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nr. 73 11 12 2002 zeitung für den studiofilm imarthouse alba … · 2015-07-03 · nr.73•11 /12...

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nr. 73 11 / 12 / 2002 zeitung für den studiofilm im arthouse alba arthouse commercio rthouse movie 1+2 arthouse nord-süd arthouse le paris arthouse piccadilly riffraff 1/2/3/4 uto e w s i e n o v m Studiofilm-Vorpremieren Arthouse Le Paris, Zürich-Stadelhofen Sieben Tage die Woche um 12.15 Uhr www.lunchkino.ch hollywood ending hollywood ending Woody Allens neue Super-Komödie
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nr. 73 • 11 / 12 / 2002 zeitung für den studiofilm im arthouse alba • arthouse commercio •

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«Das rote Kornfeld», «Ju Dou», «Die Geschichte der Qui Ju»: Mit einerReihe bilderprächtiger, der Tradition verpflichteter Land-Filme hat sichZhang Yimou innerhalb weniger Jahre an die Spitze der internationalenRegiegarde gearbeitet. Nachdem er vor fünf Jahren mit «Keep Cool» einerstes Citymovie drehte, hat er nun zum zweiten Mal in einer Grossstadtgearbeitet und stellt seinen leicht-füssigsten Film vor: HAPPY TIMES isteine zartbittere Tragikkomödie, dieunvermittelt an Charlie Chaplins «CityLight» erinnert. Im Zentrum steht derFabrikarbeiter Zhao. Zhao ist seit Jahrenauf Brautschau und hat die Hoffnungauf eine späte Ehe schon fast begra-ben, als ihm das Glück doch noch zulachen scheint. Die Auserwählte ist zwarimmens dick, hat zwei Ehen hinter sich,einen Sohn und eine blinde Stieftoch-ter. Aber sie ist für 50’000 Yuan bereit,

happy t imes

Dass ein HOLLYWOOD ENDING ein Happy End sein muss, weiss nie-mand besser als Woody Allen. Und dass die Götter der Komik vor dasHOLLYWOOD ENDING viel irre Tragik und wirre Konfusion gesetzthaben, gehört zu des Meisters bewährten Komödien-Rezepten. WoodyAllen zieht mit HOLLYWOOD ENDING alle Register in der Rolle einesalternden Regisseurs unter Erfolgs-druck. Als er – seiner Ex-Frau sei Dank –endlich einen Produzenten dazu bringt,einen Film zu finanzieren, verliert erim Psychostress des ersten Drehtagesprompt seine Sehkraft. Vorübergehendzwar, wie sein Psychiater versichert,aber doch immerhin für die Länge desgesamten Drehs. Mit Hilfe seines väter-lich-schlitzohrigen Agenten hält er aller-dings alle zum Narren und zieht seinenRegiejob eben blind durch. Klar, dassdabei auf dem Set etliche Verwirrung

entsteht und sich das hübsche Starlet immer handfestere Verführungs-rezepte ausdenken muss, um auch diesen Regisseur ins Bett zukriegen. HOLLYWOOD ENDING, das ist Woody Allen in Vollendung.Seitenhiebe auf das prätentiöse Kunstkino wechseln sich ab mit Spit-zen gegen geldgierige Produzenten. Und zum Schluss bleibt die Frage,

wie blind ein Regisseur sein muss, uman den ganz grossen Erfolg heran-zukommen. Antworten gibt es viele,einige davon auch in HOLLYWOODENDING.

Regie: Woody Allen. Mit: Woody Allen, TéaLeoni, Treat Williams. Verleih: Monopole-Pathé.

hollywood ending

Zhao zu heiraten. Da ist guter Rat teuer. Zusammen mit einem Kumpelbaut Zhao einen ausgedienten Bus zu einem Stundenhotel um und gibtsich fortan als Hotelier aus. Mit dem Resultat, dass ihm erst die blindeWu aufgehalst wird und er dann schnöde sitzen gelassen wird. Das tutweh. Doch hat sich Zhao vorerst bloss im Bemühen ums eigene Glück

um Wu gekümmert, so tut er es immermehr um dem verstossenen Mädcheneine kleine Freude zu machen: HAPPYTIMES ist eine ebenso komische wieergreifende Lektion in Sachen Mit-menschlichkeit, Liebe und ewiger Sehn-sucht nach Glück.

Regie: Zhang Yimou. Mit: Zhao Benshan,Dong Jie, Li Xuejian, Dong Lifan. Verleih:Fox-Warner.

L’AUBERGE ESPAGNOLE: Das ist ein Auslandjahr à la Klapisch. EineKomödie, die schnell, charmant und unbeschwert mitten ins (Liebes-)Leben eines französischen Wirtschaftsstudenten zielt. Xavier heisst die-ser, hat das Hauptstudium fertig und dank Papa eine Stelle im Ministe-rium bereits in Aussicht. Um diese antreten zu dürfen, muss er aller-dings erst Spanisch sprechen. Mehrnoch: Er muss «Hispanidad», Land,Sitte und Bräuche kennen lernen.«Erasmus. Austauschprogramm für Stu-denten», lautet das Lösungswort: Eineweinende Alt-Hippie-Mama und seineheissgeliebte, von «Amélie»-Darstelle-rin Audrey Tautou gespielte FreundinMartine in Paris zurücklassend, landetXavier in einer Studenten-WG in Barce-lona. Und Cédric Klapisch frönt, wessener sich schon in «Chacun cherche sonchat» als Meister erwies: Der stim-

mungsvoll-humorigen Schilderung eines «Quartiers» und der Beziehun-gen, die dessen Bewohner zueinander entwickeln. Das heisst im Fallvon L’AUBERGE ESPAGNOLE: Klapisch schildert das alltägliche Tohuwa-bohu in einer durchschnittlich europäischen Gross-WG. Übervolle Kühl-schränke, klingelnde Telefone, gemeinsame Nachtessen, wilde Diskus-

sionen. Wachsende Zu- und Abneigun-gen. Und mitten drin der von RomainDuris gespielte Xavier, der in einer Barum die Ecke Gassenspanisch lernt, voneiner lesbischen Mitbewohnerin in dieKunst des Liebens eingeweiht wird undsich dabei vom braven Studenten zumheissblütigen Lover und angehendenAutor mausert. Welch ein Vergnügen!

Regie: Cédric Klapisch. Mit: Romain Duris,Judith Godrèche, Cécile de France, AudreyTautou. Verleih: Frenetic Films.

l’auberge espagnole

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Heim kommen. Abendbrot kochen. Sich streiten. Schläge einstecken:Eines Abends hat Christelle genug. Schlägt zurück. Setzt sich ins Auto,fährt durch die Nacht. Und strandet in LES PETITES COULEURS, wo einegeschlagene Frau am allerwenigsten landen sollte: In dem vorwiegendvon Truckerfahrern frequentierten Motel/Dancing «Galaxy». Da sindMänner harte Kerle und die wenigenFrauen, die dort verkehren, wederschüchtern noch prüde: Fulminant underfrischend irritierend beginnt PatriciaPlattners dritter Spielfilm. Schreibt sichunbekümmert und frech ein in eine Rei-he von Filmen, die von «Gas, Food,Lodging» bis zu «Thelma & Louise» vonstarken Frauen, Emanzipation undFreundschaft berichten. Denn das«Galaxy» ist zwar eine «Männerkneipe»,doch es gehört Mona. Mona, verwitwetund etwas älter als Christelle, ist helle,

Mit seiner romantischen Komödie «Notting Hill» wurde der britischeRegisseur Roger Michell vor drei Jahren über Nacht internationalbekannt und bekam alsgleich ein Angebot, in Amerika zu drehen. DasWerk, welches nun vorliegt, rechtfertigt die Berufung voll und ganz:CHANGING LANES ist ein aussergewöhnliches Drama. Es zeigt, welchenorme Auswirkungen ein kleiner Zwi-schenfall auf die Existenz zweier Men-schen haben kann. Gavin Banek undDoyle Gipson sind beide unterwegszum Gericht. Der smarte Wall-Street-Anwalt, um einen Betrug zu legalisie-ren; der ältere Versicherungsbeamte,um das Sorgerecht für seine Kinder zuerkämpfen. Doch weil die beiden aufder Stadtautobahn miteinander kolli-dieren, gerät alles ausser Kontrolle:Gipson verpasst seinen Termin und darffortan seine Familie nicht mehr sehen;

Banek verheddert im Getümmel ein wichtiges Dokument und wirddadurch gezwungen, seine Familie mit einer Lebenslüge zu konfrontie-ren. Sie schieben je dem andern Schuld am Unglück zu und beginnenin der Hoffnung, etwas wieder zu bekommen, was sie verloren haben,die Existenz des anderen systematisch zu vernichten. CHANGING LANES

zeichnet das psychologische Duell die-ser Männer mit unheimlichem Raffine-ment, mit aussergewöhnlicher Subtilitätund mit einer Spannung, die ständigvibriert, zunehmend anwächst undschlussendlich explodiert. Dabei stimmteinfach alles: das geniale Drehbuch, dievirtuose Regie und das Zusammenspielvon Ben Affleck und Samuel L. Jackson.

Regie: Roger Michell. Mit: Ben Affleck,Samuel L. Jackson, Toni Colette. Verleih:UIP.

changing lanes

hat das Herz am richtigen Fleck und die Männer im Griff. Sie gibt Chri-stelle erst ein Zimmer, später einen Job. Steht beruhigend daneben,wenn deren gewalttätiger Gatte ihre Rückkehr fordert. Und Christelle,die von Beruf Coiffeuse ist, lernt wieder zu atmen. Wird Mona zu Freun-din, bringt Farbe ins Motel und beginnt langsam zu begreifen, wieso

Männer und Frauen aneinander Gefallenfinden. LES PETITES COULEURS stelltmit Bernadette Lafont und Anouk Grin-berg ein prächtiges Paar neuer Lein-wandfreundinnen vor und lässt denFranzosen Philippe Bas die Rolle desLiebesboten spielen. Und es ist mitAbstand Patricia Plattners gelungensterFilm.

Regie: Patricia Plattner. Mit: Anouk Grin-berg, Bernadette Lafont, Philippe Bas. Ver-leih: Frenetic Films.

les petites couleurs

Rund fünfzig Jahre ist es her, dass der Schweizer Geologe Toni Hagenals erster Europäer Nepal bereiste. Über achtzig Jahre alt ist Hagen, wieer in DER RING DES BUDDHA an den Ort seines früheren Wirkenszurückkehrt, um ein altes Versprechen einzulösen: Bei seinem Abschiedvor vierzig Jahren hat er vom buddhistischen Mönch Chogye TrinchenRinpoche als Dank für seinen Einsatzbei der Rettung tibetischer Flüchtlingeeinen Ring geschenkt gekriegt, der ihmdas Leben lang Glück bringen sollte. ImGegenzug dafür hat er dem Mönch ver-sprochen, diesen auf seiner letzten Rei-se zu begleiten. Nun ist Rinpoches Zeitum. Doch wie Hagen in Bodnath ein-trifft, hat der Mönch das Kloster mitunbekanntem Ziel bereits verlassen.Also macht sich Hagen auf die Suche.Und wie er durch das Nepal von heutereist, blendet Jochen Breitensteins Film

zurück. Erzählt, von Hagen gedrehte Dokumentarmaterialien mit neuproduzierten Spielfilmteilen ergänzend, wie Hagen in den 50er und60er Jahren das «verbotene Königreich» am Himalaja zu Fuss durch-forschte. Als nach der Annexion Tibets durch China endlose Flüchtlings-ströme nach Nepal flossen, wurde er unverhofft zum Vermittler und Hel-

fer. DER RING DES BUDDHA führt in bisheute kaum erforschte, magische Land-schaften. Und erzählt die Geschichteeines Mannes, der dank seinem er-staunlichen Mut auch in sehr schwieri-gen Zeiten seine humanitären Visionennicht verlor.

Regie: Jochen Breitenstein. Mit: ToniHagen, Dalai Lama, König Birendra vonNepal. Verleih: Stamm Film AG.

der ring des buddha

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«Tetonic Plates», «The Top of His Head», «Picture of Light»: Peter Mett-ler hat, das Medium Film in der prächtigen Vielfalt von Dokument, Expe-riment und Fiktion voll auslotend, schon immer aussergewöhnliche undthematisch ausgefallene Filme gemacht. Mit GAMBLING, GODS AND LSDerreicht der Kanada-Schweizer nun den überwältigenden Extrempunktseines Schaffens. Denn GAMBLING,GODS AND LSD ist – und dies zubehaupten muss man kein Schweizersein! – einer der raren Filme, welchedem Zuschauer eine atemraubendeandere Kinoerfahrung bescheren. Sowie es in ihrer Art Tarkovskys beste Fil-me tun und Orson Welles’ «CitizenKane». Thema von Mettlers Film ist dieTranszendenz: Das tief im Menschenverankerte Bedürfnis nach Ekstase undEntäusserung, aber auch seine ewigeSuche nach einem Lebenssinn. Ange-

«Wie kann ein Mann nur so weinen?» fragt Leon. Er ist beim Joggen miteinem Mann zusammengestossen, der andere war leicht verletzt,begann zu weinen und nun versteht Leon die Welt nicht mehr. Er ist Poli-zist von Beruf, fahndet nach Drogen, buchtet Dealer ein und ermittelt inMordfällen. Doch in LANTANA steckt der harte Kerl, der normalerweiseselbst akute Schmerzen mit einemSchulterzucken quittiert, in der Krise. Ergeht fremd und betrügt sich dabei sel-ber mehr als seine Gattin. Und er istlange nicht der Einzige, der in diesempreisgekrönten Meisterwerk des Austra-liers Ray Lawrence mit dem Leben undseinen Gefühlen nicht mehr klarkommt.Denn trotz Toten, Verdächtigen, Zeugenund Fahndern ist LANTANA nicht nur einThriller, sondern auch ein puzzleartigesDrama über die Zerbrechlichkeit der Lie-be. Sein Kern bildet das mysteriöse Ver-

schwinden einer Person und Leons damit zusammenhängenden Ermitt-lungen. Je näher Leon der Lösung seines Falles kommt, desto mehrbeginnen um ihn herum die Fassaden allgegenwärtigen Glücks zubröckeln und die Beziehungen sich zu verändern. Zufällige Beobachtun-gen werden zu Zeugenaussagen, nette Nachbarn zu Verdächtigen:

LANTANA ist eine virtuose Abhandlungüber die Auswirkungen eines unverhoff-ten Ereignisses, das scheinbar Festge-fügtes in Fluss bringt. Ein grossartigerEnsemble-Film im Stil von Robert Alt-mans «Short Cuts», in dessen Creditsnebst Hauptdarsteller Anthony LaPagliadie Namen hervorragender Schauspielerwie Barbara Hershey, Kerry Fox und«Shine»-Star Geoffrey Rush auftauchen.

Regie: Ray Lawrence. Mit: AnthonyLaPaglia, Barbara Hershey, Geoffrey Rush.Verleih: Xenix Filmdistribution.

lantana

legt ist GAMBLING, GODS AND LSD als dreistündige Reise. Diese nimmtihren Anfang in Toronto und führt über die Sprengung eines Kasinos,eine religiöse Grossveranstaltung, die Streetparade; durch das Monu-ment Valley und die Schweiz bis nach Indien. Eingeschrieben in denLauf der Films fügen sich dabei in luzider Intensivität Bilder von urigs-

ten Landschaften, von Wüste, Wasser,Wolken mit solchen von höchsten tech-nischen Errungenschaften wie Flugzeu-gen und modernen Überwachungsanla-gen sowie Tönen und Klangskulpturenzum assoziativen Film-Mosaik. GAMB-LING, GODS AND LSD ist ein glücklichmachender Filmtrip.

Regie: Peter Mettler. Dokumentarfilm. Ver-leih: Columbus Film AG.

gambling, gods and lsd

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Der Titel BOWLING FOR COLUMBINE ist so frech wie der Mann, der hin-ter diesem Dokumentarfilm steht. Denn dass man mit BOWLING FORCOLUMBINE (Kegeln für Columbine) etwas gegen das mit dem Ortuntrennbar verbundene Schulmassaker hätte ausrichten können, glaubtauch Michael Moore keine Sekunde. Michael Moore, das ist derunerschrockene Einzelkämpfer, der 1989mit der bitterbösen Dokumentarsatire«Roger and Me» die Arroganz der Auto-mobilmanager aufs Korn nahm. Jetztgeht er mit dem gleichen Schalk auf dieUS-Waffenlobby los, auf die Verteidigerdes freien Waffenbesitzes für freie Bür-ger. Ob er minutiös dokumentiert, wieer selber bei einer lokalen Bank seinGratis-Gewehr zur Kontoeröffnung inEmpfang nimmt (kein Witz!), oder ob ereine Privataudienz beim Aushängeschildder Waffen-Fans, dem Altstar Charlton

bowling for columbine

«Babylon 2», «immer & ewig», «Filou»; einige TV-Krimis und Kurzfilme:Samir, 1955 in Bagdad geboren, als Kind in die Schweiz immigriert, isteiner der umtriebigsten und innovativsten Filmemacher Helvetiens. EinKünstler auch, der mit Fingerspitzengefühl und Humor immer wiedernach der Befindlichkeit der modernen, multikulturellen Gesellschafttastet. So auch in FORGET BAGHDAD,seinem neusten und gelungenstenWerk. In dessen Mittelpunkt stehen vierMänner und eine Frau, deren Biographi-en die Weltgeschichte geradezu grotes-ke Züge verlieh: Shimon Ballas, MosheHouri, Sami Michael und Samir Nakashsind jüdisch, wurden in Bagdad gebo-ren, gehörten in ihrer Jugend der kom-munistischen Partei Iraks an und lande-ten Anfang der fünfziger Jahre im neugegründeten Staate Israel. Seit da lebendie vier in der Kluft zwischen arabischer

forget baghdad

Heston, schlitzohrig in eine dem bärbeissigen alten Mann nicht wirklichgenehme Richtung lenkt: Michael Moore beweist, dass BOWLING FORCOLUMBINE zwar vordergründig absurd, aber doch durchaus der Rea-lität entsprechend daherkommt. Selten war Widerstand gegen die Bor-niertheit frecher, witziger, überraschender und lebendiger als mit BOW-

LING FOR COLUMBINE, wenn einem dieHaare zu gleichen Teilen vor Lachenwie vor Staunen zu Berge stehen. EinFilm, der total begeistert und in Cannes– niemand wunderts! – mit dem gros-sen Sonderpreis der Jury ausgezeichnetwurde.

Regie: Michael Moore. Dokumentarfilm.Verleih: Monopole-Pathé.

Herkunft und neuer, vor allem durch die europäische Gründergenera-tion geprägter Heimat und sind, wo immer sie sich bewegen, Aussen-seiter. Der nächsten Generation gehört Professorin Ella Habiba Shohatan. Sie ist irakischer Abstammung, beschäftigt sich mit Themen wiedem Postkolonialismus, dem multikulturellen Feminismus und dem

zionistischen Diskurs und lebt seit eini-gen Jahren in New York. In FORGETBAGHDAD, in dem sich aktuelle Doku-menataraufnahmen und Found-Foot-age-Material kongenial umschlingen,wird sie zum (er-)klärenden Ruhepolund trägt mit dazu bei, dass Samirs inLocarno 02 ausgezeichneter Film alseiner der wichtigsten Dokfilme in dieAnnalen des Schweizer Filmschaffenseingehen wird.

Regie: Samir. Dokumentarfilm. Verleih:Look Now!

Die bürgerliche Ehe als Balanceakt: Nach längerem Aufenthalt in einerpsychiatrischen Klinik kehrt Kira nach Hause zurück und eigentlichkönnte alles sein wie zuvor. Doch Kira hat sich verändert. Obwohl siesich anstrengt und von Gatte Mads und ihren zwei Kindern liebevollunterstützt wird, hat die Titelheldin aus Ole Christian Madsens KIRAMühe, den Erwartungen gerecht zu wer-den, die an sie als Ehefrau und Muttergestellt werden. Sie ist nervös undgereizt. Reagiert auf die vertrauteUmgebung mit Befremden, neigt zuÜberreaktionen und eckt an, wo immersie hinkommt. Auf der ihr zuliebe orga-nisierten Willkommensparty zu Hauseebenso wie beim Ausflug mit den Kin-dern ins örtliche Schwimmbad. Madsaber liebt seine Frau und versucht –einem Seitensprung zu trotz – allesmögliche, die Ehe zu retten. Doch Kira

kira

driftet immer mehr ab und ihre Entfremdung wird je länger, je mehr zumendgültigen Ausbruchsversuch aus der gutbürgerlichen Normalität. KIRAist den goldenen Regeln der Einheit von Ort, Handlung und Zeit ver-schrieben ein stimmungsvoller und dichter Film. Hautnah klebt dieKamera an den Hauptdarstellern Stine Stengade und Lars Mikkelsen

und zeichnet in bewegten Bildern dasRingen eines Paares um Nähe, Leiden-schaft und Glück auf. Um dann, wennzwischen den beiden überhaupt nichtsmehr zu gehen scheint, doch etwasNeues entstehen zu lassen: KIRA istporennah dem Leben verschrieben derschlagende Beweis, dass auch ein Dog-ma-Film von Liebe und so was wieGlück erzählen kann.

Regie: Ole Christian Madsen. Mit: StineStengade, Lars Mikkelsen, Sven Wollter.Verleih: Filmcoopi.

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Er hat ihn zu Hause in Schottland besucht, ihn nach Kanada, in die USAund nach Frankreich begleitet. Er hat zugeschaut, wie Goldsworthy ausEiszapfen eine Schlange formte. Er war dabei, als Goldsworthy Blütensammelte und in einer felsigen Schlucht einen gelben Schild auslegte.Er hat Schlangenlinien aus Blättern und Sand, im Gras, Eis, Wasser und

am Strand entstehen und vergehensehen. Er hat Goldsworthy aber auch –und darin liegt der Reiz von RIVERSAND TIDES – nach seinen Gedankengefragt. Und wenn der Künstler dannerzählt, welchen Einfluss Meere undFlüsse auf sein Schaffen haben und wieer die Steine zu verstehen versucht, öff-net sich unverhofft das Tor zu einer zau-berhaften neuen Welt.

Regie: Thomas Riedelsheimer. Dokumen-tarfilm mit Andy Goldsworthy. Verleih:Look Now!

Im Herzen Wiens, in einer schmalen Seitengasse hinter dem WienerVolkstheater, steht das Kino Bellaria. Es wurde über Jahrzehnte nichtmodernisiert und gezeigt wird, was man gemeinhin als «schönen, altenFilm» bezeichnet. «La Habañera» oder «Der Tiger von Eschnapur» etwa,eben glücklichmachende Flimmergeschichten, deren Stars Marika Rökk,Hans Moser und Zarah Leander heissenund die «nichts mit den Realfilmen vonheute zu tun haben», wie es in BELLA-RIA – SO LANGE WIR LEBEN! so schönheisst. Darüber hinaus zeichnet sichdas Bellaria dadurch aus, dass in ihmder alten Kinokultur gefrönt wird: Ge-nau so wichtig wie der Film ist dasRitual des Kinobesuchs. Auch davonberichtet dieser humorvolle Dokumen-tarfilm von Douglas Wolfsperger. Erheftet sich an die Fersen zum grossenTeil längst pensionierter Stammgäste.

Begleitet sie zur Vorführung und besucht sie zu Hause. Schrullige Anek-doten und schräge Lebensgeschichten kommen dabei zu Tage, es wirdvon Cinephilie und Begegnungen mit Stars berichtet. Eindeutiger Höhe-punkt von BELLARIA – SO LANGE WIR LEBEN! aber ist die Episode, inder Karl Schönböck dem Bellaria und seinen Gästen kurz vor seinem

Tod nochmals die Ehre erweist. BELLA-RIA – SO LANGE WIR LEBEN!, hat dieFilmbewertungskommission befunden,ist eine «humorvolle, aber nichts destotrotz tiefsinnige und dabei musikalischleichte filmische Dokumentation»; eine«Hommage nicht nur ans Kino, sondernauch an den Zuschauer». Sie hat Wolfs-pergers Film soeben den Prix Europe2002 für den besten Dokfilm einge-bracht.

Regie: Douglas Wolfsperger. Dokumentar-film. Verleih: Arthouse.

bellaria – so lange wir leben!

Einen besonderen Platz innerhalb der heutigen Kunstszene nimmt derNaturkünstler Andy Goldsworthy ein. Von blosser Hand, selten nur zueinem Gerät wie Messer oder Hammer greifend, formt er aus Naturma-terialien wie Blätter, Eis und Steinen Kunstwerke von stiller Zauberhaf-tigkeit. Er arbeitet meist im Freien und mit dem, was er vor Ort findet:Seine Arbeiten sind eingeschrieben indie Landschaft und die Flüchtigkeit derZeit. Einige wenige – wie seine Stein-kegel und Mauern – bleiben bestehen,die meisten aber vergehen. Schmelzen,werden vom Wasser abgetragen, vomWinde verweht. Was bleibt sind Foto-grafien und daraus entstehende Kunst-bücher. Und mit RIVERS AND TIDES nunzum ersten Mal ein Film. Monatelanghat der deutsche DokumentarfilmerThomas Riedelsheimer Goldsworthy beider Arbeit über die Schulter geschaut.

rivers and t ides – andy goldsworthy working with t ime

Für Charles ist eine Depression ein «Sumpfgebiet», für Helen eine «Betriebs-störung» und für die zwanzigjährige Frau mit dem blonden Haar, die alsnamenlose Dritte durch Dieter Gränichers Dokumentarfilm geistert, schlicht«die totale Blockade»: SEELENSCHATTEN hat der Zürcher Filmemacher sei-nen neusten Dokumentarfilm überschrieben und ist – ähnlich wie in «Duftdes Geldes» und «Spuren der Trauer» – in eine Dämmerzone vorgedrungen.So diskret man hier zu Lande mit psychisch angeschlagenen Menschenumgeht, so wenig redet man über ihre Krankheiten und so unaufgeklärt istdie allgemeine Bevölkerung. Umso wichtiger ist ein Film wie SEELENSCHAT-TEN, der ohne gross nach medizinischen Erklärungen zu suchen, eine ArtZustandsbeschreibung liefert: Eineinhalb Jahre lang hat Gränicher drei Men-schen, die an schweren Depressionen leiden, begleitet. Zurückhaltend undzugleich wachsam, seinen Protagonisten, ihrer unheimlichen Krankheit undderen unabsehbarem Verlauf viel Geduld und Respekt entgegenbringend, istSEELENSCHATTEN ein ruhiger, fast schon zärtlicher Film, der mit bedächtigenBildern und den wunderbar stimmigen Musik-Improvisationen von BronislawKopczynski auch ein Stück Aufklärungsarbeit leistet.

Regie: Dieter Gränicher. Dokumentarfilm. Verleih: Filmcoopi.

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