+ All Categories
Home > Documents > Nucleophile aromatische Substitution als Werkzeug zur ... · wasserlösliche Polyelektrolyte zu...

Nucleophile aromatische Substitution als Werkzeug zur ... · wasserlösliche Polyelektrolyte zu...

Date post: 17-Sep-2018
Category:
Upload: vongoc
View: 218 times
Download: 0 times
Share this document with a friend
206
Nucleophile aromatische Substitution als Werkzeug zur Funktionalisierung von Polyvinylaminen und Hybridmaterialien von der Fakultät für Naturwissenschaften der Technischen Universität Chemnitz genehmigte Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades doctor rerum naturalium (Dr. rer. nat.) vorgelegt von: Dipl.-Chem. Isabelle Roth geboren am: 06.04.1976 in: Plauen i. V. eingereicht am: 19.12.2006 Gutachter: Prof. Dr. Stefan Spange Prof. Dr. Klaus Banert Prof. Dr. André Laschewsky Tag der Verteidigung: 05.07.2007 http://archiv.tu-chemnitz.de/pub/2007/0164
Transcript

Nucleophile aromatische Substitution

als Werkzeug zur Funktionalisierung von

Polyvinylaminen und Hybridmaterialien

von der Fakultät für Naturwissenschaften der Technischen Universität Chemnitz

genehmigte Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades

doctor rerum naturalium

(Dr. rer. nat.)

vorgelegt von: Dipl.-Chem. Isabelle Roth

geboren am: 06.04.1976 in: Plauen i. V.

eingereicht am: 19.12.2006

Gutachter: Prof. Dr. Stefan Spange

Prof. Dr. Klaus Banert

Prof. Dr. André Laschewsky

Tag der Verteidigung: 05.07.2007

http://archiv.tu-chemnitz.de/pub/2007/0164

y≤Ü Zu|wÉ uÇw Åx|Çx YtÅ|Ä|x

Bibliografische Beschreibung, Referat, Schlagwörter 3

Bibliografische Beschreibung

Roth, Isabelle

„Nucleophile aromatische Substitution als Werkzeug zur Funktionalisierung von

Polyvinylaminen und Hybridmaterialien“

206 Seiten, 84 Abbildungen, 37 Schemen, 27 Tabellen, 152 Literaturquellen

Technische Universität Chemnitz, Fakultät für Naturwissenschaften, Institut für

Chemie, Professur Polymerchemie (Prof. S. Spange), Dissertation.

Referat

Die nucleophile aromatische Substitution von ausgewählten aktivierten Fluor-

aromaten mit Polyvinylaminen in Wasser wurde untersucht, um neue chromophore

wasserlösliche Polyelektrolyte zu synthetisieren. Die Synthese solcher π-Elektronen-

push-pull-Systeme (Nitroanilinderivate) in einem Schritt ist eine elegante Möglichkeit

zur Einführung von chromophoren Gruppen direkt am Polymerrückgrat. Die

Löslichkeit der –NO2-gruppentragenden Fluorverbindungen in Wasser wurde durch

Komplexierung mittels 2,6-O-Dimethyl-β-Cyclodextrin vermittelt. Die chromophoren

Einheiten von funktionalisierten Polyvinylaminen weisen interessante optische

Eigenschaften sowohl in Abhängigkeit vom pH-Wert als auch von der Natur des

Lösungsmittels (Solvatochromie) auf. Der quantitative Anteil der chromophoren

Gruppen im Polyvinylamin wurde UV/vis-spektroskopisch und mit Hilfe der NMR-

Spektroskopie ermittelt. Durch konstante Reaktionsbedingungen bei der Synthese

der funktionalisierten Polyvinylamine konnten die Substitutionsgrade untereinander

verglichen und Hinweise zur Reaktivität der jeweiligen Fluoraromaten gegenüber

Polyvinylamin erhalten werden. Ein direkter Zusammenhang zwischen der Struktur

und der Reaktivität des jeweils eingesetzten Fluoraromaten bei der Substitutions-

reaktion mit Polyvinylamin wurde durch kinetische Untersuchungen mit Hilfe der

UV/vis-Spektroskopie nachweisbar. Weiterhin wurde die nucleophile aromatische

Substitution von aktivierten Fluoraromaten mit Polyvinylaminen an der Grenzfläche

Kieselgel/Wasser untersucht, um neue chromophore Hybridmaterialien zu erhalten.

Die Charakterisierung der neuen Materialien erfolgte mit Hilfe der Elementaranalyse,

der UV/vis-Spektroskopie, der Festkörper-NMR-Spektroskopie, der XPS, anhand von

BET-Untersuchungen und elektrokinetischer Messungen.

Schlagwörter

nucleophile aromatische Substitution, Polyvinylamin, Fluoraromat, Cyclodextrin,

π-Elektronen-push-pull-System, Nitroaniline, Kieselgel, Hybridmaterialien

Bearbeitungszeitraum und Danksagung 4

Die vorliegende Arbeit wurde von September 2001 bis Juli 2006 an der Professur

Polymerchemie (Institut für Chemie, Fakultät für Naturwissenschaften, Technische

Universität Chemnitz) angefertigt und im Rahmen des Forschungsprojektes

„Nucleophile aromatische Substitution mit Polyaminen in Wasser“ von der DFG

gefördert.

Mein ausdrücklicher Dank gilt Herrn Prof. S. Spange für seine stete Hilfs- und

Diskussionsbereitschaft bei der Bearbeitung dieses sehr interessanten, farbenfrohen

und inhaltlich abwechslungsreichen Themas.

Ich danke der DFG für die finanzielle Unterstützung bei der Anfertigung dieser Arbeit.

Bei der BASF AG, Ludwigshafen, möchte ich mich für die kostenneutral zur

Verfügung gestellten Polyvinylaminlösungen und bei der Wacker Chemie,

Burghausen, für die kostengünstig bereitgestellte Menge an Cyclodextrinen

bedanken.

Insbesondere danke ich Herrn Prof. K. Banert für das mir entgegengebrachte

Vertrauen und die damit verbundene Möglichkeit der selbständigen Messung von

Flüssig-NMR-Spektren an der Professur Organische Chemie (TU Chemnitz, Fakultät

für Naturwissenschaften, Institut für Chemie).

Herrn Prof. R. Holze (TU Chemnitz, Institut für Chemie, Professur Physikalische

Chemie, Arbeitsgruppe Elektrochemie) und seinem wissenschaftlichen Mitarbeiter

Herrn Dr. A. A. Jbarah sowie Herrn Dr. M. Friedrich (Friedrich-Schiller Universität

Jena, Chemisch-Geowissenschaftliche Fakultät, Institut für Anorganische und

Analytische Chemie) danke ich für die Aufnahme von ESR-Spektren.

Mein besonderer Dank gilt Frau Dr. C. Bellmann und Herrn Dr. F. Simon vom

Leibniz-Institut für Polymerforschung Dresden e. V. für die elektrokinetischen

Messungen und die XPS-Untersuchungen und der damit verbundenen steten

Hilfsbereitschaft bei der Interpretation erhaltener Messergebnisse.

Bearbeitungszeitraum und Danksagung 5

Für die elementaranalytischen Untersuchungen gilt mein Dank:

Frau J. Buschmann (TU Chemnitz, Fakultät für Naturwissenschaften, Institut für

Chemie, Professur Organische Chemie unter der Leitung von Prof. K. Banert),

Frau K. Muchina (Friedrich-Schiller Universität Jena, Chemisch-Geowissen-

schaftliche Fakultät, Institut für Organische und Makromolekulare Chemie,

Kompetenzzentrum Polysaccharidforschung unter der Leitung von Prof. T. Heinze)

und Frau R. Ziehn (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Naturwissen-

schaftliche Fakultät II, Fachbereich Chemie, Institut für Organische Chemie,

AG Organische und bioorganische Chemie unter der Leitung von Prof. R. Csuk).

Für die BET-Untersuchungen bedanke ich mich bei Frau Dipl.-Ing. M. Berger

(TU Chemnitz, Institut für Chemie, Professur Technische Chemie unter der Leitung

von Prof. E. Klemm).

Für die elektronenmikroskopischen Aufnahmen danke ich Herrn Dr. S. Schulze und

seiner Mitarbeiterin Frau G. Baumann (TU Chemnitz, Fakultät für Naturwissen-

schaften, Institut für Physik, Professur Analytik an Festkörperoberflächen unter der

Leitung von Prof. M. Hietschold).

Meinen Kolleginnen Frau Dipl.-Chem. S. Anders und Frau Dipl.-Chem. K. Hofmann

möchte ich für die Unterstützung bei der Aufnahme von Flüssig-NMR-Spektren

danken.

Meinen Kollegen Herrn Dr. A. Seifert, Herrn Dipl.-Chem. A. Mehner und Herrn

Dipl.-Chem. R. Lungwitz danke ich für die Aufnahme von Festkörper-NMR-Spektren.

Ich möchte allen an dieser Arbeit direkt und indirekt beteiligten Mitarbeiterinnen und

Mitarbeitern der Professur Polymerchemie für die gute Zusammenarbeit und die

Unterstützung, die mir zuteil wurde, herzlich danken.

Inhaltsverzeichnis

6

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungen und Symbole ............................ ..........................................................8

1 Einleitung und Zielsetzung...................... ...........................................................11

2 Theoretische Grundlagen......................... ..........................................................17

2.1 Polyelektrolyte ................................................................................................17

2.2 Polyvinylamin (PVAm) ....................................................................................20

2.3 Nucleophile aromatische Substitution von Arylhalogeniden ...........................24

2.4 Cyclodextrine..................................................................................................26

2.5 Solvatochrome Eigenschaften von Nitroanilinen ............................................32

3 Ergebnisse und Diskussion ....................... ........................................................37

3.1 Funktionalisierung von Polyvinylaminen in Wasser ........................................37

3.1.1 Syntheseplanung und Charakterisierungsmöglichkeiten ......................37

3.1.2 Nitrophenyl-funktionalisierte Polyvinylamine mittels..............................40

4-Fluornitrobenzen (4-FNB) ..................................................................40

2-Fluornitrobenzen (2-FNB) ..................................................................42

3.1.3 2-Nitro-4-aminobenzen-funktionalisierte Polyvinylamine mittels ...........44

4-Fluor-3-nitroanilin (4-FNA) .................................................................44

N,N-Dimethyl-4-fluor-3-nitroanilin (4-DMFNA).......................................48

3.1.4 Dinitrophenyl-funktionalisierte Polyvinylamine mittels...........................59

1-Fluor-2,4-dinitrobenzen (Sangers Reagenz)......................................59

1,5-Difluor-2,4-dinitrobenzen (DFDNB) .................................................61

3.1.5 2-Nitro-4-azobenzen-funktionalisiertes Polyvinylamin mittels ...............63

4-Fluor-3-nitroazobenzen (FNAzoB) .....................................................63

3.1.6 2,4´-Dinitrostilben-funktionalisiertes Polyvinylamin mittels....................65

4-Fluor-3,4´-dinitrostilben (FDNstilben) .................................................65

3.1.7 Abhängigkeit der UV/vis-Absorptionseigenschaften vom pH-Wert .......68

3.1.8 Substitutionsgrad funktionalisierter Polyvinylamine ..............................76

4-nitrophenyl-funktionalisiertes PVAm ..................................................77

2-nitrophenyl-funktionalisiertes PVAm ..................................................80

2-nitro-4-aminobenzen-funktionalisiertes PVAm ...................................84

2-nitro-4-(N,N-dimethyl)aminobenzen-funktionalisiertes PVAm ............87

2-nitro-4-(N,N-dimethyl)aminobenzen-funktionalisiertes PNMVAm.......89

2,4´-dinitrostilben-funktionalisiertes PVAm............................................91

Inhaltsverzeichnis

7

3.1.9 Kinetische Untersuchungen mittels UV/vis-Spektroskopie....................94

3.1.9.1 Meßprinzip und Auswertung.....................................................94

3.1.9.2 Funktionalisierung von Polyvinylamin (PVAm) mittels..............96

4-Fluornitrobenzen (4-FNB) .....................................................96

2-Fluornitrobenzen (2-FNB) .....................................................98

1-Fluor-2,4-dinitrofluorbenzen (Sangers Reagenz) ................100

1,5-Difluor-2,4-dinitrobenzen (DFDNB)..................................101

4-Fluor-3-nitroanilin (4-FNA) ..................................................103

N,N-Dimethyl-4-fluor-3-nitroanilin (4-DMFNA) .......................104

3.1.9.3 Einfluss des pH-Wertes..........................................................109

3.1.9.4 Einfluss des Molekulargewichtes von PVAm..........................114

3.1.9.5 Einfluss der Ionenstärke (Fremdsalzzugabe) .........................117

3.2 Polymermodifizierung von Kieselgel H (KGH) ..............................................120

3.2.1 Syntheseplanung und Charakterisierungsmöglichkeiten ....................120

3.2.2 UV/vis-spektroskopische Untersuchungen .........................................123

3.2.3 13C-CP-MAS-Festkörper-NMR-spektroskopische Untersuchungen....134

3.2.4 Röntgen-Photoelektronenspektroskopische Untersuchungen (XPS)..137

3.2.5 Elementaranalytische Untersuchungen ..............................................142

3.2.6 BET-(Brunauer-Emmett-Teller)-Untersuchungen................................145

3.2.7 Elektrokinetische Untersuchungen (Zetapotential)..............................149

4 Zusammenfassung und Ausblick .................... ................................................155

5 Experimenteller Teil ............................ ..............................................................162

5.1 Analysenmethoden und verwendete Geräte.................................................162

5.2 Eingesetzte Chemikalien ..............................................................................164

5.2.1 Polyvinylamine....................................................................................164

5.2.2 2,6-O-Dimethyl-β-Cyclodextrin (Cavasol® W7 M) ...............................168

5.2.3 Fluoraromaten.....................................................................................169

5.2.4 Kieselgel H (KGH)...............................................................................170

5.3 Funktionalisierung von Polyvinylaminen mittels Fluoraromaten ...................171

5.4 Kinetische Untersuchungen der Funktionalisierung von PVAm....................172

5.5 Polymermodifizierung von Kieselgel H (KGH) ..............................................175

5.6 Synthesevorschriften und Charakterisierungen ............................................176

6 Literaturverzeichnis ............................ ..............................................................195

7 Anhang.......................................... .....................................................................201

Abkürzungen und Symbole

8

Abkürzungen und Symbole

Abkürzung Bedeutung

Abb. Abbildung

a. u. arbitrary unit, willkürliche Einheit

BET Brunauer-Emmett-Teller

β-DMCD 2,6-O-Dimethyl-β-cyclodextrin

bzw. beziehungsweise

CDCl3 deuteriertes Chloroform

CD2Cl2 deuteriertes Methylenchlorid, Dichlormethan

CH2Cl2 Methylenchlorid, Dichlormethan

CP Cross Polarization, Kreuzpolarisation

DCE 1,2-Dichlorethan

DFDNB 1,5-Difluor-2,4-dinitrobenzen

DMF N,N-Dimethylformamid

4-DMFNA N,N-Dimethyl-4-fluor-3-nitroanilin

DMSO Dimethylsulfoxid

D2O Deuteriumoxid

EA Elementaranalyse

ESR Elektronen-Spin-Resonanz

EtOH Ethanol

FDNB 1-Fluor-2,4-dinitrobenzen, Sangers Reagenz

FDNStilben 4-Fluor-3,4´-dinitrostilben

4-FNA 4-Fluor-3-nitroanilin

FNAzoB 4-Fluor-3-nitroazobenzen

FNAzoB-2 N-(2´-Nitrophenyl-4´-(p-N,N-diethyl)-azobenzen)-4-fluor-3-

nitroanilin

2-FNB 2-Fluornitrobenzen

4-FNB 4-Fluornitrobenzen

Gl. Gleichung

HBA hydrogen bond acceptor

HBD hydrogen bond donor

HCl Salzsäure

Abkürzungen und Symbole

9

Abkürzung Bedeutung

HFiPrOH 1,1,1,3,3,3-Hexafluor-2-propanol

H2O destilliertes Wasser

IEP isoelektrischer Punkt

KCl Kaliumchlorid

KG Kieselgel

KGH Kieselgel H

LM Lösungsmittel

MAS Magic Angle Spinning

MeOH Methanol

NaOEt Natriumethanolat

NaOH Natriumhydroxid

NMR nuclear magnetic resonance, Kernresonanz

N-DNP-FNA N-(2´,4´-Dinitrophenyl)-4-fluor-3-nitroanilin

PNMVAm Poly-N-Methylvinylamin

ppm parts per million

PVAm Polyvinylamin

PVFA Polyvinylformamid

RSB Rotationsseitenbande

s. siehe

sog. so genannt

Tab. Tabelle

TCE 1,1,2,2-Tetrachlorethan

THF Tetrahydrofuran

TFE 1,1,2,2-Tetrafluorethanol

u. a. unter anderem

UV/vis Ultraviolett/visuell

VFA N-Vinylformamid

vgl. vergleiche

XPS Röntgen-Photoelektronen-Spektroskopie

z. B. zum Beispiel

Abkürzungen und Symbole

10

Symbol Bedeutung

A0 erreichte UV/vis-Endabsorption bei t = ∞

A1 Gesamtabsorptionsänderung zwischen t = 0 und t = ∞

α Kamlet-Taft-Lösungsmittelparameter für die Wasserstoffbrücken-

Donor (HBD) Fähigkeit des Lösungsmittels

β Kamlet-Taft-Lösungsmittelparameter für die Wasserstoffbrücken-

Akzeptor (HBA) Fähigkeit des Lösungsmittels

c Konzentration [mol·l-1]

d Schichtdicke der Küvette [cm]

EA Aktivierungsenergie [kJ·mol-1]

ε´ spezifischer Absorptionskoeffizient der chromophoren Einheit

des Polymeren [l·g-1·cm-1]

εModell molarer Absorptionskoeffizient der Modellverbindung

∆G‡ Freie Aktivierungsenthalpie [kJ·mol-1]

∆H‡ Aktivierungsenthalpie [kJ·mol-1]

h Plancksches Wirkungsquantum [6.63 · 10-34 J·s]

[η] Grenzviskositätszahl, Staudinger Index

k Geschwindigkeitskonstante pseudo-erster Ordnung [s-1]

kB Boltzmann-Konstante [1.38 · 10-23 J·K-1]

λ Wellenlänge [nm]

M Molekulargewicht [g·mol-1]

ṽ Wellenzahl [cm-1]

π* empirischer Lösungsmittelparameter nach Kamlet und Taft

für die Dipolarität/Polarisierbarkeit des Lösungsmittels

R Gaskonstante [8.3145 J·K-1·mol-1]

s Substitutionsgrad [mol%]

∆S‡ Aktivierungsentropie [J·K-1·mol-1]

t Reaktionszeit [s]

σ Hammett-Substituenten-Konstante

ζ Zetapotential [mV]

1 Einleitung und Zielsetzung

11

1 Einleitung und Zielsetzung

Polyvinylamin (PVAm) ist ein kommerziell erhältlicher, wasserlöslicher, schwacher

kationischer Polyelektrolyt. Die pro-ionischen Aminogruppen am Polymerrückgrat

können in Abhängigkeit vom pH-Wert als freie Basen oder protoniert vorliegen, so

dass die Ladungsdichte durch Änderung des pH-Wertes gezielt eingestellt werden

kann.1-7 Eine Nachfunktionalisierung von Polyvinylamin (PVAm) über

polymeranaloge Reaktion an der primären Aminogruppe einer PVAm-Einheit eröffnet

vielfältigste Derivatisierungsmöglichkeiten.8-10 So ist die nucleophile aromatische

Substitution von Fluoraromaten, die zusätzlich Elektronenakzeptor-Substituenten

tragen, durch Bildung von π-Elektronen-push-pull-Systemen eine elegante

Möglichkeit zur Einführung von chromophoren Gruppen direkt am Polymerrückgrat

von Polyvinylaminen.9,10

Donor-Akzeptor-substituierte π-Systeme in Form von chromophoren Einheiten von

Polyvinylaminen könnten interessante optische, elektronische und optoelektronische

Eigenschaften für materialwissenschaftliche Anwendungen aufweisen. Im

Zusammenhang mit den Phänomenen der nichtlinearen Optik (NLO) und der

Elektrolumineszenz haben π-Elektronen-push-pull-Systeme in den letzten Jahren

mehr und mehr an Aufmerksamkeit gewonnen. Der push-pull-Effekt hängt neben der

Stärke des Donors und des Akzeptors auch vom konjugierten π-System ab, an dem

die zwitterionische Resonanzstruktur mit para-chinoidem Charakter beteiligt ist.11

Polyvinylamine mit höheren Molekulargewichten sind nur in Wasser gut löslich, was

eine polymeranaloge Umsetzung mit Fluoraromaten schwierig gestaltet, da diese

sehr schlecht oder unlöslich in Wasser sind. Suhr hat 1964 durch kinetische

Untersuchungen der nucleophilen aromatischen Substitution von 4-Fluornitrobenzen

(4-FNB) mit Piperidin gezeigt, dass die Reaktionsgeschwindigkeit mit zunehmender

Polarität des verwendeten Lösungsmittels steigt.12 Die Geschwindigkeitskonstanten

bei der Umsetzung von 4-FNB mit Piperidin sind in Dimethylsulfoxid (DMSO) um

mehr als vier Zehnerpotenzen größer als in Ethanol.12 Polyvinylamine lösen sich

zwar teilweise auch in heißem DMSO und in Alkoholen, jedoch ist DMSO aufgrund

seiner Oxidationseigenschaften nicht geeignet.9,13

1 Einleitung und Zielsetzung

12

Bei der nucleophilen aromatischen Substitution von Fluoraromaten mit aliphatischen

Aminen in Alkoholen kann es zum Austausch des Fluorsubstituenten durch

Alkoxidgruppen vom Lösungsmittel kommen. Das zeigte u. a. Suhr 1966 am Beispiel

der Umsetzung von 4-Fluornitrobenzen mit aliphatischen primären Aminen in

Methanol und Bellamy et al. 2004 am Beispiel der Umsetzung von Pikrylchlorid mit

PVAm in einer Glykol/Methanol-Mischung.14,15 Wird auf hochreaktive Fluoraromaten

wie z. B. Fluoranil verzichtet, ist Wasser als polares Reaktionsmedium

unproblematisch, da es aufgrund seiner geringen Nucleophilie nicht mit dem

Fluoraromat reagiert.9,14 Diese Erkenntnis wird u. a. genutzt, um nucleophile

aromatische Substitutionsreaktionen in inversen Micellen zu studieren.16-18 Wasser

als Lösungsmittel bietet sich auch wegen der vergleichsweise niedrigen Kosten und

insbesondere wegen seiner physiologischen Unbedenklichkeit an.

In jüngster Zeit hat vor allem Ritter et al. gezeigt, dass freie radikalische

Polymerisationen auch in Wasser, über Cyclodextrine als Löslichkeitsvermittler

hydrophober Monomere, vonstatten gehen.19 Dieses Konzept der Einkapselung

hydrophober Gastmoleküle in Cyclodextrine, um diese Wirt-Gast-Komplexe in eine

wasserlösliche Form zu überführen, wurde in dieser Arbeit zur Komplexbildung von

ausgewählten Fluoraromaten übernommen. Durch die Bildung wasserlöslicher Wirt-

Gast-Komplexe kann auf organische Lösungsmittel verzichtet und die nucleophile

aromatische Substitution mit Polyvinylaminen kann in Wasser durchgeführt werden.

Eigene, orientierende Untersuchungen zur Funktionalisierung von PVAm mit Hilfe

cyclodextrinkomplexierter Fluoraromaten haben gezeigt, dass 4-Fluornitrobenzen,

2,4-Dinitrofluorbenzen und 1,5-Difluor-2,4-dinitrobenzen gut zur Funktionalisierung

von PVAm in Wasser geeignet sind. Weniger aktivierte Fluoraromaten wie

4-Fluorbenzophenon oder 4,4´-Difluorbenzophenon konnten in Wasser nicht mit

PVAm zur Reaktion gebracht werden.9,10 Um Fluoraromaten zur Funktionalisierung

von Polyvinylaminen in Wasser einsetzen zu können, müssen diese einerseits durch

Substituenten mit –M-Effekt und/oder –I-Effekt für die nucleophile aromatische

Substitution ausreichend aktiviert sein, da die Reaktionstemperatur beim Arbeiten

ohne Überdruck (z. B. Autoklav) vom Siedepunkt des Reaktionsmediums limitiert

wird. Andererseits sollte der Fluoraromat auch nicht zu reaktiv sein, um

Nebenreaktionen mit dem Lösungsmittel Wasser zu vermeiden.

1 Einleitung und Zielsetzung

13

Mit Zunahme der Anzahl elektronenziehender Gruppen wie z. B. –NO2-Gruppen wird

der Fluorsubstituent zur besseren Abgangsgruppe bei der nucleophilen aromatischen

Substitution mit aliphatischen Aminen im Vergleich zu Fluorbenzen.20-22 Daher sollten

sich nitrogruppensubstituierte Fluoraromaten für die polymeranaloge Reaktion mit

Polyvinylaminen gut eignen. Die so entstehenden nitrophenyl-funktionalisierten Poly-

vinylamine mit π-Elektronen-push-pull-Systemen als chromophore Polyvinylamin-

Einheiten lassen interessante optische Eigenschaften erhoffen.

So besitzen z. B. niedermolekulare ortho- und para-Nitroanilinderivate solvatochrome

Eigenschaften. In Abhängigkeit vom Lösungsmittel ändert sich die Lage des UV/vis-

Absorptionsmaximums. Daher haben Kamlet und Taft in den 1970´er Jahren u. a.

Nitroanilinderivate als Lösungsmittelindikatoren herangezogen. Sie unterscheiden bei

den Eigenschaften eines Lösungsmittels zwischen deren Dipolarität/Polarisierbarkeit,

der Fähigkeit des Lösungsmittels als Wasserstoffbrücken-Donor (HBD, hydrogen

bond donor) bzw. als Wasserstoffbrücken-Akzeptor (HBA, hydrogen bond acceptor)

mit dem Farbstoff in Wechselwirkung treten zu können. So konnten mit Hilfe von

Nitroanilinderivaten und anderer solvatochromer Farbstoffe Lösungsmittelskalen für

die sog. Kamlet-Taft-Parameter α (HBD Fähigkeit), β (HBA Fähigkeit) und π*

(Dipolarität/Polarisierbarkeit) von einer Vielzahl an Lösungsmitteln aufgestellt

werden.23-26 Da die solvatochromen Eigenschaften niedermolekularer Nitroanilin-

derivate vor allem von der Dipolarität/Polarisierbarkeit π* der verwendeten Lösungs-

mittel abhängen, werden sie oft auch als solvatochrome π*-Indikatoren bezeichnet

und sind nach wie vor Gegenstand aktueller Forschung.27-30

Auch könnten 2-nitro-1,4-diaminobenzen-funktionalisierte Polyvinylamine

interessante optische Eigenschaften der chromophoren Einheit (Phenylendiamin-

Derivat) in verschiedenen Lösungsmitteln zeigen. Corbett et al. und Griffiths et al.

untersuchten Nitrophenylendiamine und entsprechende N-Alkyl-Derivate und

zeigten, dass die Lage der UV/vis-Absorptionsmaxima von Nitrophenylendiamin-

Derivaten in der Reihenfolge 4-Nitro-1,3-phenylendiamin-Derivate (orange), 4-Nitro-

1,2-phenylendiamin-Derivate (rot) und 2-Nitro-1,4-phenylendiamin-Derivate (violett)

bathochrom verschoben ist.31-35 Die Einführung einer –NO2-Gruppe in 2-Position

setzt dabei die Sensibilität von 1,4-Phenylendiamin-Derivaten gegenüber

Luftsauerstoff herab und in Abhängigkeit des verwendeten Lösungsmittels zeigten

sich solvatochrome Eigenschaften.31,34,35

1 Einleitung und Zielsetzung

14

Die bereits durch Luftsauerstoff eintretende Oxidation von 1,4-Phenylendiamin und

N,N,N,N-Tetramethyl-1,4-phenylendiamin wurde bereits 1879 von Wurster entdeckt,

weshalb diese rot bzw. blau gefärbten Oxidationsprodukte seinen Namen tragen.36-38

Erst Michaelis konnte sicher sagen, dass die Farbigkeit von Wurster´s-Rot und

Wurster´s-Blau auf stabile Radikal-Kationen zurückzuführen ist.39,40 Er fand weiterhin,

dass bei 1,4-Phenylendiaminen eine Methylgruppe in ortho-Stellung zu einer

monomethylierten Aminogruppe zur Destabilisierung des Radikal-Kationen-

Charakters führt.40 So könnte die Funktionalisierung von Polyvinylaminen mit

4-Fluoranilinen, die in ortho-Stellung zum Fluor eine Nitrogruppe tragen, zu

chromophoren Einheiten am PVAm-Rückgrat führen, die wie ihre niedermolekularen

Analoga solvatochrome Eigenschaften besitzen könnten.35

In jüngster Zeit hat sich das Interesse an photoschaltbaren Verbindungen neben der

Entwicklung molekularer Schaltsysteme für die Datenspeicherung auch auf die

supramolekulare Chemie, Nanotechnologie und Optobioelektronik erweitert, um die

Kontrolle über Strukturbildungen und bestimmter Funktionen zu erhalten.41,42 Daher

könnten funktionalisierte Polyvinylamine mit Donor-Akzeptor-substituierten Stilben-

PVAm-Einheiten und Azobenzen-PVAm-Einheiten interessante Eigenschaften

aufweisen, die durch Photoisomerisierung (lichtinduzierte cis/trans-Isomerisierung)

als optische, reversible Schalter und für NLO-Anwendungen Verwendung finden

könnten.43-47

Ziel dieser Arbeit war die weitere Erschließung der nucleophilen aromatischen

Substitution in Wasser als Funktionalisierungsreaktion für wasserlösliche

Polyvinylamine und die Ermittlung grundlegender Struktur-Reaktivitäts-Beziehungen.

Dazu waren neben der Auswahl geeigneter Fluoraromaten als Funktionalisierungs-

reagenzien die Syntheseoptimierung, kinetische Untersuchungen und Struktur-

charakterisierungen bei der Entstehung neuer, chromophorer Polyvinylamine

vorgesehen. Es galt zu untersuchen, wie sich der Einbau der polaren aromatischen

Komponente auf die optischen Eigenschaften und auf das Löslichkeitsverhalten der

Polymere in Wasser und in anderen Lösungsmitteln auswirkt. Zur Bestimmung des

Anteils substituierter chromophorer Polyvinylamin-Einheiten (Substitutionsgrad)

wurde neben 1H-NMR-spektroskopischer Untersuchungen vor allem die UV/vis-

Spektroskopie durch Vergleich mit niedermolekularen Modellverbindungen

herangezogen. Diese, der chromophoren Polyvinylamin-Einheit in etwa strukturell

entsprechenden Modellverbindungen sollten synthetisiert und charakterisiert werden.

1 Einleitung und Zielsetzung

15

Die erhaltenen Substitutionsgrade an chromophoren Polyvinylamin-Einheiten und

kinetische Untersuchungen können dabei Aussagen zur Reaktivität von

Polyvinylaminen gegenüber aktivierten Fluoraromaten liefern.

Weiterhin sollte durch kinetische Messungen mit Hilfe der UV/vis-Spektroskopie

untersucht werden, in wie weit das Molekulargewicht von Polyvinylamin, der pH-Wert

und die Ionenstärke der wässrigen Reaktionslösung einen Einfluss bei der

nucleophilen aromatischen Substitution ausgewählter Fluoraromaten hat.

Nach der Auswahl geeigneter Fluoraromaten für die nucleophile aromatische

Substitution mit Polyvinylaminen sollte untersucht werden, ob es möglich ist, die

nucleophile aromatische Substitution auch an der Phasengrenze Feststoff/Wasser

durchzuführen, um eine Oberflächenmodifizierung von anorganischen oxidischen

Trägern zu erreichen. Die Synthese von Hybridmaterialien, die aus einem

anorganischen Kern und einer organischen Polymerhülle bestehen, eröffnen viele

Möglichkeiten in der Materialforschung und sind neben dem akademischen auch von

technischem Interesse.

Eine elegante Möglichkeit Polyelektrolyte auf feste Oberflächen zu fixieren, ist die

Adsorption des Polyelektrolyten aus der Lösung. Dabei spielen vor allem

elektrostatische Wechselwirkungen zwischen Substrat und dem Polymeren eine

wichtige Rolle. Hat die Oberfläche des Substrates eine dem Polyelektrolyten

entgegengesetzte Ladung, so wird die Adsorption des Polyelektrolyten begünstigt

sein. So kann die Adsorption von Polyelektrolyten z. B. zur Flockung kleinster

Partikel aus einer Lösung führen, was in der Papierherstellung, Abwasser- und

Trinkwasseraufbereitung ausgenutzt wird. Auch kann die Agglomeration durch

Polymermodifizierung von Partikeln verhindert werden, wenn sich die Partikel

aufgrund ihrer gleichsinnig geladenen Oberfläche untereinander abstoßen, was zur

Stabilisierung von Dispersionen ausgenutzt wird.1,48

Polyvinylamine eignen sich u. a. zum Aufbringen von Adsorptionsschichten auf

Kieselgelen, auf Metallen, auf Gläsern, auf Cellulose und auf ungeladene

Substrate.9,49-56 Der Vorteil des Einsatzes von Kieselgelen als Träger besteht neben

der thermischen und mechanischen Stabilität auch in der hohen Reinheit, den

einheitlichen Partikelgrößen, den engen Porengrößenverteilungen und den großen

spezifischen Oberflächen mit denen sie kommerziell erhältlich sind.48,57 Auch ist von

Vorteil, dass Kieselgele gegenüber den meisten aggressiven Medien beständig

sind.48

1 Einleitung und Zielsetzung

16

An der Oberfläche von Kieselgel-Partikeln befinden sich Siloxangruppen (Si-O-Si)

und Silanolgruppen (Si-OH).48 Silanolgruppen sind schwache Säuren, wodurch acide

Oberflächenzentren resultieren, die mit einem kationischen Polyelektrolyten wie z. B.

Polyvinylamin in Wechselwirkung treten können. Sind die Wechselwirkungen

zwischen Partikeloberfläche und Polymerem stark genug, können Polyelektrolyte

irreversibel an einer Kieselgeloberfläche fixiert werden. Trägt das Polymerrückgrat

von PVAm zusätzlich funktionelle Gruppen, so können bestimmte Eigenschaften des

Polymeren mit denen von Kieselgel im Hybridmaterial miteinander kombiniert

werden. Das könnte ein relativ einfacher Weg zu interessanten funktionellen

Hybridmaterialien auf PVAm-Basis sein.

Eigene Voruntersuchungen haben gezeigt, dass die nucleophile aromatische

Substitution von Fluoraromaten mit PVAm auch an der Phasengrenze

Feststoff/Wasser zur Oberflächenfunktionalisierung genutzt werden kann. Durch

Umsetzung von 4-Fluornitrobenzen, 2,4-Dinitrofluorbenzen und 1,5-Difluor-2,4-

dinitrobenzen – jeweils adsorbiert an Kieselgel 60 – mit wässriger PVAm-lösung

wurden farbige Kieselgele erhalten, wobei die chromophoren Polymere irreversibel

fixiert blieben.9

Ziel dieser Arbeit war die Herstellung PVAm-basierender, chromophorer

Hybridmaterialien durch Einsatz geeigneter Fluoraromaten für die nucleophile

aromatische Substitution mit PVAm an der Phasengrenze Kieselgel/Wasser. Die

Auswahl geeigneter Fluoraromaten sollte dabei nach Erkenntnissen der

Funktionalisierung von PVAm über die Löslichkeitsvermittlung mittels Cyclodextrin

erfolgen. Die strukturelle Charakterisierung der chromophoren PVAm-Einheiten des

Polymeren auf der Kieselgel-Oberfläche sollte mittels geeigneter spektroskopischer

Methoden wie der UV/vis-Spektroskopie, der 13C-CP-MAS-Festkörper-NMR-

Spektroskopie und der Röntgen-Photoelektronen-Spektroskopie (XPS) erfolgen. Die

Elementaranalyse, BET-Untersuchungen und elektrokinetische Messungen

(Zetapotential) sollten Hinweise zum Bedeckungsgrad und der Beladung an

funktionalisiertem PVAm auf Kieselgel geben.

2 Theoretische Grundlagen

17

2 Theoretische Grundlagen

2.1 Polyelektrolyte

Polyelektrolyte gehören zur Gruppe ionischer Polymere. Sie tragen ionische oder

dissoziierbare Gruppen als Bestandteil der Hauptkette oder seitenständig zu ihr. Die

Klassifizierung von ionischen Polymeren erfolgt je nach Art und Menge der

anionischen bzw. kationischen Gruppen wie sie in Schema 1 gezeigt ist.48

Schema 1: Klassifizierung ionischer Polymere nach Art und Menge an ionisch dissoziierbaren Gruppen.

Bei Polyelektrolyten ist die Anzahl der ionischen Gruppen pro Polymerkette so groß,

dass die Polymeren in der dissoziierbaren Form wasserlöslich sind. Polyelektrolyte

werden je nach Art der dissoziierbaren Gruppen in Polysäuren und Polybasen

unterteilt. Aus Polysäuren entstehen bei der Dissoziation unter Abspaltung von

Protonen Polyanionen. Als Polybasen werden jene Polyelektrolyte bezeichnet, die

als pro-ionische Gruppen solche enthalten, die u. a. in der Lage sind Protonen

aufzunehmen (z. B. durch Reaktion mit Säuren unter Salzbildung). Typische

Polybasen mit ketten- bzw. seitenständig dissoziierbaren Gruppen sind die Polymere

Polyvinylamin (PVAm), Polyethylenimin (PEI) und Polyvinylpyridin (PVPy), die zur

Gruppe der synthetischen Polelektrolyte gehören.48

hohe Anzahl ionischer Gruppen(eine pro Monomereinheit)

Polymere mit nur einer oder wenigen

ionischen Gruppen (Makroanionen, Makrokationen)

wenig polare Hauptkette und geringe Anzahl

ionischer Gruppen

definierte Anordnung von quartären Ammonium-

Gruppen innerhalb der Hauptkette

sowohl anionische als auch kationische Gruppen

Polyelektrolyte

Makroionen

Ionomere

Ionene

Polyampholyte

hohe Anzahl ionischer Gruppen(eine pro Monomereinheit)

Polymere mit nur einer oder wenigen

ionischen Gruppen (Makroanionen, Makrokationen)

wenig polare Hauptkette und geringe Anzahl

ionischer Gruppen

definierte Anordnung von quartären Ammonium-

Gruppen innerhalb der Hauptkette

sowohl anionische als auch kationische Gruppen

Polyelektrolyte

Makroionen

Ionomere

Ionene

Polyampholyte

Polyelektrolyte

Makroionen

Ionomere

Ionene

Polyampholyte

2 Theoretische Grundlagen

18

Nach ihrer Herkunft können Polyelektrolyte auch in Biopolymere wie Nucleinsäuren,

Polypeptide/Proteine und Alginsäuren sowie in chemisch modifizierte Biopolymere

wie Carboxymethylzellulose und Chitosan unterteilt werden.48

Es ist literaturbekannt, dass Polelektrolyte wie z. B. Polyvinylamin (PVAm) an feste

Oberflächen wie z. B. Kieselgel spontan adsorbieren.49-52 Die elektrostatische

Anziehung zwischen Polymermolekülen und einer entgegengesetzt geladenen Ober-

fläche wird u. a. dabei zum Aufbringen von Adsorptionsschichten ausgenutzt. Auch

kann eine Polymeradsorption an Metall- oder ungeladenen Festkörperoberflächen

erfolgen, wobei verschiedene thermodynamische Triebkräfte für die Adsorption

verantwortlich sind.53,54 Die Adsorption von Polymeren an einer festen Oberfläche

unterscheidet sich erheblich von der Adsorption kleiner Moleküle. Das Makromolekül

besitzt im adsorbierten Zustand noch Beweglichkeiten, so dass innerhalb der

Adsorptionsschicht Verformung und Faltung möglich ist. Daneben lässt die große

Atomanzahl des Makromoleküls mehrfache Bindungen an die Oberfläche zu.58

Bei der Adsorption von Polyelektrolyten an festen Oberflächen müssen daher

strukturelle und dynamische Aspekte berücksichtigt werden. Bei einem adsorbierten

Polymeren kann modellhaft zwischen drei Konformationen, die die adsorbierende

Polymerkette einnehmen kann, unterschieden werden. Die Segmente, die die

Oberfläche direkt berühren, werden dabei Zug (train) genannt. Teile die durch einen

Zug fixiert sind, aber ansonsten in die Flüssigkeit ragen, werden als Schwanz (tail)

bezeichnet. Segmente, die in die Flüssigkeit ragen, jedoch auf beiden Seiten von

Zügen begrenzt werden, werden Schlaufen (loops) genannt (s. Schema 2).1,59-61

Schema 2: Schematische Darstellung der Anordnung einer Polymerkette adsorbiert auf einer Substratoberfläche.

Substrat

loop

train

tail

2 Theoretische Grundlagen

19

Neben der Ladungsdichte des Polyelektrolyten spielen die Oberflächenladung des

Substrates und die Elektrolytkonzentration in der Lösung bei der Adsorption von

Polyelektrolyten auf festen Oberflächen eine wesentliche Rolle. Bei hohem

Elektrolytgehalt in der Lösung (Fremdsalzzugabe) und geringer Ladungsdichte

verhalten sich Polyelektrolyte weitgehend wie ungeladene Polymere.59,62 Ist die

Ionenstärke der Lösung gering, wird die Adsorption des Polymeren hauptsächlich

von den Ladungsverhältnissen zwischen Substrat und Polyelektrolyt beeinflusst.

Anhand von Schema 3 ist die Abhängigkeit der Polymerkonformation von der

Ladungsdichte am Beispiel der Adsorption eines kationischen Polyelektrolyten wie

z. B. PVAm an einer negativ geladenen Partikeloberfläche wie z. B. Kieselgel

dargestellt.62

Schema 3: Schematische Darstellung der Polymerkonformation am Beispiel der Adsorption an einer negativ geladenen Partikeloberfläche in Abhängigkeit von der kationischen Ladungsdichte des Polymeren.

Wie Schema 3 zeigt, ist bei Polymeren mit hohem Molekulargewicht und geringer

Ladungsdichte mit schwacher Adsorption von langen loops und tails der

Polymerkette zu rechnen. Mit zunehmender Ladungsdichte nimmt die Anzahl an

trains zu, während die Anzahl an loops und tails abnimmt. Für eine

Polymermodifizierung von Kieselgel mit kationischen Polyelektrolyten sollte die

Ladungsdichte des Polyelektrolyten im mittleren Bereich liegen, da hohe

Ladungsdichten zur Abstoßung der Polymerketten untereinander führen und damit

die Menge an adsorbiertem Polymeren (Polymerbeladung) wieder abnimmt.62

Nachfolgender Abschnitt 2.2 gibt einen kleinen Einblick der Möglichkeiten der

Herstellung, ausgewählter Eigenschaften und der Verwendung von Polyvinylamin.

+

+

++

++

+

+

+

+

++

++

++

++

+

+

+

+

++

++

++

++

++

++++

a) geringeLadungsdichte

b) mittlereLadungsdichte

c) hoheLadungsdichte

2 Theoretische Grundlagen

20

2.2 Polyvinylamin (PVAm)

Polyvinylamin (PVAm) ist ein wasserlösliches Polymer, bei dem die pro-ionischen

Aminogruppen wie in Schema 4 gezeigt in Abhängigkeit vom pH-Wert als freie

Basen oder protoniert vorliegen können. PVAm ist ein schwacher, kationischer

Polyelektrolyt, bei dem Ammoniumionen (–NH3⊕) als ionische Einheiten fungieren.

Die Gegenionen sind oft niedermolekular (z. B. Chlorid-Ionen).48

Schema 4: Schematische Darstellung des Säure-Base-Gleichgewichts von Polyvinylamin (PVAm) bei Variation des pH-Wertes durch z. B. Salzsäure.

Eine direkte Homopolymerisation von Vinylamin als Basismonomer zu PVAm ist nicht

möglich, da das tautomere Gleichgewicht weit auf der Seite von Ethylidenamin liegt

(siehe Schema 5).48

Schema 5: Schematische Darstellung des tautomeren Gleichgewichts zwischen Vinylamin und Ethylidenamin.

Schon in den 1940er Jahren wurde PVAm über die Polymerisation von

N-Vinylsuccinimid (s. Schema 6a) oder N-Vinylphtalimid (s. Schema 6b) mit

anschließender Hydrolyse des entstandenen Polymeren synthetisiert.63-65 Spätere

Synthesewege beinhalteten den von Polyacrylamid (s. Schema 6c) ausgehenden

Hofmann-Abbau.66 In den 1980er Jahren wurde PVAm über die Polymerisation von

N-Vinylamiden wie N-Vinylacetamid (s. Schema 6d) und anschließender Hydrolyse

des Polymeren synthetisiert.67-70

NH2x

HCl

yNH3

zNH2

Cl

C CH

NH2

H

HC C

H

HNH

H

H

Ethylidenamin

2 Theoretische Grundlagen

21

Schema 6: Schematische Darstellung von Synthesemöglichkeiten von PVAm über Hydrolyse von Poly-N-vinylsuccinimid (a) und Poly-N-vinylphtalimid (b), durch Hofmann-Abbau von Polyacrylamid (c) sowie über Hydrolyse von Poly-N-vinylacetamid (d).

Ein großer Nachteil der Hydrolysereaktionen von Poly-N-vinylamiden ist, dass

drastische Reaktionsbedingungen erforderlich sind. So muss im Sauren in

überschüssiger konzentrierter Salzsäure und im Basischen bei hoher Temperatur im

Autoklaven gearbeitet werden.67-70

Eine weitere Möglichkeit der Synthese von PVAm ist die Polymerisation von

N-Carbamat geschützten Vinylaminen wie N-Vinyl-t-butylcarbamat71,72 oder

N-Vinyl-benzylcarbamat73 mit anschließender Hydrolyse der entstandenen

Polymeren. Die Carbamat-Route zur Synthese von PVAm hat sich jedoch aufgrund

hoher Monomerkosten nicht durchgesetzt.

Durch die seit 1999 kommerzielle Verfügbarkeit von Vinylformamid (VFA) hat sich die

Herstellung von PVAm über saure oder basische Hydrolyse des wasserlöslichen

Polyvinylformamid (PVFA) als besonders günstig erwiesen. VFA wird durch

radikalische Polymerisation mit Hilfe geeigneter Initiatoren erhalten. Öl- und

wasserlösliche Azoverbindungen eignen sich als Starter am besten. Die

Formamidgruppe von PVFA kann unter moderaten Bedingungen sowohl sauer bis zu

80% als auch basisch quantitativ hydrolisiert werden, wobei die Ladungsdichte am

Polymerrückgrat durch die Wahl der Hydrolysebedingungen (Temperatur,

Reaktionszeit, Menge an Säure oder Base) beliebig eingestellt werden kann.2-7

NH2

n

N OO

nN OO

nC

O NH2

nNH

CO

CH3

n

a b c d

Hydrolyse HydrolyseHydrolyse Hofmann-Abbau

2 Theoretische Grundlagen

22

Die Möglichkeit der Teilverseifung zur gezielten Einstellung des Hydrolysegrades von

Polyvinylformamid (PVFA) ist in Schema 7 am Beispiel der basischen Hydrolyse zu

Poly(vinylformamid-co-vinylamin) gezeigt. Die abgespaltene Formylgruppe liegt dabei

als Natriumformiat im Reaktionssystem vor und kann über Dialyse entfernt werden.2

Der Einsatz mindestens äquimolarer Menge an Base bei der basischen Hydrolyse

von PVFA führt zu PVAm, was vollständig hydrolysiertem PVFA entspricht.

Schema 7: Schematische Darstellung der teilweisen Hydrolyse von Polyvinylformamid (PVFA) am Beispiel der basischen Hydrolyse mittels Natriumhydroxidlösung zu Poly(vinylformamid-co-vinylamin).

PVAm ist ein schwacher Polyelektrolyt, da der Dissoziationsgrad der ionischen

Gruppen und damit die Ladungsdichte entlang der Polymerkette eine Funktion des

pH-Wertes ist. PVAm weist eine sehr hohe kationische Ladungsdichte mit

~18 meq/g bei pH = 2 auf, was bei einem Molekulargewicht von Vinylamin mit

43 g·mol-1 einem Protonierungsgrad von etwa 78 % entspricht. Die Ladungsdichte

nimmt mit ~12.8 meq/g bei pH = 7 erwartungsgemäß mit steigendem pH-Wert ab,

wobei etwa 50 % der Aminogruppen protoniert vorliegen. Im Gegensatz zu anderen

Polymeren besitzt PVAm jedoch auch bei hohen pH-Werten (pH = 9 – 10) signifikant

hohe Ladungsdichten von ~6 meq/g, was einem Protonierungsgrad von etwa 25 %

entspricht.6,7

Die Änderung der Ladungsdichte in Abhängigkeit vom pH-Wert führt zu Änderungen

der Konformation der Polymerketten. Im stark Basischen liegen vor allem

undissoziierte Gruppen und damit hauptsächlich Polymerknäuel vor. Durch

Absenkung des pH-Wertes kommt es zu Knäuelaufweitungen, da die

Abstoßungskräfte gleichsinniger Ladungen zunehmen. Im stark Sauren liegen -

aufgrund der hohen Ladungsdichte - hauptsächlich lang gestreckte Polymerketten

vor.74,75

NH

CHO

x yNH2

zNH

CHO

NaOH / H2O

- HCOONa

2 Theoretische Grundlagen

23

Die vielseitig reaktionsfähigen Aminogruppen im PVAm bieten die Möglichkeit

polymeranalog mit strukturell verschiedenen Elektrophilen zu reagieren. Im

folgenden Schema 8 sind wichtige Derivatisierungsmöglichkeiten von PVAm

aufgeführt.8

Schema 8: Schematische Darstellung möglicher polymeranaloger Reaktionen von PVAm.

Auf Vinylformamid basierende Polymere erlauben die Synthese maßgeschneiderter

Polymere mit vielfältigsten Einsatzmöglichkeiten. So findet PVAm

Anwendungsmöglichkeiten z. B. in der Papierindustrie zur Verbesserung der

Bedruckbarkeit, Fixierung und Retention76-78 bei der Abwasserklärung als

Flockungsmittel79, bei der Erdölförderung80-82; als Schutzkolloid für

Polymerdispersionen83,84 und als Superabsorber85-88. Sie eignen sich aufgrund ihrer

hohen Ladungsdichte auch bei höheren pH-Werten zur Oberflächenmodifizierung

wie z. B. zur Hydrophilierung, zur Kationisierung, zum Korrosionsschutz sowie zur

Kompatibilitätsverbesserung.89,90

Eine weitere in dieser Arbeit genutzte, wichtige Funktionalisierungsmöglichkeit von

PVAm (in Schema 8 nicht gezeigt) ist die nucleophile aromatische Substitution von

Fluoraromaten, auf die im nächsten Abschnitt 2.3 kurz eingegangen wird.

RNCO

RHCO

Anhydrid

NH2

NHRHN

O

NHHN

R

Aminal

Harnstoff-Derivat

KationischesSalzOO

NH

OH

O

NHR

O Amid

M

Carbonat-salz

Metallionen-Komplex

H X

EZGN

H

OR

NH2

M

NH3X

CO32

NH3

NH3

H

NEZG EZG

EZG = Elektronen-ziehende Gruppe

Aminoplast mit Vernetzer XR

O

HN

Om

m = 1,2X = NH; O

HNOH

R

OR

PVAm

CO2

2 Theoretische Grundlagen

24

2.3 Nucleophile aromatische Substitution von Arylh alogeniden

Unter nucleophiler aromatischer Substitution werden im allgemeinen Reaktionen

verstanden, bei denen das am Aromaten angreifende, elektronenreiche Nucleophil

unter Einbeziehung eines Elektronenpaares eine neue Bindung zum Aromaten

knüpft, wobei ein anderer am aromatischen Ring befindlicher Substituent mit einem

Elektronenpaar das Substrat verlässt.

Dieser Austausch eines Substituenten kann entweder nach einem Additions-

Eliminierungs-Mechanismus oder einem Eliminierungs-Additions-Mechanismus

(„Arin-Mechanismus“) erfolgen.48 Viele nucleophile aromatische Substitutionen folgen

dem Additions-Eliminierungs-Mechanismus wie er in Schema 9 am Beispiel der

nucleophilen aromatischen Substitution von Sangers Reagenz und PVAm gezeigt

und im Rahmen der in dieser Arbeit untersuchten Substitutionsreaktionen zu

erwarten ist.20-22,91

Schema 9: Schematische Darstellung der nucleophilen aromatischen Substitution von Arylhalogeniden am Beispiel von Sangers Reagenz mit aliphatischen Aminen am Bsp. von PVAm nach bimolekularem Mechanismus (Addition-Eliminierung).

Das gebildete Carbanion als reaktive Zwischenstufe kann durch elektronenziehende

Gruppen wie R= –NO2, –CN, –X, die zur Delokalisierung der negativen Ladung

beitragen, stabilisiert werden. Dem entsprechend wird auch der Übergangszustand,

in dem die negative Ladung des Ringes generiert wird, durch Elektronenakzeptoren

stabilisiert. Aber auch die Natur des Halogens als austretende Gruppe ist von

Bedeutung, wobei dem Fluorsubstituenten eine auffallend hohe Reaktivität zukommt.

So zeigte u. a. Suhr 1964 durch kinetische Untersuchungen mittels UV/vis-

Spektroskopie, dass bei der nucleophilen aromatischen Substitution von

4-Nitroarylhalogeniden mit Piperidin in DMSO die Reaktionsgeschwindigkeit des

fluorsubstituierten Aromaten deutlich höher im Vergleich zu den entsprechenden

chlor- und jodsubstituierten Aromaten ist.12,92

k-1 k-2

R: Alkylrest der PVAm-Kette

O2N

NO2

F + + HFH2N-R O2N

NO2

NHRk1 k2

O2N

NO2

F

NH2R

2 Theoretische Grundlagen

25

Die höhere Reaktionsgeschwindigkeit bei der Umsetzung von Fluoraromaten wird

u. a. dem starken induktiven Effekt des Fluors zugeschrieben, da der elektrophile

Charakter des Kohlenstoffs am größten ist und die negative Ladung der

Zwischenstufe vom Fluorsubstituenten im induktiven Effekt am besten übernommen

werden kann. Auch tragen die Solvatationsenergien der gebildeten Fluoridionen zur

Gesamtenergie bei.20-22 Der Reaktion des gewünschten Nitroanilinderivates zurück

zur Zwischenstufe mit einer Reaktionsgeschwindigkeit k-2 (s. Schema 9) kommt

aufgrund der geringen Nucleophilie der Fluoridionen nur eine geringe Bedeutung zu.

Die Geschwindigkeit der Rückreaktion zur Ausgangsverbindung (k-1) wird durch

Substituenten, die am fluorsubstituierten Kohlenstoff der Zwischenstufe eine

Elektronenverarmung erzeugen (Stärkung der Kohlenstoff-Base-Bindung)

erniedrigt.12

Es ist bekannt, dass mit Zunahme der Anzahl elektronenziehender Gruppen wie z. B.

–NO2-Gruppen der Fluorsubstituent zur besseren Abgangsgruppe bei der

nucleophilen aromatischen Substitution mit aliphatischen Aminen im Vergleich zu

unsubstituiertem Fluorbenzen wird. Werden besser aktivierte Fluoraromaten für die

nucleophile aromatische Substitution eingesetzt, nimmt vor allem die Reaktions-

geschwindigkeit k1 des ersten Reaktionsschrittes (Anlagerung des Amins) zu. Die

Gesamtgeschwindigkeit wird dann jedoch nicht mehr vorwiegend durch die

Reaktionsgeschwindigkeit k1 (s. Schema 9), sondern auch von k2 der Zerfallsreaktion

der zwitterionischen Zwischenverbindungen unter Abspaltung von Fluoridionen

mitbestimmt. Wenn der erste Schritt der Gesamtreaktion der nucleophilen

aromatischen Substitution der geschwindigkeitsbestimmende ist, so sollte ein

Zusammenhang zwischen den beobachteten Reaktionsgeschwindigkeiten und der

Elektronenverteilung zu erwarten sein.12,20-22

Eigene Untersuchungen haben gezeigt, dass sehr stark aktivierte Fluoraromaten wie

Fluoranil bereits mit dem Lösungsmittel Wasser reagieren können.9 Um

Fluoraromaten zur Funktionalisierung von Polyvinylaminen in Wasser einsetzen zu

können, müssen diese einerseits durch Substituenten mit –M-Effekt und/oder

–I-Effekt für die nucleophile aromatische Substitution ausreichend aktiviert sein,

andererseits sollte die Aktivierung für einen nucleophilen Angriff auch nicht zu groß

sein, da sonst Nebenreaktionen mit dem Lösungsmittel zu erwarten sind.

2 Theoretische Grundlagen

26

Kinetische Untersuchungen der nucleophilen aromatischen Substitution von

2-Fluornitrobenzen (2-FNB) bzw. 4-Fluornitrobenzen (4-FNB) mit Natrium-Methanolat

in Methanol haben gezeigt, dass der ortho-Verbindung eine auffallend hohe

Reaktivität zukommt. So ist z. B. die Reaktionsgeschwindigkeit bei der Umsetzung

von Natrium-Methanolat mit 2-FNB fast dreimal höher im Vergleich zur Umsetzung

mit 4-FNB.20 Aufgrund der auffallend hohen Reaktivität von ortho-Nitroverbindungen

gegenüber entsprechender para-Nitroverbindungen wurden vor allem ortho-nitro-

substituierte Fluoraromaten für die nucleophile aromatische Substitution mit

Polyvinylaminen ausgewählt.20,91,93-95

Da die in dieser Arbeit eingesetzten aktivierten Fluoraromaten nicht oder nur

schwerlöslich in Wasser sind, müssen diese Verbindungen erst in eine

wasserlösliche Form überführt werden. Die in den letzten Jahren intensiv studierte

Einkapselung von hydrophoben Gastmolekülen in Cyclodextrinmoleküle ist dabei

eine elegante Möglichkeit wasserlösliche sog. Wirt-Gast-Komplexe zu erhalten.

Einen kurzen Einblick zu den Eigenschaften und Wirkprinzipien von Cyclodextrinen

soll nachfolgender Abschnitt 2.4 liefern.

2.4 Cyclodextrine

Cyclodextrine wurden bereits 1891 von Villiers et al. als Abbauprodukt von Stärke

isoliert.96 Im Jahre 1903 charakterisierte Schardinger sie als cyclische

Oligosaccharide, weshalb Cyclodextrine vor allem in älterer Literatur nach ihrem

Entdecker auch Schardinger-Dextrine genannt werden.97 Cyclodextrine werden auch

nach dem Stärkebestandteil Amylose Cycloamylosen, nach der Sammelbezeichnung

Glucane - für Polymere der Glucose - Cycloglucane genannt.48 Freudenberg et al.

beschrieb 1938 den Aufbau der Cyclodextrine aus 1,4-α-glycosidisch verbundenen

Glucoseeinheiten.98 Vor allem Cramer et al. untersuchte in den 1950´er Jahren die

Fähigkeit der Cyclodextrine zur Bildung von Einschlussverbindungen ohne

Ausbildung kovalenter chemischer Bindungen.99-102 Dies war zur damaligen Zeit eine

revolutionäre Idee, die auf die Ablehnung einiger prominenter Wissenschaftler traf.

Für lange Zeit galten Cyclodextrine eher als Kuriosität ohne technischen Nutzen. Seit

etwa 30 Jahren werden Cyclodextrine und ihre Anwendungen intensiv erforscht.

2 Theoretische Grundlagen

27

Der enzymatische Abbau von Stärke liefert ein Gemisch cyclischer und linearer

Maltooligosaccharide. Als Enzyme dienen verschiedene Cyclodextringlucosyl-

Transferasen (CGTasen) bakteriellen Ursprungs. Die bevorzugt gebildeten Ringe

enthalten 6, 7 oder 8 D-Glucoseeinheiten (α-, β-, γ-Cyclodextrin). Da die einzelnen

Cyclodextrine durch die CGTasen ineinander überführt werden können, wird durch

Zugabe selektiver Fällungsmittel nur das Cyclodextrinhomologe gebildet, welches

dem Reaktionsmedium laufend entzogen wird. Die einzelnen D-Glucoseeinheiten

sind wie bei den Stärkebestandteilen Amylopektin und Amylose 1,4-α-glycosidisch

miteinander verknüpft und in der Sesselkonformation (s. Schema 10) angeordnet.103

Schema 10: Schematische Darstellung der Strukturformeln von α-, β- und γ-Cyclodextrin.

Ein Cyclodextrinmolekül ähnelt einem hohlen Kegelstumpf (Torus), aus dessen

kleinerer Öffnung die primären OH-Gruppen (an C-6 gebunden) und aus dessen

größerer Öffnung die sekundären OH-Gruppen (an C-2 bzw. C-3 gebunden) ragen.

Aus sterischen Gründen ist die vollständige konformative Drehung eines

Glucosebausteines um die C-1-O-C-4´-Bindungen ausgeschlossen. Daher befinden

sich die Wasserstoffe H-3 und H-5 immer im Innenraum des Torus (Cavität) und die

Wasserstoffe H-1, H-2 und H-4 weisen nach außen.103

Schema 11 zeigt zur Veranschaulichung die molekulare und dreidimensionale

Anordnung am Beispiel von β-Cyclodextrin.

γ-Cyclodextrin β-Cyclodextrin α-Cyclodextrin

2 Theoretische Grundlagen

28

Schema 11: Schematische Darstellung der molekularen und dreidimensionalen Struktur von β-Cyclodextrin.

Während die Höhe des Kegelstumpfes bei α-, β- und γ-Cyclodextrin mit 7.9 − 8.0 Å

gleich groß ist, nimmt der Innendurchmesser der Cavität mit Zunahme der Anzahl

verknüpfter D-Glucoseeinheiten von α-Cyclodextrin zu γ-Cyclodextrin zu.103,104

Je nach Ringgröße binden Cyclodextrine im kristallinen Zustand 6 – 13 Gewichts%

Wasser. Kristallines β-Cyclodextrin z. B. enthält 12 Moleküle Kristallwasser pro

Makrocyclus. In Tab. 1 sind ausgewählte Eigenschaften von α-, β- und γ-Cyclodextrin

aufgeführt.104

Tabelle 1 : Ausgewählte Eigenschaften von α-, β- und γ-Cyclodextrin.

Cyclodextrin

Anzahl Glucose- einheiten

Molekular-gewicht

[g · mol-1]

Innenraum- Durchmesser

[Å]

Löslichkeit in Wasser (25 °C)

[g · l-1]

α-Cyclodextrin 6 972 4.7 − 5.2 145

β-Cyclodextrin 7 1135 6.0 − 6.4 18.5

γ-Cyclodextrin 8 1297 7.5 − 8.3 232

Die an C-2 gebundene OH-Gruppe der einen Glucoseeinheit eines Cyclodextrin-

moleküls kann mit einer an C-3 gebundenen OH-Gruppe einer benachbarten

Glucoseeinheit intramolekulare Wasserstoffbrückenbindungen ausbilden. Im

β-Cyclodextrin werden alle sechs möglichen Wasserstoffbrückenbindungen

ausgebildet, womit eine versteifte Struktur resultiert. Im Gegensatz dazu ist bei

α-Cyclodextrin eine Glucoseeinheit verdreht, wodurch nur vier intramolekulare

H-Brückenbindungen ausgebildet werden.105

oberer Rand: sekundäre OH-Gruppenunterer Rand: primäre OH-Gruppen

1,4-α-verknüpfte D-Glucose-Einheiten

C1HO

O

OH

C2HC4

C5

H

C6HOH

H

H

C3

O HHO

O

H

7

HO

HOOH

12

3

4 56

„hohler Kegelstumpf“

oberer Rand: sekundäre OH-Gruppenunterer Rand: primäre OH-Gruppen

1,4-α-verknüpfte D-Glucose-Einheiten

C1HO

O

OH

C2HC4

C5

H

C6HOH

H

H

C3

O HH

C1HO

O

OH

C2HC4

C5

H

C6HOH

H

H

C3

O HHO

O

H

7

HO

HOOH

12

3

4 56 O

O

H

7

HO

HOOH

O

O

H

7

HO

HOOH

12

3

4 56

„hohler Kegelstumpf“

2 Theoretische Grundlagen

29

Beim γ-Cyclodextrin wiederum sind aufgrund der erweiterten Ringgröße

(beweglichere Struktur) die intramolekularen Wasserstoffbrückenbindungen

geschwächt.105 Diese Unterschiede der Ausbildung intramolekularer Wasserstoff-

brückenbindungen bei α-, β- und γ-Cyclodextrin äußert sich u. a. in ihrer

Wasserlöslichkeit. So löst sich β-Cyclodextrin deutlich schlechter als γ-Cyclodextrin

und α-Cyclodextrin (s. Tab.1).104

Die besondere strukturelle Anordnung der 1,4-α-glycosidisch miteinander

verknüpften D-Glucoseeinheiten führt zu einem hydrophoben Innenraum des

Kegelstumpfes, während die Außenseite hydrophil ist. Auf diese Weise sind

Cyclodextrine leicht durch polare Lösungsmittel wie Wasser solvatisierbar und der

hydrophobe Innenraum gestattet über zwischenmolekulare Wechselwirkungen die

Einkapselung von hydrophoben Gastmolekülen (Wirt-Gast-Beziehung). Befindet sich

das Gastmolekül im Inneren der Cavität, werden die Addukte als Einschluss-

verbindungen bezeichnet, wobei der Gast vollständig oder partiell umschlossen sein

kann (s. Schema 12a+12b). Auch kann ein langes, dünnes Gastmolekül eine axiale

Einschlussverbindung und ein rundes, dickes Gastmolekül eine sandwichartige

Einschlussverbindung bilden (s. Schema 12c+12d). Befindet sich das Gastmolekül

außerhalb der Cavität, heißen die Addukte Anlagerungsverbindungen (Schema 12e).

Sind die Abmessungen des Gastmoleküls klein gegenüber der Cavität, können auch

mehrere Moleküle eingeschlossen sein (s. Schema 12f+12g).103

Schema 12: Topologie von Cyclodextrinaddukten: a) vollständiger, b) partieller, c) axialer, d) sandwichartiger Einschluss, e) deckelartige Anlagerungsverbindung f) 1:2-Einschlussverbindung und g) 2:2-Einschlussverbindung.

Für die Ausbildung einer 1:1-Einschlussverbindung muss das hydrophobe

Gastmolekül mit seiner Größe und Geometrie in die Cavität des

Cyclodextrinmoleküls passen. Die Stabilität der Wirt-Gast-Komplexe wird vom

Zusammenwirken der Wechselwirkungen der Gastmoleküle mit dem umgebenden

Cyclodextrin (hauptsächlich van-der-Waals-Kräfte und hydrophobe Wechsel-

wirkungen) bestimmt.104

e)b) c) d)a) f) g)e)e)b)b) c)c) d)d)a)a) f)f) g)g)

2 Theoretische Grundlagen

30

Aber auch Wasserstoffbrückenbindungen und sterische Effekte spielen für die

Komplexstabilität eine Rolle.104 Für eine Komplexbildung sind auch die im

hydrophoben Inneren des Cyclodextrins befindlichen Wassermoleküle verantwortlich.

Diese Wassermoleküle können, aufgrund energetisch ungünstigerer polar-apolarer

Wechselwirkungen, leicht durch weniger polare Gastmoleküle ausgetauscht

werden.106 Die freigewordenen Wassermoleküle tragen dann durch

Entropiezunahme − durch Aufnahme vom umgebenden Wasser − zur Stabilität der

Wirt-Gast-Komplexe bei.104 Für eine Komplexbildung in organischen Lösungsmitteln

ist daher zumindest eine geringe Menge an Wasser erforderlich.

In Lösung steht der gebildete Wirt-Gast-Komplex mit den nicht komplexierten

Gastmolekülen im thermodynamischen Gleichgewicht, wobei die Stabilität des Wirt-

Gast-Komplexes von der Lage dieses Gleichgewichtes abhängt. In Schema 13 ist

am Beispiel der Komplexierung von p-Xylol die Komplexbildung mit Cyclodextrin in

Wasser schematisch gezeigt, wobei das Gleichgewicht weit auf der Seite des Wirt-

Gast-Komplexes liegt.105,106

Schema 13: Schematische Darstellung der Komplexierung von p-Xylol mit Cyclodextrin.

Dabei spiegelt die Stabilitätskonstante die Lage des Gleichgewichts wider, die sich

bei einer 1:1-Einschlussverbindung nach dem Massenwirkungsgesetz aus dem

Quotienten der Konzentration des Cyclodextrin-Gast-Komplexes [CD-Gast] und dem

Produkt der Konzentrationen des Wirtes und des Gastes [CD] · [Gast] ergibt.105,106

CH3

CH3

+

CH3

CH3

CH3

CH3

CH3

CH3

+

CH3

CH3

CH3

CH3

2 Theoretische Grundlagen

31

Eine breite Palette von Anwendungsmöglichkeiten der Cyclodextrine ergibt sich

gerade aus ihrer Eigenschaft mit Gastmolekülen Wirt-Gast-Komplexe einzugehen.

Cyclodextrine werden generell als sicher bei oraler und nasaler Einnahme eingestuft.

Daher werden sie in der Nahrungsmittelindustrie u. a. zur Komplexierung von

Lebensmittelbestandteilen eingesetzt, um diese gegenüber Sauerstoff- und

Lichteinwirkung und vor thermischer Zersetzung zu schützen sowie Verluste durch

die Flüchtigkeit der Komponenten zu vermeiden. Zudem können Duft-, Aroma- und

Geschmacksstoffe maskiert (z. B. bei Knoblauchpillen) bzw. erhalten (z. B. bei

Kaugummis) werden. So kann z. B. bei Pflanzenölen die Autooxidation der

ungesättigten Fettsäuren mit Luftsauerstoff durch eine Komplexierung mit

Cyclodextrinen stark verzögert werden. Aus Cyclodextrinkomplexen mit Ölen,

Vitaminen und Aromastoffen können neben stabilen Komplexen zur Haltbarmachung

auch stabile Dispersionen in wässrigen Medien erhalten werden. Daher finden

Cyclodextrine auch in Kosmetika, vor allem in Hautcremes Verwendung.107,108

Im Pharmazeutischen Bereich haben Cyclodextrine inzwischen große Bedeutung

erlangt, da sich wasserunlösliche Wirkstoffe durch Komplexierung mit Cyclodextrinen

im Körper besser verteilen können. Auch im Haushalt finden Cyclodextrine bereits

Anwendung. So enthalten z. B. Waschmittel bestimmte Duftstoffe, die als

Cyclodextrin-Komplexe länger auf der Faser haften als die Parfümöle selbst. Auch

können auf Cyclodextrin basierende sog. Textilerfrischer zum Einsatz kommen

(Fébrèze®).107,108

Um die relativ schlechte Löslichkeit von vor allem β-Cyclodextrin in Wasser und in

organischen Lösungsmitteln zu verbessern, werden Cyclodextrine z. B. durch

O-Methylierung oder Hydroxypropylierung chemisch modifiziert. Das bedeutet, dass

bei einer Derivatisierung von β-Cyclodextrin neben sieben primären noch vierzehn

sekundäre OH-Gruppen verethert werden können.105,106 Soll als Zielprodukt z. B.

2,6-O-Dimethyl-β-cyclodextrin durch Modifizierung von β-Cyclodextrin synthetisiert

werden, müssen alle in C-3-Position befindlichen OH-Gruppen geschützt werden,

was synthetisch sehr aufwendig ist und die Produkte teuer macht. Da sich die in C-3-

Position befindlichen sekundären OH-Gruppen schlechter als die in C-2- und C-6-

Position befindlichen OH-Gruppen derivatisieren lassen, hat es sich in der groß-

technischen Anwendung durchgesetzt, auf die gezielte Modifikation zu verzichten.106

2 Theoretische Grundlagen

32

Beim statistisch methylierten β-Cyclodextrin liegen neben den primären C-6-OH-

Gruppen hauptsächlich die C-2-OH-Gruppen durch Methoxygruppen verethert vor.

Zu einem geringen Anteil sind auch die in C-2,C-3- oder C-3,C-6-Position

befindlichen OH-Gruppen verethert. So zeigt z. B. der vom Hersteller angegebene

Methylierungsgrad von Cavasol® W7 M (statistisch methyliertes β-Cyclodextrin) mit

1.6 – 1.9 pro Glucoseeinheit, dass auch Glucoseeinheiten existieren, die nicht (max.

0.2 %) oder nur monomethyliert vorliegen. Die statistische Methylierung hat den

Vorteil, dass - aufgrund der gestörten Ordnung von Wasserstoffbrückenbindungen -

die Löslichkeit in Wasser deutlich besser ist. Die Löslichkeit von Cavasol® W7 M in

Wasser ist mit 800 g · l-1 bei 25 °C deutlich größer im Vergleich zu 2,6- O-Dimethyl-

β-cyclodextrin (> 330 g · l-1) und β-Cyclodextrin (18.5 g · l-1).109,110

Aufgrund der besseren Wasserlöslichkeit wurde in der vorliegenden Arbeit - neben

der optimalen Größe der β-Cyclodextrin-Cavität und dem Preisvorteil gegenüber

reinem 2,6-O-Dimethyl-β-cyclodextrin - das statistisch methylierte Cyclodextrinderivat

Cavasol® W7 M eingesetzt.

2.5 Solvatochrome Eigenschaften von Nitroanilinen

Nitroaniline tragen mit der Nitrogruppe einen starken, elektronenziehenden

–M-Substituenten (Akzeptor) und mit der Aminogruppe einen starken,

elektronenliefernden +M-Substituenten (Donor) am Benzenring. Besteht die

Möglichkeit zur Resonanzstabilisierung führt dieser sog. push-pull-Effekt zu einer

charakteristischen Farbigkeit von Nitroanilin-Derivaten. Am Beispiel von 4-Nitroanilin

ist in Schema 14 die Resonanzstabilisierung über eine zwitterionische Struktur mit

p-chinoidem Charakter gezeigt.

Schema 14: Schematische Darstellung der Resonanzstabilisierung von 4-Nitroanilin (rechte Seite: Zwitterionische Resonanzstruktur mit p-chinoidem Charakter).

Resonanzstabilisierung über -NH 2- und NO 2-Gruppe

+M-Effektpush

-M-Effektpull

NH2NO

O

H2N NO

O

2 Theoretische Grundlagen

33

Die Anregung eines Elektrons aus dem freien Elektronenpaar des Stickstoffs (n→π*)

und die Konjugation von Doppelbindungen (π→π*) senkt die für Elektronen-

übergänge erforderlichen Energien bis hin in den sichtbaren Bereich. Die

langwelligste sichtbare Absorption steht in Verbindung mit einem intramolekularen

charge-transfer von der Aminogruppe (Donor) zur Nitrogruppe (Akzeptor).111

Es ist literaturbekannt, dass diese intramolekulare charge-transfer-Bande von

4-Nitroanilin-Derivaten mit Zunahme der Polarität des Lösungsmittels und mit

Zunahme der Elektronen-Donor-Stärke der Aminogruppe einer bathochromen

Verschiebung des UV/vis-Absorptionsmaximums (zu größerer Wellenlänge)

unterliegt.112,113

Die Verschiebung der Lage von UV/vis-Absorptionsbanden eines Chromophors in

Abhängigkeit der Natur des Lösungsmittels wird als Solvatochromie bezeichnet.

Positive Solvatochromie zeigen Chromophore wie z. B. 4-Nitroanilin, bei denen sich

das UV/vis-Absorptionsmaximum mit Zunahme der Lösungsmittelpolarität zu

größeren Wellenlängen verschiebt (bathochromer shift). Im Gegensatz dazu können

bestimmte solvatochrome Farbstoffe auch Verschiebungen des UV/vis-Absorptions-

maximums zu kleineren Wellenlängen (hypsochromer shift) mit Zunahme der

Lösungsmittelpolarität aufweisen, wobei dann von negativer Solvatochromie

gesprochen wird.111

Das Dipolmoment eines 4-Nitroanilin-Derivates ist im angeregten Zustand

(intramolekularer charge-transfer, chinoide Resonanzstruktur) größer als im

Grundzustand, so dass dieser von polaren Lösungsmitteln besser im Vergleich zum

Grundzustand stabilisiert wird, was in einer bathochromen Verschiebung des UV/vis-

Absorptionsmaximums resultiert.24,28-30,111

Das Dipolmoment von negativ solvatochromen Farbstoffen wiederum ist im

Grundzustand größer als im angeregten Zustand, so dass der dipolare Grundzustand

von polaren Lösungsmitteln besser stabilisiert wird. Dem entsprechend zeigen

negativ solvatochrome Farbstoffe eine stärkere Absenkung des Grundzustandes im

Vergleich zum angeregten Zustand mit Zunahme der Lösungsmittelpolarität, was

sich in einer hypsochromen Verschiebung der UV/vis-Absorptionsbande äußert.111

In Schema 15 ist gezeigt, wie der Grundzustand und der angeregte Zustand

(Energieniveaus für Elektronenübergänge) bei positiv solvatochromen Farbstoffen

bei der Solvatation durch Lösungsmittel unterschiedlicher Polarität unterschiedlich

gut stabilisiert werden.111

2 Theoretische Grundlagen

34

Schema 15: Schematische Darstellung der besseren Stabilisierung des dipolaren angeregten Zustandes durch stärkere Absenkung des Energieniveaus durch Wechselwirkung mit polareren Lösungsmittel bei positiv solvatochromen Farbstoffen.

Bestimmte Lösungsmitteleffekte solvatochromer Farbstoffe konnten in der

Vergangenheit jedoch nicht ausreichend allein mit der Polarität von Lösungsmitteln

erklärt werden. Kamlet und Taft stellten in den 1970´er Jahren empirische

Lösungsmittelskalen auf der Grundlage von UV/vis-Absorptionseigenschaften

ausgewählter solvatochromer Farbstoffe auf. Die Eigenschaften eines Lösungs-

mittels werden sowohl nach ihrer Möglichkeit als Wasserstoffbrücken-Donor

(hydrogen bond donor, HBD) und/oder als Wasserstoffbrücken-Akzeptor (hydrogen

bond acceptor, HBA) zu fungieren als auch nach ihrer Dipolarität/Polarisierbarkeit π*

unterschieden. Als Maß für die Stärke des Lösungsmittel als hydrogen bond donor

und/oder als hydrogen bond acceptor mit einem Farbstoff in Wechselwirkung treten

zu können, wurden die sog. Kamlet-Taft-Parameter α (HBD) und β (HBA) für eine

Vielzahl an Lösungsmitteln bestimmt. Dabei wurde für aprotische Lösungsmittel α = 0

gesetzt. Das sehr starkes HBD-Lösungsmittel 1,1,1,3,3,3-Hexafluor-2-propanol

besitzt den bisher größten gefundenen α-Wert mit α = 1.96. Die β-Skala wurde mit

β = 0 für Cyclohexan und β = 1 für Hexamethylphosphorsäuretriamid normiert. Die

π*-Skala wurde ebenfalls normiert mit π* = 0 für Cyclohexan und π* = 1 für DMSO.

E

zunehmende Lösungsmittelpolarität

wenigpolaresLösungs-mittel polares

Lösungs-mittel

Grundzustand

angeregterZustand

Gas-phase

E

zunehmende Lösungsmittelpolarität

wenigpolaresLösungs-mittel polares

Lösungs-mittel

Grundzustand

angeregterZustand

Gas-phase

2 Theoretische Grundlagen

35

Die Wechselwirkungen eines solvatochromen Farbstoffes in reinen Lösungsmitteln

oder auch Lösungsmittel-Gemischen können als LSER (linear solvation energy

relationship) über eine Mehrparametergleichung, die sog. Kamlet-Taft-Gleichung

(Gleichung 1), beschrieben werden.23-26,111

*sba(XYZ)XYZ 0 π+β+α+= (1)

(XYZ)0 steht für die Lösungsmitteleigenschaften des Referenzsystems. Die

Korrelationskoeffizienten a, b und s sind vom Lösungsmittel unabhängig. Die Größe

dieser Regressionsparameter liefern Aussagen wie stark der jeweilige Einfluss von α,

β und π* des Lösungsmittels auf die UV/vis-Absorptionseigenschaften des

solvatochromen Farbstoffes ist. Löst sich der solvatochrome Farbstoff in genügend

vielen Lösungsmitteln, können die gemessenen UV/vis-Absorptionsmaxima und

damit die Regressionsparameter a, b und s aus Gleichung 1 über eine multiple

Regressionsanalyse berechnet werden. Die in dieser Arbeit verwendeten Werte der

Kamlet-Taft-Parameter α, β und π* ausgewählter Lösungsmittel wurden der Literatur

entnommen und sind in Tabelle 2 zusammengestellt.114

Tab. 2: Zusammenstellung empirischer Lösungsmittelparameter α, β und π* nach Kamlet und Taft ausgewählter Lösungsmittel.

Lösungsmittel α β π*

Wasser (H2O) 1.17 0.47 1.09

Dimethylsulfoxid (DMSO) 0.00 0.76 1.00

N,N-Dimethylformamid (DMF) 0.00 0.69 0.88

Methanol (MeOH) 0.98 0.66 0.60

Ethanol (EtOH) 0.86 0.75 0.54

1-Propanol 0.84 0.90 0.52

2-Propanol 0.76 0.84 0.48

1-Butanol 0.84 0.84 0.47

Dichlormethan (CH2Cl2) 0.13 0.10 0.82

1,2-Dichlorethan (DCE) 0.10 0.10 0.81

1,1,2,2-Tetrachlorethan (TCE) 0.00 0.10 0.95

1,1,2,2-Tetrafluorethanol (TFE) 1.51 0.00 0.73

1,1,1,3,3,3-Hexafluor-2-propanol (HFiPrOH) 1.96 0.00 0.65

2 Theoretische Grundlagen

36

Am Beispiel von 4-Nitroanilin sind in Schema 16 zwei Möglichkeiten der Ausbildung

von Wasserstoffbrückenbindungen zum Lösungsmittel schematisch dargestellt.

4-Nitroanilin kann einerseits als HBD-Substrat über den Aminostickstoff in einem

HBA-Lösungsmittel (hydrogen bond acceptor, Typ B) und andererseits als HBA-

Substrat über den Sauerstoff der −NO2-Gruppe in einem HBD-Lösungsmittel

(hydrogen bond donor, Typ A) über Wasserstoffbrückenbindungen mit dem

Lösungsmittel in Wechselwirkung treten. Protische Lösungsmittel wie Alkohole und

Wasser können sowohl als HBA-Lösungsmittel als auch als HBD-Lösungsmittel

fungieren (s. Schema 16).23

Schema 16: Schematische Darstellung der Möglichkeit der Ausbildung von Wasserstoffbrücken-bindungen zwischen 4-Nitroanilin und protischen Lösungsmitteln (LM), die sowohl als hydrogen bond acceptor (HBA) als auch als hydrogen bond donor (HBD) fungieren können.

Beide Möglichkeiten der Ausbildung von Wasserstoffbrücken zum Lösungsmittel

(s. Schema 16) erniedrigen die Energie für Elektronenübergänge, da der dipolare

angeregte Zustand stärker als der Grundzustand stabilisiert wird.23

Ist die Aminogruppe z. B. durch zwei Ethylgruppen substituiert, kann dieses

4-Nitroanilin-Derivat nicht mehr als HBD-Substrat über den Aminostickstoff mit einem

HBA-Lösungsmittel (s. Typ B in Schema 16) in Wechselwirkung treten, da keine

Wasserstoffbrückenbindungen ausgebildet werden können. N,N-Diethyl-4-nitroanilin

kann lediglich über die −NO2-Gruppe als HBA-Substrat in einem HBD-Lösungsmittel

fungieren (s. Typ A in Schema 16).

Wasser ist deutlich polarer als Methanol (größerer π*-Wert) und aufgrund des

größeren α-Wertes ein etwas stärkeres HBD-Lösungsmittel. Methanol hingegen ist

ein stärkeres HBA-Lösungsmittel (größerer β-Wert) als Wasser. Somit könnten in

Wasser die H-Brückenbindungen überwiegend zur −NO2-Gruppe (Typ A in Schema

16) und in Methanol hingegen überwiegend zum Anilin-Wasserstoff (Typ B in

Schema 16) ausgebildet werden.

N NO

O

H

H

H OR

H OR

Typ B Typ A LM als HBA LM als HBD

3 Ergebnisse und Diskussion

37

3 Ergebnisse und Diskussion

3.1 Funktionalisierung von Polyvinylaminen in Wass er

3.1.1 Syntheseplanung und Charakterisierungsmöglic hkeiten

Die Funktionalisierung von Polyvinylaminen mit Hilfe aktivierter fluorsubstituierter

Aromaten wurde im Rahmen dieser Arbeit in Wasser als Lösungsmittel durchgeführt.

Wasser als Lösungsmittel bietet sich an, da es physiologisch und ökologisch

unbedenklich und im Vergleich zu den meisten organischen Lösungsmitteln

kostengünstiger ist. Um die nucleophile aromatische Substitution an hydrophoben

Fluoraromaten mit PVAm in Wasser durchführen zu können, kann sich

zweckmäßigerweise der Löslichkeitsvermittlung durch Cyclodextrine bedient werden.

Dabei wird die Eigenschaft der Cyclodextrine ausgenutzt hydrophobe Gastmoleküle

im Inneren aufzunehmen, wobei der gebildete Wirt-Gast-Komplex - bedingt durch die

hydrophile Außenseite der Cyclodextrine - wasserlöslich wird. Die Komplexierung der

hydrophoben Fluoraromaten erfolgte mit statistisch methyliertem 2,6-O-Dimethyl-β-

cyclodextrin (β-DMCD, Cavasol® W7 M) in Methanol. Zur besseren Übersichtlichkeit

wird in den nachfolgenden Abschnitten die in Schema 17 gezeigte Darstellung für

β-DMCD bzw. Cavasol® W7 M verwendet.

Schema 17: Schematische, vereinfachte Darstellung von 2,6-O-Dimethyl-β-cyclodextrin (β-DMCD).

Nach der Isolierung und der Trocknung des gebildeten Wirt-Gast-Komplexes kann

die nucleophile aromatische Substitution dieses Fluoraromat/β-DMCD-Komplexes mit

PVAm in Wasser zu den entsprechenden nitrophenyl-funktionalisierten Polyvinyl-

aminen vonstatten gehen. Ein Großteil des Lösungsmittels wird anschließend

abdestilliert, um das funktionalisierte PVAm in Aceton zur Fällung zu bringen.

O

O

H

7

H3CO

HOOCH3

12

3

4 5

6

7

8

O

O

H

7

H3CO

HOOCH3

12

3

4 5

6

7

8

3 Ergebnisse und Diskussion

38

Zur Veranschaulichung der einzelnen Syntheseschritte ist die Funktionalisierung von

PVAm in Wasser mittels statistisch methyliertem 2,6-O-Dimethyl-β-cyclodextrin

(β-DMCD) als Löslichkeitsvermittler im nachfolgenden Schema 18 kurz dargestellt.

Schema 18: Funktionalisierung von PVAm in Wasser mittels β-DMCD als Löslichkeitsvermittler.

Die nucleophile aromatische Substitution von aktivierten Fluoraromaten mit

Polyvinylaminen in Wasser erfolgte mit den in Schema 19 dargestellten acht

Fluoraromaten, die als Fluoraromat/β-DMCD-Komplexe eingesetzt wurden.

Schema 19: Eingesetzte aktivierte Fluoraromaten für die Funktionalisierung von Polyvinylaminen in Wasser über Löslichkeitsvermittlung mittels statistisch methyliertem 2,6-O-Dimethyl-β-cyclodextrin.

4-FNB

2-FNB FDNB

DFDNB 4-FNA 4-DMFNA

FDNstilben FNAzoB

F NO2F

O2N

F

O2N

NO2

F

O2N

NO2

F

F NH2

O2N

N

O2N

FCH3

CH3

F

O2N

NN

F

O2N

NO2

+

ββββ-DMCD-Komplex

CH3OHO

O

H

7CH3O

CH3O

HO

ββββ-DMCDLöslichkeitsvermittler

H2O 100°C

8 h

+

PVAm

FR

aktivierterFluoraromat

funktionalisiertes PVAm

R: elektronen-ziehende(r)Substituent(en)

R

NH2 NHx y

nNH2

FR

HF+

+

ββββ-DMCD-Komplex

CH3OHO

O

H

7CH3O

CH3O

HO

O

O

H

7CH3O

CH3O

HO

ββββ-DMCDLöslichkeitsvermittler

H2O 100°C

8 h

+

PVAm

FR

aktivierterFluoraromat

funktionalisiertes PVAm

R: elektronen-ziehende(r)Substituent(en)

R

NH2 NHx y

nNH2

FR

HF+

3 Ergebnisse und Diskussion

39

Die stattfindende Funktionalisierungsreaktion zeigt sich sofort nach Vereinigung

beider Reaktionskomponenten (Fluoraromat/β-DMCD-Komplex und Polyvinylamin)

durch einen Farbumschlag von farblos zu intensiv gelb bis purpurfarben je nach

eingesetztem Fluoraromat. Im UV/vis-Absorptionsspektrum funktionalisierter

Polyvinylamine zeigt sich die neue intramolekulare charge-transfer-Bande des

gebildeten π-Elektronen-push-pull-Systems (chromophore Polyvinylamin-Einheit).

Die Löslichkeit der funktionalisierten Polyvinylamine in Wasser und vor allem in

organischen Lösungsmitteln wie z. B. Methanol ist sehr gering, und erschwert die

Strukturaufklärung mit Hilfe 1H-Lösungs-NMR-spektroskopischer bzw. 13C-Lösungs-

NMR-spektroskopischer Untersuchungen. Daher wurden zur Identifizierung der

molekularen Struktur der jeweiligen chromophoren Einheit von funktionalisierten

Polyvinylaminen (mit Vergleich zu wohl definierten niedermolekularen

Modellverbindungen) und zur Ermittlung des Substitutionsgrades (Anteil

chromophorer Einheiten) hauptsächlich UV/vis-spektroskopische Untersuchungen

herangezogen.

3 Ergebnisse und Diskussion

40

3.1.2 Nitrophenyl-funktionalisierte Polyvinylamine mittels

4-Fluornitrobenzen (4-FNB)

Für die nucleophile aromatische Substitution von 4-Fluornitrobenzen (4-FNB) mit

Polyvinylamin (PVAm) in Wasser zu 4-nitrophenyl-funktionalisiertem PVAm

(PVAm 1) wurden vier Molverhältnisse (0.0763, 0.1526, 0.2289 und 0.3053) von

4-FNB/β-DMCD-Komplexen zu PVAm eingesetzt. Die Funktionalisierungsreaktion ist

in Schema 20 zur Veranschaulichung gezeigt. Es wurde sowohl PVAm mit einem

Molekulargewicht von 15,000 g·mol-1 als auch mit 400,000 g·mol-1 verwendet.

Schema 20: Schematische Darstellung der Funktionalisierung von PVAm mit einem Molekulargewicht von 15,000 g·mol-1 und 400,000 g·mol-1 mit 4-FNB/β-DMCD in Wasser und entsprechende Reaktionsbedingungen.

Die Funktionalisierung von PVAm zeigt sich durch einen Farbumschlag der

Reaktionslösung von farblos zu intensiv gelb, aufgrund der Bildung des push-pull-

Systems (chromophore Einheit). 4-Nitrophenyl-funktionalisiertes PVAm (PVAm 1)

löst sich sowohl gut in Wasser als auch gut in Methanol. In Abb. 1 sind UV/vis-

Absorptionsspektren von PVAm 1 mit einem Molekulargewicht von 15,000 g·mol-1 in

Wasser und in Methanol sowie eine Fotografie des festen Polymeren zur

Veranschaulichung gezeigt. 4-Nitrophenyl-funktionalisiertes PVAm (PVAm 1) zeigt

eine deutliche Verschiebung des UV/vis-Absorptionsmaximums zu größerer

Wellenlänge von 390 nm in Methanol zu 413 nm in Wasser. Es zeigt somit positive

Solvatochromie (bathochrome Verschiebung des UV/vis-Absorptionsmaximums mit

Zunahme der Lösungsmittelpolarität).

F NO2

NH2 NH

NO2

x y

+

NH2n

H2O

4-FNB/ββββ-DMCD-KomplexPVAm

15,000 g · mol -1

400,000 g · mol -1

100 °C8 h

3 Ergebnisse und Diskussion

41

Abb. 1: UV/vis-Absorptionsspektren von 4-nitrophenyl-funktionalisiertem PVAm (PVAm 1) in Wasser und Methanol sowie eine Fotografie des festen Polymeren.

Neben der Ausbildung von H-Brückenbindungen zum Lösungsmittel können auch

H-Brückenbindungen zwischen dem Anilinwasserstoff der chromophoren Einheit von

4-nitrophenyl-funktionalisiertem PVAm (PVAm 1) zu benachbarten NH2-Gruppen von

unsubstituierten PVAm-Einheiten eine Rolle spielen. UV/vis-spektroskopische

Untersuchungen von N-(4-Nitrophenyl)ethylendiamin zeigten, dass durch die

intramolekulare Wasserstoffbrückenbindung des Anilinwasserstoffs zur NH2-Gruppe

des aliphatischen Restes und durch die intermolekulare H-Brückenbindung zum

HBA-Lösungsmittel neben der Dipolarität/Polarisierbarkeit π* auch der β-Wert des

Lösungsmittels einen starken Einfluss auf die UV/vis-Absorptionseigenschaften

hat.115 Durch die Möglichkeit der Ausbildung von intramolekularen

H-Brücken zwischen den Anilinwasserstoffen zu NH2-Gruppen der unsubstituierten

PVAm-Einheiten verringert sich jedoch die Möglichkeit der Ausbildung von

intermolekularen H-Brücken zum Lösungsmittel über die Anilinwasserstoffe. Die

bathochrome Verschiebung des UV/vis-Absorptionsmaximums von 4-nitrophenyl-

funktionalisiertem PVAm in Methanol mit λmax = 390 nm zu λmax = 413 nm in Wasser

resultiert hauptsächlich aus der deutlich höheren Dipolarität/Polarisierbarkeit π* trotz

niedrigeren β-Wertes im Vergleich zu Methanol.

0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0.8

0.9

1

300 350 400 450 500 550 600 650 700

Wellenlänge λλλλ [nm]

Abs

orpt

ion

[a.u

.]

NH2 NH

NO2

x y

15,000 g · mol -1

pH = 11

λλλλmax (H2O) = 413 nmλλλλmax (MeOH) = 390 nm

H2O

MeOH

3 Ergebnisse und Diskussion

42

2-Fluornitrobenzen (2-FNB)

Für die nucleophile aromatische Substitution von 2-Fluornitrobenzen (2-FNB) mit

PVAm (15,000 g·mol-1 und 400,000 g·mol-1) in Wasser zu 2-nitrophenyl-

funktionalisiertem PVAm (PVAm 2) wurden zur besseren Vergleichbarkeit die

gleichen Molverhältnisse (0.0763, 0.1526, 0.2289 und 0.3053) der 2-FNB/β-DMCD-

Komplexe zu PVAm eingesetzt, wie bei der Funktionalisierung mit 4-FNB.

Schema 21 zeigt anschaulich die Funktionalisierungsreaktion.

Schema 21: Schematische Darstellung der Funktionalisierung von PVAm mit einem Molekulargewicht von 15,000 g·mol-1 und 400,000 g·mol-1 mittels 2-FNB/β-DMCD in Wasser und entsprechende Reaktionsbedingungen.

Bei Zugabe der PVAm-Lösung zur wässrigen 2-FNB/β-DMCD-Komplex-Lösung ist

sofort ein Farbumschlag von farblos zu intensiv gelb aufgrund der Bildung des push-

pull-Systems (chromophore PVAm-Einheit) zu erkennen. Das ausgefällte und

getrocknete 2-nitrophenyl-funktionalisierte PVAm (PVAm 2) löst sich sowohl gut in

Wasser als auch gut in Methanol. Die mit 2-FNB/β-DMCD umgesetzten PVAm´s mit

einem Molekulargewicht von 400,000 g · mol-1 sind nicht mehr ganz so gut in Wasser

und in Methanol löslich. In Abb. 2 sind die UV/vis-Absorptionsspektren von PVAm 2

(mit einem eingesetztem Molverhältnis von 2-FNB zu PVAm von 0.3053) sowohl in

Wasser als auch in MeOH gezeigt. Das UV/vis-Absorptionsmaximum λmax in

Methanol liegt bei 432 nm. In Wasser ist - aufgrund der höheren

Lösungsmittelpolarität im Vergleich zu Methanol - eine bathochrome Verschiebung

des UV/vis-Absorptionsmaximums mit λmax = 450 nm zu erkennen.

Im Vergleich zu 4-nitrophenyl-funktionalisiertem PVAm (PVAm 1) mit

λmax(H2O) = 413 nm und λmax(MeOH) = 390 nm liegen die UV/vis-Absorptionsmaxima

von 2-nitrophenyl-funktionalisiertem PVAm (PVAm 2) bathochrom verschoben.

F

O2N NH2 NH

NO2

x y

+

NH2n

H2O

2-FNB/ββββ-DMCD-KomplexPVAm

15,000 g · mol -1

400,000 g · mol-1

100 °C8 h

3 Ergebnisse und Diskussion

43

Abb. 2: UV/vis-Absorptionsspektren von 2-nitrophenyl-funktionalisiertem PVAm (PVAm 2) in Wasser und in Methanol sowie eine Fotografie des festen Polymeren.

Bei PVAm 2 besteht die Möglichkeit der Ausbildung von intramolekularen

Wasserstoffbrückenbindungen der 1-Aminogruppe zur ortho-Nitrogruppe, die hilft die

Coplanarität der chinoiden Resonanzstruktur zu erhalten, die von polaren

Lösungsmitteln besser stabilisiert wird. Das äußert sich in einer weiteren

Energieabsenkung und damit in einer bathochromen Verschiebung des UV/vis-

Absorptionsmaximums im Vergleich zu PVAm 1.

Untersuchungen zu N-(2-Nitrophenyl)ethylendiamin zeigten, dass die intramolekulare

H-Brückenbindung der 1-Aminogruppe zur ortho-NO2-Gruppe sehr stabil ist und

keine intramolekulare H-Brücke zwischen dem Anilinwasserstoff und der NH2-Gruppe

des aliphatischen Restes ausgebildet wird. Es wurde postuliert, dass die HBA-

Fähigkeit β des Lösungsmittels keinen Einfluss auf die UV/vis-Absorptions-

eigenschaften hat.115,116

Es kann daher davon ausgegangen werden, dass die größere

Dipolarität/Polarisierbarkeit π* von Wasser im Vergleich zu Methanol den

entscheidenden Einfluss auf die UV/vis-Absorptionseigenschaften (positive

Solvatochromie) von 2-nitrophenyl-funktionalisiertem PVAm (PVAm 2) hat.

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

1.2

300 350 400 450 500 550 600 650 700 750 800

Wellenlänge λλλλ [nm]

Abs

orpt

ion

(5m

g in

50

ml)

[a.u

.]

NH2 NHNO2

x y

15,000 g · mol -1

pH = 11

λλλλmax (H2O) = 450 nmλλλλmax (MeOH) = 432 nm

MeOH

H2O

3 Ergebnisse und Diskussion

44

3.1.3 2-Nitro-4-aminobenzen-funktionalisierte Poly vinylamine mittels

4-Fluor-3-nitroanilin (4-FNA)

Für die Funktionalisierung von PVAm (15,000 g·mol-1) wurden die Molverhältnisse

von 4-FNA/β-DMCD zu PVAm mit 0.0763, 0.1526, 0.2289 und 0.3053 gewählt. Die

nucleophile aromatische Substitutionsreaktion von 4-FNA mit PVAm zu 2-nitro-4-

aminobenzen-funktionalisiertem PVAm (PVAm 3) mit den entsprechenden

Reaktionsbedingungen ist in Schema 22 gezeigt.

Schema 22: Schematische Darstellung der Funktionalisierung von PVAm mit einem Molekulargewicht von 15,000 g·mol-1 mittels 4-FNA/β-DMCD-Komplexen in Wasser und entsprechende Reaktionsbedingungen.

2-nitro-4-aminobenzen-funktionalisiertes PVAm (PVAm 3) löst sich gut in Wasser, in

Methanol und in 1,1,1,3,3,3-Hexafluor-2-propanol (HFiPrOH). Weiterhin löst sich

PVAm 3 in geringen Mengen in Ethanol (EtOH), 1-Propanol, 2-Propanol,

1-Butanol, N,N-Dimethylformamid (DMF), Dimethylsulfoxid (DMSO), Dichlormethan

(CH2Cl2) und in 2,2,2-Trifluorethanol (TFE). Dabei ist eine Änderung der Farbe des

gelösten Polymeren in Abhängigkeit vom Lösungsmittel zu erkennen.

Diese ausgeprägten solvatochromen Eigenschaften von 2-nitro-4-aminobenzen-

funktionalisiertem PVAm (PVAm 3) wurden mit Hilfe von UV/vis-spektroskopischen

Messungen untersucht. In Abb. 3 sind die UV/vis-Absorptionsspektren von PVAm 3

in Wasser, DMSO, EtOH, MeOH, CH2Cl2 und in HFiPrOH sowie eine Fotografie zur

Veranschaulichung gezeigt. Die ausgefällten, festen 2-nitro-4-aminobenzen-

funktionalisierten PVAm´s zeigen eine dunkelviolett bis schwarze Farbe.

F NH2

O2N NH2 NH

NO2

NH2

x y

+

NH2n

H2O

4-FNA/ββββ-DMCD-KomplexPVAm

15,000 g · mol -1

100 °C8 h

3 Ergebnisse und Diskussion

45

Abb. 3: UV/vis-Absorptionsspektrenserie von 2-nitro-4-aminobenzen-funktionalisiertem PVAm (PVAm 3) in verschiedenen Lösungsmitteln: 1,1,1,3,3,3-Hexafluor-2-propanol (HFiPrOH), Methanol (MeOH), Ethanol (EtOH), Dichlormethan (CH2Cl2), Wasser (H2O) und Dimethylsulfoxid (DMSO) sowie eine Fotografie des Polymeren in diesen Lösungsmitteln.

In Wasser liegt das UV/vis-Absorptionsmaximum λmax von 2-nitro-4-aminobenzen-

funktionalisiertem PVAm (PVAm 3) bei 517 nm. In Alkoholen und in CH2Cl2 sind die

λmax-Werte zu kleineren Wellenlängen verschoben bei ca. 510 nm (hypsochrome

Verschiebung). Eine deutlich bathochrome Verschiebung zeigt sich in DMF mit

λmax = 534 nm und in DMSO mit λmax = 544 nm. Die UV/vis-Absorptionsmaxima in

TFE (λmax = 486 nm) und in HFiPrOH (λmax = 480 nm) sind sehr deutlich hypsochrom

verschoben. Das deutet auf sehr starke Solvatation der Aminogruppen in para-

Stellung hin, die zur Verringerung der Donorstärke der Aminogruppe führt.

Der solvatochrome Umfang (Differenz der Grenzfälle der UV/vis-Absorptionsmaxima

in DMSO und in HFiPrOH) von PVAm 3 beträgt ∆λ = 64 nm.

Zur Quantifizierung in welchem Maße die Dipolarität/Polarisierbarkeit π*, die

HBA-Fähigkeit β und die HBD-Fähigkeit α des jeweiligen Lösungsmittels Einfluss auf

die solvatochromen Eigenschaften der chromophoren Einheiten von 2-nitro-4-

aminobenzen-funktionalisiertem PVAm (PVAm 3) haben, wurde eine multiple

Korrelationsanalyse nach der Mehrparametergleichung von Kamlet und Taft (Gl. 1)

durchgeführt.

0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0.8

0.9

1

300 400 500 600 700 800 900 1000

Wellenlänge λλλλ [nm]

Abs

orpt

ion

[a.u

.] 5

63

2

4

1

1 HFiPrOH2 MeOH3 EtOH4 CH2Cl25 H2O6 DMSO

NH2 NHNO2

NH2

x y

15,000 g · mol -1

pH = 11

H2O DMSO MeOH CH2Cl2 HFiPrOH

3 Ergebnisse und Diskussion

46

Die multiple Regressionsanalyse der aus den gemessenen Wellenlängen λmax

umgerechneten Wellenzahlen ṽmax über die α-, β- und π*-Werte der Lösungsmittel

(s. Tab. 2) ergibt für 2-nitro-4-aminobenzen-funktionalisiertes PVAm (PVAm 3) die

folgende Mehrparametergleichung (Gleichung 2).

*])[(~ πβαν 1.4781.1040.55720.77110cm PVAm 31max −−+=⋅ −−3 (2)

n = 11; r = 0.997; sd = 0.051; F<0.0001

Dabei bedeuten die einzelnen Parameter:

r…Korrelationskoeffizient bzw. Bestimmtheitsmaß,

n…Anzahl der Lösungsmittel,

sd…Standardabweichung und

F…Signifikanz der Mehrparametergleichung.

Werte für r gegen eins und F < 0.0001 stehen für die Güte der Korrelationsanalyse.

Die Vorzeichen der ermittelten lösungsmittelunabhängigen Korrelationskoeffizienten

a, b und s geben an, ob die Lösungsmittelparameter α, β und π* zu positiver

Solvatochromie (bathochrome Verschiebung) bzw. negativer Solvatochromie

(hypsochrome Verschiebung) der UV/vis-Absorptionsbande führen. Die Beträge von

a, b und s (siehe Gl. 2) zeigen, in welchem Maße der jeweilige

Lösungsmittelparameter Einfluss auf die Lage der UV/vis-Absorptionsbande besitzt.

Die Dipolarität/Polarisierbarkeit π* (s = -1.478) sowie die HBA-Fähigkeit β

(b = -1.104) weisen den größten Einfluss auf, die HBD-Fähigkeit α (a = 0.557)

hingegen zeigt den kleinsten Einfluss auf die solvatochromen Eigenschaften von

2-nitro-4-aminobenzen-funktionalisiertem PVAm 3 (Betrag von s/a = 2.65 bzw.

s/b = 1.34). Somit führen hohe π*-Werte und hohe β-Werte des Lösungsmittels zu

einer bathochromen Verschiebung der UV/vis-Absorptionsbande der chromophoren

Einheit von PVAm 3.

Die graphische Auftragung der nach der Mehrparametergleichung (Gl. 2)

berechneten Wellenzahlen ṽmax über die gemessenen Wellenzahlen ṽmax von 2-nitro-

4-aminobenzen-funktionalisiertem PVAm (PVAm 3) in 11 Lösungsmitteln ist in Abb. 4

gezeigt.

3 Ergebnisse und Diskussion

47

Abb. 4: Graphische Auftragung der berechneten über die gemessenen UV/vis-Absorptionsmaxima von 2-nitro-4-aminobenzen-funktionalisiertem PVAm (PVAm 3) in 11 Lösungsmitteln unter Berück-sichtigung der Lösungsmittelparameter α, β und π*.

Aus Abb. 4 wird deutlich, dass nur geringste Abweichungen von der Linearität

zwischen den gemessenen und berechneten Werten der UV/vis-Absorptionsmaxima

vorliegen (r = 0.997). Die solvatochromen Eigenschaften von 2-nitro-4-aminobenzen-

funktionalisiertem PVAm (PVAm 3) korrelieren sehr gut mit den empirischen

Lösungsmittelparametern α, β und π* nach Kamlet und Taft.

Eine ausführliche Diskussion der solvatochromen Eigenschaften von PVAm 3 mit

Vergleich zu denen anderer 2-nitro-4-aminobenzen-funktionalisierten Polyvinylamine

erfolgt später am Ende dieses Abschnittes 3.1.3.

18

18.5

19

19.5

20

20.5

21

21.5

18 18.5 19 19.5 20 20.5 21 21.5

ṽ max gemessen [cm -1· 10-3]

ṽm

ax b

erec

hnet

[cm

-1 ·

10-3

]

NH2 NHNO2

NH2

x y

3

DMSO

H2OCH2Cl2

EtOH

MeOH

HFiPrOH

1-Propanol 2-Propanol1-Butanol

DMF

TFE

3 Ergebnisse und Diskussion

48

N,N-Dimethyl-4-fluor-3-nitroanilin (4-DMFNA)

In Anlehnung an die Arbeiten von Giumanini et al. (N,N-Dimethylierung von

4-Fluoranilin) wurde N,N-Dimethyl-4-fluor-3-nitroanilin durch N,N-Dimethylierung von

4-Fluor-3-nitroanilin in schwefelsaurer Formaldehyd/THF-Lösung und Natrium-

borhydrid (NaBH4) als Reduktionsmittel synthetisiert.117 Eine ausführliche

Synthesevorschrift und die Charakterisierung des synthetisierten N,N-Dimethyl-4-

fluor-3-nitroanilin (4-DMFNA) sind in Abschnitt 5.6.1 (experimenteller Teil) aufgeführt.

Der von Giumanini postulierte Reaktionsmechanismus wurde für die in dieser Arbeit

durchgeführte N,N-Dimethylierung von 4-Fluor-3-nitroanilin übernommen (siehe

Schema 23).117

Schema 23: Schematische Darstellung des Mechanismus der N,N-Dimethylierung von 4-Fluor-3-nitroanilin zu N,N-Dimethyl-4-fluor-3-nitroanilin (4-DMFNA).

Der Vorteil dieser Syntheseroute besteht darin, dass das quartäre Ammoniumsalz

und das monomethylierte Anilin-Derivat als Nebenprodukte nicht entstehen.

Voraussetzung ist jedoch mindestens ein doppelter Überschuss an eingesetztem

Reduktionsmittel im Vergleich zum Anilinderivat. Giumanini et al. postulierten, dass

die Kationen-Spezies 7 viel leichter zu reduzieren ist als 4 (siehe Schema 23). Die

extrem geringe Konzentration an 7 (aufgrund des Gleichgewichts) verlangsamt die

zügige Methylierung des sekundären Amins 6 sobald es gebildet ist.117

H2C O H2C OH

F

O2N

NH 2

H

- H

F

O2N

NHH

CH2 OH

F

O2N

NH

CH2 OH2

H2O-

BH4 BH4

F

O2N

NH

CH2

F

O2N

NH

CH2F

O2N

NCH2 - H

OH2-

F

O2N

NCH3

CH3 BH4F

O2N

NCH2

CH3

F

O2N

NCH2

CH3

F

O2N

NCH2

CH3

OH2

F N

CH3

CH2

CH3

O2N

OH

F

O2N

NHCH2

CH3

OHF

O2N

NCH3

H

H2C OH

H2C OH

H+- H2O

F N

CH3

CH2

CH3

O2N

1

2

3

45

6

78

3 Ergebnisse und Diskussion

49

Funktionalisierung von PVAm mittels 4-DMFNA

Für die Funktionalisierung von PVAm (15,000 g·mol-1) wurden die Molverhältnisse

von 4-DMFNA/β-DMCD zu PVAm mit 0.0763, 0.1526, 0.2289 und 0.3053 gewählt.

Die nucleophile aromatische Substitutionsreaktion von 4-DMFNA mit PVAm zu

2-nitro-4-(N,N-dimethyl)aminobenzen-funktionalisiertem PVAm (PVAm 4) mit den

entsprechenden Reaktionsbedingungen ist in Schema 24 gezeigt.

Schema 24: Schematische Darstellung der Funktionalisierung von PVAm mit einem Molekulargewicht von 15,000 g·mol-1 mittels 4-DMFNA/β-DMCD-Komplexen in Wasser und entsprechende Reaktionsbedingungen.

In Substanz zeigt 2-nitro-4-(N,N-dimethyl)aminobenzen-funktionalisiertes PVAm

(PVAm 4) eine dunkelviolett bis schwarze Farbe. Gut löslich ist PVAm 4 in Wasser,

MeOH und in 1,1,1,3,3,3-Hexafluor-2-propanol (HFiPrOH). Weniger gut löslich ist

PVAm 4 in EtOH, 1-Propanol, 2-Propanol, 1-Butanol, DMSO, CH2Cl2 und in 2,2,2-

Trifluorethanol (TFE). Die solvatochromen Eigenschaften sind in Abb. 5 anschaulich

durch eine Fotografie gezeigt.

In Wasser liegt das UV/vis-Absorptionsmaximum λmax von PVAm 4 bei 510 nm. In

Alkoholen liegen die λmax-Werte bathochrom verschoben bei ca. 520 nm. Eine

deutlich bathochrome Verschiebung zeigt sich in CH2Cl2 mit λmax = 531 nm, in DMF

mit λmax = 535 nm und in DMSO mit λmax = 540 nm. Die UV/vis-Absorptionsmaxima in

TFE (λmax = 482 nm) und in HFiPrOH (λmax = 468 nm) sind sehr deutlich hypsochrom

verschoben.

Die Einführung von zwei Methyl-Gruppen am Aminostickstoff in 4-Stellung führt somit

im Vergleich zu 2-nitro-4-aminobenzen-funktionalisiertem PVAm (PVAm 3) zu

signifikanten Änderungen der UV/vis-Absorptionseigenschaften.

F N

O2N

CH3

CH3NH2 NH

NO2

NH3C CH3

x y

+

NH2n

H2O

4-DMFNA/ββββ-DMCD-KomplexPVAm

15,000 g · mol -1

100 °C8 h

3 Ergebnisse und Diskussion

50

Abb. 5: UV/vis-Absorptionsspektrenserie von 2-nitro-4-(N,N-dimethyl)aminobenzen-funktionalisiertem PVAm (PVAm 4) in verschiedenen Lösungsmitteln: 1,1,1,3,3,3-Hexafluor-2-propanol (HFiPrOH), Methanol (MeOH), Ethanol (EtOH), Dichlormethan (CH2Cl2), Wasser (H2O) und Dimethylsulfoxid (DMSO) sowie eine Fotografie des Polymeren in diesen Lösungsmitteln.

Der solvatochrome Umfang von PVAm 4 (Differenz der UV/vis-Absorptionsmaxima in

DMSO und in HFiPrOH) ist mit ∆ṽ = 2451 cm-1 etwas größer im Vergleich zu

PVAm 3 mit ∆ṽ = 2849 cm-1.

Die multiple Regressionsanalyse nach Kamlet-Taft unter Berücksichtigung der

Lösungsmittelparameter α, β und π* ergibt für 2-nitro-4-(N,N-dimethyl)aminobenzen-

funktionalisiertes PVAm (PVAm 4) keine sinnvolle Mehrparametergleichung, da der

Fehler von s mit ± 0.4166 größer als der berechnete Wert von s mit 0.099 ist (Gl. 3):

*0.0990.8861.06519.11510cm PVAm 31max πβαν −−+=⋅ −− ][)(~ 4 (3)

n = 11; r = 0.964; sd = 0.231; F<0.0001

Die HBD-Fähigkeit α und die HBA-Fähigkeit β der Lösungsmittel üben den

entscheidenden Einfluss auf die solvatochromen Eigenschaften von PVAm 4 aus.

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

1.2

300 400 500 600 700 800 900 1000

Wellenlänge λλλλ [nm]

Abs

orpt

ion

[a.u

.] 2

6

4

3

5

1

1 HFiPrOH2 H2O3 EtOH4 MeOH5 CH2Cl26 DMSO

15,000 g · mol -1

pH = 11

NH2 NHNO2

NH3C CH3

x y

H2O DMSO MeOH CH2Cl2 HFiPrOH

3 Ergebnisse und Diskussion

51

Eine Regressionsrechnung ohne Berücksichtigung der Dipolarität/Polarisierbarkeit π*

der Lösungsmittel führt für 2-nitro-4-(N,N-dimethyl)aminobenzen-funktionalisiertes

PVAm (PVAm 4) zu folgender Korrelationsgleichung (Gl. 4):

βαν 0.8521.08419.01110cm PVAm 31max −+=⋅ −− ][)(~ 4 (4)

n = 11; r = 0.968; sd = 0.217; F<0.0001

Abb. 6 zeigt die graphische Auftragung der nach Gleichung 4 berechneten

Wellenzahlen über die gemessenen Wellenzahlen von PVAm 4 in 11 Lösungsmitteln.

Abb. 6: Graphische Auftragung der berechneten über die gemessenen UV/vis-Absorptionsmaxima von 2-nitro-4-(N,N-dimethyl)aminobenzen-funktionalisiertem PVAm (PVAm 4) in 11 Lösungsmitteln unter Berücksichtigung der Lösungsmittelparameter α und β.

Die Korrelation nur unter Berücksichtigung der α- und β-Werte der Lösungsmittel

(s. Abb. 6) zeigt eine geringe Abweichung von der Linearität (r = 0.968). Die

solvatochromen Eigenschaften von PVAm 4 scheinen gut mit den α- und

β-Werten nach Kamlet-Taft ohne Berücksichtigung der Dipolarität/Polarisierbarkeit π*

der Lösungsmittel korrelierbar zu sein. Eine ausführliche Diskussion mit Vergleich zu

weiteren 2-nitro-4-aminobenzen-funktionalisierten Polyvinylaminen folgt am Ende

dieses Abschnittes 3.1.3.

18

18.5

19

19.5

20

20.5

21

21.5

22

18 18.5 19 19.5 20 20.5 21 21.5 22

ṽ max gemessen [cm -1 · 10-3]

ṽm

ax b

erec

hnet

[cm

-1 ·

10-3

]

NH2 NHNO2

NH3C CH3

x y

DMSO

CH2Cl2

MeOH

EtOH

H2O

HFiPrOH

4

DMF

TFE

1-Propanol

2-Propanol

1-Butanol

3 Ergebnisse und Diskussion

52

Funktionalisierung von Poly- N-Methylvinylamin (PNMVAm) mittels 4-DMFNA

Es ist zu erwarten, dass die Einführung eines weiteren Substituenten am

Polymerrückrat, wie z. B. einer Methylgruppe am Aminostickstoff des PVAm zur

Erhöhung der Donorstärke führt, was die UV/vis-Absorptionseigenschaften des

entstehenden funktionalisierten Polymeren im Vergleich zu 2-nitro-4-aminobenzen-

funktionalisiertem PVAm (PVAm 3) und 2-nitro-4-(N,N-dimethyl)aminobenzen-

funktionalisiertem PVAm (PVAm 4) beeinflusst. Anstelle von PVAm wurde Poly-N-

Methylvinylamin (PNMVAm) zur Funktionalisierung mittels 4-DMFNA ausgewählt.

Poly-N-Methylvinylamin (PNMVAm) wurde durch saure Hydrolyse (2M HCl) aus

Poly-N-Methylvinylacetamid (196,000 g·mol-1) synthetisiert. Der pH-Wert wurde

mittels NaOH-Lösung auf pH = 11 eingestellt. Die ausführliche Reaktions-

durchführung und Charakterisierung ist in Abschnitt 5.2.1 (experimenteller Teil)

dargelegt. Zur Veranschaulichung ist die zusammengefasste Hydrolysereaktion

ausgehend von Poly-N-Methylvinylacetamid zum Poly-N-Methylvinylamin (PNMVAm)

in Schema 25 gezeigt.

Schema 25: Schematische Darstellung der Hydrolyse von Poly-N-Methylvinylacetamid zu Poly-N-Methylvinylamin (PNMVAm).

Für die Funktionalisierung von PNMVAm (196,000 g·mol-1) wurde ein Molverhältnis

von 4-DMFNA/β-DMCD zu PNMVAm mit 0.3053 gewählt. 60 ml der wässrigen Poly-

N-Methylvinylamin-Lösung (enthält 0.5 g des Polymeren) wurden für die nucleophile

aromatische Substitution von 4-DMFNA zu 2-nitro-4-(N,N-dimethyl)aminobenzen-

funktionalisiertem Poly-N-Methylvinylamin (PNMVAm 5) eingesetzt. Das ausgefällte

PNMVAm 5 zeigt als Feststoff eine dunkelviolett bis schwarze Farbe. 2-Nitro-4-(N,N-

dimethyl)aminobenzen-funktionalisiertes PNMVAm (PNMVAm 5) löst sich mäßig in

Wasser, in Alkoholen, in DMF, in 1,2-Dichlorethan (DCE), in 1,1,2,2-Tetrachlorethan

(TCE) und in TFE. In DMSO, in CH2Cl2 und vor allem in HFiPrOH löst es sich gut.

NCH3H

nN

CH3O

CH3

n

2M HCl

10 d

NaOH + CH3COONa + NaCl + H2O

3 Ergebnisse und Diskussion

53

Abb. 7 zeigt UV/vis-Absorptionsspektren von PNMVAm 5 in Wasser, DMSO, EtOH,

MeOH, CH2Cl2 und in HFiPrOH sowie eine Fotografie zur Veranschaulichung.

Abb. 7: UV/vis-Absorptionsspektrenserie von 2-nitro-4-(N,N-dimethyl)aminobenzen-funktionalisiertem PNMVAm (PNMVAm 5) in verschiedenen Lösungsmitteln: 1,1,1,3,3,3-Hexafluor-2-propanol (HFiPrOH), Methanol (MeOH), Ethanol (EtOH), Methylenchlorid (CH2Cl2), Wasser (H2O) und Dimethylsulfoxid (DMSO) sowie eine Fotografie des Polymeren in diesen Lösungsmitteln.

In Wasser liegt das UV/vis-Absorptionsmaximum λmax von 2-nitro-4-(N,N-

dimethyl)aminobenzen-funktionalisiertem PNMVAm (PNMVAm 5) bei 510 nm. In

Alkoholen liegen die λmax-Werte hypsochrom verschoben bei ca. 500 nm. Eine

geringe bathochrome Verschiebung zeigt sich in TCE mit λmax = 515 nm, in DMF mit

λmax = 516 nm und in DMSO mit λmax = 520 nm.

In CH2Cl2 und DCE liegen die UV/vis-Absorptionsmaxima ähnlich wie in Wasser bei

510 nm. Die UV/vis-Absorptionsmaxima in TFE (λmax = 476 nm) und in HFiPrOH

(λmax = 462 nm) sind sehr deutlich hypsochrom verschoben.

Der solvatochrome Umfang von PNMVAm 5 (Differenz der UV/vis-Absorptions-

maxima in DMSO und in HFiPrOH) ist mit 2415 cm-1 etwas kleiner als bei PVAm 3

(∆ṽ = 2451 cm-1) und PVAm 4 (∆ṽ = 2849 cm-1).

0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0.8

0.9

1

300 400 500 600 700 800 900 1000

Wellenlänge λλλλ [nm]

Abs

orpt

ion

[a.u

.]

4

6

2

3

5

1

1 HFiPrOH2 EtOH3 MeOH4 H2O5 CH2Cl26 DMSO

196,000 g · mol -1

pH = 11

N NNO2

NH3C CH3

H3CH3C

H

x y

H2O DMSO MeOH CH2Cl2 HFiPrOH

3 Ergebnisse und Diskussion

54

Für 2-nitro-4-(N,N-dimethyl)aminobenzen-funktionalisiertes PNMVAm (PNMVAm 5)

ergibt die multiple Regressionsanalyse nach Kamlet-Taft unter Berücksichtigung der

Lösungsmittelparameter α, β und π* folgende Mehrparametergleichung (Gl. 5):

*1.0650.7600.749 20.576 10cm PNMVAm 31max πβαν −−+=⋅ −− ][)(~ 5 (5)

n = 13; r = 0.947; sd = 0.218; F<0.0001

Aus Gleichung 5 wird deutlich, dass die HBD-Fähigkeit α mit a = 0.749 und die HBA-

Fähigkeit β mit b = -0.760 des Lösungsmittels nahezu gleichwertig einen geringeren

Einfluss auf die solvatochromen Eigenschaften der chromophoren Einheit von

PNMVAm 5 im Vergleich zur Dipolarität/Polarisierbarkeit π* mit s = 1.065 haben. Die

Beträge s/a = 1.42 und s/b = 1.40 sind annähernd gleich groß.

Die Auftragung der nach der Regressionsgeraden (Gl. 5) berechneten Wellenzahlen

ṽmax über die gemessenen Wellenzahlen ṽmax der chromophoren Einheit von 2-nitro-

4-(N,N-dimethyl)aminobenzen-funktionalisiertem PNMVAm (PNMVAm 5) ist in Abb. 8

gezeigt.

Abb. 8: Graphische Auftragung der berechneten über die gemessenen UV/vis-Absorptionsmaxima von 2-nitro-4-(N,N-dimethyl)aminobenzen-funktionalisiertem PNMVAm (PNMVAm 5) in 13 Lösungs-mitteln unter Berücksichtigung der Lösungsmittelparameter α, β und π*.

18.5

19

19.5

20

20.5

21

21.5

22

18.5 19 19.5 20 20.5 21 21.5 22

ṽ max gemessen [cm -1 · 10-3]

ṽm

ax b

erec

hnet

[cm

-1 ·

10-3

]

N NNO2

NH3C CH3

H3CH3C

H

x y

DMSO

CH2Cl2

MeOHEtOH

H2O

HFiPrOH

5

DMF

1-Propanol2-Propanol 1-Butanol

TFE

DCE

TCE

3 Ergebnisse und Diskussion

55

Alle Werte liegen gut in der Nähe der Geraden (r = 0.947), so dass die

solvatochromen Eigenschaften von 2-nitro-4-(N,N-dimethyl)aminobenzen-

funktionalisiertem PNMVAm (PNMVAm 5) mit den empirischen Lösungsmittel-

parametern α, β und π* nach Kamlet-Taft gut korrelierbar sind.

In der Tabelle 3 sind die Ergebnisse der UV/vis-spektroskopischen Untersuchungen

von 2-nitro-4-aminobenzen-funktionalisiertem PVAm (PVAm 3), 2-nitro-4-(N,N-

dimethyl)aminobenzen-funktionalisiertem PVAm (PVAm 4) und von 2-nitro-4-(N,N-

dimethyl)aminobenzen-funktionalisiertem PNMVAm (PNMVAm 5) in verschiedenen

Lösungsmitteln und die entsprechenden Lösungsmittelparametern α, β und π* nach

Kamlet-Taft zusammengefasst.

Tab. 3: Zusammenfassung der Ergebnisse aus UV/vis-spektroskopischen Untersuchungen von 2-nitro-4-aminobenzen-funktionalisierten Polyvinylaminen PVAm 3, PVAm 4 und PNMVAm 5 mit Bezug zu den empirischen Lösungsmittelparametern α, β und π* nach Kamlet und Taft.

λmax [nm]

Lösungs-

mittel α β π*

NH2 NHNO2

NH2

x y

PVAm 3

NH2 NHNO2

NH3C CH3

x y

PVAm 4

x yN CH3

H

N CH3

NO2

NH3C CH3

PNMVAm 5

H2O 1.17 0.47 1.09 517 510 510

DMSO 0.00 0.76 1.00 544 540 520

DMF 0.00 0.69 0.88 534 535 516

MeOH 0.98 0.66 0.60 508 520 500

EtOH 0.86 0.75 0.54 509 520 500

1-Propanol 0.84 0.90 0.52 514 522 500

2-Propanol 0.76 0.84 0.48 510 521 501

1-Butanol 0.84 0.84 0.47 510 520 500

CH2Cl2 0.13 0.10 0.82 512 531 510

DCE 0.10 0.10 0.81 nicht löslich nicht löslich 510

TCE 0.00 0.10 0.95 nicht löslich nicht löslich 515

TFE 1.51 0.00 0.73 486 482 476

HFiPrOH 1.96 0.00 0.65 480 468 462

3 Ergebnisse und Diskussion

56

Die UV/vis-Absorptionsbanden der 2-nitro-4-aminobenzen-funktionalisierten

Polyvinylamine PVAm 3, PVAm 4 und PNMVAm 5 sind im Vergleich zu

entsprechenden niedermolekularen 2-Nitro-4-phenylendiamin-Derivaten bathochrom

verschoben.34,35 Das bedeutet, dass die Basizitäten der unsubstituierten Vinylamin-

Einheiten im Polymerrückrat möglicherweise Einfluss auf die Lage der UV/vis-

Absorptionsbanden der chromophoren Einheiten nehmen.

Durch die Möglichkeit der Ausbildung von intramolekularen H-Brückenbindungen bei

PVAm 3 und PVAm 4 (zwischen dem Anilinwasserstoff und der ortho-Nitrogruppe)

und der in 1-Stellung befindlichen Methylgruppe bei PNMVAm 5 ist davon

auszugehen, dass die solvatochromen Eigenschaften hauptsächlich von den

unterschiedlichen Möglichkeiten der Ausbildung von H-Brückenbindungen mit der in

para-Stellung befindlichen Aminogruppe bzw. para-N,N-Dimethylaminogruppe zum

Lösungsmittel herrühren.

Die Größe des α-Wertes (HBD Acidität) eines Lösungsmittels als Maß für die Stärke

als HBD-Lösungsmittel und die Größe des β-Wertes (HBA Basizität) als Maß für die

Stärke des Lösungsmittels als HBA-Lösungsmittel zu fungieren, haben

entscheidenden Einfluss auf die UV/vis-Absorptionseigenschaften von PVAm 3,

PVAm 4 und PNMVAm 5. Protische Lösungsmittel wie Wasser und Alkohole können

sowohl als HBA Lösungsmittel als auch als HBD Lösungsmittel wirken. So können

Wasserstoffbrückenbindungen zum einen über den para-Aminostickstoff bei

PVAm 3 in einem HBA-Lösungsmittel und zum anderen über die para-N,N-

Dimethylaminogruppe bei PVAm 4 und PNMVAm 5 in einem HBD-Lösungsmittel

ausgebildet werden.

In Wasser mit hohem α-Wert und hohem π*-Wert liegen die UV/vis-Absorptions-

maxima des PVAm 3 bei λmax = 517 nm und die der PVAm 4 und PNMVAm 5 bei

λmax = 510 nm. In DMSO als sehr polares, starkes HBA-Lösungsmittel mit hohem

π*- und einem höheren β-Wert als Wasser zeigen alle drei Polymeren die größte

bathochrome Verschiebung. In DMF mit einem etwas geringeren β- und π*-Wert als

DMSO sind die UV/vis-Absorptionsmaxima bathochrom verschoben im Vergleich zu

Wasser, jedoch etwas weniger als in DMSO. In Alkoholen liegen die UV/vis-

Absorptionsmaxima von PVAm 3 um 510 nm, bei PVAm 4 um 520 nm und bei

PNMVAm 5 um 500 nm.

3 Ergebnisse und Diskussion

57

In CH2Cl2 liegen die UV/vis-Absorptionsmaxima von allen drei Polymeren aufgrund

des höheren π*-Wertes im Vergleich zu Alkoholen bathochrom verschoben

(s. auch niedermolekulare 2-Nitro-4-phenylendiamin-Derivate).34,35

Alle drei 2-nitro-4-aminobenzen-funktionalisierten Polyvinylamine PVAm 3, PVAm 4

und PNMVAm 5 zeigen in HFiPrOH als sehr starkes HBD-Lösungsmittel (großer

α-Wert) eine deutlich hypsochrome Verschiebung der UV/vis-Absorptionsbanden.

Das deutet auf sehr starke Solvatation der Aminogruppen in 4-Stellung hin, die zur

starken Absenkung der Donorstärke der Aminogruppen führt. Die UV/vis-

Absorptionsmaxima liegen dann fast im Bereich von 2-nitrophenyl-funktionalisiertem

PVAm. In TFE sind die hypsochromen Verschiebungen der UV/vis-Absorptions-

maxima von PVAm 3, PVAm 4 und PNMVAm 5 aufgrund des etwas niedrigeren

α-Wertes und des etwas höheren π*-Wertes im Vergleich zu HFiPrOH etwas

geringer.

Die Einführung von zwei Methylgruppen in 4-Stellung (Erhöhung der Donorstärke der

4-Aminogruppe) bei PVAm 4 im Vergleich zu PVAm 3 äußert sich in Alkoholen und

CH2Cl2 in einer bathochromen Verschiebung des UV/vis-Absorptionsmaximums des

π-Elektronen-push-pull-Systems. Das zeigt sich auch bei niedermolekularen 2-Nitro-

4-phenylendiamin-Derivaten.34,35

Durch die Monoalkylsubstitution in 1-Stellung bei PVAm 3 und bei PVAm 4 können

über die –NH-Gruppen Wasserstoffbrückenbindungen zu den benachbarten ortho-

NO2-Gruppen ausgebildet werden, die helfen die molekulare Coplanarität zu

erhalten. Die Einführung einer weiteren Methylgruppe in 1-Stellung bei PNMVAm 5

erhöht zwar die Donorstärke des Aminostickstoffs im Vergleich zu PVAm 3 und

PVAm 4, doch durch die sterische Nähe zur ortho-Nitrogruppe wird die Coplanarität

gestört. Das führt zum Verlust an Resonanzstabilisierung, was sich bei PNMVAm 5

an der hypsochromen Verschiebung der UV/vis-Absorptionsbande im Vergleich zu

PVAm 4 in allen untersuchten Lösungsmitteln zeigt.118

In Tabelle 4 sind die Ergebnisse der Untersuchungen des solvatochromen

Verhaltens von PVAm 3, PVAm 4 und PNMVAm 5 in 11 bzw. 13 Lösungsmittel aus

Regressionsanalysen nach der Mehrparametergleichung von Kamlet und Taft (Gl. 1)

zusammengefasst. Der in Tab. 4 gezeigte solvatochrome Umfang (Differenz der

UV/vis-Absorptionsmaxima in DMSO und HFiPrOH) ist bei PVAm 4 mit

∆ṽ = 2849 cm-1 im Vergleich zu PVAm 3 mit ∆ṽ = 2451 cm-1 und PNMVAm 5 mit

∆ṽ = 2415 cm-1 am größten.

3 Ergebnisse und Diskussion

58

Tabelle 4: Zusammenfassung der Ergebnisse der multiplen Regressionsanalysen nach Kamlet und Taft (Gl. 1) von 2-nitro-4-aminobenzen-funktionalisierten Polyvinylaminen PVAm 3, PVAm 4 und PNMVAm 5 mit n = Anzahl der Lösungsmittel, a, b und s als lösungsmittelunabhängige Korrelationskoeffizienten der Lösungsmittelparameter α, β und π*, r = Bestimmtheitsmaß der Geraden und ∆ṽ = solvatochromer Umfang in DMSO und HFiPrOH.

Polymerstruktur (pH = 11)

n (XYZ)0 a b s r ∆ṽ

[cm-1]

NH2 NHNO2

NH2

x y

11 20771 [cm-1]

481 nm 0.557 -1.104 -1.478 0.997 2451

NH2 NHNO2

NH3C CH3

x y

11 19011 [cm-1]

526 nm 1.084 -0.852 - 0.968 2849

x yN CH3

H

N CH3

NO2

NH3C CH3

13 20576 [cm-1]

486 nm 0.749 -0.760 -1.065 0.947 2415

Auf die solvatochromen Eigenschaften von PVAm 3 und PNMVAm 5 haben die

Dipolarität/Polarisierbarkeit π* und die HBA-Fähigkeit β des verwendeten

Lösungsmittels den größten Einfluss. Die negativen Vorzeichen der

Korrelationskoeffizienten b und s zeigen, dass vor allem hohe β-Werte und hohe

π*-Werte des verwendeten Lösungsmittels zu starker bathochromer Verschiebung

des UV/vis-Absorptionsmaximums führen. Das Verhältnis dieser zwei Korrelations-

koeffizienten ist bei PVAm 3 mit s/b = 1.34 in etwa so groß wie bei PNMVAm 5 mit

s/b = 1.40. Bei PVAm 3 hat jedoch die HBD-Fähigkeit α der verwendeten

Lösungsmittel mit a = 0.557 (Betrag von s/a = 2.65) einen deutlich geringeren

Einfluss auf die solvatochromen Eigenschaften als bei PNMVAm 5 mit a = 0.749

(Betrag von s/a = 1.42). Im Gegensatz zu PVAm 3 und PNMVAm 5 hat bei PVAm 4

die Dipolarität/Polarisierbarkeit π* der Lösungsmittel keinen Einfluss auf die

solvatochromen Eigenschaften. Der Betrag des Verhältnisses der Korrelations-

koeffizienten a zu b mit 1.27 macht zudem deutlich, dass auf die solvatochromen

Eigenschaften von PVAm 4 die HBA-Fähigkeit β einen geringeren Einfluss als die

HBD-Fähigkeit α der verwendeten Lösungsmittel hat.

3 Ergebnisse und Diskussion

59

3.1.4 Dinitrophenyl-funktionalisierte Polyvinylami ne mittels

1-Fluor-2,4-dinitrobenzen (Sangers Reagenz)

Für die Funktionalisierung von PVAm (15,000 g·mol-1) wurden die Molverhältnisse

von Sangers Reagenz/β-DMCD zu PVAm mit 0.0763, 0.1526, 0.2289 und 0.3053

(zur Vergleichbarkeit der Umsetzungen mit 2-FNB und 4-FNB) gewählt. Die

nucleophile aromatische Substitution von Sangers Reagenz mit PVAm zu

2,4-dinitrophenyl-funktionalisiertem PVAm (PVAm 6) ist in Schema 26 gezeigt.

Schema 26: Schematische Darstellung der Funktionalisierung von PVAm mit einem Molekulargewicht von 15,000 g·mol-1 mit Sangers Reagenz/β-DMCD-Komplexen in Wasser und entsprechende Reaktionsbedingungen.

Die Funktionalisierungsreaktion ist sofort bei Zugabe der PVAm-Lösung zur

wässrigen Sangers Reagenz/β-DMCD-Lösung durch den schlagartigen Farbum-

schlag von farblos zu intensiv gelb zu erkennen. PVAm 6 löst sich nicht vollständig in

Wasser, auch in Methanol ist nur ein geringer Anteil löslich und Quellung des

Polymeren zu beobachten. Das lässt auf einen hohen Funktionalisierungsgrad

schließen.

Der lösliche Anteil von 2,4-dinitrophenyl-funktionalisiertem PVAm (PVAm 6) zeigt in

Wasser und in Methanol die in Abb. 9 links dargestellten UV/vis-Absorptions-

spektren. Es zeigt sich eine bathochrome Verschiebung des UV/vis-Absorptions-

maximums von PVAm 6 in Wasser mit λmax = 358 nm (Schulter: 423 nm) im

Vergleich zu Methanol mit λ max = 352 nm (Schulter: 410 nm), jedoch nicht in solch

großem Umfang im Vergleich zu 4-nitrophenyl-funktionalisiertem PVAm (PVAm 1,

∆λ ≈ 23 nm) bzw. 2-nitrophenyl-funktionalisiertem PVAm (PVAm 2, ∆λ ≈ 18 nm).

F NO2

O2N NH2 NH

NO2

NO2

x y

+

NH2n

H2O

FDNB/ββββ-DMCD-KomplexPVAm

15,000 g · mol -1

100 °C8 h

3 Ergebnisse und Diskussion

60

Abb. 9: Links: UV/vis-Absorptionsspektren des löslichen Anteils von 2,4-dinitrophenyl-funktionalisiertem PVAm (PVAm 6) in Wasser und in Methanol mit Fotografie des festen Polymeren und rechts: UV/vis-Absorptionsspektrum von 2,4-Dinitro-N-isopropylamin als Modellverbindung in Methanol.

Im festen Zustand hat PVAm 6 eine orange bis orange-braune Farbe

(s. Fotografie in Abb. 9). Die Resonanzstabilisierung der chromophoren Einheit von

PVAm 6 kann sowohl über die ortho-Nitrogruppe als auch über die para-Nitrogruppe

erfolgen.

Aufgrund der strukturellen Ähnlichkeit zur chromophoren Einheit des Polymeren

wurde 2,4-Dinitro-N-isopropylanilin als Modellverbindung ausgewählt. Die Synthese

erfolgte durch nucleophile aromatische Substitution von Sangers Reagenz mit

i-Propylamin in Toluol (s. Abschnitt 5.6. Experimenteller Teil).

Die Lage und Form der UV/vis-Absorptionsbande des löslichen Anteils von

2,4-dinitrophenyl-funktionalisiertem PVAm (PVAm 6, s. Abb. 9 links) weist mit

Vergleich zur Modellverbindung in Methanol (s. Abb. 9 rechts) auf die erfolgreiche

Bildung des π-Elektronen-push-pull-Systems - chromophore Einheit von PVAm 6 -

hin. Die schlechte Löslichkeit sowohl in Wasser als auch in Methanol deutet auf

hohen Umsatz an Sangers Reagenz und/oder Vernetzung der Polymerketten

untereinander hin, was in einem späteren Abschnitt näher diskutiert wird.

0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0.8

0.9

1

300 400 500 600 700 800

Wellenlänge λλλλ [nm]

Abs

orpt

ion

[a.u

.]NH2 NH

NO2

NO2

x y

410

15,000 g · mol -1

pH = 11

0.0

0.2

0.4

0.6

0.8

1.0

1.2

300 400 500 600 700

Wellenlänge λλλλ [nm]

Abs

orpt

ion

in M

eOH

[a.u

.]

N

CH3

H3CH

NO2

NO2

349

410

2,4-Dinitro- N -isopropylanilin

352

MeOH

H2O

423

358

3 Ergebnisse und Diskussion

61

1,5-Difluor-2,4-dinitrobenzen (DFDNB)

Für die nucleophile aromatische Substitution von DFDNB mit PVAm (15,000 g·mol-1)

wurde ein Molverhältnis von DFDNB/β-DMCD zu PVAm mit 0.3053 gewählt. Die

Funktionalisierung von PVAm in Wasser mit DFDNB mittels β-DMCD als

Löslichkeitsvermittler zu 2,4-dinitro-1,5-phenylendiamin-funktionalisiertem PVAm

(PVAm 7) ist in Schema 27 verdeutlicht.

Schema 27: Schematische Darstellung der Funktionalisierung von PVAm mit einem Molekulargewicht von 15,000 g·mol-1 mit DFDNB/β-DMCD-Komplexen in Wasser und entsprechende Reaktionsbedingungen.

PVAm 7 löst sich sowohl in Wasser als auch in Methanol nur sehr schlecht. Der

Vergleich der UV/vis-Absorptionsspektren des in Wasser und des in Methanol

löslichen Anteils von PVAm 7 mit der entsprechenden Modellverbindung 2,4-Dinitro-

N,N´-diisopropyl-1,5-phenylendiamin (Synthese und Charakterisierung siehe

Abschnitt 5.6) ist in Abb. 10 gezeigt. Als Feststoff hat PVAm 7 eine orange bis

orange-braune Farbe, was die Fotografie in Abb. 10 verdeutlichen soll.

Es ist erwartungsgemäß eine bathochrome Verschiebung der UV/vis-Absorptions-

doppelbande in Wasser (λ1 = 338 nm und λ2 = 423 nm) im Vergleich zu Methanol

(λ1 = 332 nm und λ2 = 414 nm) zu erkennen. Der solvatochrome Umfang ist jedoch

aufgrund der Kreuzkonjugation nicht so groß im Vergleich zum 2-nitrophenyl-

funktionalisiertem PVAm (PVAm 2) bzw. 4-nitrophenyl-funktionalisiertem PVAm

(PVAm 1).

Die entsprechende niedermolekulare Modellverbindung 2,4-Dinitro-N,N´-diisopropyl-

1,5-phenylendiamin zeigt ebenfalls eine UV/vis-Absorptionsdoppelbande mit

λ1 = 332 nm und λ2 = 417 nm (s. Abb. 10 rechts).

F

O2N

F

NO2

+

NH2n

H2O

DFDNB/ββββ-DMCD-KomplexPVAm

15,000 g · mol -1

100 °C8 h NH2 NH

NO2

NO2

N

x y

H

3 Ergebnisse und Diskussion

62

Abb. 10: Links: UV/vis-Absorptionsspektren des löslichen Anteils von 2,4-dinitro-1,5-phenylendiamin-funktionalisiertem PVAm (PVAm 7) in Wasser und in Methanol mit Fotografie des festen Polymeren und rechts: UV/vis-Absorptionsspektrum von 2,4-Dinitro-N,N´-diisopropyl-1,5-phenylendiamin als Modellverbindung in Methanol.

Die Lage und Form der UV/vis-Absorptionsbanden von 2,4-dinitro-1,5-

phenylendiamin-funktionalisiertenm PVAm (PVAm 7) deuten mit dem Vergleich des

UV/vis-Absorptionsspektrums der Modellverbindung auf Disubstitution von

1,5-Difluor-2,4-dinitrobenzen durch PVAm hin. Auch aufgrund der schlechten

Löslichkeit ist von teilweiser Disubstitution beider Fluorsubstituenten, und damit von

partieller Vernetzung der Polymerketten untereinander auszugehen, was später in

Abschnitt 3.2.3 näher diskutiert wird.

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

1.2

300 400 500 600 700

Wellenlänge λλλλ [nm]

Abs

orpt

ion

[a.u

.]

338

423

NH2 NH

NO2

NO2

N

x y

H

-0.1

0.1

0.3

0.5

0.7

0.9

1.1

1.3

1.5

1.7

300 400 500 600 700

Wellenlänge λλλλ [nm]A

bsor

ptio

n in

MeO

H [a

.u.]

332

417

NN

NO2O2N

HH

414

332

H2O

MeOH

3 Ergebnisse und Diskussion

63

3.1.5 2-Nitro-4-azobenzen-funktionalisiertes Polyv inylamin mittels

4-Fluor-3-nitroazobenzen (FNAzoB)

Für die Funktionalisierung von PVAm (15,000 g·mol-1) wurden die Molverhältnisse

von FNAzoB/β-DMCD zu PVAm mit 0.0763, 0.1526, 0.2289 und 0.3053 gewählt. Die

nucleophile aromatische Substitution von FNAzoB/β-DMCD mit PVAm zu 2-nitro-4-

azobenzen-funktionalisiertem PVAm (PVAm 8) ist in Schema 28 exemplarisch

gezeigt.

Schema 28: Schematische Darstellung der Funktionalisierung von PVAm mit einem Molekulargewicht von 15,000 g·mol-1 mit FNAzoB/β-DMCD-Komplexen in Wasser und entsprechende Reaktionsbedingungen.

PVAm 8 löst sich in Wasser nur teilweise und in Methanol ist PVAm 8 sogar

unlöslich. Das könnte ein Indiz auf einen hohen Substitutionsgrad und damit einen

hohen Umsatz an 4-Fluor-3-nitroazobenzen sein.

Abb. 11 links zeigt ein UV/vis-Absorptionsspektrum des in Wasser löslichen Anteils

von 2-nitro-4-azobenzen-funktionalisiertem PVAm (PVAm 8). Der Vergleich der

UV/vis-Absorptionsspektren der entsprechenden Modellverbindung N-Isopropyl-4-

azobenzen-2-nitroanilin (Abb. 11 rechts), welche aus i-Propylamin und 4-Fluor-3-

nitroazobenzen synthetisiert wurde (Synthesedurchführung und Charakterisierung

siehe Abschnitt 5.6), zeigt in Methanol eine ähnliche Lage und Form der UV/vis-

Absorptionsbande wie der wasserlösliche Anteil von PVAm 8.

F N

O2N

N

NH2 NH

NO2

NN

x y+

NH2n

H2O

FNAzoB/ ββββ-DMCD-KomplexPVAm

15,000 g · mol -1

100 °C8 h

3 Ergebnisse und Diskussion

64

Abb. 11: Links: UV/vis-Absorptionsspektrum des löslichen Anteils von 2-nitro-4-azobenzen-funktionalisiertem PVAm (PVAm 8) in Wasser mit Fotografie des festen Polymeren und rechts: UV/vis-Absorptionsspektrum von N-Isopropyl-4-azobenzen-2-nitroanilin als Modellverbindung in Methanol.

Sowohl bei PVAm 8 als auch der entsprechenden Modellverbindung N-Isopropyl-4-

azobenzen-2-nitroanilin zeigen die UV/vis-Absorptionsspektren ein UV/vis-

Absorptionsmaximum bei λmax = 370 nm und eine Schulter bei λ(Schulter) = 435 nm.

Das deutet auf die erfolgreiche Funktionalisierung von PVAm mit 4-Fluor-3-

nitroazobenzen hin. Ein direkter Vergleich der UV/vis-Absorptionsspektren in

Methanol ist jedoch nicht möglich, da sich 2-nitro-4-azobenzen-funktionalisiertes

PVAm (PVAm 8) nicht in Methanol löst.

Es liegt die Vermutung nahe, dass bei PVAm 8 nur eine geringe Abhängigkeit der

Lage der UV/vis-Absorptionsbande von der Natur des Lösungsmittels (Wasser bzw.

Methanol) zu erwarten ist, da das UV/vis-Absorptionsspektrum der Modellverbindung

in Methanol dem UV/vis-Absorptionsspektrum von PVAm 8 in Wasser sehr ähnlich

ist.

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

1.2

1.4

300 400 500 600 700

Wellenlänge λ λ λ λ [nm]

Abs

orpt

ion

in H

2O [a

.u.]

370NH2 NH

NO2

NN

x y

0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0.8

300 400 500 600 700 800

Wellenlänge λλλλ [nm]

Abs

orpt

ion

in M

eOH

[a.u

.]

368

435

NCH

NN

O2NH

CH3

H3C

435

3 Ergebnisse und Diskussion

65

3.1.6 2,4´-Dinitrostilben-funktionalisiertes Polyv inylamin mittels

4-Fluor-3,4´-dinitrostilben (FDNstilben)

4-Fluor-3,4´-dinitrostilben (FDNstilben) wurde über eine Horner-Wadsworth-Emmons-

Reaktion119,120 aus kommerziell erhältlichen 4-Fluor-3-nitrobenzaldehyd und

4-Nitrobenzyl-diethylphosphonat mit Natriumethanolat (NaOEt) als Base in THF

synthetisiert. Schema 29 zeigt eine schematische Darstellung des

Reaktionsmechanismus einer Horner-Wadsworth-Emmons-Reaktion zum

gewünschten 4-Fluor-3,4´-dinitrostilben (FDNstilben).119,120

Schema 29: Schematische Darstellung des Mechanismus der Reaktion von 4-Fluor-3-nitrobenzaldehyd mit 4-Nitrobenzyldiethylphosphonat mittels Natriumethanolat als Base zu 4-Fluor-3,4´-dinitrostilben.

Die Synthesedurchführung und Charakterisierung des Fluoraromaten ist in Abschnitt

5.6.2 (Experimenteller Teil) ausführlich dargelegt. Ein Vorteil dieser Reaktion

gegenüber der Wittig-Reaktion ist die Wasserlöslichkeit des Phosphorsäureesters als

Nebenprodukt, der leichter abgetrennt werden kann als das bei der Wittig-Reaktion

gebildete Triphenylphospinoxid.48 Ein Nachteil ist die hier eingesetzte Base

Natriumethanolat, die durch Substitution des Fluorsubstituenten am 4-Fluor-3-

nitrobenzaldehyd zu 4-Ethoxy-3,4´-dinitrostilben als Nebenprodukt führen kann.

+

RCP

O H

HEtO

EtO

+

EtOH

Na EtO

Na

RCP

HOEtO

EtO

F

NO2

CO

H

Na

P

O

RC

H

CHO

F

NO2

EtO

EtO

Na

P

O

RC

H

CH

F

NO2

EtO

EtOOF

NO2

CC

H

H

O2NNa

P

OEtO

EtOO

NO2R:

3 Ergebnisse und Diskussion

66

Für die nucleophile aromatische Substitution von 4-Fluor-3,4´-dinitrostilben

(FDNstilben) mit PVAm (15,000 g·mol-1) wurde ein Molverhältnis von

FDNstilben/β-DMCD-Komplex zu PVAm mit 0.1526 eingesetzt. 2,4´-Dinitrostilben-

funktionalisiertes PVAm (PVAm 9) löst sich sowohl in Wasser als auch in Methanol,

jedoch nicht so gut im Vergleich zu 2- und 4-nitrophenyl-funktionalisiertem PVAm.

UV/vis-Absorptionsspektren von PVAm 9 in Wasser und in Methanol sowie eine

Fotografie des festen Polymeren sind in Abb. 12 links dargestellt. Abb. 12 rechts

zeigt ein UV/vis-Absorptionsspektrum der entsprechenden Modellverbindung 4-N-

Isopropylamino-3,4´-dinitrostilben, welche aus i-Propylamin und 4-Fluor-3,4´-

dinitrostilben synthetisiert wurde (Synthese und Charakterisierung s. Abschnitt 5.6).

Abb. 12: Links: UV/vis-Absorptionsspektren von 2,4´-dinitrostilben–funktionalisiertem PVAm (PVAm 9) in Wasser und in Methanol sowie eine Fotografie des festen Polymeren und rechts: UV/vis-Absorptionsspektrum von 4-N-Isopropylamino-3,4´-dinitrostilben als Modellverbindung in Methanol.

Sowohl in Wasser als auch in Methanol sind die UV/vis-Absorptionsbanden von

PVAm 9 sehr breit (Überlagerung zweier Elektronenübergänge). Die Lage und Form

der UV/vis-Absorptionsbande von PVAm 9 in Methanol mit λmax = 390 nm (Schulter

bei λ = 440 nm) deutet mit Vergleich zur Modellverbindung (s. Abb. 12 rechts) auf

eine erfolgreiche Funktionalisierung von PVAm hin. In Abhängigkeit vom

Lösungsmittel (Wasser bzw. Methanol) ist bei PVAm 9 kein signifikanter Unterschied

zwischen den UV/vis-Absorptionsspektren zu erkennen.

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

1.2

300 400 500 600 700 800

Wellenlänge λλλλ [nm]

Abs

orpt

ion

[a.u

.] H2O

MeOH

390

390

NH2 NHNO2

NO2

x y

15,000 g · mol -1

pH = 11

0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0.8

0.9

1

300 400 500 600 700 800

Wellenlänge λλλλ [nm]

Abs

orpt

ion

in M

eOH

[a.u

.]390

N

NO2

NO2

H

3 Ergebnisse und Diskussion

67

In Tab. 5 sind ausgewählte Ergebnisse des Löslichkeitsverhaltens und der UV/vis-

Absorptionseigenschaften von funktionalisierten PVAm´s (15,000 g·mol-1), die über

β-DMCD in Wasser synthetisiert wurden, zum besseren Überblick zusammengefasst.

Tab. 5: Zusammenfassung ausgewählter Ergebnisse des Löslichkeiten und der UV/vis-Absorptions-eigenschaften der in Wasser über β-DMCD synthetisierten funktionalisierten PVAm´s (15,000 g·mol-1).

Funktionalisiertes PVAm

(15,000 g · mol-1)

eingesetztes Verhältnis n Fluoraromat

n PVAm

Löslich-keit in H2O

Löslich-keit in MeOH

λmax in H2O [nm]

pH = 11

λmax in MeOH [nm]

0.0763 0.1527 0.2289 0.3053

gut gut 413 390

NH2 NHNO2

x y

0.0763 0.1527 0.2289 0.3053

gut gut 450 432

NH2 NHNO2

NH2

x y

0.0763 0.1527 0.2289 0.3053

gut gut 517 508

NH2 NHNO2

NH3C CH3

x y

0.0763 0.1527 0.2289 0.3053

gut gut 510 520

NH2 NHNO2

NO2

x y

0.0763 0.1527 0.2289 0.3053

nicht voll-

ständig

kaum löslich,

quellend

358

Schulter: 423

352

Schulter: 410

NH2 NH

NO2

NO2

N

x y

H

0.3053 nicht voll-

ständig

kaum löslich,

quellend

Doppel-bande:

338 423

Doppel-bande:

332 414

NH2 NHNO2

NN

x y

0.0763 0.1527 0.2289 0.3053

nicht voll-

ständig

nicht löslich

373

Schulter: 435

-

NH2 NHNO2

NO2

x y

0.1527 gut gut

390

Schulter: 440

390

Schulter: 440

NH2 NH

NO2

x y

3 Ergebnisse und Diskussion

68

3.1.7 Abhängigkeit der UV/vis-Absorptionseigenscha ften vom pH-Wert

Die mittels 2-FNB und 4-FNB synthetisierten Polyvinylamine PVAm 1 und PVAm 2

zeigen in Abhängigkeit vom pH-Wert der Lösung geringe Verschiebungen der Lage

der UV/vis-Absorptionsmaxima. Am Beispiel von 2-nitrophenyl-funktionalisiertem

PVAm (PVAm 2) ist in Abb. 13 die bathochrome Verschiebung des UV/vis-

Absorptionsmaximums mit Zunahme des pH-Wertes gezeigt. Für die Einstellung der

pH-Werte wurde HCl- bzw. NaOH-Lösung verwendet.

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

1.2

1.4

300 350 400 450 500 550 600 650 700 750 800

Wellenlänge λλλλ [nm]

Abs

orpt

ion

[a.u

.]

pH = 1.36 → 432 nmpH = 4.93 → 434 nmpH = 7.29 → 440 nmpH = 8.00 → 442 nmpH = 12.09 → 450 nm

NH2 NHNO2

x y

420

430

440

450

460

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

pH-Wert

λλ λλ max

[nm

]

Abb. 13: UV/vis-Absorptionsspektrenserie von 2-nitrophenyl-funktionalisiertem PVAm (PVAm 2) bei unterschiedlichen pH-Werten (Inset: graphische Darstellung des UV/vis-Absorptionsmaximums in Abhängigkeit vom pH-Wert von PVAm 2).

Durch Protonierung der Aminogruppen wird der Elektronendruck der 1-Aminogruppe

der chromophoren Einheit herabgesetzt, was zur Absenkung der

Resonanzstabilisierung und damit zur Aufhebung des push-pull-Systems im PVAm 2

führt. Die bathochrome Verschiebung der UV/vis-Absorptionsbande von PVAm 2 bei

pH = 1 zu pH = 12 ist mit ∆λ = 18 nm jedoch nicht sehr groß.

Die mittels Sangers Reagenz (PVAm 6), DFDNB (PVAm 7), FNAzoB (PVAm 8) und

FDNstilben (PVAm 9) funktionalisierten PVAm´s zeigen keine signifikante

Verschiebung der UV/vis-Absorptionsbanden in Abhängigkeit vom pH-Wert.

3 Ergebnisse und Diskussion

69

Zusammenfassend sind in Tabelle 6 die Änderungen der UV/vis-Absorptions-

eigenschaften der chromophoren Einheiten von PVAm 1, PVAm 2, PVAm 6,

PVAm 7, PVAm 8 und PVAm 9 bei Änderung des pH-Wertes gezeigt.

Tab. 6: Zusammenfassung der UV/vis-Absorptionseigenschaften der mittels 4-FNB, 2-FNB, Sangers Reagenz, DFDNB, FNAzoB und FDNstilben funktionalisierten PVAm´s bei pH=1, pH=7 und pH=11.

λmax [nm] von funktionalisiertem PVAm eingesetzter

Fluoraromat pH = 1 pH = 7 pH = 11

F NO2

390 406 413

F

O2N 432 440 450

F

O2N

NO2

350

Schulter: 410

354

Schulter: 415

358

Schulter: 423

F

O2N

NO2

F

Doppelbande

335

416

Doppelbande

338

423

Doppelbande

338

423

F

O2N

NN

370

Schulter: 435

370

Schulter: 435

370

Schulter: 435

F

O2N

NO2

390

Schulter: 440

390

Schulter: 440

390

Schulter: 440

Sehr interessante UV/vis-Absorptionseigenschaften in Abhängigkeit vom

pH-Wert zeigen die mittels 4-FNA und 4-DMFNA funktionalisierten Polyvinylamine

PVAm 3, PVAm 4 und PNMVAm 5 auf die nachfolgend näher eingegangen wird.

3 Ergebnisse und Diskussion

70

Eine UV/vis-Absorptionsspektrenserie von 2-nitro-4-aminobenzen-funktionalisiertem

PVAm (PVAm 3) bei unterschiedlichen pH-Werten sowie eine Fotografie zur

Veranschaulichung sind in Abb. 14 gezeigt.

Abb. 14: UV/vis-Absorptionsspektrenserie von 2-nitro-4-aminobenzen-funktionalisiertem PVAm (PVAm 3) bei verschiedenen pH-Werten sowie eine Fotografie des gelösten Polymeren bei pH = 1, pH = 7 und pH = 11.

Die UV/vis-Absorptionsspektrenserie von PVAm 3 zeigt zwei isosbestische Punkte

bei 341 nm und 466 nm, die auf 1:1-Protonierungsgleichgewichte hinweisen. Beim

isosbestischen Punkt definierter Wellenlänge haben die unterschiedlich protonierten

Spezies gleiche molare Absorptionskoeffizienten. Es besteht ein linearer

Zusammenhang der Konzentrationsänderungen der nebeneinander vorliegenden,

verschiedenen absorbierenden Spezies, wenn der pH-Wert variiert wird.48

Im stark Basischen (pH = 11.87) liegt das UV/vis-Absorptionsmaximum der

chromophoren Einheit von PVAm 3 bei λ = 519 nm, im Sauren (pH = 0.74) bei

λ = 424 nm. Protonierte Aminogruppen in 4-Stellung verringern die Möglichkeit von

intramolekularen charge-transfer-Übergängen von der Aminogruppe in 4-Stellung zur

Nitrogruppe in 2-Stellung. Das äußert sich in einer hypsochromen Verschiebung der

UV/vis-Absorptionsbande. Die in 4-Stellung protonierte Spezies der chromophoren

Einheit von PVAm 3 zeigt daher ein UV/vis-Absorptionsspektrum, welches nahezu

dem des 2-nitrophenyl-funktionalisierten PVAm´s (PVAm 2) entspricht.

0

0.05

0.1

0.15

0.2

0.25

0.3

0.35

0.4

300 400 500 600 700 800 900 1000

Wellenlänge λλλλ [nm]

Abs

orpt

ion

[a.u

.]

466

341

1: pH = 1.122: pH = 2.873: pH = 3.144: pH = 4.665: pH = 7.366: pH = 9.747: pH = 11.87

1

2

34

5

6

7

pH = 1 pH = 7 pH = 11

NH2 NHNO2

NH2

x y

15,000 g · mol -1

3 Ergebnisse und Diskussion

71

Mit Kenntnis der UV/vis-Absorptionsmaxima beider Spezies (unprotoniert und

protoniert) der chromophoren Einheit von PVAm 3 und dem Vorhandensein eines

isosbestischen Punktes im sichtbaren Bereich bei 466 nm kann über die Henderson-

Hasselbalch-Gleichung (Gl. 6) der pKS-Wert der chromophoren Einheit von 2-nitro-4-

aminobenzen-funktionalisiertem PVAm (PVAm 3) ermittelt werden.48

[HA]][A

logpKpH S

+= (6)

Dabei bedeutet [A-] die Konzentration des Protonenakzeptors (unprotonierte Spezies

der chromophoren Einheit von PVAm 3 bei λ = 519 nm) und [HA] die Konzentration

des Protonendonors (protonierte Spezies der chromophoren Einheit von PVAm 3 bei

λ = 424 nm). Die graphische Auftragung der UV/vis-Absorption von PVAm 3 bei

424 nm und 519 nm ist in Abb. 15 links) und die Ermittlung des pKS-Wertes der

chromophoren Einheit von PVAm 3 nach Gl. 6 ist in Abb. 15 rechts gezeigt.

Abb. 15: Links: Graphische Darstellung der UV/vis-Absorption bei den entsprechenden UV/vis-Absorptionsmaxima der protonierten und unprotonierten Spezies der chromophoren Einheit von PVAm 3 in Abhängigkeit vom pH-Wert. Rechts: Graphische Darstellung von log(A519/A424) in Abhängigkeit vom pH-Wert zur Ermittlung des pKS-Wertes nach Henderson-Hasselbalch.

Nach Gl. 6 liefert die Auftragung des Logarithmus des Quotienten aus der UV/vis-

Absorption bei 519 nm und der UV/vis-Absorption bei 424 nm von PVAm 3 über den

pH-Wert (s. Abb. 15 rechts) eine Gerade.

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

-2.0

-1.5

-1.0

-0.5

0.0

0.5

1.0

pKS = 4.03

log(

A51

9/A42

4) pH

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 120.0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

424

519

Abs

orpt

ion

A42

4 und

A51

9

pH

3 Ergebnisse und Diskussion

72

In dem Punkt wo die Intensitäten der UV/vis-Absorption beider Spezies gleich sind

(Log1 = 0), entspricht der pKS-Wert nach der Henderson-Hasselbalch-Gleichung

(Gl. 6) dem pH-Wert. Nach Gl. 6 wurde der pKS-Wert für die chromophore Einheit

von 2-nitro-4-aminobenzen-funktionalisiertem PVAm (PVAm 3) mit 4.03 ± 0.01

bestimmt.

Auch 2-nitro-4-(N,N-dimethyl)aminobenzen-funktionalisiertes PVAm (PVAm 4) zeigt

eine signifikante Abhängigkeit der UV/vis-Absorptionseigenschaften vom pH-Wert.

Abb. 16 zeigt eine UV/vis-Absorptionsspektrenserie von PVAm 4 in Abhängigkeit

vom pH-Wert und zur Veranschaulichung eine Fotografie.

Abb.16: UV/vis-Absorptionsspektrenserie von 2-nitro-4-(N,N-dimethyl)aminobenzen-funktionalisiertem PVAm (PVAm 4) bei verschiedenen pH-Werten sowie eine Fotografie des gelösten Polymeren bei pH = 1, pH = 7 und pH = 11.

Das Vorhandensein eines isosbestischen Punktes im sichtbaren Bereich bei

λ = 456 nm deutet auf ein 1:1-Gleichgewicht bei der Protonierung der chromophoren

Einheit hin. Das UV/vis-Absorptionsmaximum der protonierten Spezies der

chromophoren Einheit von PVAm 4 liegt bei λ = 420 nm. Die unprotonierte Spezies

zeigt ein UV/vis-Absorptionsmaximum bei λ = 512 nm. Der pKS-Wert der

chromophoren Einheit von 2-nitro-4-(N,N-dimethyl)aminobenzen-funktionalisiertem

PVAm (PVAm 4) wurde nach Gleichung 6 mit 4.06 ± 0.03 ermittelt.

0

0.1

0.2

0.3

0.4

300 400 500 600 700 800 900 1000

Wellenlänge λλλλ [nm]

Abs

orpt

ion

[a.u

.]

456

345

1: pH = 0.852: pH = 1.633: pH = 3.454: pH = 4.225: pH = 6.156: pH = 8.957: pH = 11.19

1

2

3

4

56

7NH2 NH

NO2

NH3C CH3

x y

15,000 g · mol -1

pH = 1 pH = 7 pH = 11

3 Ergebnisse und Diskussion

73

2-Nitro-4-(N,N-dimethyl)aminobenzen-funktionalisiertes PNMVAm (PNMVAm 5) zeigt

ebenfalls in Abhängigkeit vom pH-Wert unterschiedliche UV/vis-Absorptions-

eigenschaften. Eine UV/vis-Absorptionsspektrenserie von PNMVAm 5 in

Abhängigkeit vom pH-Wert zeigt Abb. 17.

Abb.17: UV/vis-Absorptionsspektrenserie von 2-nitro-4-(N,N-dimethyl)aminobenzen-funktionalisiertem PNMVAm (PNMVAm 5) bei verschiedenen pH-Werten.

Das UV/vis-Absorptionsmaximum der protonierten Spezies von PNMVAm 5 liegt bei

420 nm. Im Basischen (pH = 11.88) liegt das UV/vis-Absorptionsmaximum der

unprotonierten Spezies der chromophoren Einheit von PNMVAm 5 bei λ = 510 nm.

Die isosbestischen Punkte liegen bei λ = 360 nm und bei λ = 463 nm, wobei der der

chromophoren Einheit bei 463 nm nicht eindeutig ist. Das könnte an der mäßigen

Löslichkeit von PNMVAm 5 im Basischen liegen, wo partielles Ausfallen des

Polymeren beobachtet wurde.

Der pKS-Wert wurde mit Hilfe der Henderson-Hasselbalch-Gleichung (Gl. 6) durch

die Auftragung von log(A510/A420) über den pH-Wert aus dem Schnittpunkt der

Geraden mit der y-Achse ermittelt. Der pKS-Wert der chromophoren Einheit von

2-nitro-4-(N,N-dimethyl)aminobenzen-funktionalisiertem PNMVAm (PNMVAm 5)

wurde mit 2.99 ± 0.06 ermittelt.

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

1.2

1.4

300 350 400 450 500 550 600 650 700 750 800

Wellenlänge λλλλ [nm]

Abs

orpt

ion

[a.u

.] 463

360

1

2

3

45

6

7

1: pH = 0.992: pH = 2.023: pH = 2.494: pH = 3.625: pH = 5.626: pH = 7.897: pH = 10.55

N NNO2

NH3C CH3

H3CH3C

H

x y

196,000 g · mol -1

3 Ergebnisse und Diskussion

74

Die Ergebnisse der UV/vis-spektroskopischen Untersuchungen der 2-nitro-4-

aminobenzen-funktionalisierten Polyvinylamine PVAm 3, PVAm 4 und PNMVAm 5

bei unterschiedlichen pH-Werten sind zusammenfassend in Tabelle 7 dargestellt.

Tab. 7: Ergebnisse der UV/vis-spektroskopischen Untersuchungen zur pH-Abhängigkeit der UV/vis-Absorptionseigenschaften und die daraus ermittelten pKS-Werte der drei 2-nitro-4-aminobenzen-funktionalsierten Polyvinylamine PVAm 3, PVAm 4 und PNMVAm 5.

Polymerstruktur

(pH = 11)

chromophore Einheit

(pH = 11) pKS

NH2 NHNO2

NH2

x y

NH

O2N

NH

H

4.03 ± 0.01

NH2 NHNO2

NH3C CH3

x y

NH

O2N

NCH3

CH3

4.06 ± 0.03

x yN CH3

H

N CH3

NO2

NH3C CH3

N

O2N

NCH3

CH3

CH3

2.99 ± 0.06

Die pKS-Werte der chromophoren Einheiten von 2-nitro-4-aminobenzen-

funktionalisiertem PVAm (PVAm 3) und 2-nitro-4-(N,N-dimethyl)aminobenzen-

funktionalisiertem PVAm (PVAM 4) liegen im Bereich von Aniliniumionen in Wasser

(pKS = 4.6). Der pKS-Wert der chromophoren Einheit von PVAm 4 mit pKS = 4.06 ist

etwas größer als der von PVAm 3 mit pKS = 4.03. Die Einführung von zwei

Methylgruppen am 4-Aminostickstoff erhöht die Basizität, woraus eine etwas

schwächere Acidität resultiert. Der deutlich niedrigere pKS-Wert der chromophoren

Einheit von 2-nitro-4-(N,N-dimethyl)aminobenzen-funktionalisiertem PNMVAm

(PNMVAm 5) mit pKS = 2.99 beruht auf der in 1-Stellung eingeführten Methylgruppe,

die aus sterischen Gründen zum Herausdrehen der ortho-Nitrogruppe führt und

damit zu einem schwächeren +M-Effekt der 1-N-Methyl-Aminogruppe.118

3 Ergebnisse und Diskussion

75

Es ist literaturbekannt, dass die pKS-Werte von polysubstituierten Anilinen eine

lineare Abhängigkeit der Summe der Hammett-Konstanten (∑σ) zeigen (s. Gl. 7).121

0.08)4.45(0.16)2.88(pK S ±+⋅±−= ∑σ (7)

r2 = 0.955 n = 18, sd = 0.251

Dabei bedeuten die einzelnen Parameter der Regressionsstatistik:

r2…Korrelationskoeffizient, Bestimmtheitsmaß

n…Anzahl der polysubstituierten Aniline

sd…Standardabweichung.

Mit Hilfe von Gl. 7 konnten die σ -Hammett-Konstanten der ortho-Nitrogruppe von

2-nitro-4-aminobenzen-funktionalisiertem PVAm (PVAm 3) und 2-nitro-4-(N,N-

dimethyl)aminobenzen-funktionalisiertem PVAm (PVAm 4) berechnet werden.

Ausgehend von den σpara-Werten der NH2-Gruppe (σpara = -0.66)122 und der N(CH3)2-

Gruppe (σpara = -0.63)122 wurden die σortho-Werte für die Nitrogruppe mit 0.806 für die

chromophore Einheit von PVAm 3 und mit 0.765 für die chromophore Einheit von

PVAm 4 bestimmt. Die berechneten Werte liegen in etwa im Bereich des

σpara-Wertes der Nitrogruppe (σpara = 0.78)122, so dass die ermittelten pKS-Werte der

chromophoren Einheiten von PVAm 3 und PVAm 4 daher sinnvoll erscheinen.

ESR-spektroskopische Untersuchungen von PVAm 3 und PVAm 4 zeigen sowohl als

Feststoff als auch in methanolischer Lösung einen möglicherweise partiellen Radikal-

Kationen-Charakter (s. Anhang S. 201). Die Signalmuster beider Polymere sind

gleich, was für eine gleiche zugrunde liegende Struktur der Radikale spricht. Die

Intensität der Signale ist jedoch nur sehr gering, so dass von nur wenigen Einheiten

dieser Spezies ausgegangen werden kann. In wässriger Lösung hingegen wurden

keine Radikal-Kationen festgestellt. Die Einführung einer –NO2-Gruppe in ortho-

Position zur Aminogruppe hat damit die Sensibilität der 1,4-Phenylendiamin-Derivate

gegenüber Luftsauerstoff herabgesetzt.31,34,35 Schon Michaelis zeigte 1939, dass bei

1,4-Phenylendiaminen bereits eine Methylgruppe in ortho-Stellung zu einer mono-

methylierten Aminogruppe ausreicht, um den Radikal-Kationen-Charakter zu

destabilisieren.40

3 Ergebnisse und Diskussion

76

3.1.8 Substitutionsgrad funktionalisierter Polyvin ylamine

Zur UV/vis-spektroskopischen Bestimmung der Substitutionsgrade der

funktionalisierten Polyvinylamine wurden niedermolekulare Modellverbindungen, die

strukturell in etwa der chromophoren Einheit entsprechen, synthetisiert. Dazu wurden

die Fluoraromaten mit i-Propylamin zu den entsprechenden Nitro-N-isopropylanilinen

umgesetzt (s. Abschnitt 5.6 Experimenteller Teil). Unter Zuhilfenahme der molaren

Absorptionskoeffizienten der Modellverbindungen und der spezifischen Absorptions-

koeffizienten der funktionalisierten PVAm´s kann über die UV/vis-Spektroskopie der

Substitutionsgrad s über eine literaturbekannte Gleichung (Gl. 8) ermittelt werden.123

SModell

eq

M

M

⋅′−⋅′

=εε

εs (8)

Dabei bedeuten die einzelnen Parameter:

s…Substitutionsgrad (Zahl der Substituenten pro Grundbaustein)

ε´ …spezifischer Absorptionskoeffizient des Polymeren [l·g-1·cm-1]

Meq…Molekulargewicht des Grundbausteines des Derivates (chromophore Einheit)

εModell…molarer Absorptionskoeffizient der Modellverbindung [l·mol-1·cm-1]

Ms…Molekulargewicht des eintretenden Substituenten.

Zur 1H-NMR-spektroskopischen Bestimmung des Substitutionsgrades von

funktionalisiertem PVAm wurde die Intensität der Aromaten-Signale ins Verhältnis zu

den CH- und CH2-Gruppen des Polymerrückrates gesetzt. Diese Methode wurde

zum Teil stichprobenartig zu Vergleichszwecken der UV/vis-spektroskopisch

ermittelten Substitutionsgrade verwendet. Aufgrund der schlechten Löslichkeit von

2,4-dinitro-phenyl-funktionalisiertem PVAm (PVAm 6 mittels Sangers Reagenz), von

2,4-dinitro-1,5-phenylendiamin-funktionalisiertem PVAm (PVAm 7 mittels DFDNB)

und von 2-nitro-4-azobenzen-funktionalisiertem PVAm (PVAm 8 mittels FNAzoB)

erweist sich sowohl die UV/vis-Spektroskopie als auch die 1H-NMR-Spektroskopie für

die Bestimmung der Substitutionsgrade als nicht geeignet. Die begrenzte Löslichkeit

von 2,4´-dinitrostilben-funktionalisiertem PVAm (PVAm 9 mittels FDNstilben) ist für

eine Substitutionsgradsbestimmung mit Hilfe der 1H-NMR-Spektroskopie nicht

ausreichend.

3 Ergebnisse und Diskussion

77

4-nitrophenyl-funktionalisiertes PVAm

4-Nitrophenyl-funktionalsiertes PVAm (PVAm 1) mit einem Molekulargewicht von

15,000 g·mol-1 und einem Molekulargewicht von 400,000 g·mol-1 zeigen bei der

Auftragung der Intensität der UV/vis-Absorption (je 5 mg in 50 ml MeOH) über die

eingesetzten Molverhältnisse von 4-FNB/β-DMCD zu PVAm die in Abbildung 18

dargestellten Abhängigkeiten. Nach konstanter Reaktionszeit von jeweils 8 h in der

Siedehitze nimmt der Substitutionsgrad bei PVAm 1 mit Zunahme der eingesetzten

Menge an 4-FNB nichtlinear zu.

Abb. 18: Graphische Darstellung der UV/vis-Absorption bei λmax = 390 nm von jeweils 5 mg von 4-nitrophenyl-funktionalisiertem PVAm (15,000 g·mol-1 und 400,000 g·mol-1) in 50 ml Methanol in Abhängigkeit der eingesetzten Molverhältnisse von 4-FNB/β-DMCD zu PVAm.

Zur Ermittlung der einzelnen Substitutionsgrade von 4-nitrophenyl-funktionalisiertem

PVAm (PVAm 1) wurde 4-Nitro-N-isopropylanilin als Modellverbindung aus

i-Propylamin und 4-FNB synthetisiert, da sie strukturell nahezu der chromophoren

Einheit von PVAm 1 entspricht. Die Synthesedurchführung und die Charakterisierung

der Modellverbindung 4-Nitro-N-isopropylanilin ist in Abschnitt 5.6 dargelegt.

0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0.8

0.9

1

0 0.05 0.1 0.15 0.2 0.25 0.3 0.35 0.4

Molverhältnis n 4-FNB/ββββ-DMCD : nPVAm

Abs

orpt

ion

in M

eOH

(λλ λλ m

ax =

390

nm

) [a

.u.]

NH2 NH

NO2

x y

pH = 11

● 400,000 g · mol -1

○ 15,000 g · mol -1

3 Ergebnisse und Diskussion

78

Die Modellverbindung ist in Wasser unlöslich. 4-Nitrophenyl-funktionalisiertes PVAm

(PVAm 1) löst sich jedoch auch in Methanol. Der molare Absorptionskoeffizient εModell

von 4-Nitro-N-isopropylanilin wurde wie in Abb. 19 gezeigt über eine Verdünnungs-

reihe in Methanol UV/vis-spektroskopisch mit εModell = 2.23 · 104 l·mol-1·cm-1 ermittelt.

Abb. 19: Graphische Darstellung der UV/vis-Absorption bei λmax = 389 nm von 4-Nitro-N-isopropyl-anilin als Modellverbindung zur Ermittlung des molaren Absorptionskoeffizienten εModell; Inset: UV/vis-Absorptionsspektrum von 4-Nitro-N-isopropylanilin in Methanol.

Wie die Modellverbindung 4-Nitro-N-isopropylanilin (λmax = 389 nm) zeigt auch

PVAm 1 eine symmetrische UV/vis-Absorptionsbande mit einem UV/vis-Absorptions-

maximum bei λmax = 390 nm.

Zur Bestimmung der Substitutionsgrade von PVAm 1 nach Gl. 8 wurden die

spezifischen Absorptionskoeffizienten des Polymeren ε´ UV/vis-spektroskopisch über

Verdünnungsreihen ermittelt. In Abb. 20 ist dies am Beispiel des 4-nitrophenyl-

funktionalisierten PVAm (15,000 g·mol-1) mit einem zur Reaktion eingesetzten

Molverhältnis von 0.3052 (4-FNB/β-DMCD zu PVAm) gezeigt. Der Anstieg der

Geraden bei der graphischen Auftragung von c´· d liefert den spezifischen

Absorptionskoeffizienten des Polymeren mit ε´ = 11.884 l·g-1·cm-1. Der

Substitutionsgrad s des in Abb. 20 gezeigten 4-nitrophenyl-funktionalisierten PVAm

(PVAm 1) wurde nach Gl. 8 mit s = 9.4 % ermittelt.

y = 22275x + 0.0049R2 = 0.9992

0.0

0.2

0.4

0.6

0.8

1.0

1.2

0 0.00001 0.00002 0.00003 0.00004 0.00005 0.00006 0.00007

c · d [ mol · l -1 · cm]

Abs

orpt

ion

in M

eOH

(λλ λλ m

ax =

389

nm

) [a

.u.]

0.0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0.8

0.9

1.0

300 400 500 600 700 800Wellenlänge λλλλ [nm]

Abs

orpt

ion

in M

eOH

[a.u

.]

389

εεεε Modell (MeOH) = 2.23 · 104 l · mol -1 · cm -1

N

CH3

H3CH

NO2

3 Ergebnisse und Diskussion

79

Abb. 20: Graphische Darstellung der UV/vis-Absorption von 4-nitrophenyl-funktionalisiertem PVAm (PVAm 1; 15,000 g·mol-1; eingesetztes Molverhältnis 4-FNB/β-DMCD zu PVAm: 0.3052) über c´ · d zur Ermittlung des spezifischen Absorptionskoeffizienten des Polymeren ε ´ in Methanol.

Zum stichprobenartigen Vergleich der UV/vis-spektroskopisch ermittelten

Substitutionsgrade wurde das 4-nitrophenyl-funktionalisierte PVAm (PVAm 1) mit

einem Molekulargewicht von 15,000 g·mol-1 und mit dem höchsten UV/vis-

spektroskopisch ermitteltem Substitutionsgrad (s = 9.4 %) in D2O gelöst und der

Substitutionsgrad mit Hilfe der 1H-NMR-Spektroskopie bestimmt. Mit dem Verhältnis

der Intensitäten der aromatischen Protonen zu denen der Polymerhauptkette ergibt

sich ein Substitutionsgrad von s = 10.0 %. Der 1H-NMR-spektroskopisch ermittelte

Substitutionsgrad von 4-nitrophenyl-funktionalisiertem PVAm stimmt mit dem über

die UV/vis-Spektroskopie ermitteltem Substitutionsgrad von 9.4 % im Fehlerbereich

sehr gut überein.

In Tabelle 8 sind die Ergebnisse der UV/vis-spektroskopischen Substitutions-

gradbestimmung aller synthetisierten 4-nitrophenyl-funktionalisierten PVAm´s

(15,000 g·mol-1 und 400,000 g·mol-1) zusammengefasst.

y = 11.884x + 0.0082R2 = 0.9989

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

1.2

1.4

0 0.02 0.04 0.06 0.08 0.1 0.12

c´ · d [g · mol -1 · cm]

Abs

orpt

ion

in M

eOH

(λλ λλ m

ax =

390

nm

) [a

.u.]

εεεε ´ = 11.884 l · g-1 · cm-1

Meq = 164.158 g · mol-1

MS = 122.112 g · mol-1

εεεε Modell = 2.23 · 104 l · mol -1 · cm-1

s = 9.35 %

SModell

eq

M

Ms

⋅′−⋅′

=εε

ε

NH2 NH

NO2

x y

15,000 g · mol -1

pH = 11

n4-FNB

nPVAm= 0.3052

3 Ergebnisse und Diskussion

80

Tab. 8: Zusammenfassung der UV/vis-spektroskopisch ermittelten Substitutionsgrade s von 4-nitrophenyl-funktionalisiertem PVAm (1) mit 15,000 g·mol-1 bzw. 400,000 g·mol-1 über Löslichkeits-vermittlung mittels β-DMCD.

Molverhältnis [%]

n4-FNB

nPVAm

Substitutionsgrad s [%]

MW = 15,000 g · mol-1 MW = 400,000 g · mol-1

7.63 3.7 4.2

15.26 4.0 6.2

22.89 8.3 7.4

30.52 9.4 8.6

2-nitrophenyl-funktionalisiertes PVAm

2-Nitrophenyl-funktionalisiertes PVAm (PVAm 2) (je 5 mg in 50 ml Methanol) mit

einem Molekulargewicht von 15,000 g·mol-1 und 400,000 g·mol-1 zeigt die in

Abbildung 21 dargestellte Abhängigkeit der eingesetzten Molverhältnisse

(2-FNB/β-DMCD zu PVAm) zum Substitutionsgrad, welcher sich in der Absorbanz

bei λmax = 432 nm widerspiegelt.

Abb. 21: Graphische Darstellung der UV/vis-Absorption von jeweils 5 mg von 2-nitrophenyl-funktionalisiertem PVAm (15,000 g·mol-1 und 400,000 g·mol-1) in 50 ml Methanol bei λmax = 432 nm in Abhängigkeit der eingesetzten Molverhältnisse von 2-FNB/β-DMCD zu PVAm.

0.0

0.2

0.4

0.6

0.8

1.0

1.2

1.4

1.6

0 0.05 0.1 0.15 0.2 0.25 0.3 0.35 0.4

Molverhältnis n 2-FNB/ββββ-DMCD : n PVAm

Abs

orpt

ion

in M

eOH

(λλ λλ m

ax =

432

nm

) [a

.u.]

NH2 NHNO2

x y

pH = 11

■ 400,000 g · mol -1

□ 15,000 g · mol -1

3 Ergebnisse und Diskussion

81

Das im Molverhältnis von 0.2289 von 2-FNB/β-DMCD zu PVAm (400,000 g·mol-1)

synthetisierte PVAm 2 löste sich nicht vollständig in Methanol, es quoll auf. Daher

konnte dieses 2-nitrophenyl-funktionalisierte PVAm nicht mit in die UV/vis-

spektroskopischen Betrachtungen einfließen. Die Größe der Absorption beider

2-nitrophenyl-funktionalisierten PVAm´s unterschiedlichen Molekulargewichts bei

gleicher gemessener Konzentration an funktionalisiertem PVAm (jeweils 5 mg in

50 ml Methanol) deutet auf nahezu gleichgroße Substitutionsgrade hin. Damit wurde

bei gleichen Reaktionsbedingungen unabhängig vom Molekulargewicht des PVAm´s

nahezu gleichviel 2-FNB umgesetzt.

Weiterhin wurde die nucleophile aromatische Substitution von 2-FNB mit PVAm

(15,000 g·mol-1 und 400,000 g·mol-1) in einem Ethanol/Wasser-Gemisch im

Verhältnis 3 : 1 untersucht. Dabei wurden für die Vergleichbarkeit zur Funktionali-

sierung in Wasser die gleichen Molverhältnisse von 2-FNB zu PVAm (0.0763,

0.1526, 0.2289 und 0.3053) gewählt.

Abb. 22 zeigt die Intensität der UV/vis-Absorption von PVAm 2, welches aus einem

Ethanol/Wasser-Gemisch (3 zu 1) hergestellt wurde, in Abhängigkeit vom

eingesetzten Molverhältnis des Fluoraromaten 2-FNB zu PVAm, wobei jeweils 5 mg

in 50 ml Methanol (λmax = 432 nm) gelöst wurden.

Abb. 22: Graphische Darstellung der UV/vis-Absorption von jeweils 5 mg 2-nitrophenyl-funktionali-siertem PVAm (PVAm 2; 15,000 g·mol-1 und 400,000 g·mol-1) in 50 ml Methanol bei λmax = 432 nm in Abhängigkeit der eingesetzten Molverhältnisse von 2-FNB zu PVAm synthetisiert aus einem Ethanol-Wasser-Gemisch.

0.0

0.2

0.4

0.6

0.8

1.0

1.2

1.4

1.6

0 0.05 0.1 0.15 0.2 0.25 0.3 0.35 0.4

Molverhältnis n 2-FNB : nPVAm

Abs

orpt

ion

in M

eOH

(λλ λλ m

ax =

432

nm

) [a

.u.] NH2 NH

NO2

x y

pH = 11

▲400,000 g · mol -1

∆ 15,000 g · mol -1

3 Ergebnisse und Diskussion

82

Der Vergleich von Abb. 21 und Abb. 22 zeigt, dass sich die Substitutionsgrade von

PVAm 2 bei gleichen eingesetzten Molverhältnissen der Reaktionskomponenten

nicht wesentlich unterscheiden.

Zur Bestimmung der Substitutionsgrade mit Hilfe der UV/vis-Spektroskopie wurde als

niedermolekulare Modellverbindung 2-Nitro-N-isopropylanilin ausgewählt, da diese

strukturell in etwa der chromophoren Einheit von 2-nitrophenyl-funktionalisiertem

PVAm entspricht. 2-Nitro-N-isopropylanilin wurde aus 2-FNB und i-Propylamin

synthetisiert (s. Abschnitt 5.6). Da sich die Modellverbindung nicht in Wasser löst,

wurde der molare Absorptionskoeffizient der Modellverbindung wie in Abb. 23

gezeigt in Methanol mit εModell = 5.95 · 103 l·mol-1·cm-1 ermittelt.

Abb. 23: Graphische Darstellung der UV/vis-Absorption von 2-Nitro-N-isopropylanilin als Modell-verbindung bei λmax = 430 nm über c · d in Methanol zur Ermittlung des molaren Absorptions-koeffizienten ε Modell, Inset: UV/vis-Absorptionsspektrum von 2-Nitro-N-isopropylanilin in Methanol.

Sowohl 2-nitrophenyl-funktionalisiertes PVAm (PVAm 2) als auch die

Modellverbindung 2-Nitro-N-isopropylanilin zeigen in Methanol eine symmetrische

UV/vis-Absorptionsbande. Das UV/vis-Absorptionsmaximum λmax der Modell-

verbindung liegt in Methanol bei 430 nm, das von PVAm 2 bei 432 nm.

y = 5952x + 0.006R2 = 0.9996

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

1.2

1.4

1.6

1.8

0 0.0001 0.0002 0.0003 0.0004 0.0005

c · d [mol · l -1 · cm]

Abs

orpt

ion

in M

eOH

(λλ λλ m

ax =

430

nm

) [a

.u.]

εεεε Modell = 5.952 · 103 l · mol -1 · cm-1

0.0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0.8

0.9

1.0

300 400 500 600 700 800

Wellenlänge λλλλ [nm]

Abs

orpt

ion

in M

eOH

[a.u

.]

430N

CH3

H3CH

NO2

3 Ergebnisse und Diskussion

83

Zur Ermittlung der spezifischen Absorptionskoeffizienten ε´ [l·g-1·cm-1] von

2-nitrophenyl-funktionalisiertem PVAm (PVAm 2) wurden Verdünnungsreihen in

Methanol UV/vis-spektroskopisch untersucht. In Tabelle 9 sind die UV/vis-

spektroskopisch ermittelten Substitutionsgrade aller synthetisierten 2-nitrophenyl-

funktionalisierten PVAm´s (PVAm 2) zusammengefasst.

Tab. 9: Zusammenfassung der UV/vis-spektroskopisch ermittelten Substitutionsgrade s von 2-nitrophenyl-funktionalisierten PVAm´s (15,000 g·mol-1 und 400,000 g·mol-1), die sowohl in Wasser über 2-FNB/β-DMCD als auch in einem Ethanol/Wasser-Gemisch synthetisiert wurden.

Substitutionsgrad s [%]

Reaktion in Wasser (β-DMCD) Reaktion in EtOH/H2O (3:1)

Molverhältnis [%]

n2-FNB

nPVAm M = 15,000

g · mol-1 M = 400,000

g · mol-1 M = 15,000

g · mol-1 M = 400,000

g · mol-1

7.63 7.2 6.4 6.2 6.3

15.26 14.5 12.7 12.3 12.6

22.89 22.7 - 18.5 18.9

30.52 28.3 25.5 24.6 25.2

Aus diesen Ergebnissen lässt sich schlussfolgern, dass sich unabhängig vom hier

verwendeten Lösungsmittel-System (2-FNB/β-DMCD in Wasser bzw. 2-FNB im

EtOH/Wasser-Gemisch) und unabhängig vom eingesetzten Molekulargewicht des

PVAm´s (15,000 g·mol-1 bzw. 400,000 g·mol-1) die Umsätze an 2-FNB bei gleichen

Reaktionsbedingungen nicht wesentlich unterscheiden.

Im Vergleich zu PVAm 1 bei gleicher Menge an eingesetztem Fluoraromaten und

gleichen Reaktionsbedingungen zeigt sich, dass die Substitutionsgrade von PVAm 2

zwei bis dreimal höher liegen. Es wurde somit deutlich mehr 2-FNB als 4-FNB

umgesetzt. Diese Reaktivitätsunterschiede werden in einem späteren Abschnitt

näher diskutiert.

Da die Funktionalisierungsreaktion nahezu unabhängig vom eingesetzten Molekular-

gewicht von PVAm ist, wurden die nachfolgenden nucleophilen aromatischen

Substitutionen im Hinblick auf die möglicherweise bessere Löslichkeit der erhaltenen

chromophoren PVAm´s mit einem Molekulargewicht von 15,000 g·mol-1 durchgeführt.

3 Ergebnisse und Diskussion

84

2-nitro-4-aminobenzen-funktionalisiertes PVAm

Es zeigt sich bei 2-nitro-4-aminobenzen-funktionalisiertem PVAm (PVAm 3) mit

einem Molekulargewicht von 15,000 g·mol-1 die in Abbildung 24 dargestellte

Abhängigkeit der eingesetzten Molverhältnisse (4-FNA/β-DMCD zu PVAm mit

0.0763, 0.1526, 0.2289 und 0.3053) vom Substitutionsgrad, welcher sich in der

Intensität der Absorption in Methanol beim UV/vis-Absorptionsmaximum

λmax = 508 nm (jeweils 10 mg in 50 ml) widerspiegelt.

Abb. 24: Graphische Darstellung der UV/vis-Absorption von jeweils 10 mg 2-nitro-4-aminobenzen-funktionalisiertem PVAm (PVAm 3) in 50 ml Methanol bei λmax = 508 nm in Abhängigkeit der eingesetzten Molverhältnisse von 4-FNA/β-DMCD zu PVAm.

Die Isolierung der entsprechenden Modellverbindung N-Isopropyl-2-nitro-p-

phenylendiamin, welche aus 4-Fluor-3-nitroanilin und i-Propylamin synthetisiert

wurde, ist trotz mehrmaliger Versuche nicht gelungen. Möglicherweise oxidierte die

Modellverbindung bei der Aufarbeitung zum Radikal-Kation, worauf eventuell nicht

auswertbare 1H-NMR-Spektren hindeuten.

Die gute Löslichkeit von 2-nitro-4-aminobenzen-funktionalisiertem PVAm (PVAm 3) in

D2O erlaubte die Substitutionsgradbestimmung mit Hilfe der 1H-NMR-Spektroskopie

und wird nachfolgend näher erläutert.

0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0.8

0.9

1

0 0.05 0.1 0.15 0.2 0.25 0.3 0.35 0.4

Molverhältnis n 4-FNA : n PVAm

Abs

orpt

ion

in M

eOH

(λλ λλ m

ax =

508

nm

) [a

.u.]

NH2 NHNO2

NH2

x y

15,000 g · mol -1

pH = 11

3 Ergebnisse und Diskussion

85

In Abb. 25 sind ein 1H-NMR-Spektrum von PVAm 3 mit Vergleich zu unsubstituiertem

PVAm in D2O jeweils mit einem Molekulargewicht von 15,000 g·mol-1 sowie die

strukturelle Zuordnung der 1H-Signale gezeigt.

Abb. 25: 1H-NMR-Spektren von 2-nitro-4-aminobenzen-funktionalisiertem PVAm (PVAm 3) und PVAm aufgenommen in D2O sowie die strukturelle Zuordnung der 1H-Signale.

Beide 1H-NMR-Spektren in Abb. 25 zeigen ein Singulett bei einer chemischen

Verschiebung von δ = 8.37 ppm, welches von Natriumformiat herrührt (s. nähere

Erläuterung Abschnitt 5.2.1 Experimenteller Teil).

Im Falle von unsubstituiertem PVAm (Abb. 25 oben) wurde das breite 1H-NMR-

Signal bei δ = 2.85 – 3.00 ppm den aliphatischen Protonen der CH-Gruppen und das

breite 1H-NMR-Signal bei δ = 1.18 – 1.50 ppm den Protonen der CH2-Gruppen mit

einem Intensitätsverhältnis von eins zu zwei zugeordnet. Da die CH2-Gruppen bei

PVAm nur ein breites Signal zeigen, liegt die Vermutung nahe, dass der Hauptanteil

beider Methylenprotonen chemisch äquivalent ist. Das bedeutet, dass es sich um

weitestgehend syndiotaktisches PVAm mit alternierender Konfiguration am

aminoguppentragenden Kohlenstoff handeln könnte. Bei der radikalischen

Polymerisation von N-Vinylformamid wurde das radikalische Kettenende

möglicherweise weitestgehend syndiotaktisch verknüpft, so dass diese Taktizität

erwartungsgemäß auch nach der Hydrolyse der Formamidgruppen im PVAm vorliegt.

0123456789

δδδδ [ppm]

NH2 NHNO2

NH2

x y

NH2

n

HCOONa

HDO

- CH - CH 2

- ArH

- CH 2- CH

HCOONa

HDO

3 Ergebnisse und Diskussion

86

Das 1H-NMR-Spektrum von PVAm 3 in D2O (s. Abb. 25 unten) zeigt ein etwas

breiteres 1H-NMR-Signal bei δ = 2.70 – 3.15 ppm im Vergleich zu PVAm, welches

von den aliphatischen CH-Gruppen sowohl von PVAm als auch von PVAm 3

herrührt. Das 1H-NMR-Signal für die CH2-Gruppen bei PVAm 3 in zwei weitere breite 1H-NMR-Signale bei δ = 1.55 – 1.80 ppm und δ = 0.5 – 0.7 ppm mit gleicher

Intensität aufgespaltet.

An dieser Stelle sei erwähnt, dass alle in dieser Arbeit synthetisierten chromophoren

PVAm´s, bei denen die Löslichkeit in D2O für NMR-spektroskopische

Untersuchungen ausreichte, diese charakteristische Aufspaltung des 1H-NMR-

Signals der Protonen der CH2-Gruppen nach der Funktionalisierung zeigen. Das

Verhältnis der Intensität des Signals der CH-Gruppen zu der Intensität der

CH2-Gruppen war dabei in allen Fällen eins zu zwei.

Im Vergleich zu den Intensitäten der aliphatischen Protonen der Polymerhauptkette

sind die Intensitäten der aromatischen Protonen sehr klein, was für geringen

Substitutionsgrad an chromophoren Einheiten spricht (s. Abb. 25 unten). Mit dem

Verhältnis der Intensitäten der aromatischen Protonen zu denen der

Polymerhauptkette ergibt sich für das in Abb. 25 gezeigte 2-nitro-4-aminobenzen-

funktionalisierte PVAm (PVAm 3) mit einem eingesetzten Molverhältnis von

4-FNA/β-DMCD zu PVAm von 0.1527 ein Substitutionsgrad von s = 9.3 %. In Tab. 10

sind die Ergebnisse der 1H-NMR-spektroskopisch ermittelten Substitutionsgrade von

2-nitro-4-aminobenzen-funktionalisierten PVAm´s (PVAm 3) zusammengefasst.

Tabelle 10: Zusammenfassung der Ergebnisse der 1H-NMR-spektroskopisch ermittelten Substitutionsgrade von 2-nitro-4-aminobenzen-funktionalisiertem PVAm (PVAm 3).

Molverhältnis [%] n4-FNA nPVAm

Substitutionsgrad s [%] MW = 15,000 g · mol-1

7.63 3.0

15.26 9.3

22.89 11.7

30.52 12.0

3 Ergebnisse und Diskussion

87

2-nitro-4-( N,N-dimethyl)aminobenzen-funktionalisiertes PVAm

2-Nitro-4-(N,N-dimethyl)aminobenzen-funktionalisiertes PVAm (PVAm 4) mit einem

Molekulargewicht von 15,000 g·mol-1 zeigt die in Abb. 26 dargestellte Abhängigkeit

des Substitutionsgrades vom eingesetzten Molverhältnis (4-DMFNA/β-DMCD zu

PVAm mit 0.0763, 0.1526, 0.2289 und 0.3053), wobei die Absorption in Methanol bei

λmax = 520 nm (je 10 mg PVAm 4 in 50 ml) über die jeweils eingesetzten

Molverhältnisse von 4-DMFNA/β-DMCD zu PVAm aufgetragen wurde.

Abb. 26: Graphische Darstellung der UV/vis-Absorption von jeweils 10 mg 2-nitro-4-(N,N-dimethyl)-aminobenzen-funktionalisiertem PVAm (PVAm 4) in 50 ml Methanol bei λmax = 520 nm in Abhängigkeit der eingesetzten Molverhältnisse von 4-DMFNA/β-DMCD zu PVAm.

Die Isolierung der entsprechenden Modellverbindung N1-Isopropyl-N4,N4-dimethyl-2-

nitro-p-phenylendiamin, welche aus N,N-Dimethyl-4-fluor-3-nitroanilin (4-DMFNA)

und i-Propylamin synthetisiert wurde, war nicht gelungen. Unumgesetztes 4-DMFNA

ließ sich nicht aus dem Reaktionsgemisch durch Umkristallisation in verschiedenen

Lösungsmitteln entfernen. Weder 4-DMFNA noch die Modellverbindung konnten

abgetrennt werden. Auch die Überführung des Phenylendiamin-Derivates zum HCl-

Salz und anschließende Deprotonierung der Aminogruppen brachte nicht den

gewünschten Erfolg.

0.0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0.8

0.00 0.05 0.10 0.15 0.20 0.25 0.30 0.35 0.40

Molverhältnis n 4-DMFNA/nPVAm

Abs

orpt

ion

in M

eOH

(λλ λλ m

ax =

520

nm

) [a

.u.]

NH2 NH2

NO2

NH3C CH3

x y

15,000 g · mol -1

pH = 11

3 Ergebnisse und Diskussion

88

Aufgrund der guten Löslichkeit von PVAm 4 in D2O wurden die Substitutionsgrade

daher ausschließlich mit Hilfe der 1H-NMR-Spektroskopie durch Vergleich der

Intensitäten der aromatischen Protonen zu denen der Polymerhauptkette ermittelt. In

Tabelle 11 sind die 1H-NMR-spektroskopisch ermittelten Substitutionsgrade s der vier

synthetisierten 2-nitro-4-(N,N-dimethyl)aminobenzen-funktionalisierten PVAm´s

(PVAm 4) in Bezug auf die eingesetzten Molverhältnisse der Reaktionskomponenten

4-DMFNA/β-DMCD zu PVAm zusammengefasst.

Tabelle 11: Zusammenfassung der 1H-NMR-spektroskopisch ermittelten Substitutionsgrade s von 2-nitro-4-(N,N-dimethyl)aminobenzen-funktionalisiertem PVAm (PVAm 4) mit einem Molekulargewicht von 15,000 g·mol-1 in Bezug auf die eingesetzten Molverhältnisse von 4-DMFNA/β-DMCD zu PVAm.

Molverhältnis [%] n4-DMFNA

nPVAm

Substitutionsgrad s [%] M = 15,000 g · mol-1

7.63 3.0

15.26 6.0

22.89 8.7

30.52 11.3

Die Substitutionsgrade von PVAm 4 sind im Vergleich zu 2-nitro-4-aminobenzen-

funktionalisiertem PVAm (PVAm 3) bei gleichem eingesetzten Molverhältnis von

Fluoraromat/β-DMCD zu PVAm etwas geringer (vgl. Tabelle 10).

Die Erhöhung der Donorstärke der in 4-Stellung befindlichen Aminogruppe durch

N,N-Dimethylierung bei PVAm 4 im Vergleich zu PVAm 3 wirkt dem Elektronenzug

der aktivierenden Nitrogruppe in 2-Stellung entgegen. Damit ist der fluorsubstituierte

Kohlenstoff weniger für einen nucleophilen Angriff von Aminogruppen des PVAm´s

positiviert, die Substitutionsreaktion verläuft somit etwas langsamer. Auf die

Reaktivität von 4-DMFNA im Vergleich zu 4-FNA bei der Funktionalisierung von

PVAm wird in einem späteren Abschnitt näher eingegangen.

3 Ergebnisse und Diskussion

89

2-nitro-4-( N,N-dimethyl)aminobenzen-funktionalisiertes PNMVAm

2-nitro-4-(N,N-dimethyl)aminobenzen-funktionalisiertes PNMVAm (PNMVAm 5) mit

einem Molekulargewicht von 196,000 g·mol-1 und einem eingesetzten Molverhältnis

von 4-DMFNA/β-DMCD zu PNMVAm mit 0.3053 löst sich sowohl in Wasser als auch

in Methanol. Jedoch ist die Löslichkeit nicht so gut im Vergleich zu 2-nitro-4-

aminobenzen-funktionalisiertem PVAm (PVAm 3) und 2-nitro-4-(N,N-

dimethyl)aminobenzen-funktionalisiertem PVAm (PVAm 4) und nicht ausreichend für

eine Substitutionsgradbestimmung mit Hilfe der 1H-NMR-Spektroskopie.

Die Bestimmung des Substitutionsgrades s von PNMVAm 5 erfolgte daher

ausschließlich UV/vis-spektroskopisch. Die der chromophoren Einheit in etwa

strukturell entsprechende Modellverbindung N1-Isopropyl-N1,N4,N4-trimethyl-2-nitro-

p-phenylendiamin wurde aus 4-DMFNA und N-Methyl-i-Propylamin synthetisiert. Eine

ausführliche Synthesebeschreibung und Charakterisierung von N1-Isopropyl-

N1,N4,N4-trimethyl-2-nitro-p-phenylendiamin ist in Abschnitt 5.6 (Experimenteller Teil)

dargelegt.

Da die Modellverbindung in Wasser schwer löslich, PNMVAm 5 jedoch in Methanol

gut löslich ist, wurde der molare Absorptionskoeffizient der Modellverbindung εModell

über eine Verdünnungsreihe in Methanol UV/vis-spektroskopisch ermittelt. In Abb. 27

ist die graphische Auftragung des Produktes aus der Konzentration c und der

Schichtdicke der Küvette über die Absorption von N1-Isopropyl-N1,N4,N4-trimethyl-2-

nitro-p-phenylendiamin bei λmax in Methanol gezeigt. Weiterhin ist in Abb. 27 ein

UV/vis-Absorptionsspektrum der Modellverbindung in Methanol abgebildet. Das

UV/vis-Absorptionsmaximum der relativ breiten UV/vis-Absorptionsbande liegt bei

λmax = 440 nm. Der molare Absorptionskoeffizient der Modellverbindung

N1-Isopropyl-N1,N4,N4-trimethyl-2-nitro-p-phenylendiamin (rotes Öl) ist in Methanol

mit εModell = 8.375 · 102 l·mol-1·cm-1 relativ klein.

Es ist literaturbekannt, dass strukturell ähnliche 2-Nitro-p-phenylendiamin-Derivate

ebenfalls niedrige molare Absorptionskoeffizienten aufweisen. So zeigt im Vergleich

N1,N1,N4,N4-tetramethyl-2-nitro-p-phenylendiamin (dunkelrotes Öl) in Ethanol ein

UV/vis-Absorptionsmaximum bei λmax = 445 nm und einen molaren Absorptions-

koeffizienten von 1.2 · 103 l·mol-1·cm-1 in Cyclohexan.35

3 Ergebnisse und Diskussion

90

Abb. 27: Graphische Darstellung der UV/vis-Absorption von N1-Isopropyl-N1,N4,N4-trimethyl-2-nitro-p-phenylendiamin in Methanol über c · d bei λmax = 440 nm zur Ermittlung des molaren Absorptions-koeffizienten der Modellverbindung ε Modell, Inset: UV/vis-Absorptionsspektrum von N1-Isopropyl-N1,N4,N4-trimethyl-2-nitro-p-phenylendiamin in Methanol.

Mit Kenntnis des spezifischen Absorptionskoeffizienten von PNMVAm 5 mit

ε´ = 0.8655 l·g-1·cm-1 (33 mg in 50 ml) und des molaren Absorptionskoeffizienten der

Modellverbindung N1-Isopropyl-N1,N4,N4-trimethyl-2-nitro-p-phenylendiamin in

Methanol wurde der Substitutionsgrad nach Gl. 8 von PNMVAm 5 mit s = 27.1 %

bestimmt.

Der Substitutionsgrad liegt bei einem eingesetzten Molverhältnis von

4-DMFNA/β-DMCD zu PVAm mit 0.3053 im Vergleich zu 2-nitro-4-(N,N-

dimethyl)aminobenzen-funktionalisiertem PVAm (PVAm 4) mit s = 11.3 % deutlich

höher. Das könnte an der längeren Reaktionszeit von 12 h in der Siedehitze während

der Funktionalisierungsreaktion im Vergleich zu 8 h bei der Synthese von PVAm 4

liegen. Der höhere Substitutionsgrad beim Einsatz von sekundärem Polyamin im

Vergleich zu primärem Polyamin (PVAm) könnte auch von der größeren Donorstärke

der monomethylierten 1-Aminogruppe herrühren. Aus sterischen Gründen sollte

jedoch die Bildung der zwitterionischen Zwischenstufe mit sekundärem Polyamin bei

der nucleophilen aromatischen Substitution erschwert sein.

y = 837.46x + 0.0046R2 = 0.9996

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

1.2

1.4

0 0.0002 0.0004 0.0006 0.0008 0.001 0.0012 0.0014 0.0016 0.0018 0.002

c · d [mol · l -1 · cm]

Abs

orpt

ion

in M

eOH

(λλ λλ m

ax =

440

nm

) [a

.u.]

N

CH3

H3CCH3

NO2

NCH3H3C

εεεε Modell = 837.5 l · mol -1 · cm-1

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

1.2

300 400 500 600 700 800

Wellenlänge λλλλ [nm]

Abs

orpt

ion

in M

eOH

[a.u

.]

λλλλmax = 440 nm

3 Ergebnisse und Diskussion

91

2,4´-dinitrostilben-funktionalisiertes PVAm

2,4´-dinitrostilben-funktionalisiertes PVAm (PVAm 9) löst sich sowohl in Wasser als

auch in Methanol, jedoch nicht so gut im Vergleich zu 2- bzw. 4-nitrophenyl-

funktionalisiertem PVAm (PVAm 2 bzw. PVAm 1). Für die Synthese der der

chromophoren Einheit in etwa strukturell entsprechenden Modellverbindung wurde

4-Fluor-3,4´-dinitrostilben (FDNstilben) mit i-Propylamin zur Reaktion gebracht

(s. Abschnitt 5.6 Experimenteller Teil).

Da die Modellverbindung in Wasser unlöslich, das 2,4´-dinitrostilben-funktionalisierte

PVAm (PVAm 9) in Methanol löslich ist, wurde der molare Absorptionskoeffizient

εModell über eine Verdünnungsreihe in Methanol wie in Abb. 28 gezeigt mit

εModell = 2.67 · 104 l mol-1 cm-1 bestimmt.

Abb. 28: Graphische Darstellung der UV/vis-Absorption bei λmax = 390 nm von 4-N-Isopropylamino-

3,4´-dinitrostilben in Methanol über c · d zur Ermittlung des molaren Absorptionskoeffizienten ε Modell, Inset: UV/vis-Absorptionsspektrum von 4-N-Isopropylamino-3,4´-dinitrostilben in Methanol.

Das UV/vis-Absorptionsmaximum λmax der Modellverbindung 4-N-Isopropylamino-

3,4´-dinitrostilben liegt in Methanol wie das von 2,4´-dinitrostilben-funktionalisiertem

PVAm (PVAm 9) bei 390 nm.

y = 26721x + 0.0095R2 = 0.9994

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

1.2

0 0.00001 0.00002 0.00003 0.00004 0.00005 0.00006

c · d [mol · l -1 · cm]

Abs

orpt

ion

in M

eOH

(λλ λλ m

ax =

390

nm

) [a

.u.]

εεεε Modell = 2.67 · 104 l · mol -1 · cm-1

NCH

O2NH

CH3

H3C NO2

0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0.8

0.9

1

300 400 500 600 700 800

Wellenlänge λλλλ [nm]

Abs

orpt

ion

in M

eOH

[a.u

.]

λmax = 390 nm

3 Ergebnisse und Diskussion

92

Zur Ermittlung des spezifischen Absorptionskoeffizienten ε´ [l·g-1·cm-1] von

2,4´-dinitrostilben-funktionalisiertem PVAm (PVAm 9) wurde eine Verdünnungsreihe

wie in Abb. 29 dargestellt in Methanol UV/vis-spektroskopisch untersucht.

Abb. 29: Graphische Darstellung der UV/vis-Absorption bei λmax = 390 nm von 2,4´-dinitrostilben-funktionalisiertem PVAm (15,000 g·mol-1) in Methanol über c´·d zur Ermittlung des spezifischen Absorptionskoeffizienten des Polymeren ε´ (Verdünnungsreihe).

Nach Gleichung 8 beträgt der Substitutionsgrad von 2,4´-dinitrostilben-

funktionalisiertem PVAm (PVAm 9) s = 15.66 %. Das deutet darauf hin, dass von

nahezu vollständigem Umsatz an eingesetztem Fluoraromaten ausgegangen werden

kann. Die geringe Löslichkeit des Polymeren in D2O reichte für eine 1H-NMR-

spektroskopische Ermittlung des Substitutionsgrades nicht aus. Es konnte nur der

lösliche Anteil mit einem Substitutionsgrad von s ≈ 10 % erfasst werden.

In Tabelle 12 sind die Ergebnisse der Substitutionsgradbestimmung und die UV/vis-

spektroskopischen Eigenschaften der funktionalisierten PVAm´s (15,000 g·mol-1) mit

Vergleich zu den entsprechenden Modellverbindungen zur besseren

Übersichtlichkeit zusammenfassend dargestellt.

y = 11.836x + 0.0006R2 = 0.9997

0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0.8

0.9

1

0.00 0.01 0.02 0.03 0.04 0.05 0.06 0.07

c´· d [g · l -1 · cm]

Abs

orpt

ion

in M

eOH

(λλ λλ m

ax =

390

nm

) [a

.u.]

ε ´ = 11.836 l · g-1 · cm-1

ε Modell(MeOH) = 2.6721 · 104 l · mol-1 · cm-1

s = 15.66 %

SModell

eq

M

Ms

⋅′−⋅′

=εε

εNH2 NH

NO2

NO2

x y

15,000 g · mol -1

pH = 11

3 Ergebnisse und Diskussion

93

Tab. 12: Zusammenfassung der Ergebnisse der Substitutionsgradbestimmung und die UV/vis-spektroskopischen Eigenschaften der funktionalisierten PVAm´s (15,000 g·mol-1) mit Vergleich zu den entsprechenden Modellverbindungen.

Funktionalisiertes PVAm

(15,000 g · mol-1)

Verhältnis n Fluoraromat

n PVAm

ε Modell(MeOH) [l · mol-1 · cm-1]

λmax in MeOH [nm]

Substitutionsgrad s [mol%]

UV/vis 1H-NMR

NH2 NH

NO2

x y

0.0763 0.1527 0.2289 0.3053

390 nm: 2.23 ·104 390

3.7 4.0 8.3 9.4

- - -

10.0

NH2 NHNO2

x y

0.0763 0.1527 0.2289 0.3053

430 nm: 5.95 ·103 432

7.2 14.5 22.7 28.3

- - -

27.5

NH2 NHNO2

NH2

x y

0.0763 0.1527 0.2289 0.3053

- 508

- - - -

3.0 9.3 11.7 12.0

NH2 NHNO2

NH3C CH3

x y

0.0763 0.1527 0.2289 0.3053

- 520

- - - -

3.0 6.0 8.7 11.3

NH2 NHNO2

NO2

x y

0.0763 0.1527 0.2289 0.3053

349 nm: 2.04 ·104

410 nm (Schulter):

7.18 ·103

- (nicht

löslich, quellend)

- - - -

- - - -

NH2 NH

NO2

NO2

N

x y

H

0.3053 332 nm: 2.95 ·104

417 nm: 1.13 ·104

- (nicht

löslich, qellend)

- -

NH2 NHNO2

NN

x y

0.0763 0.1527 0.2289 0.3053

368 nm: 2.13 ·104

435 nm (Schulter):

9.05 ·103

- (nicht

löslich)

- - - -

- - - -

NH2 NHNO2

NO2

x y

0.1527 390 nm: 2.67 ·104 390 15.66 -

3 Ergebnisse und Diskussion

94

3.1.9 Kinetische Untersuchungen mittels UV/vis-Spe ktroskopie

3.1.9.1 Meßprinzip und Auswertung

Die sich während der nucleophilen aromatischen Substitution von aktivierten

Fluoraromaten mit PVAm bildenden nitrophenyl-funktionalisierten PVAm´s zeichnen

sich durch charakteristische UV/vis-Absorptionsspektren im Bereich von

400 − 520 nm aus. Diese Funktionalisierungsreaktionen können gut in Abhängigkeit

von der Reaktionszeit UV/vis-spektroskopisch verfolgt werden.

Zur Ermittlung von Aktivierungsparametern wurden zeitabhängige UV/vis-

Absorptionsspektren während der Funktionalisierung von PVAm, welches in großem

Überschuss eingesetzt wurde, aufgenommen. Beim entsprechenden UV/vis-

Absorptionsmaximum der neu gebildeten UV/vis-Absorptionsbande(n) je nach

eingesetztem Fluoraromat wurde die UV/vis-Absorption in Abhängigkeit von der

Reaktionszeit graphisch aufgetragen. Aus den charakteristisch gekrümmten

Messkurven wurden mittels nichtlinearer Regression nach dem Modell für

Reaktionen pseudo-monomolekularer Ordnung (Gl. 9) die Geschwindigkeits-

konstanten k der Bildung des jeweiligen nitrophenyl-funktionalisierten PVAm´s bei

verschiedenen Reaktionstemperaturen bestimmt.13

( )tk10 eAAy ⋅−⋅+= (9)

Dabei bedeuten die Regressionskoeffizienten:

A0 = erreichte UV/vis-Endabsorption bei t = ∞

A1 = Gesamtabsorptionsänderung zwischen t = 0 und t = ∞

k = Geschwindigkeitskonstante in s-1.

Voraussetzung für die Auswertung nach Gl. 9 für Reaktionen pseudo-erster Ordnung

bei zwei Reaktionspartnern ist der Einsatz einer der beiden Reaktionskomponenten

in großem Überschuss, damit dessen Konzentration während der Reaktion als

nahezu konstant angesehen werden kann. Die wahre Geschwindigkeitskonstante

zweiter Ordnung ergibt sich aus dem Quotienten der Geschwindigkeitskonstanten k

und der Konzentration der im Überschuss vorliegenden Reaktionskomponenten, in

diesem Falle PVAm.

3 Ergebnisse und Diskussion

95

Welches Verhältnis beider Reaktionskomponenten zueinander eingesetzt wird, hängt

von der zu erwartenden UV/vis-Endabsorption des Chromophoren ab, die einen Wert

über 1.8 nicht überschreiten sollte (Bandenstauchung und Verbreiterung). Ist die

Bildung des Chromophoren sehr schnell und/oder die Verdünnung zu gering,

womöglich sind die Zeitabstände zwischen den einzelnen Messungen zu groß, so

äußert sich das in schlecht oder nicht auswertbaren Kurven bei der zeitlichen

Auftragung der UV/vis-Absorption. Ein zu zeitiges Abbrechen der UV/vis-

spektroskopischen Verfolgung der Reaktion liefert eine Gerade, die nur den Beginn

der Reaktion anzeigt. Die Regressionsstatistik nach Gl. 9 ist dann mit einem großen

Fehler behaftet. Daher muss für jedes Reaktionssystem vorher ausprobiert werden,

welche Konzentrationen und welches Zeitfenster günstig für die Messungen sind.

Mit Kenntnis der Geschwindigkeitskonstanten k bei unterschiedlichen Temperaturen

kann über die Arrhenius-Gleichung (Gl. 10) durch graphisches Auftragen von lnk

über T-1 aus dem Anstieg der Geraden die Aktivierungsenergie EA bestimmt

werden.48 Dabei ist zu beachten, dass mit dieser Methode die Reaktionsgeschwindig-

keitskonstante k der Bildung von nitrophenyl-funktionalisiertem PVAm bei der

nucleophilen aromatischen Substitution von Fluoraromaten mit PVAm experimentell

erfasst wird und nicht die Geschwindigkeitskonstanten k1 bzw. k2 der Teilschritte.

−⋅= RT

EA

eAk (10)

Die Aktivierungsenthalpie ∆H‡ wird durch graphisches Auftragen von ln(k · T-1) über

T-1 aus dem Anstieg der Geraden und die Aktivierungsentropie ∆S‡ aus dem

Schnittpunkt mit der y-Achse mit Hilfe der Eyring-Gleichung (Gl. 11) bestimmt.48

≠≠

⋅⋅=RT∆H

R∆S

B eehTk

k (11)

Die Freie Aktivierungsenthalpie ∆G‡ wurde über die Gibbs-Helmholtz-Gleichung

(Gl. 12) berechnet.48

≠≠≠ −= ST∆∆H∆G (12)

3 Ergebnisse und Diskussion

96

3.1.9.2 Funktionalisierung von Polyvinylamin (PVAm ) mittels

4-Fluornitrobenzen (4-FNB)

Eine charakteristische UV/vis-Absorptionsspektrenserie aufgenommen während der

nucleophilen aromatischen Substitution von 4-FNB/β-DMCD mit PVAm (327-facher

Überschuss, 0.3375 mol · l-1)) in Abhängigkeit von der Reaktionszeit bei 60°C i n

Wasser bei pH = 11 zeigt Abb. 30.

Abb. 30: UV/vis-Absorptionsspektrenserie aufgenommen während der nucleophilen aromatischen Substitution von 4-FNB/β-DMCD mit PVAm in Wasser (Zunahme der Intensität der neu gebildeten UV/vis-Absorptionsbande bei λmax = 413 nm von 4-nitrophenyl-funktionalisiertem PVAm).

Die neu auftretende UV/vis-Absorptionsbande bei λmax = 413 nm spiegelt die Bildung

von 4-nitrophenyl-funktionalisiertem PVAm wider. Es ist literaturbekannt, dass die

Komplexbildung von niedermolekularen 4-Nitroanilinderivaten mit z. B. Cyclodextrin

zu einer bathochromen Verschiebung des UV/vis-Absorptionsmaximums führt.124,125

Die Lage des UV/vis-Absorptionsmaximum zeigt jedoch, dass β-DMCD keinen

Einfluss auf die UV/vis-Absorptionsbande hat und somit keine Wechselwirkungen mit

der neu gebildeten chromophoren Gruppe eingeht.

-0.1

0.1

0.3

0.5

0.7

0.9

1.1

1.3

300 350 400 450 500 550 600 650 700

Wellenlänge λλλλ [nm]

Abs

orpt

ion

[a.u

.]

NH2 NH

NO2

x y

60°C

41316 h14 h12 h10 h

8 h6 h4 h3 h2 h1 h0 h

15,000 g · mol -1

pH = 11

3 Ergebnisse und Diskussion

97

Die graphische Auftragung der UV/vis-Absorption bei entsprechendem UV/vis-

Absorptionsmaximum λmax = 413 nm über die Reaktionszeit t ergibt gekrümmte

Kurven für Reaktionen pseudo-monomolekularer Ordnung. Abb. 31 zeigt die UV/vis-

Absorption der Reaktion von 4-FNB/β-DMCD mit PVAm in Wasser in Abhängigkeit

von der Reaktionszeit bei 50°C, 60°C, 70°C and 80°C . Mittels nichtlinearer

Regression nach Gleichung 9 wurden die Geschwindigkeitskonstanten k, welche

erwartungsgemäß mit Zunahme der Reaktionstemperatur zunehmen, bestimmt.

Abb. 31: Graphische Darstellung der UV/vis-Absorption bei λmax = 413 nm über der Reaktionszeit (gekrümmte Kurven für Reaktionen pseudo-monomolekularer Ordnung) bei 50°C, 60°C, 70°C und 80°C zur Ermittlung der Geschwindigkeitskonstanten k der Funktionalisierung von PVAm mittels 4-FNB.

Die Aktivierungsenergie EA der nucleophilen aromatischen Substitution von

4-FNB/β-DMCD mit PVAm wurde nach Arrhenius aus dem Anstieg der Geraden

durch graphische Auftragung von lnk über T-1 nach Gleichung 10 bestimmt

(vgl. Abb. 35). Die Aktivierungsenergie EA für die nucleophile aromatische

Substitution von 4-FNB/β-DMCD mit PVAm in Wasser wurde mit 67.5 ± 1.04 kJ·mol-1

ermittelt. Der Fehlerbereich der Aktivierungsenergie wurde dabei aus dem

Bestimmtheitsmaß r2 der Geraden berechnet.

0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0.8

0.9

1

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24

Zeit [h]

Abs

ortio

n (

λλ λλ max

= 4

13 n

m)

[a.u

.] 60°C

70°C

k50°C = 1.13 · 10-6 s-1

k60°C = 3.11 · 10-6 s-1

k70°C = 5.33 · 10-6 s-1

k80°C = 1.00 · 10-5 s-1

50°C

80°C

NH2 NH

NO2

x y

15,000 g · mol-1pH = 11

3 Ergebnisse und Diskussion

98

2-Fluornitrobenzen (2-FNB)

Für die Aufnahme von UV/vis-Absorptionsspektrenserien der nucleophilen

aromatischen Substitution von 2-FNB/β-DMCD mit PVAm in Abhängigkeit von der

Reaktionszeit bei 50°C, 60°C, 70°C und 80°C in Wass er bei pH = 11 wurde PVAm in

327-fachem Überschuss (0.3375 mol · l-1) eingesetzt. Die UV/vis-Absorption der

neuen UV/vis-Absorptionsbande (λmax = 450 nm) wurde über die Reaktionszeit

graphisch aufgetragen und daraus über Gl. 9 die Geschwindigkeitskonstanten

bestimmt. Die Aktivierungsenergie EA wurde durch Auftragung von lnk über T-1 nach

Gl. 10 bestimmt und beträgt für die nucleophile aromatische Substitution von

2-FNB/β-DMCD mit PVAm in Wasser 67.6 ± 1.69 kJ ·mol-1.

Im Hinblick auf die Vermutung, dass das verwendete Reaktionssystem

2-FNB/β-DMCD in Wasser bzw. 2-FNB im Ethanol/Wasser-Gemisch (3:1) keinen

großen Einfluss auf den Umsatzgrad an 2-FNB bei der Synthese von 2-nitrophenyl-

funktionalisierten PVAm´s hat, wurden weitere kinetische Untersuchungen der

Reaktion von PVAm mit 2-FNB in einem Ethanol/Wasser-Gemisch bei 40°C, 50°C,

55°C und 60°C durchgeführt. Die graphische Darstell ung lnk über T-1 zeigt, dass die

Aktivierungsenergien beider Reaktionen nahezu gleich groß sind (s. Abb. 32).

Abb. 32: Graphische Darstellung lnk über T-1 zur Ermittlung der Aktivierungsenergien der Funktionalisierung von PVAm mit 2-FNB in Wasser bzw. in einem 3:1 Ethanol/Wasser-Gemisch.

y = -8136.3916x + 12.6500R2 = 0.9750

y = -8021.4530x + 12.1708R2 = 0.9963

-14

-13

-12

-11

-10

-90.0024 0.0026 0.0028 0.0030 0.0032 0.0034

T-1 [K -1]

lnk

● 2-FNB/ββββ-DMCD:→ EA = 67.6 ± 1.69 kJ · mol -1

□ EtOH/H2O-Gemisch:

→ EA = 66.7 ± 0.25 kJ · mol -1

NH2 NHNO2

x y

15,000 g · mol -1

pH = 11

3 Ergebnisse und Diskussion

99

Durch graphisches Auftragen von ln(k·T-1) über T-1 wurden die Aktivierungs-

enthalpien ∆H‡ aus den Anstiegen der Geraden und die Aktivierungsentropien ∆S‡

aus den Schnittpunkten mit der y-Achse mit Hilfe der Eyring-Gleichung (Gl. 11)

bestimmt.

In Tabelle 13 sind die Ergebnisse der kinetischen Untersuchungen

(Geschwindigkeitskonstante k, Aktivierungsenergie EA, Aktivierungsenthalpie ∆H‡

und Aktivierungsentropie ∆S‡) der Funktionalisierung von PVAm mittels 2-FNB zum

einen in Wasser über Löslichkeitsvermittlung mittels β-DMCD und zum anderen in

einem Ethanol/Wasser -Lösungsmittelgemisch (3:1) zusammengefasst.

Tab. 13: Zusammenfassung der Ergebnisse der kinetischen Untersuchungen zur Ermittlung der Aktivierungsparameter: Geschwindigkeitskonstante k, Aktivierungsenergie EA, Aktivierungsenthalpie ∆H‡ und Aktivierungsentropie ∆S‡) der Funktionalisierung von PVAm mit 2-FNB in Wasser über β-DMCD und in einem Ethanol/Wasser-Gemisch.

Fluoraromat

(FA)

nPVAm

nFA

Τ

[°C]

k

[s-1]

pH = 11

EA

[kJ·mol-1]

Arrhenius

∆H‡

[kJ·mol-1]

Eyring

∆S‡

[J·K-1·mol-1]

Eyring

F

O2N

β-DMCD/H2O

327

50

60

70

85

3.08 · 10-6

9.06 · 10-6

1.79 · 10-5

3.74 · 10-5

67.6 ± 1.69 64.82 -149.16

F

O2N

EtOH/H2O

327

40

50

55

60

1.49 · 10-6

3.03 · 10-6

4.66 · 10-6

6.95 · 10-6

66.7 ± 0.25 64.01 -152.69

Die Unterschiede der Aktivierungsparameter sind sehr gering. Daher ist es nicht

verwunderlich, dass sich − bei gleichem eingesetzten Molverhältnis von 2-FNB zu

PVAm im EtOH/Wasser-Lösungsmittelgemisch und 2-FNB/β-DMCD zu PVAm in

Wasser − die Substitutionsgrade von 2-nitrophenyl-funktionalisiertem PVAm kaum

unterscheiden. Der Umsatzgrad an 2-FNB ist nahezu unabhängig von den in dieser

Arbeit verwendeten Lösungsmittelsystemen (s. Abschnitt 3.1.8 S. 83).

3 Ergebnisse und Diskussion

100

1-Fluor-2,4-dinitrofluorbenzen (Sangers Reagenz)

Die Funktionalisierungsreaktion von PVAm mit Sangers Reagenz sollte durch die

zusätzliche Nitrogruppe im Vergleich zu 4-FNB und 2-FNB, aufgrund der größeren

Aktivierung durch den –M-Substituenten, schneller ablaufen. Das zeigt sich auch bei

den kinetischen Untersuchungen. Bei einem 327-fachen Überschuss von PVAm

(0.3375 mol · l-1) zu Sangers Reagenz/β-DMCD war schon kurz nach Reaktions-

beginn die UV/vis-Absorption des entstandenen chromophoren Polymeren für die

UV/vis-Messung zu hoch. Ein 1310-facher Überschuss an PVAm und tiefere

Temperaturen (0°C, 23°C, 28°C und 32°C) erwiesen si ch als günstig. Eine UV/vis-

Absorptionsspektrenserie der zeitlichen Verfolgung der Funktionalisierung von

Sangers Reagenz/β-DMCD mit PVAm in Wasser bei 0°C und einem pH = 11 zeigt

Abb. 33 links. Die Ermittlung der Geschwindigkeitskonstanten und der

Aktivierungsenergie erfolgte sowohl bei 364 nm als auch bei 423 nm (Schulter). Die

Anstiege der Geraden und damit die Aktivierungsenergien sind, trotz kleiner

Unterschiede der Geschwindigkeitskonstanten, nahezu gleich (s. Abb. 33 rechts) und

damit unabhängig von der Wellenlänge, die für die Auswertung herangezogen wird.

Abb. 33: Links: UV/vis-Absorptionsspektrenserie aufgenommen während der nucleophilen aromatischen Substitution von Sangers Reagenz/β-DMCD mit PVAm in Wasser; rechts: graphische Darstellung lnk über T-1 zur Ermittlung der Aktivierungsenergie der Umsetzung von Sangers Reagenz/β-DMCD mit PVAm.

-0.1

0.1

0.3

0.5

0.7

0.9

1.1

1.3

1.5

1.7

1.9

2.1

300 400 500 600

Wellenlänge λλλλ [nm]

Abs

orpt

ion

[a.u

.]

0 °C

160 min80 min60 min40 min30 min20 min15 min10 min

5 min0 min

NH2 NHNO2

NO2

x y

364

423

15,000 g · mol -1

pH = 11

y = -7238.8x + 19.062

R2 = 0.9998

y = -7320x + 19.235

R2 = 0.9998

-10

-9

-8

-7

-6

-5

-4

0.003 0.0033 0.0036 0.0039 0.0042

T-1 [K -1]

lnk

● EA (364 nm) = 60.2 ± 0.012 kJ · mol -1

∆ EA (423 nm) = 60.9 ± 0.012 kJ · mol -1

3 Ergebnisse und Diskussion

101

1,5-Difluor-2,4-dinitrobenzen (DFDNB)

Für die Aufnahme von UV/vis-Absorptionsspektrenserien der nucleophilen

aromatischen Substitution von DFDNB/β-DMCD mit PVAm in Abhängigkeit von der

Reaktionszeit bei 0°C, 22°C, 29°C und 33°C in Wasse r bei pH = 11 (s. Abb. 34 am

Bsp. von 0 °C) wurde PVAm - wie bei der Umsetzung m it Sangers Reagenz - in

1310-fachem Überschuss (0.3375 mol · l-1) eingesetzt. Die UV/vis-Absorption der

neuen UV/vis-Absorptionsdoppelbande (λ1 = 350 nm λ2 = 423 nm) wurde über die

Reaktionszeit graphisch aufgetragen und daraus über Gleichung 9 die

Geschwindigkeitskonstanten bestimmt.

Abb. 34: UV/vis-Absorptionsspektrenserie aufgenommen während der nucleophilen aromatischen Substitution von DFDNB/β-DMCD mit PVAm in Wasser bei 0°C und eine Auflistun g der bei λ1 = 350 nm und λ2 = 423 nm ermittelten Geschwindigkeitskonstanten bei 0°C, 22°C, 29°C und 33°C.

Die Auswertung der zeitabhängigen Bildung der UV/vis-Absorptionsdoppelbande bei

λ1 = 350 nm und λ2 = 423 nm zeigt, dass unterschiedliche Geschwindigkeits-

konstanten resultieren, was auf zwei unterschiedliche Prozesse: Monosubstitution

und Disubstitution hinweist. Die Geschwindigkeitskonstanten bei 423 nm sind etwa

halb so groß wie die bei der Auswertung bei 350 nm. Die Aktivierungsenergien EA

wurden durch Auftragung von lnk über T-1 nach Gleichung 10 bestimmt.

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

1.2

1.4

1.6

1.8

2

300 350 400 450 500 550 600 650 700 750 800

Wellenlänge λλλλ [nm]

Abs

orpt

ion

[a.u

.]

80 min40 min20 min10 min

4 min2 min1 min

0.5 min0 min

0°C

x yNH NH2

NO2

NO2

NH

423

350

k 0°C = 1.29 ⋅⋅⋅⋅ 10-3 s-1

k 22°C = 8.74 ⋅⋅⋅⋅ 10-3 s-1

k 29°C = 11.41 ⋅⋅⋅⋅ 10-3 s-1

k 33°C = 15.95 ⋅⋅⋅⋅ 10-3 s-1

k 0°C = 6.21 ⋅⋅⋅⋅ 10-4 s-1

k 22°C = 3.57 ⋅⋅⋅⋅ 10-3 s-1

k 29°C = 5.35 ⋅⋅⋅⋅ 10-3 s-1

k 33°C = 7.20 ⋅⋅⋅⋅ 10-3 s-1

λλλλ1 = 350 nm:

λλλλ2 = 423 nm:

15,000 g · mol -1

pH = 11

3 Ergebnisse und Diskussion

102

Sie betragen für die nucleophile aromatische Substitution von DFDNB/β-DMCD mit

PVAm in Wasser 52.8 ± 0.42 kJ·mol-1 (bei λ1 = 350 nm) und 51.5 ± 0.05 kJ·mol-1

(bei λ2 = 423 nm). Da beide Produkte der Mono- und Disubstitution sehr ähnliche

UV/vis-Absorptionsspektren aufweisen, kann nur eine gemittelte Aussage getroffen

werden. Das heißt die jeweils ermittelten Geschwindigkeitskonstanten bei 350 nm

und 423 nm spiegeln anteilmäßig auch die Zweit- bzw. Erstsubstitution wider.

Abb. 35 zeigt zur besseren Übersichtlichkeit die graphischen Darstellungen zur

Ermittlung der Aktivierungsenergien nach Gleichung 10 (lnk über T-1) der

Funktionalisierungen von PVAm (0.3375 mol·l-1) mittels 4-FNB, 2-FNB, Sangers

Reagenz und DFDNB in Wasser zusammengefasst.

Abb. 35: Graphische Darstellung lnk über T-1 zur Ermittlung der Aktivierungsenergien aus dem Anstieg der Geraden der Funktionalisierung von PVAm mittels 4-FNB/β-DMCD, 2-FNB/β-DMCD, Sangers Reagenz/β-DMCD und DFDNB/β-DMCD in Wasser.

Eine ausführliche Diskussion der kinetischen Untersuchungen der Umsetzungen von

PVAm und den entsprechenden β-DMCD-Komplexen von 4-FNB, 2-FNB, Sangers

Reagenz und DFDNB folgt im Anschluss an die kinetischen Betrachtungen der

Funktionalisierung von PVAm mittels 4-FNA/β-DMCD und 4-DMFNA/β-DMCD.

y = -8114.4155x + 11.5148R2 = 0.9846

y = -8136.3916x + 12.6500R2 = 0.9750

y = -6345.3918x + 16.6130R2 = 0.9920

y = -7238.8149x + 19.0618R2 = 0.9998

-15

-14

-13

-12

-11

-10

-9

-8

-7

-6

-5

-4

-30.0025 0.00275 0.003 0.00325 0.0035 0.00375 0.004 0.00425

T-1 [K -1]

lnk

1EA = 67.5 ± 1.04 kJ ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ mol -11

2

EA = 67.6 ± 1.69 kJ ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ mol -1 2

EA = 60.2 ± 0.012 kJ ⋅⋅⋅⋅ mol -1

3

3

4

EA = 52.8 ± 0.42 kJ ⋅⋅⋅⋅ mol -1

4

x yNH2 NH

NO2

NO2

NH

NH2 NHNO2

NO2

x y

NH2 NHNO2

x y

NH2 NH

NO2

x y

3 Ergebnisse und Diskussion

103

4-Fluor-3-nitroanilin (4-FNA)

In Abb. 36 (links) ist eine charakteristische UV/vis-Absorptionsspektrenserie

aufgenommen während der nucleophilen aromatischen Substitution von

4-FNA/β-DMCD mit PVAm in Abhängigkeit von der Reaktionszeit bei 60°C in Wasser

bei pH = 11 gezeigt. PVAm (0.3375 mol·l-1) wurde dabei in 164-fachem Überschuss

eingesetzt, da ein 327-facher Überschuss wie bei der Funktionalisierung von PVAm

mittels 2-FNB und 4-FNB zu kleinen UV/vis-Endabsorptionen (< 0.5) und sehr langen

Messzeiten führte.

Abb. 36: Links: UV/vis-Absorptionsspektrenserie aufgenommen während der nucleophilen aromatischen Substitution von 4-FNA/β-DMCD mit PVAm in Wasser; rechts: graphische Darstellung lnk über T-1 zur Ermittlung der Aktivierungsenergie der Umsetzung von 4-FNA/β-DMCD mit PVAm.

Die neu auftretende UV/vis-Absorptionsbande bei λmax = 519 nm zeigt die Bildung

von 2-nitro-4-aminobenzen-funktionalisiertem PVAm. Die Funktionalisierung von

PVAm mittels 4-FNA/β-DMCD wurde weiterhin bei 50 °C und 80 °C UV/vis-

spektroskopisch verfolgt. Die UV/vis-Absorption bei λmax = 519 wurde über die

Reaktionszeit bei 50°C, 60°C und 80°C graphisch auf getragen und daraus über Gl. 9

die Geschwindigkeitskonstanten bestimmt. Aus der Auftragung von lnk über T-1 nach

Gl. 10 wurde die Aktivierungsenergie mit 67.4 ± 0.16 kJ·mol-1 ermittelt (s. Abb. 36

rechts).

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

1.2

350 450 550 650 750 850

Wellenlänge λλλλ [nm]

Abs

orpt

ion

[a.u

.]

519

60°C

42 h36 h30 h25 h20 h15 h10 h 5 h 0 h

NH2 NHNO2

NH2

x y

15,000 g · mol -1

pH = 11y = -8102.1593x + 10.6763

R2 = 0.9977

-16

-15

-14

-13

-12

-110.0027 0.0028 0.0029 0.003 0.0031 0.0032

T-1 [K -1]

lnk

EA = 67.4 ± 0.16 kJ · mol -1

3 Ergebnisse und Diskussion

104

N,N-Dimethyl-4-fluor-3-nitroanilin (4-DMFNA)

Für die kinetischen Untersuchungen der Funktionalisierung von PVAm mittels

4-DMFNA in Wasser bei pH = 11 wurde PVAm (0.3375 mol·l-1) in 64-fachem

Überschuss zum 4-DMFNA/β-DMCD-Komplex eingesetzt. Die Konzentration von

4-DMFNA wurde aufgrund der zu geringen UV/vis-Endabsorption und sehr langer

Messzeiten im Vergleich zu 4-FNA verdoppelt.

Die Geschwindigkeitskonstanten wurden über Gl. 9 durch die graphische Auftragung

der UV/vis-Absorption bei λmax über der Reaktionszeit bestimmt (s. Abb. 37 links). Mit

Hilfe von Gl. 10 wurde die Aktivierungsenergie aus den Geschwindigkeitskonstanten

bei 32°C, 60°C und 70°C durch graphisches Auftragen von lnk über T-1 (s. Abb. 37

rechts) aus dem Anstieg der Geraden mit 76.5 kJ·mol-1 ermittelt.

Abb. 37: Links: graphische Darstellung der UV/vis-Absorption bei λmax über die Reaktionszeit der Funktionalisierung von PVAm mittels 4-DMFNA/β-DMCD in Wasser; rechts: graphische Darstellung lnk über T-1 zur Ermittlung der Aktivierungsenergie der Umsetzung von 4-DMFNA/β-DMCD mit PVAm.

Eine ausführliche Diskussion der ermittelten Aktivierungsparameter der einzelnen

Funktionalisierungsreaktionen von im Überschuss eingesetztem PVAm

(0.3375 mol·l-1) folgt im Anschluss an Tabelle 14, in der übersichtlich die Ergebnisse

der kinetischen Untersuchungen nach pseudo-erster Ordnung mit Hilfe der UV/vis-

Spektroskopie zusammengefasst sind.

0

0.5

1

1.5

2

2.5

0 20 40 60 80 100

Zeit [h]

Abs

orpt

ion

bei

λλ λλ max

[a.u

.]

k32°C = 3.0464 · 10-7 s-1

k60°C = 3.7770 · 10-6 s-1

k70°C = 8.6297 · 10-6 s-1

NH2 NHNO2

NH3C CH3

x y

15,000 g · mol -1

pH = 11

32 °C

60 °C

70 °Cy = -9196.51x + 15.13

R2 = 1.00

-16

-15

-14

-13

-12

-11

-100.0028 0.003 0.0032 0.0034

T-1 [K -1]

lnk

EA = 76.5 ± 0.00 kJ · mol -1

3 Ergebnisse und Diskussion

105

Tab. 14: Zusammenfassung der Ergebnisse der kinetischen Untersuchungen zur Ermittlung von Aktivierungsparametern der nucleophilen aromatischen Substitution von 4-FNB, 2-FNB, Sangers Reagenz, DFDNB, 4-FNA und 4-DMFNA mit PVAm (0.3375 mol·l-1; 15,000 g·mol-1) in Wasser über Löslichkeitsvermittlung mittels β-DMCD.

Fluor-

aromat

(FA)

nPVAm

nFA

Τ

[°C]

k

[s-1]

pH = 11

EA

[kJ·mol-1]

∆H‡

[kJ·mol-1]

∆S‡

[J·K-1·mol-1]

∆G‡

[kJ·mol-1]

298K

F NO2

327

50

60

70

80

1.13 · 10-6

3.11 · 10-6

5.33 · 10-6

1.00 · 10-5

67.5 ± 1.04 64.66 −158.53 111.90

F

O2N

327

50

60

70

85

3.08 · 10-6

9.06 · 10-6

1.79 · 10-5

3.74 · 10-5

67.6 ± 1.69 64.82 −149.16 109.27

F

O2N

NO2

1310

0

23

28

32

5.84 · 10-4

4.73 · 10-3

6.85 · 10-3

9.34 · 10-3

60.2 ± 0.01 57.80 −94.45 85.95

F

O2N

NO2

F

1310

0

22

29

33

1.29 · 10-3

8.74 · 10-3

1.14 · 10-2

1.60 · 10-2

52.8 ± 0.42 50.36 −114.83 84.58

F NH2

O2N

164

50

60

80

5.81 · 10-7

1.12 · 10-6

4.81 · 10-6

67.4 ± 0.16 64.55 −165.52 113.87

N

O2N

FCH3

CH3

82

32

60

70

3.05 · 10-7

3.78 · 10-6

8.63 · 10-6

76.5 ± 0.00 73.78 −128.09 111.95

Die Geschwindigkeitskonstante zweiter Ordnung würde sich aus dem Quotienten der

Geschwindigkeitskonstanten k und der Konzentration der im Überschuss

vorliegenden Reaktionskomponenten PVAm ergeben. Auf die Umrechnung wurde in

dieser Arbeit verzichtet, da jeweils die gleiche Konzentration an PVAm mit

0.3375 mol·l-1 bei allen untersuchten Reaktionen eingesetzt wurde.

3 Ergebnisse und Diskussion

106

Die Aktivierungsentropien ∆S‡ sind bei allen untersuchten Funktionalisierungs-

reaktionen negativ, wie es die Vereinigung zweier neutraler Moleküle zu einer

zwitterionischen Zwischenstufe erwarten lässt.

Aufgrund gleicher Reaktionsbedingungen (50°C, 60°C und 70°C) und gleicher

Konzentrationsverhältnisse der eingesetzten Reaktionspartner (PVAm im 327-fachen

Überschuss, 0.3375 mol·l-1) können die Geschwindigkeitskonstanten bei der

Umsetzung von 4-FNB/β-DMCD und 2-FNB/β-DMCD mit PVAm direkt miteinander

verglichen werden. Die Geschwindigkeitskonstanten bei der nucleophilen

Substitution von 2-FNB/β-DMCD mit PVAm bei 50°C, 60°C und 70°C sind etwa

dreimal so groß wie die der Umsetzung von 4-FNB/β-DMCD mit PVAm. Das deckt

sich mit dem etwa zwei bis dreimal höheren Substitutionsgrad von 2-nitrophenyl-

funktionalisiertem PVAm im Vergleich zu 4-nitrophenyl-funktionalisiertem PVAm bei

gleichen Reaktionsbedingungen (s. Abschnitt 3.1.4). Die Aktivierungsenergien für die

nucleophile aromatische Substitution von 4-FNB/β-DMCD und 2-FNB/β-DMCD sind

mit 67.6 kJ·mol-1 und 67.5 kJ·mol-1 nahezu gleich. Der messbare Reaktivitäts-

unterschied rührt einerseits von der höheren zu überwindenden Aktivierungsentropie

her (ortho–NO2-Gruppe erschwert sterisch die Anlagerung des Amins) und anderer-

seits setzt die Wechselwirkung der ortho–NO2-Gruppe mit dem Anilinwasserstoff der

chromophoren Einheit die Energie des Übergangszustandes herab, was wiederum

zur Begünstigung der Reaktion führt. Die Beschleunigung der Reaktion durch solche

Nachbargruppeneffekte der ortho–NO2-Gruppe sind literaturbekannt.20,91,93-95

Sangers Reagenz ist durch einen weiteren –M-Substituenten erwartungsgemäß für

eine nucleophile aromatische Substitution mit PVAm besser aktiviert als 2-FNB und

4-FNB. Demzufolge nimmt die Aktivierungsenergie mit 60.2 kJ·mol-1 für die

nucleophile aromatische Substitution signifikant ab.

Die Einführung eines weiteren Fluorsubstituenten bei DFDNB führt zu einer weiteren

Absenkung der Aktivierungsenergie auf 52.8 kJ·mol-1, was auf den –I Effekt des

zweiten Fluorsubstituenten zurückzuführen ist. Allerdings wird der Effekt auf die

Aktivierungsentropie im Vergleich zu Sangers Reagenz etwas kompensiert.

In guter Näherung können die Geschwindigkeitskonstanten der Umsetzung von

Sangers Reagenz/β-DMCD und DFDNB/β-DMCD miteinander verglichen werden.

Die Geschwindigkeitskonstanten bei der Reaktion von DFDNB/β-DMCD sind etwa

doppelt so groß wie die der Reaktion von Sangers Reagenz/β-DMCD mit PVAm.

3 Ergebnisse und Diskussion

107

Der direkte Vergleich der Geschwindigkeitskonstanten der Umsetzung von

4-FNA/β-DMCD und 2-FNB/β-DMCD ist aufgrund der unterschiedlich eingesetzten

Konzentrationsverhältnisse nicht möglich. Die nahezu gleich großen Aktivierungs-

energien zeigen, dass die Aminogruppe in 1-Stellung bei 4-Fluor-3-nitroanilin

(4-FNA) kaum Einfluss auf die Aktivierung (durch Elektronenzug der ortho-

Nitrogruppe) zu haben scheint. Im Gegensatz dazu hat die Einführung von zwei

Methylgruppen am 1-Aminostickstoff bei N,N-Dimethyl-4-fluor-3-nitroanilin

(4-DMFNA) im Vergleich zu 4-FNA einen großen Einfluss auf die Aktivierungs-

energie. Der größere +M-Effekt der Aminogruppe im Vergleich zu 4-FNA verringert

die Reaktivität für die nucleophile aromatische Substitution mit PVAm entscheidend.

Der Vergleich zur Aktivierungsentropie der Reaktion von i-Propylamin mit 4-FNB in

DMSO mit −∆S‡ = 38.9 J·K-1·mol-1 zeigt, dass bei der Funktionalisierung von PVAm

mit 4-FNB eine höhere Aktivierungsentropie (−∆S‡ = 158.5 J·K-1·mol-1) überwunden

werden muss.13,126 Die Polymerkette, die bei pH = 11 der wässrigen Lösung als

statistisches Knäuel vorliegt, muss daher einen signifikanten Einfluss auf die

Reaktivität haben. Es ist bekannt, dass die Nucleophilie primärer Alkylamine bei der

nucleophilen aromatischen Substitution von Fluoraromaten im Wesentlichen durch

sterische Faktoren bestimmt wird, so dass verzweigte primäre Amine deutlich

langsamer reagieren als unverzweigte.126,127 Die Basizität des Amins hat auf die

Reaktivität keinen großen Einfluss, so dass der räumliche Bau des Amins in vielen

Fällen ausschlaggebend für die Geschwindigkeit der Substitutionsreaktion ist.126,127

Der geschwindigkeitsbestimmende Schritt der nucleophilen aromatischen

Substitution (Additions-Eliminierungs-Mechanismus) ist jedoch auch abhängig von

der Wahl des Lösungsmittels. Je nachdem wie gut das Lösungsmittel in der Lage ist

die zwitterionische Zwischenstufe zu stabilisieren, kann der erste oder der zweite

Teilschritt der Substitutionsreaktion geschwindigkeitsbestimmend sein. So ist z. B.

bei der Umsetzung von 4-Fluornitrobenzen mit i-Propylamin in DMSO der erste

Schritt der geschwindigkeitsbestimmende, während in Toluol der zweite Schritt der

Substitutionsreaktion geschwindigkeitsbestimmend ist.130,131

Am Beispiel der nucleophilen aromatischen Substitution von 1-Chlor-2,4-dinitro-

benzen mit Piperidin wurden die Reaktionsgeschwindigkeiten sowohl in 12

aprotischen als auch in 10 protischen Lösungsmitteln untersucht. In allen Fällen war

dabei die Addition von Piperidin zur Bildung der Zwischenstufe der geschwindigkeits-

bestimmende Schritt.91

3 Ergebnisse und Diskussion

108

Die Reaktionsgeschwindigkeit bei der nucleophilen aromatischen Substitution von

1-Chlor-2,4-dinitrobenzen mit Piperidin nimmt in aprotischen Lösungsmitteln mit

Zunahme der Polarität des Lösungsmittels zu, da die Bildung der zwitterionischen

Zwischenstufe von polaren Lösungsmitteln besser stabilisiert werden kann. Diese

Korrelation zwischen der Reaktivität und der Polarität in aprotischen HBA-Lösungs-

mitteln (hydrogen bond acceptor) lässt den Schluss zu, dass starke intramolekulare

Wasserstoffbrückenbindungen zwischen dem Ammonium-Wasserstoff und der ortho-

Nitrogruppe verantwortlich für die Stabilisierung der Zwischenstufe und des

korrespondierenden angeregten Zustandes sind. Die Reaktivität in protischen

Lösungsmitteln ist etwas geringer im Vergleich zu den meisten aprotischen

Lösungsmitteln. Die Reaktivität des eingesetzten Aromaten ist invers proportional zur

Fähigkeit des Lösungsmittels als HBD-Lösungsmittel (hydrogen bond donor) zu

fungieren, welche sich im Lösungsmittelparameter α nach Kamlet und Taft

widerspiegelt. Die relativ geringen Reaktionsgeschwindigkeiten bei der nucleophilen

aromatischen Substitution in protischen Lösungsmitteln sind daher das Ergebnis

starker Solvatation der Aminogruppe der eingesetzten Base.91

In Wasser als gutes HBD-Lösungsmittel mit hohem α-Wert (α = 1.17) werden somit

die Aminogruppen von PVAm stark solvatisiert. Zudem wird bei der nucleophilen

aromatischen Substitution von aktivierten Fluoraromaten die zwitterionische

Zwischenstufe und der korrespondierende angeregte Zustand aufgrund der hohen

Dipolarität/Polarisierbarkeit π* von Wasser (π* = 1.09) stabilisiert. Es kann daher

davon ausgegangen werden, dass der erste Schritt der nucleophilen aromatischen

Substitution als langsamster der geschwindigkeitsbestimmende Schritt ist. Das

zeigen auch die Ergebnisse der kinetischen Untersuchungen, da die Reaktions-

geschwindigkeit mit der Elektronenverteilung am eingesetzten Fluoraromaten und mit

der zu überwindenden Aktivierungsentropie zur Bildung der Zwischenstufe direkt

zusammenhängt.

Die bisher angestellten kinetischen Untersuchungen der Reaktionen von Fluor-

aromaten mit PVAm wurden bei pH = 11 durchgeführt, um für die Funktionali-

sierungsreaktion von PVAm einen großen Anteil an unprotonierten Aminogruppen

vorliegen zu haben. Eine Erniedrigung des pH-Wertes der Reaktionslösung

(Erhöhung des Protonierungsgrades von PVAm) sollte daher auf die Reaktions-

geschwindigkeit der nucleophilen aromatischen Substitution von aktivierten

Fluoraromaten einen Einfluss haben.

3 Ergebnisse und Diskussion

109

3.1.9.3 Einfluss des pH-Wertes

Im Basischen liegen die Polymerketten von kationischen Polyelektrolyten wie PVAm

hauptsächlich als statistische Knäuel vor. Durch die Protonierung von kationischen

Polyelektrolyten (z. B. PVAm: −NH2 + H⊕ → −NH3⊕) wird die Ladungsdichte erhöht

und durch die Abstoßungskräfte gleich geladener Ionen kommt es zur

Knäuelaufweitung. Im stark Sauren liegen daher vor allem lang gestreckte

Polymerketten vor.74,75

PVAm weist die höchste kationische Ladungsdichte eines Polymeren auf, die bisher

bekannt ist. Im Gegensatz zu anderen Polymeren besitzt PVAm jedoch auch bei

hohen pH-Werten (pH = 9−10) eine signifikante Ladungsdichte von konstant

6 meq/g, was einem etwa 25 %igem Protonierungsgrad entspricht. Bei pH = 7

(12.8 meq/g) ist von 55 %igem und bei pH = 4 von etwa 75 %igem Protonierungs-

grad auszugehen. Die angegebenen Ladungsdichten beziehen sich auf ein PVAm

mit einem Molekulargewicht von 340,000 g·mol-1 (Lupamin® 9095).7

Die Ladungsdichten von Lupamin® 9095 wurden dabei über Polyelektrolyttitration

nach Horn mit Kaliumpolyvinylsulfat (anionischer Polyelektrolyt) und zur Endpunkt-

erkennung mittels eines metachromatischen Farbstoffes bestimmt.7,128

Mit abnehmendem pH-Wert einer PVAm-lösung nimmt also die Ladungsdichte und

durch Knäuelaufweitung der Polymerketten die Viskosität der Lösung zu. Eine

charakteristische Kenngröße der Viskosität einer Polymerlösung ist die Grenz-

viskositätszahl [η] oder auch Staudinger-Index genannt. Der Staudinger-Index steht

mit dem Molekulargewicht des Polymeren über die Kuhn-Mark-Houwink-Sakurada-

Gleichung (Gleichung 13) in empirischem Zusammenhang.74

[ ] αη MK ⋅= (13)

Der sog. K-Wert ist eine von der gelösten Substanz und vom Lösungsmittel

abhängige Konstante. Der Exponent α ist eine Größe, welche für die Konformation

der Polymerketten steht und für die Grenzfälle des idealen Knäuels mit α = 0.5 und

für starre, lineare Ketten mit α = 2 festgelegt ist.74 Je größer das Molekulargewicht M

und je gestreckter die Polymerketten sind, desto größer die Viskosität der

Polymerlösung.

3 Ergebnisse und Diskussion

110

Der pH-Wert der Reaktionslösung könnte daher in zweierlei Hinsicht (Anzahl

reaktiver, unprotonierter Aminogruppen und Viskosität der PVAm-lösung) einen

Einfluss auf die Geschwindigkeit der Funktionalisierungsreaktion haben.

Um den Einfluss des pH-Wertes der Reaktionslösung auf die Reaktivität von PVAm

mit aktivierten Fluoraromaten zu untersuchen, wurde das System Sangers

Reagenz/β-DMCD mit PVAm aufgrund der guten Reaktivität und der nahezu vom

pH-Wert unabhängigen UV/vis-Absorptionseigenschaften von 2,4-dinitrophenyl-

funktionalisiertem PVAm für nähere Betrachtungen ausgewählt. Als pH-Bereiche

wurde neben den schon vorgestellten Ergebnissen bei pH = 11 noch pH = 7 und

pH = 4 ausgewählt. Ein noch niedrigerer pH-Wert wurde ausgeschlossen, da es bei

pH < 3 zu C-O-C-Bindungsspaltungen und damit zum Abbau der Cyclodextrin-

moleküle kommen kann.107

Abb. 38 zeigt die Auftragung der zeitabhängigen UV/vis-Absorption der Bildung der

neuen UV/vis-Absorptionsbande bei der Funktionalisierungsreaktion von Sangers

Reagenz/β-DMCD mit PVAm (15,000 g·mol-1) jeweils bei Raumtemperatur bei

pH = 4, pH = 7 und pH = 11. PVAm wurde dabei in 1310-fachem Überschuss

(0.3375 mol·l-1) zum Fluoraromaten eingesetzt.

Abb. 38: Graphische Darstellung der UV/vis-Absorption bei λ = 350 nm von 2,4-dinitrophenyl-funktionalisiertem PVAm in Abhängigkeit von der Reaktionszeit bei pH = 4, pH = 7 und pH = 11 bei Raumtemperatur.

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

1.2

1.4

1.6

1.8

2

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Reaktionszeit [h]

Abs

orpt

ion

bei

λλ λλ max

[a.u

.]

pH = 11

pH = 7

bei Raum-temperatur

pH = 4

NH2 NH

NO2

NO2

x y

k23°C = 4.73 · 10-3 s-1

k24°C = 7.70 · 10-5 s-1

k25°C = 2.78 · 10-6 s-1

3 Ergebnisse und Diskussion

111

Aus Abb. 38 wird deutlich, dass bei niedrigerem pH-Wert die Funktionalisierungs-

reaktion deutlich langsamer ablaufen, erkennbar an den später erreichten UV/vis-

(End)absorptionen von 2,4-dinitrophenyl-funktionalisiertem PVAm und den bei

Raumtemperatur ermittelten Geschwindigkeitskonstanten.

Die Funktionalisierungsreaktion von PVAm mit Sangers Reagenz/β-DMCD wurde

neben der Untersuchung bei Raumtemperatur bei pH = 4 und pH = 7 noch bei

jeweils 50 °C und 70 °C UV/vis-spektroskopisch verf olgt. Durch graphische

Auftragungen der zeitabhängigen UV/vis-Absorption der Bildung der neuen UV/vis-

Absorptionsbande von 2,4-dinitrophenyl-funktionalisiertem PVAm wurden die

Geschwindigkeitskonstanten k nach Gl. 9 bei 50 °C u nd 70 °C ermittelt. Zur

Bestimmung der Aktivierungsenergien wurde lnk über T-1 nach Gl. 10 bei pH = 4,

pH = 7 und pH = 11 graphisch aufgetragen wie in Abb. 39 gezeigt ist.

Abb. 39: Graphische Darstellung von lnk über T-1 zur Ermittlung der Aktivierungsenergien der Funktionalisierungen von PVAm (15,000 g·mol-1) mittels Sangers Reagenz/β-DMCD bei pH = 4, pH = 7 und pH = 11.

Trotz kleinerer Geschwindigkeitskonstanten bei pH = 4 ist die Aktivierungsenergie mit

50.8 ± 0.02 kJ · mol-1 kleiner als bei pH = 7 (54.8 ± 0.26 kJ · mol-1) und pH = 11

(60.2 ± 0.01 kJ · mol-1).

y = -7238.8x + 19.062R2 = 0.9998

y = -6590.4x + 12.755R2 = 0.9952

y = -6106.3x + 7.6752R2 = 0.9996-14

-12

-10

-8

-6

-4

-20.0022 0.0024 0.0026 0.0028 0.003 0.0032 0.0034 0.0036 0.0038

T -1 [K -1]

lnk

NH2 NHNO2

NO2

x y

pH = 4

pH = 7

pH = 11

EA pH [kJ · mol -1] 4 50.8 ± 0.020 7 54.8 ± 0.263 11 60.2 ± 0.012

15,000 g·mol -1

3 Ergebnisse und Diskussion

112

Dieses Ergebnis war auf den ersten Blick überraschend, da aufgrund der geringeren

Anzahl reaktiver Aminogruppen bei PVAm mit Abnahme des pH-Wertes eine

umgekehrte Abhängigkeit der Aktivierungsenergie vom pH-Wert erwartet wurde. Die

Auftragung der Aktivierungsenergie über den pH-Wert liefert im untersuchten

pH-Bereich eine lineare Abhängigkeit (s. Abb. 40).

Abb. 40: Graphische Darstellung der ermittelten Aktivierungsenergien der Funktionalisierung von PVAm mittels Sangers Reagenz/β-DMCD in Abhängigkeit des pH-Wertes der Reaktionslösung.

Trotz langsamerer Geschwindigkeit mit abnehmendem pH-Wert sind die

Aktivierungsenergien kleiner. Das deutet daraufhin, dass die Aktivierungsentropie

∆S‡ den entscheidenden Einfluss auf die Reaktivität von PVAm gegenüber

Sanger´s/β-DMCD in Abhängigkeit vom pH-Wert haben muss. Die Aktivierungs-

enthalpie ∆H‡ und die Aktivierungsentropie ∆S‡ wurden nach Gl. 11 durch

graphisches Auftragen von ln(k·T-1) über T-1 sowie die Freie Aktivierungsenthalpie

∆G‡ nach Gl. 12 für die Funktionalisierung von PVAm mittels Sanger´s/β-DMCD bei

pH = 4, pH = 7 und pH = 11 bestimmt.

In Tab. 15 sind die Ergebnisse der kinetischen Untersuchungen der

Funktionalisierung von PVAm (15,000 g·mol-1) mittels Sangers Reagenz/β-DMCD bei

pH = 4, pH = 7 und pH = 11 gemessen bei verschiedenen Temperaturen

zusammengestellt.

y = 1.34x + 45.42R2 = 1.00

48

50

52

54

56

58

60

62

64

3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

pH-Wert

EA [k

J ·

mol

-1]

50.8

54.8

60.2NH2 NH

NO2

NO2

x y

15,000 g · mol -1

3 Ergebnisse und Diskussion

113

Tab. 15: Überblick der Ergebnisse der kinetischen Untersuchungen der Funktionalisierung von PVAm (15,000 g·mol-1, 0.3375 mol·l-1) mittels Sangers Reagenz/β-DMCD bei pH = 4, pH = 7 und pH = 11.

MW = 15,000 g·mol-1

c0(PVAm) : c0(Sangers Reagenz) = 1310-facher Überschuss

NH2 NHNO2

NO2

x y

pH = 4 pH = 7 pH = 11

k [s-1] 25°C 50°C 70°C

2.78 · 10-6 1.30 · 10-5 4.10 · 10-5

24°C 50°C 70°C

7.70 · 10-5 5.42 · 10-4 1.47 · 10-3

0°C 23°C 28°C 32°C

5.84 · 10-4

4.73 · 10-3

6.85 · 10-3

9.34 · 10-3 EA [kJ·mol-1] 50.8 54.8 60.2

∆H‡ [kJ·mol-1] 48.1 52.1 57.8

∆S‡ [J·K-1·mol-1] -190.0 -147.7 -94.5

T∆S‡ [kJ·mol-1]

298 K -56.7 -44.1 -28.2

∆G‡ [kJ·mol-1]

298 K 104.8 96.2 86.0

Die Freien Aktivierungsenthalpien ∆G‡ bei 298 K nehmen von 104.8 kJ·mol-1 bei

pH = 4 über 96.2 kJ·mol-1 bei pH = 7 zu 86.0 kJ·mol-1 bei pH = 11 − trotz höherer

Aktivierungsenergien − deutlich ab. Es zeigt sich, dass die Aktivierungsentropie ∆S‡

auf die Reaktivität einen großen Einfluss hat. So ist bei pH = 4 die zu überwindende

Aktivierungsentropie mit −∆S‡ = 190 J·K-1·mol-1 fast doppelt so groß wie bei pH = 11

mit −∆S‡ = 94.5 J·K-1·mol-1.

Die kinetischen Untersuchungen zeigen, dass mit steigendem pH-Wert bei der

Funktionalisierung von PVAm mit Sangers Reagenz/β-DMCD die Aktivierungs-

enthalpie ∆H‡ und die Aktivierungsenergie EA − trotz kleinerer Geschwindigkeits-

konstanten − zunehmen. Das bedeutet, dass der Angriff bei niedrigem pH-Wert zwar

leichter erfolgt, jedoch eine wesentlich höhere Aktivierungsentropie überwunden

werden muss. Offensichtlich spielen sterische Effekte im Sauren eine größere Rolle,

so dass dort die Zugänglichkeit hauptsächlich von der molekularen Struktur der zu

substituierenden PVAm-Einheit und nicht allein von der Polymermoleküldynamik

abhängt.

3 Ergebnisse und Diskussion

114

3.1.9.4 Einfluss des Molekulargewichtes von PVAm

Da literaturbekannt ist, dass Copolymere aus Vinylamin und Acrylamid

unterschiedlicher Anteile an Vinylamin-Einheiten (55−78%) bei pH = 4 ein Maximum

der reduzierten Viskosität [η] durchlaufen129, galt es zu untersuchen, ob die

Reaktivität von PVAm bei der nucleophilen aromatischen Substitution von Sangers

Reagenz allein von der Anzahl der reaktiv vorliegenden primären Aminogruppen

und/oder auch von der damit verbundenen Änderung der Viskosität abhängig ist.

Daher wurde die Funktionalisierung von PVAm zum einen mit einem höheren

Molekulargewicht und zum anderen durch Zugabe von KCl-Fremdsalz kinetisch mit

Hilfe der UV/vis-Spektroskpie untersucht.

Die Funktionalisierungsreaktion wurde am System Sangers Reagenz/β-DMCD und

PVAm mit einem Molekulargewicht von 400,000 g·mol-1 bei pH = 4, pH = 7 und

pH = 11 UV/vis-spektroskopisch untersucht. Dabei wurde PVAm zur Vergleichbarkeit

vorhergehender Untersuchungen (MW = 15,000 g·mol-1) in einem 1310-fachem

Überschuss (0.3375 mol·l-1) zu Sangers Reagenz eingesetzt. Für die kinetischen

Untersuchungen wurden zeitabhängige UV/vis-Absorptionsspektren aufgenommen

und aus der graphischen Auftragung der UV/vis-Absorption (beim entsprechenden

UV/vis-Absorptionsmaximum) in Abhängigkeit von der Reaktionszeit die

Geschwindigkeitskonstanten nach Gl. 9 bestimmt. Bei der Funktionalisierung von

PVAm (400,000 g·mol-1) mittels Sangers Reagenz/β-DMCD wurden die

nachfolgenden Geschwindigkeitskonstanten ermittelt: k30°C (pH = 11) = 4.65 · 10-3 s-1,

k25°C (pH = 7) = 6.00 · 10-5 s-1 und k30°C (pH = 4) = 2.31 · 10-6 s-1. Auch bei einem

höheren Molekulargewicht von PVAm zeigt sich, dass mit Abnahme des pH-Wertes

die Geschwindigkeitskonstanten bei gleicher Reaktionstemperatur kleiner sind, somit

die Reaktionen langsamer verlaufen.

Die Funktionalisierungsreaktion wurde weiterhin bei pH = 4 bei 50 °C und 75 °C und

bei pH = 7 bei 50 °C und 70 °C in Abhängigkeit von der Reaktionszeit UV/vis-

spektroskopisch verfolgt. Bei pH = 11 wurden neben 30 °C geringere Temperaturen

gewählt (0 °C und 20 °C), da die Funktionalisierung sreaktion von PVAm mittels

Sangers Reagenz/β-DMCD bei höheren Temperaturen sehr schnell verläuft und

daher zeitlich schlecht UV/vis-spektroskopisch verfolgbar ist.

3 Ergebnisse und Diskussion

115

Graphische Auftragungen der zeitabhängigen UV/vis-Absorption der Bildung der

neuen UV/vis-Absorptionsbande von 2,4-dinitrophenyl-funktionalisiertem PVAm

lieferten nach Gl. 9 die Geschwindigkeitskonstanten bei den jeweiligen Temperaturen

im untersuchten pH-Bereich. Aus den Anstiegen der Geraden der graphischen

Auftragungen von lnk über T-1 bei drei verschiedenen pH-Werten wurden die in

Abb. 41 gezeigten Aktivierungsenergien nach Gl. 10 ermittelt.

Abb. 41: Graphische Darstellung von lnk über T-1 zur Ermittlung der Aktivierungsenergien der Funktionalisierungen von PVAm (400,000 g·mol-1) mittels Sangers Reagenz/β-DMCD bei pH = 4, pH = 7 und pH = 11.

Wie bei der Funktionalisierung von PVAm mit einem Molekulargewicht von

15,000 g·mol-1 ist bei pH = 4 die Aktivierungsenergie mit 50.1 ± 0.32 kJ · mol-1 kleiner

als bei pH = 7 (55.3 ± 0.02 kJ · mol-1) und pH = 11 (61.9 ± 0.03 kJ · mol-1). Auch bei

der Reaktion von PVAm mit einem Molekulargewicht von 400,000 g·mol-1 mit

Sanger´s/β-DMCD zeigt sich eine lineare Abnahme der Aktivierungsenergie mit

abnehmendem pH-Wert (Abb. nicht gezeigt). Das deutet wieder daraufhin, dass die

Aktivierungsentropie den entscheidenden Einfluss auf die Reaktivität von PVAm

gegenüber Sangers Reagenz in Abhängigkeit vom pH-Wert haben muss.

y = -6026.3x + 6.8389R2 = 0.9937

y = -6645.1x + 12.578R2 = 0.9997

y = -7442.3x + 19.158R2 = 0.9996

-18

-16

-14

-12

-10

-8

-6

-4

-2

00.0022 0.0024 0.0026 0.0028 0.0030 0.0032 0.0034 0.0036 0.0038 0.0040

T-1 [K -1]

lnk

NH2 NHNO2

NO2

x y

400,000 g · mol -1

pH = 4

pH = 7

pH = 11

EA pH [kJ · mol -1] 4 50.1 ± 0.316 7 55.3 ± 0.017 11 61.9 ± 0.025

3 Ergebnisse und Diskussion

116

Die Aktivierungsenthalpien ∆H‡, die Aktivierungsentropien ∆S‡ nach Gl. 10 sowie die

Freien Aktivierungsenthalpien ∆G‡ nach Gl. 7 wurden bestimmt und sind für

pH = 4, pH = 7 und pH = 11 mit den entsprechend ermittelten Geschwindigkeits-

konstanten k zusammenfassend in Tabelle 16 aufgeführt.

Tab. 16: Überblick der Ergebnisse der kinetischen Untersuchungen der Funktionalisierung von PVAm (400,000 g·mol-1) mittels Sangers Reagenz/β-DMCD bei pH = 4, pH = 7 und pH = 11.

MW = 400,000 g·mol-1

c0(PVAm) : c0(Sangers Reagenz) = 1310-facher Überschuss

NH2 NHNO2

NO2

x y

pH = 4 pH = 7 pH = 11

k [s-1]

30°C

50°C

75°C

2.31 · 10-6

6.61 · 10-6

3.00 · 10-5

25°C

50°C

70°C

6.00 · 10-5

3.50 · 10-4

1.11 · 10-3

0°C

20°C

30°C

3.10 · 10-4

1.91 · 10-3

4.65 · 10-3

EA [kJ·mol-1] 50.1 55.3 61.9

∆H‡ [kJ·mol-1] 42.2 52.6 59.5

∆S‡ [J·K-1·mol-1] -197.1 -149.2 -93.6

T∆S‡ [kJ·mol-1]

298 K -58.8 -44.5 -27.9

∆G‡ [kJ·mol-1]

298 K 101.0 97.1 87.4

Die Aktivierungsparameter sind im Vergleich zu denen der Umsetzung von Sangers

Reagenz/β-DMCD mit PVAm mit einem Molekulargewicht von 15,000 g·mol-1

(vgl. Tab. 15) nahezu identisch.

Das Molekulargewicht des verwendeten PVAm´s und damit die Viskosität der Lösung

hat für die Funktionalisierungsreaktion mittels Sangers Reagenz in über

1000-fachem Unterschuss zu PVAm offensichtlich keinen Einfluss auf die Reaktivität.

Es liegt die Vermutung nahe, dass bei solch großem Überschuss an PVAm

gegenüber Sangers Reagenz die Kettenbeweglichkeit des Polymeren nicht erfasst

wird, da möglicherweise nur rein zufällige Aminogruppen des Polymerrückgrates von

PVAm substituiert werden.

3 Ergebnisse und Diskussion

117

3.1.9.5 Einfluss der Ionenstärke (Fremdsalzzugabe)

Zur Untermauerung der möglicherweise Nichterfassung der Kettenbeweglichkeiten

von PVAm wurde die Zugabe von Fremdsalz (KCl) und damit die Erhöhung der

Ionenstärke von PVAm (Viskositätserniedrigung durch Knäuelaufweitung) bei der

Funktionalisierungsreaktion mittels Sangers Reagenz untersucht. Die Fremdsalz-

zugabe (äquimolar zu PVAm) wurde dabei bei der Funktionalisierung von PVAm

(15,000 g·mol-1, 0.3375 mol·l-1, 1310-facher Überschuss) mittels Sangers Reagenz/β-

DMCD bei pH = 7 UV/vis-spektroskopisch in Abhängigkeit von der Reaktionszeit

verfolgt. Die UV/vis-Absorption der neuen UV/vis-Absorptionsbande wurde über die

Reaktionszeit bei 22°C, 50°C und 70°C graphisch auf getragen und daraus über Gl. 9

die Geschwindigkeitskonstanten pseudo-erster Ordnung bestimmt. Die

Geschwindigkeitskonstanten bei pH = 7 und einer äquimolaren Fremdsalzzugabe

betragen: k22°C = 6.90 · 10-5 s-1, k50°C = 4.97 · 10-4 s-1 und k70°C = 1.56 · 10-3 s-1.

Aus der graphischen Auftragung von lnk über T-1 nach Gl. 10 wurde die

Aktivierungsenergie mit 54.8 ± 0.01 kJ·mol-1 ermittelt. Einen direkten Vergleich zur

Funktionalisierung von PVAm (15,000 g·mol-1) mit Sangers Reagenz/β-DMCD bei pH

= 7 ohne Fremdsalzzugabe zeigt Abb. 42.

Abb. 42: Graphische Darstellung von lnk über T-1 zur Ermittlung der Aktivierungsenergie der Funktionalisierung von PVAm mittels Sangers Reagenz /β-DMCD bei pH=7 mit und ohne KCl-Zugabe.

y = -6590.4x + 12.755

R2 = 0.9952

y = -6593.9x + 12.77R2 = 0.9998

-10

-9

-8

-7

-60.0028 0.0029 0.003 0.0031 0.0032 0.0033 0.0034 0.0035 0.0036

T-1 [K -1]

lnk

NH2 NHNO2

NO2

x y

∆ pH = 7

■ pH = 70.3375 M KCl

15,000 g · mol -1

pH = 7

EA = EA(Fremdsalz) = 54.8 kJ · mol -1

3 Ergebnisse und Diskussion

118

Die Aktivierungsenergien sind bei der Funktionalisierung von PVAm (15,000 g·mol-1)

mit Sangers Reagenz/β-DMCD bei pH = 7 sowohl mit als auch ohne Fremdsalz-

zugabe mit EA = EA(Fremdsalz) = 54.8 kJ · mol-1 identisch.

Eine vergleichende Zusammenstellung der ermittelten Aktivierungsparameter ∆H‡

und ∆S‡ (nach Gl. 11) und ∆G‡ bei 298 K (nach Gl. 12) für die Umsetzung von

Sangers Reagenz/β-DMCD mit PVAm (15,000 g·mol-1) zu 2,4-dinitrophenyl-

funktionalisiertem PVAm bei pH = 7 ist sowohl mit als auch ohne Fremdsalzzugabe

in Tabelle 17 gezeigt.

Tab. 17: Überblick der Ergebnisse der kinetischen Untersuchungen der Funktionalisierung von PVAm (15,000 g·mol-1) mittels Sangers Reagenz/β-DMCD bei pH = 7 sowohl mit als auch ohne Fremdsalz-zugabe (KCl).

NH2 NHNO2

NO2

x y

MW = 15,000 g·mol-1

c0(PVAm) : c0(Sangers Reagenz) = 1310-facher Überschuss

pH = 7 pH = 7

0.3375 mol · l-1 KCl

k [s-1] 24°C 50°C 70°C

7.70 · 10-5 5.42 · 10-4 1.47 · 10-3

22°C 50°C 70°C

6.90 · 10-5 4.97 · 10-4 1.56 · 10-3

EA [kJ·mol-1] 54.8 54.8

∆H‡ [kJ·mol-1] 52.1 52.2

∆S‡ [J·K-1·mol-1] -147.7 -147.6

T∆S‡ [kJ·mol-1]

298 K -44.1 -44.0

∆G‡ [kJ·mol-1]

298 K 96.2 96.2

Da die kinetischen Untersuchungen bei gleichen Konzentrationen und nahezu

gleichen Reaktionstemperaturen durchgeführt worden, können die Geschwindigkeits-

konstanten direkt miteinander verglichen werden. Sie sind für beide Systeme – mit

und ohne Fremdsalzzugabe – nahezu identisch, wie auch die Aktivierungsenthalpie

∆H‡, Aktivierungsentropie ∆S‡ und die Freie Aktivierungsenthalpie ∆G‡.

3 Ergebnisse und Diskussion

119

Eine Fremdsalzzugabe und die damit verbundene Viskositätserniedrigung hat bei der

Funktionalisierung mittels Sangers Reagenz bei in sehr großem Überschuss

eingesetztem PVAm (1310-fach) keinen Einfluss auf die Reaktivität. Die

Substitutionsreaktion am PVAm-Polymerrückgrat erfolgt bei sehr geringer

Konzentration des eingesetzten Fluoraromaten für Reaktionen pseudo-mono-

molekularer Ordnung (1310-facher Überschuss an PVAm) eher zufällig. Die

Viskosität der Lösung und damit die Zugänglichkeit der PVAm-Ketten

(Polymermoleküldynamik) haben bei nucleophilen aromatischen Substitutionen von

in großem Unterschuss eingesetzten Fluoraromaten mit PVAm keinen Einfluss auf

die Aktivierungsparameter.

Um den Einfluss der Kettenbeweglichkeit von PVAm-Ketten auf die Reaktivität bei

nucleophilen aromatischen Substitutionen von aktivierten Fluoraromaten erfassen zu

können, müsste der Fluoraromat in deutlich höheren Konzentrationen zu PVAm

eingesetzt werden. Dann müsste jedoch ein anderer kinetischer Ansatz (keine

Reaktion pseudo-erster Ordnung) zur Auswertung zeitabhängig gemessener UV/vis-

Absorptionsspektren herangezogen werden. UV/vis-spektroskopische Messungen

von Funktionalisierungsreaktionen bei denen der Fluoraromat aufgrund seiner

großen Konzentration schnell zu großer Intensität der UV/vis-Absorption der neu

gebildeten, chromophoren PVAm-Einheiten führt, ist durch den Detektor des

genutzten UV/vis-Gerätes auf eine bis zu 1.8 messbare UV/Vis-Absorption limitiert.

Aufgrund der relativ hohen molaren Absorptionskoeffizienten nitrophenyl-

funktionalisierter PVAm´s stößt die in dieser Arbeit genutzte Messmethode schnell an

ihre Grenzen.

Um Funktionalisierungsreaktionen von PVAm mit z. B. Sangers Reagenz in z. B.

äquimolarem Verhältnis UV/vis-spektroskopisch verfolgen zu können, müsste in sehr

großer Verdünnung durch das Lösungsmittel gearbeitet werden. Aufgrund dieser

Verdünnung müssten jedoch für spürbare Viskositätsunterschiede sehr hohe

Molekulargewichte von PVAm für Untersuchungen des Einflusses von Ketten-

beweglichkeiten eingesetzt werden. Neben hohen Molekulargewichten von PVAm

könnte die Zugänglichkeit der Polymerketten zusätzlich auch durch Fremdsalz-

zugaben beeinflusst werden.

3 Ergebnisse und Diskussion

120

3.2 Polymermodifizierung von Kieselgel H (KGH)

3.2.1 Syntheseplanung und Charakterisierungsmöglic hkeiten

Zur Funktionalisierung von anorganischen Trägermaterialien wie z. B. Kieselgel

stehen prinzipiell drei Möglichkeiten der Polymermodifizierung zur Verfügung. Es

können Kieselgelpartikel zuerst mit PVAm beladen und anschließend mit

Cyclodextrin/Fluoraromat-Komplexen umgesetzt oder in einer bereits nitrophenyl-

funktionalisierten PVAm-Lösung suspendiert werden, wobei in beiden Fällen für die

Modifizierung im wässrigen Milieu Cyclodextrin als Löslichkeitsvermittler des

Fluoraromaten notwendig wäre.

Schema 30 zeigt die in dieser Arbeit genutzte dritte Möglichkeit der

Polymermodifizierung durch Umsetzung von auf Kieselgel adsorbierten

Fluoraromaten mit PVAm in Wasser am Beispiel von 4-Fluornitrobenzen (4-FNB), mit

dem Vorteil, dass die nucleophile aromatische Substitution an der Grenzfläche

Kieselgel/Wasser ohne Einsatz von Cyclodextrin vonstatten gehen kann.

Schema 30: Modifizierung von Kieselgel H durch Adsorption der entsprechenden Fluoraromaten und Umsetzung mit PVAm in Wasser und weitere Verfahrensweise der Charakterisierung der erhaltenen chromophoren Partikel und überstehender chromophorer Polymerlösung.

Kiesel - gel H 400,000 g/mol Adsorption

aus EtOH

4-FNB beladene Partikel

NH2n

PVAm F NO2

4-nitrophenyl -funktionalisiertes PVAm auf Kieselgel

NO2N

H

NO2N

H

• Soxhlet-Extraktion der Partikelerst mit Wasser dann mit Aceton

• Trocknung unter Vakuum

• Charakterisierung mittels UV-vis,EA, BET, XPS, Zetapotential,…

• Ausfällen des Polymeren in Aceton• Trocknung unter Vakuum

Bestimmung der Funktionalisierungs-grade mittels UV-vis- bzw. 1H-NMR-Spektroskopie

Filtration der modifizierten Feststoff-Partikel

ModifiziertePartikel

ÜberstehendePolymerlösung

• Soxhlet-Extraktion der Partikelerst mit Wasser dann mit Aceton

• Trocknung unter Vakuum

• Charakterisierung mittels UV-vis,EA, BET, XPS, Zetapotential,…

• Ausfällen des Polymeren in Aceton• Trocknung unter Vakuum

Bestimmung der Funktionalisierungs-grade mittels UV-vis- bzw. 1H-NMR-Spektroskopie

Filtration der modifizierten Feststoff-Partikel

ModifiziertePartikel

ÜberstehendePolymerlösung

3 Ergebnisse und Diskussion

121

Für die Funktionalisierung an Kieselgel wurde ausschließlich PVAm mit einem

Molekulargewicht von 400,000 g·mol-1 eingesetzt, da Erfahrungen aus der Literatur

zeigten, dass bei geringen Molekulargewichten weniger an Polymer adsorbiert

werden konnte.50 Zur besseren Vergleichbarkeit der einzelnen Umsetzungen wurden

die Komponenten immer im gleichen Molverhältnis von Kieselgel zu PVAm zu

Fluoraromat mit 10 : 1 : 0.3 eingesetzt. Die Reaktionszeit betrug jeweils 12 Stunden

in der Siedehitze. Die in Schema 31 gezeigten aktivierten Fluoraromaten wurden für

die Funktionalisierung von PVAm auf Kieselgel H ausgewählt.

Schema 31: Eingesetzte aktivierte Fluoraromaten für die Funktionalisierung von PVAm (400,000 g·mol-1) auf Kieselgel H.

Die erhaltenen polymermodifizerten Kieselgele wurden abgetrennt und gründlich

über Soxhlet-Extraktionen von möglicherweise unumgesetztem Fluoraromat und

überschüssigem, nicht adsorbiertem funktionalisiertem PVAm erst mit Wasser und

anschließend mit Aceton oder Ethanol gewaschen.

4-FNB

2-FNB FDNB

DFDNB 4-FNA 4-DMFNA

FDNstilben FNAzoB

F NO2F

O2N

F

O2N

NO2

F

O2N

NO2

F

F NH2

O2N

N

O2N

FCH3

CH3

F

O2N

NN

F

O2N

NO2

N

HO2N

NO2

F NO2

FNAzoB-2N-DNP-FNA

HN N

N

F NO2

O2N

N

3 Ergebnisse und Diskussion

122

Um Aussagen bezüglich des Substitutionsgrades der funktionalisierten PVAm´s

treffen zu können, wurde die überbleibende farbige, wässrige Polymerlösung sofort

nach der Abtrennung der Feststoffpartikel in Aceton ausgefällt und abgetrennt, um

eine weitere Umsetzung des nicht umgesetzten Fluoraromaten mit PVAm zu

unterbinden. So kann die direkte Vergleichbarkeit beider Polymeren auf Kieselgel

und in der Lösung gewährleistet werden. Eine ausführliche Synthesedurchführung

zur Modifizierung von Kieselgel H mit PVAm und der Funktionalisierung mittels

entsprechender Fluoraromaten ist in Abschnitt 5.5 (Experimenteller Teil) dargelegt.

Die erfolgreiche Fixierung von funktionalisiertem PVAm auf Kieselgel zeigt die

Farbigkeit der synthetisierten Pulver, die trotz gründlichen Waschens über Soxhlet-

Extraktionen (Wasser, Aceton bzw. Ethanol) nicht verloren ging.

UV/vis-spektroskopische Untersuchungen der modifizierten Kieselgelpartikel wurden

zur Identifizierung der molekularen Struktur der chromophoren Einheiten von PVAm

mit Vergleich zu wohl definierten niedermolekularen Modellverbindungen

herangezogen, die aus den entsprechenden Fluoraromaten und i-Propylamin

synthetisiert wurden. Als Referenz diente dabei reines Kieselgel H.

Weiterhin wurden zur Aufklärung der chemischen Struktur der chromophoren PVAm-

Einheiten Röntgen-photoelektronenspektroskopische Untersuchungen (XPS)

herangezogen. Für elektrokinetische Untersuchungen (Zetapotential) wurden Mikro-

elektrophorese-Experimente der modifizierten Kieselgele zur Untersuchung des

Ladungsverhaltens in wässriger Lösung als Funktion des pH-Wertes durchgeführt.

Verschiebungen der isoelektrischen Punkte (IEP) - im Vergleich zu unmodifiziertem

KGH - geben Hinweise auf die Anzahl der substituierten Aminogruppen von PVAm. 13C-CP-MAS-Festkörper-NMR-spektroskopische Untersuchungen, BET-Messungen

und Elementaranalysen komplettieren die Charakterisierung der chromophoren,

polymermodifizierten Kieselgele.

3 Ergebnisse und Diskussion

123

3.2.2 UV/vis-spektroskopische Untersuchungen

In Abb. 43 sind UV/vis-Absorptionsspektren von mit 4-nitrophenyl-funktionalisiertem

PVAm modifiziertem KGH (KGH-01) und mit 2-nitrophenyl-funktionalisiertem PVAm

modifiziertem KGH (KGH-02) gezeigt. Die UV/vis-Absorptionsbanden sind im

Vergleich zu denen der reinen Polymeren in Lösung etwas breiter. Das UV/vis-

Absorptionsmaximum von KGH-01 liegt bei einem vor dem Trocknen in Suspension

eingestellten pH-Wert mit pH = 7 bei λ max = 389 nm, das von KGH-02 bathochrom

verschoben bei λmax = 434 nm. Die Fotografie in Abb. 43 macht deutlich, dass das

KGH-01 nicht so intensiv gelb gefärbt ist wie das KGH-02. Für die Aufnahme des

UV/vis-Absorptionsspektrums von KGH-02 (s Abb. 43) wurde dieses, aufgrund der

hohen Intensität der Absorption, mit reinem KGH verdünnt.

Abb. 43: UV/vis-Absorptionsspektren von 4-nitrophenyl-funktionalisiertem PVAm auf KGH (KGH-01) und 2-nitrophenyl-funktionalisiertem PVAm auf KGH (KGH-02), Inset: Fotografie von KGH-01 und KGH-02.

Die jeweilige UV/vis-Absorptionsmaximum von KGH-01 und KGH-02 liegt bei pH = 7

hypsochrom verschoben im Vergleich zu reinem 4-nitrophenyl-funktionalisiertem

PVAm (PVAm 1) und reinem 2-nitrophenyl-funktionalisiretem PVAm (PVAm 2) in

Wasser (vgl. Tabelle 6).

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

1.2

300 400 500 600 700 800

Wellenlänge λλλλ [nm]

Abs

orpt

ion

[a.u

.]

1

2

NH2 NH

NO2

x y

auf Kieselgel Hλλλλmax = 389 nm

1NH2 NH

NO2

x y

auf Kieselgel Hλλλλmax = 434 nm

2

KGH-01 KGH-02

pH = 7

3 Ergebnisse und Diskussion

124

Die funktionalisierten PVAm´s sind daher möglicherweise neben den primären

Aminogruppen der PVAm-Einheiten auch über den Aminostickstoff der

chromophoren Einheit über Wasserstoffbrückenbindungen an die Silanolgruppen der

Kieselgel-Oberfläche gebunden (s. Schema 32), was zu weniger Resonanz-

stabilisierungsenergie (Schwächung des push-Charakters der Aminogruppe der

chromophoren Einheit) und damit zu einer hypsochromen Verschiebung der UV/vis-

Absorptionsbande im Vergleich zur Lage der UV/vis-Absorptionsbande in wässriger

Lösung führt.

Schema 32: Schematische Darstellung der möglichen Anbindung von 4-nitrophenyl-funktionalisiertem PVAm an eine Kieselgel-Oberfläche.

Der Substitutionsgrad von 4-nitrophenyl- und 2-nitrophenyl-funktionalisiertem PVAm

der überstehenden Lösung der KGH-Suspension wurde mit Hilfe der entsprechenden

Modellverbindungen (4-Nitro-N-isopropylanilin bzw. 2-Nitro-N-isopropylanilin) über

Verdünnungsreihen in Methanol UV/vis-spektroskopisch nach Gleichung 8 bestimmt.

Der Substitutionsgrad von 4-nitrophenyl-funktionalisiertem PVAm auf KGH-01 ist mit

7.0 % im Vergleich zu 2-nitrophenyl-funktionalisiertem PVAm auf KGH-02 mit 34.5 %

deutlich geringer. Für die Umsetzung von 2-FNB mit PVAm an der Kieselgel-

oberfläche ist von nahezu vollständigem Umsatz an 2-FNB auszugehen.

N NH

NO2

H HNH2 NH3

O

H

Si

O

H

Si

O

H

Si

O

Si

Kieselgel-Oberfläche

4-nitrophenyl-funktionalisiertes

PVAmN N

H

NO2

H HNH2 NH3

O

H

Si

O

H

Si

O

H

Si

O

Si

Kieselgel-Oberfläche

4-nitrophenyl-funktionalisiertes

PVAm

3 Ergebnisse und Diskussion

125

Die Umsetzung von mit 4-Fluor-3-nitroanilin (4-FNA) beladenem KGH mit PVAm in

Wasser bei pH = 11 liefert ein dunkelrot bis purpur gefärbtes KGH-03. Die

signifikante pH-Abhängigkeit der UV/vis-Absorptionseigenschaften von 2-nitro-4-

aminobenzen-funktionalisiertem PVAm (PVAm 3) in Lösung zeigt sich auch bei dem

entsprechend modifizierten KGH-03. Abb. 44 zeigt UV/vis-Absorptionsspektren von

KGH-03 bei pH = 1, pH = 7 und pH = 11. Der pH-Wert wurde dabei in wässriger

Suspension eingestellt.

Abb. 44: UV/vis-Absorptionsspektren von 2-nitro-4-aminobenzen-funktionalisiertem PVAm auf KGH (KGH-03) bei pH = 1, pH = 7 und pH = 11, Inset: Fotografie von KGH-03 bei pH = 1 und pH = 11.

Das UV/vis-Absorptionsmaximum im Sauren liegt bei 428 nm, im Neutralen bei

499 nm und im Basischen bei 513 nm. Die Änderung der Farbe von gelb im Sauren

über rot bis purpurfarben im Basischen zeigt die Fotografie in Abb. 44 anschaulich.

Zu beobachten war beim Einstellen des pH-Wertes in wässriger Suspension, dass

sich im Sauren protoniertes 2-nitro-4-aminobenzen-funktionalisiertes PVAm etwas

von der Kieselgel-Oberfläche ablöste, was sich an einer überstehenden, gelben

Lösung zeigte. Möglicherweise ist daher die UV/vis-Absorption des getrockneten

KGH-03 bei pH = 1 deutlich intensitätsschwächer als bei pH = 7 und pH = 11.

Der Substitutionsgrad des ausgefällten Anteils von 2-nitro-4-aminobenzen-

funktionalisiertem PVAm bei pH = 11 wurde 1H-NMR-spektroskopisch mit 13.3 %

bestimmt.

0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0.8

0.9

1

350 400 450 500 550 600 650 700 750 800 850 900 950 1000

Wellenlänge λλλλ [nm]

Abs

orpt

ion

[a.u

.]

1: pH = 1.0 → λλλλmax = 428 nm2: pH = 7.0 → λλλλmax = 499 nm3: pH = 11.0 → λλλλmax = 513 nm

NH2 NHNO2

NH2

x y

400,000 g · mol -1

auf Kieselgel H

1

2

3

pH = 1 pH = 11pH = 1 pH = 11

KGH-04

3 Ergebnisse und Diskussion

126

Die Polymermodifizierung von mit N,N-Dimethyl-4-Fluor-3-nitroanilin (4-DMFNA)

beladenem KGH.− durch nucleophile aromatische Substitution des Fluoraromaten

mit PVAm in Wasser bei pH = 11 − führt zu einem dunkelrot bis purpur gefärbten

KGH-04. Die pH-Abhängigkeit der UV/vis-Absorptionseigenschaften von 2-nitro-4-

(N,N-dimethyl)aminobenzen-funktionalisiertem PVAm (PVAm 4) in Lösung zeigt sich

auch bei dem entsprechend modifiziertem KGH-04. Abb. 45 zeigt UV/vis-

Absorptionsspektren von KGH-04 bei pH = 1, pH = 7 und pH = 11 und zur

Veranschaulichung eine Fotografie.

Abb. 45: UV/vis-Absorptionsspektren von 2-nitro-4-(N,N-dimethyl)aminobenzen-funktionalisiertem PVAm auf KGH (KGH-04) bei pH = 1, pH = 7 und pH = 11, Inset: Fotografie von KGH-04 bei pH = 1 und pH = 11.

Zu beobachten ist eine Änderung der Farbe von gelb im Sauren (λmax = 420 nm) zu

purpurrot im Basischen (λmax = 480 nm). Auch hier war beim Einstellen des

pH-Wertes in wässriger Suspension zu beobachten, dass sich im Sauren das

protonierte 2-nitro-4-(N,N-dimethyl)aminobenzen-funktionalisierte PVAm etwas von

der Kieselgel-Oberfläche ablöste, was sich an einer überstehenden, gelben Lösung

zeigte. Der Substitutionsgrad des ausgefällten Anteils von 2-nitro-4-(N,N-

dimethyl)aminobenzen-funktionalisiertem PVAm wurde mit Hilfe der 1H-NMR-

Spektroskopie mit 3.3 % bestimmt.

0

0.05

0.1

0.15

0.2

0.25

0.3

0.35

0.4

350 400 450 500 550 600 650 700 750 800 850 900 950 1000

Wellenlänge λλλλ [nm]

Abs

orpt

ion

[a.u

.]

1: pH = 1.0 → λλλλmax = 420 nm2: pH = 7.0 → λλλλmax = 456 nm3: pH = 11.0 → λλλλmax = 480 nm

NH2 NHNO2

NH3C CH3

x y

400,000 g · mol -1

auf Kieselgel H1

2

3pH = 1 pH = 11

KGH-04

3 Ergebnisse und Diskussion

127

Die Umsetzung von mit Sangers Reagenz und DFDNB beladenen KGH´s mit PVAm

in Wasser bei pH = 11 liefern intensiv gelb gefärbte Kieselgele KGH-05 und KGH-06.

Beide Kieselgele wurden für die Aufnahme von UV/vis-Absorptionsspektren mit

reinem KGH verdünnt. Abb. 46 zeigt UV/vis-Absorptionsspektren und eine Fotografie

von mit 2,4-dinitrophenyl-funktionalisiertem PVAm modifiziertem KGH (KGH-05) und

mit 2,4-dinitro-1,5-phenylendiamin-funktionalisiertem PVAm modifiziertem KGH

(KGH-06).

Abb. 46: UV/vis-Absorptionsspektren von 2,4-dinitrophenyl-funktionalisiertem PVAm auf KGH (KGH-05) und 2,4-dinitro-1,5-phenylendiamin-funktionalisiertem PVAm auf KGH (KGH-06), Inset: Fotografie von KGH-05 und KGH-06.

Die UV/vis-Absorptionsbanden der Pulverproben sind sehr breit. Das UV/vis-

Absorptionsmaximum von KGH-05 liegt bei 424 nm, das von KGH-06 bei 420 nm. Im

UV/vis-Absorptionsspektrum von KGH-05 zeigt sich zusätzlich eine Schulter um

575 nm. Das könnte ein Hinweis auf Vernetzung des Polymeren durch Substitution

der para-Nitrogruppe von 2,4-dinitrophenyl-funktionalisiertem PVAm durch eine

Aminogruppe des PVAm´s sein.

Die schlechte Löslichkeit des ausgefällten, nicht adsorbierten Anteils der

funktionalisierten PVAm´s auf KGH-05 und auf KGH-06 reichten weder für eine 1H-NMR-spektroskopische Bestimmung noch für eine UV/vis-spektroskopische

Bestimmung des Substitutionsgrades aus.

0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0.8

0.9

1

250 300 350 400 450 500 550 600 650 700 750 800

Wellenlänge λλλλ [nm]

Abs

ortio

n [a

.u.]

5

6

auf Kieselgel Hλλλλmax = 424 nm

NH2 NHNO2

NO2

x y

5

auf Kieselgel Hλλλλmax = 420 nm

6

KGH-05 KGH-06

NH2 NH

NO2

NO2

N

x y

H

3 Ergebnisse und Diskussion

128

Es ist bekannt, dass eine nucleophile aromatische Substitution von Nitrogruppen in

Aromaten stattfinden kann, wenn diese durch ortho- oder para-ständige Akzeptor-

Substituenten (wie –NO2, –CN) gegenüber einem nucleophilen Austausch aktiviert

sind.132-138 Wenn in para-Position Nitrogruppen durch Aminogruppen des PVAm´s

ausgetauscht würden, dann würde ein 2-Nitro-p-phenylendiamin-Derivat resultieren,

welches pH-Wert abhängige UV/vis-Absorptionseigenschaften aufweisen müsste

(siehe 2-nitro-4-aminobenzen-funktionalisierte Polyvinylamine).

Der pH-Wert der wässrigen Suspension von KGH-05 wurde auf pH = 1 eingestellt

und KGH-05 wurde UV/vis-spektroskopisch vermessen. Die Schulter um 575 nm ist

im Sauren verschwunden wie Abb. 47 zeigt, was auf 2-Nitro-1,4-phenylendiamin-

Einheiten und damit auf Vernetzung durch nucleophilen Angriff von Aminogruppen

auf p-Nitrogruppen hindeutet.

Abb. 47: UV/vis-Absorptionsspektren von 2,4-dinitrophenyl-funktionalisiertem PVAm auf KGH (KGH-05) bei pH = 1 und pH = 11.

Eine Schulter bei λ > 500 nm war in den UV/vis-Absorptionsspektren des löslichen

Anteils von 2,4-dinitrophenyl-funktionalisiertem PVAm bei pH = 11 nicht zu finden.

Das würde auf geringen Substitutionsgrad und wenig/keine Vernetzung des löslichen

Anteils hindeuten. Sowohl beim funktionalisierten PVAm auf KGH-06 als auch beim

funktionalisierten PVAm auf KGH-05 kann demzufolge von einer chemischen

Vernetzung der Polymerketten untereinander ausgegangen werden.

0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0.8

0.9

1

200 300 400 500 600 700 800

Wellenlänge λλλλ [nm]

Abs

orpt

ion

[a.u

.]

auf Kieselgel Hλλλλmax = 424 nm

NH2 NHNO2

NO2

x y

5

pH = 11

pH = 1

Schulter

3 Ergebnisse und Diskussion

129

Die Polymermodifizierung von mit 4-Fluor-3-nitroazobenzen (FNAzoB) und 4-Fluor-

3,4´-dinitrostilben (FDNstilben) beladenen KGH´s durch nucleophile aromatische

Substitution der Fluoraromaten mit PVAm in Wasser bei pH = 11 liefern intensiv

orangefarbene Kieselgele KGH-07 und KGH-10. Abb. 48 zeigt UV/vis-Absorptions-

spektren und eine Fotografie von mit 2-nitro-4-azobenzen-funktionalisiertem PVAm

modifiziertem KGH (KGH-07) und mit 2,4´-dinitrostilben-funktionalisiertem PVAm

modifiziertem KGH (KGH-10), die aufgrund der Farbintensität mit reinem KGH

verdünnt werden mussten.

Abb. 48: UV/vis-Absorptionsspektren von 2-nitro-4-azobenzen-funktionalisiertem PVAm auf KGH (KGH-07) und 2,4´-dinitrostilben-funktionalisiertem PVAm auf KGH (KGH-10), Inset: Fotografie von KGH-07 und KGH-10.

Die UV/vis-Absorptionsbanden der Pulverproben sind sehr breit. Das UV/vis-

Absorptionsmaximum von KGH-07 liegt bei 455 nm, das von KGH-10 bei 400 nm.

Aufgrund der Unlöslichkeit von 2-nitro-4-azobenzen-funktionalisiertem PVAm auf

KGH-07 in Methanol konnte der Substitutionsgrad UV/vis-spektroskopisch nicht

bestimmt werden. Die Löslichkeit in Wasser war für die Bestimmung des

Substitutionsgrades mittels 1H-NMR-Spektroskopie zu gering.

Das 2,4´-dinitrostilben-funktionalisiertes PVAm der überstehenden Lösung (KGH-10)

löst sich in Methanol, so dass der Substitutionsgrad UV/vis-spektroskopisch nach

Gl. 3 mit s = 17.6 % bestimmt wurde.

0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0.8

0.9

1

250 300 350 400 450 500 550 600 650 700 750 800 850 900 950 1000

Wellenlänge λλλλ [nm]

Abs

orpt

ion

[a.u

.]

7

10

auf Kieselgel Hλλλλmax = 455 nm

NH2 NHNO2

NN

x yNH2 NH

NO2

NO2

x y

auf Kieselgel Hλλλλmax = 400 nm

7 10

KGH-07 KGH-10

3 Ergebnisse und Diskussion

130

Die bei der Umsetzung von mit N-(2´,4´-Dinitrophenyl)-4-fluor-3-nitroanilin

(N-DNP-FNA) und N-(2-Nitrophenyl-4-(4´-N,N-diethyl)-azobenzen)-4-fluor-3-nitro-

anilin (FNAzoB-2) beladenen KGH´s mit PVAm in Wasser bei pH = 11 führen zu

schwach orangefarbenen Kieselgelen KGH-08 und KGH-09. Abb. 49 zeigt UV/vis-

Absorptionsspektren der Pulverproben und eine Fotografie der entsprechend

polymermodifizierten Kieselgele KGH-08 und KGH-09.

Abb. 49: UV/vis-Absorptionsspektren von KGH-08 (mittels N-(2´,4´-Dinitrophenyl)-4-fluor-3-nitroanilin) und KGH-09 (mittels N-(2-Nitrophenyl-4-(4´-N,N-diethyl)-azobenzen)-4-fluor-3-nitroanilin), Inset: Fotografie von KGH-08 und KGH-09.

Die UV/vis-Absorptionsbanden der Pulverproben sind sehr breit. Das UV/vis-

Absorptionsmaximum von KGH-08 liegt bei 370 nm, das von KGH-09 bei 455 nm.

Aufgrund der geringen Farbintensitäten beider Kieselgele kann von geringen

Substitutionsgraden ausgegangen werden. Das zeigt sich auch bei der Löslichkeit

der nicht adsorbierten Anteile an funktionalisiertem PVAm, die sich sowohl in Wasser

als auch in Methanol lösen.

Zur UV/vis-spektroskopischen Bestimmung des Substitutionsgrades des Polymeren

auf KGH-08 wurde die entsprechende Modellverbindung aus N-(2´,4´-Dinitrophenyl)-

4-fluor-3-nitroanilin (N-DNP-FNA) und i-Propylamin synthetisiert. Die Synthese-

durchführung und Charakterisierung sind in Abschnitt 5.6 (Experimenteller Teil)

ausführlich dargelegt.

0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0.8

0.9

1

300 350 400 450 500 550 600 650 700 750 800 850 900 950 1000

Wellenlänge λλλλ [nm]

Abs

orpt

ion

[a.u

.]

auf Kieselgel Hλλλλmax = 455 nm

x yNH2 NH

NO2

NH

NO2

NN

N

9

8

9

auf Kieselgel Hλλλλmax = 370 nm

x yNH2 NH

NO2

NH

NO2

NO2

8

KGH-08 KGH-09

3 Ergebnisse und Diskussion

131

Über eine Verdünnungsreihe in Methanol wurde der molare Absorptionskoeffizient

εModell der Modellverbindung N1-isopropyl-N4-(2´,4´-dinitrophenyl)-2-nitro-p-phenylen-

diamin mit 1.527 · 104 l·mol-1·cm-1 UV/vis-spektroskopisch ermittelt. Das UV/vis-

Absorptionsmaximum der Modellverbindung liegt in Methanol bei λmax = 362 nm

(s. Abb. 50 rechts). Das UV/vis-Absorptionsmaximum des nicht adsorbierten Anteils

von funktionalisiertem PVAm auf KGH-08 liegt bei 352 nm, die UV/vis-Absorptions-

bande ist sehr breit (s. Abb. 50 links).

Abb. 50: Links: UV/vis-Absorptionsspektrum von PVAm funktionalisiert mittels N-(2´,4´-Dinitrophenyl)-4-fluor-3-nitroanilin in Methanol, rechts: UV/vis-Absorptionsspektrum der entsprechenden Modellverbindung N1-isopropyl-N4-(2,4-dinitrophenyl)-2-nitro-p-phenylenediamine in Methanol.

Der molare Absorptionskoeffizient ε´ des Polymeren wurde mit 1.067 l·g-1·cm-1

UV/vis-spektroskopisch über eine Verdünnungsreihe in Methanol ermittelt. Mit Hilfe

von Gl. 8 hat das funktionalisierte PVAm auf KGH-08 einen Substitutionsgrad von

s = 2.5 %. Daher ist die Farbe des modifizierten KGH-08 nicht sehr intensiv.

Zur UV/vis-spektroskopischen Bestimmung des Substitutionsgrades des Polymeren

auf KGH-09 wurde die, der chromophoren Einheit von funktionalisiertem PVAm ent-

sprechende Modellverbindung aus N-(2´-Nitrophenyl-4´-(p-N,N-diethyl)-azobenzen)-

4-fluor-3-nitroanilin (FNAzoB-2) und i-Propylamin synthetisiert. Die Synthese-

durchführung und die Charakterisierung der Modellverbindung sind in Abschnitt 5.6

(Experimenteller Teil) ausführlich dargelegt.

0

0.05

0.1

0.15

0.2

0.25

0.3

0.35

0.4

300 400 500 600 700 800

Wellenlänge λλλλ [nm]

Abs

orpt

ion

in M

eOH

(9

mg

in 5

0 m

l) [a

.u.]

x yNH2 NH

NO2

NH

NO2

NO2

352

400,000 g · mol -1

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

1.2

300 400 500 600 700 800

Wellenlänge λλλλ [nm]

Abs

orpt

ion

in M

eOH

[a.u

.]

N

NO2

O2N

N

H

H

NO2

362

3 Ergebnisse und Diskussion

132

In Abb. 51 links ist ein UV/vis-Absorptionsspektrum des Polymeren und rechts der

entsprechenden Modellverbindung in Methanol gezeigt. Das UV/vis-Absorptions-

maximum des Polymeren liegt bei λmax = 444 nm, das der Modellverbindung bei

λmax = 452 nm. Die Form und Lage der UV/vis-Absorptionsbanden sind sich ähnlich.

Abb. 51: Links: UV/vis-Absorptionsspektrum von PVAm funktionalisiert mittels N-(2-Nitrophenyl-4´-(p-N,N-diethyl)-azobenzen)-4-fluor-3-nitroanilin in Methanol, rechts: UV/vis-Absorptionsspektrum der entsprechenden Modellverbindung N1-Isopropyl-N4-(2´-nitrophenyl-4´-(p-N,N-diethyl)-azobenzen)-2-nitro-p-phenylendiamin.

Mit Kenntnis des molaren Absorptionskoeffizienten der Modellverbindung εModell

(1.75 · 104 l·mol-1·cm-1) und des molaren Absorptionskoeffizienten des Polymeren auf

KGH-09 mit ε´ = 0.2604 l·g-1·cm-1 wurde nach Gl. 8 ein Substitutionsgrad von 0.7 %

ermittelt. Aufgrund des sehr geringen Substitutionsgrades ist das KGH-09 nur blass-

orange und nicht besonders farbintensiv. Möglicherweise ist die Bildung der

chromophoren Einheit sterisch sehr anspruchsvoll.

In Tabelle 18 sind die Ergebnisse der Substitutionsgradbestimmung von auf KGH

adsorbierten chromophoren PVAm´s zusammengefasst, die durch nucleophile

aromatische Substitution von zehn ausgewählten Fluoraromaten (auf KGH

adsorbiert) mit PVAm in Wasser synthetisiert wurden.

0

0.05

0.1

0.15

0.2

0.25

0.3

0.35

0.4

0.45

0.5

300 400 500 600 700 800

Wellenlänge λλλλ [nm]

Abs

orpt

ion

in M

eOH

(56

mg

in 5

0 m

l) [a

.u.]

x yNH2 NH

NO2

NH

NO2

NN

N

400,000 g · mol -1

444

0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0.8

0.9

1

300 400 500 600 700 800

Wellenlänge λλλλ [nm]

Abs

orpt

ion

in M

eOH

[a.u

.]

452

NH

NH

NO2

N

O2N

N

N

3 Ergebnisse und Diskussion

133

Tab. 18: Zusammenfassung der UV/vis- bzw. 1H-NMR-spektroskopisch ermittelten Substitutionsgrade von funktionalisierten PVAm´s adsorbiert auf Kieselgel H (KGH).

KGH-Probe

Fluoraromat chromophore Einheit von funktionalisierten PVAm auf KGH

Substitutionsgrad s [mol%]

KGH-01 4-FNB NO2NH

7.0

(UV/vis)

KGH-02 2-FNB NH

O2N

34.5 (UV/vis)

KGH-03 4-FNA NH

O2N

NH

H

13.3 (1H-NMR)

KGH-04 4-DMFNA NH

O2N

NCH3

CH3

3.3 (1H-NMR)

KGH-05 Sangers Reagenz

NH

O2N

NO2

nicht bestimmbar

KGH-06 DFDNB

NO2

NH

O2N

NH

nicht bestimmbar

KGH-07 FNAzoB NH

O2N

NN

nicht bestimmbar

KGH-08 N-DNP-FNA

NH

O2N

NH

NO2

NO2

2.5 (UV/vis)

KGH-09 FNAzoB-2

NH

O2N

NN

NH

O2N

N

0.7 (UV/vis)

KGH-10 FDNstilben NH

O2N

NO2

17.6 (UV/vis)

3 Ergebnisse und Diskussion

134

3.2.3 13C-CP-MAS-Festkörper-NMR-spektroskopische Untersuchu ngen

Hochaufgelöste NMR-Spektren von Festkörpern können mit der normalen PFT-

Technik (Puls-Fourier-Transform-Technik) nicht aufgenommen werden. Dipol-Dipol-

und Quadrupol-Feldgradienten-Wechselwirkungen, die in Lösung herausgemittelt

werden, führen zu starker Linienverbreiterung. Die Anisotropie der chemischen

Verschiebung bewirkt breite Linienformen und die Spin-Gitter-Relaxationszeiten von

Kernen wie 13C sind in Festkörpern sehr lang. Hochaufgelöste Festkörper-NMR-

spektren können erhalten werden, wenn die Probe mit hoher Geschwindigkeit um

eine Achse rotiert, die den sog. „magischen Winkel“ von 54.73° einschließt. Durch

dieses Magic Angle Spinning (MAS) entspricht das Pulverspektrum prinzipiell dem

Lösungsspektrum.139

Die direkte Detektion von 13C Kernen ist jedoch aufgrund der geringen Häufigkeit, der

niedrigen Spinpolarisation und niedriger Signalintensitäten schwierig. Um diese

Schwierigkeiten zu umgehen, wird daher eine Festkörper-NMR-Methode benötigt,

die 1H-NMR-typisch hohe Polarisationen und kurze Relaxationszeiten mit der

hochauflösenden Detektion von 13C-Kernen kombiniert. Eine Verstärkung der Signale

„seltener“ Kerne wie 13C erreicht man durch den Transfer der Polarisation „häufiger“

Kerne (üblicherweise 1H-Kerne) bei der sog. Kreuzpolarisation (Cross Polarization).

Die Methode beruht darauf, dass die Magnetisierung leicht von stark polarisierten

Kernen auf schwach polarisierte Kerne übergeht, sobald die Kerne passend

zueinander in Kontakt gebracht werden. Die Kombination von CP und MAS bei der

protonenverstärkten NMR-Spektroskopie eröffnet einen routinemäßigen Zugang zu

hochempfindlichen, hochaufgelösten 13C-NMR-Spektren von Festkörpern.140

Durch 13C-CP-MAS-Festkörper-NMR-spektroskopische Untersuchungen von mit

funktionalisiertem PVAm beladenen Kieselgel-Partikeln konnte die molekulare

Struktur der gebildeten chromophoren Einheiten am Polymerrückgrat neben den

unsubstituierten PVAm-Einheiten charakterisiert werden. Für die Zuordnung der

einzelnen 13C-Signale der polymermodifizierten Kieselgele wurden 13C-Lösungs-

NMR-spektren von niedermolekularen Modellverbindungen (N-Isopropyl-2-nitroanilin-

Derivate) herangezogen. An zwei ausgewählten Beispielen − mit hohen

Substitutionsgraden an chromophoren PVAm-Einheiten − ist nachfolgend gezeigt,

wie die molekulare Struktur von funktionalisiertem PVAm auf KGH mit Hilfe der 13C- NMR-Spektroskopie charakterisiert wurde.

3 Ergebnisse und Diskussion

135

13C-CP-MAS-Festkörper-NMR-spektroskopische Untersuchungen von KGH-06 (mit

2,4-dinitro-1,5-phenylendiamin-funktionalisiertem PVAm modifiziertes KGH) zeigten,

dass sowohl Mono- als auch Disubstitution von 1,5-Difluor-2,4-dinitrobenzen durch

nucleophile aromatische Substitution mit PVAm an der Grenzfläche von KGH

stattgefunden hat. In Abb. 52 ist ein 13C-CP-MAS-Festkörper-NMR-Spektrum von

KGH-06 im Vergleich zu einem 13C-Lösungs-NMR-Spektrum der bei der

Disubstitution beider Fluorsubstituenten entsprechenden, niedermolekularen Modell-

verbindung 2,4-Dinitro-N,N´-diisopropyl-1,5-phenylendiamin in CD2Cl2 gezeigt. Die

strukturellen Zuordnungen der 13C-NMR-Signale sind sowohl für die Modell-

verbindung als auch für KGH-06 in Abb. 52 aufgeführt. Ein deutliches 13C-NMR-

Signal findet sich bei KGH-06 bei δ = 159.2 ppm (s. Abb. 52 oben) und wurde dem

aromatischen Kohlenstoff C-5´ zugeordnet, welcher durch Monosubstitution von

1,5-Difluor-2,4-dinitrobenzen mit PVAm noch einen Fluorsubstituenten trägt.

Abb. 52: Oben: 13C-CP-MAS-Festkörper-NMR-Spektrum (100 MHz) von KGH-06 (mittels 1,5-Difluor-2,4-dinitrobenzen-funktionalisiertes PVAm auf KGH) aufgenommen bei einer Rotationsfrequenz von 12 kHz; unten: 13C-Lösungs-NMR-Spektrum (100 MHz) von 2,4-Dinitro-N,N´-diisopropyl-1,5-phenylendiamin in CD2Cl2.

Durch die sehr schnell verlaufende Vernetzungsreaktion (Disubstitution beider

Fluorsubstituenten von 1,5-Difluor-2,4-dinitrobenzen) kam es schon nach wenigen

Minuten zum Ausfällen des funktionalisierten PVAm´s und zur Gelbildung mit KGH.

020406080100120140160180200220240

δδδδ [ppm]

15

24

3 67

8

CD2Cl2

NN

NO2O2N

HH 1

23

4

5

67

8

020406080100120140160180200220240

δδδδ [ppm]

1,1´,5

3,3´,2,2´,4,4´

6´ 6

aliphatische-C H, -C H2

1

2

3

45

61´

5´4´

3´2´

x y z

H

NH2 NH

O2N

NO2

F

NH

O2N

NO2

N

auf KGH

3 Ergebnisse und Diskussion

136

Das zunächst an der Luft getrocknete Gel von KGH-06 wurde zuerst mit Wasser und

anschließend mit Ethanol über Soxhlet-Extraktionen gründlich gewaschen. In beiden

Fällen quoll des funktionalisierte PVAm auf KGH stark auf. Relativ scharfe 13C-NMR-Signale bei δ = 59.5 ppm und δ = 15.8 ppm im 13C-CP-MAS-Festkörper-

NMR-Spektrum von KGH-06 (Abb. 52 oben) stammen daher noch vom

Extraktionsmittel Ethanol, welches sich nicht vollständig durch Trocknen im Vakuum

entfernen ließ.

Aus den Intensitätsverhältnissen der aromatischen 13C-NMR-Signale von KGH-06

(s. Abb. 52 oben) lässt sich jedoch nicht auf den Anteil an fluorhaltigen PVAm-

Einheiten schließen. Aussagen darüber, ob hauptsächlich Monosubstitution oder

Disubstitution von 1,5-Difluor-2,4-dinitrobenzen mit PVAm stattgefunden hat, liefern

XPS-Untersuchungen von KGH-06 im nachfolgenden Abschnitt.

Als weiteres Beispiel eines chromophoren, polymermodifizierten KGH´s ist in Abb. 53

ein 13C-CP-MAS-Festkörper-NMR-Spektrum von KGH-07 (2-nitro-4-azobenzen

funktionalisiertes PVAm auf KGH) und ein 13C-Lösungs-NMR-Spektrum der

entsprechenden niedermolekularen Modellverbindung N-Isopropyl-4-azobenzen-2-

nitroanilin in CD2Cl2 gezeigt. Die strukturelle Zuordnung der 13C-NMR-Signale von

funktionalisiertem PVAm auf KGH erfolgte durch Vergleich mit den 13C-NMR-

Signalen der Modellverbindung und ist in Abb. 53 aufgeführt.

Abb. 53: Oben: 13C-CP-MAS-Festkörper-NMR-Spektrum (100 MHz) von KGH-07 (2-nitro-4-azobenzen-funktionalisiertes PVAm auf KGH) aufgenommen bei einer Rotationsfrequenz von 12 kHz; unten: 13C-Lösungs-NMR-Spektrum (100 MHz) von N-Isopropyl-4-azobenzen-2-nitroanilin in CD2Cl2.

020406080100120140160180200

δδδδ [ppm]

020406080100120140160180200

δδδδ [ppm]

NCH

NN

O2NH

CH3

H3C

1

2 3

4

56

78

2´ 3´

NH2 NHNO2

NN

x y

1

23

45

6

1´2´

auf KGH

1´1

4

4´, 2, 3´, 5, 3

6

aliphatische-C H, -C H2

1´ 1 4

3

6 7

8

4´2 5

CD2Cl2

3 Ergebnisse und Diskussion

137

3.2.4 Röntgen-Photoelektronenspektroskopische Unte rsuchungen (XPS)

Die XPS ist eine Methode der Elektronenspektroskopie, mit der Bindungszustände

analysiert werden können. Wird ein Atomkern von weicher Röntgenstrahlung

getroffen, so wird ein Elektron aus einer inneren Bahn (z. B. K-Niveau) zum

Verlassen der Bahn gezwungen. Aus der in Elektronenvolt gemessenen kinetischen

Energie dieses Photoelektrons lässt sich bei Kenntnis der Röntgenanregungsenergie

die Bindungsenergie des durch den Photoeffekt emittierten Elektrons bestimmen. Die

XPS findet insbesondere Anwendung zur Analyse von Probenoberflächen.48

XPS-Spektren wurden von zehn chromophoren PVAm-modifizierten KGH´s

aufgenommen. Als Röntgenstrahlungsquelle diente Mono-Al Kα-Strahlung mit einer

Aufnahmeleistung der Röntgenröhre von 300 W bei 20 mA.

In den Übersichtsspektren aller modifizierten KGH´s wurden folgende Elemente

nachgewiesen:

Kohlenstoff: als C 1s Peak,

Stickstoff: als N 1s und N KLL Peaks,

Sauerstoff: als O 1s, O 2s, O KL1 = O KL23L23, O KL2 = O KL1L23 und O KL3 = O

KL1L1 Peaks,

Fluor: als F 1s, F KL1 = F KL23L23, F KL2 = F KL1L23 und F KL3 = F KL1L1

Peaks,

Silicium: als Si 2p3/2, Si 2p1/2 und Si 2s Peaks.

Bei allen Proben erfolgte eine Überkompensation der Aufladung, die durch das

Verschieben des C 1s Peaks auf die Bindungsenergie (BE) gesättigter Kohlen-

wasserstoffe CxHy mit einer BE = 285.00 eV korrigiert wurde.141

In Abbildung 54 (links) sind Übersichts-XPS-Spektren von reinem KGH (a),

PVAm/KGH (b), 2,4-dinitrophenyl-funktionalisiertem PVAm auf KGH (c, KGH-05)

und 2,4-dinitro-1,5-phenylendiamin-funktionalisiertem PVAm auf KGH (d, KGH-06)

mit der Zuordnung der entsprechend erhaltenen Signale gezeigt.

3 Ergebnisse und Diskussion

138

Abb. 54: Links: Übersichts-XPS-Spektren mit entsprechender Zuordnung der Signale von a) reinem KGH, b) PVAm auf KGH (PVAm/KGH ), c) 2,4-dinitrophenyl-funktionalisiertem PVAm auf KGH (KGH-05) und d) 2,4-dinitro-1,5-phenylendiamin-funktionalisiertem PVAm auf KGH (KGH-06), rechts: entsprechende hochaufgelöste F 1s Spektren von c) und d).

Abb. 54 rechts zeigt den hochaufgelösten Bereich der F 1s Spektren der

modifizierten KGH´s. Restanteile von Fluor wurde in allen Proben nachgewiesen. Im

Falle der Funktionalisierung von PVAm mit DFDNB auf KGH (d, KGH-06) wurde ein

F 1s Peak gefunden, welcher in zwei Komponentenpeaks unterteilt wurde, die zwei

chemisch unterschiedliche Fluorspezies repräsentieren. Bei einer Bindungsenergie

von BE ≈ 688.9 eV zeigen alle modifizierten KGH´s einen F 1s Peak, der

Fluoridionen zugeordnet wurde. Der zweite Komponentenpeak im F 1s Spektrum von

KGH-06 (Abb. 54 rechts, d) wurde aufgrund der geringeren Bindungsenergie von

BE ≈ 686.6 eV dem kovalent an einen Phenylring gebundenem Fluor zugeordnet.

Der relativ geringe Anteil dieser Fluorspezies macht deutlich, dass bei der

Funktionalisierung von PVAm mit 1,5-Difluor-2,4-dinitrobenzen DFDNB auf KGH

(KGH-06) hauptsächlich von der Disubstitution beider Fluoratome ausgegangen

werden kann.

1000 800 600 400 200 0

a)

b)

c)

O 1s

O KLL C 1sN 1s Si 2s

Si 2p

F 1s

d)

693 683688 678

F 1s

c)

O 2s

d)

Bindungsenergie [eV]

Bindungsenergie [eV]

3 Ergebnisse und Diskussion

139

Abbildung 55 zeigt hochaufgelöste C 1s - und N 1s Spektren von KGH/PVAm (b),

2,4-dinitrophenyl-funktionalisiertem PVAm auf KGH (c, KGH-05) und 2,4-dinitro-1,5-

phenylendiamin-funktionalisiertem PVAm auf KGH (d, KGH-06). Die maximale

Informationstiefe von Pulverproben für den C 1s Peak beträgt etwa 10,nm.142,143

Abb. 56: Links: hochaufgelöste C 1s Spektren von b) PVAm auf KGH (PVAm/KGH ), c) 2,4-dinitrophenyl-funktionalisiertem PVAm auf KGH (KGH-05) und d) 2,4-dinitro-2,5-phenylendiamin-funktionalisiertem PVAm auf KGH (KGH-06), rechts: entsprechende N 1s Spektren.

Das hochaufgelöste C 1s Spektrum in Abb. 55 links wurde in drei Komponenten-

peaks X, Y und Z unterteilt. Die Hauptkomponente X zeigt einen Peak, der

gesättigten Kohlenwasserstoffen, damit den CH-Gruppen des Polymerrückgrates

zugeordnet werden kann. Der Komponentenpeak Y repräsentiert die C–NH2-

Gruppen. Ein sehr kleiner Komponentenpeak Z resultiert möglicherweise von

Formiat-Ionen (HCOOӨ), die auch im 1H-NMR-Lösungsspektrum von PVAm in D2O

gefunden wurden und vom Hersteller möglicherweise nicht vollständig über Dialyse

entfernt wurden (s. Abschnitt 5.2.1 Experimenteller Teil).

A

B

415 405 395400410

b)

C

AD

c)

C

AD

E

d)

N 1s

XY

C 1s

300 290 280285295

b)

c)

d)

XY

E

XY

Z

Bindungsenergie [eV] Bindungsenergie [eV]

3 Ergebnisse und Diskussion

140

Die durch die Umsetzung von PVAm mit den entsprechenden Fluoraromaten

gebildeten sekundären Aminogruppen und die damit enthaltenen C–NO2-Gruppen

können im C 1s Spektrum nicht vom Komponentenpeak Y unterschieden werden.

Das hochaufgelöste N 1s Spektrum in Abb. 55 rechts (b) zeigt, dass primäre

Aminogruppen (C–NH2, Komponentenpeak A) mit protonierten Aminogruppen

(C–NH3⊕, Komponentenpeak B) im Gleichgewicht stehen. Weiterhin wird deutlich,

dass das N 1s Spektrum von KGH-05 (b) und KGH-06 (c) neben dem N 1s Peak bei

400 eV noch einen Peak bei 406 eV zeigt. Das Signal um 406 eV repräsentiert die an

einen Phenylring gebundenen –NO2-Gruppen.144 Es ist noch einmal aufgespaltet in

zwei Signale (Komponentenpeak D und E). Diese Aufspaltung des C–NO2 Peaks in

zwei Komponentenpeaks D und E spricht für intramolekulare Wasserstoffbrücken-

bindungen zwischen Aminogruppen und ortho-Nitrogruppen.

Das Signal um 406 eV für an Phenylringe gebundene –NO2-Gruppen zeigen nur die

Kieselgele KGH-02, -05, -06, -07 und -10, wo ein hoher Anteil an chromophoren

PVAm-Einheiten im funktionalisierten PVAm erreicht wurde. Bei KGH-01, -03, -04,

-08 und -09 wurde um 406 eV kein Signal gefunden. Die maximale Informationstiefe

für N 1s Photoelektronen erzeugt mit Al Kα-Röntgenstrahlung ist nicht größer als

8 nm.141,142 Möglicherweise können die –NO2-Gruppe in der Tiefe der Kieselgel-

partikel nicht detektiert werden. Das ist ein Hinweis darauf, dass die Substitutions-

reaktion in Abhängigkeit der Reaktivität des Fluoraromaten in unterschiedlicher

Weise vonstatten geht. Das bedeutet, dass die weniger reaktiven Fluoraromaten in

den Poren mit PVAm reagiert haben könnten und damit die chromophoren Gruppen

mehr in Oberflächennähe des Kieselgels lokalisiert sind. Wohingegen die reaktiveren

Fluoraromaten schon vor Erreichen der Poren in der Peripherie der Kieselgelpartikel

mit PVAm reagiert haben könnten.

Zur Quantifizierung wurden aus den Peakflächen der Übersichtsspektren unter

Berücksichtigung der relativen Empfindlichkeitsfaktoren und der energieabhängigen

Spektrometer-Transmissionsfunktion die Elementarverhältnisse (Atomverhältnisse)

ermittelt, wobei das Hintergrundspektrum in Anlehnung an Shirley subtrahiert

wurde.145 Die auf diese Weise ermittelten Elementarverhältnisse verschiedener

Proben sind miteinander vergleichbar. Tabelle 19 zeigt eine Zusammenfassung der

Elementarverhältnisse aus den XPS-Untersuchungen aller modifizierten Kieselgele.

3 Ergebnisse und Diskussion

141

Tab. 19: Zusammenfassung der quantitativen Analyse der Elementarverhältnisse von mit funktionalisierten PVAm´s modifizierten KGH´s aus XPS-Untersuchungen.

Fluoraromat KGH-Probe

[N]:[C] [O]:[C] [F]:[C] [Si]:[C] [Si]:[O]

- KGH rein - 14.811 - 5.240 0.354

4-FNB KGH-01 0.293 2.752 0.013 0.999 0.383

2-FNB KGH-02 0.305 2.233 0.013 0.830 0.372

4-FNA KGH-03 0.186 0.165 0.007 0.584 0.354

4-DMFNA KGH-04 0.236 2.077 0.015 0.759 0.366

Sangers Reagenz KGH-05 0.410 0.922 0.005 0.215 0.232

DFDNB KGH-06 0.361 0.989 0.030 0.267 0.270

FNAzoB KGH-07 0.298 0.573 0.010 0.181 0.318

N-DNP-FNA KGH-08 0.279 2.537 0.013 0.912 0.360

FNAzoB-2 KGH-09 0.258 2.027 0.016 0.754 0.372

FDNstilben KGH-10 0.243 1.306 0.007 0.422 0.323

Für SiO2 sollte das theoretische Atomverhältnis [Si]:[O] = 0.5 betragen. Der höhere

Sauerstoffanteil kann auf das Vorhandensein einer hohen Anzahl an Silanolgruppen

(Si–OH-Gruppen) und/oder auf adsorptiv gebundenes Wasser zurückgeführt werden.

Das [F]:[C]-Atomverhältnis ist bei allen KGH-Proben sehr gering. Das [Si]:[C]-

Atomverhältnis der Umsetzung von PVAm mit für die nucleophile aromatische

Substitution besser aktivierten Fluoraromaten auf KGH ist deutlich kleiner als die der

Umsetzung mit weniger reaktiven Fluoraromaten (siehe Tab. 19 [Si]:[C]-Atom-

verhältnisse von KGH-05, -06 und -07 im Vergleich zu KGH-01, -08 und -09). Da die

Informationstiefe bei der XPS etwa 10 nm beträgt, weist der geringe Siliziumanteil

darauf hin, dass sich auf der KGH-Oberfläche möglicherweise eine dickere Schicht

an funktionalisiertem PVAm befindet, wenn die Funktionalisierung von PVAm mit

besser aktivierten Fluoraromaten wie Sangers Reagenz, DFDNB und FNAzoB

erfolgt.

3 Ergebnisse und Diskussion

142

3.2.5 Elementaranalytische Untersuchungen

Zur Bestimmung der quantitativen Elementzusammensetzung der polymer-

modifizierten KGH´s wurde die Standardelementaranalyse herangezogen. Aus den

gemessenen Gewichtsanteilen der Elemente Kohlenstoff C, Wasserstoff H und

Stickstoff N können Rückschlüsse auf die Beladung der polymermodifizierten KGH´s

getroffen werden. Tabelle 20 zeigt eine Zusammenfassung der Ergebnisse der

elementaranalytischen Untersuchungen von 11 polymermodifizierten KGH´s und den

berechneten Kohlenstoffgehalt (C*-Gehalt) der je nach eingesetztem Fluoraromat

entstandenen chromophoren PVAm-Einheit mit Bezug zum theoretischen C-Gehalt

Cber. sowohl bei vollständigem Umsatz des Fluoraromaten, als auch der Adsorption

der gesamten eingesetzten Menge an PVAm auf KGH.

Tab. 20: Ergebnisse der Elementaranalyse von mit funktionalisierten PVAm modifizierten Kieselgelen, berechnete Kohlenstoff-Gehalte der chromophoren PVAm-Einheiten C* mit Bezug zum theoretischen Kohlenstoffgehalt Cber. bei vollständigem Umsatz des Fluoraromaten und Adsorption der gesamten eingesetzten Menge an PVAm auf KGH (eingesetztes Molverhältnis von Kieselgel zu PVAm zu Fluoraromat mit 10 : 1 : 0.3).

Kieselgel-Probe Fluoraromat

C

[%]

H

[%]

N

[%]

chromophore

Einheit

C* [%]

Cber.

[%]

KGH/PVAm - 2.62 1.19 1.14 - 3.74

KGH-01 4-FNB 1.99 1.14 0.53 64.85 6.71

KGH-02 2-FNB 2.17 1.12 0.68 64.85 6.71

KGH-03 4-FNA 2.58 1.16 0.87 53.63 6.66

KGH-04 4-DMFNA 2.51 1.21 0.78 57.96 7.62

KGH-05 FDNB 5.12 1.35 2.22 45.94 6.58

KGH-06 DFDNB 5.43 1.44 2.12 48.00 6.58

KGH-07 FNAzoB 4.14 1.22 1.42 62.68 9.45

KGH-08 N-DNP-FNA 1.39 1.09 0.50 48.70 9.15

KGH-09 FNAzoB-2 2.16 1.11 0.81 56.20 11.74

KGH-10 FDNstilben 3.25 1.31 0.62 61.73 10.13

3 Ergebnisse und Diskussion

143

Die Grundeinheit im unfunktionalisierten PVAm weist einen Kohlenstoffgehalt von

55.78 % und einen Stickstoffgehalt von 32.52 % auf. Bei vollständiger Adsorption des

eingesetzten PVAm´s auf KGH (0.3589 g Polymer auf 5 g KGH) würde für

KGH/PVAm ein C-Gehalt von 3.74 % resultieren. Das Verhältnis von gemessenem

Kohlenstoffgehalt von KGH/PVAm mit 2.62 % zu berechnetem Kohlenstoffgehalt

ergibt, dass etwa 70 % von eingesetztem PVAm auf der KGH-Oberfläche adsorbiert

bleiben. Im Mittel befinden sich bei KGH/PVAm daher 0.05 g Polymer auf 1 g KGH.

Ist der berechnete C-Gehalt der chromophoren PVAm-Einheit höher gegenüber der

unfunktionalisierten PVAm-Einheit, so führt die Funktionalisierung von PVAm bei

angenommen gleicher adsorbierter Menge an Polymer zu einem höheren C-Gehalt

des Hybridmaterials im Vergleich zu KGH/PVAm .

Daher wäre für KGH-01, -02, -04, -07 und -10 ein höherer C-Gehalt der Hybrid-

materialien zu erwarten, wenn ebenfalls 0.05 g an funktionalisiertem PVAm auf 1 g

KGH adsorptiv gebunden wären. Die Kieselgele KGH-01 und KGH-02 besitzen

jedoch einen deutlich geringeren C-Gehalt als KGH/PVAm . Es scheint, dass bei

KGH-01 (Substitutionsgrad s = 7.0 mol%) und KGH-02 (s = 34.5 mol%) weniger

Polymer auf der Kieselgeloberfläche im Vergleich zu KGH/PVAm gebunden ist.

Da die Anzahl substituierter PVAm-Einheiten bei KGH-04 mit s = 3.3 mol% gering

und der berechnete C-Gehalt der chromophoren Einheit mit 57.96 % nur etwas höher

als der von PVAm ist, spricht der etwas niedrigere C-Gehalt des Hybridmaterials für

ähnliche oder etwas geringere Polymerbeladung im Vergleich zu KGH/PVAm .

Die chromophoren Einheiten von funktionalisiertem PVAm bei KGH-07 und KGH-10

(s = 17.6 mol%) haben einen miteinander vergleichbaren, höheren C-Gehalt als die

PVAm-Einheit, wodurch ein deutlich höherer C-Gehalt des Hybridmaterials mit

4.14 % bzw. 3.25 % resultiert. Da der Substitutionsgrad von dem auf KGH-07

adsorbierten Polymeren nicht bestimmt werden konnte, sind keine Rückschlüsse auf

die Schichtdicke im Vergleich zu KGH/PVAm möglich. Es scheint jedoch bei KGH-07

mehr an Fluoraromat als bei KGH-10 umgesetzt worden zu sein, da dass Verhältnis

vom gemessenen C-Gehalt zum berechneten C-Gehalt Cber. (bei vollständigem

Umsatz und Adsorption) bei KGH-07 mit ca. 49 % höher ist als bei KGH-10 mit 32 %.

Allerdings könnte auch die Polymerbeladung bei KGH-07 größer sein als bei

KGH-10, worauf vor allem die [Si]:[C]-Atomverhältnisse aus den XPS-

Untersuchungen (vgl. Tab. 19) von KGH-07 mit [Si]:[C] = 0.181 und von KGH-10 mit

[Si]:[C] = 0.422 hindeuten.

3 Ergebnisse und Diskussion

144

Die berechneten C-Gehalte der chromophoren Einheiten von funktionalisiertem

PVAm auf KGH-05, -06 und -08 sind niedriger als der berechnete C-Gehalt der

PVAm-Einheit. Bei gleicher adsorbierter Menge an funktionalisiertem Polymer (0.05 g

Polymer auf 1 g KGH) müsste ein niedrigerer C-Gehalt im Vergleich zu KGH/PVAm

resultieren.

Der mehr als doppelt so große gemessene C-Gehalt von KGH-05 und KGH-06

deutet jedoch daraufhin, dass eine sehr viel dickere Schicht an Polymer auf der

Kieselgeloberfläche im Vergleich zu KGH/PVAm adsorptiv gebunden vorliegt. Für

diesen Befund könnten Vernetzungsreaktionen der Polymerketten untereinander

verantwortlich sein, die zu größerer Beladung der Kieselgel-Partikel und

Agglomeration führen. Auch die XPS-Untersuchungen deuteten bei KGH-05 und

KGH-06 aufgrund der geringen [Si]:[C]-Atomverhältnisse auf größere Beladung der

Kieselgelpartikel hin.

Im Gegensatz dazu ist bei KGH-08 aufgrund des sehr geringen Substitutionsgrades

von s = 2.5 mol% und des niedrigen C-Gehaltes von 1.38 % von einer wesentlich

niedrigeren Polymerbelegung im Vergleich zu KGH/PVAm auszugehen.

Bei KGH-03 (s = 13.3 mol%) scheint in etwa die gleiche Menge an Polymer wie bei

KGH/PVAm adsorbiert zu sein, da der gemessene C-Gehalt in etwa dem von

KGH/PVAm entspricht, wobei sich die C-Gehalte der chromophoren Einheit und

PVAm nicht wesentlich unterscheiden. Der berechnete C-Gehalt der chromophoren

Einheit des auf KGH-09 adsorbierten funktionalisierten PVAm´s entspricht in etwa

dem berechneten C-Gehalt von PVAm. Da der Substitutionsgrad bei KGH-09 mit nur

s = 0.7 mol% sehr gering ist, der gemessene C-Gehalt des Hybridmaterials jedoch

niedriger als bei KGH/PVAm ist, scheint weniger Polymer im Vergleich zu

KGH/PVAm auf der Oberfläche von KGH adsorptiv gebunden zu sein.

3 Ergebnisse und Diskussion

145

3.2.6 BET-(Brunauer-Emmett-Teller)-Untersuchungen

Mit Blick auf die Vermutung, dass die chromophoren Einheiten der funktionalisierten

PVAm´s auf KGH unterschiedlich lokalisiert vorliegen könnten, wurden zur

Bestimmung der Hohlraumstruktur N2-Adsorptionsisothermen von 11 polymer-

modifizierten KGH´s und reinem KGH aufgenommen. Aus den erhaltenen

N2-Adsorptionsisothermen wurden die BET-Oberflächen und die Porengrößen-

verteilungen ermittelt. Am Beispiel von reinem KGH ist in Abb. 56 eine für diese

Kieselgel-Proben typische N2-Adsorption/Desorptions-Isotherme dargestellt.

Abb. 56: N2-Adsorptionsisotherme von reinem Kieselgel H (KGH).

Eine Hystereseschleife zwischen Adsorptions- und Desorptionszweig ist durch das

Auftreten von Kapillarkondensation charakteristisch für Mesoporen (mittlerer Poren-

durchmesser zwischen 3 nm und 200 nm).146 Alle 12 untersuchten Kieselgele zeigen

solch eine Hystereseschleife. Es kann daher von mesoporösen Kieselgelen

ausgegangen werden. Die spezifischen Oberflächen und die Poren-

größenverteilungen der 12 untersuchten Kieselgelproben wurden aus den

N2-Adsorptionsisothermen nach der sog. BET-Methode bestimmt, wobei der Bereich

von 0.05 < p/p0 < 0.30 zur Auswertung herangezogen wurde.

0

100

200

300

400

500

600

700

0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1

p/p0

Vol

umen

cm

3 /g

Adsorption

Desorption

3 Ergebnisse und Diskussion

146

Für reines KGH wurde eine spezifische BET-Oberfläche von 395 m2·g-1 und eine

enge Porenradienverteilung ermittelt, die in Abb. 57 links (grau unterlegt) gezeigt ist.

Abb. 57: Porenradienverteilungen von links: reinem KGH (grau) und mit unfunktionalisiertem PVAm modifiziertem KGH (KGH/PVAm )und rechts: von KGH-05 (grau) und KGH-01.

Abb. 57 zeigt einerseits, dass eine Polymermodifizierung von reinem KGH zur

Verbreiterung der Porengrößenverteilung führt und das andererseits das KGH/PVAm

eine Porenradienverteilung mit einem Hauptanteil bei 5 – 10 nm im Gegensatz zu

reinem KGH mit 2 – 5 nm aufweist. Das mittels Sangers Reagenz funktionalisierte

PVAm auf KGH (KGH-05) zeigt wiederum eine Porenradienverteilung mit einem

Hauptanteil von 2 – 5 nm, das mittels 4-FNB funktionalisierte PVAm auf KGH

(KGH-01) einen Hauptanteil bei 5 – 10 nm.

In Tabelle 21 sind die Ergebnisse der BET-Untersuchungen von zehn mit

funktionalisiertem PVAm modifizierten KGH´s, reinem KGH und mit PVAm

beladenem KGH − mit Bezug zur Polymerbeladung aus den elementaranalytischen

Untersuchungen (EA) − zusammengefasst.

1 5 10 1000

20

40

60

80

100

KGH-05

KGH-01

Vol

umen

[%]

Porenradius [nm]

1 5 10 1000

20

40

60

80

100

KGH/PVAm

KGH

Vol

umen

[%]

Porenradius [nm]

3 Ergebnisse und Diskussion

147

Tab. 21: Zusammenfassung der Ergebnisse von BET-Untersuchungen von zehn mit funktionalisiertem PVAm modifizierten KGH´s, reinem KGH und mit PVAm modifiziertem KGH mit Vergleich zur Polymerbeladung aus XPS- und elementaranalytischen Untersuchungen.

Fluorkomponente Kieselgel-

Probe BET

[m2 · g-1]

Poren- durchmesser-

anteil [%] 4 – 10 10 – 20 nm nm

relative Beladung*

von 0.05 g·g-1

- reines KGH 395 79 4 -

- KGH/PVAm 143 7 49 =

F NO2

KGH-01 181 14 66 <

F

O2N KGH-02 227 24 60 <

F NH2

O2N KGH-03 191 18 64 =

N

O2N

FCH3

CH3

KGH-04 204 28 54 ≤

F

O2N

NO2

KGH-05 274 53 38 >>

F

O2N

NO2

F

KGH-06 274 69 22 >>

F

O2N

NN

KGH-07 193 56 36 > KGH-10

NH

F NO2

NO2

O2N

KGH-08 189 16 66 <

N

O2N

NN

H

F NO2

N

KGH-09 247 17 62 <

F

O2N

NO2

KGH-10 227 15 66 < KGH-07

* Bezugspunkt: KGH/PVAm mit 0.05 g PVAm ≅ 70 % des eingesetzten PVAm´s adsorptiv auf 1 g Kieselgel H gebunden.

3 Ergebnisse und Diskussion

148

Ausgenommen der Kieselgele KGH-05, -06 und -07 liegt der Hauptanteil der

Porendurchmesser (50 – 60 %) wie der von KGH/PVAm im Bereich von 10 – 20 nm.

Die Kieselgele KGH-05, -06 und -07 hingegen zeigen einen Hauptanteil der

Porendurchmesser wie die von reinem KGH mit einer Größe von 4 – 10 nm, was ein

Indiz dafür ist, dass der Hauptanteil an Poren vom PVAm wahrscheinlich nicht

aufgefüllt, sondern erhalten geblieben ist.

Die spezifische Oberfläche der Kieselgelpartikel sinkt durch die Beladung mit

funktionalisiertem PVAm drastisch ab. Die Modifizierung von KGH mit reinem PVAm

zu KGH/PVAm bewirkt ein Absinken der spezifischen BET-Oberfläche zu 143 m2·g-1

im Vergleich zu reinem KGH mit 395 m2·g-1. Eine visuell beobachtbare schnelle

Gelbildung zwischen Polymeren und Kieselgel-Partikeln zeigte sich bei den

Synthesen zu KGH-02, -05, -06, und -07. Das spiegelt sich außer bei KGH-07 in den

größeren spezifischen Oberflächen bis 274 m2·g-1 im Vergleich KGH/PVAm zu wider,

da die Poren möglicherweise nicht aufgefüllt sind.

Weniger reaktive Fluoraromaten könnten hauptsächlich in den Poren mit PVAm

reagiert haben, was dann zu einer kleineren spezifischen Oberfläche im Vergleich zu

den mit besser aktivierten Fluoraromaten synthetisierten KGH´s führen würde. Das

zeigt sich bei KGH-01, -03, -04 und -08 mit einer spezifischen Oberfläche von

189 bis 204 m2·g-1.

KGH-07 hat trotz eines Hauptanteils der Porengröße wie KGH (4 – 10 nm) eine

relativ kleine spezifische Oberfläche von 193 m2·g-1. KGH-09 wiederum besitzt mit

247 m2·g-1 eine deutlich größere spezifische Oberfläche als KGH/PVAm , wo

aufgrund des geringen Substitutionsgrades (s = 0.7 mol%) eher mit einer zu

KGH/PVAm vergleichbar großen Oberfläche gerechnet wurde.

Da KGH-10 eine ähnliche Porengrößenverteilung (> 60% mit 10 – 20 nm) aufweist

wie KGH-02 und beide KGH´s die gleiche spezifische Oberfläche von 227 m2·g-1

besitzen, könnte sich auch bei KGH-10 weniger Polymer auf der Oberfläche befinden

im Vergleich zu KGH/PVAm (0.05 g Polymer auf 1g KGH).

Auch die BET-Untersuchungen weisen neben den XPS-Untersuchungen darauf hin,

dass die weniger reaktiven Fluoraromaten hauptsächlich in den Poren, die

reaktiveren Fluoraromaten jedoch schnell – schon vor Erreichen der Poren in der

Peripherie der Partikel – mit PVAm reagiert haben könnten.

3 Ergebnisse und Diskussion

149

3.2.7 Elektrokinetische Untersuchungen (Zetapotent ial)

Durch elektrokinetische Messungen können Ladungsverteilungen an Grenzflächen

untersucht werden, die vorliegen, wenn sich feste Partikel im thermodynamischen

Gleichgewicht mit einer Flüssigkeit befinden. Die Verwendung von Wasser als

flüssige Phase bietet die Möglichkeit den die Partikel umgebenden pH-Wert zu

variieren und damit die Adsorption von H⊕ -Ionen und OHӨ-Ionen auf der Oberfläche

zu kontrollieren. Um bei Änderung des pH-Wertes die Ionenstärke nahezu konstant

zu halten, wird ein Inertsalz wie z. B. KCl zugesetzt.

Befindet sich eine Festkörperoberfläche im chemischen Gleichgewicht mit einer

Elektrolytlösung, so liegt bei freier und unabhängiger Beweglichkeit der

Ladungsträger (Ionen) an der Phasengrenze eine andere Ladungsverteilung als im

Inneren der jeweiligen Phase vor. Der Überschuss einer Ionensorte und die relative

Verarmung deren Gegenionen an der Phasengrenze wird als elektrochemische

Doppelschicht bezeichnet. Die Ursachen für die Anreicherung einer Ionensorte an

der Phasengrenze können in der Dissoziation saurer Molekülgruppen oder der

bevorzugten Adsorption von Anionen oder Kationen liegen. Aufgrund der

unterschiedlichen Anzahl von Ladungen an der Phasengrenze und den

Volumenphasen bildet sich ein elektrisches Potential aus.147

Die modellhafte Beschreibung der elektrochemischen Doppelschicht eines

Festkörpers, der mit einer verdünnten Elektrolytlösung im Gleichgewicht steht,

basiert auf Arbeiten von Gouy, Chapman, Stern und Graham. Dieses GCSG-Modell

unterteilt die elektrochemische Doppelschicht in eine starre/immobile und in eine

diffuse/mobile Schicht. Wird ein äußeres Kraftfeld so angelegt, dass es zur

Relativbewegung zwischen fester und flüssiger Phase kommt, verbleibt der starre

Teil der elektrochemischen Doppelschicht an der Festkörperoberfläche, während der

mobile Teil sich mit der Volumenphase der Flüssigkeit bewegt. Aufgrund der

Relativbewegung muss eine Ebene existieren, in der ein Abscheren des mobilen

Teils der elektrochemischen Doppelschicht erfolgt. Das Potential in dieser

Scherebene wird als elektrokinetisches Potential bzw. Zetapotential ζ bezeichnet.

Das Zetapotential ist daher ein Indikator für den Aufbau der elektrochemischen

Doppelschicht. Mit Änderung der Zusammensetzung der flüssigen Phase (z. B. die

Änderung des pH-Wertes) ändert sich auch die elektrochemische Doppelschicht, die

sich in einer Änderung des Zetapotentials zeigt.147

3 Ergebnisse und Diskussion

150

Die Bestimmung des Zetapotentials an kolloiddispersen Systemen (Suspensionen,

Dispersionen, Emulsionen) basiert im Allgemeinen auf der Messung der

Wanderungsgeschwindigkeit der dispersen Phase unter Einfluss eines elektrischen

Feldes. Die zugrunde liegende elektrokinetische Erscheinung wird als

Elektrophorese bezeichnet.148 Die bei der Mikroelektrophorese gemessenen

elektrophoretischen Beweglichkeiten der geladenen Partikel werden über die

Smoluchowski-Gleichung in Zetapotentialwerte umgerechnet.148

In Abb. 58 sind pH-Wert abhängige Messungen des Zetapotentials ζ von

ausgewählten Kieselgel-Proben gezeigt. Wie die Zetapotential-Kurve von reinem

KGH in Abb.58 zeigt, sind negative Zetapotentialwerte bei niedrigem pH-Wert typisch

für brønstedsaure Oberflächengruppen, die einer Dissoziation unterliegen können.

Mit zunehmendem pH-Wert erhöht sich der Dissoziationsgrad an der Oberfläche und

damit die Anzahl der negativen Oberflächenladungen, so dass das Zetapotential mit

zunehmendem pH-Wert kleiner wird.147

Abb. 58: Graphische Darstellung der Abhängigkeit des Zetapotentials ζ vom pH-Wert in wässriger KCl-Lösung (cKCl = 10-3 mol l-1) ermittelt aus Mikroelektrophorese-Experimenten. Reines KGH (■), KGH/PVAm (●), 4-nitrophenyl-funktionalisiertes PVAm auf KGH (▼ KGH-01), 2-nitrophenyl- funktionalisiertes PVAm auf KGH (□ KGH-02), 2,4-dinitrophenyl-funktionalisiertes PVAm auf KGH (○ KGH-05) und 2,4-dinitro-1,5-phenylenediamin-funktionalisiertes PVAm auf KGH (▲KGH-06).

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12-60

-40

-20

0

20

40

60

KGH-01 KGH-02 KGH-05 KGH-06 KGH/PVAm reines KGH

IEP

Zeta

pote

ntia

l ζζ ζζ

[mV

]

pH (gemessen in 10 -3 M KCl)

3 Ergebnisse und Diskussion

151

Sind alle dissoziationsfähigen Oberflächengruppen dissoziiert, bleibt bei reinem KGH

trotz weiterer Erhöhung des pH-Wertes die Oberflächenladung und damit das

Zetapotential konstant (Plateau-Phase). Positive Zetapotentialwerte weisen auf die

bevorzugte Adsorption von H⊕ -Ionen und damit auf brønstedbasische Oberflächen-

zentren hin.147

Dieses Verhalten zeigen alle modifizierten KGH´s, aufgrund der Adsorption des

aminogruppentragenden Polymeren. Die pH-Wert abhängigen Messungen der

Zetapotentiale ζ zeigen, dass durch die Polymermodifizierung von KGH eine

deutliche Änderung der Oberflächenladungen stattgefunden hat. Die pH-Werte bei

denen ζ = 0 ist, werden als isoelektrische Punkte (IEP) bezeichnet. Durch

Verschiebungen des IEP infolge von Oberflächenmodifizierungen können Rück-

schlüsse auf die Anzahl brønstedsaurer Oberflächenzentren gezogen werden.147

In Tabelle 22 sind die über die elektrokinetischen Untersuchungen mittels Mikro-

elektrophorese ermittelten isoelektrischen Punkte (IEP) von 10 mit funktionalisiertem

PVAm modifizierten KGH´s, reinem KGH und mit PVAm modifiziertem KGH −

aufsteigend nach der Höhe des IEP sortiert − dargestellt.

Tab. 22: Überblick über die aus elektrokinetischen Messungen ermittelten isoelektrischen Punkte (IEP) von funktionalisierten Polyvinylaminen auf KGH im Vergleich zu reinem KGH und KGH/PVAm.

Kieselgel-Probe Fluorkomponente Isoelektrischer Punkt (IEP)

pH

reines KGH - 2.5

KGH/PVAm - 9.8

KGH-05 Sangers Reagenz 8.4

KGH-06 DFDNB 8.7

KGH-07 FNAzoB 9.0

KGH-10 FDNstilben 9.2

KGH-08 N-DNP-FNA 9.3

KGH-02 2-FNB 9.8

KGH-03 4-FNA 9.9

KGH-01 4-FNB 10.2

KGH-04 4-DMFNA 10.2

KGH-09 FNAzoB-2 10.3

3 Ergebnisse und Diskussion

152

Die Anzahl brønstedsaurer Oberflächenzentren von reinem KGH nimmt durch die

Polymermodifizierung drastisch ab. Durch die Adsorption an der Kieselgeloberfläche

neutralisiert das aminogruppentragende Polymer zum einen die sauren Oberflächen-

zentren von reinem KGH und liefert zusätzlich brønstedbasische Aminogruppen. Da

die Verschiebung des IEP´s von pH = 2.5 (reines KGH) zu pH > 9 (modifizierte

KGH´s) sehr deutlich ist, scheint die Oberflächenbedeckung der polymermodifizierten

KGH´s recht dicht zu sein. Wäre sehr wenig Polymer adsorbiert, so dass noch viele

brønstedsaure Oberflächenzentren von Kieselgel H neben wenigen brønsted-

basischen Oberflächenzentren von PVAm vorliegen, würde sich das in einer

geringeren Verschiebung des IEP bis zu pH = 7 äußern.

Die Verschiebung des IEP zu pH = 9.8 KGH/PVAm soll für vergleichende

Betrachtungen als Richtwert dienen. So zeigt sich, dass in Abhängigkeit der

Reaktivität des eingesetzten Fluoraromaten unterschiedliche Werte des IEP´s zu

finden sind. Die Umsetzung von PVAm mit weniger aktivierten Fluoraromaten zu den

Kieselgelen KGH-01, -03, -04 und -09 führen zu einem IEP bei pH ≈ 10, was für

etwas bessere Bedeckung der Kieselgeloberfläche im Vergleich zu KGH/PVAm

spricht. Wohingegen die durch die Umsetzung von PVAm mit besser aktivierten

Fluoraromaten modifizierten Kieselgele KGH-05, -06, -07 und -10 kleinere IEP´s als

KGH/PVAm zeigen, was auf weniger Abschirmung/Bedeckung der brønstedsauren

Oberflächenzentren von Kieselgel hindeutet.

Die Unterschiede der erhaltenen IEP´s der polymermodifizierten KGH´s sind

wiederum ein Hinweis darauf, dass die für die nucleophile aromatische Substitution

stark aktivierten Fluoraromaten mit PVAm sehr schnell schon vor Erreichen der

Adsorption in den Poren reagieren, wobei diese teilweise vom Polymeren

unausgefüllt bleiben. Freie – von den Aminogruppen des PVAm´s nicht neutralisierte

Silanolgruppen des KGH´s – resultieren in einer weniger starken Verschiebung des

IEP´s. Weniger reaktive Fluoraromaten reagieren in Oberflächennähe (in den Poren)

und die nahezu komplette Oberflächenbeschichtung bewirkt eine Verschiebung des

IEP´s zu größeren pH-Werten, da die –Si–OH-Gruppen von den –NH2-Gruppen des

PVAm´s auch in den Poren neutralisiert werden.

In Tabelle 23 sind zur besseren Übersichtlichkeit ausgewählte Ergebnisse der BET-,

XPS- und elektrokinetischen Untersuchungen von 10 mit funktionalisiertem PVAm

beladenen KGH´s, von reinem KGH und von mit PVAm modifiziertem KGH

zusammengefasst.

3 Ergebnisse und Diskussion

153

Tab. 23: Zusammenfassung ausgewählter Ergebnisse aus BET-, XPS- und elektrokinetischen Untersuchungen von 10 mit funktionalisiertem PVAm beladenen KGH´s, von reinem KGH und von mit PVAm modifiziertem KGH bei einem eingesetzten Molverhältnis von Kieselgel zu PVAm zu Fluoraromat mit 10 : 1 : 0.3.

eingesetzte Fluorkomponente

Kieselgel-Probe

BET- Oberfläche

[m2 · g-1]

Porendurch-messer

[nm]

IEP bei pH

N 1s für –NO2-Gr.? (406 eV)

- reines KGH 395 4 – 10 2.5 -

- KGH/PVAm 143 10 – 20 9.8 -

4- FNB KGH-01 181 10 – 20 10.2 -

2-FNB KGH-02 227 10 – 20 9.8 �

4-FNA KGH-03 191 10 – 20 9.9 -

4-DMFNA KGH-04 204 10 – 20 10.2 -

Sangers Reagenz KGH-05 274 4 – 10 8.4 �

DFDNB KGH-06 274 4 – 10 8.7 �

FNAzoB KGH-07 193 4 – 10 9.0 �

N-DNP-FNA KGH-08 189 10 – 20 9.3 -

FNAzoB-2 KGH-09 247 10 – 20 10.3 -

FDNstilben KGH-10 227 10 – 20 9.2 �

Die Ergebnisse der Zetapotential-Messungen sind im Einklang mit den Ergebnissen

der BET- und der XPS-Untersuchungen. In Abhängigkeit der Reaktivität der

eingesetzten Fluoraromaten, bei der nucleophilen aromatischen Substitution mit

PVAm an der Grenzfläche Kieselgel/Wasser, liegen die gebildeten chromophoren

Einheiten der funktionalisierten PVAm´s unterschiedlich lokalisiert vor. Diese

unterschiedliche Oberflächenbedeckung von funktionalisiertem PVAm auf KGH ist

visuell veranschaulicht in Schema 33 dargestellt .149

Schema 33A zeigt eine Adsorptionsmöglichkeit von funktionalisiertem PVAm auf

KGH mit unausgefüllten Poren, die entsteht, wenn für die nucleophile aromatische

Substitution mit PVAm besser aktivierte Fluoraromaten (2-FNB, Sangers Reagenz,

DFDNB, FNAzoB, FDNstilben) eingesetzt werden. Die Funktionalisierung von PVAm

erfolgt dann schnell auch in „Oberflächenferne“. Das zeigt sich einerseits an den

isoelektrischen Punkten aus elektrokinetischen Untersuchungen, die meist deutlich

niedriger als der IEP von KGH/PVAm sind.

3 Ergebnisse und Diskussion

154

Andererseits sind die im Vergleich zu KGH/PVAm meist deutlich höheren

spezifischen BET-Oberflächen und die im Vergleich zu reinem KGH gleichen

Porengrößen ein Indiz für unausgefüllte Poren (s. Schema 33A).

Schema 33: Schematische Darstellung der Adsorption von funktionalisiertem PVAm auf KGH durch Substitution von A: höher reaktiven Fluoraromaten und B: weniger reaktiven Fluoraromaten mit PVAm.

Im Falle von Sangers Reagenz und DFDNB können zudem auch Vernetzungs-

reaktionen von funktionalisierten PVAm-Ketten untereinander stattfinden und die

Poren von Kieselgel H werden nicht vollständig ausgefüllt. Da bei den XPS-Unter-

suchungen nur in den N 1s Spektren von KGH-02, -05, -06, -07 und -10 ein Signal

um 406 eV (für an Phenylringe gebundene –NO2-Gruppen) gefunden wurde, deutet

alles darauf hin, dass besser aktivierte Fluoraromaten mit PVAm nach dem in

Schema 33A dargestellten Adsorptionsmodell reagieren könnten.149

Bei den Kieselgelen KGH-01, -03, -04, -08 und -09 konnte bei den XPS-

Untersuchungen kein N 1s Signal bei 406 eV detektiert werden. Zum einen könnte

das an den geringen Substitutionsgraden des funktionalisierten PVAm´s auf KGH

(bei KGH-03, -08 und -09) und zum anderen an der begrenzten Informationstiefe für

N 1s Photoelektronen liegen, die für eine Detektierung der sich in der Tiefe/Poren

befindlichen –NO2-Gruppen möglicherweise nicht ausreicht. Daher könnten weniger

aktivierte Fluoraromaten hauptsächlich, wie in Schema 33B gezeigt, in den Poren

des Kieselgels mit PVAm reagiert haben. Dafür sprechen neben den XPS-

Untersuchungen auch die aus den elektrokinetischen Messungen ermittelten IEP´s,

die meist größer sind (dichtere Oberflächenbedeckung von KGH) als der IEP von

KGH/PVAm und die meist kleineren spezifischen BET-Oberflächen.149

NH2NH2

NH2

NH2

NH2

NH2

NH

NH

A

NH2NH2

NH2

NH2

NH2

NH2

NH

NH

NH2NH2

NH2

NH2

NH2

NH2

NH

NH

A B

NH2

NH2

NH2

NH2

NH2

H2N

NH2

BB

NH2

NH2

NH2

NH2

NH2

H2N

NH2

NH2

NH2

NH2

NH2

NH2

H2N

NH2

4 Zusammenfassung und Ausblick

155

4 Zusammenfassung und Ausblick

Der zentrale Gegenstand dieser Arbeit war die eingehende Untersuchung der

nucleophilen aromatischen Substitution von aktivierten Fluoraromaten mit Polyvinyl-

aminen in Wasser, um neue chromophore wasserlösliche Polyelektrolyte zu

synthetisieren. Es galt aufbauend auf eigenen, orientierenden Voruntersuchungen

das synthetische Potential weiter auszubauen und auszuloten.9,10 Als aminogruppen-

tragende Polymere wurden Polyvinylamine mit zwei unterschiedlichen

Molekulargewichten (Mw = 15,000 g·mol-1 bzw. 400,000 g·mol-1) von der BASF AG

sowie ein Poly-N-Methylvinylamin (PNMVAm, 196,000 g·mol-1) eingesetzt. Die

nucleophile aromatische Substitution ausgewählter Fluoraromaten mit Polyvinyl-

aminen in Wasser gelingt über die Komplexierung der Fluorkomponenten mittels

Cyclodextrin zur Löslichkeitsvermittlung. Für die Funktionalisierungsreaktionen

wurden die verwendeten Fluoraromaten mittels statistisch methyliertem

2,6-O-Dimethyl-β-cyclodextrin (CAVASOL®, β-DMCD) von Wacker im äquimolaren

Verhältnis komplexiert und als 1:1-Komplexe für die Reaktionen mit Polyvinylaminen

eingesetzt.

Es erwies sich als notwendig, dass die verwendeten Fluoraromaten für die

nucleophile aromatische Substitution durch Substituenten mit –M-Effekt (wie –NO2-

Gruppen) in Konjugation zum Fluorsubstituenten aktiviert sein müssen, da die

Reaktionstemperatur der siedenden wässrigen PVAm-Lösung für weniger aktivierte

Fluoraromaten nicht ausreicht.9,10 Sehr gut zur Funktionalisierung von PVAm in

Wasser eigneten sich folgende Fluoraromaten: 2-Fluornitrobenzen (2-FNB),

2,4-Dinitrofluorbenzen (Sangers Reagenz), 1,5-Difluor-2,4-dinitrobenzen (DFDNB),

4-Fluor-3-nitroazobenzen (FNAzoB) und 4-Fluor-3,4´-dinitrostilben (FDNstilben).

Bei der Funktionalisierung von Polyvinylaminen mit weniger aktivierten Fluor-

aromaten wie N,N-Dimethyl-4-fluor-3-nitroanilin (4-DMFNA), N-(2´,4´-Dinitrophenyl)-

4-fluor-3-nitroanilin (N-DNP-FNA) und N-(2´-Nitrophenyl-4´-(p-N,N-diethyl)-

azobenzen)-4-fluor-3-nitroanilin (FNAzoB-2) konnten nur geringe Substitutionsgrade

an chromophoren Einheiten bei gleichen Reaktionsbedingungen erhalten werden.

Eine Erhöhung der eingesetzten Menge an Fluoraromat führte bei gleichen

Reaktionsbedingungen zur Erhöhung des Substitutionsgrades.

4 Zusammenfassung und Ausblick

156

Der Substitutionsgrad von funktionalisiertem Polyvinylamin wurde insbesondere mit

Hilfe der UV/vis-Spektroskopie durch Vergleich der Intensität der UV/vis-Absorption

von funktionalisiertem Polyvinylamin mit der Intensität der UV/vis-Absorption einer

niedermolekularen Modellverbindung in Methanol bestimmt. Die Modellverbindungen

wurden nach strukturellen Gesichtspunkten der chromophoren Einheit des jeweils

funktionalisierten Polyvinylamins entsprechend synthetisiert. Ließ es die Löslichkeit

der funktionalisierten Polyvinylamine in D2O zu, wurde auch die 1H-NMR-

Spektroskopie zur Bestimmung der jeweiligen Substitutionsgrade herangezogen,

indem die Intensitäten der 1H-NMR-Signale der aromatischen Protonen mit den 1H-NMR-Signalen der Protonen der Polymerhauptkette ins Verhältnis gesetzt

wurden.

Die Polymere, die durch die nucleophile aromatische Substitution von stärker

aktivierten Fluoraromaten wie 2,4-Dinitrofluorbenzen (Sangers Reagenz),

1,5-Difluor-2,4-dinitrobenzen (DFDNB) und 4-Fluor-3-nitroazobenzen (FNAzoB) mit

PVAm erhalten wurden, waren sehr schlecht bzw. unlöslich in Wasser und/oder

Methanol, so dass eine Substitutionsgradbestimmung nicht möglich war.

Um nicht nur aus den erhaltenen Substitutionsgraden der jeweils funktionalisierten

Polyvinylamine Rückschlüsse auf die Reaktivität der jeweils eingesetzten

Fluoraromaten zu ziehen, wurden kinetische Untersuchungen der Funktionalisierung

von PVAm mittels aktivierter Fluoraromaten in Wasser mit Hilfe der UV/vis-

Spektroskopie durchgeführt. Dazu wurde die nucleophile aromatische Substitution

von ausgewählten Fluoraromaten mit PVAm durch Variation der Temperatur, des

pH-Wertes und des Molekulargewichts in Abhängigkeit von der Reaktionszeit UV/vis-

spektroskopisch verfolgt. Die Geschwindigkeit der Funktionalisierungsreaktion stieg

erwartungsgemäß mit der Temperatur an.

Die Reaktionsgeschwindigkeit bei der nucleophilen Substitution von 2-Fluornitro-

benzen (2-FNB) mit PVAm in Wasser ist etwa dreimal größer als die der Umsetzung

von 4-Fluornitrobenzen (4-FNB). Das erklärt den etwa zwei bis dreimal höheren

Substitutionsgrad von 2-nitrophenyl-funktionalisiertem PVAm im Vergleich zu

4-nitrophenyl-funktionalisiertem PVAm bei gleichen Reaktionsbedingungen. Die

Aktivierungsenergien EA für die nucleophile aromatische Substitution von 4-FNB bzw.

2-FNB mit PVAm in Wasser über Löslichkeitsvermittlung mittels β-DMCD sind jedoch

mit 67.6 kJ · mol-1 bzw. 67.5 kJ · mol-1 nahezu gleich groß.

4 Zusammenfassung und Ausblick

157

Der Reaktivitätsunterschied rührt von der unterschiedlichen Aktivierungsentropie ∆S‡

her, die bei der Substitution von 2-FNB mit PVAm bei gleichen Reaktions-

bedingungen um etwa 10 J·K-1·mol-1 kleiner ist im Vergleich zur Umsetzung mit

4-FNB. Der ortho-Effekt der –NO2-Gruppe bei 2-FNB führt möglicherweise zu

Nachbargruppeneffekten, welche in der Literatur oft diskutiert werden.20,91,93-95

Sangers Reagenz ist durch zwei –M-Substituenten erwartungsgemäß für eine

nucleophile aromatische Substitution mit PVAm besser aktiviert als 2-FNB und

4-FNB. Demzufolge nimmt die Aktivierungsenergie mit 60.2 kJ·mol-1 für die

nucleophile aromatische Substitution deutlich ab. Die Einführung eines weiteren

Fluorsubstituenten bei DFDNB führt zu einer weiteren Absenkung der Aktivierungs-

energie mit EA = 52.8 kJ·mol-1, was auf den –I-Effekt des zweiten Fluorsubstituenten

zurückzuführen ist. Die nucleophile aromatische Substitution von DFDNB/β-DMCD

verläuft fast doppelt so schnell wie die der Reaktion von Sangers Reagenz/β-DMCD

mit PVAm in Wasser.

Die Aminogruppe bei 4-Fluor-3-nitroanilin (4-FNA) scheint trotz des +M-Effektes auf

die Aktivierung bei der Funktionalisierungsreaktion kaum Einfluss zu haben. Die

Aktivierungsenergie ist nahezu gleich der Aktivierungsenergie der nucleophilen

aromatischen Substitution von 2-FNB mit PVAm. Die Aktivierungsenergie der

nucleophilen aromatischen Substitution von N,N-Dimethyl-4-fluor-3-nitroanilin

(4-DMFNA) mit PVAm in Wasser hingegen ist mit 76.5 kJ·mol-1 deutlich höher im

Vergleich zur Umsetzung mit 4-FNA. Der größere +M-Effekt der in 1-Stellung

dimethylierten Aminogruppe verringert die Reaktivität für die nucleophile aromatische

Substitution doch erwartungsgemäß entscheidend.

Die kinetischen Untersuchungen mit Hilfe der UV/vis-Spektroskopie zeigten

weiterhin, dass die Polymerkette selbst einen Einfluss auf die Reaktivität bei der

nucleophilen aromatischen Substitution von Fluoraromaten hat. Bei der Umsetzung

von PVAm mit 4-FNB/β-DMCD in Wasser (pH = 11) wurde im Vergleich zur Reaktion

von i-Propylamin mit 4-FNB in DMSO (−∆S‡ = 38.9 J·K-1·mol-1) eine deutlich höhere

zu überwindende Aktivierungsentropie mit −∆S‡ = 158.5 J·K-1·mol-1 gefunden.126,127

Die geringere Reaktivität von PVAm im Vergleich zu i-Propylamin könnte auf

sterische Faktoren zurückzuführen sein.

4 Zusammenfassung und Ausblick

158

Ein höherer pH-Wert der wässrigen PVAm-Lösungen ist für die Funktionalisierung

von PVAm mittels Fluoraromaten sinnvoll, um den Protonierungsgrad (Anzahl von

Ammoniumgruppen –NH3⊕) zu Gunsten von primären Aminogruppen (–NH2) gering

zu halten, was zur Beschleunigung der Funktionalisierungsreaktion führt.

Die Aktivierungsenthalpie und die Aktivierungsenergie nahmen bei der

Funktionalisierung von PVAm mit Sangers Reagenz – trotz größerer Geschwindig-

keitskonstanten – mit steigendem pH-Wert ab. Bei der Funktionalisierung von PVAm

mit Sangers Reagenz war die Aktivierungsentropie bei pH = 4 fast doppelt so groß im

Vergleich zur Funktionalisierung bei pH = 11. Das deutet darauf hin, dass der Angriff

bei der nucleophilen aromatischen Substitution von Fluoraromaten mit PVAm bei

niedrigem pH-Wert zwar leichter erfolgt, jedoch eine wesentlich höhere

Aktivierungsentropie überwunden werden muss. Offensichtlich spielen sterische

Effekte im Sauren eine größere Rolle, so dass dort die Zugänglichkeit hauptsächlich

von der molekularen Struktur der zu substituierenden PVAm-Einheit und weniger von

der gesamten Polymermoleküldynamik abhängt.

Die Ergebnisse der kinetischen Untersuchungen lassen den Schluss zu, dass wie bei

den meisten nucleophilen aromatischen Substitutionen von aktivierten Fluoraromaten

die Anlagerung des Aminostickstoffs der primären Aminogruppe von PVAm an den

aromatischen Ring zur Bildung der zwitterionischen Zwischenstufe der geschwindig-

keitsbestimmende Schritt ist.

Die mittels 4-FNB und 2-FNB synthetisierten 4-nitrophenyl-funktionalisierten PVAm´s

(PVAm 1) und 2-nitrophenyl-funktionalisierten PVAm´s (PVAm 2) zeigen in

Abhängigkeit vom pH-Wert der Lösung nur geringe Verschiebungen der Lage des

UV/vis-Absorptionsmaximums. Das UV/vis-Absorptionsmaximum von PVAm 1 liegt

bei pH = 1 bei 390 nm, bei pH = 7 bei 406 nm und bei pH = 11 bei 413 nm. Das

UV/vis-Absorptionsmaximum von PVAm 2 liegt bei pH = 1 bei 432 nm, bei pH = 7 bei

440 nm und bei pH = 11 bei 450 nm. Die mittels 1-Fluor-2,4-dinitrobenzen (Sangers

Reagenz), 1,5-Difluor-2,4-dinitrobenzen (DFDNB), 4-Fluor-3-nitroazobenzen

(FNAzoB) und 4-Fluor-3,4´-dinitrostilben (FDNstilben) funktionalisierten PVAm´s

weisen in Abhängigkeit vom pH-Wert keine signifikante Verschiebung der Lage der

UV/vis-Absorptionsbanden auf. Sehr interessant sind die optischen Eigenschaften

von 2-nitro-4-aminobenzen-funktionalisierten Polyvinylaminen, die sowohl in

Abhängigkeit vom pH-Wert als auch in Abhängigkeit von der Natur des Lösungs-

mittels signifikante Verschiebungen der UV/Vis-Absorptionsbanden aufweisen.

4 Zusammenfassung und Ausblick

159

Das UV/vis-Absorptionsmaximum der chromophoren Einheit von 2-nitro-4-

aminobenzen-funktionalisiertem PVAm (PVAm 3) liegt im stark Basischen bei

519 nm, im stark Sauren bei 424 nm. Das Vorhandensein eines isosbestischen

Punktes bei 466 nm erlaubte mit Hilfe der Henderson-Hasselbalch-Gleichung die

Ermittlung des pKs-Wertes der chromophoren Einheit mit pKS = 4.06.

Die pH-Wert abhängigen UV/vis-spektroskopischen Untersuchungen von 2-nitro-4-

(N,N-dimethyl)aminobenzen-funktionalisiertem PVAm (PVAm 4) und von 2-nitro-4-

(N,N-dimethyl)aminobenzen-funktionalisiertem Poly-N-Methylvinylamin (PNMVAm 5)

zeigten signifikante Unterschiede der UV/vis-Absorptionseigenschaften in

Abhängigkeit vom pH-Wert. Die pKS-Werte der chromophoren Einheiten konnten mit

pKS = 4.03 für PVAm 4 und mit pKS = 2.99 für PNMVAm 5 ermittelt werden. Die

Einführung von zwei Methylgruppen am 4-Aminostickstoff bei PVAm 4 erhöht die

Basizität im Vergleich zu PVAm 3. Der im Vergleich zu PVAm 3 und PVAm 4 deutlich

niedrigere pKS-Wert der chromophoren Einheit von PNMVAm 5 beruht auf der in

1-Stellung eingeführten Methylgruppe, die zum Herausdrehen der ortho-Nitrogruppe

führt und damit zu einem schwächeren +M-Effekt der 1-N-Methyl-Aminogruppe.

Alle untersuchten funktionalisierten Polyvinylamine zeigen mehr oder weniger

ausgeprägte solvatochrome Eigenschaften. In Abhängigkeit von der Natur des

Lösungsmittels wurde das jeweilige UV/vis-Absorptionsmaximum der chromophoren

Polyvinylamin-Einheit mit Zunahme der Lösungsmittelpolarität bathochrom – zu

größeren Wellenlängen – verschoben (positive Solvatochromie).

Aufgrund der guten Löslichkeit von 2-nitro-4-aminobenzen-funktionalisierten

Polyvinylaminen (PVAm 3, PVAm 4 und PNMVAm 5) in einer Reihe an

Lösungsmitteln konnten die solvatochromen Eigenschaften mit Hilfe der Kamlet-Taft-

Gleichung quantifiziert werden. Hohe α-Werte der Lösungsmittel und damit die

Fähigkeit als HBD-Lösungsmittel (hydrogen bond donor) mit der chromophoren

Einheit in Wechselwirkung zu treten, führen bei allen drei 2-nitro-4-aminobenzen-

funktionalisierten Polyvinylaminen zu einer hypsochromen Verschiebung der UV/vis-

Absorptionsbande (zu kleineren Wellenlängen). Auf die solvatochromen

Eigenschaften von PVAm 3 weisen vor allem die Dipolarität/Polarisierbarkeit π* und

die Fähigkeit des Lösungsmittels als HBA-Lösungsmittel (hydrogen bond acceptor)

zu fungieren den größten Einfluss auf. Somit führt bei PVAm 3 ein hoher

π*-Wert und/oder ein hoher β-Wert des Lösungsmittels zu einer bathochromen

Verschiebung der UV/vis-Absorptionsbande der chromophoren Einheit.

4 Zusammenfassung und Ausblick

160

Die solvatochromen Eigenschaften von PVAm 4 sind unabhängig von der

Dipolarität/Polarisierbarkeit π* des verwendeten Lösungsmittels. Die Fähigkeit des

Lösungsmittels als HBA-Lösungsmittel (β-Wert) zu wirken, hat auf die solvato-

chromen Eigenschaften von PVAm 4 einen etwas geringeren Einfluss als die

Fähigkeit als HBD-Lösungsmittel (hydrogen bond donor, α-Wert) mit der

chromophoren Einheit in Wechselwirkung zu treten.

Die solvatochromen Eigenschaften von PNMVAm 5 werden hauptsächlich von der

Dipolarität/Polarisierbarkeit π* des Lösungsmittels bestimmt. Die Fähigkeit des

Lösungsmittels als HBD-Lösungsmittel (α-Wert) und/oder HBA-Lösungsmittel

(β-Wert) zu wirken, spielt in gleichem Maße eine geringere Rolle als die

Dipolarität/Polarisierbarkeit π*. Somit führen hohe π*-Werte und/oder hohe β-Werte

zu bathochromer Verschiebung der UV/vis-Absorptionsbande von PNMVAm 5.

Die nucleophile aromatische Substitution von Fluoraromaten mittels Polyvinylaminen

ist somit eine elegante Methode zur Darstellung von chromophoren wasserlöslichen

Polymeren. Durch die Funktionalisierung von PVAm besteht die Möglichkeit die

bisherigen Anwendungsmöglichkeiten von PVAm zu erweitern.

In zukünftigen Arbeiten könnte eine direkte Funktionalisierung von Polyvinylamin mit

Stilben- und Azoverbindungen weiter studiert werden, da diese als optische,

reversible Schalter, zur Nanostrukturierung von Oberflächen und für NLO-

Anwendungen von sehr großer Bedeutung sind.41-47

Es konnte weiterhin gezeigt werden, dass die nucleophile aromatische Substitution

von Fluoraromaten mit PVAm auch an der Phasengrenze Feststoff/Wasser zur

Oberflächenmodifizierung genutzt werden kann. Durch Umsetzung von wässriger

PVAm-Lösung mit auf Kieselgel H adsorbiertem 4-FNB, 2-FNB, 4-FNA, 4-DMFNA,

Sangers Reagenz, DFDNB, FNAzoB, N-(2´,4´-Dinitro-phenyl)-4-fluor-3-nitroanilin (N-

DNP-FNA), N-(2´-Nitrophenyl-4´-(p-N,N-diethyl)-azobenzen)-4-fluor-3-nitroanilin

(FNAzoB-2) und FDNstilben wurden farbige Kieselgele erhalten. Das jeweils

funktionalisierte PVAm blieb irreversibel auf der Festkörperoberfläche fixiert. In

Abhängigkeit der Reaktivität des Fluoraromaten liegen die chromophoren Einheiten

der funktionalisierten PVAm´s auf Kieselgel H unterschiedlich lokalisiert vor. Die für

die nucleophile aromatische Substitution mit PVAm weniger aktivierten

Fluoraromaten 4-FNB, 4-FNA, 4-DMFNA, N-DNP-FNA und FNAzoB-2 haben

möglicherweise hauptsächlich in Oberflächennähe – in den Poren – mit den

Aminogruppen von PVAm reagiert.

4 Zusammenfassung und Ausblick

161

Die für die nucleophile aromatische Substitution mit PVAm hingegen besser

aktivierten Fluoraromaten 2-FNB, Sangers Reagenz, DFDNB, FNAzoB und

FDNstilben haben möglicherweise hauptsächlich schon vor Erreichen der Poren in

der Peripherie der Partikel mit PVAm reagiert.

Über die nucleophile aromatische Substitution von an Festkörperoberflächen

gebundenen Fluoraromaten mit Polyvinylaminen ist es somit möglich zu

chromophoren PVAm-Kieselgel-Hybridmaterialien zu gelangen. Die Eigenschaften

der funktionalisierten Polyvinylamine lassen sich dabei mit denen des anorganischen

Trägers im Hybridmaterial kombinieren. So zeigte 2-nitro-4-aminobenzen-

funktionalisiertes PVAm und 2-nitro-4-(N,N-dimethyl)aminobenzen-funktionalisiertes

PVAm jeweils adsorbiert auf KGH eine jeweils dem funktionalisierten Polymeren in

Lösung entsprechende Änderung der Lage der UV/vis-Absorptionsbande in

Abhängigkeit vom pH-Wert. Somit könnten neben den 2-nitro-4-aminobenzen-

funktionalisierten Polyvinylaminen PVAm 3, PVAm 4 und PNMVAm 5 auch die

entsprechend polymermodifizierten Kieselgele als pH-Sensoren fungieren.

Da Polyvinylamin aus Wasser in sehr definierten, nanometerdicken Schichten auf

Glas- und Siliconsubstraten adsorbiert49-51, könnte die in dieser Arbeit entwickelte

einfache Methode ein eleganter Weg sein, um Stilben- und Azofarbstoffeinheiten

direkt an Oberflächen zu binden. Diese einfach zu präparierenden Schichten

nachfolgend photochemisch schaltend zu gestalten, wäre eine sehr elegante

Synthese und demzufolge eine große Herausforderung.

5 Experimenteller Teil

162

5 Experimenteller Teil

5.1 Analysenmethoden und verwendete Geräte

UV/vis-Spektroskopie

Für die UV/vis-spektroskopischen Untersuchungen wurde ein MCS 400

Spektrometer der Firma Carl Zeiss Jena GmbH verwendet. Die Aufnahme von

UV/vis-Absorptionsspektren der funktionalisierten Polyvinylamine erfolgte in Küvetten

mit einer optischen Weglänge von 1.0 cm und für kinetische Untersuchungen in

Lösung mit Hilfe einer Tauchküvette TSM 5 mittels Glasfaseroptik. Die modifizierten

Kieselgele wurden mit einem speziellen Messkopf aufgenommen, indem die

Pulverprobe auf einer Quarzglasplatte über der Glasfaseroptik positioniert wurde.

NMR-Spektroskopie

Flüssig-NMR-Spektren wurden mit einem Gemini 2000 der Firma VARIAN bei

300 MHz bzw. einem UNITY INOVA 400 der Firma VARIAN bei 400 MHz an der

TU Chemnitz (Professur für Organische Chemie) aufgenommen. Die Aufnahme der 1H-NMR-Spektren erfolgte bei 300 MHz bzw. 400 MHz, die der 13C-NMR-Spektren

bei 75 MHz bzw. 100 MHz. Als interner Standard diente das jeweilige

Lösungsmittelsignal von D2O, CDCl3, d6-Aceton bzw. CD2Cl2. Die Multiplizität eines

Signals wird durch folgende Abkürzungen oder auch Kombinationen dieser

angegeben durch: br. = breit, s = Singulett, d = Dublett, t = Triplett, q = Quartett und

m = Multiplett. 13C-CP-MAS-Festkörper-NMR-Spektren modifizierter Kieselgele wurden mit einem

Bruker Avance 400 NMR-Spektrometer bei 100.62 MHz aufgenommen. Die

Festkörperproben rotierten jeweils mit 15 kHz für mehrere Tage im Probenkopf. Als

interner Standard diente Adamantan.

Elementaranalyse

Elementaranalysen wurden an der TU Chemnitz (Professur für Organische Chemie)

mit einem VARIO EL CHN-Analysator und an der Friedrich-Schiller-Universität Jena

mit einem VARIO EL III der Firma Elementaranalysensysteme GmbH Hanau

durchgeführt. An der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg wurde mit einem

CHNS 932 Elementaranalysator der Firma Leco gemessen.

5 Experimenteller Teil

163

BET-Untersuchungen

Für die Ermittlung der BET-Oberflächen und Porenvolumina von reinem Kieselgel H

und von polymermodifizierten Kieselgelen kam das Instrument Sorptomatik 1900 der

Firma Fisons an der Professur Technische Chemie der TU Chemnitz zum Einsatz,

wobei die Proben vorher im Vakuum ausgeheizt wurden.

Röntgen-Photoelektronen-Spektroskopie (XPS)

Die XPS-Messungen von reinem Kieselgel H und polymermodifizierten Kieselgelen

wurden am Leibniz-Institut für Polymerforschung e. V. in Dresden mit einem AXIS

ULTRA der Firma Kratos Analytical (UK) durchgeführt. Als Röntgenquelle diente

Mono-Al Kα-Strahlung. Die Aufnahmeleistung der Röntgenröhre war 300 W bei

20 mA. Die Übergangsenergie des Analysators betrug für Übersichtsspektren 160 eV

bzw. für aufgelöste Spektren 20 eV. Bei allen Proben erfolgte eine

Überkompensation der Aufladung, die durch das Verschieben des C 1s Peaks auf

die Bindungsenergie (BE) gesättigter Kohlenwasserstoffe CxHy mit einer

BE = 285.00 eV korrigiert wurde.141

elektrokinetische Messungen (Zetapotential)

Die elektrokinetischen Messungen zur Ermittlung des Zetapotentials von reinem

Kieselgel H und polymermodifizierten Kieselgelen in Abhängigkeit vom pH-Wert

wurden am Leibniz-Institut für Polymerforschung e. V. in Dresden mit einem

ZetaSizer 3 der Firma Malvern (UK) durchgeführt. Als Inertsalz wurde KCl verwendet

(0.001 M KCl). Die Partikelgeschwindigkeit im elektrischen Feld wurde mittels Laser

DOPPLER Anemometrie unter Verwendung eines He-Ne-Lasers bestimmt. Die bei

der Mikroelektrophorese gemessenen elektrophoretischen Beweglichkeiten der

geladenen Partikel wurden anschließend über die sog. Smoluchowski-Gleichung in

Zetapotentialwerte umgerechnet.148

ESR-Spektroskopie

Die ESR-Untersuchungen wurden mit einem ESP 300 E Spektrometer der Firma

Bruker an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena durchgeführt. Die Modulations-

frequenz betrug 100 kHz und die Amplitude 5 G. Die Spinkonzentration der

Polymerprobe wurde durch Vergleich der Peakfläche des Signals der Probe mit dem

Signal einer Standardprobe bestimmt (CuSO4·5H2O).

5 Experimenteller Teil

164

5.2 Eingesetzte Chemikalien

5.2.1 Polyvinylamine

5.2.1.1 Polyvinylamin (PVAm)

Zum Einsatz kamen wässrige Polyvinylamin-Lösungen der BASF AG (Ludwigshafen)

mit zwei verschiedenen Molekulargewichten (15,000 g·mol-1 und 400,000 g·mol-1). In

Tabelle 24 sind vom Hersteller angegebene, ausgewählte Eigenschaften der

verwendeten PVAm-Lösungen aufgeführt.

Tab. 24: Überblick über die eingesetzten wässrigen Polyvinylamin-Lösungen und deren vom Hersteller angegebenen Eigenschaften.

Polyvinylamin

(PVAm)

Molekular-

gewicht Mw

[g · mol-1]

Hydrolyse-

grad

[%]

Gewichts-

anteil

[%]

pH-Wert

ZD 1989/14

entsalzt 15,000 96.2 11.5 11

ZD 1827/29

entsalzt 400,000 97.3 6.6 11

Da PVAm großtechnisch durch Hydrolyse von Polyvinylformamid (PVFA) hergestellt

wird, wird manchmal auch von vollhydrolisiertem PVFA gesprochen. Der vom

Hersteller angegebene Hydrolysegrad deutet darauf hin, dass zu einem geringen

Anteil noch unhydrolisierte Anteile von PVFA enthalten sein könnten.

In Abbildung 60 ist am Beispiel von PVAm mit einem Molekulargewicht von

15,000 g·mol-1 ein 1H-NMR-Spektrum in D2O mit den entsprechenden Zuordnungen

der einzelnen Signale gezeigt.

Das breite Singulett bei einer chemischen Verschiebung von δ = 2.85 – 3.00 ppm

(Abb. 59) wurde den Protonen der aliphatischen CH-Gruppen und das breite

Singulett bei δ = 1.18 – 1.50 ppm den Protonen der aliphatischen CH2-Gruppen mit

einem Intensitätsverhältnis von eins zu zwei zugeordnet.

5 Experimenteller Teil

165

Abb. 59: 1H-NMR-Spektrum von PVAm (15,000 g·mol-1) in D2O mit struktureller Zuordnung der entsprechenden 1H-Signale.

Da für die CH2-Gruppen nur ein breites Signal zu finden ist, ist davon auszugehen,

dass der Hauptanteil der Methylenprotonen chemisch äquivalent ist. Das bedeutet,

dass weitestgehend syndiotaktisches PVAm mit alternierender Konfiguration am

aminoguppentragenden Kohlenstoff vorliegt.

Im 1H-NMR-Spektrum von PVAm in D2O (siehe Abb. 59) findet sich bei δ = 8.37 ppm

ein Signal, dass jedoch nicht den Formamidgruppen nicht hydrolisierter PVFA-

Einheiten, sondern noch von enthaltenem Natriumformiat (HCOONa) herrührt. Das 1H-NMR-Signal von Formamidgruppen (–NH–CHO) bei PVFA liegt in D2O bei

δ = 8.0 ppm.5,150,151 Aufgrund des Fehlens des 1H-NMR-Signals der

Formamidgruppen –NH–CHO bei δ = 8.0 ppm im 1H-NMR-Spektrum von PVAm

(ZD 1989/14 entsalzt) ist von vollständig hydrolisiertem PVFA, also PVAm

auszugehen.5,150,151 Die Formiat-Ionen, die bei der basischen Hydrolyse von PVFA

mit NaOH-lösung im Reaktionssystem verbleiben, scheinen vom Hersteller nicht

vollständig durch Dialyse entfernt worden zu sein.

012345678910

δδδδ [ppm]

HCOONa

ab

HDO

1H-NMR (D2O, 400 MHz) δδδδ [ppm]:a: 2.93 (-CH -NH2) b. 1.31 (-CH 2)

NH2

n

ab

5 Experimenteller Teil

166

5.2.1.2 Poly- N-Methylvinylamin (PNMVAm)

Für die Synthese von Poly-N-Methylvinylamin wurden 2g Poly-N-Methylvinyl-

acetamid, welches freundlicherweise von Prof. Dr. A. Laschewsky (Institut für

Angewandte Polymerforschung, Potsdam-Golm) mit einem Molekulargewicht von

196,000 g·mol-1 zur Verfügung gestellt wurde, zur sauren Hydrolyse eingesetzt.

Poly-N-Methylvinylacetamid löst sich gut in Wasser, in N,N-Dimethylformamid (DMF)

und in N-Methylpyrrolidon (NMP). In Abb. 60 ist ein 1H-NMR-Spektrum von Poly-N-

Methylvinylacetamid in D2O mit der strukturellen Zuordnung der Signale gezeigt,

welche mit Hilfe von Literaturdaten von N-Methylvinylacetamid getroffen wurde.152

Abb. 60: 1H-NMR-Spektrum von Poly-N-Methylvinylacetamid in D2O mit den entsprechenden Zuordnungen der Signale.

2 g Poly-N-Methylvinylacetamid (196,000 g·mol-1) wurden für die Hydrolyse in 50 ml

2 M Salzsäurelösung (HCl) unter Rückfluss für zehn Tage erhitzt. Anschließend

wurde mit Natriumhydroxidlösung (NaOH) der pH-Wert auf pH = 11 eingestellt.

Eine zusammengefasste Reaktionsgleichung der sauren Hydrolyse von

Poly-N-Methylvinylacetamid mittels HCl-Lösung zu Poly-N-Methylvinylamin und

anschließende Einstellung des pH-Wertes mit NaOH-Lösung zeigt Schema 34.

012345678910

δδδδ [ppm]

a

b

c

d

HDO

N CH3

CH3O

n

a

b

c

d

1H-NMR (D2O, 400 MHz) δδδδ [ppm]:a: 4.07 - 4.24 (1H, -CH -N)b: 2.62 - 2.71 (3H, -N-CH 3)c: 1.79 - 2.02 (3H, -CO-CH 3)d: 1.40 - 1.65 (2H, -CH 2)

5 Experimenteller Teil

167

Schema 34: Schematische Darstellung der Hydrolysereaktion von Poly-N-Methylvinylacetamid zu Poly-N-Methylvinylamin (PNMVAm).

Ein kleiner Teil der wässrigen Poly-N-Methylvinylamin-Lösung wurde in Aceton

ausgefällt. Abb. 61 zeigt ein 1H-NMR-Spektrum von Poly-N-Methylvinylamin

(PNMVAm) in D2O mit den entsprechenden Zuordnungen der einzelnen Signale.

Abb. 61: 1H-NMR-Spektrum von Poly-N-Methylvinylamin in D2O und Zuordnung der Signale.

Das 1H-NMR-Spektrum in Abb. 61 deutet mit Vergleich zu Abb. 60 auf vollständige

Hydrolyse von Poly-N-Methylvinylacetamid zu Poly-N-Methylvinylamin (PNMVAm)

hin. Bei einer chemischen Verschiebung von δ = 1.85 ppm ist ein Signal erkennbar,

welches dem noch enthaltenen Fällungsmittel Aceton zugeordnet wurde.139

NCH3H

nN

CH3O

CH3

n

2M HCl

10 d

NaOH + CH3COONa + NaCl + H2O

012345678910

δδδδ [ppm]

HDO

Aceton

a

b

c

1H-NMR (D2O, 400 MHz) δδδδ [ppm]:a: 2.59 - 2.70 (1H, -CH -N)b: 2.30 (3H, -NH-CH 3)c: 1.38 - 1.69 (2H, -CH 2)

NH

CH3

n

a

b

c

5 Experimenteller Teil

168

5.2.2 2,6-O-Dimethyl- ββββ-Cyclodextrin (Cavasol ® W7 M)

Cavasol® W7 M wurde kostengünstig von der Wacker Chemie, Burghausen zur

Verfügung gestellt. Es handelt sich lt. Hersteller um ein statistisch dimethyliertes

β-Cyclodextrin mit 1.6–1.9 Methylgruppen pro Glucoseeinheit.110

In Abb. 62 ist ein 1H-NMR-Spektrum von Cavasol® W7 M in D2O und die strukturelle

Zuordnung der entsprechenden Signale gezeigt, die mit Hilfe von Literaturwerten

getroffen wurde.19.5

Abb. 62: 1H-NMR-Spektrum (400 MHz) von statistisch methyliertem 2,6-O-Dimethyl-β-Cyclodextrin (Cavasol® W7 M) in D2O und die Zuordnung der entsprechenden Signale.

Im 1H-NMR-Spektrum von Cavasol® W7 M (Abb. 62) symbolisiert der durchgezogene

Pfeil das 1H-Signal des C-1-Wasserstoffs, wenn das C-2-Atom eine Methoxygruppe

trägt. Aufgrund der statistischen Methylierung beim Cavasol® W7 M liegen jedoch

auch nichtmethylierte C-2-OH-Gruppen vor, weshalb für den C-1-Wasserstoff ein

weiteres 1H-Signal (gestrichelter Pfeil) zu finden ist. Die Intensitäten der 1H-NMR-

Signale für die Methoxygruppen (7-CH3 und 8-CH3) beim Cavasol® W7 M sind

nahezu gleich groß, so dass in dieser Arbeit oftmals zur Vereinfachung von

2,6-O-dimethyliertem β-Cyclodextrin (β-DMCD) ausgegangen wird.

22.533.544.555.566.57

δδδδ [ppm]

O

O

H

7

H3CO

HOOCH3

12

3

4 5

6

7

8

O

O

H

7

H3CO

HOOCH3

12

3

4 5

6

7

8

5,3,4,2,61

8-CH37-CH3

HDO

statistisch methyliertes2,6-O -Dimethyl- ββββ-cyclodextrin

(ββββ-DMCD)

5 Experimenteller Teil

169

5.2.3 Fluoraromaten

Für die Funktionalisierung von Polyvinylaminen kamen die in Schema 35 gezeigten

10 Fluoraromaten zum Einsatz. 4-Fluornitrobenzen (4-FNB), 2-Fluornitrobenzen

(2-FNB) und 1-Fluor-2,4-dinitrobenzen (FDNB, Sangers Reagenz) von Sigma-

Aldrich, 1,5-Difluor-2,4-dinitrobenzen (DFDNB) von Merck und 4-Fluor-3-nitroanilin

(4-FNA) von ABCR waren kommerziell erhältlich. 4-FNB, 2-FNB and Sangers

Reagenz wurden zur Reinigung unter Vakuum destilliert. Weiße Kristalle von DFDNB

wurden ohne weitere Reinigung eingesetzt. Braunes Pulver von 4-FNA wurde aus

Ethanol umkristallisiert.

Schema 35: Schematische Darstellung der eingesetzten aktivierten Fluoraromaten für die nucleophile aromatische Substitution mit Polyvinylaminen.

4-FNB

2-FNB FDNB

DFDNB 4-FNA 4-DMFNA

FDNstilben FNAzoB

F NO2F

O2N

F

O2N

NO2

F

O2N

NO2

F

F NH2

O2N

N

O2N

FCH3

CH3

F

O2N

NN

F

O2N

NO2

N

HO2N

NO2

F NO2

FNAzoB-2N-DNP-FNA

HN N

N

F NO2

O2N

N

5 Experimenteller Teil

170

Die Fluoraromaten 4-Fluor-3-nitroazobenzen (FNAzoB), N-(2´,4´-Dinitrophenyl)-4-

fluor-3-nitroanilin (N-DNP-FNA) und N-(2´-Nitrophenyl-4´-(p-N,N-diethyl)-azobenzen)-

4-fluor-3-nitroanilin (FNAzoB-2) wurden freundlicherweise von A. Seifert (Professur

Polymerchemie, TU Chemnitz) zur Verfügung gestellt.

Die Synthesedurchführung zur Darstellung von N,N-Dimethyl-4-fluor-3-nitroanilin

(4-DMFNA) und 4-Fluor-3,4´-dinitrostilben (FDNstilben) und deren Charakterisierung

sind im Abschnitt 5.6 ausführlich dargelegt.

5.2.4 Kieselgel H (KGH)

Kieselgel H wurde von Fluka (Sigma-Aldrich) käuflich erworben. Die Partikelgröße

von 5 − 40 µm wurde vor allem für die elektrokinetischen Untersuchungen

(Zetapotential) ausgewählt. Weitere Angaben zu den Partikel-Eigenschaften wurden

vom Hersteller nicht getroffen. Es wurden rasterelektronenmikroskopische

Aufnahmen von reinem Kieselgel H (s. Abb. 63) mit einem SEM 515 der Firma

Philips an der Professur Analytik an Festkörperoberflächen (Institut für Physik) an der

TU Chemnitz bei einer angelegten Spannung von 25 kV aufgenommen.

Abb. 63: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen von reinem Kieselgel H (KGH).

Aus Abb. 63 wird deutlich, dass kleinste kugelförmige Partikel zu größeren

Aggregaten zusammengelagert sind. Es handelt sich um ein mesoporöses Material

mit einer spezifischen BET-Oberfläche von 395 m2·g-1 wie BET-Untersuchungen

ergaben (s. Abschnitt 3.2.6).

10 µm10 µm2 µm2 µm

5 Experimenteller Teil

171

5.3 Funktionalisierung von Polyvinylaminen mittels Fluoraromaten

Komplexierung von Fluoraromaten mit 2,6-O-Dimethyl-β-cyclodextrin (β-DMCD):

Unterschiedliche Mengen des Fluoraromaten (1.77 mmol, 3.54 mmol, 5.31 mmol,

7.09 mmol) wurden jeweils mit der äquimolaren Menge an (β-DMCD) in 30 ml

Methanol gelöst und über Nacht gerührt. Der gebildete β-DMCD-Komplex wurde vom

Lösungsmittel befreit (Rotationsverdampfer) und im Vakuum getrocknet. Ob die Zeit

zur Komplexierung (über Nacht) für eine vollständige Komplexierung des

Fluoraromaten ausreichte, wurde mittels Dünnschichtchromatographie überprüft.

in Wasser über Löslichkeitsvermittlung mit 2,6-O-Dimethyl-β-cyclodextrin:

Zur klaren wässrigen Lösung des β-DMCD-Komplexes (100 ml) wurden jeweils 1.0 g

PVAm enthaltene wässrige Lösungen (15,000 g·mol-1, 8.7 ml, 11.5 Gew%) bzw.

15.2 ml (400,000 g·mol-1, 6.6 Gew%) zugegeben. Für die Funktionalisierung von

Poly-N-Methylvinylamin (PNMVAm) wurde eine 0.5 g Polymer enthaltene wässrige

Lösung (60 ml) zugegeben. Die Lösung wurde unter Rückfluss zum Sieden erhitzt.

Noch vor Erreichen der Siedetemperatur erkannte man den Beginn der Reaktion an

der Änderung der Farbe der Reaktionslösung. Um das funktionalisierte Polymere in

Aceton zur Fällung zu bringen, wurde der Großteil des Wassers abdestilliert, so dass

die Gesamtzeit der Reaktion 8 h im Falle von PNMVAm 12 h betrug. Das gefällte

Polymere wurde abzentrifugiert (Teflonzentrifugengefäß) und mit Aceton solange

gewaschen bis die überstehende Lösung farblos blieb. Der Feststoff wurde im

Teflonzentrifugengefäß im Vakuum über Kieselgel getrocknet. Teflongefäße waren

notwendig, da sowohl PVAm als auch die funktionalisierten PVAm´s sehr gut an

Glasoberflächen haften.

im Ethanol/Wasser-Gemisch ohne β-DMCD:

Unterschiedliche Mengen des Fluoraromaten 2-Fluornitrobenzen (0.25 g, 0.5 g,

0.75 g, 1.0 g) wurden in 30 ml Ethanol gelöst und 8.7 ml (1.0 g; 15,000 g·mol-1) der

wässrigen PVAm-Lösung zugegeben. Die Reaktionsmischung wurde unter Rückfluss

zum Sieden erhitzt. Der Großteil des Ethanols wurde so abdestilliert, dass die

Reaktionszeit insgesamt 8 h betrug. Das Polymere wurde dann in Aceton ausgefällt

und mit Aceton gewaschen. Die Trocknung erfolgte in Teflonzentrifugengefäßen im

Vakuum.

5 Experimenteller Teil

172

5.4 Kinetische Untersuchungen der Funktionalisieru ng von PVAm

in Wasser bei pH = 11 mit MW = 15,000 g·mol-1:

Für die kinetischen Untersuchungen mit Hilfe der UV/vis-Spektroskopie wurden

jeweils 4.4 ml (0.5 g festes Polymer) der PVAm-Lösung mit einem Molekulargewicht

von 15,000 g·mol-1 in 25 ml destilliertem Wasser bei der gewünschten Temperatur

bei pH = 11 temperiert. Die Fluoraromat/β-DMCD-Komplexe von 4-Fluornitrobenzen

(4-FNB), 2-Fluornitro-benzen (2-FNB), 2,4-Dinitrofluorbenzen (Sangers Reagenz),

1,5-Difluor-2,4-dinitrobenzen (DFDNB), 4-Fluor-3-nitroanilin (4-FNA) und

N,N-Dimethyl-4-fluor-3-nitroanilin (4-DMFNA) wurden jeweils in 5 ml destilliertem

Wasser gelöst und mittels Einmalspritze zur PVAm-Lösung gegeben.

in Ethanol/Wasser bei pH = 11 mit MW = 15,000 g·mol-1:

Jeweils 4.4 ml (0.5 g festes Polymer) der PVAm-Lösung mit einem Molekulargewicht

von 15,000 g·mol-1 wurden in 25 ml Ethanol bei der gewünschten Temperatur

temperiert. Die 2-FNB/β-DMCD-Komplexe wurden jeweils in 5 ml Ethanol gelöst und

mittels Einmalspritze zur PVAm-Lösung gegeben.

In Tabelle 25 sind die eingesetzten Fluoraromaten mit den entsprechenden

Molverhältnissen zu PVAm und die Reaktionsbedingungen für die Funktionalisierung

von PVAm mit einem Molekulargewicht von 15,000 g·mol-1 in Wasser über

Löslichkeitsvermittlung mittels β-DMCD bei pH = 11 sowie ohne Löslichkeits-

vermittlung am Beispiel der Funktionalisierung mit 2-FNB in einem Ethanol/Wasser-

Gemisch zusammengestellt.

5 Experimenteller Teil

173

Tab. 25: Überblick der eingesetzten Fluoraromaten mit den entsprechenden Molverhältnissen zu PVAm (15,000 g·mol-1) und die Reaktionsbedingungen für die Funktionalisierungsreaktion bei pH = 11 in Wasser über Löslichkeitsvermittlung mittels β-DMCD sowie ohne Löslichkeitsvermittlung in einem EtOH/H2O-Gemisch am Beispiel der Funktionalisierung von PVAm mit 2-Fluornitrobenzen.

Fluoraromat (FA)

c0(PVAm) [mol·l-1]

c0(FA) [mol·l-1]

nPVAm

nFA

Τ [°C]

Zeit [h]

F NO2

0.3375 1.03 ·10-3 327

50 60 70 80

19 17 5

3.5 F

O2N

0.3375 1.03 ·10-3

327

50 60 70 85

20 16 7 3

F

O2N EtOH/H2O

0.3375 1.03 ·10-3 327

40 50 55 60

24 24 24 24

F

O2N

NO2

0.3375 2.58 ·10-4 1310

0 23 28 32

3 1

0.5 0.5

F

O2N

NO2

F

0.3375 2.58 ·10-4 1310

0 22 29 33

3 1

0.5 0.5

F NH2

O2N

0.3375 2.06 ·10-3 164 50 60 80

67 42 19

N

O2N

FCH3

CH3

0.3375 4.12 ·10-3 82 32 60 70

67 50 25

mit Sangers Reagenz bei Variation des pH-Wertes und Fremdsalzzugabe (KCl):

Es wurden 15 ml der PVAm-Stammlösung (11.5 Gew%; 15,000 g·mol-1) bzw. 30.4 ml

(6.6 Gew%; 400,000 g·mol-1) mit verdünnter Salzsäure auf pH = 4 und pH = 7 bzw.

mit verdünnter Natronlauge auf pH = 11 so eingestellt, dass das Gesamtvolumen pro

Lösung jeweils 100 ml betrug. Aus den PVAm-Lösungen mit einem Molekulargewicht

von 15,000 g·mol-1 wurden jeweils 29.4 ml (0.5 g festes Polymer), aus den PVAm-

Lösungen mit einem Molekulargewicht von 400,000 g·mol-1 wurden jeweils 32.6 ml

bei der gewünschten Temperatur temperiert.

5 Experimenteller Teil

174

Für die Fremdsalzzugabe wurde die äquimolare Menge an Kaliumchlorid (0.8655 g)

zur PVAm-lösung (15,000 g·mol-1) ins Temperiergefäß gegeben. PVAm wurde zum

Vergleich der Funktionalisierung bei pH = 11 in 1310-fachem Überschuss zu Sangers

Reagenz eingesetzt. Dafür wurde aus einer Stammlösung von Sangers Reagenz in

Methanol (33 mg in 100 ml) jeweils 5 ml (8.866 mmol) mit der äquimolaren Menge an

β-DMCD in 10 ml Methanol komplexiert. Die Sangers Reagenz/β-DMCD-Komplexe

wurden in jeweils 5 ml destilliertem Wasser gelöst und mittels Einmalspritze zur

PVAm-Lösung gegeben.

In Tabelle 26 sind die Reaktionsbedingungen der UV/vis-spektroskopischen

Verfolgung der Funktionalisierung von PVAm (15,000 g·mol-1 und 400,000 g·mol-1)

mittels Sangers Reagenz/β-DMCD in Wasser bei pH = 4, pH = 7 und pH = 11 sowie

bei pH = 7 unter Zugabe von Fremdsalz (KCl) bei verschiedenen Temperaturen

zusammengestellt.

Tab. 26: Zusammenstellung der Reaktionsbedingungen der UV/vis-spektroskopischen Verfolgung der Funktionalisierung von PVAm (15,000 g·mol-1 und 400,000 g·mol-1) mittels Sangers Reagenz/β-DMCD in Wasser bei pH = 4, pH = 7 und pH = 11 sowie bei pH = 7 unter Zugabe von Fremdsalz (KCl) bei verschiedenen Temperaturen.

NH2 NHNO2

NO2

x y

pH = 4

T [°C] Zeit [h]

pH = 7

T [°C] Zeit [h]

pH = 11

T [°C] Zeit [h]

Mn = 15,000 g · mol-1

c0(PVAm) = 0.3375 mol·l-1 c0(Sangers Reagenz) = 2.577 · 10-4 mol · l-1

25°C 50°C 70°C

18 18 6

24°C 50°C 70°C

20 3 1

siehe Tab. 25

siehe Tab. 25

Mn = 400,000 g · mol-1

c0(PVAm) = 0.3088 mol·l-1 c0(Sangers Reagenz) = 2.358 · 10-4 mol · l-1

30°C 50°C 75°C

17 15.5

6

25°C 50°C 70°C

15 3

1.25

0 20 30

2 1.5 1

Mn = 15,000 g · mol-1

c0(KCl) = 0.3375 mol·l-1 c0(PVAm) = 0.3375 mol·l-1 c0(Sangers Reagenz) = 2.577 · 10-4 mol · l-1

- - 22°C 50°C 70°C

17 4 1

- -

5 Experimenteller Teil

175

5.5 Polymermodifizierung von Kieselgel H (KGH)

Für die Polymermodifizierung von Kieselgel H wurden jeweils 5 g KGH (83.33 mmol)

mit jeweils 2.5 mmol der in Schema 35 gezeigten 10 Fluoraromaten über Nacht in

Ethanol bzw. je nach Löslichkeit auch in Aceton suspendiert. Das Lösungsmittel

wurde am Rotationsverdampfer vollständig entfernt. Das mit Fluoraromat beladene

Kieselgel H wurde in 50 ml Wasser suspendiert. Je 5.4 ml (8.33 mmol, 0.3589 g) der

PVAm-lösung mit einem Molekulargewicht von 400,000 g·mol-1 und einem pH = 11

wurden zugegeben und die Reaktionsmischung wurde für 12 h zum Sieden erhitzt.

Teilweise zeigte sich schon nach wenigen Minuten eine Gelbildung, so dass zur

besseren Durchmischung der gallertartigen Masse die Menge des Suspensions-

mittels Wasser erhöht wurde. Nach Beendigung der Reaktionszeit wurden die

chromophoren Kieselgele in Teflon-Zentrifugengefäßen von der wässrigen Phase

abgetrennt. Die wässrige, chromophore Phase des funktionalisierten PVAm´s wurde

sofort in eiskaltem Aceton ausgefällt und nach mehrmaligem Waschen mit Aceton im

Vakuum getrocknet. Die Menge der zur Fällung gebrachten, funktionalisierten

PVAm´s war teilweise aufgrund der starken Verdünnung der wässrigen PVAm-

Lösung gering. Die farbigen Kieselgelpartikel wurden über Soxhlet-Extraktionen erst

mit Wasser und anschließend mit Aceton oder Ethanol gewaschen. Die Trocknung

der chromophoren Kieselgele erfolgte im Vakuum. In Tabelle 27 sind die

eingesetzten Fluoraromaten zur Modifizierung von KGH, die verwendeten

Lösungsmittel für die Adsorption der Fluoraromaten an KGH und die jeweiligen

Beobachtungen während der Modifizierung zusammenfassend dargestellt.

Tabelle 27: Zusammenstellung der eingesetzten Fluoraromaten für die Modifizierung von Kieselgel H (KGH) und Beobachtungen während der Modifizierung.

KGH-Probe Fluoraromat (FA)

Lösungsmittel für Adsorption

des FA

Gelbildung in 50 ml Wasser?

zusätzliche Menge an Wasser

KGH-01 4-FNB Ethanol nein - KGH-02 2-FNB Ethanol ja 200 ml KGH-03 4-FNA Ethanol nein - KGH-04 4-DMFNA Ethanol nein - KGH-05 Sangers Reagenz Ethanol ja 200 ml KGH-06 DFDNB Ethanol ja 200 ml KGH-07 FNAzoB Aceton ja 200 ml KGH-08 N-DNP-FNA Aceton nein - KGH-09 FNAzoB-2 Aceton nein - KGH-10 FDNstilben Ethanol nein -

5 Experimenteller Teil

176

5.6 Synthesevorschriften und Charakterisierungen

5.6.1 N,N-Dimethyl-4-fluor-3-nitroanilin (4-DMFNA)

15 ml einer 3M Schwefelsäure werden in 50 ml THF in einem 500 ml Zweihalskolben

unter Eiskühlung vorgelegt. Anschließend werden 9.5 ml (0.128 mol) Formaldehyd-

lösung zugegeben. Separat zur Reaktionsmischung werden in einem Becherglas 5 g

(0.032 mol) 4-Fluor-3-nitroanilin (4-FNA) in 200 ml THF gelöst und 5.81 g

(0.1536 mol) gemörsertes Natriumborhydrid (NaBH4) zugegeben. Die Hälfte dieser

Suspension wird über einen Tropftrichter langsam zur Formaldehyd/THF-Lösung

gegeben. Es bildet sich ein weißer Feststoff in orange-roter Reaktionslösung. Nach

Zugabe von weiteren 15 ml 3M H2SO4 wird die andere Hälfte der Suspension

zugetropft. Anschließend werden 50 ml destilliertes Wasser unter Gasentwicklung

zugegeben und solange gerührt bis kein im Überschuss eingesetztes NaBH4 mehr

zersetzt wird. Durch Zugabe von KOH-Plätzchen wird die stark saure Lösung basisch

gemacht, wobei ein Farbumschlag von orange-rot zu dunkelrot und eine Phasen-

trennung zwischen Wasser und THF erkennbar ist. Das Lösungsmittelgemisch wird

zur Abtrennung des weißen Feststoffes in einen 500 ml Scheidetrichter filtriert. Die

wässrige Phase wird zweimal mit je 50 ml Diethylether (Et2O) ausgeschüttelt. Die

organischen Phasen werden vereinigt und mit 20 ml gesättigter NaCl-Lösung

gewaschen. Die organische Phase (THF/Et2O) wird mit Na2SO4 getrocknet. Nach

Filtration wird der Großteil des Lösungsmittelgemisches abdestilliert. Im Gefrier-

schrank kristallisiert das Produkt aus der orange-roten Lösung nach und nach aus.

rote Kristalle

Schmelzbereich: 37−41 °C

Ausbeute: 94.9 % (bezogen auf 4-FNA)

Elementaranalyse (kalkuliert): C: 51.70 (52.17), H: 5.23 (4.93), N: 14.78 (15.21).

1H-NMR (CD2Cl2; 300 MHz) δ [ppm]: 7.21 (dd, 1H, H-2, 4J[a,19F] = 5.49 Hz, 4J[a,c] = 3.30 Hz); 7.12 (dd, 1H, H-5, 3J[b,c] = 9.34 Hz, 3J[b,19F] = 10.44 Hz);

6.90 (ddd, 1H, H-6, 3J[b,c] = 9.34 Hz, 4J[c,19F] = 3.85 Hz, 4J[a,c] = 3.30 Hz);

2.97 (s, 6H, H-7). In Abb. 64 ist ein 1H-NMR-Spektrum von 4-DMFNA in CD2Cl2 mit

der strukturellen Zuordnung der 1H-Signale gezeigt.

N

O2N

FCH3

CH31

23

4

5 6

7

5 Experimenteller Teil

177

Abb. 64: 1H-NMR-Spektrum von 4-DMFNA in CD2Cl2 und strukturelle Zuordnung der 1H-Signale.

13C-NMR (CD2Cl2; 75 MHz) δ [ppm]: 148.71 (C-1); 147.36 (C-4); 146.20 (C-3); 118.76

(C-6); 118.61 (C-5); 107.60 (C-2); 40.69 (C-7). 13C-NMR-Spektrum von 4-DMFNA in

CD2Cl2 und strukturelle Zuordnung der 13C-Signale siehe Abb. 65.

Abb. 65: 13C-NMR-Spektrum von 4-DMFNA in CD2Cl2 und strukturelle Zuordnung der 13C-Signale.

00.511.522.533.544.555.566.577.5

δδδδ [ppm]

6.86.977.17.27.3

δδδδ [ppm]

H-7

CD2Cl2

H-2

H-5

H-6

Wasserim CD2Cl2

N

O2N

FCH3

CH31

23

4

5 6

7

020406080100120140160180200

δδδδ [ppm]

C-1

C-6

C-2

C-4

C-3

C-7

CD2Cl2

C-5

N

O2N

FCH3

CH31

23

4

5 6

7

5 Experimenteller Teil

178

5.6.2 4-Fluor-3,4´-dinitrostilben (FDNstilben)

4-Fluor-3,4´-dinitrostilben (FDNstilben) wurde über eine Horner-Wadsworth-Emmons-

Reaktion119,120 aus 4-Fluor-3-nitrobenzaldehyd (Aldrich) und 4-Nitrobenzyl-

diethylphosphonat (Acros) mit Natriumethanolat (NaOEt) als Base in Tetrahydrofuran

(THF) synthetisiert (s. Schema 36).

Schema 36: Schematische Darstellung der Reaktion von 4-Fluor-3-nitrobenzaldehyd mit 4-Nitrobenzyldiethylphosphonat über eine Horner-Wadsworth-Emmons-Reaktion in Tetrahydrofuran zu 4-Fluor-3,4´-dinitrostilben (FDNstilben).

In einem 250ml-Dreihalskolben mit Schutzgaseinleitung werden 3.23 g

4-Nitrobenzyldiethylphosphonat (0.0118mol) in 50 ml trockenem THF gelöst und auf

0°C (Eiskühlung) abgekühlt. Anschließend werden aus einem 50ml-Tropftrichter mit

Druckausgleich 0.8048 g (0.0118 mol, M = 68.05 g·mol-1) Natriumethanolat (NaOEt)

in 50 ml THF zur Phosphonatlösung langsam zugetropft (ca. 20 min). Dabei färbt

sich die Reaktionslösung intensiv rot. Dann werden 2.00 g (0.0118 mol) 4-Fluor-3-

nitrobenzaldehyd gelöst in 50 ml THF ebenfalls langsam über einen 50ml-

Tropftrichter zugegeben (ca. 30min). Die intensiv rot gefärbte Reaktionslösung wird

über Nacht bei Raumtemperatur gerührt. Die Reaktionslösung gibt man dann in ca.

400 ml destilliertes Wasser, wobei sofort ein käsiger, gelber Niederschlag ausfällt. Mit

verdünnter HCl-Lösung wird neutralisiert, wobei noch etwas mehr Reaktionsprodukt

ausfällt. Der gelbe Niederschlag wird über eine Fritte abgesaugt und zuerst mit

Ethanol gewaschen und anschließend aus einem THF/Wasser-Gemisch

(Kühlschrank) umkristallisiert.

Das gewünschte Reaktionsprodukt 4-Fluor-3,4´-dinitrostilben wird mit einem

Schmelzpunkt von 212−216 °C und einer Ausbeute von 44 % (bezogen auf 4-F luor-

3-nitrobenzaldehyd) erhalten. Als Nebenprodukt konnte 4-Ethoxy-3,4´-dinitrostilben 1H-NMR-spektroskopisch identifiziert werden.

F

O2N

CHO + CH2P

O

EtO

OEt

NO2 F

O2N

NO2

M = 169,11 g/mol M = 273,22 g/mol M = 288,23 g/mol

NaOEt

THF

5 Experimenteller Teil

179

orange-gelbes Pulver

Schmelzbereich: 212−216 °C

Ausbeute: 44 % (bezogen auf

4-Fluor-3-nitrobenzaldehyd)

1H-NMR (CD2Cl2; 400 MHz) δ [ppm]: 8.24 (dd, 1H, H-2, 4J = 6.96 Hz, 4J = 2.56 Hz),

8.22 (d, 2H, H-3´, 3J = 8.79 Hz), 7.82 (ddd, 1H, H-6, 3J = 8.79 Hz, 4J = 4.40 Hz, 4J = 2.56 Hz), 7.68 (d, 2H, H-2´, 3J = 8.79 Hz), 7.35 (dd, 2H, H-5, 3J = 10.62 Hz, 3J = 8.79 Hz), 7.26 (d, 1H, H-7, 3Jtrans = 16.48 Hz), 7.22 (d, 1H, H-8, 3Jtrans = 16.48 Hz). Abb. 66 zeigt ein 1H-NMR-Spektrum von 4-Fluor-3,4´-dinitrostilben

in CD2Cl2 und die strukturelle Zuordnung der 1H-Signale im vergrößerten Bereich.

Abb. 66: 1H-NMR-Spektrum von 4-Fluor-3,4´-dinitrostilben in CD2Cl2 und Zuordnung der 1H-Signale.

1H-NMR (d6-Aceton; 400 MHz) δ [ppm]: 8.42 (dd, 1H, H-2, 4J = 6.96 Hz, 4J = 2.20

Hz), 8.28 (d, 2H, H-3´, 3J = 9.16 Hz), 8.13 (ddd, 1H, H-5, 3J = 8.79 Hz, 4J = 4.40 Hz, 4J = 2.20 Hz), 7.93 (d, 2H, H-2´, 3J = 9.16 Hz), 7.66 (d, 1H, H-7, 3Jtrans = 16.48 Hz),

7.60 (d, 1H, H-8, 3Jtrans = 16.48 Hz), 7.57 (dd, 2H, H-6, 3J = 10.99 Hz, 3J = 8.79 Hz).

13C-NMR (d6-Aceton; 100 MHz) δ [ppm]: 154.30 (C-4); 148.12 (C-4´); 144.20 (C-1´);

135.15 (C-3); 134.75 (C-1); 130.62 (C-6); 129.99 (C-7); 129.40 (C-2´); 128.44 (C-2);

124.93 (C-8); 124.84 (C-3´); 119.71 (C-5).

F

O2N

NO2

1

23

4

5 6

7

8

2´ 3´

012345678910

δδδδ [ppm]

CD2Cl2

Wasser im CD2Cl2

F

O2N

NO2

1

23

4

5 6

7

8

2´ 3´

77.588.5

δδδδ [ppm]

H-2

H-3´

H-6

H-2´

H-5

H-7 H-8

5 Experimenteller Teil

180

5.6.3 Modellverbindungen

In Anlehnung an die Arbeiten von Nudelman et al. (Umsetzung von

4-Fluornitrobenzen bzw. 2-Fluornitrobenzen mit Isopropylamin) wurden die Modell-

verbindungen aus den entsprechenden Fluoraromaten und Isopropylamin

synthetisiert.130 Eine allgemeingültige Reaktionsgleichung der nucleophilen

aromatischen Substitution von Isopropylamin mit aktivierten Fluoraromaten zeigt

Schema 37.

Schema 37: Schematische Darstellung der Reaktion von aktivierten Fluoraromaten mit Isopropylamin im Überschuss in Toluen bei 80°C zu den entsprechen den N-Isopropylanilin-Derivaten.

Allgemeine Synthesevorschrift nach Nudelman et al.:130

Der Fluoraromat wird in 50 − 70 ml Toluol gelöst. Isopropylamin wird in 5-fachem

Überschuss (bei Disubstitution in 10-fachem Überschuss) zugegeben, um das durch

die nucleophile aromatische Substitution des Fluoraromaten entstehende HF als

Isopropylammoniumfluorid abzufangen. Die Reaktionslösung wird bei 80 °C für 20 h

unter Rückfluss erhitzt. Während der Reaktion und besonders beim Abkühlen der

gelben Lösung fällt nach und nach mehr HF-Salz aus, welches abfiltriert und mit

Toluen gewaschen wird. Das Filtrat wird über eine Destillation vom Lösungsmittel

und von unumgesetztem Isopropylamin befreit. Der gelb bis orangefarbene

Rückstand wird aus Methanol umkristallisiert.

4-Nitro- N-isopropylanilin

Die Modellverbindung wurde bereits im Rahmen meiner Diplomarbeit synthetisiert

und ist nur zur Vollständigkeit hier noch einmal aufgeführt.9

intensiv gelbe Kristalle

Schmelzpunkt: 83–85 °C

Ausbeute: 74 % (bezogen auf 4-Fluornitrobenzen).

NH

CH3

H3CNO2

H3C

H3CNH2+

im Überschuss

F

R

R: elektronen-ziehende(r) Substituent(en)

F- (CH3)2CHNH3

Toluen / 80°C

N

CH3

H3C

H R

5 Experimenteller Teil

181

2-Nitro- N-isopropylanilin

orangefarbenes Öl

Ausbeute: 97 % (bezogen auf 2-Fluornitrobenzen)

Elementaranalyse (kalkuliert): C: 60.032 (59.99), H: 6.661 (6.71), N: 15.329 (15.55).

1H-NMR (CDCl3; 300 MHz) δ [ppm]: 8.13 (d, 1H, H-3, 3J = 8.79 Hz), 7.99 (br. s, 1H,

-NH), 7.39 (dd, 1H, H-5, 3J = 7.69 Hz, 3J = 8.79 Hz),

6.84 (d, 1H, H-6, 3J = 8.79 Hz), 6.57 (dd, 1H, H-4, 3J = 7.69 H, 3J = 8.79 Hz),

3.82 (m, 1H, H-7, -CH-(CH3)2, 3J = 6.60 Hz), 1.31 (d, 6H, H-8, -CH-(CH3)2,

3J = 6.60 Hz).

Ein 1H-NMR-Spektrum von 2-Nitro-N-isopropylanilin in CDCl3 und die strukturelle

Zuordnung der 1H-Signale ist Abb. 67 mit Vergleich zu Literaturwerten von 2-Nitro-N-

isopropylanilin in CDCl3 gezeigt.130

Abb. 67: 1H-NMR-Spektrum von 2-Nitro-N-isopropylanilin in CDCl3 mit entsprechender Zuordnung der 1H-NMR-Signale mit Vergleich zu Literaturwerten.

NH

CH3

H3C

O2N

1

2 3

4

56

7

8

00.511.522.533.544.555.566.577.588.59

δ δ δ δ [ppm]

H-7

1H-NMR (CDCl3, 300 MHz) δδδδ [ppm]: Lit.: 130

H-3: 8.13 (d; 1H) 8.11 -NH: 7.99 (-NH; 1H) 8.00H-5: 7.39 (dd; 1H) 7.39 H-6: 6.84 (d;1H) 6.82 H-4: 6.57 (dd; 1H) 6.57H-7: 3.82 (m; 1H) 3.78H-8: 1.31 (d; 6H) 1.32

NH

CH3

H3C

O2N

1

2 3

4

56

7

8

H-8

H-3 H-4H-5H-6

-NH

5 Experimenteller Teil

182

13C-NMR (CD2Cl2; 100 MHz) δ [ppm]: 144.77 (C-1); 136.05 (C-5); 131.56 (C-2);

126.71 (C-3); 114.70 (C-4), 114.24 (C-6); 43.89 (C-7); 22.38 (C-8).

In Abb. 68 ist zur besseren Übersichtlichkeit ein 13C-NMR-Spektrum von 2-Nitro-N-

isopropylanilin in CD2Cl2 und die strukturelle Zuordnung der 13C-Signale gezeigt.

Abb. 68: 13C-NMR-Spektrum von 2-Nitro-N-isopropylanilin in CD2Cl2 mit entsprechender struktureller Zuordnung der 13C-NMR-Signale.

2,4-Dinitro- N-isopropylanilin

intensiv gelbe Kristalle

Schmelzpunkt: 93–94 °C

Ausbeute: 91.4 % (bezogen auf Sangers Reagenz)

Elementaranalyse (kalkuliert): C: 48.267 (48.00), H: 5.029 (4.92), N: 18.567 (18.66).

1H-NMR (CDCl3; 300 MHz) δ [ppm]: 9.15 (d, 1H, H-3, 4J = 2.75 Hz), 8.53 (br. s, 1H,

-NH), 8.26 (dd, 1H, H-5, 3J = 9.34 H, 4J = 2.75 Hz), 6.93 (d, 1H, H-6, 3J = 9.34 Hz),

3.95 (m, 1H, H-7, -CH-(CH3)2, 3J = 6.59 Hz), 1.40 (d, 6H, H-8, -CH-(CH3)2,

3J = 6.59 Hz). Ein 1H-NMR-Spektrum von 2,4-Dinitro-N-isopropylanilin in CDCl3 und

die strukturelle Zuordnung der 1H-Signale zeigt Abb. 69.

NH

CH3

H3C

O2N

NO21

2 3

4

56

7

8

020406080100120140160180200

δδδδ [ppm]

NH

CH3

H3C

O2N

1

2 3

4

56

7

8

C-1

C-5

C-2

C-3

C-4

C-6

C-7

C-8

CD2Cl2

5 Experimenteller Teil

183

Abb. 69: 1H-NMR-Spektrum von 2,4-Dinitro-N-isopropylanilin in CDCl3 mit Zuordnung der 1H-Signale.

13C-NMR (CD2Cl2; 100 MHz) δ [ppm]: 147.57 (C-1); 135.44 (C-4); 130.03 (C-5);

129.95 (C-2); 124.13 (C-3); 114.41 (C-6); 45.12 (C-7); 22.08 (C-8). In Abb. 70 ist zur

besseren Übersichtlichkeit ein 13C-NMR-Spektrum von 2,4-Dinitro-N-isopropylanilin

in CD2Cl2 und die strukturelle Zuordnung der 13C-Signale gezeigt.

Abb. 70: 13C-NMR-Spektrum von 2,4-Dinitro-N-isopropylanilin in CD2Cl2 mit Zuordnung der entsprechenden 13C-NMR-Signale.

012345678910

δδδδ [ppm]

H -3

H -8

H -7H -6H -5

-NH

CDCl3

NH

CH3

H3C

O2N

NO21

2 3

4

56

7

8

020406080100120140160180200

δδδδ [ppm]

NH

CH3

H3C

O2N

NO21

2 3

4

56

7

8

C-1

C-5C-2

C-3

C-6

C-7

C-8

C-4

CD2Cl2

5 Experimenteller Teil

184

2,4-Dinitro- N,N´-diisopropyl-1,5-phenylendiamin

intensiv gelbe Nadeln

Schmelzpunkt: 163 °C

Ausbeute: 93.1 % (bezogen auf DFDNB)

Elementaranalyse (kalkuliert): C: 50.780 (51.06), H: 5.806 (6.43), N: 19.843 (19.85).

1H-NMR (CD2Cl2; 300 MHz) δ [ppm]: 9.15 (s, 1H, H-3), 8.20 (br. s, 2H, -NH),

5.71 (s, 1H, H-6), 3.77 (m, 2H, H-7, -CH-(CH3)2, 3J = 6.23 Hz), 1.34 (d, 12H, H-8,

-CH-(CH3)2, 3J = 6.23 Hz).

Ein 1H-NMR-Spektrum von 2,4-Dinitro-N,N´-diisopropyl-1,5-phenylendiamin in

CD2Cl2 und die strukturelle Zuordnung der 1H-Signale ist in Abb. 71 gezeigt.

Abb. 71: 1H-NMR-Spektrum von 2,4-Dinitro-N,N´-2,5-diisopropyl-phenylendiamin in CD2Cl2 mit entsprechender Zuordnung der 1H-NMR-Signale.

13C-NMR (CD2Cl2; 75 MHz) δ [ppm]: 147.53 (C-1) und (C-5); 129.48 (C-2 und C-4);

123.85 (C-3); 90.68 (C-6); 44.46 (C-7); 21.89 (C-8).

In Abb. 72 ist ein 13C-NMR-Spektrum von 2,4-Dinitro-N,N´-diisopropyl-1,5-phenylen-

diamin in CD2Cl2 und die strukturelle Zuordnung der 13C-Signale dargestellt.

NN

NO2O2N

HH 1

23

4

5

67

8

012345678910

δδδδ [ppm]

H-3

-NH

H-6

H-7

H-8

CD2Cl2

NN

NO2O2N

HH 1

23

4

5

67

8

5 Experimenteller Teil

185

Abb. 72: 13C-NMR-Spektrum von 2,4-Dinitro-N,N´-2,5-diisopropyl-phenylendiamin in CD2Cl2 mit entsprechender Zuordnung der 13C-NMR-Signale.

N-Isopropyl-4-azobenzen-2-nitroanilin

orangefarbene Nadeln

Schmelzpunkt: 90−91 °C

Ausbeute: 90 % (bezogen auf FNAzoB)

Elementaranalyse (kalkuliert): C: 63.495 (63.37), H: 5.663 (5.67), N: 19.755 (19.71).

1H-NMR (CD2Cl2; 400 MHz) δ [ppm]: 8.77 (d, 1H, H-3, 4J = 2.20 Hz), 8.36 (br. s, 1H,

-NH), 8.10 (dd, 1H, H-5, 3J = 9.34 Hz, 4J = 2.20 Hz), 7.86 (dd, 2H, H-10, 3J = 8.24 Hz, 4J = 1.65 Hz), 7.50 (m, 3H, H-11 und H-12), 7.01 (d, 1H, H-6, 3J = 9.34 Hz) 3.96 (m, 1H, H-7, -CH-(CH3)2,

3J = 6.04 Hz), 1.38 (d, 6H, H-8,

-CH-(CH3)2, 3J = 6.04 Hz).

Ein 1H-NMR-Spektrum von N-Isopropyl-4-azobenzen-2-nitroanilin in CD2Cl2 und die

strukturelle Zuordnung der entsprechenden 1H-NMR-Signale ist in Abb. 73 zur

besseren Übersichtlichkeit nachfolgend gezeigt.

NCH

NN

O2NH

CH3

H3C

1

2 3

4

56

78

9

10 11

12

020406080100120140160180200

δδδδ [ppm]

C-1C-5 C-2

C-4

C-3 C-6

C-7

C-8

CD2Cl2

NN

NO2O2N

HH 1

23

4

5

67

8

5 Experimenteller Teil

186

Abb. 73: 1H-NMR-Spektrum von N-Isopropyl-4-azobenzen-2-nitroanilin in CD2Cl2 und die strukturelle Zuordnung der 1H-NMR-Signale. 13C-NMR (CD2Cl2; 100 MHz) δ [ppm]: 152.87 (C-9), 146.61 (C-1), 142.00 (C-4),

130.90 (C-12), 129.64 (C-2), 129.46 (C-11), 128.44 (C-5), 125.57 (C-3),

122.86 (C-10), 115.10 (C-6), 44.98 (C-7), 22.77 (C-8). Abb. 74 zeigt ein 13C-NMR-

Spektrum von N-Isopropyl-4-azobenzen-2-nitroanilin in CD2Cl2.

Abb. 74: 13C-NMR-Spektrum von N-Isopropyl-4-azobenzen-2-nitroanilin in CD2Cl2 und die strukturelle Zuordnung der 13C-NMR-Signale.

0123456789

δδδδ [ppm]

H-3

-NH

H-5

H-10

H-11H-12

H-6

H-7

H-8

CD2Cl2

Wasser imCD2Cl2

NCH

NN

O2NH

CH3

H3C

1

2 3

4

56

78

9

10 11

12

020406080100120140160

δδδδ [ppm]

114116118120122124126128130132

δδδδ [ppm]

9 1 4

12

2

11

5 3

10

6

7

8

CD2Cl2

NCH

NN

O2NH

CH3

H3C

1

2 3

4

56

78

9

10 11

12

5 Experimenteller Teil

187

4-N-Isopropylamino-3,4´-dinitrostilben orangerote Kristalle

Schmelzpunkt: 167−169 °C

Ausbeute: 47 % (bezogen auf

FDNstilben)

Elementaranalyse (kalkuliert): C: 62.10 (62.38), H: 4.77 (5.23), N: 12.56 (12.84).

1H-NMR (d6-Aceton; 400 MHz) δ [ppm]: 8.35 (d, 1H, H-2, 4J = 2.20 Hz), 8.23 (dd, 1H,

H-3´, 3J = 9.16 Hz, 4J = 2.20 Hz), 8.14 (br. s, 1H, -NH), 7.95 (dd, 1H, H-6, 3J = 9.16 Hz, 4J = 2.20 Hz), 7.85 dd, 2H, H-2´, 3J = 9.16 Hz, 4J = 2.20 Hz),

7.52 (d, 1H, H-10, 3Jtrans = 16. 48 Hz), 7.31 (d, 1H, H-9, 3Jtrans = 16. 48 Hz),

7.19 (d, 1H, H-5, 3J = 9.16 Hz), 4.05 (m, 1H, H-7, -CH-(CH3)2, 3J = 6.23 Hz),

1.37 (d, 6H, H-8, -CH-(CH3)2, 3J = 6.23 Hz).

In Abb. 75 ist ein 1H-NMR-Spektrum von 4-N-Isopropylamino-3,4´-dinitrostilben in

d6-Aceton mit der strukturellen Zuordnung der 1H-NMR-Signale dargestellt.

Abb. 75: 1H-NMR-Spektrum von 4-N-Isopropylamino-3,4´-dinitrostilben in d6-Aceton und die strukturelle Zuordnung der 1H-NMR-Signale.

0123456789

δδδδ [ppm]

7.07.27.47.67.88.08.28.48.6

δδδδ [ppm]

d6-Aceton

Wasser imd6-Aceton

H-8

H-7

H-10 H-9H-5

H-2´H-3´

H-2

H-6

-NH

NCH

O2NH

CH3

H3C NO2

1

23

4

5 6

789

10

2´ 3´

NCH

O2NH

CH3

H3C NO2

1

23

4

5 6

789

10

2´ 3´

5 Experimenteller Teil

188

13C-NMR (d6-Aceton; 100 MHz) δ [ppm]: 145.53 (C-4´und C-4); 145.32 (C-1´und C-3);

134.74 (C-6); 132.41 (C-9); 127.70 (C-2´); 126.62 (C-10); 125.23 (C-2); 124.90 (C-1);

124.78 (C-3´); 116.20 (C-5); 44.94 (C-7); 22.75 (C-8).

Ein 13C-NMR-Spektrum von 4-N-Isopropylamino-3,4´-dinitrostilben in d6-Aceton und

die Zuordnung der 13C-NMR-Signale ist in Abb. 76 gezeigt.

Abb. 76: 13C-NMR-Spektrum von 4-N-Isopropylamino-3,4´-dinitrostilben in d6-Aceton und die strukturelle Zuordnung der 13C-NMR-Signale.

0102030405060708090100110120130140150

δδδδ [ppm]

NCH

O2NH

CH3

H3C NO2

1

23

4

5 6

789

10

2´ 3´

4´4 1´

3 6

9

102

15

7

8

d6-Aceton

115119123127131135139143147

δδδδ [ppm]

5 Experimenteller Teil

189

N1-Isopropyl- N4-(2´,4´-dinitrophenyl)-2-nitro- p-phenylendiamin

rote Kristalle

Schmelzpunkt: 147−149 °C

Ausbeute: 91.4 % (bezogen auf

N-DNP-FNA)

Elementaranalyse (kalkuliert): C: 49.69 (49.86), H: 3.97 (4.18), N: 19.34 (19.38).

1H-NMR (CD2Cl2; 400 MHz) δ [ppm]: 9.76 (br. s, 1H, -N4H), 9.12 (d, 1H, H-3´, 4J = 2.56 Hz), 8.16 (dd, 1H, H-5´, 3J = 9.52 Hz, 4J = 2.56 Hz), 8.13 (d, 1H, H-3, 4J = 2.56 Hz), 8.09 (br. d, 1H, -N1H, 3J = 6.59 Hz), 7.38 (dd, 1H, H-5, 3J = 9.16 Hz, 4J = 2.56 Hz), 7.02 (d, 1H, H-6, 3J = 9.16 Hz), 7.00 (d, 1H, H-6´, 3J = 9.52 Hz),

3.90 (m, 1H, H-7, -CH-(CH3)2, 3J = 6.23 Hz), 1.36 (d, 6H, H-8, -CH-(CH3)2,

3J = 6.23 Hz).

Abb. 77 zeigt ein 1H-NMR-Spektrum von N1-Isopropyl-N4-(2´,4´-dinitrophenyl)-2-nitro-

p-phenylendiamin in CD2Cl2 und die strukturelle Zuordnung der 1H-NMR-Signale.

Abb. 77: 1H-NMR-Spektrum von N1-Isopropyl-N4-(2´,4´-dinitrophenyl)-2-nitro-p-phenylendiamin in CD2Cl2 und die entsprechende strukturelle Zuordnung der 1H-NMR-Signale.

012345678910

δδδδ [ppm]

6.76.97.17.37.57.77.98.18.3

δδδδ [ppm]

-N4H H-3´H-7

CD2Cl2

Wasser imCD2Cl2

N

NO2

O2N

N

H3C

H3C

H

H

NO21

2

3

45

6

2´ 3´

5´6´

7

8

H-8

H-5´H-3

-N1H H-5

H-6 H-6´

N

NO2

O2N

N

H3C

H3C

H

H

NO21

2

3

45

6

2´ 3´

5´6´

7

8

5 Experimenteller Teil

190

13C-NMR (CD2Cl2; 100 MHz) δ [ppm]: 148.09 (C-1´), 144.41 (C-1), 137.75 (C-4),

134.94 (C-5´), 131.62 (C-2), 131.39 (C-4´), 130.30 (C-3´), 124.94 (C-5),

124.26 (C-3), 124.03 (C-2´), 116.47 (C-6), 116.35 (C-6´), 44.77 (C-7), 22.74 (C-8).

Abb. 78 zeigt ein 13C-NMR-Spektrum von N1-Isopropyl-N4-(2´,4´-dinitrophenyl)-2-

nitro-p-phenylendiamin in CD2Cl2 mit Vergrößerung des Aromatenbereiches

zwischen δ = 115 ppm und δ = 140 ppm und die strukturelle Zuordnung der 13C-NMR-Signale.

Abb. 78: 13C-NMR-Spektrum von N1-Isopropyl-N4-(2´,4´-dinitrophenyl)-2-nitro-p-phenylendiamin in CD2Cl2 und die strukturelle Zuordnung der 13C-NMR-Signale.

0102030405060708090100110120130140150160

δδδδ [ppm]

N

NO2

O2N

N

H3C

H3C

H

H

NO21

2

3

45

6

2´ 3´

5´6´

7

8

115120125130135140

δδδδ [ppm]

7

8

CD2Cl2

1´ 1

4

5´ 3´ 5

3

6

4´ 2

5 Experimenteller Teil

191

N1-Isopropyl- N4-(2´-nitrophenyl-4´-( p-N,N-diethyl)-azobenzen)-2-nitro- p-

phenylendiamin

dunkelrot bis violette Kristalle

Schmelzpunkt: 220−222 °C

Ausbeute: 87.1 % (bezogen auf

FNAzoB-2)

Elementaranalyse (kalkuliert): C: 60.90 (61.09), H: 5.34 (5.95), N: 19.86 (19.95).

1H-NMR (CD2Cl2; 400 MHz) δ [ppm]: 9.05 (br. s, 1H, -N4H, -NH), 8.64 (d, 1H, H-3´, 4J = 2.56 Hz), 8.13 (d, 1H, H-3, 4J = 2.56 Hz), 8.06 (br. d, 1H, -N1H, 3J = 7.33 Hz),

7.95 (dd, 1H, H-5´, 3J = 9.16 Hz, 4J = 2.56 Hz), 7.78 (d, 2H, H-10, 3J = 9.16 Hz),

7.42 (d, 2H, H-5, 3J = 9.16 Hz), 7.06 (d, 1H, H-6´, 3J = 9.16 Hz), 6.99 (d, 1H, H-6, 3J = 9.16 Hz), 6.72 (d, 2H, H-11, 3J = 9.16 Hz), 3.89 (m, 1H, H-7, -CH-(CH3)2, 3J = 6.59 Hz), 3.44 (qu, 4H, H-13, -CH2-CH3,

3J = 6.96 Hz), 1.35 (d, 6H, H-8,

-CH-(CH3)2, 3J = 6.59 Hz), 1.21 (tr, 6H, H-14, -CH2-CH3,

3J = 6.96 Hz).

Abb. 79 zeigt ein 1H-NMR-Spektrum von N1-Isopropyl-N4-(2´-nitrophenyl-4´-(N,N-

diethyl)-azobenzen)-2-nitro-p-phenylendiamin in CD2Cl2.

Abb. 79: 1H-NMR-Spektrum von N1-Isopropyl-N4-(2´-nitrophenyl-4´-(N,N-diethyl)-azobenzen)-2-nitro-p-phenylendiamin in CD2Cl2 und die strukturelle Zuordnung der 1H-NMR-Signale.

NO2NH

NH

NN N

O2N

12

3

45

6

7

8

9

10 11

12

13 14

2´ 3´

5´6´

012345678910

δδδδ [ppm]

-N4H H-3´H-7

H-13

H-8

H-14

CD2Cl2

Wasser imCD2Cl2

6.46.66.877.27.47.67.888.28.4

δδδδ [ppm]

H-3 -N1H

H-5´

H-10

H-5

H-6´

H-6

H-11NH

NH

NO2

N

O2N

N

N

1

23

4

56

7

8

910

1112

3´4´

13

14

5 Experimenteller Teil

192

13C-NMR (CD2Cl2; 100 MHz) δ �[ppm]: 150.62 (C-1´), 144.57 (C-4´), 144.49 (C-9),

143.84 (C-12), 142.96 (C-1), 135.04 (C-4), 133.06 (C-2´), 131.63 (C-2),

128.66 (C-5´), 125.89 (C-3´), 125.40 (C-10), 123.95 (C-5), 122.14 (C-3),

116.43 (C-6´), 116.10 (C-6), 111.33 (C-11), 45.04 (C-13), 44.66 (C-7), 22.80 (C-8),

12.75 (C-14).

In Abb. 80 ist ein 13C-NMR-Spektrum von N1-Isopropyl-N4-(2´-nitrophenyl-4´-(N,N-

diethyl)-azobenzen)-2-nitro-p-phenylendiamin in CD2Cl2 mit Vergrößerung des

Aromatenbereiches zwischen δ = 108 ppm und δ = 168 ppm und die strukturelle

Zuordnung der 13C-NMR-Signale.

Abb. 80: 13C-NMR-Spektrum von N1-Isopropyl-N4-(2´-nitrophenyl-4´-(N,N-diethyl)-azobenzen)-2-nitro-p-phenylendiamin in CD2Cl2 und die strukturelle Zuordnung der 13C-NMR-Signale.

0102030405060708090100110120130140150160

δδδδ [ppm]

108113118123128133138143148153

δδδδ [ppm]

NO2NH

NH

NN N

O2N

12

3

45

6

7

8

9

10 11

12

13 14

2´ 3´

5´6´

9 121

4

2

10

5 3

66´ 11

137 8

14

CD2Cl2

5 Experimenteller Teil

193

N1-Isopropyl- N1,N4,N4-trimethyl-2-nitro- p-phenylendiamin

In 30 ml Toluol werden 0.5 g (2.715 mmol) N,N-Dimethyl-4-fluor-3-nitroanilin

(4-DMFNA) gelöst. Die orangefarbene Lösung wird auf 60 °C erhitzt und 1.4 ml

von N-Isopropylmethylamin (Fluka) − 5-facher Überschuss zu 4-DMFNA − werden

unter Schutzgas in die Lösung eingespritzt. Die Reaktionslösung wird für 14 h bei

60 °C gerührt. Dabei färbt sich die Lösung nach und nach intensiver orange-rot. Ein

Ausfallen von N-Isopropylmethylamin-HF-Salz ist nicht zu beobachten. Anschließend

wird der Großteil an Toluen und möglicherweise unumgesetztes Amin über eine

Destillation entfernt. Der rote, ölige Rückstand wird zur Entfernung von

möglicherweise enthaltenem HF-Salz in Wasser aufgenommen und das Produkt

über einen Scheidetrichter mit Diethylether abgetrennt. Die rote Etherphase wird am

Rotationsverdampfer vom Lösungsmittel befreit und ein rotes Öl bleibt zurück.

rotes Öl

Ausbeute: 67.8 % (bezogen auf 4-DMFNA)

1H-NMR (CD2Cl2; 400 MHz) δ [ppm]: 7.14 (d, 1H, H-6, 3J = 8.59 Hz), 6.86 (dd, 1H,

H-5, 3J = 8.59 Hz, 4J = 3.13 Hz), 6.84 (d, 1H, H-3, 4J = 3.13 Hz), 3.22 (m, 1H, H-7,

-CH-(CH3)2, 3J = 6.25 Hz), 2.91 (s, 6H, H-10, N4-(CH3)2), 2.60 (s, 3H, H-9, N1-CH3),

1.37 (d, 6H, H-8, -CH-(CH3)2, 3J = 6.25 Hz).

13C-NMR (CD2Cl2; 100 MHz) δ �[ppm]: 147.44 (C-1); 146.78 (C-4); 135.52 (C-2);

125.24 (C-5); 116. 77 (C-6); 107.19 (C-3); 55.00 (C-9); 40.70 (C-10); 35.89 (C-7);

19.70 (C-8).

Ein 1H-NMR-Spektrum von N1-Isopropyl-N1,N4,N4-trimethyl-2-nitro-p-phenylendiamin

in CD2Cl2 ist mit Vergrößerung des Aromatenbereiches zwischen δ = 6.8 ppm und

δ = 7.2 ppm und der strukturellen Zuordnung der 1H-NMR-Signale in Abb. 81

dargestellt. Abb. 82 zeigt ein 13C-NMR-Spektrum von N1-Isopropyl-N1,N4,N4-

trimethyl-2-nitro-p-phenylendiamin in CD2Cl2 und die strukturelle Zuordnung der

entsprechenden 13C-NMR-Signale.

N

O2N

CH3

CH3

NH3C

CH3

H3C1

2 3

4

56

7

8

9 10

5 Experimenteller Teil

194

Abb. 81: 1H-NMR-Spektrum von N1-Isopropyl-N1,N4,N4-trimethyl-2-nitro-p-phenylendiamin in CD2Cl2 und die strukturelle Zuordnung der 1H-NMR-Signale.

Abb. 82: 13C-NMR-Spektrum von N1-Isopropyl-N1,N4,N4-trimethyl-2-nitro-p-phenylendiamin in CD2Cl2 und die strukturelle Zuordnung der 13C-NMR-Signale.

00.511.522.533.544.555.566.577.58

δδδδ [ppm]

6.86.856.96.9577.057.17.157.2

δδδδ [ppm]

CD2Cl2

N

O2N

CH3

CH3

NH3C

CH3

H3C1

2 3

4

56

7

8

9 10

H-7

H-10

H-9

H-8

RSB

H-6H-3

H-5

0102030405060708090100110120130140150160

δδδδ [ppm]

N

O2N

CH3

CH3

NH3C

CH3

H3C1

2 3

4

56

7

8

9 10

41 2

5

6

3

7

10

9

8

CD2Cl2

Literaturverzeichnis

195

6 Literaturverzeichnis

[1] Dautzenberg, H.; Jäger, W.; Kötz, J.; Phillip, J.; Seidel, C.; Stscherbina, D. Polyelectrolytes: Formation, Characterization and Application; Carl Hanser Verlag, München, 1994. [2] Technisches Merkblatt N-Vinylformamid, Mitsubishi Kasai, Japan, 1997. [3] Pinschmidt Jr., R. K.; Sagl, D. J. Polymeric Materials Encyclopedia; ed.: Salamone, J. C.; CRC Press New York, 1996, S. 7095 ff. [4] Gu, L.; Zhu, S.; Hrymak, A. N.; Pelton, R. H. Polymer 2001, 42, 3077–3086. [5] Gu, L.; Zhu, S.; Hrymak J. Appl. Polym. Sci. 2002, 86, 3412–3419. [6] Kröner, M.; Dupuis, J., Winter, M. J. Prakt. Chem. 2000, 342, 115–131. [7] Produkt-Informationsbroschüre zu Lupaminen®, BASF AG, Ludwigshafen,

2000. [8] Pinschmidt, R. K.; Renz, W. L.; Caroll, W. E.; Yacoub, K.; Drescher, J.; Nordquist, A. F.; Chen, N. J. Macromol. Sci.-Pure Appl. Chem. 1997, A34, 1885–1905. [9] Roth, I. Diplomarbeit 2001, TU Chemnitz, Fakultät für Naturwissenschaften, Institut für Chemie, Professur Polymerchemie (Prof. S. Spange). [10] Roth, I.; Spange, S. Macromol. Rapid Commun. 2001, 22, 1288–1291. [11] Meier, H. Angew. Chem. 2005, 117, 2536–2561. [12] Suhr, H. Chem. Ber. 1964, 97, 3277–3283. [13] Roth, I.; Spange, S. Macromolecules 2005, 38, 10034–10041. [14] Suhr, H. Tetrahedron Letters 1966, 47, 5871–5874. [15] Bellamy, A. J.; King, D. S.; Golding, P. Propellants, Explosives, Pyrotechnics 2004, 29, 166–177. [16] Broxton, T. J.; Christie, J. R.; Theodoridis, D. J. Phys. Org. Chem. 1993, 6, 535–538. [17] Correa, N. M.; Durantini, E. N.; Silber, J. J. J. Org. Chem. 2000, 65, 6427–

6433. [18] Zingaretti, L.; Boscatto, L.; Chiacchiera, S. M.; Silber, J. J. ARCIVOC 2003, 189–200. [19] 1) Jeromin, J., Noll, O., Ritter, H. Macromol. Chem. Phys. 1998, 199, 2641– 2645.

2) Jeromin, J., Ritter, H. Macromolecules 1999, 32, 5236–5239. 3) Glöckner, P., H. Ritter, H. Macromol. Rapid Commun. 1999, 20, 602–605. 4) Fischer, M., Ritter, H. Macromol. Rapid Commun. 2000, 21, 142–145. 5) Storsberg, J., Ritter, H. Macromol. Rapid Commun. 2000, 21, 236–241. 6) Glöckner, P., Metz, N., Ritter, H. Macromolecules 2000, 33, 4288–4290. 7) Casper, P. Glöckner, P., Ritter, H. Macromolecules 2000, 33, 4361–4364. 8) Reihmann, M. H., Ritter, H. Macromol. Chem. Phys. 2000, 201, 798–804. 9) Glöckner, P.; Ritter, H. Macromol. Chem. Phys. 2000, 201, 2455–2457.

10) Alupei, V., Ritter, H. Macromol. Rapid Commun. 2001, 22, 1349–1353. 11) Bernhardt, S., Glöckner, P., Theis, A.; Ritter, H. Macromolecules 2001, 34, 1647–1649. 12) Storsberg, J.; Glöckner, P.; Eigner, M.; Schnoller, U.; Ritter, H.; Voit, B.; Nuyken, O. Designed Monomers and Polymers 2001, 4, 9–17.

Literaturverzeichnis

196

13) Ritter, H., Tabatabai, M. Prog. Polym. Sci. 2002, 27, 1713–1720. 14) Storsberg, J., Ritter, H. Macromol. Chem. Phys. 2002, 203, 812–818. 15) Heinenberg, M.; Ritter, H. Macromol. Chem. Phys. 2002, 203, 1804–1810. 16) Alupei, I. C.; Alupei, V.; Ritter, H. Macromol. Rapid Commun. 2002, 23, 55– 58. 17) Ritter, H.; Schmelzer, M.; Tabatabai, M. e-Polymers 2002, no. 003. 18) Tonami, H.; Uyama, H.; Kobayashi, S.; Reihmann, S.; Ritter, H. e-Polymers 2002, no. 039. 19) Theis, A.; Ritter, H. Macromol. Chem. Phys. 2003, 204, 1297–1304. 20) Choi, S. W.; Kretschmann, O.; Ritter, H.; Ragnoli, M.; Galli, G. Macromol. Chem. Phys. 2003, 204, 1475–1479. 21) Storsberg, J.; van Aert, H.; van Roost, C.; Ritter, H. Macromolecules 2003, 36, 50–53. 22) Ritter, H.; Schwarz-Barac, S.; Stein, P. Macromolecules 2003, 36, 318–322. 23) Pang, Y. J.; Ritter, H.; Tabatabai, M. Macromolecules 2003, 36, 7090–7093. 24) Mejias, L.; Schollmeyer, D.; Sepulveda-Boza, S.; Ritter, H. Macromolecular Bioscience 2003, 3, 395–399. 25) Schwarz-Barac, S.; Ritter, H. J. Macromol. Sci.-Pure Appl. Chem. 2003, A40, 437–448. 26) Alupei, I. C.; Alupei, V.; Ritter, H. Macromol. Rapid Commun. 2003, 24, 527– 531. 27) Choi, S. W.; Ritter, H. Macromol. Rapid Commun. 2004, 25, 716–719. 28) Sarvothaman, M. K.; Ritter, H. Macromol. Rapid Commun. 2004, 25, 1948– 1952. 29) Choi, S.; Ritter, H. J. Macromol. Sci.-Pure Appl. Chem. 2005, A42, 321– 325. 30) Ritter, H.; Steffens, C.; Storsberg, J. e-Polymers 2005, no. 034. 31) Cinar, H.; Kretschmann, O.; Ritter, H. Macromolecules 2005, 38, 5078– 5082. 32) Choi, S. W.; Frank, W.; Ritter, H. Reactive & Functional Polymers 2006, 66, 149–156. 33) Steffens, C.; Choi, S. W.; Ritter, H. Macromol. Rapid Commun. 2006, 27, 542–547. 34) Köllisch, H.; Barner-Kowollik, C.; Ritter, H. Macromol. Rapid Commun. 2006, 27, 848–853.

[20] Sauer, J.; Huisgen, R. Angew. Chem. 1960, 9, 294–315. [21] Schmid, G. H. Organic Chemistry, 1. Aufl. , Mosby-Verlag, St. Louis, 1996. [22] Morrison, R. T.; Boyd, R. N.; Lehrbuch der Organischen Chemie, 3.Aufl., VCH Weinheim, 1986. [23] Kamlet, M. J; Taft, R. W. J. Am. Chem. Soc. 1976, 98, 377–383. [24] Kamlet, M. J; Abboud, J.-L.; Taft, R. W. J. Am. Chem. Soc. 1977, 99, 6027–

6038. [25] Kamlet, M. J., Jones, M. E.; Abboud, J.-L.; Taft, R. W. J. Chem. Soc. Perkin Trans ΙΙ 1979, 342–348. [26] Kamlet, M. J.; Abboud, J.-L. M.; Abraham, M. H.; Taft, R. W. J. Org. Chem. 1983, 48, 2877–2887.

Literaturverzeichnis

197

[27] Laurence, C.; Nicolet, P.; Tawfik-Dalati, M.; Abboud, J.-L. M.; Notario, R. J. Phys. Chem. 1994, 98, 5807–5816. [28] Helburn, R.; Ullah, N.; Mansour, G.; Maxka, J. J. Phys. Org. Chem. 1997, 10, 42–48. [29] Helburn, R.; Dijiba, Y.; Mansour, G.; Maxka, J. Langmuir 1998, 14, 7147–

7154. [30] Mansour, G.; Creedon, W.; Dorrestein, P. C.; Maxka, J.; MacDonald, J. C.; Helburn, R. J. Org. Chem. 2001, 66, 4050–4054. [31] Corbett, J. F. Spectrochim. Acta 1967, 23A, 2315–2332. [32] Corbett, J. F. “The Chemistry of Synthetic Dyes”, Vol. 5, ed. by K. Venkataraman, Academic Press, New York, 1971, S. 508 ff.. [33] Griffiths, J.; Lockwood, M.; Roozpeikar, B. J. Chem. Soc. Perkin Trans ΙΙ 1977, 1608–1610. [34] Chu, K.-Y.; Griffiths, J. J. Chem. Soc. Perkin. Trans. Ι, 1978, 406–408. [35] Chu, K.-Y.; Griffiths, J. J. Chem. Soc. Perkin. Trans. Ι, 1978, 1194–1198. [36] Wurster, C.; Sendtner, R. Ber. Dtsch. Chem. Ges. 1879, 12, 522–528. [37] Wurster, C.; Sendtner, R. Ber. Dtsch. Chem. Ges. 1879, 12, 1803–1807. [38] Willstätter, R.; Piccard, Ber. Dtsch. Chem. Ges. 1908, 41, 1458–1475. [39] Michaelis, L. J. Am. Chem. Soc. 1931, 53, 2953–2962. [40] Michaelis, L.; Schubert, M. P.; Granick, S. J. Am. Chem. Soc. 1939, 61, 1981–

1992. [41] Lehn, J.-M. Supramolecular Chemistry, VCH: Weinheim, 1995. [42] Balzani, V.; Scandola, F. Supramolecular Photochemistry, Ellis Horwood: New York, 1991. [43] Kawata, S.; Kawata, Y. Chem. Rev. 2000, 100, 1777–1788. [44] Delaire, J. A.; Nakatani, K. Chem. Rev. 2000, 100, 1817–1845. [45] Moerner, W. E.; Silence, S. M. Chem. Rev. 1994, 94, 127–155. [46] Matsui, M.; Tsuge, M.; Funabiki, K.; Shibata, K.; Muramatsu, H.; Hirota, K.; Hosoda, M.; Tai, K.; Shiozaki, H.; Kim, M.; Nakatsu, K. J. Fluorine Chem. 1999, 97, 207–212. [47] Luo, L.; Hua, J.; Qui, J.; Cheng, J.; Shen, Y.; Lu, Z.; Wang, P.; Ye, C. Chem. Commun. 2001, 2, 171–172. [48] CD Römpp Chemielexikon, Version 1.0, Georg Thieme Verlag, Stuttgart/New York, 1995. [49] Spange, S.; Meyer, T.; Voigt, I.; Eschner, M.; Estel, E.; Pleul, D.; Simon, F. Adv. Polym. Sci. 2004, 165, 43–78. [50] Voigt, I.; Simon, F.; Komber, H.; Jacobasch, H.-J.; Spange, S. Colloid Polym. Sci. 2000, 278, 48–56. [51] Voigt, I.; Simon, F.; Estel, E.; Spange, S. Langmuir 2001, 17, 3080–3086. [52] Bucatariu, F.; Simon, F.; Spange, S.; Schwarz, S.; Dragan, S. Macromol. Symp. 2004, 210, 219–228. [53] Spange, S.; Wolf, S.; Simon, F. Progr. Colloid Polym. Sci. 2006, 132, 110–116. [54] Haupt, B. J.; Ennis, J.; Sevick, E. M. Langmuir 1999, 15, 3886–3892. [55] Poptoshev, E.; Rutland, M. W.; Claesson, P. M. Langmuir 1999, 15, 7789–

7794. [56] Poptoshev, E.; Rutland, M. W.; Claesson, P. M. Langmuir 2000, 16, 1987–

1992.

Literaturverzeichnis

198

[57] Filho, N. L. D.; do Cormo, D. R. in Encyclopedia of Surface and Colloid Science Marcel Dekker, New York, 2004, S. 1–20. [58] Patat, F.; Killmann, E.; Schliebener, C. Fortschr. Hochpolym.-Forsch.1964, 3, 332–393. [59] Radeva, Tsetska in Encyclopedia of Surface and Colloid Science, Marcel Dekker, New York, 2002, S. 547–557. [60] Smith-Palmer, T, Pelton, R. in Encyclopedia of Surface and Colloid Science, Marcel Dekker, New York, 2002, S. 2207–2224. [61] Arys, X.; Jonas, A. M., Laschewsky, A.; Legras, R. in Supramolecular Polymers, ed.: Ciferri, A., Marcel Dekker, New York, 2000, S. 505–555. [62] Eklund, D.; Lindström, T. Paper chemistry - an introduction, DT Paperscience puplications, Finnland, 1991, S. 145–179. [63] Hallensleben, M. L. in Ullmann´s Encyclopedia of Polymer Science and Engineering, 5th ed., 1992, ed.: B. Elvers, S. Hawkins, G. Schulz, A21, 752ff. [64] Hanford, W. E.; Stevenson, H. B. US Pat. 2,365,340 1944. [65] Reynolds, D. D.; Kenyon, W. O. J. Am. Chem. Soc. 1947, 69, 911–915. [66] Tanaka, H. J. J. Polym. Sci. Part B 1978, 16, 87-89. [67] Dawson, D. J.; Gless, R. D.; Wingard Jr., R. E. J. Am. Chem. Soc. 1976, 98, 5996–6000. [68] Stackman, R. W.; Summerville, R. H. Ind. Eng. Chem. Prod. Res. Dev. 1985, 24, 242–246. [69] Overberger, C. G.; Kikiyotani, S. J. Polym. Sci. Chem. Ed. 1983, 21, 525–540. [70] Dawson, D. J.; Brock, P. J. US Pat. 4,393,174 1983. [71] Hart, R. Makromol. Chem. 1959, 32, 51–56. [72] Uyama, H.; Kato, H.; Kobayashi, S. Polym. J. 1994, 26, 858–863. [73] Hart, R. J. Polym. Sci. 1958, 29, 629–636. [74] Elias, H.-G. Makromoleküle: Struktur-Eigenschaften-Synthesen Stoffe, 2. Aufl., 1972, Hüthig & Wepf Verlag, Basel, Heidelberg, S. 271–275. [75] Kirwan, L. J.; Papastavrou, G.; Borkovec, M. Nano Lett. 2004, 4, 149–152. [76] Linhart, F.; Auhorn, W. Das Papier 1992, 10A, V38–V45. [77] Riebeling, U.; De Clercq, A.; Stange, A.; Sendhoff, N.; Nilz, C.; Kröner, M. EP 553 135 1990. [78] Wang, F.; Tanaka, H. J. Appl. Polym. Sci. 2000, 78, 1805–1810. [79] Brunnmüller, F.; Schneider, R.; Kröner, M.; Müller, H.; Linhart, F.; Burkert, H.; Beyer, K.-H. EP 071 050 1981. [80] Pinschmidt, R. K. US 4 931 194 1990. [81] Pinschmidt, R. K.; Vijayendran, B. R.; Lai, Ta-W. US 5 085 787 1992. [82] Shu, P. US 5 134 176 1992. [83] Lenney, W. E.; Sagl, D. US 5 470 903 1995. [84] Cabrera, I. EP 894 809 1997. [85] Beihoffer, T.; Mitchell, M.; Darlington, J. W.; Anderson, M. WO 99/25745 1997. [86] Beihoffer, T.; Mitchell, M. US 6 159 591 2000. [87] Beihoffer, T.; Mitchell, M.; Trzupek, L. T.; Darlington, J. W.; Anderson, M. US 6 194 631 2001. [88] Beihoffer, T.; Mitchell, M. US 6 235 965 2001. [89] Keller, H.; Hoffmann, G.; Denzinger, W.; Fässler, R. EP 672 467 1994. [90] Schrell, A.; Huber, B. EP 692 559 1994.

Literaturverzeichnis

199

[91] Nudelman, N. S. in Supplement F2: The Chemistry of Amino, Nitroso, Nitro and Related Groups, ed.: Patai, S., John Wiley & Sons, Ltd.; 1996, 1215–

1300. [92] Suhr, H. Chem. Ber. 1964, 97, 3268–3276. [93] Bunnett, J. F.; Morath, R. J. J. Amer. Chem. Soc. 1955, 77, 5051–5055. [94] Bamkole, T. O.; Hirst, J.; Udoessien, E. I. J. Chem. Soc. Perkin ΙΙ 1973, 110–

114. [95] Bamkole, T. O.; Hirst, J.; Udoessien, E. I. J. Chem. Soc. Perkin ΙΙ 1973, 2114–

2119. [96] Villiers, A. Compt. Rend. Acad. Sci. Paris 1891, 112, 536–538. [97] Schardinger, F Z. Untersuch. Nahr. Genußm. 1903, 6, 865–880. [98] Freudenberg, K.; Meyer-Delius, M. Ber. Dtsch. Chem. Ges. 1938, 71, 1596–

1600. [99] Cramer, F. Chem. Ber. 1951, 84, 851–854. [100] v. Dietrich, H.; Cramer, F. Chem. Ber. 1954, 87, 806–817. [101] Cramer, F.; Henglein, F. M. Chem. Ber. 1957, 90, 2561–2571. [102] Cramer, F.; Henglein, F. M. Chem. Ber. 1957, 90, 2572–2575. [103] Wenz, G. Angew. Chem. 1994, 106, 851–870. [104] Saenger, W. Angew. Chem. 1980, 92, 343–361. [105] Szejtli, J. Chem. Rev. 1998, 98, 1743–1753. [106] Szejtli, J. J. Mater. Chem. 1997, 7, 575–587. [107] Gröger, M.; Kretzer, E. K.; Woyke, A. Science Forum der Universität Siegen 2001, www.science-forum.de/download/cyclodex.pdf. [108] Bourchard-Tuch, C. Chem. Unserer Zeit 2005, 39, 137–139. [109] Technisches Merkblatt und Sicherheitsdatenblatt Heptakis(2,6-O-dimethyl)-β-

cyclodextrin. [110] Technisches Merkblatt und EU-Sicherheitsdatenblatt CAVASOL W7 M (91/155/EWG); Wacker Chemie, Burghausen, 2006. [111] Reichardt, C. Solvents and Solvents Effects in Organic Chemistry, 3. ed., Wiley-VCH, Weinheim, 2003, S. 329ff. [112] Nagakura, S.; Kojima, M.; Murayama, Y. J. Mol. Spectrosc. 1964, 13, 174–

192. [113] Minesinger, R. R.; Kamlet, M. J. J. Phys. Chem. 1974, 78, 494–497. [114] Marcus, Y. Chem. Soc. Rev. 1993, 409–419. [115] Giacomelli, L.; Cattana, R.; Anunziata, J.; Silber, J. J., Hedrera, M.; Salerno, A.; Perillo, I. J. Phys. Org. Chem. 1994, 7, 162–168. [116] Cattana, R.; Silber, J. J.; Anunziata, J. Can. J. Chem. 1992, 70, 2677–2682. [117] Giumanini, A.G.; Chiavari, G.; Musiani, M. M.; Rossi, P. Synthesis 1980, 9, 743–746. [118] Roth, I.; Jbarah, A. A.; Holze, R.; Friedrich, M.; Spange, S. Macromol. Rapid Commun. 2006, 27, 193–199. [119] Wadsworth, W. S.; Emmons, W. D. J. Am. Chem. Soc. 1961, 83, 1733–1738. [120] Boutagy, J.; Thomas, R. Chem. Rev. 1974, 74, 87–99. [121] Gross, R. C.; Seybold, P. G.; Peralta-Inga, Z.; Murray, J. S.; Politzer, P. J. Org. Chem. 2001, 66, 6919–6925. [122] Brown, H. C. in Determination of Organic Structures by Physical Methods, Eds.: Braude, E. A. and Nachod, F. C., Academic Press, New York, 1955.

Literaturverzeichnis

200

[123] Schurz, J. Physikalische Chemie der Hochpolymeren, Springer Verlag,1974, 116–119. [124] Lo Meo, P.; D´Anna, F.; Gruttadauria, M.; Riela, S.; Noto, R. Org. Biomol. Chem. 2003, 1, 1584–1590. [125] Lo Meo, P.; D´Anna, F.; Gruttadauria, M.; Riela, S.; Noto, R. Tetrahedron 2004, 60, 9099–9111. [126] Suhr, H. Liebigs Ann. Chem. 1965, 687, 175–182. [127] Suhr, H. Liebigs Ann. Chem. 1965, 689, 109–117. [128] Horn, D.; Progr. Colloid & Polymer Sci. 1978, 65, 251–264. [129] Hu, Z.; Zhang, S.; Yang, J.; Chen, Y. J. Appl. Polym. Chem. 2003, 89, 3889–

3893. [130] Nudelman, N. S.; Cerdeira, S. J. Chem. Soc. Perkin Trans II 1986, 695–698. [131] Nudelman, N. S.; Mancini, P. M. E.; Martinez, R. D.; Vottero, L. R. J. Chem. Soc. Perkin Trans II 1987, 951–954. [132] Bunnett, J. F.; Zahler, R. E. Chem. Rev. 1951, 49, 273–389. [133] Parker, R. E.; Read, T. O. J. Chem. Soc. 1962, 3149–3153. [134] Bartoli, G.; Todesco, P. E. Acc. Chem. Res. 1977, 10, 125–132. [135] Beck, J. R. Tetrahedron 1978, 34, 2057–2068. [136] Effenberger, F.; Streicher, W. Chem. Ber. 1991, 124, 157–162. [137] Effenberger, F.; Koch, M.; Streicher, W. Chem. Ber. 1991, 124, 163–173. [138] Ono, N. The Nitro Group in Organic Synthesis, Wiley-VCH, 2001, S. 182–230. [139] Hesse, M.; Meier, H.; Zeeh, B. Spektroskopische Methoden in der organischen Chemie, 5. Aufl., GeorgThieme Verlag, Stuttgart, N. Y., 1995. [140] Laws, D. D.; Bitter, H.-L. L.; Jerschow, A. Angew. Chem. 2002, 114, 3224–

3259. [141] Beamson, G.; Briggs, D. High resolution of organic polymers, The Sienta ESCA 300 Database, J. Wiley & Sons, Chichester, New York, Brisbane, Toronto, Singapur, 1992. [142] Seah, M. P.; Dench, W. A. Surface Interface Analysis 1979, 1, 2. [143] Briggs, D. Characterization of surfaces, Pergamon, Oxford, 1989. [144] Liu, Yi-Chun; McCreery, R. L. J. Am. Chem. Soc. 1995, 117, 11254–11259. [145] Shirley, D.A. Phys. Rev. B 1972, 5, 4709–4714. [146] Unger, K. Angew. Chem. 1972, 8, 331–343. [147] Jacobasch, H.-J.; Simon, F.; Bellmann, C. tm - Technisches Messen: Sensoren, Geräte, Systeme 1996,63, 439–446. [148] Nitzsche, R.; Simon, F. tm - Technisches Messen: Sensoren, Geräte, Systeme 1997, 64, 106–113. [149] Roth, I.; Simon, F.; Bellmann, C.; Seifert, A.; Spange, S. Chem. Mater. 2006, 18, 4730–4739. [150] Madl, A.; Spange, S.; Waldbach, T.; Anders, E.; Mahr, N. Macromol. Chem. Phys. 1999, 200, 1495–1505. [151] Madl, A.; Spange, S. Macromol. Symp. 2000, 161, 149–157. [152] 1H-NMR-Spektrum von N-Methylvinylacetamid in CDCl3 bei 399.65 MHz unter www.aist.go.jp/RIODB/SDBS/cgi-bin/direct_frame_top.cgi?lang=eng

Anhang

201

7 Anhang

Abb. 83: ESR-Spektren von 2-nitro-4-aminobenzen-funktionalisiertem PVAm (PVAm 3) links als Feststoff und rechts in Methanol.

Abb. 84: ESR-Spektren von 2-nitro-4-(N,N-dimethyl)aminobenzen-funktionalisiertem PVAm (PVAm 4) links als Feststoff und rechts in Methanol.

3380 3430 3480 3530 3580

[G]

NH2 NH

NH2

NO2

x y

FeststoffpH = 11

3380 3430 3480 3530 3580

[G ]

NH2 NH

NH2

NO2

x y

in MeOH

3380 3430 3480 3530 3580

[G]

NH2 NH

N

NO2

H3C CH3

x y

FeststoffpH = 11

3380 3430 3480 3530 3580

[G]

NH2 NH

N

NO2

H3C CH3

x y

in MeOH

Selbständigkeitserklärung

202

Selbständigkeitserklärung

Hiermit erkläre ich, dass die vorliegende Arbeit selbständig und nur unter

Verwendung der angegebenen Quellen und Hilfsmittel angefertigt wurde.

Chemnitz, den 19.12.2006 Isabelle Roth

Lebenslauf/wissenschaftlicher Werdegang

203

Lebenslauf

Name: Isabelle Roth

geb. am: 06.04.1976 in Plauen i. V.

Familienstand: ledig

Schulbildung: 1994 Abitur in Reichenbach i. V.

Studium: 10/1994 − 03/1996 BWL-Studium an der TU Chemnitz

Studiengangwechsel

04/1996 − 08/2001 Chemie-Studium an der TU Chemnitz

Schwerpunktfach: Physikalische Chemie

Wahlpflichtfach: Polymerchemie

Diplomarbeit: „Nucleophile Substitutionsreaktionen fluorsubstituierter

Aromaten mit Polyvinylamin“

TU Chemnitz, Fakultät für Naturwissenschaften, Institut für

Chemie, Professur Polymerchemie (Prof. S. Spange)

Abschluss: Diplom

Promotion: 09/2001 − 07/2006

wissenschaftliche Mitarbeiterin an der TU Chemnitz,

Fakultät für Naturwissenschaften, Institut für Chemie,

Professur Polymerchemie (Prof. S. Spange)

seit 08/2006

wissenschaftliche Mitarbeiterin an der TU Chemnitz,

Fakultät für Maschinenbau, Institut für Allgemeinen

Maschinenbau und Kunststofftechnik,

Professur Strukturleichtbau und Kunststoffverarbeitung

(Prof. L. Kroll)

Lebenslauf/wissenschaftlicher Werdegang

204

Wissenschaftliche Leistungen

Beiträge zu Tagungen, Seminaren und Workshops:

• "Synthesis and Structure of Novel Chromophoric Ormosils" (Poster)

A. Seifert, I. Roth, H. Müller, S. Hesse, C. Jäger, S. Spange

16. − 21.09.2001 Sol-Gel-Tagung “11th International Workshop on Glasses,

Ceramics, Hybrids and Nanocomposites from Gels” in Abano Terme, Italien.

• "Nucleophile aromatische Substitution als Werkzeug zur Funktionalisierung von

Polyvinylamin und Hybridmaterialien" (Poster)

I. Roth, A. Seifert, S. Spange

18. − 19.03.2002 GDCh-Fachgruppentagung Makromolekulare Chemie

„Funktionspolymere für Systemlösungen“ in Darmstadt.

• "Nucleophile aromatische Substitution als Werkzeug zur Funktionalisierung von

Polyvinylamin und Hybridmaterialien" (Vortrag)

S. Spange, N. Moszner, A. Seifert, I. Roth

27.02. − 01.03.2003 Makromolekulares Kolloquium in Freiburg.

• "Nucleophile aromatische Substitution als Werkzeug zur Funktionalisierung von

Polyvinylamin und Hybridmaterialien" (Vortrag)

I. Roth, S. Spange

Doktorandenseminar des Institutes für Chemie der TU Chemnitz, Oktober 2003.

• "Synthese chromophorer Polymere mit dipolaren Funktionalitäten" (Poster)

S. Anders, I. Roth, S. Spange

15. − 16.03.2004 GDCh-Fachgruppentagung Makromolekulare Chemie

„Fortschritte bei der Synthese und Charakterisierung von Polymeren“ in

Düsseldorf.

Lebenslauf/wissenschaftlicher Werdegang

205

• "Surface Functionalization of Inorganic Materials from aqueous Solution using

Polyvinylformamide-co-polyvinylamines" (Poster)

I. Roth, S. Wolf, F. Simon, C. Bellmann, S. Spange

18. − 19.11.2004 zum 6th IPF Colloquium “Advanced Heterogeneous Polymer

Materials” in Dresden.

• "Nucleophile aromatische Substitution als Werkzeug zur Funktionalisierung von

Polyvinylamin und Hybridmaterialien" (Poster)

I. Roth, A. Seifert, S. Spange

05. − 06.12.2004 Workshop „Struktur und Dynamik von Polymeren in

eingeschränkten Geometrien unterschiedlicher Topologie“ in Großbothen.

Veröffentlichungen:

• "Nucleophilic Substitution of 4-Fluoronitrobenzene with Polyvinylamine in Water

Mediated by Cyclodextrins."

I. Roth, S. Spange, Macromol. Rapid Commun. 2001, 22, 1288−1291.

Anmerkung: cover picture

• "Solvatochromic Azamethine Dyes for Probing the Polarity of Gold-Cluster-

Functionalized Silica Particles."

S. Spange, D. Kunzmann, R. Sens, A. Seifert, I. Roth, W. Thiel, Chem. Eur. J.

2003, 9, 4161−4167.

• "A solvatochromic dye for probing significantly the dipolarity/polarizability of

HBD (hydrogen bond donating) environments."

S. Spange, R. Sens, Y. Zimmermann, A. Seifert, I. Roth, S. Anders,

K. Hofmann, New J. Chem. 2003, 27, 520−524.

Lebenslauf/wissenschaftlicher Werdegang

206

• "Nucleophile aromatische Substitution als Werkzeug zur Funktionalisierung von

Polyvinylamin und Hybridmaterialien."

A. Seifert, I. Roth, S. Spange, N. Moszner, Macromol. Chem. Phys. 2003, 204,

F30−F31, Sonderauflage für die Teilnehmer des Makromolekularen

Kolloquiums vom 27.02. − 01.03.2003 in Freiburg.

ISSN: 1521-3935 (online); ISSN: 1022-1352 (print)

• "Kinetic Studies on the Nucleophilic Aromatic Substitution of Fluoronitrobenzene

Derivatives with Polyvinylamine in Water mediated by 2,6-O-Dimethyl-β-

cyclodextrin."

I. Roth, S. Spange, Macromolecules 2005, 38, 10034−10041.

• "2-Nitro-1,4-diaminobenzene-functionalized Polyvinylamines as water soluble

UV-vis-sensitive pH-sensors."

I. Roth, A. A. Jbarah, R. Holze, M. Friedrich, S. Spange, Macromol. Rapid

Commun. 2006, 27, 193−199.

• "Fabrication of Silica Particles functionalized with Chromophores and Amino

groups Using Synergism of Polyvinylamine Adsorption and Nucleophilic

Aromatic Substitution with Fluoroaromatics."

I. Roth, F. Simon, C. Bellmann, A. Seifert, S. Spange, Chem. Mater. 2006, 18,

4730−4739.


Recommended