begriff Faktorbedingungen können Produk-tionsfaktoren – etwa Humanvermögen, wissenschaftliche

Abb. 1 Clusterdefinition am Beispiel der Solarbranche. (Quelle: Leu-pold 2010)

Abb. 2 Diamant-Modell von Michael E. Porter. (Quelle: Darstellung Bodensee Standort Marketing 2014 nach Schuler 2008)

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Die Wettbewerbsvorteile, die sich aus diesen drei Katego-rien ergeben, sind nicht eindeutig voneinander zu trennen. So können Verbesserungen der Produktivität auch maß-gebliche Einflüsse auf die Innovationskraft und umgekehrt haben.

Steigerung der Produktivität

Nähe zu spezialisierten Lieferanten und Dienstleistern

Die unmittelbare geographische Nähe zu Leitnachfra-gern, spezialisierten Zulieferern und Dienstleistern lässt die Marktteilnehmer schneller auf beispielsweise Liefer-engpässe reagieren. Lokale Zulieferer können zudem ihre Transaktions- und Logistikkosten senken. Außerdem kann der kurze Transportweg teure Lagerhaltungskosten für Zulieferer und Belieferte durch Just-in-time-Lieferungen minimieren und damit einen Kostenvorteil darstellen.

Externe Skaleneffekte durch gemeinsame Nutzung von Produktionsfaktoren

Externe Skaleneffekte können durch die gemeinsame Nut-zung von Produktionsfaktoren – etwa Humanvermögen, wissenschaftliche und technologische Infrastruktur – zwi-schen Unternehmen entstehen. So kann sich durch die räum-liche Konzentration von Unternehmen der gleichen Branche ein Pool spezialisierter Arbeitskräfte bilden. Dieser Effekt kann durch die im Cluster eingebundenen Bildungseinrich-tungen noch verstärkt werden. (Hoch-)Schulen können ihre Leistungen an die Bedürfnisse der regionalen Unterneh-men anpassen und spezialisierte Arbeitnehmer ausbilden. Die Rekrutierungskosten für Unternehmen können dadurch deutlich gesenkt werden. Zudem stellt ein Cluster auch für die Arbeitnehmer eine höhere Arbeitsplatzsicherheit dar, da oft mehrere Unternehmen die gleichen spezialisierten Arbeitnehmer suchen. So können beispielsweise im Falle einer Insolvenz die Arbeitskräfte in anderen Unternehmen oder Neugründungen Beschäftigung finden.

Verbesserung der Innovationskraft

Schnelles Erkennen von Marktlücken und kostengünstige Forschung

Durch die geographische Nähe von Unternehmen sowohl der horizontalen als auch der vertikalen Wertschöpfungs-kette können Marktlücken schneller erkannt werden; der Prozess einer Innovation wird beschleunigt (German Cham-ber of Commerce and Industry in Japan 2010). Außerdem können Unternehmen über Kooperationen und die gemein-

und technologische Infrastruktur sowie Naturressourcen – und deren effizienter Einsatz subsumiert werden. Je besser die Verfügbarkeit, Qualität und der Spezialisierungsgrad der Produktionsfaktoren sind, desto wettbewerbsfähiger kann ein Unternehmen sein – vorausgesetzt, die Produktionsfak-toren werden effizient eingesetzt (Clusterland Oberöster-reich 2013).

Die Nachfragebedingungen beschreiben die regionale Präsenz von anspruchsvollen Abnehmern. Die regionale Nachfrage gewährt Einblicke in die lokalen Kundenbe-dürfnisse, die bestenfalls auf hohen Ansprüchen gründen. Dadurch lassen sich Informationsvorteile realisieren, wel-che die Hersteller zu neuen Innovationen herausfordern (Nestle 2012). Dies kann sich oft positiv auf den Absatz in Auslandsmärkten auswirken und damit den regionalen Unternehmen einen Vorteil verschaffen.

Unter der Dimension verwandte und unterstützende Branchen wird beispielsweise der Zugang zu (speziali-sierten) Lieferanten und Dienstleistern einer oder mehrerer (Kern)-Branchen verstanden. Die Wettbewerbsfähigkeit der vorgelagerten Unternehmen einer Wertschöpfungskette fließt durch deren Vorleistungen in die Produkte der nachge-lagerten regionalen Unternehmen ein, was wiederum deren Wettbewerbsstärke positiv beeinflussen kann.

Die letzte Dimension des Diamanten wird durch die Fir-menstrategie, die Struktur und den Wettbewerb inner-halb eines Cluster dargestellt. Der Wettbewerb zwischen regionalen Unternehmen kann ein starker Stimulus für die Produktivitäts- und Innovationskraft der Unternehmen sein. Außerdem ist es wichtig, dass die öffentliche Hand Wett-bewerbsregeln für die Marktteilnehmer schafft – beispiels-weise indem sie geistiges Eigentum sichert.

Die vier Dimensionen sind einzeln betrachtet keine starren Modelle, sondern stehen in Wechselwirkung zuei-nander. So können etwa starke Nachfragebedingungen zur Ansiedlung von weiteren Unternehmen führen; diese wie-derum benötigen Produktionsfaktoren wie Infrastruktur und Arbeitnehmer. Obendrein unterliegen alle vier Dimensio-nen Einflüssen des Zufalls sowie staatlicher bzw. politischer Handlungen.

Darüber hinaus bieten die vier Dimensionen des Diaman-ten Anknüpfungspunkte, den Nutzen von Clustern sowohl für Unternehmen und Regionen als auch für weitere Akteure einer Volkswirtschaft darzustellen. Nach Michael E. Porter können die Wettbewerbsvorteile eines Clusters drei wesent-lichen Kategorien zugeordnet werden:

1. Innerhalb eines Clusters kann die Produktivität der Unternehmen gesteigert werden.

2. Cluster können die lokale Innovationskraft steigern.3. Cluster stimulieren die regionalen Unternehmensgrün-

dungen.

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Nutzen und Vorteile von Clustermanagement in der Vierländerregion Bodensee

Besserer Zugriff auf Kapital

Auch lokale Finanzinstitutionen und Investoren sind bereits mit den Gegebenheiten des Clusters vertraut. Beispielsweise schätzen sie die ersten Hürden der Start-ups besser ein, wis-sen über spezifische Förderprogramme Bescheid und ken-nen bereits das Wachstumspotenzial der Branche. Insgesamt kann dies die Schwelle eines Markteintrittes reduzieren.

Praxisbeispiel BioLAGO e. V.

Die regionale Spezialisierung der Unternehmen in der Vier-länderregion Bodensee bezieht sich auf die Wirtschafts-bereiche Umwelttechnologie, Lebenswissenschaften & Biotechnologie, Nanotechnologie, Verpackungstechno-logie, Luft- & Raumfahrt, Maschinenbau, IT & Digitale Medien, Forst & Holz sowie Tourismus (Bodensee Stand-ort Marketing GmbH 2013). Das seit fünf Jahren als Ver-ein eingetragene Cluster BioLAGO e. V. deckt dabei den Bereich der Lebenswissenschaften und der Biotechnolo-gie ab. Bisher umfasst das Life-Science-Cluster rund um den Bodensee 86 Mitglieder, bestehend aus Unternehmen und Institutionen der vier Länder Deutschland, Österreich, Schweiz und Liechtenstein. Der Nutzen des Clusters kann anhand einiger Beispiele belegt werden.

Effiziente Zusammenarbeit und Kooperation

Die Mitglieder des BioLAGO e. V. – Großunternehmen, flo-rierende KMU und Hochschulen –, die zusammen Umsätze in Milliardenhöhe erwirtschaften, stellen insgesamt mehr als 6.000 Arbeitsplätze in der Region, rund 500 davon fallen auf Wissenschaftler in Forschungseinrichtungen. Die vor-handene wissenschaftliche und technologische Infrastruktur beispielsweise in Form des spezialisierten Life-Science-Stu-diengangs, der sowohl an der Universität Konstanz als auch an der Hochschule Sigmaringen angeboten wird, erzeugt einen Pool aus spezialisierten Arbeitskräften. Außerdem schafft die geographische Dichte der Unternehmen – 44 % F&E-, 32 % Produktions- und 57 % Dienstleistungsunter-nehmen – die Möglichkeit, effizient zusammenzuarbeiten und zu kooperieren (der Wert von über 100 % wird auf-grund von Doppelnennungen erzielt – viele Unternehmen sind sowohl in F&E- als auch in der Produktion tätig).

Clusterinitiative Bodensee fördert Weiterentwicklung

Die dynamische Netzwerkstruktur sowohl im Cluster selbst auch durch die Clusterinitiative Bodensee führte zu zahlrei-chen Kooperationen zwischen Dienstleistern, Produzenten

same Nutzung von teuren technologischen Geräten die For-schungskosten reduzieren.

Wissens- und Informationsvorteile

Der Zugang zu Wissen und Informationen bildet für Unter-nehmen innerhalb des Clusters aufgrund des gegenseitigen und direkten Austauschs im Netzwerk einen Wettbewerbs-vorteil: Durch direkte und kurze Wege können diesbezüg-liche Informationen kostengünstiger erlangt werden. Daraus ergibt sich ein Produktionsvorteil, der von der europäischen Benchmark Studie aus dem Jahr 2008 belegt wird: Stark vernetzte Unternehmen verzeichnen demnach größere Wachstumsraten und die Umsatzgenerierung aus Produkt- und Dienstleistungsinnovationen ist höher als bei weniger stark vernetzten Unternehmen (vgl. Abb. 3, EU 2008).

Stimulation von Unternehmensgründungen

Zugang zu öffentlichen Gütern und Institutionen

Es überrascht nicht, dass in Regionen mit existierenden Clustern die Anzahl der Unternehmensgründungen höher ist als in Regionen ohne Cluster. So können Start-up-Unternehmen in Clusterregionen die ersten Hürden einer Unternehmensgründung leichter nehmen. Institutionen wie Wirtschaftsförderungen, Handwerkskammern oder Indust-rie- und Handelskammern wissen über die branchenspezi-fischen Bedürfnisse der bereits angesiedelten Unternehmen genau Bescheid. Darüber hinaus stellt der Zugang zu spe-zialisierter Infrastruktur einen Kostenvorteil für Unterneh-men dar. So können Technologieparks oder gemeinsam nutzbare Labore besonders für kleine und mittlere Unter-nehmen (KMU) Sprungbretter in den Markt sein.

Abb. 3 Umsatzgenerierung aus Produkt- und Dienstleistungsinnova-tionen, die jünger sind als drei Jahre. (Quelle: Europäische Benchmar-king Studie 2008, EU-Projekt IMP3rove, EU 2008)

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tembergs den dritten Platz, die Region Bodensee-Ober-schwaben erreichte im bundesweiten Vergleich Platz 3 von 97 Regionen (INSM 2007).

Cluster sind entscheidender Motor einer Region

Abschließend kann festgestellt werden: Cluster sind Treib-häuser von Innovation und entscheidender Motor einer Volkswirtschaft (Kralemann et al. 2006). Cluster können einen erheblichen Beitrag leisten, Produktivität und Inno-vationskraft von Unternehmen zu verbessern und damit sowohl für Unternehmen als auch für Regionen einen Wettbewerbsvorteil darzustellen. Die proaktive Cluster-entwicklung in einer Region trägt demnach dazu bei, einen Standort- und Wettbewerbsvorteil zu generieren. Am Bei-spiel des Clusters BioLAGO e. V. konnte gezeigt werden: Auch weltweit weniger bekannte Regionen wie die Vier-länderregion Bodensee können sich nachweislich zu einem leistungsstarken sowie innovativen Hotspot in Europa ent-wickeln. Zu diesem Ergebnis kommt auch der renommierte Zukunfts-Forscher Matthias Horx, der die Bodenseeregion in seiner Markt-Studie „Zukunftsregion“ als eine der künf-tigen Top-Regionen Europas sieht (Petersen 2003). Laut Matthias Horx ist die Bodenseeregion auf dem besten Weg, eine „Power-Region“ zu werden, das heißt eine Gegend, die zunehmend an Bevölkerung und Kaufkraft gewinnt. „Diese Regionen sind eben keine entlegenen Provinzen mehr, sondern kulturell urbanisierte Landschaften, in denen bestimmte Faktoren wie Mehrsprachigkeit, Lebensqualität, Ökologie, Technologie und Bildung eine neue Synthese ein-gehen. Solche Cluster liegen oft an Schnittstellen, wo alte Nationalsaaten aneinanderwachsen. Der Bodensee hat auch ein solches Potenzial“ (VisAvis Economy 2013, S. 20).

Literatur

Beckord C (2008) Clustermanagement als Instrument der Wirtschafts-förderung. Konzeptionelle Grundlagen, Clusterpolitik und ope-rative Umsetzung clusterorientierter Entwicklungsstrategien in Sachsen. VDM Verlag, Saarbrücken

BioLAGO e. V. (2013) Mitgliederbefragung 2013. BioLAGO e. V., Konstanz

Bodensee Standort Marketing GmbH (2013) eigene ErhebungClusterland Oberösterreich GmbH (2013) Clusterland Oberösterreich.

www.clusterland.at/822_DEU_HTML.php. Zugegriffen: 21. Jan 2014

EU (2008) Europäische Benchmarking Studie 2008, EU-Projekt IMP3rove. Die Studie ist nicht mehr verfügbar, Informationen und Auskünfte: www.iao.fraunhofer.de/lang-de/component/content/ar-ticle/100-iao-news/475-improve-innovationserfolg.html

German Chamber of Commerce and Industry in Japan (2010) Cluster Business Japan. www.japan-cluster.net/index.php?id=514. Zuge-griffen: 21. Jan 2014

und Hochschulen. Die Clusterinitiative Bodensee (CLIB) bietet den Rahmen für den Austausch der Clustervertreter innerhalb der Vierländerregion Bodensee. Oberstes Ziel ist die Förderung und Weiterentwicklung der Cluster – Umwelttechnologie, Biotechnologie & Lebenswissenschaf-ten, Nanotechnologie, Verpackungstechnologie, Luft- und Raumfahrt, IT & digitale Medien sowie Forst & Holz – in der Gesamtregion. Dies kann ein Indikator für die Verbes-serung der Innovationskraft aus dem Cluster heraus sein. Laut einer Befragung fanden über 50 % der Kooperationen in Forschung und (Produkt-)Entwicklung statt, aber auch gemeinsame Marketingaktionen und unternehmensbezo-gene Services führen zu Skaleneffekten (vgl. Abb. 4).

Die ausgeprägte Forschungslandschaft der Universitä-ten – deren hochtechnische Geräte können zum Teil auch von Unternehmen mit genutzt werden – lässt ein hochspe-zialisiertes Milieu entstehen, was einen weiteren Wissens- und Informationsvorteil darstellt. Außerdem nutzen einige KMU die Netzwerkstruktur des Clusters dazu, teure hoch-technische Geräte gemeinsam anzuschaffen und somit Kos-tenvorteile zu erzielen.

Spitze bei Neugründungen

Innerhalb des Clusters entstanden bereits über zehn neue Unternehmen. So gründeten beispielsweise nach der Insol-venz eines Großunternehmens frühere Arbeitnehmer eigene Unternehmen. Hilfreich war dabei sicherlich der jeweilige Zugang zu Know-how, zu spezialisierter Infrastruktur und zu spezialisierten Arbeitskräften (StaLa BW 2011).

Das gründerfreundliche Klima der Vierländerregion Bodensee wird sowohl auf Landkreisebene als auch auf regionaler Ebene deutlich. Mit 16 Existenzgründungen auf 10.000 Einwohner im Jahr 2010 belegte der Landkreis Konstanz im Vergleich mit allen Landkreisen Baden-Würt-

Abb. 4 Verteilung der Mitglieder-Kooperationen im Cluster BioLAGO e. V. (Quelle: BioLAGO e. V.)

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Nutzen und Vorteile von Clustermanagement in der Vierländerregion Bodensee

Thorsten Leupold, Jg. 1971. Studium an der Fachhochschule Ludwigsburg zum Dipl.-Verwaltungswirt (FH) und Studium der Verwaltungswissenschaften an der Universität Konstanz mit den Schwerpunkten Management und Internationale Beziehungen sowie Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Fernuniversität Hagen und Zertifikatsstudium Marketing zum geprüften Marketingmanager (DAM) an der Deutschen Akademie für Management in Berlin. Nach Tätigkeiten für Timeguard Limited, Mercedes-Benz AG, Baumgart-ner & Partner und Arthur Andersen ab 2002 Leitung der Stabsstelle Wirtschaftsförderung in Vaihingen an der Enz und Geschäftsführung der „Perfekter Standort“ GmbH. Seit 2009 Leiter der Stabsstelle Wirt-schaftsförderung, Tourismus und Europa des Landkreises Konstanz sowie Geschäftsführer der Bodensee Standort Marketing GmbH, der Clusterinitiative Bodensee, der Bodensee Standort Marketing Innova-tionsfonds GmbH und der Business Angels Schweiz Sektion Boden-see. Seit 2009 Dozent im Studiengang Betriebswirtschaftslehre mit der Studienrichtung Wirtschaftsförderung und Mitglied der Prüfungs-kommission an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Mann-heim, seit 2012 Dozent an der Universität Konstanz für Standort- und Regionenmarketing.

Marcel König, Jg. 1991. Dualer Student der Betriebswirtschaftslehre mit der Studienrichtung Wirtschaftsförderung an der Dualen Hoch-schule Baden-Württemberg und der Bodensee Standort Marketing GmbH. Außerdem Student der Kulturwissenschaften mit dem Schwer-punkt Philosophie an der Fernuniversität Hagen.

INSM (2007) Regional- und Gründerranking. INSM Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft GmbH, Berlin. www.insm-gruenderran-king.de/fs_index.html. Zugegriffen: 23. Jan 2014

Krafft L (2006) Entwicklung räumlicher Cluster, 1. Aufl. Deutscher Universitäts-Verlag, Wiesbaden

Kralemann M, Schröder A-K, Sonnabend M (2006) Treibhäuser der Innovation – Clusterpotentiale für Wirtschaft und Wissenschaft. Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, Essen

Nestle V (2012) Open Innovation im Cluster: Eine Wirkungsanalyse zu Clusterinitiativen in forschungsintensiven Industrien. Gabler Verlag, Wiesbaden

Petersen S (2003) Zukunftsregionen. Die 60 „Hot Spots“ Europas für Investoren, Innovatoren und Entwickler. Marktstudie der Zu-kunftsinstitut GmbH, Selbstverlag, Kelkheim/Taunus. http://www.zukunftsinstitut.de/verlag/studien_detail.php?nr=9. Zugegriffen: 17. Feb 2014

Porter ME (1990) The competitive advantage of nations. Harvard Busi-ness Review March-April 68(2):73–93. (Reprint Number 90211)

Porter ME (1998) Clusters and the new economics of competition. Harvard Business Review November-December 76(6):77–90. (Reprint Number 98609)

Schuler J (2008) Clustermanagement-Aufbau und Gestaltung regiona-ler Netzwerke. Verlag Wissenschaft & Praxis, Sternenfels

StaLa BW (2011) Statistisches Landesamt Baden-Württemberg „Sta-tistik aktuell“ Ausgabe März 2011. Statistisches Landesamt Ba-den-Württemberg, Stuttgart

Terstrieb J (2008) Cluster Management – Status Quo & Perspektiven. In: Institut Arbeit und Technik: Jahrbuch 2007. Institut Arbeit und Technik, Gelsenkirchen

VisAvis Economy (2013) Eine Region mit Power: Ausgabe 10/2013. VISAVIS Verlags GmbH, Berlin, S 18–21


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