NIMMERWIEDERMEHR DAS KINDERKRANKENHAUS VON … · Luftaufnahmen vor den Bombennächten. Szene in...

NIMMERWIEDERMEHR DAS KINDERKRANKENHAUS VON ROTHENBURGSORT Musical von Mario Stork und Dirk Schattner Textfassung Alsterdorf für 8. Mai 2019 Songlist

1. Opening 2. Nimmerwiedermehr 3. Das, was war 4. Für dich da zu sein 5. Das wilde Leben 6. Märchen deines Lebens 7. Märchenlied 1 8. Ein bisschen Zeit 9. Es brennt 10. Wenn ich mir was wünschen dürfte 1 und 2 11. Märchenlied 2 12. Ich war da 13. Klagelied 14. Das was war/ Nimmerwiedermehr 15. Märchenlied 3 16. Was kann ein Lied 17. Finale

Stork/ Schattner: NIMMERWIEDERMEHR, Alsterdorf Mai 2019

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Akt 1 1 Sprecher: Projektion Hamburg 1943. Luftaufnahmen vor den Bombennächten. Szene in einem Bunker nahe dem ehemaligen Kinderkrankenhaus von Rothenburgsort. Anna 1 mit einem Baby im Arm. Bei ihr ist Schwester Eva. Danach erscheint das ganze Ensemble um die beiden herum - unter den Bildern des Bombenkrieges singen sie einen Einleitungschor Anna 1 Irgendwo irgendwo tropft da Wasser. Eva Da ist etwas undicht, Anna. Anna 1 Müssen wir dann ertrinken? Eva … das nun ganz bestimmt nicht… Anna 1 Paul hat seinen Teddy im Krankenhaus vergessen. Eva Hat er deswegen so lange geweint? Anna 1 Ich habe ihm meine Puppe Klara geschenkt - und die ist jetzt auch weg… Eva Warum denn das? Anna 1 Er hat sie durch den Bunker gepfeffert, in das Dunkel hinein. Auf jeden Fall hat es Platsch gemacht. Eva Schläft er jetzt? Anna 1 Was machen wie hier in diesem Bunker? Eva Du weißt doch, wenn die Maria so schlecht Luft kriegt, dann kommt sie für ein paar Stunden hier rein und das hilft dann. Anna 1 Aber warum sind wir dann jetzt alle hier. Soll es uns allen helfen?


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Eva Heute werden viele Flugzeuge kommen. Hoffentlich sind wir hier sicher vor denen... Anna 1 Können Sie uns vielleicht ein Lied vorsingen? Eva Vielleicht ein wenig später… No. 1 - Intro Ensemble Herma ES IST FLAMMENNACHT DIE STADT HÜLLT SICH IN FEUER EIN ICH STARRE IN DAS FLIRREN REIN UND WILL NICHT OHNE HOFFNUNG SEIN IN DER FLAMMENNACHT Siegfried SIND WIR DENN ALLESAMT SO SCHLECHT, DASS IHR UNS SO EIN URTEIL SPRECHT DAS IST VERDAMMT MAL UNGERECHT Anna 2 IN GOMORRAH Anna 1 GOTTES ENGEL BLICKT AUF DIE WELT HERAB WO DER SOHN WOHL DAMALS SEIN LEBEN GAB EINE FEUERSTÄTTE, EIN OFFNES GRAB Eva IN DER FLAMMENNACHT ICH STEH VOR MEINEM ELTERNHAUS EIN BISSCHEN WAS HOL ICH NOCH RAUS SO LANG HALT ICH DIE HITZE AUS IN DER FLAMMENNACHT Andreas DAS FEUER JAGT DIE STERNE FORT VERZWEIFELT LEUCHTEN AUF DEM ORT Anna 2 UND NIEMAND SAGT EIN HOFFNUNGSWORT IN GOMORRAH Anna 1 GOTTES ENGEL HÄLT SEINE AUGEN ZU UND SEIN KLAGEN SCHALLT IN DIE SEELENRUH UND EIN BLITZSTRAHL SCHNEIDET MIT EINEM NU


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Frieda DURCH DIE FLAMMENNACHT WIE WEIT EIN MENSCH MIT ANDERN MENSCHEN GEHEN KANN UND WELCHER GOTT SCHAUT DAS AUS FREIEN STÜCKEN AN UND WAS IST DANN AM ENDE WOHL DER SINN WO FÜHRT DAS HIN Anna 1 AUS DER FLAMMENNACHT Siegfried DER BOMBENSTURM MIT ALLER MACHT Eva DAS HAUS, DAS JETZT ZUSAMMENKRACHT Herma UND ETWAS, DAS VOR SCHMERZEN LACHT Anna 2 IN GOMORRAH Anna 1 GOTTES ENGEL HAT KEINE TRÄNEN MEHR UND DAS VOLL ENTFESSELTE BOMBENHEER SAUGT DIE LETZTE MUTIGE SEELE LEER Ensemble IN DER FLAMMENNACHT IN GOMORRAH IN DER FLAMMENNACHT


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2 Sprecher Wir springen ins Jahr 1962. Anna 2 in ihrem Zimmer im Studentenwohnheim. An der Wand durch einen kleinen Diaprojektor Fotos vom zerstörten Hamburg. Anna 2 Happy End – das ist ein Sammelbegriff für all das, wofür einer nicht die Verantwortung übernehmen kann oder will. Für ein Referat über den Begriff des Deus ex machina ist das eine starke These, ja, das ist mir klar. Aber ist das denn nicht die Aufgabe, eines Wissenschaftlers und besonders eines Dramatikers: dass man den Worten gleichsam unter die Kleider schaut. Bei meinen Recherchen für diese Arbeit stieß ich durch Zufall auf eine Bilderserie vom großen Feuersturm in Hamburg. Gomorrah. Und das hat eine wahre Kette von Fragen in mir ausgelöst. Kann es nämlich nicht sein, dass sich auch sehr viele Hamburgerinnen und Hamburger im Spätsommer 1943 genau so etwas gewünscht haben, ein großes Happy End. Als sie in ihren Bunkern gesessen haben und die Flugzeuge sind immer näher gekommen. Dass da einer aus den Wolken steigt, die Flugzeuge, ihre Tannenbäume und ihre Bomben wegpustet und dann, wie in einer guten Operette, fassen sie sich alle an den Händen und singen ein Lied. Wir wissen viel davon, was über diese Nächte in Hamburg gesprochen worden ist, von denen die da gewesen sind. Aber was denkt man denn, was denkt man in so einem Moment. Gesetzt den Fall man hat überghaupt noch Zeit zum Nachdenken… Und wir? Wir waren nicht da… No 2 – Ein Nimmerwiedermehr Solo Anna 2 Anna 2 SO WIE EIN SCHLECHTER FILM STARRT ES MIR MANISCH INS GESICHT ICH KANN ES NUR VERFOLGEN GANZ VERSTEHEN KANN ICH NICHT DAFÜR IST ES JA VIEL ZU LANGE HER DOCH BRENNT ES IN MICH EIN WIE EINE SÄURE AUF DER HAUT ICH BIN JA AUCH NICHT SCHULDIG SAGE ICH, EIN WENIG LAUT DENN SO WAS KLINGT AM ENDE DOCH NUR LEER UND SO VIEL MEHR NACH NIMMER WIEDER MEHR UND DASS WIR LERNEN SOLLEN VOLLER MITGEFÜHL DABEI UND IMMER ÜBERVOLLEN HERZEN, WIE MAN UM SEIN LEBEN RENNT WEIL MAN VON DEM, WAS WAR, JA DOCH DEN AUSGANG KENNT SO WIE EIN SCHLECHTER FILM STARRT ES MIR WIEDER INS GESICHT LÜGEN, LEUGNEN, DEUTEN LABERN, BIS MAN FAST ZERBRICHT SO WÄSCHT MAN SICH VON DER GESCHICHTE REIN UND NICHTS VON NIMMERMEHR WEIL WIR DAS NICHT MEHR WOLLEN


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UND KEIN MITGEFÜHL DABEI NICHT MEHR FRAGEN SOLLEN WAHNSINN, WIE MAN IMMER WEITER RENNT WEIL MAN DIE WIRKLICHKEIT NICHT ANERKENNT ES GIBT VIEL ZU VIEL, DAMIT KOMM ICH GANZ EINFACH NICHT KLAR AUF DIESER WELT JEDER KRALLT SICH EIN STÜCK VON DER WAHRHEIT, ALS WÄR ES DAS EINZIGE, WAS ZÄHLT UND DEM, DER NICHTS ZU SAGEN HAT, DEM HÖREN ALLE ZU WENN DER NUR GEWINNT, DER AM LÄNGSTEN UND LAUTESTEN SCHREIT DIE GANZE ZEIT KANN MIR KEINER ERZÄHLEN, DAS SEI ETWAS ANDRES ALS UNGERECHTIGKEIT UND DA GEB ICH GANZ SICHER KEINE RUH ES GIBT SO VIELES MEHR WAS WIR NOCH LERNEN SOLLEN UND VOLLER MITGEFÜHL DABEI MIT IMMER ÜBERVOLLEN HERZEN, WIE MAN UM SEIN LEBEN RENNT BIS MAN FÜR SICH DIE WAHRHEIT ENDLICH ANERKENNT DENN VIEL ZU VIELES IST JA DA, WAS SICH MIR IN DIE WUNSCHVERZÜCKTE SEELE BRENNT


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3 Sprecher Ein Sonntag Nachmittag bei Familie Broder in Hamburg Hamm. Die Eltern sitzen vor dem Fernseher. Andreas, der Sohn, am Tisch, isst Aufgewärmtes. Im Fernsehen läuft ZDF. No 3 - Das, was war Herma, Siegfried, Andreas Herma WIR HABEN UNS DURCH EINEN TRÜMMERBERG GEWÜHLT UNS SELBST WIE EINE AUSGEBOMBTE STADT GEFÜHLT UND IN UNS NOCH DAS ECHO VON GESCHREI DANN IST DA AUCH DER KLANG VON VORWÜRFEN IM OHR IST DAS NICHT SCHLIMM GENUG, DASS MAN DEN KRIEG VERLOR ALS OB MAN DADURCH GAR KEIN MENSCH MEHR SEI DOCH LANGSAM HAB ICH WIEDER DIESES GLÜCKSGEFÜHL IM BAUCH DIE ZEIT RIECHT NACH VERSPRECHEN UND DIE SONNE, DIE SCHEINT AUCH EIN LÄCHELN LIEGT DA IN DER WELT UND JEDER WÄRMT SICH DRAN VERGANGEN IST, WAS ENDLICH HEILEN KANN Siegfried ES IST ALS WÜRDE MAN IN EINEM WAGEN STEHEN UND LANGSAM SICH DEN BAHNHOF ENDLICH NÄHERN SEHEN MEIN HERZ SCHLÄGT BIS ZUM HALS UND ÜBERVOLL IST DAS MEIN SOHN, IST DEM JETZT AUCH SO BANG ZU MUT UND WENN ICH IHN UMARME, FINDET ER DAS GUT WER SAGT MIR, WIE ICH MICH VERHALTEN SOLL DAS HABEN WIR GESCHAFFT AUCH WENN ES NICHT GANZ EINFACH WAR JA AUCH MEIN SOHN ANDREAS STAND AM BAHNHOF WIRKLICH DA SO KAM ICH AUS DEM KRIEG, UND EINE NEUE ZEIT FING AN VERGANGEN IST, WAS ENDLICH HEILEN KANN Herma ICH WÜRD SO GERN VERREISEN DENN DAS REISEN, DAS IST SCHÖN Siegfried AM SAMSTAG WOLLN WIR BEIDE WIEDER FUßBALL GUCKEN GEHEN Beide EIN LÄCHELN LIEGT DA IN DER WELT UND JEDER WÄRMT SICH DRAN DIE ZUKUNFT IST WAS GLÜCKLICH MACHEN KANN Andreas DAS SONNENLICHT ES BLINKERT IMMER HELLER WIRD DIE WELT WIE SCHÖN FÜR MEINE ELTERN


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DENEN DAS SO SEHR GEFÄLLT Herma, Siegfried SO VIELES HABEN WIR GESCHAFFT WENNS AUCH NICHT EINFACH WAR EIN KLEINES STÜCK FAMILIENGLÜCK WIRD ENDLICH FÜR UNS WAHR VORÜBER IST DER KRIEG, UND EINE NEUE ZEIT FÄNGT AN VERGANGEN IST, WAS ENDLICH HEILEN KANN alle drei EIN LÄCHELN LIEGT DA IN DER WELT UND JEDER WÄRMT SICH DRAN VERGANGEN IST, WAS ENDLICH HEILEN KANN Andreas Mama Herma Was denn, Liebes? Andreas Wolltet ihr eigentlich schon immer einen Jungen haben? Herma Wir wollten ja schon immer dich haben. Andreas Also wolltet ihr…? Herma Naja, ein Mädchen wäre auch nicht schlecht gewesen... Andreas Habt ihr denn gedacht, dass ich ein Mädchen werde? Herma Wie kommst du denn darauf? Andreas Aber nicht sauer sein, ok? Herma Nun sag schon. Andreas Ich habe da unten im Sperrmüll Mädchenzeug gefunden. Babysachen. Herma Das darf nicht wahr sein. Andreas Es tut mir leid. Herma Mir tut es leid.


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Andreas Wer ist Maria? Herma Deine große Schwester. Andreas Ich hatte keine Ahnung... Herma Sie ist tot. Schon lange. Als sie noch ein kleines Baby war. Andreas Was ist passiert? Herma 1943. In diesem Krankenhaus. Andreas Woran ist sie denn gestorben? Hat man da nichts machen können, in dem Krankenhaus. Herma Es tut mir leid… Es tut mir leid, Maria … Andreas Woran? Herma Ich weiß es nicht. Das war ganz plötzlich. Auf einmal war sie... Andreas Aber die Ärzte müssen doch… Herma (vergräbt sich in ihren Händen) Andreas (steht auf, unschlüssig, will seine Mutter berühren, lässt es dann sein, geht auch) Ich muss auch noch was lernen… No 4 - Für dich da zu sein Solo Herma Herma NACHT LIEGT AUF DER WELT UND DER SCHNEE DER FÄLLT DIR AUF DEIN GESICHT UND DU ATMEST SCHWER KÄLTE SAUGT DICH LEER DOCH DAS MERKST DU NICHT SO BLEIB ICH ALLEINE KANN DICH NUR VERSCHWINDEN SEHEN KANNS SELBST NICHT VERSTEHEN


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NACHT LIEGT AUF DER WELT DURCH DIE WOLKEN FÄLLT SCHON DER STERNE LICHT UND SO SONDERBAR SCHIMMERT DIR DEIN HAAR DOCH DAS MERKST DU NICHT UND ICH KANN ALLEINE VON FERNE DICH LEUCHTEN SEHEN WARUM MUSST DU GEHEN NACHT LIEGT AUF DER WELT PLÖTZLICH BLEIBST DU STEHEN WAS HAST DU GESEHEN DASS DAS LEUCHTEN VERLISCHT ALS HÄTT MAN DICH ERWISCHT UND WIE SEHR MAN AUCH FLEHT NUR DAS STÜRMEN, DAS WEHT JETZT MIT ALL SEINER MACHT UNDURCHDRINGLICH DIE NACHT UND KEIN STERN IST MEHR DA DER DIR STREICHT ÜBERS HAAR UND KEIN WORT DRINGT ZU DIR UNVERRÜCKBAR SIND WIR VONEINANDER GETRENNT WIE MEIN HERZSCHLAG DER RENNT UND DU STRECKST DEINE HAND IN DEN HIMMEL HINEIN UND FAST HÖR ICH DICH SCHREIEN IRGENDWER MUSS DA SEIN DOCH DU BLEIBST ALLEINE UND KEINER DER ZU DIR SPRICHT AUCH ICH KANN ES NICHT DENN ICH BLEIB ALLEINE EIN LIED, DEM DIE SPRACHE FEHLT EIN WÜNSCHEN, DAS QUÄLT NACHT LIEGT AUF DER WELT WIE EIN SCHWARZES ZELT HÜLLT MICH IN SICH EIN UND ICH MÖCHT SO SEHR, DASS ES MÖGLICH WÄR FÜR DICH DA ZU SEIN


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4 Sprecher Annas Studentenwohnheim. Nacht. Von drinnen hört man laute Musik und dass viele Menschen tanzen und feiern. Andreas ist auch da. Er ist betrunken. Gerade hat er Anna kennen gelernt. Andreas Darf ich dich nicht küssen? Anna 2 Wir haben doch gerade erst zweimal miteinander getanzt. Andreas Die Musik ist so schnell. Viel zu schnell. Anna 2 Dein Kopf ist zu langsam weil du betrunken bist. Sag mal, hast du noch alle Tassen im Schrank? Andreas Du stößt mich einfach weg… Anna 2 Nur weil wir vielleicht tanzen, heißt das nicht, dass da mehr ist. Andreas Vergiss es einfach! Anna 2 Warte doch mal… Andreas Ich will jetzt weitertanzen. Anna 2 Da musst du jetzt schon eine Entscheidung treffen: der nächste Tanz oder ich. Andreas Nach der Abfuhr gerade eben? Anna 2 Willst du mich dann nicht auch mal ein bisschen kennenlernen? Andreas Das war ein Fehler… Anna 2 Was denn? Andreas Alles! Anna 2 Andreas heißt du, oder?


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Andreas Das hast du dir gemerkt. Anna 2 Und wie heiß ich? Andreas Anna Anna 2 Das hast du dir gemerkt. Andreas Klar Anna 2 schließt schnell die Augen Und welche Augenfarbe hab ich? Andreas Da drinnen war es ja so dunkel wie in einem Bunker. Anna 2 Jetzt komm! Andreas Blau... Anna 2 Und was ist jetzt dein Problem? Andreas Was ist dein Problem. Anna 2 Du stürzt bei uns ins Wohnheim. Du säufst wie ein Loch. Ich hab dich hier noch nie gesehen. Keiner. Und trinken kannst du auch nicht wirklich gut. Andreas Du kennst mich doch gar nicht… Anna 2 Vielleicht will ich dich ja kennen lernen. Andreas Ich habe heute erfahren, dass ich eine Schwester hatte. Anna 2 Und was ist mit der? Andreas Ich weiß es nicht. Ich muss erst mal zufällig ihre Sachen im Müll finden, damit man mir davon was sagt. Anna 2 Und?


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Andreas Sie war wohl krank. Und dann ist sie ins Krankenhaus gekommen. 1943. Und da ist sie nicht mehr raus gekommen. Anna 2 Wie hieß deine Schwester? Andreas Maria.. Anna 2 Und du hast keine Ahnung gehabt… Andreas Keinen blassen Schimmer. Anna 2 Welches Krankenhaus? Andreas Rothenburgsort schweigt lange, Anna 2 nimmt seine Hand Maria… No 6 - Das wilde Leben Andreas Andreas EIN DUNKLER SCHIMMER EIN KALTER HAUCH EIN WILDES FRAGEN EIN LOCH IM BAUCH UND AUF DER ERDE EIN FLECK WIE BLUT DEN MACHT DOCH KEINER MIR WIEDER GUT DOCH ICH MUSS HIER RAUS MUSS MITTEN IN DAS KLARE LEBEN UND ALLE WELT TUT SO ALS HÄTTE ES DICH NIE GEGEBEN WEISS ICH DAS BESSER MACHT DAS WAS KANN ICH DAS ÄNDERN WILL ICH DAS WAS SOLL MIR DAS MAN SAGT EIN ENGEL IST SO EIN KIND DAS MUSSTE STERBEN UND ZU GESCHWIND WURD ES VERGESSEN DOCH BLEIBT ES DA DAS MÄDCHEN IST


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MIR VIEL ZU NAH EGAL, WIE WEIT ICH LAUF EGAL, WIE LAUT ICH SCHREI DEIN GLOCKENHELLES LACHEN DAS IST AB JETZT WOHL AUCH DABEI DOCH ICH MUSS HIER RAUS MUSS MITTEN IN DAS WILDE LEBEN UND ALLE WELT TUT SO ALS HÄTTE ES DICH NIE GEGEBEN WEISS ICH DAS BESSER MACHT DAS WAS KANN ICH DAS ÄNDERN WILL ICH DAS SAG, WILL ICH DAS


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5 Sprecher Später Abend. Elbe bei Rothenburgsort. Zwei Gestalten in der Dunkelheit. Herma und Siegfried. Herma Ist das alles? Siegfried Was? Was machst du denn hier. Herma Ich habe gedacht, du betrügst mich, du Idiot. Siegfried Na hör mal. Herma Steht da und glotzt in die Elbe rein. Und das soll alles sein. Siegfried Ich bin gerne Briefträger geworden nach dem Krieg. Da hat man was Anständiges. Herma Wo kriegt man denn hier was zu trinken in Rothenburgsort? Siegfried Ich hatte schon genug. Herma Aber ich noch lange nicht. Pause Herma Der Briefträger ist nicht das Problem. Siegfried Aber was ist es dann. Pause Siegfried Stell dir mal vor, ich würde jetzt einfach meine Sachen ausziehen und ins Wasser springen. Herma In die Brühe? Siegfried Und dann schwimme ich bis zum Hafen runter. Und dann hänge ich mich an einen der Ozeanriesen. Wie ein kleiner Parasit hänge ich da an dem großen Walfisch dran - und der nimmt mich mit in die USA, in deinen weiten wilden Westen. Herma Und was wird dann aus mir? Und ich steh hier und hab immer noch kein Bier.


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Siegfried Stimmt, aber du bist dann die Frau eines Langstreckenschwimmers. Herma Wie kommt das, dass wir nie über Maria sprechen können. No 7 - Märchen deines Lebens Siegfried Siegfried WENN MAN DAS MÄRCHEN SEINES LEBENS SICH ERZÄHLT DANN WILL MAN SCHON, DASS ES NACH ETWAS GROSSEM KLINGT WIE SOLL DENN SONST EIN KLEINES BISSCHEN STOLZ ENTSTEHEN UND DASS DAS ALLES, WAS MAN TUT, AUCH ETWAS BRINGT DIE WAHRHEIT IST, BEI KRIEG UND SIEGEN, GELD UND PRACHT UND SO VIEL MEHR, VON DEM DIE WELTGESCHICHTE PRAHLT, GIBTS IMMER EINEN, DEN DER RUHM BESOFFEN MACHT UND EINEN DER IHM DANN AM SCHLUSS DIE ZECHE ZAHLT IST DA NICHT MEHR SO SEHR SICH MEINE PHANTASIE AUCH MÜDE JAGT SO SEHR SIE HEMMUNGSLOS UM ALL DIE CHANCEN KLAGT UM SO VIEL MEHR JE SCHNELLER SICH DAS ALLES VON MIR WEG BEWEGT IST DA NICHT MEHR WAS SICH DIR AUF DIE ASCHEGRAUE SEELE LEGT NUR EINE NARBE MEHR WENN MAN DAS MÄRCHEN SEINES LEBENS SICH ERZÄHLT DANN DENKT MAN OFT, EIN ANDERER SPRICHT, MAN HÖRT NUR ZU MAN UNTERBRICHT IHN, WAS DU SAGST, DAS STIMMT JA NICHT DOCH DIESE KALTE STIMME LÄSST DIR KEINE RUH DIE WAHRHEIT IST EIN GESTERN, DAS DICH JETZT BEKRIEGT UND WUNDEN IN DEIN WÜNSCHEN AN DAS MORGEN SPRENGT DAS IST WAS, DAS MAN NICHT SO EINFACH GERADE BIEGT WEIL ES ZU TIEF IN DEINEN SEELENSPITZEN HÄNGT. IM GRUNDE BLEIBT DA EINE FRAGE DIE BRENNT SICH TIEF IN DIESES LIED WANN ICH HIER EINEN AUFSTAND WAGE UND OB DANN ENDLICH WAS GESCHIEHT GIBT ES DANN MEHR ALS DASS SICH MEINE PHANTASIE NUR MÜDE JAGT ALS DASS SIE HEMMUNGSLOS UM ALL DIE CHANCEN KLAGT UM SO VIEL MEHR JE SCHNELLER SICH DAS ALLES VON MIR WEG BEWEGT GIBT ES DANN MEHR ALS TRAUER, DIE SICH STAUBGRAU AUF DIE SEELE LEGT UND EINE NARBE MEHR.


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6 Sprecher Eine kleine Wohnung in Hamburg Hamm. Hier wohnt Frieda. Es klingelt an der Tür, Frieda macht auf. Draußen steht Anna 2. Anna 2 Entschuldigung.. Frieda Kennen wir uns? Anna 2 Ich denke, nein. Beide einen Moment still. Anna 2 rafft sich auf Sie sind Frieda Esserlin? Frieda Wer sind Sie? Anna 2 Mein Name ist Anna Reinhof. Ich studiere Theaterwissenschaften und schreibe an einem Stück über ein Kinderkrankenhaus. Frieda Ich habe keine Kinder. Anna 2 Es gab da ein Mädchen in diesem Krankenhaus, das hieß Anna. Das Krankenhaus ist in Hamburg-Rothenburgsort. Frieda Was wollen Sie? Anna 2 Sie war adoptiert. Ihre Pflegeeltern wollten Sie nicht zurück nehmen. Es scheint so, als wäre das Ihre Tochter gewesen. Frieda Wie kommen Sie da auf die Idee? Anna 2 Ich habe eine Frau gefunden, die als Stationsschwester in dem Krankenhaus gearbeitet hat. Die hat mir einige Namen gegeben und … Frieda Wie heißt diese Stationsschwester? Anna 2 Schwester Eva. Mehr weiß ich auch nicht.


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Frieda Sie haben ja selber gesagt, dass ich sie wohl zur Adoption freigegeben habe. Anna 2 Aber warum? Frieda Das frage ich mich auch jeden Tag. Anna 2 Es sind viele Kinder gestorben in dem Krankenhaus. Säuglinge, Kleinkinder. Frieda So viel habe ich auch schon herausbekommen. Anna 2 Sie suchen also auch nach Ihrer Tochter. Frieda (schweigt) Anna 2 Ich möchte wissen, was in dem Krankenhaus passiert ist. Und warum… Frieda Meine Anna, die muss ja schon 11 gewesen sein damals oder so. Anna 2 Es gab wohl keinen, der sie aufnehmen wollte. Frieda Das ist doch lächerlich. Anna 2 Vielleicht ist diese Anna ja auch noch am Leben… Frieda Ich sage Ihnen mal was. Ich gehe jetzt da rein. In mein Badezimmer. Vielleicht muss ich kotzen. Vielleicht will ich mich auch nur fünf Minuten im Spiegel anschauen. Das ist meine Sache. Auf jeden Fall: wenn ich wieder rauskomme, dann werden Sie weg sein. Oder Sie werden es bereuen. No 8 - Berühr mich bitte Frieda, Anna 2 Anna 2 DAS BLICKT MIR SCHNEIDEND INS GESICHT SO GRELL, DAS GLAUB ICH EINFACH NICHT SETZT EINEN FEUERSTURM VON KLAGEN FREI EIN RÄTSELHAFTES UM MICH HER SO WIE VERTRAUT UND STERNENSCHWER ALS OB DAS GANZ ARG WICHTIG FÜR MICH SEI BERÜHR MICH BITTE AUCH WENN ICH DAS NICHT SAGEN DARF


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UND SO VIEL MEHR DAS SICH IN UNSER LEBEN WARF WIE EINE WASSERFLUT SO DRÜCKT ES AUF UNS EIN DAS GANZ VERLASSEN SEIN Frieda Du solltest sie besser weg geben. Das hat man mir gesagt. Deine Anna. Du bist zu jung. Wie willst du da klar kommen. Du und das Kind. Denk doch mal an das Kind. Man hat mir das alles ganz vernünftig erklärt. Entschuldigung, hat man gesagt. Ja danke. Danke schön. DAS STARRT MIR FEST IN MEIN GESICHT WIE EIN VERSPRECHEN, DAS ZERBRICHT UND GAR NICHTS DA, WAS VON UNS ÜBRIG BLEIBT, EIN - DU WARST LEIDER NICHT GENUG WAS DU DA SAGST IST DOCH BETRUG SO SCHLECHT, DASS ES MICH IN DEN WAHNSINN TREIBT DAS STARRT MIR FEST IN MEIN GESICHT VERGEBUNG GIBT ES DAFÜR NICHT SO VIELE FRAGEZEICHEN GEISTERKLANG UND DAS ZERREISST MIR FAST DIE BRUST HAST DU GEGLAUBT, DASS DU DAS MUSST UND GLAUBST DU ETWA IMMER NOCH DARAN BERÜHR MICH BITTE ALS OB DA ETWAS GNADE WÄR WO DU AUCH SEIST DENN ICH VERMISSE DICH SO SEHR SO WIE VERGEBENS SEHN ICH DIR HINTERHER UND BIN SO FURCHTBAR LEER


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7 Sprecher Wir sind wieder im Jahr 1943 und im Bunker wie in der ersten Szene. Anna 1 hat eines der Kinder im Arm. Anna 1 Schwester Eva… Eva (schreckt aus einer Starre auf) Was… Anna 1 Kommen sie jetzt? Die Flugzeuge? Eva Die sind schon da. Anna 1 Müssen wir dann alle sterben? Eva Das weiß doch keiner… Anna 1 Darf ich Sie was fragen, Schwester Eva. Eva Irgendetwas sagt mir, dass du das sowieso gleich machen wirst. Anna 1 Bei uns im Krankenhaus sterben ja auch manchmal Kinder. Große und Kleine. Das ist so, vielleicht. Das ist ein Krankenhaus. Aber jetzt kommt was Komisches. Immer wenn eins von den ganz kleinen Kindern stirbt. Immer ungefähr zwei Tage davor, wenn wir vom Mittagessen kommen: dann hat das kleine Kind einen ganz glasigen Blick. So eine ganz schlimme Angst ist da in den Augen zu sehen. Als wären sie gerade einem Monster begegnet. Ein wenig so, wie Sie jetzt gerade gucken, Schwester Eva. Aber dann ist da noch etwas. Eva Was ist es denn, Anna? Anna 1 In der Nacht bevor eins dieser Kinder stirbt, da gehen Sie zu ihm hin und machen mit Farbe so einen Fußabdruck in ein kleines Buch hinein. Wie beim Spielen. Einen kleinen blauen oder schwarzen oder roten Abdruck. Eva Das mache ich, falls dem Kind etwas passiert, vielleicht wollen die Eltern so eine Erinnerung haben. Die Kinder sind ja auch wirklich sehr krank. Anna 1 Also wissen Sie doch, wann einer sterben wird.


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Anna 1 Und geben Sie das dann den Eltern? Den Fußabdruck? Eva Dazu kommt es meistens gar nicht. Anna 1 Von der Maria hier, da haben Sie letzte Nacht einen Abdruck genommen. Da ist noch Farbe unter den Zehennägeln. Grün. Eva Hälst du sie deshalb so fest im Arm? Anna 1 Vielleicht kann ich aufpassen. Sie hat doch niemandem was getan. Ich hab nur Angst davor, wenn ich einschlafe… Eva Soll ich jetzt vielleicht etwas singen? Anna 1 Ich bin müde… No 9 - Märchenlied 1 Eva, Anna 1 Eva ICH WILL NICHT SCHLAFEN, SAGT DAS WILDE KLEINE KIND WEIL DA NOCH VIEL ZU VIELE GROSSE DINGE SIND ZU VIEL GEDANKEN, ALLE HALB NUR ANGEDACHT ZU VIEL IDEEN - LICHTER-TAGES-HELL ENTFACHT ICH WILL NICHT SCHLAFEN, DAS HAT KEINEN ZWECK UND ZWINGST DU MICH, DANN TRÄUM ICH MICH HIER WEG Anna 1 UND WIE SIE DAS SO SAGT, DA SPRINGEN ALLE FENSTER AUF UND WASSER SCHIESST HEREIN DA SCHWIMMT IHR BETTCHEN PLÖTZLICH DRAUF UND AUS DEM KRANKENHAUS - MIT EINEM ZAUBERWORT DA TREIBT DAS KLEINE WILDE MÄDCHEN EINFACH FORT Eva DA IST IMMER EIN TRAUM MEHR DEN HAST DU NOCH NICHT GESEHEN IMMER EINE OFFENE TÜR ZUM IMMER WEITER GEHEN UND IMMER IST EIN LÄCHELN NAH EIN FREUNDLICH HELLES ICH BIN DA DRUM SCHREITE MUTIG DURCH DEIN TRÄUMEN HIN DENN NUR MIT DIR DARIN MACHT DIESER TRAUM AUCH SINN Anna 1 ICH WILL NICHT SCHLAFEN, SAGT GANZ LEIS DAS KLEINE KIND WEIL IN DER DUNKELHEIT SO VIELE SCHRECKEN SIND UND AUCH SO VIELES, WAS SO GAR NICHT STIMMT


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Eva DAS GEHT MIR NAH WIE SIE SO GIERIG AUF IHR LEBEN SIND ICH WEISS, WIE SOWAS IST, WAR AUCH MAL KIND SO WUNDERBAR DIE GANZE WELT IST DA EIN OFFNES FELD UND WIE MAN WUNSCH AUF WUNSCH ZUSAMMENSTELLT DA WIRD DA EINE BUNTE LANDSCHAFT DRAUS SO IST DAS - JA DAS GEHT MIR NAH IMMER EINE TRÄNE MEHR UND IMMER WEITER FLEHEN EINE ZUGEMACHTE TÜR AUF NIMMERWIEDERSEHEN DA IST IMMER EIN TRAUM MEHR DEN HAST DU NOCH NICHT GESEHEN IMMER EINE OFFENE TÜR ZUM IMMER WEITER GEHEN UND IMMER IST EIN LÄCHELN NAH EIN FREUNDLICH HELLES ICH BIN DA DRUM SCHREITE MUTIG DURCH DEIN TRÄUMEN HIN DENN NUR MIT DIR DARIN MACHT DIESER TRAUM AUCH...


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8 Sprecher Zurück im Jahr 1962. Büsum. Strand. Regnerischer Nachmittag. Verwaiste Strandkörbe. Nach dieser Szene folgt das Finale des ersten Aktes, in dem alle Protagonisten, die kleine Anna und Schwester Eva in der Bombennacht, Frieda in ihrer Wohnung, Andreas und die Studentin Anna am Strand, Herma und Siegfried in einer Kneipe in Rothenburgsort, ihre Situation reflektieren. Anna 2 Hast du hier schon mal richtig Urlaub gemacht. Zumindest mal Eine Nacht verbracht Andreas Nein, da ist doch nur Wasser und Sand Anna 2 Weißt du was ich so richtig an dir mag dass du so lustig bist Anna 2 Ich schreibe ja jetzt dieses Theaterstück… Über das Kinderkrankenhaus… Andreas Es gibt schon Sachen, die ich lustiger finde. Anna 2 Ich denke einfach: wenn man davon weiß, dann muss man auch was dazu sagen. Andreas Und vielleicht muss das auch gerade jemand wie du machen. Anna 2 Das ich nicht lache. Andreas Vielleicht soll ich wirklich mal machen. Einfach herausfahren ein kleines Zimmer nehmen ein paar Tage weg. Anna 2 Würdest du mich dann auch zu sowas mitnehmen Andreas Würdest du denn mitkommen wollen Anna 2 Seit dieser Party, auf der wir uns kennengelernt haben, ist ja schon ein bisschen Zeit vergangen. Wir waren auf dem Dom. Und im Café. Und im Alsterpavillon, obwohl ich immer dachte, da gehen nur alte Leute rein... Andreas Und jetzt sind wir in Büsum. Anna 2 Oh ja Wahnsinn. Sag mal, willst du mich eigentlich auch mal küssen, oder so? Andreas Da hast du mir damals fast eine geknallt, als ich das versucht habe.


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Anna 2 Jetzt mach doch einfach! Pause No 10 - Ein bisschen Zeit Anna 2, Andreas Andreas ES IST EIN BISSCHEN SO, ALS OB EIN LICHTSTRAHL AUF MICH SCHEINT DAS HERZ SCHLÄGT SCHNELLER, DENN DU WEISST ES, DU BIST JA GEMEINT UND MÖGLICHKEITEN TANZEN DURCH DEN RAUM UND DANN IST ES AUCH SO ICH HALTE BLINDLINGS DEINE HAND ICH DARF DICH NICHT VERLIEREN, HAB DICH GRADE ERST ERKANNT EIN BISSCHEN ZEIT UND SO EIN GROSSER TRAUM. Anna 2 EIN BISSCHEN ZEIT DAS LÄSST SICH MACHEN FÜR 1000 GOTTVERRÜCKTE SACHEN 1000 BILDER, FRÖHLICHKEIT ERINNERUNGEN, GLÜCKLICHKEIT ES IST EIN BISSCHEN SO WIE ETWAS, DAS MAN FAST VERSTEHT EIN LEBEN, DAS SICH PLÖTZLICH AUF DIE SONNENSEITE DREHT SCHAU ICH DICH AN, MACHT ALLES EINEN SINN Andreas und Anna 2 WIR TANZEN BIS DIE BRETTER KRACHEN EIN GROSSES, HELLES, KLARES LACHEN EIN BISSCHEN ZEIT Anna FÜR ALLES, WAS UNS KRAFT VERLEIHT EIN BISSCHEN ZEIT Andreas und Anna 2 EIN BISSCHEN ZEIT DAS LÄSST SICH MACHEN FÜR 1000 GOTTVERRÜCKTE SACHEN 1000 BILDER, FRÖHLICHKEIT ERINNERUNGEN, GLÜCKLICHKEIT VERGISS NICHT, DASS STEHT NUR FÜR UNS BEREIT DAS BISSCHEN ZEIT


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9 Frieda Ich kann Ihnen sagen, wer ich bin, Schwester Eva – ich bin die Mutter von einem der Kinder, die sie auf dem Gewissen haben. Eva Ich hab keine Ahnung... Frieda Was? Eva Wovon sprechen Sie? Frieda Von meiner Tochter! Eva Woher haben Sie eigentlich... Frieda Woher ich Ihren Namen habe? Woher hat diese Studentin denn meinen? Eva Und wer sind Sie? Frieda Frieda bin ich, Frieda Esserlin Eva Und Ihre Tochter Frieda Anna... Eva Das Adoptivkind. Frieda Muss ich mir das von Ihnen jetzt auch noch anhören. Eva Vielleicht sollten wir uns einmal treffen... Frieda Das denke ich nicht! Eva Beruhigen Sie sich doch mal einen Moment. Frieda Ich schreie so viel, wie ich will!


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Eva Aber diese Anna ist ja noch am Leben. Frieda Was Sie da gemacht haben. Eva ja, Sie lebt! Frieda Was? Eva Anna ist am Leben. 10 Finale erster Akt. No 11 – Finale 1 (Anna 1 im Bunker, sie ist allein) Anna 1 ES BRENNT FEUERFINGER, DIE VOM HIMMEL SCHLAGEN STIMMEN DIE DA UM IHR LEBEN KLAGEN BRENNENDE GEDANKEN DIE BALD NICHT MEHR SIND GNADENLOS VERGEBLICH WÜNSCHEN FRAU UND MANN UND TIER UND KIND (Frieda und Eva, immer noch den Telefonhörer in der Hand) Frieda IN EINEM GRAUSAM STERNENLOSEN RAUM WILL SIE WAS SAGEN, DOCH DAS HÖRT MAN KAUM Eva IN EINEM DUNKEL, DAS IHR DENKEN BRICHT SPRICHT SIE NOCH WEITER, DOCH DAS HILFT JA NICHT IN EINEM WAHNSINNSORT, VERLOSCHNE GLUT Frieda SOLL SIE NUN SINGEN, DOCH DAS GEHT NICHT GUT UND IN DEN WORTEN, UNENTRINNBAR FÜRCHTERLICH Frieda/ Eva SIEHT MEIN GESICHT MICH AN, DER SCHRECKEN, DAS BIN ICH Anna 1 DAS BRENNT (in einer speckigen Kneipe nahe der Elbe sitzen Herma und Siegfried beim Bier und machen sich einmal mehr so ihre Gedanken)


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Siegfried WENN MAN SICH EINMAL SELBER IN DIE AUGEN SCHAUT BESONDERS DANN, WENN MAN AUCH ETWAS DABEI TRINKT DANN HAT MAN SICH DEN GANZEN ABEND SCHNELL VERSAUT SO GNADENLOS, WIE MAN IN SELBSTMITLEID VERSINKT Herma DIE WAHRHEIT IST, MAN FINDET IMMER VIEL ZU VIEL UND VIEL ZU LEICHT, WAS MAN SICH SELBER NICHT VERGIBT WAR ICH NAIV IN EINEM FALSCHEN BÖSEN SPIEL DOCH HEISST DAS JETZT, DASS MAN SEIN KIND NICHT WIRKLICH LIEBT Siegfried / Anna 1 ES BRENNT Anna 1 WILDES BOMBEN AUS DER TIEFE STEIGEN LIEDER, WOLLEN ETWAS HOFFNUNG ZEIGEN UND EIN ENGEL, DEN DARÜBER SICH DIE ARME SEELE DENKT DER MIT SEINEN LICHTGEDANKEN UNSERN WEG NACH DRAUSSEN LENKT (Anna 2 und Andreas immer noch am Strand in Büsum) Anna 2 EIN BISSCHEN WEITER UND ICH WÜRDE GANZ VERBRENNEN EIN BISSCHEN VOLLER UND ICH WÜRD UM MEIN LEBEN RENNEN Andreas EIN BISSCHEN HELLER DENN ES GIBT JA KEIN ZURÜCK EIN BISSCHEN TANZEN DEINEN BLICK IN MEINEM BLICK Anna 2 (küsst Andreas) DAS BRENNT Anna 1 KANN DAS NICHT BITTE AUFHÖREN JETZT Frieda DAS BRENNT Anna 1 UND WENN ICH STERBEN MUSS ZULETZT Herma DAS BRENNT


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Anna 1 BIN ICH VERLOREN Eva (hoch konzentriert, im Besitz der Wahrheit) BIST GERETTET Anna 1 ICH WILL NACH HAUSE SAGT DAS ARME KLEINE KIND Eva DAS BRENNT (hinter Anna 1 scheint eine Tür auf zu gehen, man sieht ein gleißendes Licht – sie blickt noch einmal ins Dunkel hinein, bevor sie rein geht) Anna 1 SCHAU MICH NUR AN WIE ICH IN DIESEM WAHNSINN STEH SCHAU ICH DAS AN DANN TUT MIR MEINE SEELE WEH UND KEINE MACHT GIBT DIESEM LEIDEN EINEN SINN DAS LIEGT NUR DA LIEGT OFFEN DA SO LANG ICH NOCH AM LEBEN BIN Anna 2 und Andreas (gleichzeitig) EIN BISSCHEN WEITER... EIN BISSCHEN HELLER... EIN BISSCHEN NÄHER Herma und Siegfried (gleichzeitig) IST DA NICHT MEHR... EINE NARBE MEHR... Frieda (gleichzeitig) SIE IST GERETTET Eva (gleichzeitig) SIE IST GERETTET Alle DAS BRENNT Anna 2/ Andreas: IN DER STERNENNACHT Anna 1: IN DER FLAMMENNACHT Frieda/ Eva: DIESE SCHRECKENSNACHT Herma/ Siegfried: WAS FÜR EINE NACHT


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Akt 2

11 No. 12 - WENN ICH MIR WAS WÜNSCHEN DÜRFTE Ensemble Anna 2 WENN ICH MIR WAS WÜNSCHEN DÜRFTE DANN, DASS WIR STETS BEHUTSAM SIND MIT DIESER ERDE, DIE WIR TEILEN MIT JEDEM NOCH SO KLEINEN KIND

Siegfried UND DASS WIR NICHT ENTSCHEIDEN DÜRFEN WENN MAN AUF EINEN MENSCHEN SIEHT Frieda WIE DAS FÜR IHN MAL WIRD, DAS LEBEN UND OB IHM DAMIT RECHT GESCHIEHT Herma UND ALL DIE TAUSEND LICHTGEDANKEN, DIE MENSCHEN SICH SO AUSGEDACHT Eva DIE WERDEN IHNEN WEGGENOMMEN DENN DAZU HAT MAN HALT DIE MACHT Andreas WENN ICH MIR WAS WÜNSCHEN DÜRFTE DANN, DASS WIR NICHT GEFÜHLLOS SIND Anna 2 UND EINGESTEHEN, EIN RECHT AUF LEBEN HAT AUCH DAS ALLERKLEINSTE KIND


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12

Sprecher Silvester bei Familie Broder. Anna 2 und Andreas auf dem Balkon. Feuerwerk. Anna 2 Da liegt etwas Glänzendes in der Luft - wie ganz feines Glas. Andreas Bist du immer noch aufgeregt? Anna 2 Ich finde sie ja ziemlich lustig, deine Eltern. Andreas Ich glaube, die sind ganz schön verknallt in dich. Anna 2 Das scheint in der Familie zu liegen. Herma Geknutscht wird später… Siegfried Ist das ein Versprechen? Anna 2 Sollen wir denn auch ein Lied singen? So zum Anstoßen? Andreas Du hast meine Eltern noch nicht singen hören. Alle 1963 No. 13 - WENN ICH MIR WAS WÜNSCHEN DÜRFTE 2 Anna 2, Andreas, Siegfried, Herma Herma WENN ICH MIR WAS WÜNSCHEN DÜRFTE DANN, FRÖHLICH SEIN, SO LANG MAN KANN DANN FÄNGT EIN JEDER UNSRER TAGE VON SELBER SCHON ZU LEUCHTEN AN Siegfried WENN ICH MIR WAS WÜNSCHEN DÜRFTE DANN DAS, DASS WIR VERNÜNFTIG SIND AUCH WENN DIE WELT UNS SO BEHANDELT DASS MAN OFT GLAUBEN MUSS, MAN SPINNT Andreas WENN ICH MIR WAS WÜNSCHEN DÜRFTE DANN, DASS WIR NICHT VERGEBLICH SIND DASS UNS DIE ZEIT, DIE WIR HIER HABEN NICHT EINFACH DURCH DIE FINGER RINNT


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Anna 2 WENN ICH MIR WAS WÜNSCHEN DÜRFTE DANN, DASS UNS ETWAS ZÄRTLICH STIMMT DER WELTGESCHICHTE, DIE WIR TEILEN EIN WENIG VON DER SCHÄRFE NIMMT


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13 Sprecher In der Wohnung Friedas. Frieda an einem Tisch. Versucht was zu essen. No. 15 - Märchenlied 2 Frieda Frieda ICH TRAG DICH IN MIR, DICH, MEIN WILDES, KLEINES KIND GRAD UNTER MEINER HAUT, DA WO DIE SCHMERZEN SIND UND WENN ICH DICH AUCH NIE MEHR WIEDER FIND… IMMER EINE TRÄNE MEHR UND IMMER WEITER FLEHEN EINE ZUGEMACHTE TÜR AUF NIMMERWIEDERSEHEN... Es klingelt. Draußen steht Eva. Frieda Was hab ich eigentlich verbrochen, dass hier seit Tagen fremde Menschen klingeln? Eva Sie sind Frieda Esserlin? Frieda Wer will das wissen? Eva Mein Name ist Eva Schütze. Ich war Stationsschwester im Rothenburgsorter Krankenhaus... Frieda starrt nur Eva Wollen Sie mich nicht reinlassen? Frieda Ich hab schon viel zu viel hereingelassen. Eva Aber sie wollen doch was über ihre Tochter Anna wissen. Frieda Über welche von beiden denn? Die, die mich heimsucht oder die aus meiner Erinnerung? Eva Ist das nicht dasselbe? Frieda Meine Tochter ist tot Eva Wer sagt das?


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No. 16 - Ich war da Eva, Frieda Eva ICH WAR JA DA ICH WAR AUCH DA IN DIESEM KRANKENHAUS WIE HALT ICH DAS NUR ALL DIE JAHRE AUS WAR VIEL ZU NAH WIE WIR BETRÜGER UND BETROGEN SIND WEIß ICH DAS sCHICKSAL DENN VON JEDEM KIND UND WAR DOCH DA ZU VIELEN SCHAUTE ICH INS ANGESICHT IN DEM MOMENT, IN DEM IHR BLICK ZERBRICHT Frieda SIE WAREN DA SIE HABEN ZUGESEHEN UND NICHTS GETAN UND JETZT STEHEN SIE VOR MIR NACH ALL DEN JAHREN JETZT SIND SIE DA Eva WEIL ICH DIE SCHULD NICHT MEHR ERTRAGEN KANN Frieda DA FANGEN SIE HIER ZU ERZÄHLEN AN WIE SCHAUEN SIE SICH SELBER INS GESICHT Eva DAS IST ES JA GENAU, DAS KANN ICH NICHT Frieda WAS WOLLEN SIE Eva DAS IST DOCH MEINE PFLICHT Frieda DAS IST MIR KLAR DIE PFLICHT, DIE HABEN SIE TOTAL VERSÄUMT WAS SICH IHR KOPF DA AUCH ZUSAMMENTRÄUMT Frieda/ Eva IHR LEBEN LAG WEIT OFFEN DA SIE AHNTEN NICHTS VON DER GEFAHR EIN JEDER WUNSCH, DEN MAN IM HERZEN TRÄGT BLEIBT DIESER ERDE IMMER EINGEPRÄGT SIE BLEIBEN DA AUF IMMER DA Frieda Und was haben Sie gemacht? Außer, dass es Ihnen leid tut. Eva Sie war großartig, Ihre Anna. Sie war auch schon älter als die anderen Kinder. Sie hat mir sehr


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geholfen in den Bombennächten 43. Sich um die Kleinen gekümmert, als wir vor den Bomben in den Bunker fliehen mussten. Das arme Ding. Sie wusste selber nicht, warum sie immer noch in diesem Krankenhaus war. Ihre Pflegeeltern wollten sie nicht wieder haben. Ämter haben sich quer gestellt. Und sie hat was bemerkt, von dem, was vorging bei uns. Die kleine Maria hat sie in dieser Nacht festgehalten, als würde sie sonst gleich verlöschen. Dann ist sie eingeschlafen. Der Bunker musste geräumt werden. Zu viel Hitze und Rauch. Man hätte sie fast vergessen. Aber dann wurde sie doch gerettet. Frieda Ist das sicher? Eva Ich habe sie doch selbst aus dem Bunker gezogen. Fortsetzung No. 16 - Ich war da Eva, Frieda Eva IN JENER NACHT ALS UNTER BOMBEN SANK DIE GANZE GROSSE STADT ALS MAN DIE KINDER ALLE WEG GEFAHREN HAT VERZWEIFELT BRENNEN - ÜBERLEBENSKAMPF IN ALLEN STRASSEN FEUER, RAUCH UND DAMPF ICH NAHM DIE KLEINE ANNA AN DIE HAND NAHM SIE MIT FORT UND KEINER HAT UNS ERKANNT Frieda und was ist dann passiert? Eva Ich muss bewusstlos gewesen sein. Zu viel Rauch. Als ich wieder zu mir gekommen bin, war Anna weg. Frieda Ich kann das nicht. Eva Diese Studentin, Anna, lassen Sie nicht zu, dass Sie von Leuten verurteilt werden, die nicht wissen, wie das damals war. Also wirklich… Frieda Sie hat gesagt, sie würde ein Theaterstück darüber schreiben. Eva Übermorgen ist Premiere. Frieda Woher wissen Sie das? Eva Es passiert einem ja nicht alle Tage, dass die eigene Lebensgeschichte aus dem Dunkeln gezerrt wird. Frieda So was gehört nicht auf diese Welt. Und dann gehört es schon gar nicht auf eine Theaterbühne.


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Eva Und was wollen Sie dagegen unternehmen. Frieda Das werden Sie schon erleben. Und diese Studentin erst recht. Fortsetzung No. 16 - Ich war da Eva, Frieda Frieda/ Eva IHR LEBEN LAG WEIT OFFEN DA SIE AHNTEN NICHTS VON DER GEFAHR EIN JEDER WUNSCH, DEN MAN IM HERZEN TRÄGT BLEIBT DIESER ERDE IMMER EINGEPRÄGT SIE BLEIBEN DA AUF IMMER DA No. 17 – Tränen, ungeweint Frieda Frieda SIE GEHT DIE STRASSE RUNTER WEISS NICHT SICHER, WO SIE IST WEISS NUR, DASS ETWAS IMMER TIEFER IN DIE SEELE FRISST SIE BLEIBT NICHT EINMAL STEHEN WIRD DER ATEM IHR AUCH SCHWER DENN SICHER, WENN SIE EINMAL NACHLÄSST DANN GEHT GAR NICHTS MEHR DIE HÄUSER TREIBEN STUMM VORBEI UND NAMEN SCHAUEN SIE AN VON KLINGELSCHILDERN RUNTER DA HÄNGT SIE IHR DENKEN DRAN DOCH KEINER IST DARUNTER DER IHR WAS VON NÄHE SAGT SIE STARRT, DA MUSS EIN HIMMEL SEIN EIN NEUER MORGEN TAGT HÖRST DU SIE KLINGEN MEINE TRÄNEN - UNGEWEINT WOLLEN MICH BEZWINGEN UND AUS MEINEN AUGEN SCHEINT EIN KALTES WISSEN GANZ EGAL, WAS ICH AUCH TU DA IST EIN SCHWARZER TRAUERFILM AUF MEINEM LEBEN - DER BIST DU SIE GEHT DIE STRASSE RUNTER FÜHLT SICH FALSCH AN DIESEM ORT


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DOCH ETWAS BRENNT SICH IN IHR HERZ DAS LÄSST SIE NICHT MEHR FORT SIE HÖRT EIN TAUBES RAUSCHEN UND DAS KLINGT NACH IHREM BLUT UND DAS IST WIE IHRE TRÄUME WEIL ES NIE IN FRIEDEN RUHT UND BLÜTENBLÄTTER RIESELN IHR UNMERKLICH AUS DER HAND DIE BLUME, DIE SIE TOT GEDRÜCKT HAT SIE NICHT EINMAL GEKANNT EIN SCHATTEN RAGT JETZT VOR IHR AUF EIN KIND IN SEINEM ARM DA WEISS SIE WIEDER, WAS SIE SELBST FÜR IMMER AUF SICH NAHM HÖRST DU SIE KLINGEN ALL DIE TRÄNEN - UNGEWEINT WOLLEN MICH BEZWINGEN WEIL DA KEINE GNADE SCHEINT NUR KALTES WISSEN GANZ EGAL, WAS ICH AUCH TU DA IST EIN SCHWARZER TRAUERFILM AUF MEINEM LEBEN - DER BIST DU


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14 Sprecher Vor der Premiere von Annas Stück. Hinter der Bühne. Anna 2 in der Kleidung von Anna 1. Anschließend wechselt die Szene zum Theaterauditorium. Alle Personen haben sich da versammelt und bereiten sich mit ihren eigenen Gedanken auf die Vorstellung vor. Und irgendwie, wie eine Erinnerung, die nicht ruhen kann, ist die kleine Anna auch dabei. Als sich der Vorhang hebt sehen wir dann Anna, die Studentin als Anna da Kind kostümiert. Herma Wir haben draußen auf dich gewartet. Anna 2 Das tut mir leid. Herma Was machst du in dem Kostüm- Anna 2 Ich spiele jetzt mit Herma Ich dachte, du bist die Regisseurin? Anna 2 Das habe ich mir auch so gedacht, bis gerade eben. Herma Aber doch wohl nicht als eines der Kinder. Anna 2 Dieses Mädel, das die Anna spielen soll. Die Eltern sind gerade hier raus. Die haben gesagt, sie haben einen Anruf gekriegt und noch einen Anruf und die wollen nicht bei so Verunglimpfungen mitmachen. Und jetzt machen die das nicht. Tut ihr leid. Wir haben zwar ein paar Wochen geprobt, aber Entschuldigung. Vielleicht stimmt das ja auch nicht. Vielleicht hat man ja auch nur ein Fenster offengelassen und das Kleine hat im Zug gelegen. Das muss doch nicht vorsätzlich gewesen sein und so… Herma Also der Siegfried, der kann damit nicht so gut umgehen. Anna 2 Ich glaube, mit dem Thema kann sowieso keiner so richtig umgehen. Herma Ich gehe dann jetzt mal. Anna 2 Weißt du eigentlich, dass ich nie wirklich ne Mama hatte Herma Hattest du nicht? Anna 2 Ich hatte tolle Adoptiveltern. Die waren vor allem auch toll, weil sie mich immer mit Halbwahrheiten


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abgespeist haben. Meine Mutter, sagen sie, war allein mit mir gewesen. Und das war eben nicht so gut. Herma Und weiter nichts. Anna 2 Nimmer wieder sehen. No. 18 – Nimmerwiedermehr/ Das, was war (Reprise) Ensemble Herma SO WIE IN EINEM FILM SO GEBE ICH SIE MIT DIR MIT MIT EINEM TIEFEN ATMEN SIE MACHT IHN SCHWERER - DEINEN SCHRITT ICH KENN DICH SCHON, DU BIST JETZT FÜR SIE DA Anna 2 WAS IST DAS FÜR EIN FILM SO WIE EIN BRENNEN AUF DER HAUT DAS SCHIEBT MICH VOR DEN VORHANG EIN ANDRER AUSWEG IST VERBAUT EIN LACHEN WIE VON EINER KINDERSCHAR Anna 2, Herma EIN IMMER WIEDER MEHR UND DASS WIR LIEBEN SOLLEN VOLLER HOCHGEFÜHL DABEI MIT IMMER ÜBERVOLLEN HERZEN, ALS OB MAN UM DIE WAHRHEIT RENNT WEIL MAN VON DENEN, DIE DA WARN, DIE NAMEN KENNT


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16 Fortsetzung No. 18 - Das, was war (Reprise) Ensemble Siegfried ES IST JA NICHT, ALS WÜRD SIE AUF DER BÜHNE STEHEN Andreas DOCH UMSO WICHTIGER, DASS WIR DAS HEUTE SEHEN Siegfried ICH FINDE DEINE FREUNDIN WIRKLICH TOLL… Eva SOLL ICH HIER WIRKLICH BLEIBEN, WILL VIEL LIEBER GEHEN Frieda MUSS ICH DENN AUSGERECHNET DIE HIER WIEDERSEHEN Anna 2 UND BIS ZUM LETZTEN PLATZ IST ALLES VOLL Anna 1 WIE EIN KIND Frieda WIE UNBEKANNT Herma EIN WENIG MEHR Anna 2 AUF MEINER HAUT Andreas WAS DIE SICH TRAUT Eva DAS WIRD JETZT SCHWER Alle DA IST EIN WEINEN IN DER WELT EIN JEDER SCHNEIDET SICH DARAN Herma GEFÜHLLOS IST, WER DAMIT LEBEN KANN Frieda UND GLÜCKLICH IST, WER SICH VERGEBEN KANN Siegfried VERGEBEN IST, WAS NIEMAND ÄNDERN KANN Eva


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UND ICH WEISS, DASS ICH DAS NICHT ÄNDERN KANN Anna 2 WÄR ICH DOCH JEMAND, DER DAS ÄNDERN KANN Andreas WAS MAN AUCH TUT, WAS ÄNDERT MAN DARAN Herma nimmt bei ihrer Familie Platz Anna 1, Anna 2 EIN NIMMER WIEDER MEHR UND DASS WIR LERNEN SOLLEN VOLLER MITGEFÜHL DABEI UND IMMER ÜBERVOLLEN HERZEN, ALS OB MAN UM SEIN LEBEN RENNT WEIL MAN VON DEM, WAS WAR, JA NICHT DEN AUSGANG KENNT Alle EIN NIMMER WIEDER MEHR UND DASS WIR LERNEN SOLLEN VOLLER MITGEFÜHL DABEI UND IMMER ÜBERVOLLEN HERZEN, ALS OB MAN UM SEIN LEBEN RENNT WEIL MAN VON DEM, WAS WAR, JA NICHT DEN AUSGANG KENNT


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17 No. 19 - Märchenlied 3 Anna 2, Frieda, Anna 1 Anna 2 DA IST IMMER EIN TRAUM MEHR DEN HAST DU NOCH NICHT GESEHEN IMMER EINE OFFNE TÜR ZUM IMMER WEITER GEHEN Anna 2 und Frieda UND IMMER IST EIN LÄCHELN NAH EIN ZÄRTLICH HELLES ICH BIN DA DRUM SCHREITE MUTIG DURCH DEIN TRÄUMEN HIN Anna 2 MIT EINEM MAL UND SIE WEISS GANZ GENAU, DASS DAS JETZT STIMMT DASS JEMAND SIE DA IN DIE ARME NIMMT UND AUS VERTRÄUMTEM NACHTREICH AN DAS UFER SCHWIMMT… Frieda Halt! Anna 2 Entschuldigung? Frieda Du bist meine Tochter. Anna 2 Das verstehe ich nicht? Frieda Ich bin doch nicht dumm! Meine Tochter war in diesem Krankenhaus. Herma Wie heißt sie? Frieda Anna. Herma Anna… Frieda Diese Frau... Anna 2 Diese Frau… Herma Schwester Eva...


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Anna 2 Sie hat mir von dieser Anna… Frieda … dass meine Anna am Leben ist … Anna 2 Aber ich bin es nicht. Frieda Du bist meine Tochter! Herma Du bist doch auch bei Pflegeeltern aufgewachsen… Anna 2 Aber ich müsste mich doch erinnern… Frieda Meine Tochter lebt! Eva Das ist sie nicht. Es tut mir leid. (wiederholen, bis Frieda aufgibt) Anna 2 Das wäre schön. So schön wie in einem Theaterstück. Andreas Ein richtiges Happy End. Eva Ihre Tochter ist irgendwo. Alle Und jetzt? … Was jetzt? Andreas Was machen wir. Anna 2 Nicht die Hoffnung aufgeben! Sprecher An dieser Stelle, und wenn es auch an diesem Tag weniger nötig ist, als in einer regulären Theatervorstellung, möchten wir uns allen eine Wahrheit ins Gedächtnis rufen. Wir erzählen hier eine Geschichte. Und nach der Vorstellung gehen wir alle etwas essen und hören uns Vorträge an und dann gehen wir am Ende auch irgendwann nach Hause. Wir möchten Sie an dieser Stelle daran erinnern, dass es eine Wirklichkeit gibt hinter diesem Theaterstück. Die Wirklichkeit von kleinen Kindern, die nicht nach Hause gehen, weil sie das niemals wieder können. Das Krankenhaus in Rothenburgsort, das gibt es nämlich wirklich. Und es gibt viele und noch viel mehr Orte, an denen diese Verbrechen geschehen sind, von denen wir hier erzählt haben. Es gibt reale Kinder, kleine, größere. Die waren wirklich da. Wir möchten hier jetzt eine Minute mit Ihnen nehmen und einmal mehr dieser Kinder gedenken. Wir sprechen ein paar ihrer Namen. Es sind für diesen Ort hier bedeutsame Namen, denn es sind die Kinder, die von hier, aus Alsterdorf, nach Rothenburgsort gebracht wurden und dort ermordet wurden. Danach setzen wir unser Stück mit dem Finale fort. Friedas Hoffnung auf ein Happy End ist


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vorbei. Anna ist nicht Anna. Was bleibt, ein wenig Hoffnung – und der Wunsch nach einer Welt, in der Happy Ends nicht mehr nötig sind. Anna 2 Magdalene Schütte, geb. 5.10.1939, gest. 7. 1.1942 Herma Gebhard Pribbernow, geb. 21.1.1940, gest. 28. 6.1944 Eva Antje Hinrichs, geb. 16.1.1940, gest. 28. 6.1944 Frieda Renate Müller, geb. 5.5.1941, gest. 23.12.1941 Anna 1 Siegfried, Findelkind, geb. 1943, gest. 5. 9.1944 No. 20 - WAS KANN EIN LIED Ensemble Anna 2 WAS KANN EIN LIED WAS KANN ES NÜTZEN KANN ES DICH WÄRMEN DICH BESCHÜTZEN IN EINER FLUT AUS ANGST UND LEID NACH RÜCKWÄRTS DREHEN DAS RAD DER ZEIT WO HÖRT ES AUF WO FÄNGT ES AN UND STIRBT ES WENN ES NICHT MEHR KANN? Frieda WAS KANN EIN LIED WENN IHRE STIMMEN VOR ALL DEN LÜGEN NUR ZERRINNEN Siegfried WENN EINER SAGT, ACH, SEIEN SIE FROH, FÜR SIE IST DAS DOCH BESSER SO Herma WENN “MAMA PAPA” ALLES IST, WAS SIE SAGEN KANN DOCH IN DEM KRANKENHAUS HÖRT SICH DAS KEINER AN Andreas DAS IST EIN LIED - FÜR ALLE DIE, DIE SONST VERGESSEN SIND


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EIN LIED FÜR JEDES KLEINE, TOTGEMACHTE KIND Eva WAS SOLL EIN LIED STECKT MAN EIN KIND IN EINEN BUNKER DASS ES ATEM FIND Siegfried UND SPÄTER DANN WENN ALLES AUS Herma IN EINEM KARREN SCHICKT MAN DIR‘S NACH HAUS Anna 2 DA MUSS KEIN RITTER SEIN AUF EINEM WEISSEN PFERD Anna 1 UND AUCH KEIN SCHLOSS MIT ZAUBERSPUK BEWEHRT Andreas DA BRAUCHTS NUR EINEN DER DICH NICHT BEISEITE SCHIEBT Herma und Siegfried DER DEINEN FRAGETRUNKNEN BLICKEN EIN KLEINES BISSCHEN ANTWORT GIBT Anna 1, Anna 2 DER DIR, WIE GIERIG DU AUCH AUF DAS LEBEN BIST Anna 1, Anna 2, Andreas BEWEIST, DASS DIES DEIN GUTES RECHT AUF DIESER ERDE IST Eva JA SO EIN LIED DARF ALLES, WAS ES KANN Herma, Eva DARUM FANG ICH ES IMMER WIEDER NEU ZU SINGEN AN Alle DA IST EIN LIED - FÜR JEDES KLEINE, STUMM GEMACHTE KIND SO SINGT ES FORT - No. 21 - FINALE Ensemble Anna 2 EIN BISSCHEN NÄHER


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DENN WAS GIBT ES ZU VERLIEREN Frieda EIN BISSCHEN TIEFER UND WAS WÜRDE DANN PASSIEREN Andreas EIN BISSCHEN ANDERS FÜREINANDER DA ZU SEIN Anna 2 EIN BISSCHEN LIEBER DENN SO SIND WIR NICHT ALLEIN Eva WEIL WIR MIT VOLLER KRAFT AM LEBEN SIND Frieda MIT ALLEM WAHNSINN, DER DAZU GEHÖRT Anna 1 WEIL SO VIEL LIEBE UNS LEBENDIG MACHT Eva, Frieda, Anna 1 WEIL UNS KLEINLICH-FEIGE-SEIN ZERSTÖRT Herma EIN BISSCHEN TRÄUMEN TRÄUME SIND ES, DIE UNS RETTEN Siegfried UND DOCH VIEL STÄRKER WENN WIR EINE CHANCE HÄTTEN Frieda SO GANZ LAUT SINGEN HELL ERLEUCHTET - HIMMELSFLUG Eva, Anna 1 UND IMMER SCHNELLER UND DOCH NOCH LANGE NICHT GENUG Anna 2 JA SO VIEL SCHNELLER MITTEN IN DIE ZUKUNFT REIN UND IMMER WEITER Andreas UND DA WERD ICH BEI DIR SEIN Siegfried, Herma ALL DIESE KINDER WERDEN IMMER BEI UNS SEIN


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Ensemble WEIL WIR MIT VOLLER KRAFT AM LEBEN SIND MIT ALLEM WAHNSINN, DER DAZU GEHÖRT WEIL ES DER MUT IST, DER UNS WIRKLICH MACHT WEIL UNS KLEINLICH-FEIGE-SEIN ZERSTÖRT WEIL WIR MIT VOLLER KRAFT AM LEBEN SIND UND JEDEN HERZSCHLAG ETWAS MEHR Anna 2, Andreas WEIL DU MICH MIT AUF DIESE REISE NIMMST JA - DARUM LIEB ICH DICH SO SEHR Herma, Frieda DA IST EIN LIED Siegfried FÜR JEDES KLEINE STUMM GEMACHTE KIND Andreas SO SINGT ES FORT Anna 2 DAMIT SIE NICHT TOTAL Anna 1 VERGESSEN SIND

Date post:	10-Oct-2020
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