Numerische Strömungssimulation
Vorlesung/Praktikum an der RWTH Aachen
Numerische Simulation von Strömungsvorgängen
B. Binninger
Institut für Technische Verbrennung
Templergraben 64
1. Teil
1.2-0 Zusammenfassung 1. Teil
Praktikumsaufgabe „Potentialströmung“
• Lösung der Potentialgleichung und Stromfunktionsgleichung für eine stationäre,
wirbel- und reibungsfreie zweidimensionale Strömung in einem Kanal
Die Praktikumsaufgabe besteht aus zwei Teilaufgaben
• Teil 1.1: Lösung der Laplace-Gleichungen für rechteckiges Integrationsgebiet
• Teil 1.2: Lösung der Laplace-Gleichungen für krummlinig berandetes
Integrationsgebiet
Nutzanwendung des Teiles 1.2
• Konstruktion eines strukturierten numerischen Gitters aus krummlinigen
orthogonalen Koordinaten
Simulation von Strömungsvorgängen
Mathematische Formulierung des Problems und
mathematische Modellbildung
Partielle Differentialgleichung
Diskretisierung
System von algebraischen Gleichungen
Gleichungslöser
Näherung der exakten Lösung des Problems
Selten direkt, meist iterativ
Oft ein System part.D‘gln
Finite Elemente oder
Differenzen oder finite Volumen
1.1-1
Wir werden diese Schritte in Simulationstechnik V wiederholt anwenden, um
spezielle Aufgaben aus dem Bereich der Strömungsmechanik zu bearbeiten.
Modellierung
Voraussetzung:
Das strömende Fluid kann als Kontinuum angesehen werden kann.
Wir abstrahieren also von der granularen Struktur der Materie und
behaupten, dass die Grenzübergänge
sinnvoll gebildet werden können:
1.1-2
1.1-3
Beispiel: Der Grenzwert existiert und heißt Dichte r:
Diese Definition der Dichte r kann nur dann sinnvoll sein, wenn das im Grenzwert
betrachtete Volumen groß gegen die Abmessungen der Atome oder Moleküle des Fluids
bleibt.
Andererseits muss das Grenzvolumen klein sein gegenüber den makroskopisch
interessierenden Längen des Strömungsproblems.
Beispielsweise Strömungen hochverdünnter Gase können daher mit dem Kontinuumsansatz
nicht zufriedenstellend beschrieben werden. Solche Problemstellungen treten beim
Wiedereintritt von Raumfahrzeugen in die Erdatmosphäre auf in Apparaturen zur
Herstellung von Vakua.
In solchen Fällen werden als mathematisches Modell die Boltzmann-Gleichungen betrachtet.
1.1-3
Bemerkung:
Die Voraussetzung des Kontinuums ist unter Umständen auch bei nichtverdünnten Gasen
nicht für alle Strömungsgrößen erfüllt.
Zum Beispiel ändern sich Strömungsgrößen in Verdichtungsstößen in Fluiden mit geringer
Reibung nahezu sprunghaft (die Dicke der Stoßzone beträgt lediglich mehrer freie
Weglängen).
Wir finden aber auch in diesem Fall eine differentielle mathematische Formulierung des
Problems, die nur stetige Strömungsgrößen enthält, wenn wir nur Erhaltungsgrößen,
betrachten und die Differentialgleichungen in Erhaltungsform formulieren
(vergl. auch die Ausführungen weiter hinter zum Finite-Volumen-Verfahren.)
Für die reibungsfreien Eulergleichungen führt dies auf die sogenannten
schwachen Lösungen.
1.1-4
Unter dieser Voraussetzung kann das Verhalten des Fluids vollständig
beschrieben werden, indem
der thermodynamische Zustand,
der Impuls und
die Energie an jedem Raumpunkt und zu jedem Zeitpunkt
angegeben werden.
Die Verteilung dieser Größen in Raum und Zeit folgen den Prinzipien
• Massenerhaltung
• Impulserhaltung
• Energieerhaltung
1.1-5
Die Mathematische Formulierung dieser Erhaltungsgleichungen führt auf einen
Satz
Partieller Differentialgleichungen
Zzgl. der Rand- und Anfangsbedingungen wird die Entwicklung einer Strömung
in Raum und Zeit damit vollständig beschrieben.
1.1-6
Zusätzliche vereinfachende Annahmen beeinflussen den Charakter und die
Komplexität des mathematischen Problems.
Näherung hier:
• inkompressible oder näherungsweise inkompressible Probleme
• zusätzliche Annahmen um mathematisch besonders einfachen Probleme
an den Anfang unserer Beispiele stellen zu können.
1. Aufgabe: inkompressible, reibungsfreie und wirbelfreie Strömungen
Herleitung der mathematischen Formulierung des Problems aus
Massen-, Impuls- und Energieerhaltung
1.1-7
Inkompressibilität:
Energiegleichung entkoppelt von Impulsgleichung und Kontinuitätsgleichung
Geschwindigkeits- und Druckfeld allein aus Masse- und Impulserhaltung!
Kontinuitäts- und Impulsgleichungen für inkompressible Newtonsche Fluide
Massenerhaltung oder Kontinuitätsgleichung (keine Quellen):
Impulsgleichung:
Gewichtskräfte,
Erdschwerefeld Druckkräfte
Reibungskräfte zeitliche Beschleunigung
räumliche Beschleunigung
1.1-8
Bemerkung und Schreibweisen:
• Der Operator der konvektiven Beschleunigung ist in der Schreibweise
nur für karthesische Koordinaten definiert.
Es gilt die Identität
deren rechte Seite für alle Koordinatensysteme gilt.
• Schwerebeschleunigung aus Potential U:
1.1-9
Mathematische Beschreibung von
Kontinuumsströmungen inkompressibler, Newtonscher Fluide konstanter Viskosität
+ Rand- und Anfangsbedingungen
1.1-10
Abgeleitete Gleichungen:
Wirbeltransportgleichung
Vorteil: Druck und Geschwindigkeitsfeld können unabhängig voneinander
berechnet werden.
Mit der numerischen Lösung dieser Gleichung werden wir uns hier nicht beschäftigen.
Wir werden diese Gleichung aber benutzen, um eine andere mathematische
Formulierung des Strömungsproblems abzuleiten
wirbelfreie, reibungsfreie Strömungen oder Potentialströmungen
1.1-11
Herleitung der Wirbeltransportgleichung:
Es gelingt den Druck aus der Gleichung zu eliminieren, wenn berücksichtigt wird,
dass folgende Identität gilt (Gradientenfelder sind wirbelfrei):
Wir wenden deshalb den Rotationsoperator auf die Impulsgleichung an und
definieren den Wirbelvektor
Es folgt die Wirbeltransportgleichung für ein inkompressibles Newtonsches Fluid
konstanter Zähigkeit:
1.1-12
Behauptung:
Beweis:
Mit dem Levi-Civitaschen Tensor eijk (auch Epsilon-Tensor) lässt sich für kartesische
Koordinaten mit der Einsteinschen Summenkonvention schreiben
Andererseits ist:
(Umbenennen stummer Indizes)
1.1-13
Spezielle Lösung für reibungsfreie Fluide (n = 0):
Potentialströmungen
Das Geschwindigkeitsfeld besitzt eine Potentialfunktion f
Dann ist das Geschwindigkeitsfeld wirbelfrei. Die Wirbeltransportgleichung ist mit
immer erfüllt.
1.1-14
Bestimmungsgleichung für das Potential aus Kontinuitätsgleichung
Mit geeigneten Randbedingungen liefert die Lösung der Potentialgleichung
das Geschwindigkeitsfeld:
Zum Beispiel in kartesischen Koordinaten:
*) Alternative Schreibweise: Df =0. In kartesischen Koordinaten und 2D:
*)
1.1-15
Bemerkung: Die Konstante const gilt überall im Strömungsfeld, nicht nur entlang Stromlinien!
(instat. Bernoullische Gleichung)
Integriert (stationär):
Berechnung des Druckfeldes aus der Impulsgleichung:
1.1-16
Keine freie Oberflächen (stationär):*)
oder
Definition eines Druckbeiwertes:
*) falls keine freie Oberflächen auftreten hebt sich der hydrostatische Druck mit dem
Schwerepotential heraus, p meint dann nur den dynamischen Druckanteil.
1.1-17
Nebenbemerkung
Bestimmung des Druckfeldes aus dem Geschwindigkeitsfeld für wirbelbehaftete
Geschwindigkeitsfelder
Poissongleichung für den Druck
Wir bilden die Divergenz der Bewegungsgleichung
Bei bekanntem Geschwindigkeitsfeld und Randbedingungen ist diese Gleichung
prinzipiell lösbar.
1.1-18
Randbedingungen
Stationäre Strömungen keine Anfangsbedingungen nötig
Die Lösungsverteilung im Inneren eines Integrationsgebietes ist von Randwerten
abhängig.
Vorgabe der Funktionswerte (RB 1. Art) Dirichlet
Vorgabe der Gradienten (RB 2. Art) Neumann
Kombination aus beiden (RB 3. Art)
(Rand des I-Gebietes)
(Integrationsgebiet)
1.1-19
Alternative Formulierung
Wir nutzen folgende Vektoridentität (Wirbelfreiheit von Divergenzfeldern):
Die Kontinuitätsgleichung lässt sich also durch ein Vektorpotential:
Als Bestimmungsgleichung für das Vektorpotential kann die Definition des
Wirbelvektors herangezogen werden:
Mit der bereits bekannten Vektoridentität
folgt:
1.1-20
Spezialfall zweidimensionale Potentialströmung:
Die Komponente des Vektorpotential, die von Null verschieden ist wird
Stromfunktion genannt.
Die Gleichung stimmt formal mit der Potentialgleichung überein, man beachte
aber den anderen Charakter des Laplace-Operator, da die Stromfunktion
die 3. Komponente eines Vektorpotentials darstellt.
Die Geschwindigkeitskomponenten lauten in kartesischen Koordinaten:
Die beiden Formulierungen, Potential versus Stromfunktion, unterscheiden
sich durch die Art der vorzugebenden Randbedingungen.
1.1-21
Beispiele für stationäre Potentialströmungen
Parallelströmung:
Ebene Staupunktströmung:
Quelle:
Potentialwirbel:
Dipol:
Es gilt wegen der Linearität der Differentialgleichungen das Superpositionsprinzip!
Beispiel Halbkörper: Superposition aus Parallelströmung und Quelle
1.1-22
Differenzformulierung auf geordneten, strukturierten Gittern
Integrationsgebiet (2D, rechteckig):
Schrittweiten:
1.1-23
Bei äquidistantem Gitter lassen sich erste Ableitungen durch zentrale Differenzen
wie folgt ausgedrücken:
Für zweite Ableitungen ergibt sich:
Diskretisierung der Potentialgleichung
- Approximation von Ableitungen durch Differenzenformulierung
Approximation erster und zweiter Ableitung:
Der Laplace-Operator ist elliptisch, Einflussbereich symmetrisch im Raum
zentrale Differenzen sind dem angepasst
1.1-24
Ableitung der algebraischen Gleichung
Die Differenzenapproximation der Laplacegleichung führt auf eine
algebraische Gleichung der Form
Lösungsverfahren
Alle Werte unbekannt (implizite Gleichung)
explizierte Formulierung
1.1-25
Lösungsverfahren
Ableitung eines algebraischen Gleichungssystems Lösungsalgorithmen
Direkte Lösungsverfahren :
Gaußscher Algorithmus (im Prinzip möglich, aber sehr aufwendig)
Iterative Lösungsverfahren:
Einfache:
Iterationsverfahren in Gesamtschritten (Jacobi)
Iterationsverfahren in Einzelschritten (Gauß-Seidel)
Einzelschritt- Linienverfahren (Thomas-Algorithmus)
Im Vergleich mit direkten Lösungsverfahren geringer Aufwand und
unempfindlich gegen Rundungsfehler.
1.1-26
Rechenablauf
Eine Anfangsbelegung, Iterationsstart, im Inneren des Integrationsgebietes und auf
dem Rand wird vorgeben.
Die Anfangsbelegung muss auf dem Rand die Randbedingung erfüllen. Sie wird
während der Rechnung nicht verändert (stationäres Problem).
Gesamtschrittverfahren:
Ausschließlich Werte der n–1-ten Iteration werden zur Berechnung der nächsten
Lösungsbelegung, n-ter Iterationsschritt, herangezogen Jacobi.
Einzelschrittverfahren und Einzelschritt-Linienverfahren:
Bereits verbesserte Werte werden mit berücksichtigt Gauß-Seidel bzw.
Thomas-Algorithmus.
1.1-27
1.1-28 Erste Teilaufgabe zum Praktikumsbeispiel „Potentialströmung“
Berechnung einer zweidimensionalen stationären, wirbel- und reibungsfreien
Strömung auf einem rechteckigen Integrationsgebiet durch numerische
Lösung der Potentialgleichung mit einem iterativen Gleichungslöser.
a) Formulieren Sie die Differenzengleichung des Problems!
b) Wählen Sie ein Testproblem: Strömung, Integrationsgebiet und geeignete
Randbedingungen!
c) Formulieren Sie ein algebraisches Gleichungssystem für eine numerische Lösung der
Potentialgleichung oder Stromfunktionsgleichung!
d) Lösen Sie das Gleichungssystem mit einem oder mehreren einfachen Lösungsalgorithmen!
e) Berechnen Sie das Geschwindigkeitsfeld!
f) Berechnen Sie das Druckfeld!
1.1-29
Programmieraufgaben
1) Routine für Eingabedaten
Steuerdaten zu Integrationsgebiet, Anzahl der Stützstellen, Schrittweite, ...
2) Routine für Startbelegung
(z.B. exakte Lösung eines Testproblems)
2) Routine für Randbedingungen
3) Routine für den Lösungsalgorithmus
4) Routine für die Berechnung der Geschwindigkeitskomponenten
5) Routine für die Berechnung des Druckbeiwertes
6) Routine für die Ausgabe
7) Routine für die Fehleranalyse (z.B. Vergleich mit exakter Lösung)
Differenzformulierung auf geordneten, strukturierten Gittern
Integrationsgebiet (2D, rechteckig):
Schrittweiten:
1.1-30
Beispiele für Potentialströmungen
Parallelströmung:
Ebene Staupunktströmung:
Quelle:
Potentialwirbel:
Dipol:
Es gilt wegen der Linearität der Differentialgleichungen das Superpositionsprinzip!
Beispiel Halbkörper: Superposition aus Parallelströmung und Quelle
1.1-31
Druckbeiwert:
1.1-32
Zusammenfassung 1. Teilaufgabe des Teiles 1 des Praktikums
Praktikumsaufgabe „Potentialströmung“ auf kartesischem Gitter
• Lösung der Potentialgleichung für eine stationäre,
wirbel- und reibungsfreie zweidimensionale Strömung
• Lösung der Stromfunktionsgleichung für eine stationäre,
wirbel- und reibungsfreie zweidimensionale Strömung