+ All Categories
Home > Documents > notar 1-2013 Title 1. - Deutscher Notarvereinjahresrckblick Registerrecht – Aktuelle Entwicklungen...

notar 1-2013 Title 1. - Deutscher Notarvereinjahresrckblick Registerrecht – Aktuelle Entwicklungen...

Date post: 31-Jan-2021
Category:
Upload: others
View: 0 times
Download: 0 times
Share this document with a friend
33
alles wichtige praxisnah eins 2013 editorial Notare sind Amtstra ¨ger (Winfried Ko ¨ssinger ) 1 beitrag des monats Die Europa ¨ische Erbrechtsverordnung in der Gestaltungspraxis (Felix Odersky ) 3 jahresrɒckblick Handelsregisterrecht – Aktuelle Entwicklungen (Thomas Kilian ) 10 interview Urkundsarchiv im Wandel: Aufbruch ins elektronische Zeitalter (Alfred Moser ) 16 praxisforum Die Zweiwochenfrist beim Verbrauchervertrag – A ¨ nderungen in § 17 Abs. 2a S. 2 Nr. 2 BeurkG und § 50 BNotO (Andre ´ Elsing ) 20 Herausgeber Prof. Dr. Walter Bayer, Jena Notar Dr. Peter Schmitz, Kçln Prof. Dr. Rainer Schrçder, Berlin Notar Dr. Oliver Vossius, Mɒnchen Richter am BGH Roland Wendt, Karlsruhe Schriftleiter Notarvertreter Christian Rupp, Berlin Notar Andreas Schmitz-Vornmoor, Remscheid 1 / 13
Transcript
  • alles wichtige praxisnah

    eins 2013

    editorialNotare sind Amtsträger (Winfried Kössinger ) 1

    beitrag des monatsDie Europäische Erbrechtsverordnung in der Gestaltungspraxis(Felix Odersky ) 3

    jahresr�ckblickHandelsregisterrecht – Aktuelle Entwicklungen (Thomas Kilian ) 10

    interviewUrkundsarchiv im Wandel: Aufbruch ins elektronische Zeitalter(Alfred Moser ) 16

    praxisforumDie Zweiwochenfrist beim Verbrauchervertrag – Änderungen in§ 17 Abs. 2a S. 2 Nr. 2 BeurkG und § 50 BNotO (André Elsing ) 20

    Herausgeber

    Prof. Dr. Walter Bayer, Jena

    Notar Dr. Peter Schmitz, Kçln

    Prof. Dr. Rainer Schrçder, Berlin

    Notar Dr. Oliver Vossius, M�nchen

    Richter am BGH Roland Wendt, Karlsruhe

    Schriftleiter

    Notarvertreter Christian Rupp, Berlin

    Notar Andreas Schmitz-Vornmoor, Remscheid

    1/13

  • Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

    im Jahr 2011 hatte uns die Entscheidung des EuGH zum Staatsangehörigkeitsvorbehaltin Unruhe versetzt. Die nachfolgende Diskussion dämpfte die Ersterregung, aber wirwissen, dass unsere Berufszugangs- und Berufsausübungsregelungen stets auch einereuroparechtlichen Kontrolle standhalten müssen. Da war es Labsal für die Seelen derdeutschen Notarinnen und Notare, dass das Bundesverfassungsgericht – aus dem Blick-winkel des innerstaatlichen Rechts – im Beschluss vom 19.6.2012 die Eigenschaft desNotars als Träger eines öffentlichen Amtes, der in der Nähe zum öffentlichen Dienststeht, explizit hervorgehoben und bestätigt hat. Dies mag uns weitere europarechtlicheDiskussionen nicht ersparen. Klar ist jedoch, dass das – durchaus auf der Linie europa-rechtlicher Judikate zu den Grundfreiheiten liegende – Verdikt des EuGH, wonach dienotarielle Tätigkeit nicht mit der Ausübung öffentlicher Gewalt i. S. d. Art. 51 Abs. 1AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) verbunden ist, nicht aufdie innerstaatliche Einordnung am Maßstab des Verfassungsrechts durchschlägt: „No-tarinnen und Notare nehmen im Bereich vorsorgender Rechtspflege Staatsaufgabenwahr, die richterlichen Funktionen nahekommen, und werden mithin typischerweisein sachlich bedingter Nähe zum öffentlichen Dienst tätig“.

    So eingestimmt, hat das deutsche Notariat im Sommer 2012 den 500. Jahrestag desErlasses der Reichsnotariatsordnung durch Kaiser Maximilian I. im Kölner Gürzenichbegangen. Für die bayerischen Kolleginnen und Kollegen war die 150. Wiederkehr desInkrafttretens des Bayerischen Notariatsgesetzes Anlass zu einem rechtsgeschichtlichgeprägten bayerisch-pfälzischen Notartag in der ehemaligen Freien Reichsstadt Augsburg.

    In einem exzellenten, historisch weit ausholenden Vortrag hat dort Prof. Dr. ChristophBecker die Traditionslinien des öffentlichen Amtes des lateinischen Notars in seinerdeutschen Ausprägung nachgezeichnet. So sind historische Rückblicke nicht Nabelschauoder Spezialitäten für Rückwärtsgewandte. Vielmehr müssen wir Notare uns immer desZwecks unserer besonderen Rolle für die Allgemeinheit bewusst sein, gerade auch beipolitisch oder europaverfassungspolitisch motivierten Angriffen auf die rechtliche Ord-nung unseres Berufes. Nur wenn wir selbst sicher sind, auf welchem Fundament wirstehen, können wir dies Dritten, seien sie freundlich, neutral und offen, seien sie sachlich-kritisch oder gar interessengeleitet angriffslustig, nachvollziehbar darlegen und begründen.

    Die Qualifizierung als „Staatsfunktionär“ ist nicht zum Nulltarif zu haben, wie der Antrag-steller im Verfassungsbeschwerdeverfahren vernehmen musste. Ein „Rosinenpicken“(völlig freier Beruf, wenn es um Bindungen geht, und Staatsnähe, wenn es um gesetzlichenSchutz geht) war und ist nicht möglich. Da ist die „freie Advokatur“ freier. Der Amtsträgerhat intensivere Bindungen durch den Gesetzgeber (und auch „aufgrund“ – weit ausgeleg-ten – Gesetzes) hinzunehmen und Pflichten auch dann zu erfüllen, wenn sie ihm imEinzelfall nicht einleuchten oder vielleicht lästig sind. Es gibt sie, die Bereiche und Berufe,in welchen der Regelungsprimat der Politik akzeptiert wird. Der Ruf nach immer exzessi-verer Deregulierung ist nicht unserer. Regeln müssen nur vernünftig, verhältnismäßig undzielorientiert sein. Über die Ausgestaltung der Regelungen stehen die Organisationenunseres Berufes im dauernden Dialog mit dem Gesetzgeber und der Verwaltung. Auchden Dialog mit der Justiz im engeren Sinne, der Richterschaft, gilt es, weiter zu pflegen.

    Ihr Dr. Winfried KössingerVorsitzender Bayerischer Notarverein e. V.

    Notare sind Amtstr�ger

    ed

    ito

    ria

    l

  • inhaltsverzeichnis

    editorial Notare sind Amtsträger (Dr. Winfried Kössinger ) 1

    inhalt 2

    impressum 23

    beitrag des monats Die Europäische Erbrechtsverordnung in der Gestaltungspraxis (Dr. Felix Odersky ) 3

    jahresr�ckblick Registerrecht – Aktuelle Entwicklungen (Dr. Thomas Kilian ) 10

    interview Urkundsarchiv im Wandel: Aufbruch ins elektronische Zeitalter – Interview mit Dr. AlfredMoser, Geschäftsführer der cyberDoc GmbH & Co. KG 16

    rechtsprechung OLG Naumburg: Zur Haftung eines Maklers gegenüber dem Erwerber einer Immobiliefür falsche Angaben im Expose (mit Anmerkung von Christian Seger ) 18

    praxisforum Die Zweiwochenfrist beim Verbrauchervertrag – Änderungen in § 17 Abs. 2a S. 2 Nr. 2BeurkG und § 50 BNotO (André Elsing ) 20

    notarpr�fung 24

    service Warnung vor irreführenden Rechnungen im Zusammenhang mitHandelsregistereintragungen 25

    r�ckblick Vorstellung des Deutschen Notarvereins in Brüssel – 25 Richter und Staatsanwälte ausNiedersachen zu Besuch im Brüsseler Büro am 19.10.2012 (Prof. Dr. Stephanie Michel ) 26

    nachrichten 27

    literatur David Rolfe Graeber, Schulden, Die ersten 5000 Jahre (besprochen von Christian Seger ) 28

    Gottwald, Grunderwerbsteuer, 4. Aufl. 2013 (besprochen von Dr. Jörg Ihle ) 29

    Wohnungseigentum in Österreich und Deutschland, Aktuelle Entwicklungen und Perspektiven(besprochen von Dr. Gerd H. Langhein ) 30

    Schnitger/Fehrenbacher, Kommentar Körperschaftsteuergesetz (besprochen von Dr. Jörg Ihle ) 30

    schlussvermerk Vorgelesen – Notare in der Literatur (Teil 12) (Dr. Wolfgang Litzenburger ) 32

    2 notar 1/2013

  • beitrag des monats

    Felix Odersky

    Die Europäische Erbrechtsverordnung in derGestaltungspraxis

    Die EU-ErbVO kommt zwar erst ab August 2015 zur Anwen-dung, der Notar muss diese aber schon jetzt bei der Beur-kundung von Testamenten und Erbvertr�gen ber�cksichtigen.Dabei kann man verschiedene typische Fallkonstellationen un-terscheiden, die die praktische Anwendung und die Formulie-rung von Rechtswahlmçglichkeiten und Hinweisen erleichtern.

    A. �berblick �ber die EU-ErbVO

    I. AnwendungsbereichDie Europäische Verordnung zum internationalen Erb- und Erb-verfahrensrecht (EU-ErbVO)1 gilt zwar erst für Erbfälle, die nachdem 16.8.2015 eintreten. Bis dahin beurkundete Testamenteund Erbverträge, die einen Auslandsbezug enthalten, müssensich aber bereits – neben den Anforderungen, die das derzeitnoch geltende IPR stellt – an ihr orientieren, da das neue Rechtauch für ältere Verfügungen von Todes wegen gelten wird.

    Die Erbrechtsverordnung wird einheitlich von allen Staaten derEuropäischen Union anzuwenden sein, mit Ausnahme vonDänemark, Großbritannien und Irland, die sich nicht zu demerforderlichen „Opt-in“ durchringen konnten.2 Auch wenn dieVerordnung aus Sicht der EU universelle Geltung beansprucht,sind damit weiterhin das nationale IPR und das Verfahrensrechtdieser Staaten in gleicher Weise wie das von außereuropäischenStaaten bei der Testamentsgestaltung zu berücksichtigen, umeine etwaige Unwirksamkeit der letztwilligen Verfügung aus derSichtweise dieser Staaten zu vermeiden.

    Die Verordnung umfasst alle Bereiche der „Rechtsnachfolge vonTodes wegen“ (Art. 1 Abs. 1), wozu gemäß der Konkretisierung inArt. 3 Abs. 1 lit. a) und Art. 23 insbesondere die gesetzliche undgewillkürte Erbfolge, die Pflichtteils- bzw. Noterbrechte, der An-fall und der Übergang des Nachlasses, die Erbenhaftung und dieErbauseinandersetzung gehören. Auch die Auswirkungen vongesetzlichen oder vertraglichen Ausgleichungs- und Anrech-nungsbestimmungen unterliegen dem Erbstatut und nicht demVertragsstatut, das ansonsten für die lebzeitigen Zuwendungenmaßgeblich ist (Art. 23 Abs. 2 lit. i).

    Vom Anwendungsbereich ausgenommen sind dagegen lebzeitigeZuwendungen, insbesondere auch in Form von Verträgen zuGunsten Dritter auf den Todesfall, Anwachsungsrechte und dasGesellschaftsrecht (Art. 1 Abs. 2 lit. g und h). Der Vorrang ver-traglicher und gesellschaftsrechtlicher Vereinbarungen entsprichtdamit weitgehend der bisherigen deutschen Handhabung.3 Unsi-cher zu beurteilen ist dagegen die Schenkung auf den Todesfall,die aber wohl von dem ausdrücklichen Ausschluss vertraglicherVereinbarungen nicht umfasst sein soll und damit als spezielleForm eines „Übergangs von Vermögenswerten von Todes wegen“(Art. 3 Abs. 1 lit. a) der Verordnung unterliegt.4

    Nicht anwendbar ist die Verordnung ferner auf Fragen des ehe-lichen Güter- und Unterhaltsrechts (Art. 1 Abs. 2 lit. d und e). Esbleibt damit grundsätzlich das Problem der Qualifikation des§ 1371 Abs. 1 BGB bestehen, wenn nicht sowohl das Erb- alsauch das Güterrechtsstatut (gemäß dem derzeit noch geltendendeutschen IPR oder einer künftig zu erwartenden EU-Güter-rechtsverordnung) auf deutsches Sachrecht verweisen. Wie nachder bisherigen herrschenden Meinung wird man wohl auch beieiner autonomen europäischen Auslegung die pauschale Erb-teilserhöhung bei Zugewinngemeinschaft güterrechtlich einord-

    1 Verordnung (EU) Nr. 650/2012 vom 4.7.2012 über die Zuständigkeit,das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung vonEntscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicherUrkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines EuropäischenNachlasszeugnisses; ABlEU v. 27.7.2012, Nr. L201, S. 107; abrufbaru. a. über eur-lex.europa.eu. Artikelbezeichnungen ohne weitere Be-zeichnung beziehen sich auf diese Verordnung.

    2 Vgl. Erwägungsgrund 82 und 83.

    3 Vgl. dazu im Einzelnen Leitzen, ZEV 2012, 520 ff.4 Vgl. P. Vollmer, ZErb 2012, 227, 229; Dörner, ZEV 2012, 505, 508.

    notar 1/2013 Odersky: Die Europäische Erbrechtsverordnung in der Gestaltungspraxis 3

  • nen. Im Hinblick auf die Ziele der Verordnung und die Einheit-lichkeit des Europäischen Nachlasszeugnisses kann dann aberein nationales deutsches Güterrecht das anwendbare ausländi-sche Erbrecht nicht quotal ändern. Es bleibt zu hoffen, dass derdeutsche Gesetzgeber in einem Ausführungsgesetz die darausresultierenden Anpassungsprobleme ausdrücklich löst.5

    Eine aus deutscher Sicht wünschenswerte generelle Abgrenzungzum Sachenrecht enthält die Erbrechtsverordnung dagegen nicht.Zumindest werden aber durch Art. 1 Abs. 2 lit. k) und l) derjeweilige Numerus clausus der dinglichen Rechte geschützt unddie gesetzlichen Voraussetzungen für Eintragungen in nationaleRegister vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenom-men. Auch wenn damit das Erbstatut grundsätzlich für die Art desRechtserwerbs maßgeblich und dies entsprechend im Europä-ischen Nachlasszeugnis auszuweisen ist, bedeutet dies, dass z. B.ausländische Vindikationslegate oder dinglich wirkende Erbaus-einandersetzungspläne so an das deutsche Grundbuchrecht anzu-passen sind (Art. 31), dass eine Auflassung erforderlich bleibt.6

    II. Grundprinzipien der EU-ErbVODie Verordnung umfasst – im Unterschied zu allen anderen„Brüssel“- und „Rom-Verordnungen“ – alle Aspekte des interna-tionalen Erbverfahrens- und Erbkollisionsrechts und schafftdarüber hinaus mit dem Europäischen Nachlasszeugnis (ENZ)eine eigenständige Nachweismöglichkeit, die bei internationalenErbfällen neben dem nationalen Erbschein oder vergleichbarenZeugnissen der international zuständigen Gerichte steht. DieEU-ErbVO gliedert sich dabei in vier Regelungsbereiche:

    * die internationale Zuständigkeit (Art. 4 bis 19),* das anzuwendende Erbrecht (Art. 20 bis 38),* die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen

    und öffentlichen Urkunden in Nachlasssachen (Art. 39 bis61) und

    * die Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses(sog. europäischer Erbschein, Art. 62 bis 73).7

    Zentraler Anknüpfungspunkt der Verordnung ist dabei der Be-griff des gewçhnlichen Aufenthalts des Erblassers. Dieser Ortentscheidet grundsätzlich darüber, welches Land internationalzuständig für das Nachlassverfahren und alle aus dem Erbfallresultierenden streitigen Verfahren ist (Art. 4) und welches Erb-recht zur Anwendung kommt (Art. 21 Abs. 1), sofern der Erb-lasser keine Rechtswahl auf sein Staatsangehörigkeitsrecht ge-troffen hat. Zuständig können dabei grundsätzlich nur Gerichte(bzw. gerichtsähnliche Organisationen, wie z. B. Notare) eineseinzigen Landes sein. Bis auf wenige Ausnahmen, insbesonderezur Empfangnahme von Ausschlagungserklärungen (Art. 13)oder für vorläufige Sicherungsmaßnahmen (Art. 19), könnenkeine Doppelzuständigkeiten begründet werden. Damit darfkünftig auch kein Fremdrechtserbschein gemäß § 2369 BGBmehr erteilt werden, wenn die Nachlassgerichte in Deutschlandnicht insgesamt für den Erbfall zuständig sind.

    Im Kollisionsrecht verfolgt die Verordnung das Prinzip der Nach-lasseinheit, sodass das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsortsbzw. bei entsprechender Rechtswahl das Staatsangehörigkeits-recht einheitlich für den gesamten Nachlass gilt. Die in vielen

    Ländern der EU derzeit noch geltende Unterscheidung zwischenbeweglichem und unbeweglichem Vermögen entfällt damit, sodass es in verstärktem Maß zu einem „Rechtsim- bzw. -export“kommen wird. Ebenso kennt die Verordnung keine dem bishe-rigen Art. 3 Abs. 3 EGBGB vergleichbare Norm, mittels derer eineim Ausland vorgesehene Nachlassspaltung nachgezeichnet wird.Auch wenn Grundbesitz im außereuropäischen Ausland bzw. inGroßbritannien oder Irland der Lex rei sitae unterworfen wird,umfasst aus europäischer Sicht das maßgebliche Erbrecht dieseImmobilien, so dass es verstärkt zu sogenannten „hinkendenRechtsverhältnissen“ kommen wird. Die europäische Regelungwird damit zwar nicht die tatsächliche Abwicklung im außer-europäischen Ausland beeinflussen (was der Notar bei der Ge-staltung der Verfügung mit zu berücksichtigen hat). Bei Klagenim Inland aus Pflichtteilsansprüchen oder im Rahmen einerErbenhaftung kann aber das Auslandsvermögen einbezogenwerden, so dass z. B. Immobilien in den USA und England keinsicherer Hafen zur Pflichtteilsreduzierung mehr sind.

    Innerhalb der Europäischen Union enthält die Verordnung aus-schließlich Sachnormverweisungen, so dass grundsätzlich alle na-tionalen Vorschriften zu Rück- oder Weiterverweisungen gegen-standslos werden. Verweist allerdings das Recht des gewöhnlichenAufenthaltsortes zu einem außereuropäischen Staat bzw. nachGroßbritannien, Irland oder Dänemark und sieht das dortige in-ternationale Privatrecht eine Rück- bzw. Weiterverweisung auf dasSachrecht eines der Mitgliedstaaten bzw. eines Drittstaates vor,nimmt die Verordnung diese an (Art. 34 Abs. 1). Hatte also bei-spielsweise der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt (und seindomicile) in England, hinterlässt aber eine Immobilie in Deutsch-land, kommt es aufgrund des Belegenheitsprinzips des englischenIPR und Art. 34 Abs. 1 lit. a) zur Rückverweisung auf deutschesRecht. Im Rahmen einer solchen Rückverweisung kann also auchder Grundsatz der Nachlasseinheit durchbrochen werden.

    III. Bestimmung des anwendbaren Erbrechts1. Begriff des gewçhnlichen Aufenthaltsorts

    Die Erbrechtsverordnung definiert den zentralen Begriff des „ge-wöhnlichen Aufenthaltsorts“ nicht selbst, stellt aber in denErwägungsgründen Nr. 23 und 24 klar, dass damit eine beson-ders enge und feste Beziehung zu einer bestimmten Rechtsord-nung zum Ausdruck kommen soll, wozu eine Gesamtbeurtei-lung aller Lebensumstände des Erblassers in den Jahren vorseinem Tod und im Zeitpunkt seines Todes vorzunehmen ist.Der Begriff ist autonom für die Zwecke der Verordnung auszule-gen, muss also nicht in gleicher Weise wie in anderen europä-ischen Rechtsakten verwendet werden, bei denen eher auf dieWohnsitzaufnahme abgestellt wird. Aus dem logischen Zusam-menhang der Verordnung ergibt sich ferner, dass jeder Menschzur gleichen Zeit nur einen gewöhnlichen Aufenthaltsort habenkann, da nicht mehrere konkurrierende Erbrechte nebeneinan-der bestehen können.

    Aus dem Merkmal „gewöhnlich“ wird in der bisherigen Recht-sprechung des EuGH eine gewisse Beständigkeit bzw. Regelmä-ßigkeit des Aufenthaltsortes abgeleitet, wobei aber keine be-stimmte Mindestaufenthaltsdauer gefordert wird. Schon mit derAufnahme eines neuen Wohnsitzes kann damit der gewöhn-liche Aufenthaltsort wechseln.

    In den meisten Fällen wird die Bestimmung des gewöhnlichenAufenthaltsortes im Sinne eines „Daseinsmittelpunktes“ keineSchwierigkeiten bereiten. Bei den zweifelhaften Fällen, bei denender Erblasser Wohnsitze zeitgleich in mehreren Ländern hatteoder diese in den Jahren vor seinem Tod aus verschiedenen

    5 Vgl. Stellungnahme des DNotV vom 19.1.2010 (Nr. 7a), www.dnotv.de;Dörner, ZEV 2012, 507.

    6 Vgl. Buschbaum, Gedächtnisschrift f. Hübner (2012); Simon/Busch-baum, NJW 2012, 2393 f.; Wilsch, ZEV 2012, 530 f.

    7 Vgl. zu den Voraussetzungen und Wirkungen des ENZ, insbesondereauch zur Verwendung im Grundbuchverfahren Lange, DNotZ 2012,168 ff.; Buschbaum/Simon, ZEV 2012, 525 ff.

    4 Odersky: Die Europäische Erbrechtsverordnung in der Gestaltungspraxis notar 1/2013b

    eit

    ra

    gd

    es

    mo

    na

    ts

  • Gründen (mehrfach) wechselte, können folgende typische Fall-gruppen gebildet werden:8

    * Berufspendler, wie z. B. der Bankmitarbeiter, der unter derWoche seinen Wohnsitz in London hat, aber am Wo-chenende zu seiner Ehefrau nach Frankfurt fliegt, oder diepolnische Pflegekraft, die zwar seit mehreren Jahren inMünchen lebt, aber alle paar Wochen zu ihrer Familienach Polen „heimfährt“. Wenn der Wohnsitz in einemLand in erster Linie beruflich begründet ist, wird man fürdie Zwecke der Erbrechtsverordnung – im Unterschied zumöglichen anderen Regelungen im europäischen Recht –den gewöhnlichen Aufenthaltsort länger in dem Landsuchen, in dem der privat genutzte Wohnsitz liegt, danach Erwägungsgrund 24 den sozialen Verbindungen zuFamilie und Freunden ein besonderes Gewicht zukom-men soll. Entsprechend wird man z. B. Studenten behan-deln, solange die Bindung zu Eltern bzw. dem bisherigensozialen Umfeld noch Gewicht hat. Auch bei Arbeitneh-mern, die zwar zusammen mit ihrer engeren Familie imAusland leben, aber nur für einen zeitlich begrenztenZeitraum dorthin abgeordnet sind (z. B. sog. „Expats“),wird man häufig aus den Gesamtumständen des Einzel-falls noch keinen Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts-orts ableiten.9 Andererseits bedarf es keines „Animus ma-nendi“ wie beim anglo-amerikanischen Domizil-Begriff,so dass ein zeitlich eher vager Rückkehrwille in das Hei-matland nicht den Wechsel des gewöhnlichen Aufent-haltsorts verhindert, wenn am Wohnsitz bereits ein fami-liäres oder soziales Umfeld entstanden ist.

    * Die sogenannten „Mallorca-Rentner“, die ausschließlichaus privaten Gründen jeweils über mehrere Monate inzwei verschiedenen Ländern leben und an beiden Wohn-orten soziale Beziehungen aufbauen. Da hier kein Vorrangdes privaten vor dem beruflichen Umfeld entscheidendist, stellt Erwägungsgrund 24 der Verordnung klar, dassausnahmsweise auch die Staatsangehörigkeit oder die Tat-sache, dass alle wesentlichen Vermögenswerte in einemLand belegen sind, als besonderer Faktor bei der vorzuneh-menden Gesamtbetrachtung aller Umstände herangezo-gen werden können.

    * Unklar bleibt schließlich, wie der gewöhnliche Aufenthaltvon Personen bestimmt wird, die keinen eigenen Willen zurWohnsitznahme mehr bilden konnten, z. B. weil sie alsPflegefall zur Familie in ein anderes Land geholt oder in ein(billigeres) Pflegeheim ins Ausland verbracht wurden. Auchwenn nach bislang h. M. der gewöhnliche Aufenthaltsortauch ohne rechtsgeschäftlichen Willen verlegt werden kann,wird man bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung im Rah-men der Erbrechtsverordnung durchaus berücksichtigenmüssen, wenn die Aufenthaltsänderung ohne jegliches sub-jektive Element erfolgt ist.10 Um einer missbräuchlichen Ver-legung des Wohnsitzes zu begegnen, wird man in diesenFällen aber zumindest auf die Ausnahmevorschrift desArt. 21 Abs. 2 Rückgriff nehmen können. Nach dieser Vor-schrift kann ausnahmsweise das Erbrecht eines anderen

    Staates als dem Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsortes zurAnwendung kommen, wenn der Erblasser zu diesem Land„eine offensichtlich engere Verbindung“ hatte.11

    2. Rechtswahl

    Auch wenn mit der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufent-halt für die Mehrheit der Länder in der EU ein erheblicherSystemwechsel im IPR verbunden ist, wird dies durch die Mög-lichkeit gemildert, dass der Erblasser das Recht des Staates wählenkann, dessen Staatsangehörigkeit er zum Zeitpunkt der Rechts-wahl oder im Zeitpunkt seines Todes besitzt (Art. 22 Abs. 1).

    Eine besonders enge Verbindung zu diesem Staat ist nicht erforder-lich. Ferner kann bei mehreren Staatsangehörigkeiten jede einzelnegewählt werden, ohne dass es auf den Vorrang einer „effektiven“Staatsangehörigkeit ankommt (Art. 22 Abs. 1 2. Absatz). Einebestätigende Wahl des Rechts des gewöhnlichen Aufenthaltsortszum Zeitpunkt der Testamentserrichtung wird dagegen von derVerordnung nicht zugelassen, um eine zu weitgehende Einfluss-nahme auf das anwendbare Erbrecht und die damit zusammen-hängenden Pflichtteils- und Noterbrechte zu vermeiden.

    a) Voraussetzungen der Rechtswahl

    Die Rechtswahl muss zwingend in einer (wirksamen) letztwil-ligen Verfügung enthalten sein. Sofern sie nicht ausdrücklicherfolgt, kann sie sich auch aus den Bestimmungen der Verfügungergeben. Wann man im Rahmen der Auslegung von einer sol-chen konkludenten Rechtswahl ausgehen kann, bleibt unklar.Allein die verwendete Sprache oder spezielle rechtliche Begriffeaus einer Rechtsordnung dürften dafür nicht reichen, wenn essich inhaltlich um Verfügungen handelt, die mit vergleichbaremInhalt praktisch in allen betroffenen Rechtsordnungen bekanntsind (wie z. B. eine allgemeine Erbeinsetzung oder ein Vermächt-nis). Handelt es sich dagegen um spezielle Rechtsinstitute, dienur ein Recht kennt (wie z. B. eine Vor- und Nacherbfolge), wirdman in der Regel die Rechtswahl unterstellen können, um einedurch ein „Handeln unter fremdem Recht“ notwendige Umdeu-tung zu vermeiden. In der Gestaltungspraxis wird man ohnehinzur ausdrücklichen Rechtswahl raten bzw. im umgekehrten Fall,bei dem das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsorts zur An-wendung kommen soll, ausdrücklich formulieren, dass keinekonkludente Rechtswahl gewünscht wird.

    Wie Art. 83 Abs. 2 klarstellt, kann die Rechtswahl auf das Staats-angehörigkeitsrecht auch schon in einem vor dem 17.8.2015errichteten Testament enthalten sein (natürlich unter Berück-sichtigung des Aspekts, dass diese ihr Ziel verfehlen kann, wennder Erblasser zuvor verstirbt). Dies gilt sicherlich auch für ältereTestamente aus der Zeit vor Inkrafttreten der Verordnung, zumalsolche älteren Verfügungen nach Art. 83 Abs. 4 gegebenenfalls soauszulegen sind, als sei eine Rechtswahl konkludent erfolgt.

    Außerdem bleibt nach Art. 83 Abs. 2 (2. Alt.) eine frühere Rechts-wahl über den 17.8.2015 hinaus in Kraft, wenn diese nach demmaßgeblichen nationalen IPR wirksam getroffen wurde. Aucheine gegenständlich beschränkte Rechtswahl gemäß Art. 25

    8 Vgl. dazu auch Erwägungsgrund 24; eingehend Lehmann, DStR 2012,2085 ff.

    9 Anders wohl Dörner, ZEV 2012, 510, der aufgrund der objektivenAuslegung in diesem Fall eher von einem Aufenthaltswechsel aus-geht, aber die Ausnahmevorschrift des § 21 Abs. 2 in Betracht zieht.

    10 Anders wohl Lehmann, DStR 2012, 2085 ff., der europarechtlich einerein objektive Auslegung des Begriffs erwartet.

    11 Im Übrigen erscheint der Anwendungsbereich der Ausnahmevor-schrift des Art. 21 Abs. 2 eher nebulös, da eigentlich schon bei derBestimmung des gewöhnlichen Aufenthaltsorts alle Umstände desEinzelfalls zu berücksichtigen sind. Gemäß Erwägungsgrund 24 darfsie auch nicht einfach als Auffangregel verwendet werden, wenn dergewöhnliche Aufenthaltsort zweifelhaft ist. Zudem ist zu beachten,dass die internationale Zuständigkeit davon unberührt bleibt, dieGerichte am gewöhnlichen Aufenthaltsort also fremdes Recht anwen-den müssen, wozu sie nur zögerlich bereit sein werden.

    notar 1/2013 Odersky: Die Europäische Erbrechtsverordnung in der Gestaltungspraxis 5b

    eit

    ra

    gd

    es

    mo

    na

    ts

  • Abs. 2 EGBGB kann damit derzeit noch vorgenommen werden,12

    so dass es – entgegen der eigentlichen Intention der Verordnung –auch künftig noch zu einer Nachlass-Spaltung kommen kann.Allerdings verliert diese Rechtswahl wohl ihre Wirkung, wenn derErblasser nach dem 17.8.2015 neu testiert, da sich seine Ver-fügung dann ausdrücklich oder konkludent an den beschränktenRechtswahlmöglichkeiten der Verordnung orientieren muss.

    Zu beachten bleibt schließlich, dass eine ausdrückliche oderkonkludente Rechtswahl immer als Sachnormverweisung zuverstehen ist (Art. 34 Abs. 2), so dass Rück- oder Weiterverwei-sungen aus außereuropäischen Ländern, deren Recht gewähltwird, nicht zu beachten sind.

    b) Rechtswahl und internationale Zuständigkeit

    Neben inhaltlichen Erwägungen, die in erster Linie für dieRechtswahl auf das Staatsangehörigkeitsrecht maßgeblich seinwerden, kann auch eine Verlagerung der internationalen Zustän-digkeit zu den Gerichten des Landes, dessen Staatsangehörigkeitder Erblasser besitzt, als Aspekt in die Gestaltungsüberlegungeneinbezogen werden. Die Verordnung sieht dafür zwei Möglich-keiten vor (Art. 5–9):

    * Durch eine schriftliche Gerichtsstandsvereinbarung gemäßArt. 5, wenn alle beteiligten Streitparteien bzw. bei nicht-streitigen Nachlassverfahren alle potentiellen Erben und Be-günstigten die Verweisung an ein Gericht, dessen Recht auf-grund der Rechtswahl zur Anwendung kommt, beantragen.

    * Auf Antrag eines Beteiligten durch bindende Verweisungdes Gerichts am gewöhnlichen Aufenthaltsort, wenn es dieGerichte in dem Land, dessen Staatsangehörigkeit der Erb-lasser besaß, für besser geeignet zur Entscheidung ansieht(Art. 6 lit. a).

    Beide Varianten setzen aber zwingend voraus, dass der Erblassereine ausdrückliche oder zumindest konkludente Rechtswahl zuseinem Staatsangehörigkeitsrecht getroffen hat. Lebt also beispiels-weise ein deutscher Staatsangehöriger dauerhaft in Spanien, hin-terlässt aber Kinder und Immobilien ausschließlich in Deutsch-land, muss er ein Testament mit einer Rechtswahl zum deutschenRecht errichten, wenn er indirekt erreichen will, dass seine Kindernach seinem Tod eine Verweisung an die deutschen Gerichtebeantragen und vor Ort einen deutschen Erbschein erhalten kön-nen. Unterlässt er dies, weil er z. B. inhaltlich keinen Bedarf für einTestament sieht, bleiben die Gerichte in Spanien internationalzuständig, ohne den Fall von sich aus nach Deutschland abgebenzu können.

    2. Ordre-public-Vorbehalt

    Wie im internationalen Privatrecht üblich, enthält die Verord-nung einen Ordre-public-Vorbehalt (Art. 35). Darunter wird manunproblematisch die schon bisher bekannten Fälle subsumierenkönnen, bei denen das anwendbare ausländische Erbrecht gegenGrundrechtsprinzipien oder den übereinstimmenden europä-ischen Wertekodex verstößt, wie z. B. bei einer Benachteiligungweiblicher Erben gegenüber männlichen Verwandten.

    Der erste Verordnungsentwurf sah noch eine ausdrückliche Klar-stellung vor, dass die nationalen Pflichtteilsrechte diesem Vor-behalt nie unterfallen sollen. Diese Einschränkung ist im endgül-tigen Verordnungstext zwar entfallen, ein Umkehrschluss, dassdamit in jedem Fall die nationalen Pflichtteilsrechte geschützt seinsollen, darf daraus aber im Hinblick auf die Intention der Verord-nung keinesfalls gezogen werden. Denn u. a. wurde die Beschrän-

    kung der Rechtswahlmöglichkeiten immer damit gerechtfertigt,dass die jeweiligen Pflichtteils- und Noterbrechte nicht zu leicht,wie z. B. durch einen vorübergehenden Aufenthaltswechsel um-gangen werden dürfen. Da alle europäischen Länder, in denen dieVerordnung unmittelbar gilt, Pflichtteilsansprüche bzw. Noterb-rechte naher Angehöriger kennen, wird man zumindest innerhalbdieser Länder keinen Grund sehen, das jeweilige nationale Rechtdurch den Ordre-public-Vorbehalt aufrechtzuerhalten. Anderskann – auch im Hinblick auf die vom Bundesverfassungsgerichtgeforderte Mindestteilhabe der Abkömmlinge am Nachlass – dieSituation sein, wenn ein ausländisches Recht zur Anwendungkommt, das gar keine Pflichtteilsrechte kennt.13

    B. Praktische Anwendung der EU-ErbVO aufTestamente und Erbvertr�ge

    Bei der Beurkundung von Testamenten und Erbverträgen unterBerücksichtigung der Erbrechtsverordnung wird man künftigverschiedene typische Fallkonstellationen unterscheiden kön-nen, die die praktische Anwendung und die Formulierung vonRechtswahlmöglichkeiten und Hinweisen erleichtern. Noch-mals betont werden soll dabei, dass Verfügungen von Todeswegen, die in der Zwischenzeit bis 17.8.2015 errichtet werden,neben den hier dargestellten Formulierungsvorschlägen auchdas derzeit anwendbare IPR zu berücksichtigen haben, falls derErblasser zuvor verstirbt. Sofern man das vor und nach demStichtag anwendbare Recht nicht zuverlässig synchronisierenkann, müssen Verfügungen an alle möglicherweise einschlägi-gen Rechtsordnungen angepasst werden. Soll ein Erbvertraggeschlossen werden, dessen generelle Wirksamkeit im Auslandnach derzeitiger Rechtslage unsicher ist, können vorsorglichergänzende Testamente für die Übergangszeit errichtet werden.

    Weiterhin zu beachten sind natürlich auch alle außereuropäi-schen Rechtsordnungen (einschließlich Dänemark, Großbritan-nien und Irland), wenn der Erbfall Berührungen zu diesen in derPerson des Erblassers oder durch das dort belegene Vermögenaufweist. In diesen Fällen wird man auch künftig einen Erbver-trag nur mit großer Vorsicht einsetzen.

    I. Testamentsgestaltung1. Wirksamkeitsvoraussetzungen

    Da gemäß Art. 75 internationale Übereinkommen vorrangiganwendbar bleiben,14 richtet sich die Frage der Formwirksamkeitvon Testamenten weiterhin nach dem Haager Testamentsform-übereinkommen vom 5.10.1961. Da Art. 27 dessen Regelungenin die Erbrechtsverordnung inkorporiert, hat man künftig dieSicherheit, dass Fragen der Formwirksamkeit in allen europä-ischen Staaten einheitlich behandelt werden.

    Die materielle Wirksamkeit eines Testaments, wozu z. B. Fragen derTestierfähigkeit, Testierverbote und Anfechtungsrechte zählen,wird gesondert in Art. 24 geregelt. Maßgeblich ist dafür das Rechtdes gewöhnlichen Aufenthaltsorts zum Zeitpunkt der Testaments-errichtung bzw. das im Testament gewählte Staatsangehörigkeits-recht. Formal handelt es sich dabei um eine eigene Rechtswahl(Art. 24 Abs. 2 i. V. m. Art. 22), so dass sich eine präzise formulierteRechtswahlklausel sowohl auf die materielle Wirksamkeit des Tes-taments als auch auf das anwendbare Erbrecht beziehen sollte.

    12 Unklar dagegen Lehmann, ZEV 2012, 533, der von einer Unwirksam-keit ausgeht.

    13 Vgl. Lorenz, ErbR 2012, 39, 48; Dörner, ZEV 2012, 505, 511.14 Zu beachten ist, dass bezüglich des anwendbaren Erbrechts auch die

    vorrangigen Abkommen mit der Türkei, dem Iran und den Nach-folgestaaten der Sowjetunion bestehen bleiben, sofern Deutschlanddiese nicht vor dem Inkrafttreten der Verordnung kündigt.

    6 Odersky: Die Europäische Erbrechtsverordnung in der Gestaltungspraxis notar 1/2013b

    eit

    ra

    gd

    es

    mo

    na

    ts

  • 2. Fallgruppen zur praktischen Handhabung

    Bezüglich der inhaltlichen Gestaltung kann man folgende Fall-gruppen unterscheiden, die – vorbehaltlich der Besonderheitenim Einzelfall – zu typischen „Musterformulierungen“ führenkönnen:

    a) Deutscher Staatsangehöriger mit gewöhnlichem Aufenthalt inDeutschland

    Im „Normalfall“, bei dem der Testator nach eigener Aussageseine heimische Umgebung nicht verlassen und (zeitweise) insAusland ziehen will, ist m. E. nichts Besonderes veranlasst. Einevorsorgliche Rechtswahl auf das Staatsangehörigkeitsrecht istnatürlich möglich, aber aufgrund der fehlenden Anhaltspunktefür einen internationalen Bezug nicht zwingend. Im Testamentsollte aber künftig neben der üblichen Feststellung zur Staats-angehörigkeit auch eine Erklärung über den gewöhnlichen Auf-enthaltsort enthalten sein, um im Einzelfall mögliche andereLebenspläne des Testators in Erfahrung zu bringen.

    FORMULIERUNGSVORSCHLAGGenerelle Erkl�rung im Testament:Ich bin ausschließlich deutsche/r Staatsangehörige/r und habemeinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Diesen will ichauch dauerhaft beibehalten.

    Deutlich einfacher wird künftig der Unterfall, dass ein deutscherStaatsangehöriger Vermögen in anderen EU-Staaten hat, für die dieVerordnung gilt, da selbst bei Immobilienbesitz künftig keineNachlass-Spaltung aufgrund des Belegenheitsrechts droht. Sofernder Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschlandbehält, wird sein gesamtes Auslandsvermögen nach deutschemRecht vererbt, so dass künftig auch erbrechtliche Gestaltungen, dieandere Erbrechtsordnungen nicht vergleichbar kennen (wie z. B.eine Vor- und Nacherbfolge oder eine länger dauernde Testaments-vollstreckung) vorgesehen werden können.

    Erscheint es möglich, dass der Testator zu einem späteren Zeit-punkt seinen gewöhnlichen Aufenthalt ins Ausland verlegt (z. B.aufgrund der Art seiner Berufstätigkeit oder dem Wunsch, denRuhestand „im Süden“ zu verbringen), sollte eine vorsorglicheRechtswahl in das Testament aufgenommen werden. Die Mög-lichkeit, aus dem Inhalt des Testaments auf eine konkludenteRechtswahl zu schließen, wird dem beratenden Juristen als zuunsicher erscheinen, zumal ein etwa zuständiges Gericht am Ortdes gewöhnlichen Aufenthalts eher dazu neigen wird, sein eige-nes Recht anzuwenden.

    FORMULIERUNGSVORSCHLAGVorsorgliche Rechtswahl:Ich bin ausschließlich deutsche/r Staatsangehörige/r und habemeinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Vorsorglichwähle ich für die Rechtsnachfolge von Todes wegen in meingesamtes Vermögen sowie für Fragen der Rechtswirksamkeitdieses Testaments das deutsche Recht.

    b) Deutscher Staatsangehöriger mit gewöhnlichem Aufenthalt imAusland

    Hat ein deutscher Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt imAusland, wird sich eine Rechtswahl auf das deutsche Rechtinsbesondere dann empfehlen,

    * wenn besondere Gestaltungen, die nur das deutsche Rechtin vergleichbarer Weise kennt, gewünscht werden (wie z. B.ein Behindertentestament, Vor- und Nacherbfolgen, Testa-mentsvollstreckung) oder

    * wenn das überwiegende Vermögen in Deutschland liegt unddie Möglichkeit eröffnet werden soll, dass die Erben dasNachlassverfahren einverständlich in Deutschland abwickeln(vgl. zur internationalen Zuständigkeit oben A.III.2.) oder

    * wenn Pflichtteilsrechte nach deutschem Recht „günstiger“als vergleichbare Pflichtteils- oder Noterbrechte im Auslandsind oder

    * wenn die Staatsangehörigkeit als dauerhaft beständige An-knüpfung gewünscht wird, weil sich der gewöhnliche Auf-enthaltsort des Erblassers im Lauf des Lebens ändern kannoder nur schwer feststellbar ist.

    Dabei wird der Notar rechtsvergleichend abwägen, ob die aus-ländische Rechtsordnung, die aufgrund des gewöhnlichen Auf-enthalts zur Anwendung kommen kann, in einzelnen Aspekten(z. B. beim Pflichtteilsrecht oder der Erbauseinandersetzung)Regelungen vorhält, die den Interessen des Erblassers eher ent-gegenkommen. Eine Haftung für alle Aspekte dieses ausländi-schen Rechts wird er allerdings nicht übernehmen können, sodass dies, wie üblich, klargestellt werden sollte.

    FORMULIERUNGSVORSCHLAGUmfassende Rechtswahl:Ich bin deutscher Staatsangehöriger und habe meinen gewöhn-lichen Aufenthalt in …. Ich wähle jedoch hiermit für die Rechts-nachfolge von Todes wegen in mein gesamtes Vermögen sowie fürFragen der Rechtswirksamkeit dieses Testaments das deutscheRecht als mein Staatsangehörigkeitsrecht.

    Der Notar hat mich insbesondere darauf hingewiesen, dass

    – die Rechtswahl nicht nur für das heutige Testament, sondern füralle Aspekte der Rechtsnachfolge von Todes wegen (wie z. B. auchfür Pflichtteilsrechte) gilt;

    – ohne Rechtswahl das Erbrecht des gewöhnlichen Aufenthalts-orts zur Anwendung kommen würde. Der Notar muss ausländi-sches Recht nicht kennen und hat darüber als Alternative zumeinen heutigen Verfügungen auch nicht im Einzelnen beraten.

    c) Ausländischer Staatsangehöriger mit gewöhnlichem Aufenthaltin Deutschland

    Leichter wird die Gestaltung von Testamenten künftig auch beiausländischen Staatsangehörigen, die dauerhaft in Deutschlandleben und ihre Erbfolge nach deutschem Recht gestalten wollen.Sofern diese ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht verlegen, kanninhaltlich ein Testament wie bei deutschen Staatsangehörigenerrichtet werden. Dies umfasst dann aber auch Vermögensgegen-stände, die im „Heimatland“ belegen sind, so dass die früherhäufig gegebene Empfehlung, getrennte Testamente zur leichte-ren Abwicklung in den einzelnen Ländern zu errichten, überflüs-sig bzw. sogar kontraproduktiv wird.

    Die Erbrechtsverordnung ermöglicht jedoch keine bestätigendeRechtswahl bezüglich des Rechts des gewöhnlichen Aufenthalts-orts. Das Testament sollte daher einen ausdrücklichen Hinweisenthalten, dass inhaltliche Bestimmungen unwirksam werden,wenn der Erblasser vor seinem Tod seinen gewöhnlichen Auf-enthaltsort ins Ausland verlegt. Ergänzend kann klargestellt wer-den, dass eine konkludente Rechtswahl auf das Staatsangehörig-keitsrecht nicht beabsichtigt ist. Falls der Testator in Betrachtzieht, die deutsche Staatsangehörigkeit anzunehmen, kann diesum eine vorsorgliche Rechtswahl auf das deutsche Staatsange-hörigkeitsrecht ergänzt werden.

    notar 1/2013 Odersky: Die Europäische Erbrechtsverordnung in der Gestaltungspraxis 7b

    eit

    ra

    gd

    es

    mo

    na

    ts

  • FORMULIERUNGSVORSCHLAGHinweise bei ausl�ndischen Staatsangehçrigen:Ich bin ausschließlich … Staatsangehöriger, habe aber meinengewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, den ich auch bis zumeinem Tod beibehalten will. Eine Wahl meines derzeitigenStaatsangehörigkeitsrechts wünsche ich ausdrücklich nicht, sodass das heutige Testament auf dem deutschen Recht beruht.

    Der Notar hat mich darauf hingewiesen, dass

    – wesentliche Bestimmungen dieses Testaments unwirksam bzw.wesentliche Ziele des Testaments verfehlt werden können, wennich im Zeitpunkt meines Todes nicht mehr meinen gewöhnlichenAufenthalt in Deutschland habe;

    – der Notar ausländisches Recht nicht kennen muss und darüberals Alternative zu meinen heutigen Verfügungen auch nichtberaten hat. Ich entlasse ihn insoweit aus jedweder Haftung.

    d) Ausländischer Staatsangehöriger mit gewöhnlichem Aufenthaltim Ausland, aber Vermögen in Deutschland

    Keine Möglichkeit wird man dagegen in Zukunft haben, dieErbfolge eines ausländischen Staatsangehörigen nach deut-schem Recht zu gestalten, wenn dieser keinen gewöhnlichenAufenthalt in Deutschland hat, da die beschränkte Rechtswahl-möglichkeit des Art. 25 Abs. 2 EGBGB für inländischen Grund-besitz entfallen wird.15 Sofern dennoch in Deutschland ein Tes-tament errichtet werden soll, muss sich dieses inhaltlich an denVorgaben des anwendbaren ausländischen Erbrechts ausrichten.

    II. Erbvertragsgestaltung1. Wirksamkeitsvoraussetzungen und Bindungswirkung

    Eine erhebliche Verbesserung im Vergleich zur bisherigen Situa-tion enthält aus deutscher Sicht Art. 25, der die materielle Wirk-samkeit und die Bindungswirkung von Erbverträgen gesondertvom jeweils anwendbaren Erbrecht regelt. Art. 25 Abs. 2 siehtzwar für Erbverträge, die den Nachlass von zwei oder mehr Per-sonen betreffen, grundsätzlich eine kumulative Prüfung in derWeise vor, dass der Erbvertrag nach dem jeweiligen gewöhnlichenAufenthaltsrecht aller Beteiligten im Zeitpunkt der Errichtung desErbvertrags zulässig sein muss. Nach Art. 25 Abs. 3 können dieVertragsbeteiligten aber bezüglich der materiellen Wirksamkeitund der Bindungswirkung des Erbvertrags auch das Recht desLandes wählen, dessen Staatsangehörigkeit nur einer von ihnenbesitzt. Ist also an einem Erbvertrag zumindest ein Deutscherbeteiligt, kann der Erbvertrag mittels Rechtswahl dauerhaft wirk-sam und bindend im Sinne des deutschen Rechts vereinbartwerden, und zwar unabhängig davon, wo die Beteiligten beiAbschluss des Vertrages oder später ihren gewöhnlichen Aufent-halt haben. Zumindest im Verhältnis zu den Staaten, die unmittel-bar durch die Verordnung gebunden sind, kann der deutscheErbvertrag künftig auf sicherer Grundlage „exportiert“ werden.

    Zu beachten ist, dass die Rechtswahl bezüglich der materiellenWirksamkeit und der Bindungswirkung gemäß Art. 25 nichtgleichzusetzen ist mit der darauf aufbauenden Rechtswahl be-züglich des anwendbaren Erbrechts, die sich für jeden beteiligtenErblasser individuell an den Anforderungen des Art. 22 messenmuss. Im Einzelfall könnte sich daraus auch eine Kombinationaus der Form und der Bindungswirkung eines deutschen Erbver-trags mit einem ausländischen Erbrecht ergeben, das aufgrunddes gewöhnlichen Aufenthalts oder einer abweichenden inhalt-lichen Rechtswahl zur Anwendung kommt.

    Nicht ausdrücklich geregelt ist die Frage, ob die Rechtswahl desArt. 25 Abs. 3 selbst der Bindungswirkung unterliegt oder ob derErbvertrag durch eine einseitige Aufhebung der Rechtswahl „zer-stört“ werden kann. Diese Frage ist wohl nicht autonom aus derVerordnung zu ermitteln, sondern wird man dem für die mate-rielle Wirksamkeit gewählten Recht unterstellen, da dieses auchüber den Umfang der Bindungswirkung entscheidet. Nach h. M.in Deutschland kann damit die Rechtswahl des Art. 25 Abs. 3erbvertraglich bindend vereinbart werden.

    Davon ist die Frage zu unterscheiden, ob das anwendbare Erb-recht trotz der Bindungswirkung des Erbvertrags durch einenspäteren Wechsel des Aufenthaltsorts oder eine neue Rechtswahlgemäß Art. 22 geändert werden kann. Ein ausländischer Staats-angehöriger (wie in der nachfolgenden Fallvariante b) könntedann z. B. entgegen seiner ursprünglichen Erklärung im Erbver-trag durch einseitiges Testament sein Staatsangehörigkeitsrechtwählen. Dies wird man wohl aufgrund der Trennung der Rechts-wahl nach Art. 25 Abs. 3 von der des Art. 22 und im Hinblickdarauf, dass eine bestätigende Wahl des Rechts des gewöhn-lichen Aufenthaltsorts generell nicht zulässig sein soll, hinneh-men müssen. Die bindenden Verfügungen im Erbvertrag sinddann ggf. in möglichst entsprechende der ausländischen Rechts-ordnung umzudeuten.

    2. Gemeinschaftliche Testamente

    Unklar ist, inwieweit die speziellen Regelungen des Erbvertragsauch für gemeinschaftliche Testamente Anwendung finden.16

    Diese werden in Art. 3 Abs. 1 lit. c) lediglich in der Weise definiert,dass es sich dabei um ein von zwei oder mehreren Personen ineiner einzigen Urkunde errichtetes Testament handelt. Auf diesesmüsste daher nicht die Erbvertragsvorschrift des Art. 25, sonderndie allgemeine Wirksamkeitsvorschrift des Art. 24 für jeden Erb-lasser Anwendung finden. Andererseits umfasst nach der Defini-tion des Art. 3 Abs. 1 lit. b) ein Erbvertrag auch eine „Vereinbarungaufgrund gegenseitiger Testamente“, so dass zumindest für diewechselbezügliche Bindungswirkung die Anwendung des Art. 25naheliegt. Der beratende Jurist wird im Hinblick auf diese Unsi-cherheiten immer zum Erbvertrag raten, wenn eine wechselbe-zügliche bzw. erbvertragliche Bindung gewollt ist, zumal der Aus-druck „Erbvertrag“ durch die ausdrückliche Regelung in derVerordnung im Ausland eindeutig zu interpretieren ist.

    3. Fallgruppen zur praktischen Handhabung

    Bezüglich der Formulierung der Erbverträge kann man wiederumfolgende typische Fallgruppen unterscheiden:

    a) Zwei deutsche Staatsangehörige mit gewöhnlichem Aufenthaltin Deutschland

    Wie beim Testament sind für diesen „normalen“ Ausgangsfallm. E. keine besonderen Vorkehrungen zu treffen. Der Erbvertragbleibt in jedem Fall, insbesondere auch bei einem unvorhergese-henen Wechsel des Aufenthaltsorts nach Art. 25 Abs. 2 dauerhaftwirksam, ohne dass es einer bestätigenden Rechtswahl bedarf.Ob bezüglich des anwendbaren Erbrechts jeweils eine vorsorg-liche Rechtswahl auf das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht rat-sam ist, muss im Einzelfall wie beim Testament entschiedenwerden.

    b) Ein deutscher und ein ausländischer Staatsangehöriger mitgewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland

    Auch in diesem Fall wird der Erbvertrag schon aufgrund derallgemeinen Regelung des Art. 25 Abs. 2 dauerhaft wirksam, weil

    15 Zur Übergangsregel vgl. oben A.III.2.a).

    16 Vgl. dazu Nordmeier, ZEV 2012, 513 ff.; Simon/Buschbaum, NJW 2012,2393, 2396.

    8 Odersky: Die Europäische Erbrechtsverordnung in der Gestaltungspraxis notar 1/2013b

    eit

    ra

    gd

    es

    mo

    na

    ts

  • im Zeitpunkt der Beurkundung alle Vertragsbeteiligten ihrengewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben. Vorsorglichwird man in diesem Fall zu einer Rechtswahl auf das durch dieStaatsangehörigkeit eines Beteiligten vermittelte deutsche Recht(Art. 25 Abs. 3) raten, da es sich dann beim späteren Erbfallerübrigt, den gewöhnlichen Aufenthaltsort zum Zeitpunkt derBeurkundung des Erbvertrags positiv festzustellen.

    Inhaltlich ist für den am Erbvertrag beteiligten ausländischenStaatsangehörigen zu beachten, dass – wie beim Einzeltestament– Verfügungen auf Grundlage des deutschen Erbrechts nur so-lange zweifelsfrei möglich sind, wie der gewöhnliche Aufenthaltin Deutschland beibehalten wird. Auch die gegebenenfalls fort-geltende Bindungswirkung des Erbvertrags ändert nichts daran,dass bei einem Aufenthaltswechsel die erbrechtlichen Verfügun-gen in entsprechende Regelungen des ausländischen Erbrechtsumgedeutet werden müssen.

    FORMULIERUNGSVORSCHLAGErbvertrag bei Beteiligung eines ausl�ndischenErblassers:Ich, A, bin ausschließlich deutsche/r Staatsangehörige/r. Ich, B,bin ausschließlich … Staatsangehörige/r. Wir haben beide unse-ren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Diesen wollen wirauch dauerhaft beibehalten.

    Im Hinblick auf unsere unterschiedlichen Staatsangehörigkeitentreffen wir vorsorglich folgende Rechtswahl:

    (1) Für die Wirksamkeit dieses Erbvertrags und dessen Bindungs-wirkung soll einheitlich das deutsche Recht als Staatsangehörig-keitsrecht des A gelten. Diese Rechtswahl vereinbaren wir, soweitrechtlich möglich, mit erbvertraglicher Bindungswirkung.

    (2) Ich, A, wähle außerdem für die Rechtsnachfolge von Todeswegen in mein gesamtes Vermögen das deutsche Recht als meinStaatsangehörigkeitsrecht.

    (3) Ich, B, wünsche keine Wahl meines derzeitigen Staatsange-hörigkeitsrechts, so dass auch meine Verfügungen in diesemErbvertrag auf dem deutschen Recht (als Recht des gewöhnlichenAufenthaltsorts) beruhen.

    Der Notar hat uns insbesondere auf Folgendes hingewiesen:

    – Für die Rechtsnachfolge von Todes wegen von B kommt deut-sches Recht nur zur Anwendung, wenn der gewöhnliche Aufent-haltsort zum Todeszeitpunkt noch unverändert in Deutschlandliegt; wird dieser ins Ausland verlegt oder wird nachträglich einausländisches Staatsangehörigkeitsrecht gewählt, können wesent-liche Ziele des Erbvertrags verfehlt werden.

    – Der Notar muss ausländisches Recht nicht kennen und hatdarüber auch nicht beraten, insbesondere auch nicht als inhalt-liche Alternative zum deutschen Recht. Wir entlassen ihn inso-weit aus jedweder Haftung.

    c) Zwei Deutsche bzw. ein deutscher und ein ausländischerStaatsangehöriger mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland

    Ohne ausdrückliche Rechtswahl käme es bezüglich der Wirk-samkeit des Erbvertrags gemäß Art. 25 Abs. 2 darauf an, ob undmit welchen Bindungswirkungen das Recht am gewöhnlichenAufenthaltsort der Beteiligten einen entsprechenden Erbvertragzulässt. Aufgrund der Staatsangehörigkeit eines Beteiligten kannaber wie in der vorhergehenden Fallvariante b) das deutscheRecht nach Art. 25 Abs. 3 gewählt werden.

    Ebenso kann jeder deutsche Staatsangehörige inhaltlich seinHeimatrecht wählen. Für die erbrechtlichen Verfügungen desausländischen Beteiligten kann aber weder durch den gewöhn-

    lichen Aufenthalt noch durch eine Rechtswahl das deutscheRecht zur Anwendung kommen. Auch wenn die Bindungswir-kung des Erbvertrags dem deutschen Recht unterliegt, könntendamit inhaltlich nur solche Verfügungen aufgenommen wer-den, die das ausländische Erbstatut inhaltlich zulässt.

    d) Zwei ausländische Staatsangehörige mit gewöhnlichemAufenthalt in Deutschland

    Die Form und die Bindung des deutschen Erbvertrags könnennach Art. 25 Abs. 2 künftig auch zur Verfügung stehen, wenn nurausländische Staatsangehörige beteiligt sind, die aber beide ihrengewöhnlichen Aufenthaltsort in Deutschland haben. Hat dagegennur einer von ihnen seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort beiVertragsabschluss im Ausland, muss kumulativ geprüft werden,ob auch dieses Recht (oder ein wählbares anderes Staatsangehörig-keitsrecht) den Erbvertrag materiell-rechtlich zulässt bzw. ob die-ser mit Bindungswirkungen, die beide beteiligten Rechte kennen,vereinbart werden kann. Eine bestätigende Rechtswahl zum Rechtdes gewöhnlichen Aufenthaltsorts ist dagegen nicht möglich,wobei aber Erläuterungen im Erbvertrag sinnvoll sein können, dieden gewöhnlichen Aufenthaltsort belegen.

    Auch inhaltlich kann wie bei einem Einzeltestament eines aus-ländischen Staatsangehörigen (vgl. oben Fallvariante B.I.2.c) aufdas deutsche Erbrecht abgestellt werden, wiederum kombiniertmit dem Hinweis, dass wesentliche Ziele des Erbvertrags verfehltwerden können, wenn ein Aufenthaltswechsel stattfindet.

    FORMULIERUNGSVORSCHLAGErbvertrag ohne Beteiligung eines deutschenStaatsangehçrigen:Ich, A, bin ausschließlich … Staatsangehörige. Ich, B, bin aus-schließlich … Staatsangehöriger. Wir haben beide unseren ge-wöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Diesen wollen wir auchdauerhaft beibehalten. (Gegebenenfalls nähere Erläuterung zumgewöhnlichen Aufenthaltsort)

    Unsere Verfügungen in diesem Erbvertrag sollen auf dem deut-schen Recht (als Recht unseres jeweiligen gewöhnlichen Aufent-haltsorts) beruhen. Eine Wahl des jeweiligen Staatsangehörig-keitsrechts wünschen wir ausdrücklich nicht.

    Der Notar hat uns insbesondere auf Folgendes hingewiesen:

    – Für die jeweilige Rechtsnachfolge von Todes wegen kommtdeutsches Recht nur zur Anwendung, wenn der gewöhnlicheAufenthaltsort zum Todeszeitpunkt jeweils noch unverändert inDeutschland liegt; wird dieser ins Ausland verlegt, oder wirdnachträglich ein ausländisches Staatsangehörigkeitsrecht ge-wählt, können wesentliche Ziele des Erbvertrags verfehlt werden.

    – Der Notar muss ausländisches Recht nicht kennen und hatdarüber auch nicht beraten, insbesondere auch nicht als inhalt-liche Alternative zum deutschen Recht. Wir entlassen ihn inso-weit aus jedweder Haftung.

    Dr. Felix Oderskyist Notar in Dachau und Fachredakteur derZeitschrift notar für das Erbrecht.E-Mail: [email protected]

    notar 1/2013 Odersky: Die Europäische Erbrechtsverordnung in der Gestaltungspraxis 9b

    eit

    ra

    gd

    es

    mo

    na

    ts

  • jahresrückblick

    Thomas Kilian

    RegisterrechtAktuelle Entwicklungen

    Im Berichtszeitraum wurden einige Gerichtsentscheidungen zuden durch das MoMiG entstandenen registerrechtlichen Streit-fragen verçffentlicht. Außerdem erging neue Rechtsprechung inden klassischen Schwerpunktbereichen Firmenrecht und interna-tionales Registerrecht sowie zu weiteren Themen. Verabschiedetwurde zudem die Richtlinie zur Verkn�pfung der Handels- undUnternehmensregister der Mitgliedstaaten, die noch in das deut-sche Registerrecht umgesetzt werden muss.

    A. Rechtsprechung

    I. Entscheidungen zur Auslegung des modernisiertenGmbH-Rechts mit Registerbezug

    Im Berichtszeitraum ist weiterführende Rechtsprechung zu Zwei-felsfragen des modernisierten GmbH-Rechts ergangen, d. h. Ent-scheidungen zur Gesellschafterliste nach § 40 GmbHG und zurGesellschaftsgründung im vereinfachten Verfahren nach § 2Abs. 1a GmbHG.

    1. Befugnis der Gesch�ftsf�hrer zur Berichtigung derGesellschafterliste

    Das OLG München1 beschäftigte sich mit der Frage, wie weit dieBerichtigungsbefugnis der Gesellschafter bezüglich der GmbH-Ge-sellschafterliste reicht. Außerdem äußerte es sich zur Reichweite desdurch das MoMiG geschaffenen § 5 Abs. 3 S. 2 GmbHG. Nachdiesem sogenannten Korrespondenzgebot muss die Summe derNennbeträge aller Geschäftsanteile mit der Summe des Stammkapi-tals einer GmbH übereinstimmen. Vorliegend ging es um die Be-richtigungeinerGesellschafterlisteausderZeitvordemInkrafttretendes MoMiG. Es sollte ein vor der Reform gefasster Geschäftsanteils-einziehungsbeschluss nachvollzogen werden. Die streitgegenständ-liche Liste wies eine Differenz zwischen Stammkapitalziffer undSumme der Nennbeträge aller aufgeführten Anteile in Höhe desNominalbetrages des eingezogenen Geschäftsanteils auf.

    Das OLG München hielt den Gesch�ftsf�hrer �ber den Wort-laut des § 40 Abs. 1 GmbHG hinaus f�r befugt, für die Berichti-gung technischer Defizite zu sorgen sowie eine inhaltliche Kor-rektur der Gesellschafterliste herbeizuf�hren, sofern dies mitBilligung der Gesellschafter erfolge. Sodann stellte das Gerichtfest, dass die berichtigte Liste nicht der erst am 1.11.2008 in Kraftgetretenen Vorschrift des § 5 Abs. 3 S. 2 GmbHG entsprechenmuss. Das neu geschaffene Gebot der Übereinstimmung derSumme aller Geschäftsanteile mit dem Stammkapital der GmbHgelte nicht für Sachverhalte vor Inkrafttreten des MoMiG. Bisdahin war über das Gründungsstadium hinaus keine Übereinstim-mung von Stammkapital und Summe der Geschäftsanteile vomGesetz gefordert. Mangels einer Übergangsregelung für Altfälleseien Veränderungen im Gesellschafterbestand vor dem Stichtagvielmehr an dem damals geltenden Recht zu messen. Für dieAnwendung des § 5 Abs. 3 S. 2 GmbHG auf Altfälle wäre nachAuffassung des Gerichts eine Überleitungsvorschrift unverzichtbargewesen. Die Reichweite des Divergenzgebotes ist damit aber nochnicht vollständig geklärt. Gegen eine Anwendbarkeit über dasGründungsstadium der GmbH hinaus hat etwa das SaarländischeOberlandesgericht in einem Verfahren der streitigen Gerichtsbar-keit entschieden.2 Ein Urteil im Revisionsverfahren gegen dieseEntscheidung3 ist im Berichtszeitraum leider nicht mehr ergangen.

    2. Gesellschafterliste mit Testamentsvollstreckervermerkunzul�ssig

    Anfang des Jahres 2012 wurde eine Entscheidung des OLGMünchen zu der Frage veröffentlicht, ob das Registergerichtberechtigt ist, eine Gesellschafterliste zurückzuweisen, die einenTestamentsvollstreckervermerk enthält.4 Im entschiedenen Fallreichte der GmbH-Geschäftsführer, nachdem ein Gesellschafterverstorben war, eine Gesellschafterliste ein, die anstelle des Erb-

    1 Beschl. v. 30.1.2012 – 31 Wx 483/11, notar 2012, 166.

    2 Beschl. v. 1.12.2011 – 8 U 315/10, NZG 2012, 180 f.3 BGH, Az: II ZR 6/12.4 Beschl. v. 15.11.2011 – 31 Wx 274/11, DNotZ 2012, 305.

    10 Kilian: Registerrecht notar 1/2013

  • lassers dessen Erben in Erbengemeinschaft als Gesellschafterauswies. Zudem enthielt die Liste im Anschluss an die Namender Erben einen Vermerk folgenden Wortlauts:

    Testamentsvollstreckung als Dauertestamentsvollstreckung ist angeordnet.

    Gemeinschaftlich zur Vertretung berechtigte Testamentsvollstrecker sind …

    Das Gericht schloss sich der Ansicht an, dass eine Aufnahmedes Testamentsvollstreckervermerks in die Gesellschafter-liste nicht mçglich ist, da es zum einen an einer ausreichendenrechtlichen Grundlage mangele und zum anderen keine Not-wendigkeit für einen solchen Vermerk bestehe.5

    Letzteres begründet das Gericht damit, dass der Inhalt der Gesell-schafterliste zwar den Erwerb eines Geschäftsanteils vom Nicht-berechtigten ermögliche. Gerade nicht geschützt sei aber der guteGlaube in Bezug auf die Existenz des Geschäftsanteils, seine Las-tenfreiheit und die Verfügungsbefugnis der aufgeführten Gesell-schafter sowie der gute Glaube an die freie Übertragbarkeit vonGeschäftsanteilen. Da ein Erwerber somit nicht auf die Befugnisdes Erben vertrauen kann, seinen Geschäftsanteil zu übertragen,ist ein Vermerk, der entsprechende Gutgläubigkeit ausschließensoll, nach Ansicht des Gerichts nicht erforderlich. Auch sonstseien keine Gründe ersichtlich, die bei der Abwägung des Bedürf-nisses des Rechtsverkehrs an einem entsprechenden Vermerkeinerseits und dem Grundsatz der Registerklarheit andererseitsfür einen solchen Vermerk sprechen. Dies begründet das Gerichtdamit, dass Gesellschafter einer GmbH keine Entscheidungsbefug-nisse haben, die für das Verhältnis der Gesellschaft gegenüberDritten von Bedeutung sind. Gerade darauf komme es aber an,wenn die Publizitätsfunktion der Gesellschafterliste ein Erforder-nis der Eintragung darstellen solle. Das letztgenannte Argumentsteht im Widerspruch zu der am 15.2.2012 ergangenen Entschei-dung des BGH, wonach die für eine Kommanditbeteiligung an-geordnete Dauertestamentsvollstreckung eintragungsfähig ist(wiedergegeben unter A.IV.9. dieses Jahresberichts). Da das OLGMünchen in seiner Entscheidung ausdrücklich auf den die Ein-tragungsfähigkeit bei der Kommanditgesellschaft verneinendenBeschluss des Kammergerichts6 als Argumentationshilfe Bezugnimmt, kann die Frage als offen bezeichnet werden, bis der BGHGelegenheit zur Entscheidung erhält.

    3. Ankn�pfung an die aktuellste Gesellschafterliste

    Das OLG München7 beschäftigte sich außerdem mit der Auslegungdes § 40 Abs. 2 GmbHG, wenn die zuletzt in den Registerordneraufgenommene Liste auf einen früheren Stichtag Bezug nimmt alseine davor aufgenommene Liste („�berschneidungsfall“).

    Beispiel:– Liste der Gesellschafter Stand: 27.2.2008 (Aufnahmedatum: 10.2.2011)

    – Liste der Gesellschafter Stand: 30.12.2010 (Aufnahmedatum: 9.2.2011)

    Nach dem Wortlaut der Norm hat die vom Notar einzureichendeGesellschafterliste mit dem Inhalt der zuletzt im Handelsregisteraufgenommenen Liste übereinzustimmen. Nach Ansicht des OLGMünchen kann dies jedoch nicht gelten, wenn die zuletzt in denRegisterordner aufgenommene Liste zeitlich gesehen nicht dieaktuellste ist. Der Notar habe an die Liste mit dem aktuellstenStichtag anzuschließen, damit der Gesetzeszweck erreicht werdenkann, der darin besteht, den Gesellschaftsbestand transparent zumachen. Demnach ist der Wortlaut des § 40 Abs. 2 S. 2 GmbHGin den Überschneidungsfällen teleologisch zu reduzieren.

    4. Wer ist f�r die Gesellschafterliste zust�ndig, wenn dieAnteilsabtretung vor Inkrafttreten des MoMiG stattfand?

    Das KG8 bestätigte die herrschende Auffassung in der Literatur,9

    wonach nicht der beurkundende Notar, sondern der aktuelleGesch�ftsf�hrer einer GmbH zur Einreichung einer Gesellschaf-terliste zum Handelsregister verpflichtet ist, wenn die zugrunde-liegende Abtretung der Geschäftsanteile vor dem Inkrafttretendes MoMiG erfolgt ist. Demnach ist der Notar erstmals dannzur Listeneinreichung verpflichtet, wenn er nach Inkrafttretendes MoMiG an einer Ver�nderung der Beteiligungsverhältnissemitgewirkt hat.

    PRAXISTIPPZust�ndigkeit bei Reparatur von Altf�llen:Ein interessanter Teilaspekt der Entscheidung darf in der Praxisnicht übersehen werden. Zur Einreichung der Liste muss nichterst der im Zeitpunkt der Anteilsabtretung amtierende Ge-schäftsführer ermittelt und gegebenenfalls ausfindig gemachtwerden. Zuständig ist der im Zeitpunkt der Listeneinreichungamtierende Geschäftsführer. Dies ist eine erhebliche Erleichte-rung für die Praxis.

    II. Internationales RegisterrechtNach § 13g Abs. 5 HGB ist von den Geschäftsführern einer aus-ländischen Rechtsträgergesellschaft jede Änderung in der Personder Geschäftsführer zum Handelsregister der deutschen Zweignie-derlassung anzumelden und durch Urkunden im Sinne des § 39Abs. 2 GmbHG nachzuweisen. Neben den sonstigen persönlichenAngaben des neuen Organmitglieds ist ferner eine Versicherung�ber das Nichtbestehen von Bestellungshindernissen entspre-chend § 6 Abs. 2 S. 2 und 3 GmbHG erforderlich. Diese Erschwer-nis im Vergleich zur Rechtslage vor Inkrafttreten des MoMiG zieltan sich auf „Scheinauslandsgesellschaften“,10 trifft aber in glei-chem Maß die Organmitglieder etablierter und im Ausland aktiverGesellschaften und kann dort auf Unverständnis stoßen. Einensolchen Fall hatte das Kammergericht zu entscheiden. Da § 8 Abs. 3S. 2 GmbHG die Belehrung über die Bestellungshindernisse auchdurch einen ausländischen Notar oder einen Konsularbeamtenermöglicht, ist diese Gesetzesverschärfung hinzunehmen. Einedagegen gerichtete Beschwerde wies das KG daher zurück.11

    III. FirmenrechtFirmenrechtlich war es ein ruhiges Jahr. Hinzuweisen ist auf dieEntscheidung des OLG Celle12 zu der Frage, ob bei �nderungder Firma der Komplement�r-GmbH einer GmbH & Co. KGeine Pflicht der KG zur Anmeldung der Firmenänderung besteht.Das Gericht entschied sich unter Berufung auf § 107 HGB gegeneine Anmeldepflicht. Dort sei nicht festgelegt, dass auch danneine Anmeldung erfolgen müsse, wenn sich lediglich die Firma(d. h. der Name) eines Gesellschafters, nicht aber die Firma derGesellschaft selbst ändere. Ebenso wie bei der Änderung desNamens einer natürlichen Person, die Gesellschafter einer Per-sonengesellschaft ist, sei das Register von Amts wegen – gegebe-nenfalls auf Anregung eines Beteiligten – gemäß § 17 HRV zuberichtigen.

    5 DNotZ 2012, 305, 307.6 Beschl. v. 4.7.1995 – 1 W 5374/92, DNotZ 1996, 813.7 Beschl. v. 26.1.2012 – 31 Wx 13/12, DNotZ 2012, 473.

    8 Beschl. v. 23.2.2012 – 25 W 97/11, DNotZ 2012, 555.9 Wachter, ZNotP 2008, 378, 392; Michalski/Terlau, GmbHG, 2010, § 40

    Rn 46.10 BT-Drucks 16/6140, S. 49 f.11 Beschl. v. 7.2.2012 – 25 W 5/12, DNotZ 2012, 791.12 Beschl. v. 18.9.2012 – 9 W 124/12; bisher unveröffentlicht, abrufbar

    auf der Webseite des DNotI.

    notar 1/2013 Kilian: Registerrecht 11ja

    hr

    es

    rü

    ck

    blic

    k

  • PRAXISTIPPAnmeldung der KG weiterhin empfohlen:Da es gute Argumente für die gegenteilige Auffassung gibt,13 istbis zu einer Klärung der Frage durch den BGH davon auszuge-hen, dass die Registergerichte weiterhin eine Anmeldepflichtder KG bejahen.

    Erwähnt werden soll zudem eine Entscheidung des OLG Mün-chen zur Verwendung von Phantasiepersonenfirmen. Es gingum die Eintragung der Firma „E. D. e. K.“ in das Handelsregister.Der Firmenname „E. D.“ entsprach nicht dem bürgerlichen Na-men des Kaufmanns. Das Registergericht wies die Anmeldungzurück, da ein Verstoß gegen das Irreführungsverbot aus § 18Abs. 2 HGB vorliege. Es werde auf den Namen „E. D.“ Bezuggenommen, daher sei weder eine Phantasiefirma noch eineMischform zwischen Sach- und Phantasiefirma gegeben. DerName stehe in keinerlei Bezug zum Firmeninhaber. Es handelesich um eine Firmenbildung mit dem Namen eines Dritten. DasRegistergericht argumentierte, dass die Verwendung des Namenseiner Person, die nicht an dem Unternehmen beteiligt sei, jeden-falls bei einer Einzelfirma regelmäßig zur Irreführung über wesent-liche Geschäfte geeignet ist. Dem trat das OLG München mit demArgument entgegen, dass mit dem liberalisierten Firmenrecht denUnternehmern größere Wahlmöglichkeiten bei der Bildung aus-sagekräftiger und werbewirksamer Firmen eingeräumt wordensind. Daher sind auch Phantasie-, Sach- und Personenfirmenoder Mischformen zul�ssig. Die Verwendung des Namens einertatsächlich nicht existierenden Person in der Firma berge dahernach aktuellem Recht keine relevante Irreführungsgefahr.

    IV. Weitere Entscheidungen1. Betragsm�ßige �bereinstimmung eines Kapitalherab-

    setzungsbeschlusses mit der Bekanntmachung imBundesanzeiger

    Das OLG München14 hatte auch über einen Fall zu entscheiden,in welchem der Vollzug folgender GmbH-Kapitalherabsetzungim Register im Streit stand:

    Das Stammkapital der Gesellschaft ist von E 256.000 um E 231.000 auf

    E 25.000 herabgesetzt worden. § 3 Abs. (1) des Gesellschaftsvertrages

    wurde entsprechend geändert und neu gefasst.

    Die zuvor rechtzeitig im elektronischen Bundesanzeiger verlaut-barte Bekanntmachung des Kapitalherabsetzungsbeschlusseslautet wie folgt:

    Das Stammkapital der Gesellschaft ist von E 256.000 um E 230.645,94 E

    auf E 25.000 E herabgesetzt. Die Gläubiger der Gesellschaft werden auf-

    gefordert, sich bei der Gesellschaft zu melden.

    Das Gericht lehnte die Eintragung der Kapitalherabsetzung ab, dader Beschluss über die Herabsetzung des Stammkapitals inhaltlichfalsch bekannt gemacht worden war. In der Bekanntmachungsei der Herabsetzungsbetrag zu niedrig beziffert. Da die Anmel-dung erst nach Ablauf eines Jahres nach ordnungsgemäßer Be-kanntmachung erfolgen dürfe, bestehe ein Eintragungshindernis.Die öffentliche Bekanntmachung des Kapitalerhöhungsbeschlus-ses nach § 58 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG soll u. a. den Gefahren für dieGläubiger Rechnung tragen.15 Sie dient damit dem Gläubiger-schutz. Im Hinblick darauf muss der Inhalt des bekannt gemach-ten Kapitalherabsetzungsbeschlusses aus sich selbst heraus ver-

    ständlich, eindeutig und zweifelsfrei gefasst sein. Aus diesemGrund darf es nicht darauf ankommen, wie der bekannt gemachteBeschluss auszulegen sei, das heißt, es muss klar sein, wie hoch dasStammkapital künftig ist. Die Kapitalherabsetzung war daher erstnach erneuter (richtiger) Bekanntmachung eintragungsfähig. So-mit war das Sperrjahr erneut abzuwarten.

    PRAXISTIPPEinstellung des Papierbundesanzeigers:Durch das „Gesetz zur Änderung von Vorschriften über Ver-kündung und Bekanntmachungen sowie der Zivilprozessord-nung, des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozess-ordnung und der Abgabenordnung“ vom 22.12.201116 wurdezum 1.4.2012 der „elektronische Bundesanzeiger“ in „Bundes-anzeiger“ umbenannt. Zugleich wurde die gedruckte Fassungdes Bundesanzeigers eingestellt. Veröffentlichungen erfolgenseit diesem Zeitpunkt nur noch elektronisch. Der Bundesanzei-ger ist unter www.bundesanzeiger.de kostenfrei abrufbar.

    2. Gebot der �bereinstimmung der inl�ndischenGesch�ftsanschrift mit dem Sitz der Personengesellschaft

    Einem Beschluss des OLG Schleswig17 lag die Frage zu Grunde, obeine GmbH & Co. KG ihren Sitz in eine andere Gemeinde verlegenund dabei die bisherige, im Register eingetragene Geschäfts-anschrift am alten Sitzort beibehalten kann. Das Gericht verneintediese Frage mit der Begründung, dass sich aus den Gesetzesmate-rialien zum MoMiG ergebe, dass eine freie Wahl der inl�ndi-schen Gesch�ftsanschrift bei Personenhandelsgesellschaftenund Einzelkaufleuten anders als bei den Kapitalgesellschaften ge-rade nicht gewollt gewesen und damit unzul�ssig sei. Durch dieVeröffentlichung einer frei gewählten inländischen Geschäfts-anschrift würde die beabsichtigte – wegen Fehlens der nur fürKapitalgesellschaften geltenden flankierenden Vorschriften überdie öffentliche Zustellung (§ 185 Nr. 2 ZPO, § 15a HGB) –, bloßfaktisch wirkende Zustellungserleichterung gerade nicht erreicht.Die Veröffentlichung einer Anschrift, unter der tatsächlich keinVertreter der Gesellschaft erreichbar ist, würde etwaige Gläubigerder Gesellschaft vielmehr in die Irre leiten. Die Konsequenzen ausder falschen Angabe der Geschäftsanschrift würden wegen derfehlenden Möglichkeit der öffentlichen Zustellung an die einge-tragene Anschrift anders als bei den Kapitalgesellschaften nicht dieGesellschaft treffen, sondern die Gläubiger, die sich auf die Richtig-keit der registrierten Anschrift verlassen.

    3. Betreuungsgeb�hr f�r Erstellung der GmbH-Gesell-schafterliste und Einholung der firmenrechtlichenUnbedenklichkeitsbescheinigung der IHK

    Wie bereits im Jahresrückblick zum Kostenrecht berichtet, hatteder BGH18 Gelegenheit zur Rechtmäßigkeit der Betreuungs-gebühr im Gesellschaftsrecht Stellung zu nehmen. Konkret ginges um die Frage, ob für die Erstellung der GmbH-Gesellschafter-liste und die Einholung der Stellungnahme der zuständigenIndustrie- und Handelskammer zur firmenrechtlichen Unbe-denklichkeit eine Gebühr nach § 147 KostO anfällt.

    Der BGH entschied, dass einem Notar, der die Gründung einerGmbH beurkundet, für die Fertigung der Gesellschafterliste nach§ 8 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG nach der Rechtslage vor Inkrafttretendes MoMiG keine Betreuungsgeb�hr zusteht. Bei der Erstellungder Gesellschafterliste handele es sich um eine Vollzugstätigkeitzum Beurkundungsgeschäft, für die der Notar neben der Beur-kundungsgebühr grundsätzlich nur dann eine weitere Gebühr

    13 Krafka/Willer/Kühn, Registerrecht, 8. Aufl., Rn 182.14 Beschl. v. 4.4.2011 – 31 Wx 131/11, notar 2012, 410.15 Ebenso Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, 19. Aufl., § 58 Rn 3;

    Lutter/Hommelhoff/Lutter, GmbHG, 17. Aufl., § 58 Rn 3.

    16 BGBl I 2011, 3044 ff.17 Beschl. v. 14.11.2011 – 2 W 48/11, notar 2012, 205.18 Beschl. v. 14.2.2012 – II ZB 18/10, notar 2012, 209.

    12 Kilian: Registerrecht notar 1/2013ja

    hr

    es

    rü

    ck

    bli

    ck

  • erhalte, wenn die besonderen Voraussetzungen des § 146 Abs. 3KostO erfüllt sind.

    Der BGH f�hrte jedoch ergänzend aus, dass eine andere Beur-teilung f�r die Zeit ab dem Inkrafttreten des MoMiG inErw�gung zu ziehen sei, da dem Inhalt der Gesellschafter-liste nunmehr eine grçßere Bedeutung zukommt (vgl. §§ 16,40 GmbHG n. F.).

    Diesbezüglich liegt inzwischen eine Entscheidung des OLGHamm vor, wonach dem Notar f�r die Fertigung einer nach § 40Abs. 2 S. 1 GmbHG bescheinigten Gesellschafterliste eineBetreuungsgeb�hr nach § 147 Abs. 2 KostO zusteht.19

    Der BGH entschied darüber hinaus, dass f�r die auftragsgemäßeEinholung der firmenrechtlichen Unbedenklichkeitsstellung-nahme der IHK eine Betreuungsgeb�hr nach § 147 Abs. 2KostO anf�llt. Der Ausschlusstatbestand des § 147 Abs. 3 KostOist hier nicht erfüllt, weil die Einholung der Unbedenklichkeits-stellungnahme anders als die Erstellung der Gesellschafterlistekein gebührenfreies Nebengeschäft nach § 35 KostO darstellt.

    4. Anspruch auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billig-keitsgr�nden bei versp�teter Eintragung der Handelsregis-teranmeldung aufgrund Serverfehlers im Bereich der Justiz

    In einem vom FG Düsseldorf20 entschiedenen Fall hatte eineGmbH am 16.11.2007 mit ihrer alleinigen Gesellschafterineinen notariell beurkundeten Ergebnisabf�hrungsvertrag(EAV) geschlossen, in dem sie sich verpflichtete, erstmals für dasab dem 1.1.2007 laufenden Geschäftsjahr ihren gesamten Ge-winn an ihre Gesellschafterin abzuführen. Der EAV wurde nebstZustimmungsbeschlüssen der beteiligten Gesellschaften, Han-delsregisteranmeldung und Begleitschreiben am 10.12.2007durch den beurkundenden Notar im Wege der elektronischenRegisteranmeldung zur Eintragung in das Handelsregister über-mittelt und ging dort am selben Tag auf dem Server des Justiz-ministeriums ein. Aufgrund einer technischen Panne bei derWeiterverarbeitung der eingegangenen Daten wurden die An-meldedokumente zunächst nicht an das zuständige Registerge-richt weitergeleitet. Erst am 7.1.2008 wurde der EAV in dasHandelsregister eingetragen. Die Eintragungsvoraussetzungenfür den EAV lagen aber nachweislich bereits am 13.12.2007 vor.

    Das Finanzamt lehnte den Antrag der GmbH auf Herabsetzungder Vorauszahlungen zur Körperschaftsteuer und des Gewer-besteuermessbetrags für Vorauszahlungszwecke für das Streitjahr(2007) auf Null ab. Als Begründung wurde angeführt, dass derEAV erst mit der Eintragung im Jahr 2008 wirksam geworden sei.Das FG Düsseldorf gab dem Antrag auf Steuerfestsetzung ge-m�ß § 163 AO statt. Begründet wurde dies damit, dass eineSteuerfestsetzung wegen der Nichtanerkennung des EAV offen-kundig unbillig sei, da die steuerpflichtige GmbH die verspäteteHandelsregistereintragung nicht zu vertreten habe. Über diegegen dieses Urteil eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde desFinanzamts hat der BFH21 leider nicht in der Sache entschieden,jedoch obiter dictum erkennen lassen, dass er die Entscheidungdes Finanzgerichts für richtig hält.

    PRAXISTIPPAnmeldung von Unternehmensvertr�gen:Entspricht das Wirtschaftsjahr der Gesellschaft dem Kalenderjahr,so muss die Anmeldung des Unternehmensvertrages zum Han-delsregister so rechtzeitig erfolgen, dass die Eintragung bis zum

    31.12. erfolgt, damit der Vertrag steuerlich ab dem 1.1. desFolgejahres gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 KStG anerkannt wird. Nacheiner Entscheidung des OLG München soll darüber hinaus auchdie Beendigung eines Gewinnabführungs- und Beherrschungs-vertrages nur zum (Geschäfts-)Jahresende erfolgen können.22

    5. Funktion „Sprecher der Gesch�ftsf�hrung“ bei der GmbHnicht eintragungsf�hig

    Der Entscheidung des OLG München23 lag folgende Register-anmeldung einer GmbH zugrunde:

    Zum weiteren Geschäftsführer der Gesellschaft wurde S. G. bestellt. Die

    Vertretung durch den neuen Geschäftsführer ist geregelt wie folgt: … R. L.

    bisher bereits Geschäftsführer der Gesellschaft, ist jetzt Sprecher der Ge-

    schäftsführung.

    Das Gericht verneint die Eintragungspflichtigkeit und die Eintra-gungsfähigkeit der Sprecherfunktion. Es begründet dies damit, dassweder das GmbHG die Stellung eines „Sprechers der Geschäfts-führung“ kenne noch § 43 Ziff. 4 Handelsregisterverordnung(HRV) eine Eintragungspflicht für eine solche Funktion vorsehe.Auch f�r eine entsprechende Anwendung der für eine AG bzw.eine SE (Europäische Aktiengesellschaft) geltenden Regelung in§ 43 Ziff. 4b HRV, wonach der Vorsitzende des Vorstandes bzw.des Leitungsorgans bei der Eintragung besonders zu bezeichnen ist,sei kein Raum. Die sachliche Rechtfertigung hierfür liegt allein in§ 84 Abs. 2 AktG. Das GmbHG kennt dagegen eine herausgeho-bene Stellung eines von mehreren Mitgliedern des Vertretungs-organs nicht. Das Handelsregister hat auch nicht die Aufgabe,sonstige Rechtsverhältnisse der Unternehmer und Unternehmendarzustellen, insbesondere nicht solche internen Verhältnisse, diez. B. auf die Vertretung des Rechtsträgers durch Organe oderProkuristen keinen Einfluss haben. Insbesondere darf das Handels-register durch solche Eintragungen nicht unübersichtlich werdenoder zu Missverständnissen Anlass geben. Letzteres lässt sich nachAuffassung des Gerichts bei einer Eintragung der Funktion „Spre-cher der Geschäftsführung“ aber nicht ausschließen.

    6. Erweitertes Pr�fungsrecht des Registergerichts beiSatzungs�nderung eines Vereins

    Im Berichtszeitraum erging eine erste Entscheidung zur neugefassten Vorschrift des § 71 Abs. 1 S. 3 BGB durch das OLGMünchen.24 Nach dieser Vorschrift sind der Anmeldung bei einerSatzungsänderung nunmehr eine Abschrift des die Änderungenthaltenden Beschlusses und der vollständige Wortlaut derSatzung beizufügen. Dabei müssen die geänderten Bestimmun-gen mit dem Beschluss über die Satzungsänderung, die unverän-derten Bestimmungen mit dem zuletzt eingereichten vollständi-gen Wortlaut der Satzung und – wenn die Satzung geändertworden ist, ohne dass eine vollständige Fassung eingereichtwurde – auch mit den zuvor eingetragenen Änderungen überein-stimmen (§ 71 Abs. 1 S. 4 BGB). In formeller Hinsicht muss daherfür einen Vollzug der zur Eintragung angemeldeten Satzungs-änderung zusätzlich zum Änderungsbeschluss eine vollständigeaktuelle Satzungsfassung eingereicht werden. Dabei muss die„Satzungshistorie“ korrekt sein.25 Interessant ist, dass das OLGMünchen dem Registergericht in seiner Entscheidung das Rechtzuerkennt und die Pflicht auferlegt, zu prüfen, ob der einge-reichte Wortlaut der Satzung tatsächlich der aktuellen Fassungentspricht.

    19 Beschl. v. 31.5.2012 – 15 W 687/10, MittBayNot 2012, 510.20 Beschl. v. 17.5.2011 – 6 K 3100/09, zitiert nach juris.21 Beschl. v. 23.4.2012 – I B 100/11, zitiert nach juris.

    22 Beschl. v. 16.3.2012 – 31 Wx 70/12, DNotZ 2012, 635.23 Beschl. v. 5.3.2012 – 31 Wx 47/12, DNotZ 2012, 557.24 Beschl. v. 15.9.2011 – 31 Wx 363/11, MittBayNot 2012, 58.25 Palandt/Ellenberger, § 71 Rn 2.

    notar 1/2013 Kilian: Registerrecht 13ja

    hr

    es

    rü

    ck

    blic

    k

  • 7. Berichte bei Vereinsverschmelzung

    Das OLG Bamberg26 bestätigte in einer Entscheidung die h. M.,dass bei der Vereinsverschmelzung auch dann gemäß § 8 Abs. 1S. 1 UmwG Verschmelzungsberichte beider Vereine vorgelegtwerden müssen, wenn alle den Verschmelzungsbeschluss fas-senden Mitglieder auf dessen Erstellung zu notarieller Urkundeverzichtet haben. Anders ist dies nur, wenn alle Anteilsinhabereine notariell beurkundete Verzichtserklärung abgegeben haben.Für eingetragene Vereine bedeutet dies, dass entsprechende Erklä-rungen aller – nicht nur der in der Mitgliederversammlung erschie-nenen – Vereinsmitglieder erforderlich sind. Denn nur dies ent-spricht dem Schutzzweck der durch § 8 Abs. 1 UmwG statuiertenBerichtspflicht, die durch eine ausführliche Vorabinformation je-des einzelne Mitglied in die Lage versetzen soll, über die Ver-schmelzung in Kenntnis aller für das Vorhaben maßgebendenUmstände sachgerecht abzustimmen. Im entschiedenen Fall wa-ren in den Mitgliederversammlungen aber nur jeweils ein Bruchteilder Vereinsmitglieder anwesend. Die von diesen abgegebene Ver-zichtserklärung war für § 8 Abs. 3 UmwG unzureichend.

    8. Negative Abfindungsversicherung bei Sonderrechts-nachfolge in Kommanditanteil

    In einer Entscheidung des OLG Nürnberg27 ging es um das Erfor-dernis der negativen Abfindungsversicherung bei der Anmeldungder Sonderrechtsnachfolge in einen Kommanditanteil. Durch dieForderung nach einer „negativen Abfindungsversicherung“ wirdsichergestellt, dass das Registergericht das für eine Sonderrechts-nachfolge wesentliche, sie von dem bloßen gleichzeitigen Austritteines bisherigen und dem Eintritt eines neuen Kommanditistenunterscheidende, tatbestandliche Merkmal feststellen kann. DasErfordernis einer Abfindungsversicherung, die nach außen deut-lich macht, dass es sich um eine Übertragung der Mitgliedschaftohne jegliche Bestandsänderung gehandelt hat, ist deshalb recht-mäßig. Solange die Eintragung des Nachfolgevermerks die Haf-tungsverhältnisse des Anteilsveräußerers verändern kann, bestehtauch ein Bedürfnis für die Abfindungsversicherung. Das Gerichtstellte weiter klar, dass eine Erkl�rung verlangt werden könne,dass „keinerlei Abfindung“ bezahlt worden sei. Dieses durch dasReichsgericht28 begründete „standardisierte registerrechtliche Ver-fahren“ ist vom Bundesgerichtshof bestätigt worden.29 Nicht zu-zustimmen ist dem Postulat des OLG Nürnberg, dass die negativeAbfindungsversicherung von sämtlichen Gesellschaftern der KGabzugeben sei. Richtig ist, dass die Erklärung von sämtlichenKomplementären sowie durch den übertragenden Kommanditis-ten abgeben werden muss.30 Manche Registergerichte verlangenzudem eine Versicherung des Erwerbers, dass keine Abfindunggezahlt oder versprochen wurde.

    FORMULIERUNGSVORSCHLAGNegative Abfindungsversicherung:Der persönlich haftende Gesellschafter und der ausscheidendeKommanditist versichern, dass dem ausscheidenden Kommandi-tisten von Seiten der Gesellschaft keinerlei Abfindung für die vonihm aufgegebenen Rechte aus dem Gesellschaftsvermögen ge-währt oder versprochen worden ist.

    9. Eintragungsf�higkeit der Dauertestamentsvollstreckung�ber den Nachlass eines Kommanditisten

    Der BGH31 hatte im Berichtszeitraum über die Zulässigkeit derfolgenden Eintragung in das Handelsregister einer GmbH & Co.KG für die Erben einer Kommanditbeteiligung zu entscheiden:

    Der Gesellschafter J. B. ist verstorben. Seine Beteiligung ist auf die Erben-

    gemeinschaft, bestehend aus R. B. und M. B., im Wege der Gesamtrechts-

    nachfolge übergegangen. Es ist Testamentsvollstreckung angeordnet.

    Der BGH ließ in seiner Entscheidung die Eintragung eines Testa-mentsvollstreckervermerks für Fälle zu, in denen Dauertesta-mentsvollstreckung gemäß § 2209 BGB angeordnet ist. In diesenFällen bestehe ein schutzwürdiges Bedürfnis des Rechtsverkehrs,durch das Handelsregister über die angeordnete Dauertesta-mentsvollstreckung informiert zu werden.

    B. EU-Richtlinie zur Verkn�pfung der Unterneh-mensregister

    Ausgehend von der liberalen Rechtsprechung des Europ�i-schen Gerichtshofs zur Niederlassungsfreiheit der Kapitalgesell-schaften32 und der Fortentwicklung des sekund�ren Gemein-schaftsrechts, das mehr und mehr eine Zusammenarbeit derverschiedenen Registergerichte voraussetzt,33 wurde im Jahr2010 ein Richtlinienentwurf veröffentlicht mit dem Ziel, dienationalen Handels- und Unternehmensregister zu vernetzen.34

    Dieser erste Entwurf berücksichtigte nur unzureichend, dass diederzeitigen Registerstandards in der EU sehr unterschiedlichsind.35 Während des Gesetzgebungsverfahrens flossen die von denMitgliedstaaten geäußerten Bedenken in einen Kompromissvor-schlag des Rates ein, der nun weitgehend Gesetz geworden ist.36

    Damit ist die Änderungsrichtlinie auf das für eine Erleichterungder innereuropäischen Registerzusammenarbeit erforderliche Maßzugeschnitten worden. Es wurde insbesondere ausdrücklich fest-geschrieben, dass es kein zentrales europ�isches Handelsregis-ter und keine Paralleldatenbank neben den nationalen Registerngeben wird. Die europäische Registerplattform soll überdies wederden Inhalt der in den inländischen Registern gespeicherten Datenzu Gesellschaften noch die durch das System der Registervernet-zung übertragenen Daten ändern können.

    Weiterhin wurde ausdr�cklich normiert, dass das Handelsregis-ter der Zweigniederlassung sein eigenes nationales Verfahrens-recht auf die Löschung der Zweigniederlassung anzuwendenhat, wenn es von einem ausländischen Register über die Lö-schung der Muttergesellschaft informiert wurde. Eine Anwendungder Richtlinie auf Zweigniederlassungen von Gesellschaften mitSitz außerhalb der EU wurde zudem ausgeschlossen.

    Der neue Gesetzgebungsakt schafft keine neue Richtlinie, son-dern ändert drei bereits existierende Richtlinien ab. Nachfol-gend werden die einzelnen �nderungen dargestellt.

    26 Beschl. v. 18.6.2012 – 6 W 26/12, FGPRax 2012, 209.27 Beschl. v. 26.6.2012 – 12 W 688/12, FGPRax 2012, 211.28 DNotZ 1944, 195.29 Beschl. v. 19.9.2005 – II ZB 11/04, DNotZ 2006, 135.30 KG FGPrax 2009, 177, Beschl. v. 28.4.2009 – 1 W 389/08; OLG

    Zweibrücken, Beschl. v. 14.6.2000 – 3 W 92/00, RPfleger 2002, 156;noch enger: Krafka/Willer/Kühn, Registerrecht, 8. Aufl., Rn 750, Kom-plementäre in vertretungsberechtigter Zahl und veräußernder Kom-manditist.

    31 Beschl. v. 14.2.2012 – II ZB 15/11, notar 2012, 204.32 EuGH, Urt. v. 9.3.1999 – C-212/97 – Slg. I-1459 – Centros; Urt. v.

    5.11.2002 – C-208/00 – Slg. I-9919 – Überseering; Urt. v. 30.9.2003 –C-167/01 – Slg. I-10155.

    33 RL 2005/56/EG (Richtlinie über grenzüberschreitende Fusionen), RL89/666/EWG (Richtlinie über die Offenlegung von Zweigniederlas-sungen), VO (EG) 2157/2001 (Verordnung über die EuropäischeAktiengesellschaft).

    34 KOM(2011) 79 endg. vom 24.2.2011; siehe auch notar 2012, 302 ff.35 Vgl. nur die Kurzdarstellungen zum ausländischen Handelsregister-

    recht in Schmidt-Kessel/Leutner/Brunnschweiler, Handelsregisterrecht,S. 405 ff.

    36 Beschl. des Rates v. 10.5.2012.

    14 Kilian: Registerrecht notar 1/2013ja

    hr

    es

    rü

    ck

    bli

    ck

  • I. �nderung der Publizit�tsrichtlinieZunächst ist eine Anpassung der Publizitätsrichtlinie37 vorgesehen.Hier wurde eine Bestimmung eingefügt, wonach Registereintra-gungen in der Regel innerhalb von 21 Tagen nach Änderungeiner eintragungspflichtigen Tatsache zu aktualisieren sind.38

    Zudem erhalten alle Kapitalgesellschaften eine europaweit ein-heitliche Handelsregisternummer („Kennung“), um ihre Ermitt-lung auf europäischer Ebene zu erleichtern. Diese einheitlicheRegisternummer ist nicht zum Gebrauch im Rechtsverkehrbestimmt. Die Gesellschaften müssen weiterhin ihre inländischeRegisternummer für Kommunikationszwecke (Geschäftsbriefe,E-Mail usw.) benutzen.39

    Außerdem soll der grenzübergreifende Zugang zu einem einheit-lichen Mindestsatz an Unternehmensinformationen ermöglichtwerden. Dazu werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, be-stimmte Registereintragungen und Urkunden zur Verçffent-lichung im europ�ischen E-Justice-Portal zur Verf�gung zustellen. Zudem müssen die Mitgliedstaaten allgemein und aktu-ell erläutern, wie rechtsverbindlich die eingetragenen Unterneh-mensinformationen nach dem jeweils anwendbaren nationalenGesellschaftsrecht sind, insbesondere in welchem Umfang sichDritte auf die Registereintragungen und hinterlegte Urkundenberufen können („öffentlicher Glaube“).40 Schließlich wird dasHeimatregister verpflichtet, die registerführenden Stellen deranderen Mitgliedstaaten über das System der Registervernet-zung unverzüglich zu benachrichtigen, wenn ein Insolvenz-oder Liquidationsverfahren über das Vermögen einer Gesell-schaft erçffnet wurde, und darüber, dass es beendet wurde. EineInformationspflicht gibt es künftig auch, wenn die Lçschungaus dem Heimatregister erfolgt, sofern dies für die Gesellschaftnach ihrem Heimatrecht rechtserheblich ist.41

    II. �nderung der ZweigniederlassungsrichtlinieAußerdem wird die Zweigniederlassungsrichtlinie42 dahingehendgeändert, dass auch jede Zweigniederlassung einer Kapitalgesell-schaft eine europaweit einheitliche Kennung (Handelsregister-nummer) bekommt, die ihre zweifelsfreie Ermittlung sowie Rück-schlüsse auf die Identität der Muttergesellschaft ermöglichenmuss. Auch diesbezüglich stellt die Richtlinie klar, dass diese neueNummer nicht an die Stelle der bisherigen nationalen Kennungtreten soll und nicht zur Verwendung im Rechtsverkehr gedachtist. Sie dient nur internen Zwecken der Registerkommunikation.43

    Zudem wird das Register einer ausländischen Zweigniederlassungdazu verpflichtet, dem gemeinsamen Registerportal der EU aufelektronischem Wege mitzuteilen, dass ein Insolvenz- oder Liqui-dationsverfahren über das Vermögen einer Gesellschaft eröffnetund dass es beendet wurde, ferner, sofern für die Gesellschaft nachihrem Heimatrecht rechtserheblich, deren Löschung aus dem Hei-matregister. Positiv hervorzuheben ist, dass die Entscheidung da-r�ber, wie nach Eingang einer solchen Mitteilung beim Regis-ter der Zweigniederlassung verfahren wird, das heißt, ob ihrRechtsverbindlichkeit zugestanden oder ob sie lediglich als unver-bindliche Information betrachtet wird, den Mitgliedstaaten �ber-lassen wird.

    III. �nderung der FusionsrichtlinieDie im Kommissionsentwu


Recommended