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Nied KL end 16 09 08 - Dipartimento di Lingue,...

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5 INHALTSVERZEICHNIS Vorwort S. 9 Wortakzent, Barbara Vogt » 11 1. Einleitung 2. Wie wird der Akzent realisiert? » 11 3. Phonemischer Akzent » 12 4. Rhythmischer Akzent » 13 5. Die Silbe als Träger des Akzents » 14 6. Morphologische Faktoren in der Akzentverteilung » 15 7. Prosodische Faktoren in der Wortbildung » 17 Aufgaben und Übungen » 21 Literatur » 24 Sprache im Kleid der Schrift: Gegenüberstellung italienischer und deutscher Rechtschreibung, Barbara Hans-Bianchi » 25 1. Einleitung » 25 2. Der Buchstabe » 26 3. Die Buchstabenverbindung » 28 4. Die Schreibsilbe » 28 5. Das Morphem » 31 6. Das Wort » 32 7. Der Satz » 34 Aufgaben und Übungen » 35 Literatur » 42 Wie werden neue Substantive, Adjektive und Verben gebildet? Mophologische, syntaktische und semantische Aspekte der produktiven Wortbildungsverfahren, Katharina Gemperle » 44 1. Vorbemerkungen » 44 2. Konstituenten und Grundverfahren der Wortbildung » 45 3. Substantivische Wortbildung » 50
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INHALTSVERZEICHNIS Vorwort S. 9 Wortakzent, Barbara Vogt » 11 1. Einleitung 2. Wie wird der Akzent realisiert? » 11 3. Phonemischer Akzent » 12 4. Rhythmischer Akzent » 13 5. Die Silbe als Träger des Akzents » 14 6. Morphologische Faktoren in der Akzentverteilung » 15 7. Prosodische Faktoren in der Wortbildung » 17 Aufgaben und Übungen » 21 Literatur » 24 Sprache im Kleid der Schrift: Gegenüberstellung italienischer und deutscher Rechtschreibung, Barbara Hans-Bianchi » 25 1. Einleitung » 25 2. Der Buchstabe » 26 3. Die Buchstabenverbindung » 28 4. Die Schreibsilbe » 28 5. Das Morphem » 31 6. Das Wort » 32 7. Der Satz » 34 Aufgaben und Übungen » 35 Literatur » 42 Wie werden neue Substantive, Adjektive und Verben gebildet? Mophologische, syntaktische und semantische Aspekte der produktiven Wortbildungsverfahren , Katharina Gemperle » 44 1. Vorbemerkungen » 44 2. Konstituenten und Grundverfahren der Wortbildung » 45 3. Substantivische Wortbildung » 50

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4. Adjektivische Wortbildung S. 55 5. Verbale Wortbildung » 57 Aufgaben und Übungen » 61 Literatur » 63 Die Modalverben, Klaus Ruch » 65 1. Die Grundbedeutung der Modalverben » 65 2. Der epistemische Gebrauch der Modalverben » 74 Aufgaben und Übungen » 76 Literatur » 80 Vergangenheitstempora im Italienischen und Deutschen, Nicole Schumacher » 81 1. Die Lernaufgabe » 81 2. Grammatischer Aspekt und sprachspezifische Perspektivierung » 82 3. Deutsche und italienische Vergangenheitstempora im Vergleich » 83 Aufgaben und Übungen » 95 Literatur » 96 Rund ums Gerund: Das gerundio und seine Wiedergabe im Deutschen, Waltraud Sattler » 98 1. Einleitung » 98 2. Verschiedene Wiedergabemöglichkeiten des gerundio im Deutschen » 104 Aufgaben und Übungen » 111 Literatur » 117 Die Sprache der Dichter und Denker: Bewegt die Satzklammer den Geist?, Marita Kaiser » 118 1. Überlegungen zu Sprachbau und Sprachverhalten » 118 2. Das Grundprinzip der deutschen Wortstellung: die Satzklammer und ihre topologischen Felder » 121 3. Die Besetzung von Vor- und Mittelfeld » 127 4. Die Reihenfolge der Satzglieder im Mittelfeld » 130 5. Das Nachfeld » 132 Aufgaben und Übungen » 132 Literatur » 138

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Die Valenz italienischer und deutscher Verben, Martina Nied Curcio S. 139 1. Tesniere und die Valenzgrammatik » 139 2. Ergänzungen und Angaben und ihre Klassifikation nach Ulrich Engel » 142 3. Valenzwörterbücher und ihre Anwendung in der Didaktik Deutsch als Fremdsprache » 146 4. Konvergenzen und Divergenzen zwischen den Ergänzungen im Deutschen und Italienischen » 148 Aufgaben und Übungen » 154 Literatur » 157 Verben mit Präpositivergänzung und ihre Pro-Formen, Marita Kaiser » 158 1. Die Präpositionalphrase » 158 2. Präpositionalphrase und Präpositivergänzung » 162 3. Zur Einheit von Verb und Präposition » 164 4. Gebrauch der Präpositionen » 166 5. Die Präpositivergänzung und ihre Ersatz-Formen (Pro-Formen) » 168 6. Pro-Formen in Frage- und Relativsatz: wo-Bildungen » 169 7. Prof-Formen in Antwort- und Hauptsatz: da-Bildungen » 170 8. Eine Auswahl häufig gebrauchter Verben mit fester Präposition » 173 Aufgaben und Übungen » 176 Literatur » 182 Falsche Freunde und ihre Verwandten, Christine Twittmann » 184 1. Falsche Freunde – Echte Freunde: Versuch einer Definition » 184 2. Typologie der Falschen Freunde » 190 3. Falsche Freunde vermeiden » 194 Aufgaben und Übungen » 196 Literatur » 199 Polyseme italienische Verben zwischen Syntax und Semantik , Martina Nied Curcio » 200 1. Verbale Polysemie aus der kontrastiven Perspektive » 200 2. Polysemie und Valenz » 202 3. Polysemie und Semantik » 204 Aufgaben und Übungen » 207 Literatur » 211

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Kleine Wörter: Abtönung und Modalpartikeln , Peggy Katelhön S. 212 1. Einleitung » 212 2. Modalpartikeln und Abtönung » 212 3. Funktionen deutscher MP » 217 4. Italienische Formen der Abtönung » 224 Aufgaben und Übungen » 228 Literatur » 230 Lösungen zu den Aufgaben und Übungen » 233 Wortakzent (Vogt) » 233 Sprache im Kleid der Schrift (Hans-Bianchi) » 234 Wie werden neue Substantive, Adjektive und Verben gebildet? (Gemperle) » 237 Die Modalverben (Ruch) » 239 Vergangenheitstempora im Italienischen und Deutschen (Schumacher) » 242 Rund ums Gerund (Sattler) » 242 Die Sprache der Dichter und Denker:…(Kaiser) » 245 Die Valenz italienischer und deutscher Verben (Nied Curcio) » 247 Verben mit Präpositivergänzung (Kaiser) » 248 Falsche Freunde und ihre Verwandten (Twittmann) » 250 Polyseme italienische Verben zwischen Syntax und Semantik (Nied Curcio) » 251 Kleine Wörter: Abtönung und Modalpartikeln (Katelhön) » 253 Beitragende » 255

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VORWORT

Das vergleichende Sprachstudium kann nur dann zu sichren und bedeutenden Aufschlüssen über Sprache, Völkerentwicklung und Menschenbildung führen, wenn man es zu einem eignen, seinen Nut-zen und Zweck in sich selbst tragenden Studium macht. (W. v. Humboldt)

Die Kontrastive Linguistik, als eine vergleichende sprachwissenschaftliche Beschreibungs- und Analysemethode konfrontiert Gemeinsamkeiten und Un-terschiede zwischen zwei – oder mehreren – Sprachsystemen. Hinsichtlich des Sprachenpaars Italienisch-Deutsch sind nach dem Erscheinen von Figge/ De Matheis’ „Sprachvergleich Italienisch-Deutsch“ (1976) in den letzten Jahren wichtige wissenschaftliche Veröffentlichungen erschienen. Auch Übungsbü-cher und Lehrwerke für den DaF-Erwerb, die auf kontrastiv interessante As-pekte der italienischen und deutschen Sprache eingehen, wurden publiziert. Trotzdem blieben fachtheoretische Publikationen und fachdidaktische An-wendungen in diesem Bereich in der Regel getrennt.

Da sich die Kontrastive Linguistik als Methode jedoch nicht nur theore-tisch an der Sprache orientiert, sondern auch an den Bedürfnissen der Lernen-den und an einer möglichst direkten und effektiven Anwendung interessiert ist, ist es m.E. wichtig, beides – die sprachwissenschaftliche Auseinanderset-zung und die sprachpraktische Anwendung – miteinander zu verbinden. Ziel dieses Buches ist es, einerseits die wissenschaftliche Beschäftigung mit sprachwissenschaftlichen Themen anzuregen (dafür wurden in allen Beiträgen die neuesten wissenschaftlichen Publikationen eingearbeitet), andererseits aber auch den direkten Bezug zum Spracherwerb herzustellen. Aus diesem Grund – und das ist neu – enthalten alle Beiträge sowohl eine wissenschaftli-che analytische Beschreibung des kontrastiv interessanten Phänomens als auch einen sprachpraktischen Aufgaben- und Übungsteil. Die ausgewählte Bibliographie soll dem Lernenden als Unterstützung für eine weitere und ver-tiefende Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex dienen.

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Auch bei der Auswahl und Erarbeitung der Themen spielte die Lernerper-spektive die entscheidende Rolle. Phänomene wie Wortakzent, Orthografie, Wortbildung, Modalverben, Vergangenheitstempora, Gerund, Satzklammer, verbale Valenz, Verben mit Präpositivergänzung, falsche Freunde, Polysemie und Modalpartikeln bereiten den italienischen DaF-Lernenden oft Schwierig-keiten; Divergenzen werden oft nicht bewusst wahrgenommen, und Konver-genzen werden im Sprachlernprozess noch zu selten für einen positiven Transfer benutzt.

Der Band wendet sich insbesondere an Studierende der Germanistik, die

das Fach „Lingua e Traduzione: Lingua Tedesca (L-LIN/14)“ an italienischen Universitäten studieren. Jedoch sehe ich prinzipiell auch die Möglichkeit der Anwendung bei Lernern mit Deutsch als Muttersprache, die sich dem Studi-um der italienischen Sprache widmen.

Aufgrund der linguistischen Beschreibung und der reichen Anzahl an Auf-gaben und Übungen (inkl. Lösungen) kann das Studien- und Übungsbuch in wissenschaftlichen Vorlesungen und Seminaren und im sprachpraktischen Unterricht eingesetzt werden. Es eignet sich sowohl für die gemeinsame Ar-beit in der Gruppe als auch für das Selbststudium, gerade durch seine intensi-ve Übungsphase und den am Ende des Bandes eingefügten Lösungsschlüssel.

Mit dieser neuartigen Konzeption soll der Band eine weitere Lücke in der

Reihe der Publikationen schließen, die in den letzten Jahren aufgrund der Etablierung und Ausdifferenzierung der Disziplin ‚Germanistische Linguistik’ (L-LIN/14) nach der Hochschulreform in Italien erschienen sind. Es soll den Studierenden eine Stütze in ihrer Auseinandersetzung mit linguistischen Phä-nomenen der deutschen Sprache und der deutschen Sprache selbst sein. Letz-teres ist der wesentliche Grund dafür, dass das Buch bei einem italienischen Verlag nicht wie üblich auf Italienisch, sondern in deutscher Sprache verfasst wurde. Die Metasprache orientiert sich an einer korrekten Wissenschaftsspra-che, wird aber einfach und klar gehalten, damit sich die Studierenden auf den Inhalt konzentrieren können, ohne gleichzeitig den Spracherwerb vernachläs-sigen zu müssen. Grundkenntnisse der deutschen Sprache (B1) werden jedoch vorausgesetzt.

Ich möchte allen Beitragenden ganz herzlich danken, für ihre Beiträge und

ihre hilfreichen Kommentare, und vor allem dafür, dass sie sich bereit erklärt haben, bei diesem Projekt mitzuarbeiten und es zu unterstützen, denn nur dadurch konnte seine Realisierung ermöglicht werden. Rom, im September 2008 Martina Nied Curcio

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WORTAKZENT

Barbara Vogt 1. Einleitung

Dem Akzent wird im Fremdsprachenunterricht meistens wenig Aufmerk-samkeit gewidmet. Lehrer und Lerner verlassen sich darauf, dass der Akzent automatisch und ohne Mühe mitgelernt wird. Auf der anderen Seite trägt der Akzent wesentlich zu einem guten Gelingen der gesprochenen Kommunikati-on bei. So gibt es beispielsweise im Deutschen große Unterschiede zwischen akzentuierten und nicht-akzentuierten Silben, die Deutsch-Lernern vor allem im Hinblick auf das Hörverständnis und auf die Aussprache Probleme berei-ten können. Außerdem spielen Akzent-Fragen auch oft in der Wortbildung eine Rolle. Im Folgenden soll vor allem auf diese beiden Aspekte eingegan-gen werden, die im Fremdsprachenunterricht von Bedeutung sein können. Zuvor wird kurz erklärt, wie Akzent realisiert wird (Kap. 2) und welche Funk-tionen er haben kann (Kap. 3 und 4).

2. Wie wird der Akzent realisiert? Akzent ist ein linguistisches Phänomen, mit dessen Hilfe bestimmte Ein-

heiten (Silben) in einer mündlichen Äußerung hervorgehoben werden können. In diesem Beitrag beschränken wir uns auf den Wortakzent oder lexikalischen Akzent. Damit ist das Akzentmuster gemeint, das im (mentalen) Lexikon re-gelhaft für ein bestimmtes Wort vorgesehen ist.

Im Deutschen und Italienischen kennen wir neben den Bezeichnungen ak-

zentuiert/ nicht akzentuiert (accentato/ non accentato) auch noch betont/ un-betont (tonico/ atonico). Meistens werden sie als Synonyme verwendet. Letz-tere Termini weisen jedoch auch darauf hin, dass eine Veränderung des Tons

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dazu beitragen kann, einen Akzent zu realisieren. Aber es gibt mehrere phone-tische Korrelate des Akzents, also Korrelate, die sich auf die physikalischen Charakteristiken des Sprechlauts beziehen. Im Allgemeinen werden heute vor allem drei Faktoren unterschieden:

1. die Tonhöhe (im Englischen pitch genannt); sie kann variiert werden,

indem der Sprecher die Stimmbänder je nachdem schneller oder lang-samer vibrieren lässt. Je schneller sie vibrieren, desto höher wird der Ton; es handelt sich also um den Verlauf der Grundfrequenz F0,

2. die Intensität des Lautes; indem der Sprecher den Atemdruck ver-stärkt oder verringert, ändert sich auch die Lautstärke,

3. die Vokallänge (betonte Vokale sind in der Regel auch länger). Es ist bis heute für viele Sprachen nicht eindeutig geklärt, wie die einzelnen phonetischen Parameter1 zusammenwirken, um eine Akzent-Wirkung zu er-zeugen. Auch variieren die Sprachen bezüglich der eingesetzten Mittel. Nespor (1993: 65) stellt fest, dass im Italienischen Vokallänge und Intensität die wichtigsten phonetischen Korrelate sind. Bertinetto (1981: 79, 86) hebt vor allem die Dauer hervor. Im Hinblick auf das Deutsche wird heute dage-gen davon ausgegangen, dass es in erster Linie die Veränderung der Tonhöhe ist, mit deren Hilfe der Akzent realisiert wird (Eisenberg 2004: 128, Behme-Gissel 2005: 11).

Auch wenn die phonetischen Mittel variieren und man noch nicht genau

weiß, wie sie zusammenwirken, ist es doch angemessen, Akzent als phonolo-gische Ordnungseinheit anzusehen. Es handelt sich um eine kognitive Größe, die von anderen phonologischen Phänomenen getrennt werden kann und die nicht aufgrund der Art ihrer phonetischen Realisierung, sondern aufgrund ihrer Funktion, mündliche Rede zu strukturieren, wichtig ist (Fox 2000: 215).

3. Phonemischer Akzent Wenn der Akzent nicht auf eine bestimmte Silbe im Wort festgelegt ist

(z.B. der letzten wie im Französischen oder der ersten wie im Finnischen), kann er auch genutzt werden, um Bedeutungen zu differenzieren. Dies be-zeichnet man auch als phonemischen Akzent. So unterscheiden sich beispiels-weise die Wörter 'Tenor (contenuto, significato) und Te'nor (tenore/ cantan-

1 Dauer, Energie und Grundfrequenz sind gleichzeitig akustische Parameter.

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te)2 nur durch die unterschiedliche Akzentuierung. Im Deutschen ist der Ak-zent aber nur in wenigen Minimalpaaren bedeutungsunterscheidend:

(1) 'August (Vorname) vs. Au'gust (Monatsname)

Systematischer wird dagegen der Wortakzent zur Unterscheidung von Be-

deutung in zusammengesetzten Verben verwendet (s. auch den Beitrag von Gemperle in diesem Band).

(2) 'unterstellen (mettere sotto) vs. unter'stellen (imputare) a. Ich habe das Auto untergestellt. b. Ihm wird Bestechung unterstellt.3

Auch im Italienischen gibt es einige Beispiele, in denen der Akzent bedeu-

tungsunterscheidend ist:

(3) a. 'ancora vs. an'cora b. 'pero vs. pe'rò

Systematisch finden wir dagegen den Akzent für die Kennzeichnung mor-

phologischer Kontexte: So verlangen beispielsweise die meisten Verben im Passato remoto in der 3. Person Singular den Akzent auf der letzten Silbe.

(4) a. 'amo vs. a'mò

b. 'canto vs. can'tò

4. Rhythmischer Akzent In Kapitel 2 haben wir den Akzent funktional als phonologische Ord-

nungseinheit bestimmt. Eine der ordnenden Funktionen des Akzents besteht darin, die Sprache rhythmisch zu gliedern. In der Sprache manifestiert sich Rhythmus mittels der möglichst regelmäßigen Abfolge von bestimmten Ein-heiten. In der metrischen Phonologie versucht man, Akzentmuster zu be-schreiben, indem man die Silben zu größeren Einheiten (Konstituenten) zu-sammenfasst. Diese rhythmischen Grundeinheiten werden als metrische Füße bezeichnet.

2 Der Hauptakzent kann durch einen hochgestellten Strich und ein Nebenakzent durch einen

tiefgestellten Strich ausgedrückt werden. Außerdem wird die betonte Silbe durch Fettdruck hervorgehoben.

3 Vgl. Beispiel 16.

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Ein metrischer Fuß besteht typischerweise aus einer prominenten (starken) Silbe und einer nicht-prominenten (schwachen) Silbe oder aus einer einzelnen Silbe. Prominenz bedeutet in Bezug auf das Deutsche und Italienische, dass die Silbe akzentuiert ist und die phonetischen Korrelate aufweist, über die oben gesprochen wurde (Länge, Intensität und Wechsel der Grundfrequenz). Einen Fuß, in dem die erste Silbe betont wird, nennt man Trochäus. Ein Fuß, in dem die zweite Silbe akzentuiert wird, heißt Jambus. Diese Termini hat man der traditionellen Versmetrik entnommen. So geht man davon aus, dass z.B. im Deutschen und Italienischen die metrischen Füße typischerweise aus einem Trochäus bestehen. Man kommt zu dieser Annahme, weil in einem langen Wort die Nebenakzente vor dem Hauptakzent normalerweise auf der ersten, dritten und eventuell fünften Silbe akzentuiert werden:

(5) a. (ֽo. no.)(ֽma. to.) po. ' e. ti. co 4 b. (ֽo. no.)(ֽma. to.) po.' e. tisch

1 2 3 4 5 Die Betonung der ungeraden Silben ergibt also einen trochäischen Rhyth-

mus (hm ta, hm ta ….)5. Die Existenz bestimmter Akzentstrukturen in einer Sprache, die regelmäßig wiederkehren, war einer der Gründe, eine phonologi-sche Konstituente „metrischer Fuß“ zu postulieren. Außerdem existieren auch phonologische Regeln, die sich auf diese Konstituente beziehen und die auf diese Weise ihre Existenz beweisen. Ein Argument dafür, dass ein metrischer Fuß als phonologische Repräsentation existiert, ist beispielsweise das Einset-zen des glottalen Plosivs6, der immer nur am Anfang eines Fußes zum Einsatz

kommt: [ʔ]Atem oder The[ʔ]ater vs. Thea (vgl. Wiese 2000: 59).

5. Die Silbe als Träger des Akzents Lange wurde allein der Vokal als Hauptträger des Akzents angesehen;

heutzutage ist man jedoch der Auffassung, dass der Akzent nicht nur die Rea-lisierung der Vokale betrifft, sondern die gesamte Silbe. Der Akzent gehört also zu den suprasegmentalen (prosodischen) Merkmalen der Sprache; das sind Merkmale, die dem Segment nicht inhärent zukommen, die sich über

4 Die Punkte signalisieren hier die Silbengrenze. 5 Vgl. Alber 2007: 148. 6 Dieser Konsonant entsteht, wenn man die Öffnung zwischen den Stimmbändern kurz ver-

schlieβt und dann die Luft auf einmal herausströmen lässt. Man kann diesen Laut üben, indem man versucht, zu husten. Dabei entsteht dann dieser Laut (Alber 2007: 17).

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mehr als ein Segment erstrecken und vom Kontext abhängig sind. Weitere Beispiele für prosodische Merkmale außer dem Akzent sind z.B. der Ton, die Quantität und die Intonation (Ramers 2001: 55).

Silben entstehen, wenn wir die einzelnen Laute zu größeren Einheiten oder

Konstituenten zusammenfassen. Im Deutschen hat der Akzent – anders als im Italienischen – großen Einfluss auf die Realisierung der Silben. Es wird zwi-schen Vollsilben und Reduktionssilben unterschieden. Reduktionssilben sind Silben, in denen die Vokale Schwa [ə] wie in 'mü.de ('mü.d[ə]) und das voka-

lisierte <r>7 wie in 'Kin.der ('Kin.d[ɐ])8 vorkommen. Diese Silben können nie betont werden. Auch gibt es im Deutschen anders als im Italienischen silbi-sche Konsonanten, die den Schwa-Laut ersetzen können. Sie heißen deshalb „silbisch“, weil sie als Silbenkern9 fungieren; an der Aussprache des Konso-nanten selbst ändert sich nichts: z.B. <raten> wird – bei schneller, also nor-maler Aussprache – als 'ra.[tĦ]10 ausgesprochen. Auch die silbischen Konso-nanten werden nie betont. Im Italienischen gibt es in der Standardsprache weder silbische Konsonanten noch Schwa-Laute noch das vokalisierte <r>; dies kann – wie gesagt – v.a. zu Schwierigkeiten im Hörverständnis oder bei Diktaten führen.

6. Morphologische Faktoren in der Akzentverteilung Viele Faktoren können die Position des Akzents beeinflussen. Eine wichti-

ge Rolle spielen morphologische Informationen. So fällt im Deutschen in zweisilbigen, nativen Wörtern der Akzent in der Regel auf die erste Silbe, die oft mit dem Stamm-Morphem zusammenfällt: Beispielsweise liegt den For-men lesen und Leser das Stamm-Morphem -les- zugrunde. Beide Formen werden auf der Stammsilbe betont: 'Le.ser, 'le.sen.

7 Die spitzen Klammern bedeuten, dass das Wort in graphematischer Schreibweise wieder-

gegeben wird. 8 Die eckigen Klammern geben eine phonetische Schreibweise wieder. Der Schwa-Laut

und das vokalisierte <r> sind mittlere, zentrale Vokale, die sich sehr ähnlich sind. Wer Mutter-sprachlern aufmerksam zuhört, kann sie jedoch leicht unterscheiden.

9 Eine Silbe besteht obligatorisch aus dem sogenannten Silbenkern (Nukleus). In der Regel sind das die Vokale. Als Onset (oder Anfangsrand) bezeichnen wir den/die Konsonanten, die dem Nukleus vorausgehen. Die Konsonanten, die eine Silbe schließen, werden als Endrand (oder Koda) bezeichnet.

10 Silbische Konsonanten werden mit einem Strich unter dem Konsonanten gekennzeichnet.

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6.1. Flexion Der Akzent verbleibt auch auf dieser Position, wenn das Wort flektiert

wird, da die Flexionsformen aus Schwa-Silben bestehen und Schwa-Silben, wie schon gesagt, nie betont werden können.

(6) 'Arbeit, ge'arbeitet, 'arbeitete 6.2. Derivation

Die Mehrzahl der nativen Derivations-Suffixe ist neutral, was die Akzent-

verteilung betrifft (vgl. Duden Bd. 4 72005: 49). Das heißt, das Wort wird abgeleitet, ohne dass sich der Akzent verschiebt: (7) a. 'Sonne → 'sonnig b. 'Ende → 'endlich

Es kann aber auch sein, dass der Akzent neu verteilt werden muss. So gibt es Affixe, die den Akzent tragen und den Akzent im Ausgangswort verschie-ben. Dies zeigen folgende nicht-native Suffixe: (8) a. 'Bäcker → Bäcke'rei, b. natio'nal → Nationa'list c. effek'tiv → Effektivi'tät

Andere Suffixe gehorchen bestimmten Regeln: So fixiert das Suffix –isch den Akzent auf der vorhergehenden Silbe, wenn diese akzentuierbar ist.

(9) a. 'China → chi'nesisch

b. A'merika → ameri'kanisch 6.3. Komposition

In Komposita fällt im Deutschen der Akzent auf den ersten Teil, der zweite Teil erhält einen schwächeren Akzent. In italienischen Komposita dagegen ist die am stärksten betonte Silbe im zweiten Teil zu finden. Deshalb heißen zwei berühmte Deutsche auch: 'Schumacher und 'Beckenbauer11: (10) a. 'Staubֽsauger vs. ֽaspira'polvere b. 'Fahrֽschule vs. ֽ auto'scuola

11 Beispiele aus Alber 2004: 65.

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7. Prosodische Faktoren in der Wortbildung Die Beispiele in (6) - (10) haben gezeigt, dass die Verteilung des Akzents

auf morphologische Informationen Rücksicht nimmt, dass also z.B. die Ablei-tung eines Wortes mit einem bestimmten Suffix die Akzentstruktur des abge-leiteten Wortes verändert, die Flexion dagegen die Akzentverteilung nicht beeinflusst. Umgekehrt können aber auch prosodische Faktoren wie der Ak-zent in morphologischen Prozessen eine Rolle spielen. Da dieser Aspekt in den Grammatiken und im Fremdsprachenunterricht oft vernachlässigt wird, sollen hier zum Abschluss einige Beispiele für prosodisch konditionierte Wortbildungsprozesse gegeben werden. 7.1. Präfixverben

Die meisten Präfixe sind Verbpräfixe. In diesem Kapitel wird detaillierter

auf diese Gruppe eingegangen. Folgende Präfixe, die ein <e> enthalten (be-, ent-, emp-, er-, ge-, ver-, zer-), verändern in der Regel die Akzentstruktur nicht (vgl. in (11), Spalte II). Präfixe, die auch als selbständige Wörter (meis-tens Präpositionen wie an, ab, auf, aus, bei, nach, zu etc.) existieren, ziehen dagegen den Akzent an (vgl. in (11) Spalte III). Der Stamm, also die Verb-wurzel, erhält einen schwächeren Akzent:

(11) I II III

a. 'laden be'laden aber: 'abֽ laden b. 'fallen ge'fallen aber: 'aufֽfallen

Die akzentuierten Präfixe in zusammengesetzten Verben können als selb-

ständige Wörter betrachtet werden, da sie auch die Akzentstruktur eines Kompositums (Präposition + Verb) aufweisen, d.h. auf dem ersten Teil den Hauptakzent tragen (vgl. zum Komposita-Akzent Beispiel (7)). Die nicht-akzentuierbaren Präfixe dagegen gehören „untrennbar“ zum Verb12.

(12) a. 'abֽ fahren: Ich fahre ab. (trennbar) b. er'fahren: Ich erfahre wieder einmal nichts. (untrennbar)

Das Partizip Perfekt der Verben mit akzentuiertem Präfix wird mit dem

12 Die Präfixe können terminologisch auseinander gehalten werden; so werden trennbare

Präfixe auch Verb-Partikel, Halbpräfixe oder unfeste Präfixe etc. genannt. Im Text wird an den Termini trennbares vs. untrennbares Präfix festgehalten. Die Darstellung folgt Wiese (2000: 98 ff.).

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Morphem ge- gebildet, das unmittelbar an die Wurzel angehängt wird. Das Partizip der Verben, die ein unbetontes Präfix haben, wird ohne ge- gebildet:

(13) a. 'abֽ fahren: Ich bin gestern abgefahren b. er'fahren: Ich habe wieder einmal nichts erfahren.

Dies erscheint zunächst als willkürlich, lässt sich jedoch mit Hilfe prosodi-

scher Informationen auflösen: Die Bildung des Partizip Perfekts mit ge- hängt davon ab, ob die folgende Silbe den Hauptakzent trägt: Nur dann kann das Morphem ge- realisiert werden: Folgende Darstellung macht den Zusammen-hang deutlich, wobei der dicke, schwarze Punkt für den Hauptakzent steht:

ge + [ ● ◦] oder ge + [●]. Kann dieser Bedingung nicht entsprochen werden, wird auf die ge-

Markierung verzichtet. Dies ist der Fall, wenn ein morphologisch einfaches Verb – ungewöhnlicherweise – nicht auf der ersten Silbe betont wird oder wenn das Verb mit einem unbetonten Präfix versehen wird:

(14) a. ko.'pie.ren: ko.'piert *ge.ko.'piert *ge + [◦ ● ]13 b. er.'fah.ren: er.'fah.ren *ge.er.'fah.ren *ge + [◦ ● ◦ ]

Präfixverben mit akzentuierten Präfixen können wie gesagt als Komposita

aufgefasst werden. Die Affigierung mit ge- erfolgt zuerst an dem Verb (wenn es Initialbetonung aufweist), danach wird das Kompositum mit der Präpositi-on gebildet:

(15) a. auffallen: auf + ge.'fal .len (ge + [ ● ◦]) b. ausdiskutieren: aus + dis.ku.'tiert (*ge + [◦ ◦ ●])14

Das Besondere an trennbaren Verben ist also, dass sie dem ge-Morphem erlauben, sich an die betonte Silbe der Wurzel zu hängen.

Die normalerweise akzentuierten Präfixe (z.B. durch-, auf-, unter-, etc.) können auch unbetont realisiert werden. Die Bedeutung des Verbs verschiebt sich in diesem Fall. Meistens wird eine eher konkrete Bedeutung durch eine abstrakte ersetzt. An der Bedingung für eine Realisierung der Markierung mit ge- ändert sich nichts: Ist das Präfix akzentuiert, so hat die Kombination Komposita-Struktur; d.h. gegebenenfalls erfolgt die Markierung mit ge-, be-vor das Präfix mit dem Verb kombiniert wird. Ist das gleiche Präfix nicht-

13 Ungrammatische Formen werden mit einem Stern signalisiert. 14 Nebenakzente werden im Folgenden nicht gekennzeichnet.

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akzentuiert, weist das präfigierte Verb eine Akzentstruktur auf, die die Mar-kierung mit ge- verhindert:

(16) unter'stellen: unterstellt (*ge+ [ ◦ ◦ ●]) a. Dem Politiker wird Korruption unterstellt. 'unterֽ stellen: untergestellt unter + (ge+[ ● ]) b. Ich habe das Auto bei Michael untergestellt.

7.2. Die Suffixe -heit und -keit

Mit den beiden Suffixen -heit und -keit kann man aus Adjektiven abstrakte

Nomen ableiten. Sie treten in komplementärer Verteilung auf, was ebenfalls mit der Akzentstruktur zu tun hat (vgl. Beitrag von Gemperle).

-heit: Das Suffix -heit tritt auf, wenn die vorausgehende Silbe betont ist: (ge -sund → Ge'sundheit); dies gilt auch für einsilbige Adjektive (schön → Schönheit).

-keit: Das Suffix -keit tritt auf, wenn die vorausgehende Silbe unbetont ist15: ('traurig → Traurigkeit).

Ausnahmen können Adjektive sein, die mit einer Schwa-Silbe enden wie

z.B.: Sicherheit (aber Heiserkeit). Dies kann mit dem besonderen Status des Schwa-Lauts zusammenhängen: Schwa kann einerseits als unbetonter Vokal angesehen werden, was die Suffigierung mit -keit zur Folge hat. Der Schwa-Laut kann aber auch ignoriert werden, was dann zur Suffigierung mit -heit führt.

7.3. Die Bildung des Plurals im Deutschen

Auch in der Plural-Bildung spielt die Akzentstruktur eine Rolle. Norma-

lerweise zählt die Pluralbildung zu den chaotischen Kapiteln in den Gramma-tiken. Dabei wird oft eine erstaunliche Regelmäßigkeit übersehen: Die meis-ten Plural-Formen weisen am Wortende die gleiche Struktur, nämlich eine trochäische Fußstruktur auf, wobei die unbetonte Silbe als Vokal immer einen Schwa-Laut enthält:

15 Die Darstellung folgt Wiese 2000: 98 ff.

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(17) a. Vater → 'Vä.ter b. Schwes.ter → 'Schwes.tern c. Frau → 'Frau.en

Wenn man nur drei Regeln kombiniert, so kann man für eine große Zahl

an Nomen die Pluralform abdecken. Was die wohl frequentesten Endungen -e und -en betrifft, so lassen sich folgende Regelmäßigkeiten feststellen16:

1. Maskulina und Neutra bilden den Plural mit der Endung -e; (vgl. aber

Punkt 3): das Boot → die Boote; der Tag → die Tage. 2. Feminina bilden den Plural auf -en: die Last → die Lasten; die Frau →

die Frauen; die Neuigkeit → die Neuigkeiten. 3. Das in den obigen Suffixen enthaltene -e wird getilgt, wenn das Nomen

bereits eine Abfolge aus betonter Silbe und unbetonter Silbe mit Schwa enthält: Statt der Pluralendung -e erscheint also keine Endung (Nullplu-ral), statt -en tritt nur -n auf.

Zu diesen drei Basis-Regeln existieren viele Zusatz-Regeln bzw. Ausnah-

men, auch haben wir die Pluralendungen -er und -s und den Umlaut überhaupt nicht angesprochen. Wichtig ist aber in diesem Kontext, dass die Pluralformen trotz großer segmentaler Unterschiede in Bezug auf die Akzentstruktur eine große Einheitlichkeit aufweisen: Fast alle Nomen weisen im Plural am Wort-ende eine Sequenz aus betonter und unbetonter Schwa-Silbe auf. Endet das Wort auf einer betonten Silbe, so wird entweder ein Schwa (überwiegend Maskulina und Neutra) angehängt oder ein Schwa mit einem Konsonanten (im Falle der Feminina überwiegend -en). Enthält das Nomen am Wortende bereits eine Schwa-Silbe, kann bei Maskulina und Neutra eine Null-Endung auftreten; vgl.: der Lehrer (Sg.) → die Lehrer (Pl.); das Muster (Sg.) → die Muster (Pl.); bei Feminina dagegen wird nur der Konsonant angehängt; vgl. die Schwester (Sg.) → die Schwestern (Pl.) (vgl. auch Wiese 2000: 107).

Die unterschiedlichen Suffixe für die drei Genera werden deutlich bei

Wörtern, die in Orthographie und Aussprache übereinstimmen, aber unter-schiedliches Genus haben. Feminina bilden den Plural typischerweise mit -n, Neutra und Maskulina mit -e oder – falls bereits ein Schwa-Laut vorhanden ist – mit Nullplural: (18) a. die Steuer (tassa) → die Steuern b. das Steuer (timone) → die Steuer

16 Vgl. Duden 72005: 183 und Wiese 2000: 136.

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In diesem Beitrag sollte kurz aufgezeigt werden, in welchen Bereichen Akzentfragen im Fremdsprachenunterricht mit Deutsch als L2 wichtig werden können. Zwei Aspekte sind hervorgehoben worden: Zum einen spielt der Ak-zent im Deutschen eine große Rolle bei der Realisierung von Silben; d.h. an-ders als in den romanischen Sprachen gibt es im Deutschen Schwa-Laute, die nicht betont werden können. Ist man sich des Mechanismus nicht bewusst, so kann dies leicht zu Problemen im Hörverständnis, in der Aussprache oder bei Diktaten führen. Zum anderen wurde darauf hingewiesen, dass der Akzent auch die Wortbildung beeinflusst. Auf diese Zusammenhänge wird in den (geschriebenen) Grammatiken nicht immer hingewiesen, doch gibt es auch in diesem Bereich Regeln, die für den Deutsch-Lerner wichtig sind. Auch die nachfolgenden Übungen beziehen sich gerade auf diese beiden Aspekte. Aufgaben und Übungen A. Übungen zur Akzentsetzung A1. Manchmal ist es (auch für Muttersprachler) gar nicht so einfach, zu bestimmen, auf welcher Silbe der Akzent liegt. Bestimmen Sie in folgenden Wörtern den Akzent. Wenn Sie Zweifel haben, probieren Sie einfach alle Silben aus. (Wenn Sie die Wörter laut schreien oder extrem skandieren, wird Ihnen klarer, wo der Akzent liegt.) a. diatriba, sanscrito, amaca, salubre, eremo, gratuito, leccornia, monolito, moto-

scafo, piroscafo. b. Motor, Elefant, Ameise, Urlaub, Pelikan, liebkosen, Papagei, Arbeit17. A2. In den folgenden Wörtern ist der Akzent phonemisch, d.h. bedeutungsunterschei-dend: Sprechen Sie die Wörter mit unterschiedlicher Akzentuierung aus und stellen Sie die verschiedenen Bedeutungen fest (evtl. mit Hilfe des Wörterbuchs). a. Heroin, damit, Roman, modern, August, (M)misstrauen. b. abito, accomodati, abbaio, capitano, circuito, calamita, bacino, occupati.

A3. Die Akzentverteilung kann beim Erlernen einer Fremdsprache zu Schwierigkei-ten führen, wenn Wörter gleicher Bedeutung (und gleicher Etymologie) in Ausgangs- und Zielsprache unterschiedliche Akzente haben (vgl. auch den Beitrag von Twitt-mann zu den Falschen Freunden). Verteilen Sie in folgenden Wörtern den Akzent und sprechen Sie die Wörter laut aus. Musik vs. musica Physik vs. fisica Professor vs. professore Synthese vs. sintesi Fotograf vs. fotografo Elisabeth vs. Elisabetta

17 Beispiele teilweise aus: http://www.locuta.com/accent.html.

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Pinguin vs. pinguino Akademie vs. accademia Republik vs. repubblica autonom vs. autonomo Analyse vs. analisi Embryo vs. embrione Mikroben vs. microbi Methode vs. metodo

A4. Sehen Sie sich folgende Wortfelder an und notieren sie die Akzentverteilung. In welchen morphologischen Kontexten wird der Akzent verschoben und wann verbleibt er auf der Wurzel? a. schreib-: abschreiben, aufgeschrieben, Schreiber, Schreiberei, Beschreibung,

beschrieb. b. frag-: Frage, gefragt, Befragung, fragten, Befrager, Umfragen, fraglich, abge-

fragt.

A5. Im Folgenden sehen Sie einige Stammformen. Bilden Sie möglichst viele abgelei-tete oder flektierte Wörter und beobachten Sie, wie der Akzent verteilt wird. seh-, red-, sing-, lob-.

B. Übungen zu unbetonten Reduktionssilben

B1. Kennzeichnen Sie in folgenden Sätzen die Schwa-Vokale und sprechen Sie die jeweiligen Silben als Reduktionssilben mit Schwa oder mit silbischen Konsonanten aus. (Denken Sie daran: Ein Schwa-Laut kann nicht akzentuiert sein!). a. Inge und Marlene leben gemeinsam in einem alten Haus. b. Seine Hunde und Katzen machen uns das Leben schwer. c. Inzwischen kannst du deine Sachen holen.

B2. Das <r> wird im Deutschen am Silben- oder Wortende oft vokalisiert; so hört

man z.B. in Tor eigentlich kein <r>, sondern nur das vokalisierte [ɐ]: To[ɐ]. Rutscht das <r> auf Grund der Pluralflexion wieder an den Silbenanfang, so hört man wieder ein <r> (To.[re]). Vor dem Silbenende bedeutet, dass dem vokalisierten Laut auch

noch ein Konsonant folgen kann: Herd [he:ɐt]. Geht dem <r> ein Schwa voraus (es muss sich dann also um eine unbetonte Silbe handeln), wird die ganze Sequenz <er>

auf [ɐ] reduziert (z.B. Lehr[ɐ]). Gliedern Sie die folgenden Wörter in Sprechsilben und bestimmen Sie, ob konsonantisches oder vokalisches <r> vorliegt. Klavier, Radiergummi, radieren, Ohr, Ohren, Trauer, traurig, hören, Hörgerät, Leh-rer, leer, Nummer, nummerieren, leider, Mutter, Nachbar, Nachbarin. C. Akzent in Komposita

C1. Bilden Sie aus folgenden alphabetisch geordneten Wörtern eine Wortkette und sprechen Sie die Komposita dann laut aus. Apfel, Baum, Bein, Bruch, Tür, Frage, Garten, Haus, Preis, Schloss, Stück, Tisch, Zeichen. Apfelbaum→Baumhaus→Haus….

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D. Akzentstruktur und Präfixverben

D1. Markieren Sie in folgenden Verbformen den Hauptakzent. aufstehen, bedeuten, anziehen, abgehen, gefallen, befestigen, zurückkommen, wieder-holen, empfangen.

D2. Markieren Sie in folgenden Partizip-Formen den Hauptakzent. wiederholt, wiedergesehen, entsagt, überholt, vorbereitet, aufgestiegen, bestanden, abgeschafft, gefallen, eingefallen, durchfahren, durchgefahren.

D3. Bilden Sie das Partizip Perfekt für folgende Verbformen und markieren Sie den Akzent sowohl für den Infinitiv als auch für das Partizip. Sprechen Sie dann die For-men laut aus. a. bekommen - ankommen - entkommen b. ausgehen - entgehen - vergehen c. gefallen - auffallen - zerfallen d. bestehen - aufstehen - anstehen e. anstellen - abstellen - bestellen

D4. Finden Sie die Bedeutungen folgender Verben (evtl. im Wörterbuch) und kontrol-lieren Sie, ob das Präfix akzentuiert ist oder nicht bzw. ob es sowohl betont als auch unbetont realisiert werden kann. Bilden Sie dann zu jedem Verb einen Satz im Per-fekt. übersetzen, überfahren, überlegen, überreden, überlaufen, unterstellen, unterbrechen, unterschreiben, unterkommen, durchbrechen, durchdrücken, durchlaufen, umfahren, umstellen, umschreiben, umgehen, wiederholen, wiedersehen, widerrufen, missbrau-chen, vollbringen.

E. Akzentstruktur und Suffigierung

E1. Bestimmen Sie in folgenden Wörtern den Akzent. Welche Suffixe sind akzentu-iert? Übersetzen Sie die Wörter ins Italienische und vergleichen Sie die italienischen Suffixe mit den deutschen. analysieren, Heiterkeit, Müdigkeit, Gesellschaft, Vorbereitung, national, Sozialist, Wahrheit, Neuigkeit, Doktorand, Universität, kindlich, kindisch, berechenbar, Nervo-sität, schreckhaft, würdig.

E2. Vergleichen Sie die folgenden Wortpaare und stellen Sie fest, ob sich der Akzent verschiebt oder nicht. Monat - Monate, national - Nationalist, Japan - japanisch, neu – Neuheit.

E3. Bilden Sie aus folgenden Adjektiven (eventuell mit Hilfe eines Wörterbuchs) Nomen und achten Sie dabei auf die Allomorphie -heit/ -keit. (Manchmal ist es not-wendig zusätzlich -ig einzufügen: z.B.: sprachlos → Sprachlos-ig-keit).

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müde, schlapp, neu, fröhlich, traurig, flüssig, wichtig, farbig, lebendig, ewig, privat, schön, dumm, taub, blind, unendlich, doof, schwierig, richtig, krank. E4. Bilden Sie den Plural folgender Nomen mit Hilfe der Endungen -e (Maskulina oder Neutra) oder -en (Feminina). Achten Sie darauf, dass die Abfolge am Wortende betont – unbetont sein muss und verzichten Sie auf das <e> in der Endung, wenn es diese Abfolge stört. die Tante der Onkel der Tisch der Schüler die Nichte die Sache die Sonne der Sessel der Kellner die Freude die Nation die Schwester das Mädchen der Freund die Frau

E5. Folgende Substantive haben unterschiedliche Genera. Bilden Sie jeweils die ge-eignete Pluralform dazu. a. die Leiter (scala) vs. der Leiter (dirigente) b. die Kiefer (pino silvestre) vs. der Kiefer (mascella). Literatur Alber B. (2007), Einführung in die Phonologie des Deutschen, Verona, QuiEdit. Alber B. (2004), Einführung in die Morphologie des Deutschen, Trento, Uni-Service. Behme-Gissel H. (2005), Deutsche Wortbetonung. Ein Lehr- und Übungsbuch, Mün-

chen, Iudicium. Bertinetto P. (1981), Strutture prosodiche dell’italiano, Firenze, Studi di grammatica

italiana pubblicati dell’Accademia della Crusca. Dudenredaktion (Hg.) (72005), Die Grammatik, Duden Bd. 4, Mannheim & Wien &

Zürich, Dudenverlag. Eisenberg P. (22004), Grundriss der deutschen Grammatik 1: Das Wort, Stuttgart,

Metzler. Fox A. (2000), The Phonology of Suprasegmentals, Oxford University Press. Hall T. (2000), Phonologie. Eine Einführung, Berlin & New York, de Gruyter. Nespor M. (1993), Fonologia, Bologna, il Mulino. Ramers K. (2001), Einführung in die Phonologie, München, Fink. Ramers K., Vater H. (1995), Einführung in die Phonologie, Hürth, Gabel. Wiese R. (2000), The Phonology of German, Oxford, Clarendon Press.

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SPRACHE IM KLEID DER SCHRIFT: GEGENÜBERSTELLUNG ITALIENISCHER UND DEUTSCHER

RECHTSCHREIBUNG

Barbara Hans-Bianchi

1. Einleitung

Wer im Ausland Deutsch lernt, hat meist überwiegend mit der geschriebe-nen Sprache zu tun. Deutschstudierende an italienischen Universitäten müssen in den verschiedenen Sprachprüfungen ihre passive und aktive Beherrschung der Schrift unter Beweis stellen – über die Lese- und Schreibkompetenz im Allgemeinen sehen viele Kurse auch eine Überprüfung der orthographischen Kenntnisse in Form eines Diktats vor. Trotzdem wird die orthographische Regelhaftigkeit in der Didaktik selten systematisch thematisiert.

Die Beherrschung der Regeln geschriebener Sprache ist vor allem sozio-kulturell von Bedeutung, z.B. bei Schriftkontakt mit der deutschsprachigen Welt, da der Rechtschreibung eine starke Normfunktion zukommt. Außerdem erleichtert die in der Orthographie festgeschriebene Schreibweise dem Lerner den Zugang zu zahlreichen sprachlichen Regularitäten auf unterschiedlichen Ebenen; gleichzeitig birgt sie aber auch die Gefahr der „spelling pronunciati-on“ in sich.

Die deutsche Orthographie ist gegenüber der des Englischen oder Franzö-sischen regelmäßiger, gegenüber der italienischen und spanischen hingegen weist sie stärkere Abweichungen vom einfachen Lautprinzip auf. Das Schrift-zeichen, d.h. das geschriebene Sprachzeichen, hat – der doppelten Artikulati-on des Sprachzeichens entsprechend – eine materielle (graphische) Form und einen Inhalt. Gleichzeitig stellt es einen Bezug zur Lautebene, also der phoni-schen Form, her. Im Schriftzeichen sind nun zwei grundlegende Schreibprin-zipien angelegt: der Lautbezug, der in Alphabetschriften als Grundprinzip der Verschriftung gilt, und der als Phonographie bezeichnet wird; und der Bedeu-

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tungsbezug, den wir Logographie1 nennen wollen. Diese beiden Grundprinzi-pien erfahren in verschiedenen Sprachen (bzw. deren Orthographien) eine jeweils besondere Mischung. Allgemein ist das italienische als ein dominant phonographisches, das deutsche hingegen als ein in vielen Aspekten eher logographisches Schriftsystem zu charakterisieren2. Viele Schreibfehler sind auf diese unterschiedliche typologische Gestalt zurückzuführen, und es kommt beim Erwerb der deutschen Orthographie zu Interferenzphänomenen aus dem italienischen und anderen orthographischen Systemen.

Im Folgenden greifen wir einige Regelbereiche der deutschen Orthogra-phie heraus, die dem fortgeschrittenen (italienischen) Deutschlerner Probleme bereiten (können). Dabei gehen wir von den kleineren zu den größeren Ein-heiten der Schreibung.

2. Der Buchstabe

Wenn wir sprechen, produzieren wir eine kontinuierliche Lautfolge mit fließenden Übergängen. Beim Schreiben benutzen wir hingegen klar abge-grenzte, diskrete Einheiten ohne Bedeutungsbezug – die Buchstaben. Darin liegt die Eigentümlichkeit der (alphabetisch) geschriebenen Sprache. Der Laut, auf den der Buchstabe verweist3, wird durch diese graphische Erfassung als isolierbar dargestellt und somit abstrahiert4. Oft werden verschiedene Lautqualitäten oder -quantitäten von demselben Buchstaben abgedeckt5:

(1) a. it. vedo - bello [e - ǫ]

b. it. zucca - zio [ȳ - ȶ] c. dt. Wege [e: - ə]

d. dt. Bibel - Bild [i: - Ǻ]

Besondere Schwierigkeiten machen nun diejenigen Buchstaben, deren Lautwert im Italienischen keine Entsprechung hat, wie die gerundeten Vor-

1 Den Terminus mit der hier gegebenen Bedeutung wird von Meisenburg (1998: 43) über-

nommen. 2 In der Fachliteratur wird von „phonologisch flachen“ (überwiegend phonographischen)

und „phonologisch tiefen“ Schriftsystemen gesprochen („shallow“ vs. „deep orthography“). 3 Allerdings haben nicht alle Einzelbuchstaben einen Lautwert, wie im Weiteren noch deut-

lich werden wird. 4 Wie groß diese Abstraktionsleistung der Buchstaben ist, kann man beispielsweise bei

Tophinke nachlesen (2002: 50). 5 Die Korrespondenzregeln zwischen Phonemen und Graphemen des Deutschen sind bspw.

bei Dieling - Hirschfeld (2003) und Eisenberg (2007a) nachzulesen.

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derzungenvokale in den beiden Varianten [ø: - œ; y: - Y], geschrieben als <ö> und <ü>6. Fortgeschrittene Lerner setzen oft einen Umlaut, wo keiner erscheint (*söllte, *öffen, ich *müss). Der Zugang zu diesen Lauten und ihrer Verschriftung kann nur durch eine entsprechende Gehör- und Sprechschulung erreicht werden. Allerdings kann der morphosyntaktische Kontext immer dann helfen, wenn der Umlaut eine morphologische Unterscheidungsfunktion hat, wie in den folgenden Beispielen:

(2) a. Mutter - Mütter (Singular - Plural), b. Sucht - süchtig (Simplex - Derivat), c. konnte - könnte (Indikativ Präteritum - Konjunktiv II) usw.

Nicht immer jedoch sind die Umlaute, wie hier, in Morphologie oder Wortbildung funktional, oft erscheinen sie in der ganzen Wortfamilie, d.h. sie sind lexikalisch konstant: (3) a. kühn (*kuhn-), Tücke (*tuck-), Bühne (*buhn-) b. Löffel (*loff-), Möhre (*mohr-), usw.

Es empfiehlt sich in jedem Fall, die Wortfamilie im Zusammenhang zu lernen und sich die Umlautung – am besten im Satzkontext – durch wieder-holtes Sprechen einzuprägen.

Im Bereich der Konsonanten weist das Deutsche die glottalen Laute [h]

und [Ȥ] (Glottisverschluss) auf, die das Italienische nicht kennt7:

(4) Heimat [haǺmǡ:t] - Eimer [ȤaǺmǠ]

Beide kommen nur im Morphemanlaut vor, jedoch erscheint nur das h in der Schrift. Beide Laute werden von den Lernern im Anfangsstadium meist gar nicht wahrgenommen, in fortgeschrittenen Lernphasen hingegen werden sie oft verwechselt, wobei ein <h> geschrieben wird, wo nur ein Glottis-verschluss zu hören ist. Auch hier empfehlen sich natürlich gezielte Hör- und Sprechübungen8.

6 Die Umlaute <ä> und <äu> sind prinzipiell morphologisch begründet, die Aussprache ist demgegenüber unproblematisch (s. Kapitel 5).

7 Während der konsonantische Laut [h] nicht als Phonem vorkommt, kennt das Italienische den Buchstaben <h> mit rein diakritischer Funktion innerhalb von Di- und Trigraphen (<ch>, <gh> usw.), bei Homophonen (<hanno> vs. <anno>) und in Fremdwörtern (<hotel>).

8 Bspw. in Rausch - Rausch (31993: 325-332) und Kaunzner (1997).

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3. Die Buchstabenverbindung

Sowohl im Italienischen als auch im Deutschen gibt es komplexe graphi-sche Einheiten, die mehrere (bis zu drei) Buchstaben zu einem Graphem ver-binden. (5) a. it. chilo, ghetto b. it. sciabola, scettro c. dt. Schule, Straße d. dt. Engel

Für fortgeschrittene Deutschlerner besteht eine Schwierigkeit darin, solche Di- und Trigraphen von den entsprechenden Folgen einfacher Buchstaben zu unterscheiden9. Oft spielt die Position im Wort oder das direkte Umfeld bei der Interpretation eine Rolle. So ist die Folge <st> nur am Anfang eines Mor-phems als Digraph bzw. komplexes Graphem zu interpretieren, in allen ande-ren Positionen jedoch nicht (Stube vs. Liste). Dies kann man an der Ausspra-

che zweifelsfrei erkennen ([ȓtu:bə] vs. [lǺstə]). Über Morphemgrenzen hinweg können solche komplexen Grapheme nicht bestehen. 4. Die Schreibsilbe

Im Gegensatz zum Italienischen ist die Schreibung der Lautfolge im Deut-

schen in vielen Fällen abhängig von dem Bau und der Akzentuierung der Sil-ben10. Typisch für die einfachen Wörter des Erbwortschatzes (in der flektier-ten Form) ist die metrische Struktur des Trochäus: betont - unbetont. Die un-betonten Silben weisen in der Schrift einen Vokal <e> auf, auch wenn dieser nicht oder nur abgeschwächt gesprochen wird. Beim Lesen wie beim Spre-chen ist eine zu starke Artikulierung der unbetonten Silbe zu vermeiden.

Normalerweise liegt der Akzent (in Wörtern des deutschen Erbwortschat-zes) auf dem Wortstamm bzw. auf der Silbe, welche die lexikalische Bedeu-

9 Dieses Problem ergibt sich im Italienischen normalerweise nicht, da sowohl die Silben-

struktur als auch die Wortkomposition andere Eigenschaften aufweisen und dem Zusammen-stoß mehrerer Konsonanten an der Morphemgrenze entgegenwirken.

10 Der Wortakzent wird im Italienischen normalerweise nur bei mehrsilbigen Wörtern mit Endbetonung graphisch gekennzeichnet: virtù, affinità, guiderò. Bei einsilbigen Wörtern dient der graphische Akzent hingegen der lexikalischen Disambiguierung: dà (Verb) vs. da (Präp.). In den meisten Fällen wird der Akzent in der Schrift nicht explizit angezeigt.

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tung trägt. Aber in Wortbildungen kann er eine andere Position erhalten. Hier einige Beispiele11:

(6) a. ●● schlafen, Häuser b. ● schlief, Haus c. ●●● einschlafen, Mietshäuser d. ●●●● ausgeschlafen, Reihenhäuser e. ●●● geschlafen, Gehäuse

Die betonten Silben können im Deutschen nach den Kriterien des Silben-schnittes (bzw. der Vokalquantität) und der Silbenkoda unterschieden wer-den12. Die Schrift hilft hier meist bei der Zuordnung, ist aber nicht immer eindeutig, wie die Tabelle 1 zeigt. Tabelle 1: Die graphische Gestalt der verschiedenen Silbentypen im Deutschen13

betonte SILBE fester Anschluss (→ Kurzvokal) loser Anschluss (→ Lang-vokal)

A- unmar-kiert

B- markiert durch „Schärfung“

C- unmar-kiert

D- mar-kiert durch „Dehnung“

1- offen (keine konsonantische Koda)

mischen, kochen, sin-gen…

Hütte, Wille, Sommer, Mitte…

Hüte, Bibel, Mode, su-chen…

Söhne, wohnen, Miete, Waage…

2- geschlossen (konsonantische Koda)

Kante, Hüfte, Bilder, Lust…

kannte, Mittler, Schwimmbad…

Blut, Weg, Ton, Mond, stur…

mahnte, Sohn, Ruhm, Mehl, viel…

Die grau unterlegten Felder zeigen die Hauptkombinationen an: orthogra-

phisch markiert sind normalerweise der Kurzvokal in der offenen Silbe (1B)

11 Vgl. Rausch - Rausch (1993: 123). Die Regeln zur Wortbetonung sind in der Duden-

Grammatik (72006: 48-50) sehr klar dargestellt. Siehe auch den Beitrag von Vogt in diesem Band. Die hier benutzte graphische Symbolisierung der Akzentmuster lehnt sich an Rug (2007) an.

12 Es handelt sich um das, was bei Tophinke als „Silbenanschlusstyp“ und „Silbentyp“ be-zeichnet wird (2002: 56).

13 Diese Tabelle stellt eine Kreuzung der Darstellungen in Noack (2002: 85) und Hinney (2004: 76) mit eigenen Ergänzungen dar.

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und der Langvokal in der geschlossenen Silbe (2D). Wenn keine Markierung gegeben ist, wird normalerweise der Vokal in der offenen Silbe lang (1C), in der geschlossenen Silbe aber kurz gesprochen (2A). Es gibt allerdings zahlrei-che Ausnahmen von dieser Grundtendenz, die zum Teil auf die morphemati-sche Konstantschreibung (2B) oder andere Regelprinzipien, auf die Rolle mehrteiliger Grapheme (1A) oder auch auf Inkohärenzen des Systems selbst zurückzuführen sind (2C vs. 1D)14.

Auf der lautlichen Ebene gibt es im Deutschen – im Unterschied zum Ita-

lienischen – keine Doppelkonsonanten. Hier liegt ein häufig zu beobachtendes Ausspracheproblem für Italiener, vor allem beim Lesen, während die Gemina-ten beim Schreiben eher ignoriert werden. Die primäre Funktion der „Schär-fung“ durch Schreibgeminaten besteht in der Kennzeichnung der Silbenstruk-tur (s. Tabelle1: 1B): der betonte Vokal ist kurz, er wird abrupt abgebrochen, d.h. die unbetonte Silbe folgt mit festem Anschluss. Der Konsonant, der in der Schrift gedoppelt wird, bildet das Silbengelenk, d.h. er gehört beiden Silben

an (Bsp.: Hütte [’hYtʜƽ])15. Beim Dehnungs-h kommt es vor, dass die Studie-renden zwar ein <h> schreiben, dieses aber an der falschen Stelle im Wort erscheint. Fehler wie *whonen, *sthet sind keine Seltenheit16.

Eng verwandt mit dem Dehnungs-h ist das silbentrennende <h>17, das zwi-

schen zwei direkt aufeinander folgenden Vokalen erscheint: gehen (Dehnung in: er geht), Mühe (Dehnung in: sie bemüht sich). Sowohl bei der Dehnung als auch bei der Silbentrennung handelt es sich um Langvokale, nur die Silben-struktur ist eine andere18. Das geschriebene <h> hat hier keinen eigenen Lautwert, darf also beim Lesen nicht aspiriert werden.

14 Inkohärenzen mit diesem Modell sind naturgemäß v.a. auch im Bereich der Fremd- und

Lehnwörter zu registrieren, den wir hier jedoch ausklammern. 15 Das [tʜ] bildet das Silbengelenk. Als Geminaten werden [k] als <ck> und [ts] als <tz> ge-

schrieben. Zum Verhältnis zwischen dem Silbengelenk und der graphischen Konsonantendopp-lung: Duden (72006: 76-78).

16 Derartige Fehler sind meist als einfache „Verschreiber“ (slips of the pen) einzustufen, oft kann aber auch eine (motorische) Interferenz aus dem Englischen vorliegen, wo die Folgen th, wh, gh usw. häufig erscheinen. Vgl. hierzu auch die Fehlerstatistiken und -klassifikationen in Katelhön (2007) und Hans-Bianchi (2007).

17 Oft findet man auch die Bezeichnung „silbeninitiales h“, so in der Dudengrammatik. Der Begriff ist m.E. irreführend, da ein <h> in silbeninitialer Position, d.h. vor Vokal, aspiriert werden müsste.

18 Die Regel kennt allerdings Ausnahmen, d.h. nicht immer erscheint in der entsprechenden Position das <h> als Zeichen der Silbengrenze.

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Im Deutschen sind die unbetonten Silben in normaler Rede generell wenig artikuliert. Da sie gleichzeitig aber häufig Träger der grammatischen Informa-tion sind, ist die korrekte Identifizierung dieser Silben von großer Bedeutung. Die grammatische Funktion gestattet andererseits, das Defizit an lautlicher Differenzierung durch sprachliches Wissen auszugleichen.

Die s-Laute und ihre Verschriftung stellen ein Sonderproblem dar, denn hier stehen zwei lautlichen Varianten drei Schreibvarianten gegenüber: <s>, <ss> und <ß>. Eine Opposition zwischen einfachem <s> und scharfem <ß> gibt es nur nach langen Vokalen und Diphthongen, wo <ss> ausgeschlossen ist. In der Aussprache wird hier unterschieden zwischen stimmhaftem [z] und stimmlosem [s]. Nach Kurzvokal steht im Silbengelenk ein <ss>, d.h. in den-selben Fällen wie alle anderen Doppelkonsonanten19.

5. Das Morphem Das Morphem ist die kleinste Spracheinheit, die eine Bedeutung hat. In der

deutschen Orthographie spielt das Prinzip der Morphemkonstanz eine wichti-gere Rolle als im Italienischen, d.h. das Deutsche tendiert dazu, die graphi-sche Einheitlichkeit eines Morphems zu bewahren, auch wenn es unterschied-liche lautliche Realisierungen (Allomorphe) gibt20. Das bedeutet, dass das Morphemkonstanzprinzip mitunter dem Phonemkonstanzprinzip gegenläufig ist.

(7) a. it. <pregio - pregiato> [’pre:ȴǤ - pre’ȴa:tǤ]

b. it. <amico - amici> [a’mi:kǤ - a’mi:ȷi]

(8) a. dt. <Brauch - Bräuche> [braȚx - brǤǺϧə]

b. dt. <Wand - Wände> [vant - vǫndƽ] Es gibt allerdings, auch im Deutschen, eine Reihe von Ausnahmen von

diesem Prinzip:

19 Gallmann (2007) spezifiziert hierzu: Die Ausnahmen (und die Ausnahmen von den Aus-

nahmen) sind von der gleichen Art wie bei den allgemeinen Verdoppelungsregeln, zum Bei-spiel bei Funktionswörtern und Suffixen: ‹bis› (vgl. ‹mit›, ‹von›); ‹des› vs. ‹dessen› (vgl. ‹in› vs. ‹innen›); ‹dass› (vgl. ‹dann›); ‹-nis› vs. ‹-nisse› (vgl. ‹-in› vs. ‹-innen›). Sonderproblem: ‹das› vs. ‹dass› (Homonymieprinzip).

20 Warum dieses Prinzip gerade im Deutschen wichtig ist, wird in Hans-Bianchi (2007: 81f.) diskutiert. Dort wird auch eine Gegenüberstellung der logographischen Wortschreibungen im Italienischen und Deutschen vorgenommen.

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(9) a. it. <famiglia - familiare> b. it. <lungo - lunghi> c. dt. <nehmen - nimm> d. dt. <kommen - kam>

Wie schon in Kapitel 4 beschrieben wurde, haben Schreibgeminaten im

Deutschen die Funktion, das Silbengelenk in offenen Silben mit festem An-schluss zu kennzeichnen. Um nun innerhalb derselben Wortfamilie graphische Einheitlichkeit herzustellen, werden die Geminaten auch in die geschlossene Silbe übertragen, wo sie phonographisch überflüssig sind: bellen > bellt vs. Welt.

Das Phänomen der Auslautverhärtung betrifft die stimmhaften Konsonan-

ten, die am Ende eines Wortes oder eines Morphems stehen21; die Stimmhaf-tigkeit wird in dieser Position neutralisiert, d.h. der Konsonant wird stimmlos

gesprochen: Bund [bȚnt]. Sobald eine weitere (vokalisch anlautende) Silbe

folgt, ist die Aussprache stimmhaft: des Bundes [bȚndƽs]. Die Orthographie zeigt die Auslautverhärtung nicht an, d.h. sie behält ein einheitliches Schrift-bild in allen Formen bei, wie man an dem Beispiel sehen kann.

Die Schreibung mit Umlaut <ä, äu> ist fast ausschließlich unter das Mor-

phemkonstanzprinzip einzuordnen; die Aussprache entspricht einem offenen

[ǫ] bzw. dem Diphtong [ǤǺ], ist also identisch mit derjenigen von <e, eu>.

Lediglich im Falle von <ä> als offenem Langvokal [ǫ:] in Wörtern wie Läh-mung gibt es in der Hochlautung eine Opposition <e> vs. <ä>22.

6. Das Wort

Was wir als Wort definieren, ist weitgehend durch die Schrift bedingt und hat sich in der Geschichte der einzelsprachlichen Alphabetsysteme erst lang-sam herausgebildet. Die Setzung der Leerstellen kann relevant für die Bedeu-tung bzw. die Funktion sein23: (10) a. it. <capo - capostipite> b. it. <all’ora - allora>

21 Hierzu Di Meola (2007: 34-36); Linke et al. (2001: 68 und 432). 22 Genaueres in Duden (72006: 35, 54), dort transkribiert als [æ]. 23 Allerdings teilen die homophonen Formen meist nicht denselben Kontext und es würde

daher ohnehin selten zu Missverständnissen kommen.

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c. dt. <Haus - Hausfrau> d. dt. <in dem - indem>

Zwischen den beiden Sprachen gibt es im Bereich der Wortabgrenzung ei-nige Unterschiede: im Deutschen ist die Kompositabildung (mit Zusammen-schreibung) vor allem, aber nicht nur, im Nominalbereich sehr produktiv (Lohnerhöhung, Wendehals) 24, im Italienischen werden im Pronominalbe-reich häufig Klitika gebildet, die dann mit dem Vorangehenden zusammenzu-schreiben sind (dimmelo! vs. me lo dici?)25.

Im Bereich der Wortschreibung stellt die sog. Substantivgroßschreibung eine Eigentümlichkeit der deutschen Orthographie dar. Eigentlich handelt es sich hier aber nicht um die Kennzeichnung der Wortklasse Substantiv, son-dern um die visuelle Hervorhebung des Kerns einer Nominalphrase26. Wie langsam das Lesen vorankommt, wenn Wortabgrenzung und Majuskeln feh-len, kann man in der Übung E1 sehen. In Kapitel 7 wird noch einmal darauf Bezug genommen.

Das Wort (als Lexem und als Teil einer Wortfamilie) ist aber auch als in-

dividuelle Bedeutungseinheit orthographisch relevant und kann besondere graphische Muster aufweisen, die diese Individualität oder auch die Zugehö-rigkeit zu einer Gruppe des Wortschatzes signalisieren. So geben bestimmte Schreibweisen Hinweise auf die (etymologische oder fremdsprachliche) Her-kunft eines Wortes27: Theologie, Rhythmus, Visum… Power, Liaison, Sham-poo…Auch Funktionswörter entziehen sich oft den allgemeinen orthographi-schen Regeln: ihr, ihnen, ihm mit <ih>, sonst <ie>.

In anderen Fällen werden homophone Wörter rein graphisch differenziert: Mal - Mahl, Seite - Saite. Besondere Grapheme wie <v, x> können meist nur

24 Im Englischen – das ja als verwandte L2 oft eine gewisse Interferenzkraft besitzt – ver-

hält sich die Rechtschreibnorm anders als im Deutschen: viele Komposita werden getrennt geschrieben: health care, waiting room, school day; es gibt aber auch die Zusammenschrei-bung: proofread, storyteller, schoolmate, wintertime; sowie die Schreibung mit Bindestrich: time-consuming, T-shirt, empty-handed.

25 Gerade im Bereich der Getrennt- und Zusammenschreibung hat die Rechtschreibreform einige Änderungen vorgenommen, eine gewisse Variabilität bleibt jedoch bestehen: staubsagen vs. Staub saugen usw; vgl. Eisenberg (2007b: 7-14).

26 Das erkennt man daran, dass auch substantivierte Verben, Adjektive usw. im Satz groß geschrieben werden, vgl. Röber (2007: 72f.). Da der Kern einer NP der wichtigste Bedeutungs-träger ist, kommt dieses Verfahren vor allem dem schnellen leisen Lesen zugute.

27 In diesem Bereich hat die Rechtschreibreform neue Schreibungen anerkannt, so dass es nun hier z.T. mehrere akzeptierte Varianten gibt, nämlich eine, die sich an der Originalsprache orientiert, und eine andere, die eher den deutschen Regeln folgt; Duden (72006: 94). Auch in der Aussprache bestehen mitunter verschiedene Varianten nebeneinander; vgl. Duden (72006: 59f.).

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mithilfe der Wortidentität korrekt gesetzt werden, sind also nur auf lexikali-scher Ebene erschließbar: viel – fiel, Vater - fahren, Wechsel - Hexe. Mit an-deren Worten: diese orthographischen Besonderheiten müssen auswendig gelernt werden. 7. Der Satz

Was wir als Satz definieren, ist weitgehend durch die Schrift bestimmt. Wenn wir schreiben lernen, müssen wir gleichzeitig den Bau „korrekter“, d.h. dem Medium der Schrift angemessener, sprachlicher Einheiten erwerben28. Das gilt natürlich sowohl für das Deutsche als auch für das Italienische. Zei-chensetzung und Textgestaltung sind die zwei wichtigsten Bereiche der Schriftsprache, die die metasprachliche Aufgabe haben, den Text zu struktu-rieren und für den Leser zu „portionieren“. Bei der Festlegung der Satzeinheit – und deren Kennzeichnung durch Punkt, Ausrufezeichen, Fragezeichen – bestehen keine wesentlichen Unterschiede zwischen unseren beiden Spra-chen.29 Der Großschreibung, die ebenfalls bei der „leserfreundlichen Textprä-sentation“ mitspielt, hat das Deutsche hingegen eine spezifische Rolle zuge-wiesen: Die Kerne von Nominalgruppen werden durch eine Majuskel hervor-gehoben. Dieses Prinzip betrifft folgerichtig nicht nur die Wortklasse der Sub-stantive, sondern alle Wortarten, die im Satz als Kern einer NP fungieren30. (10) Beim Laufen kommt die Alte immer ins Schwitzen.

Die Interpunktionsregeln des Deutschen gelten als stark grammatikalisiert, d.h. sie basieren mehr auf syntaktischen als auf prosodisch-intonatorischen Grundlagen.31 Vor allem bei der Kommasetzung wird dieser Unterschied greifbar. Wir können hier die Regeln nicht im Detail darstellen, sondern nur weniges herausgreifen, was in der kontrastiven Perspektive relevant ist32.

Vor und, oder usw. erscheint nur dann (fakultativ) ein Komma, wenn selbstständige Sätze miteinander verknüpft werden:

28 Mehr dazu bei Feilke (1996). 29 Vgl. Stammerjohann (1992). 30 Im Italienischen gibt es keine solche Funktion der Majuskel, wohl aber eine Funktionali-

sierung auf anderer Grundlage; vgl. Dardano (1994: 410) und Hans-Bianchi (2005: 202). 31 Vgl. Stammerjohann (1992: 555f.); auch nach der Rechtschreibreform hat sich daran

nichts Grundlegendes geändert. 32 Die aktuellen Regeln zur deutschen Kommasetzung in ihrer Gesamtheit sind nachzulesen

bei: IDS (2006: §§71-79) und Eisenberg (2007a: 82-89). Simone (1991) stellt die Funktionen des Kommas im Italienischen und deren Erwerb beim Kind dar.

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(11) Ich fotografierte die Berge(,) und meine Frau lag in der Sonne. Nebensätze und meist auch erweiterte Infinitivsätze werden durch ein

Komma bzw. durch Kommas abgegrenzt33: (12) a. Als wir nach Hause kamen, war es schon spät. b. Das Buch, das ich dir mitgebracht habe, liegt auf dem Tisch. c. Sie sagte, sie komme morgen. d. Sie öffnete das Fenster, um frische Luft hereinzulassen. e. Er wurde beim Versuch, den Tresor zu knacken, vom Nachtwächter überrascht.

Ein immer wieder auftretendes Problem bei Deutschlernern ist die Ab-grenzung adverbialer Satzteile im Vorfeld des Satzes durch ein Komma34: (13) *Leider, kommt mein Vater erst nächste Woche wieder aus dem Krankenhaus. Aufgaben und Übungen A. Übungen zu den Buchstaben A1. Die Umlaute ü und ö. Überlegen Sie bzw. schlagen Sie im Wörterbuch nach: Welche Umlaute sind in der Morphologie oder der Wortbildung funktional, welche sind lexikalisch konstant? a. Die Körner müssen erst geröstet werden. b. Ich würde am liebsten Klaviermusik von Mozart hören. c. Meine beiden jüngsten Söhne erfinden gerne Lügengeschichten. d. Die beiden Schüler küssen sich heimlich im Park. e. Sein Interesse an den Schönen Künsten wird von dem neuen Lehrer gefördert. f. Die Geschichte handelt von einem Königssohn und den zwei Töchtern eines Mül-

lers. A2. Mit oder ohne <h>? Setzen Sie, wo nötig, ein <h>. Denken Sie auch an die Groß-schreibung. Lesen Sie laut (und achten Sie dabei auch auf den Glottisverschluss). a. Das ___oftor ist ___über Nacht ver___eist. b. Wenn die ___ampel rot ist, muss man an___alten. c. Wer kann sich noch an diesen ___armlosen aber ___intelligenten Film ___aus

den Fünfzigern ___er___innern?

33 Die Beispielsätze stammen aus IDS (2006). 34 Es handelt sich um die interpunktorische Abtrennung adverbialer Bestimmungen, die im

Italienischen häufig vorkommt, im Deutschen jedoch nicht vorgesehen ist; vgl. Stammerjohann (1992: 552).

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d. Wir können uns nicht lange im ___alten Gast___aus auf___alten. Wir müssen bald ___eimfahren.

e. In unserem Kranken___aus gibt es eine ___ausgezeichnete ___abteilung für ___innere Medizin.

A3. Wo steht ein <h>? Hier haben sich etliche Fehler eingeschlichen. Korrigieren Sie, indem Sie in den unterstrichenen Wörtern ein <h> einfügen, streichen oder verschie-ben, wo Sie es für nötig halten. Kontrollieren Sie mit dem Wörterbuch und schreiben Sie das korrigierte Wort noch einmal ganz. a. Hast du Lust, mit mir zu verrheisen? b. Die Situation vereißt nichts Gutes. c. Beheren Sie uns recht bald wieder! d. Die Kinder stehen eng beiheinander und erzhälen sich Geschichten. e. Mein Vater ist Behamter. f. Du solltest den Text noch einmahl umharbeiten. g. Ich finde das ehwige Erhumsitzen langweilig. h. Er will die Warheit nicht höhren. i. Diese Würstchen sind nicht besohnders schmackhaft. B. Übung zu den Di- und Trigraphen Segmentieren Sie jedes Wort in seine morphologischen Bestandteile. Markieren Sie alle komplexen Grapheme st, sp, ch, sch, chs (achten Sie dabei auf die wortinterne Position). Lesen Sie es nun laut und kontrollieren Sie mit dem Wörterbuch (Angabe zur Aussprache). Namenstag, verstopfen, testen, Wachstation, Glastopf, entspannen, bestellen, Fuchs-bau, Wespennest, Bundestag, Großstadt, Verspätung, Pestseuche, feststecken, Buch-stabenkasten, Arbeitspause, Lachsalve, Busticket. C. Übungen zur Schreibsilbe C1. Einfache und abgeleitete Wörter. Kennzeichnen Sie zunächst den Wortstamm35 und dann den Wortakzent. Wo fallen beide zusammen, wo nicht? a. Heirat - verheiratet - unverheiratet b. kommen - Einkommen - mitbekommen c. Scheidung - bescheiden - Bescheidenheit d. Geschrei - Gebirge - gerne e. holen - überholt - Erholung f. versagen - Aussage - unsagbar g. Heimat - beheimatet - heimatlos h. vorhersehen - unvorhergesehen

35 Der Begriff „Stamm“ ist hier im weitesten Sinne zu verstehen: gemeint ist die Silbe, die

als lexikalischer Bedeutungsträger fungiert.

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C2. Nominalkomposita. Kennzeichnen Sie den Wortakzent und vergleichen Sie die Komposita untereinander: wo liegt der Akzent?36 a. In der Altstadt stehen noch einige Fachwerkhäuser. b. Das Informationszentrum liegt im Bahnhofsviertel. c. Den Bewerbungsantrag können Sie bis zum Monatsende hier abgeben. d. Du bist wirklich ein Spielverderber und ein Störenfried! e. Um die Jahrhundertwende hat es hier ein schlimmes Hochwasser gegeben. f. Der Elfmeter war ungültig, weil der Spieler vor der Elfmetermarke stand. g. Die Innenpolitik der Koalitionsregierung wurde überwiegend positiv bewertet. C3. Lange Vokal - kurze Vokale. Schreiben Sie die Minimalpaare: einmal Kurzvokal - einmal Langvokal. In <spitzen Klammern> stehen die Buchstaben ohne orthogra-phische Dehnung oder Dopplung. In (runden Klammern) erscheinen Buchstaben, die nur bei einem der beiden Wörter vorkommen. Bilden Sie Sätze mit den beiden Wör-tern (achten Sie auch auf die Großschreibung). a. w <i> <s> en b. l <a> <s> en c. r <o> <b> e d. w <a> <t> e(n) e. g <a> <s> e f. z <i> <m> e(r)n g. s <i> <z> en h. b <e> <t> e(l)n C4. Langvokale: markiert und unmarkiert. Kennzeichnen sie alle Langvokale37. Wel-che sind in der Schrift markiert, welche nicht? In welchem Silbentyp (offen - ge-schlossen) befinden sie sich jeweils? a. Vor dem Schlafen betet sie immer. b. Es lohnt sich nicht, auf ihn zu warten, er wird nicht mehr kommen. c. Ich habe keine Lust, noch länger hier zu stehen, ich friere schon. d. Dieser Zahn muss gezogen werden! e. Wir leben nun seit gut zehn Jahren hier und fühlen uns sehr wohl. f. Möchtest du diesen Roman einmal lesen? g. Der Weg zum Ruhm ist meist sehr beschwerlich. h. Diese Waage ist nicht für Personen geeignet.

36 Nominale und andere Komposita sind für den Lerner deshalb problematisch, weil sie als

lexikalische Einheit mit eigener Bedeutung identifiziert werden müssen. Ein Kompositum weist einen Hauptakzent und eventuell auch einen Nebenakzent auf. Die Konstituenten behalten ihre Schreibweise im Großen und Ganzen unverändert bei. Allerdings werden häufig Fugenelemen-te eingebaut und alle Konstituenten außer dem ersten verlieren ihre Anfangsmajuskel. Vgl. Rausch - Rausch (31993: 169-170).

37 Gemeint sind die Langvokale bei allen Wörtern, auch bei Funktionswörtern, die im Satz natürlich unbetont bleiben; vgl. Rausch - Rausch (31993: 126). Da Diphtonge immer Langvoka-le sind, werden sie hier nicht berücksichtigt.

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i. Als er kam, war der Saal noch leer. j. Wie viel Mehl braucht man für diesen Kuchen? C5. Das silbentrennende <h>. Bilden Sie möglichst viele zweisilbige Wörter (Verben, Substantive - teils im Plural, Adjektive). Achtung: nicht überall steht ein <h> an der Silbengrenze! Arbeiten Sie, wenn nötig, mit dem Wörterbuch und bedenken Sie die Großschreibung. Schreiben Sie Sätze. blä bö en dre flie lei e kü mä mü nä h ern re reu ru sä ung se we wei wie ig zie C6. Die verschiedenen Funktionen des Buchstaben <h>. Ordnen Sie den Buchstaben-salat: Welche Wörter sind gemeint? Die Großbuchstaben helfen. Bestimmen Sie je-weils die Funktion des <h> im konkreten Fall. 1- glottales Phonem; 2- Dehnungs-h / silbentrennendes h; 3- Teil eines Di- oder Trigraphen. FUNKTION(EN): a. Beim Augenarzt kann man einen eehSstt machen. _ _ _ _ _ _ _ 1 - 2 - 3 b. Wie geht es dir? - Ehrlich gesagt, ziemlich ccehhlst.

_ _ _ _ _ _ _ _ 1 - 2 - 3 c. Bei schönem Wetter hat man von hier oben eine wunderbare Achisstu.

_ _ _ _ _ _ _ _ 1 - 2 - 3 d. Auf diesem Bauernhof wird hauptsächlich chhiKlmu produziert.

_ _ _ _ _ _ _ _ 1 - 2 - 3 e. Am Sonntag heiraten Tom und Inge. Kommst du mit zur ceHhiotz?

_ _ _ _ _ _ _ _ 1 - 2 - 3

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f. Darf ich heute Abend mit Ute und Rolf aeeghnsu? _ _ _ _ _ _ _ _ 1 - 2 - 3 g. Ich glaube, ich habe zu viel gegessen, ich habe ein wenig aBcehhuw.

_ _ _ _ _ _ _ _ 1 - 2 - 3

h. Wer meinen entlaufenen Hund wieder findet, bekommt 50 € Beghlnnou. _ _ _ _ _ _ _ _ _ 1 - 2 - 3

i. Wie spät ist es? - Hörst du es nicht? Die hmrrTuu schlägt gerade 12. _ _ _ _ _ _ _ 1 - 2 - 3

C7. Die unbetonten Endsilben. Bilden Sie mindestens 20 Wörter aus den folgenden Wortteilen (inklusive flektierte Formen). Sprechen Sie die Wörter deutlich und benut-zen Sie sie in einem Satzzusammenhang. Beispiel: ge-steh-en: Der Täter wird das Verbrechen bald gestehen! 1. Teil 2. Teil 3. Teil ge- -wick- -e ab- -wand- gläub- -sag- -er ver- -steh- vor- -zwink- -en ent- -bess- be- -länd- -ern zu- -zweif- aus- -ig- -eln C8. Sonderfall <s> - <ss> - <ß>. Setzen Sie die passende s-Variante an die Stelle der angegebenen Lautung: stimmlos [s] - stimmhaft [z]. Der Satzzusammenhang weist auf die Bedeutung hin. Beachten Sie die Vokallänge (Sie können sich mit dem Wör-terbuch helfen). a. Dieses Kleid ist völlig verschli[s]en, das kannst du nicht mehr tragen. b. Ich darf nicht verge[s]en, vorm Schlafengehen die Tür zu verschlie[s]en. c. Wei[s]t du, wohin die nächste Gruppenrei[z]e geht? d. Man sollte das Unkraut mit der Wurzel ausrei[s]en. e. Er hat immer eine Menge wei[z]e Ratschläge für mich übrig! f. Ihr mü[s]t ihn unbedingt von mir grü[s]en! g. Die Sparka[s]e ist gleich hier links neben dem Schlo[s]. h. Wann fährt der nächste Bu[s] zum Me[s]ezentrum? i. Am Flu[s] liegen eine Menge Kie[z]el herum. j. Hast du den breiten Ri[s] in der Wand gesehen? Der ist sicher gefährlich. k. Ein neuer Mercedes? Ihr lebt aber auf gro[s]em Fu[s]! l. In der Finsterni[s] kann man die Stra[s]e gar nicht erkennen. m. Der Schrank hat leider nicht die richtigen Ma[s]e für mein Zimmer. Er ist ein-

fach zu breit! n. Als das Kind weinte, nahm die Mutter es auf den Scho[s].

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D. Übungen zu den Morphemen D1. Doppelkonsonanten. Einfach oder doppelt? Füllen Sie die Lücken aus. Suchen Sie ein Wort der gleichen Familie. a. Der bli_[n]_de Hu_[n]_d ra_[n]_te plötzlich los und kna_[l]_te gegen die

Wa_[n]_d. b. Es geht uns um die Vermi_[t]_lung neuer Erke_[n]_tnisse. c. Hier du_[f]_tet es nach La_[m]_braten. d. Geben Sie mir die vo_[l]_ständige Li_[s]_te der Ma_[n]_schaftsmi_[t]_glieder. e. Der Arzt verba_[n]_d die Wu_[n]_de, so schne_[l] er ko_[n]_te. f. Seitdem unserem Kollegen gekü_[n]_digt wurde, vermi_[s]_t Peter ihn sehr. g. Sie hatte die Ho_[f]_nung, dass dieser si_[n]_lose We_[t]_streit ba_[l]_d zu Ende

sein würde. D2. Auslautverhärtung. Wählen Sie den richtigen Buchstaben. Schreiben Sie ein anderes Wort der gleichen Familie, bei dem der Verschlusslaut als Anlaut der zweiten Silbe hörbar wird. d / t run_ v / f bra_ g / k Zwer_ bun_ Scha_ klu_ gesun_ akti_ Lo_ Mun_ Beru_ Wer_ b / p lie__t d / t Gestal_ zir__t bal_ ge__t mil_ hu__t Schil_ D3. Umlaut <ä / äu>. Von welchem Grundwort mit <a> bzw. <au> sind die nachfol-genden Wörter abgeleitet? Suchen Sie noch weitere Ableitungen. Verkäufer, Siebenschläfer, Häuschen, Pächter, Gärtner, täglich, Kälber, Wälder, Händler, Hähnchen, länger, Lämmer, Häschen, erträglich. D4. <e / eu> vs. <ä / äu>. Schreiben Sie die Reime. Suchen Sie selbst noch weitere Reime. a. Gib mir die Zeitung, aber die heutige! Hast du das kleine Kind gesehen, das

hellh__________? b. Bring mir doch mal eine Kerze! Meine Hände sind voll Druckerschw_________. c. Hier sind so viele Leute! Was bedeutet das ganze Gel___________? d. Er spricht wie ein Romanheld! Ich weiß nicht, wie er das alles im Gedächtnis

beh___________! e. Ich wäre gern ein Kelte. Doch ertrage ich keine K___________.

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E. Übungen zum Wort E1. Das Wort als graphische Einheit. Untergliedern Sie die Sätze des folgenden Tex-tes in (graphische) Wörter und schreiben Sie sie, wo nötig, groß. Unterstreichen Sie bei mehrsilbigen Wörtern die betonte Silbe und lesen Sie den Text dann laut.38 Gesternwareinschlechtertagfürmich. Zuerstbinicheinehalbestundezuspätaufgestan-den. Deshalbwarmeinbusschonabgefahren, undichhabedasfahrradgenommen. Das-dauertenatürlichlänger, undsokamicheinestundezuspätinsbüro. Meinchefwardarüber-nichtglücklich, dennichwarnichtzumtreffenmitdenkollegengekommen. Nacheinerkur-zenzeithabeichdannplötzlichhalsschmerzenbekommen. Beiderfahrtmitdemfahrradhat-teichmicherkältet, aberdashabeichdemchefnichtgesagtundhabeeinfachweitergearbei-tet. Nachmittagsbinichdannwiedermitdemfahrradnachhausegefahren, unddawaress-chonrichtigkalt. Ichhabemichdannsofortinsbettgelegtundbineingeschlafen. E2. Das Wort in seiner Individualität. Identifizieren Sie das Wort nach seinem Klang (Sinnzusammenhang!) und schreiben Sie es orthographisch korrekt.

a. In ein [laby’rǺnt] kommt man leicht hinein, aber schwer wieder hinaus.

b. Ich esse gerne Gemüse, besonders [’brǤkǤli].

c. Kannst du mir das Programm [’daȚnloȚdən]? d. Die Arznei bekommt man nur in der [apo’te:kə].

e. Gibst du mir bitte deine [’imǫǺl-a’drǫsƽ]?

f. Der [ty:p] hat vielleicht einen komischen [lȚk].

g. Ich glaube, dieser [psy’çja:tǠ] hat selbst einen [knaks]!

h. Ich liebe [’jogȚǠt] mit [va’nǺlƽ]geschmack.

i. Am schönsten sind diese alten Töpfe aus [e’maǺl].

j. [ȢuǠna’lǺstən] sollten hinter die [kulǺsƽn] schauen. F. Übungen zum Satz F1. Wort und Satz. Untergliedern Sie den folgenden Text in Sätze und (graphische) Wörter und schreiben Sie, wo nötig, groß. Unterstreichen Sie alle Substantivierungen (durch Konversion). Ichweißnichtmehrwarumundwozuichlebemiristderglaubeandensinnmei-nesdaseinsabhandengekommendasgingübervielestufenabwärtseineent-täuschungmiteinemmädchendiebeobachtungderleereundverlogenheitim-lebenmeinerreligiösenelternunddergesellschaftringsumder-leistungszwanginderschulederselbstmordmeinesfreundesdasschei-

38 Die Wortakzente spielen im fließend gesprochenen oder gelesenen Text nicht immer die-

selbe Rolle, je nach der Satzbetonung kann die betonte Silbe, v.a. bei Funktionswörtern wie Artikeln usw., abgeschwächt sein.

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ternderpolitischenlinkendasversagenderkirchenworankönntemansich-haltendaistnichts39 F2. Kommasetzung. Welche Kommas sind korrekt? Welche nicht? Wo fehlt ein Komma? Korrigieren Sie. Die Geschichte, die ich Ihnen erzählen will hat eigentlich gar keinen Inhalt, vielleicht, ist es gar keine Geschichte, aber ich muss sie Ihnen erzählen. Vor zehn Jahren, spielte sich eine Art Vorgeschichte ab, und vor wenigen Tagen rundete sich das Bild… Denn, vor wenigen Tagen fuhren wir über jene Brücke die einst stark und breit war, eisern wie die Brust Bismarcks auf zahlreichen Denkmälern, unerschütterlich wie die Dienstvorschriften; es war eine breite, viergleisige Brücke über den Rhein und auf viele schwere Strompfeiler gestützt und damals, fuhr ich dreimal wöchentlich mit demselben Zug darüber: montags mittwochs und samstags.40 Literatur IDS (Hg.) (2006), Überarbeitetes Regelwerk 2006, online unter http://www.ids-

mannheim.de/reform/. Dardano M. (1994), „Profilo dell’italiano contemporaneo“, in Serianni L. et al.

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39 Textausschnitt aus: Vom Sinn des Lebens von Luise Rinser. 40 Es handelt sich um den Anfang des Textes Über die Brücke von Heinrich Böll.

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WIE WERDEN NEUE SUBSTANTIVE, ADJEKTIVE UND VER-BEN GEBILDET? MORPHOLOGISCHE, SYNTAKTISCHE UND

SEMANTISCHE ASPEKTE DER PRODUKTIVEN WORTBILDUNGSVERFAHREN

Katharina Gemperle

1. Vorbemerkungen

Innerhalb der Morphologie können wir die zwei Hauptbereiche Flexion und Wortbildung (WB) unterscheiden1. Die Deklination und die Konjugation stellen den morphologischen Prozess der Ausbildung syntaktischer Wörter dar. Bei der WB hingegen entstehen aus vorhandenem Wortmaterial neue Lexeme. Nach Erben (2006: 63) wird „Wortbildung [...] verstanden als gere-gelter Aufbau lexikalischer Einheiten aus einem oder mehreren Vertretern der Klasse Morphem. Geregelt nennen wir den Aufbau deshalb, weil er von mor-phologischen, syntaktischen und semantischen Einschränkungsregeln sowie von mehr oder weniger reihenhaft produktiven Baumustern bestimmt wird.“ Der Begriff Wortbildung kann sowohl den Prozess als auch das Produkt der Wortbildung bezeichnen.

Der Wortschatz einer Sprache wird dauernd erneuert. Im Deutschen geht der weitaus größte Teil der Neologismen auf WB zurück2. Spontane Neubil-dungen können durch regelmäßigen Gebrauch allmählich in den usuellen Wortschatz gelangen. Lässt sich ein Wort aus seinen Bestandteilen erschlie-ßen, spricht man von motivierter WB. Die Bedeutung zahlreicher durch WB entstandener Wörter ist jedoch synchron betrachtet nicht (mehr) transparent;

1 Vgl. u.a. Linke et al. (2004: 61-78), Blasco Ferrer (1999: 190f.). 2 Das Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache (1961-1977) (zitiert nach Barz 2005:

646) gibt folgende Verteilung innerhalb der Neologismen an: 83% WB, 12% Umdeutung, 5% Entlehnungen.

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in diesen Fällen sprechen wir von demotivierten Wortbildungen3. Oft ist die Geschichte eines durch WB entstandenen Begriffes sehr komplex (z.B. Ent-lehnungen aus Fremdsprachen). In diesem Studienbuch betrachten wir die WB-Arten und -Produkte synchron. 2. Konstituenten und Grundverfahren der Wortbildung

Durch WB entstandene Wörter unterscheiden sich von primären Wörtern,

von syntaktischen Fügungen, von Entlehnungen sowie von Kunstwörtern. Insgesamt umfasst die deutsche Sprache zwischen 300‘000 bis 500‘000 Wör-ter und Phraseologismen 4.

Die produktivsten Verfahren der WB im Deutschen sind die Komposition, die Derivation und die Konversion. Hauptkriterien zur Unterscheidung der WB-Arten stellen einerseits die Anzahl der wortfähigen unmittelbaren Konsti-tuenten (UK)5 dar, andererseits die Wortart der Basis sowie des WB-Produktes. Wörter, die auf dieselbe Basis zurückgeführt werden können, ge-hören unabhängig von der WB-Art zur selben Wortfamilie, z.B. lesen > S: der Lese-saal6 (Komposition), die Vor-les-ung (Derivation), das Lesen (Konver-sion); A: leser-lich; V: vor-lesen etc.

Bei der Komposition werden nach einer Art „Baukastensystem“ aus (min-destens) zwei UK (Lese-saal), bei der Derivation aus mindestens einer UK (Les-er) neue Wörter gebildet. Bei der Konversion hingegen steht der Wortar-tenwechsel im Vordergrund; hier handelt es sich stets um Transposition: das Lesen (S)7 < lesen (V). Eine untergeordnete Rolle spielen weitere WB-Arten wie die Kurzwortbildung (VW < Volkswagen), die Kontamination (Ostalgie < Osten + Nostalgie) oder die oft onomatopoetische reduplizierende WB (Blabla, wauwau). Die verschiedenen Verfahren treten oft kombiniert auf, z.B. Komposition und Derivation. Um den WB-Prozess zu erschließen, muss die Reihenfolge analysiert werden: bei Schau-spiel-er handelt es sich um eine

3 Das Urteil, ob es sich um motivierte oder demotivierte WB handelt, hängt vom Sprach-

vermögen und Sprachwissen eines Sprechers ab. Ein Wort wie Gefährt wird noch heute von den meisten Sprechern auf das Verb fahren zurückgeführt, während bei der analogen WB Gerät der Zusammenhang mit raten nicht mehr transparent ist (vgl. Barz 2005: 644).

4 Vgl. Barz (2005: 646). 5 Vgl. Barz (2005: 668). Die UK tritt oft nur in erweiterten Wortformen auf: z.B. les-: les-

en, Les-er etc. 6 Um die einzelnen Konstituenten für die Wortbildung hervorzuheben, wird in diesem Bei-

trag der Bindestrich benutzt. Diese Schreibweise entspricht jedoch nicht den geltenden Ortho-graphieregeln.

7 Nachstehend werden folgende Abkürzungen verwendet: S: Substantiv, A: Adjektiv, V: Verb, Adv.: Adverb.

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substantivische Derivation mit Suffix -er aus dem Kompositum Schau-spiel. Im Deutschen herrscht besonders bei der Bildung neuer Substantive eine

viel stärkere Tendenz zur Komposition als zur Derivation8, während im Italie-nischen – wie in den romanischen Sprachen überhaupt – die Derivation für alle Wortarten die produktivste WB-Art darstellt. Im Folgenden werden die wichtigsten Merkmale der produktivsten WB-Prozesse kurz vorgestellt. 2.1. Komposition: Zusammensetzung aus zwei wortfähigen Konstituen-

ten Komposita bestehen aus zwei oder mehr eigenständigen Wörtern, lassen

sich aber grundsätzlich auf zwei wortfähige Hauptkomponenten zurückführen. Diese können ihrerseits durch Komposition, Derivation oder weitere WB-Arten entstanden sein (Winter-[schluss-verkauf]). Durch Komposition entste-hen neue Wörter aller flektierbaren Wortarten. Auch als Basis kommen wort-fähige Konstituenten aller Wortarten in Frage: Glück-s-pilz (S < S+S), him-mel-blau (A < S+A), staub-saugen (V < S+V), vor-gestern (Adv. < Präp.+Adv.) etc.

Um die Zusammensetzung eines Wortes für den Leser verständlicher zu machen, kann zwischen die beiden (Haupt)Elemente ein Bindestrich in die Kompositionsfuge eingefügt werden. Handelt es sich bei einem der Elemente (meist dem ersten) um ein Kurzwort, ist der Bindestrich obligatorisch: ICE-Zuschlag (< Intercity Express).

In anderen Fällen wird die Schnittstelle dadurch deutlich, dass in die Kompositionsfuge zwischen den beiden Hauptkonstituenten ein sog. Fugen-element oder Fugenmorphem eingefügt ist (s. Glück-s-pilz). Ihr Vorkommen hängt vor allem von phonetischen Merkmalen ab. Die primär prosodische und artikulatorische Funktion besteht darin, das Kompositum einerseits transpa-renter zu machen, andererseits die Aussprache zu erleichtern9. Fugenelemente werden vom Erstglied bestimmt. Sie kommen besonders häufig nach Substan-tiven vor, sowohl zur Bildung neuer Substantive (S < S + S: Kind-er-garten als auch neuer Adjektive (A < S + A: arbeit-s-frei). Das Fugenelement -o kommt nur bei Konfixen10 wie Etn-o-logie vor.

8 Vgl. Barz (2005: 688). 9 Vgl. Taino (2005: 103-104). 10 Konfixe werden in der neueren Literatur zur WB als besondere Gruppe von Wortbaustei-

nen unterschieden. Dabei handelt es sich um fremdsprachige Grundmorpheme wie bio, phil, video etc., die (im Deutschen) nur gebunden vorkommen. Im Unterschied zu anderen Affixen tritt eine Untergruppe sowohl als Präfix (Phil-o-sophie) als auch als Suffix (bibli-o-phil) auf. Einige Konfixe können auch als Bestandteile von Komposita verwendet werden. Sie lassen sich

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In semantisch-syntaktischer Hinsicht unterscheiden wir Kopulativkomposi-ta von Determinativkomposita. Bei den selten vorkommenden Kopulativkom-posita besteht keine Hierarchie zwischen den beiden Konstituenten: ein Ra-dio-wecker (radio-sveglia) ist zugleich Radio und Wecker. Auf der anderen Seite zeichnet sich die umfangreiche Gruppe der Determinativkomposita durch das hierarchische Verhältnis zwischen den beiden Konstituenten aus: Im Deutschen stellt das rechts stehende Element semantisch und grammatika-lisch das Grundwort (auch: Kopf oder Determinatum) dar; die linksstehende Konstituente wird Bestimmungswort oder Determinans genannt, weil diese die Bedeutung der rechtsstehenden Basis einschränkt: ein Personen-sucher ist ein Gerät, mit dem man Personen sucht. Zwar steht im Italienischen das Grundwort vorwiegend links: cerca-persone, doch sind daneben auch Deter-minativkomposita mit rechtsstehender Basis gebräuchlich, z.B. bei WB aus dem Griechischen: cosmo-nauta dt. Kosmo-naut/ Raum-fahrer. Das komplexe semantische Verhältnis zwischen Bestimmungswort und Grundwort sehen wir uns unter 3.1. genauer an.

2.2. Derivation: Ableitung durch Affigierung

Bei der Derivation entstehen neue Wörter durch Affigierung einer wortfä-

higen Basis. Je nach Stellung sprechen wir von Präfixen (links von der Basis: wieder-sehen/ ri -vedere), Suffixen (rechts: Schön-heit/ bell-ezza) oder Zirkum-fixen (umfassen die Basis: Ge-red-e)11. Mit der Derivation tritt oft ein Umlaut auf: Haus > Häus-chen, blau > bläu-lich, lachen > läch-eln.

Suffixe legen die Wortart des Stammes fest, bei Substantiven auch deren Genus und Deklinationstyp. In der Übersicht ‚Native und fremdsprachige Affixe’ (s. unten) sind deshalb die substantivischen Suffixe nach ihrem Genus geordnet12. Außerdem wird (in Klammern) die Pluralform angegeben.

Charakteristisch ist die Affinität bestimmter Affixe zu bestimmten Wortar-ten der Basis. So ist heute etwa das Suffix -ung äußerst produktiv in der Bil-dung neuer deverbaler (d.h. aus Verben gebildeter) Substantive.

Bezüglich ihrer etymologischen Herkunft unterscheiden wir native oder heimische von fremdsprachigen Präfixen und Suffixen. Viele Affixe, die an der WB im Deutschen beteiligt sind, stammen aus Fremdsprachen, vorwie-

zum Teil mit nativen wie mit fremdsprachigen Konstituenten kombinieren (Bio-Bauer, Bio-Produkte). Vgl. u.a. Donalies (2007: 12-14, 52, 57) und Barz (2005: 664-667).

11 Schließlich zählen auch Infixe, die innerhalb der Basis eingefügt werden, zu den Affixen, doch kommen sie im Deutschen nicht vor, außer wir betrachten das Affix ge- des Partizips II von trennbaren Verben als Infix: an-ge-kommen.

12 In seltenen Fällen kommen (v.a. für fremdsprachige Suffixe) zwei Genera in Frage, was meist etymologisch bedingt ist: z.B. -ier: der Pionier, aber das Papier.

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gend aus dem Lateinischen oder aus romanischen Sprachen, insbesondere aus dem Französischen, aber auch aus dem Griechischen und vermehrt aus dem Englischen. Diese Internationalismen kommen meist auch im Italienischen und anderen romanischen Sprachen sowie im Englischen vor (Universität - università - university etc.)13.

Die nativen Affixe sind aus Wörtern mit lexikalischer Bedeutung heraus-gewachsen. Dadurch, dass sie für analoge WB als Kompositionselement ver-wendet wurden, verblasste im Laufe der Sprachentwicklung ihre eigenständi-ge Bedeutung; aus dem wortfähigen Lexem wurde ein reihenbildendes Af-fix14.

2.3. Konversion: WB in der Funktion der Transposition

Bei der Konversion steht die Transposition eines Wortes in eine andere

Wortart im Vordergrund. Dabei kann das Ausgangswort ohne Abwandlung transponiert werden, weshalb die Konversion manchmal auch als affixlose Ableitung eingeordnet wird15.

Um reine Transposition handelt es sich bei der sehr produktiven Substanti-vierung von Verben: lesen > das Lesen (immer Neutrum)/ beim Lesen (leg-gendo). Adjektive werden ohne Abwandlung entweder in unflektierter Form substantiviert: rot > das Rot oder sie behalten wie die substantivierten Partizi-pien die Flexionsendung bei, die weiterhin der Adjektivdeklination folgt. Se-mantisch handelt es sich dabei entweder um a) Personenbezeichnung: m./ f. der/die/eine/- Reich-e, aber: ein Reich-er; der/die/eine/- Angestellt-e, aber: ein Angestellt-er; der/die/eine/- Deutsch-e, aber: ein Deutsch-er oder um b) Ad-jektivabstrakta: Neutrum: das Nützlich-e16. Auch andere Wortarten werden affixlos in Substantive transponiert, z.B. Adverbien: das Gestern oder Prono-men: das Ich.

13 Hier lauern die falschen Freunde (sprachliche Interferenzen), weil die analog gebildeten

Wörter in den verschiedenen Sprachen oft andere (Teil-)Bedeutung angenommen haben; Bsp. it. dirigente (di un’azienda, → dt. leitender Angestellter, Abteilungsleiter) ≠ dt. Dirigent (des Orchesters) → it. direttore d’orchestra. (s. Beitrag von Twittmann in diesem Band.)

14 Beispielsweise ist das Suffix -schaft etymologisch mit dem Verb „schaffen“ verwandt und bedeutete in einer früheren Sprachstufe ‚Zustand’, ‚Beschaffenheit’; ‚Verhalten’. Dieses Suffix geht auf zwei ehemals selbstständige Substantive zurück: 1) Althochdeutsch scaf ‚Ges-talt’, ‚Beschaffenheit’ und 2) Mittelhochdeutsch schaft ‚Geschöpf’, ‚Gestalt’. Beide traten schon in germanischen Sprachstufen in Zusammensetzungen auf und wurden wie Suffixe ge-braucht (vgl. Herkunftswörterbuch, Duden 7, 2001: 704).

15 Manche Theorien zählen die Konversion ohne Abwandlung nicht zur WB. Beispielswei-se Altmann - Kemmerling (2000: 39, 54, 127, 151) ordnen sie als „grammatische Transpositi-on“ den rein syntaktischen Prozessen zu.

16 N.B.: etwas Schönes – una cosa bella.

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In anderen Fällen liegt Konversion durch innere Abwandlung des Grund-vokals vor: bei den nominalen Basen Substantiv und Adjektiv vermehrt durch Umlaut17, Bsp. falsch > fälschen, bei (starken) Verben vorwiegend durch Ab-laut, Bsp. fliegen > Flug18, messen > Maß. Auch aus (schwachen) Verben können durch Weglassen der Infinitivendung Substantive entstehen: spielen > das Spiel, kaufen > der Kauf. Oft verbindet sich der Umlaut der inneren Ab-wandlung mit einem Präfix (sprechen > Ge-spräch) oder mit einem Suffix (Haus > Häus-chen, blau > bläu-lich).

2.4. Kurzwortbildung

Kurzwörter werden vor allem aus Substantiven und aus syntaktischen Fü-

gungen gebildet. Sie sind von den Schreibabkürzungen wie Dr. oder d.h. zu unterscheiden, die im vollen Wortlaut gelesen werden: <Doktor> bzw. <das heißt>. Kurzwörter unterscheiden sich nach den Segmenten, die sie von der Vollform übernehmen: a) unisegmentale Kurzwörter aus der Kopfsilbe: Uni < Universität, Limo

< Limonade oder aus der Schlusssilbe: Bus < Omnibus b) multisegmentale Kurzwörter: 1. Buchstabenwörter/ Initialwörter: ZDF

< Zweites Deutsches Fernsehen; 2. Silbenkurzwörter: Adidas < Adi (Spitzname für Adolf) Dassler (Nachname des Firmengründers); 3. Mischkurzwörter: Azubi < Auszubildender (apprendista).

Im Unterschied zum Italienischen, das zur lautlichen Verbindung der ein-

zelnen Bestandteile der Kurzwörter tendiert, werden diese im Deutschen überwiegend phonetisch ungebunden ausgesprochen: USA → it. ['usa] vs. dt. ['u:?εs'?a:]19.

Substantivische Kurzwörter behalten ihr Genus bei. Im Vergleich zu den entsprechenden Vollformen sind sie sprachökonomischer: Sie sind einfacher zu schreiben, auszusprechen und einzuprägen und lassen sich einfacher als die Vollform für Verbindungen zu neuen komplexen Wörtern verwenden, z.B. die BSE-Krise (< bovine spongiform encephalopathy).

Anschließend an diese kurze Übersicht über die wichtigsten WB-Prozesse

und die beteiligten Konstituenten sehen wir uns im Folgenden die produktivs-ten Verfahren an, die zur Bildung neuer S, A und V dienen.

17 Der Umlaut geht etymologisch auf die substantivische Pluralbildung zurück. 18 Bei einigen Substantiven, die aus der Konversion von Verben hervorgingen, entspricht

der Ablaut nicht mehr dem heutigen Paradigma, wie z.B. der Flug vs. Präteritum flog. 19 Nur in Ausnahmefällen sind sowohl gebundene als auch ungebundene Aussprache mög-

lich: FAZ: [fats] neben ['εf?a:?'tsεt].

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Substantive machen innerhalb des Wortschatzes und folglich auch als Zielwortart der Neubildungen den größten Anteil aus. Bei der substantivi-schen WB sind alle WB-Arten produktiv, doch die Komposition hat hier im Vergleich zu den anderen Zielwortarten die zahlreichsten und differenziertes-ten Modelle entwickelt. Auch die Suffigierung nimmt im Deutschen vorwie-gend bei der substantivischen WB eine bedeutende Stellung ein, während die Präfigierung typisch ist für die verbale WB. Bei der WB von Adjektiven schließlich treten eine erstaunliche Menge von Konstituenten auf, die sich in einem Übergangsstadium vom Kompositionselement zum Affix befinden. Anhand dieser sog. Affixoide lässt sich die diachrone Entwicklung von einem selbstständigen Lexem zu einem reihenbildenden Affix beobachten. 3. Substantivische Wortbildung

Wie wir gesehen haben, bestimmt der im Deutschen rechts stehende

grammatikalische Kopf – d.h. bei der Komposition das Grundwort, bei der Suffigierung das Suffix – das Genus, die Deklinationsklasse und die Plural-bildung des WB-Produkts. Nur dieser Kopf wird dekliniert20. Als Basis kom-men sowohl für die Komposition als auch für die Derivation grundsätzlich alle flektierbaren Wortarten (S, A, V) in Frage, seltener auch Präpositionen, Adverbien, Partikeln oder syntaktische Fügungen.

3.1. Substantivische Komposition

Da Kopulativkomposita nur einen sehr geringen Teil der Komposita aus-

machen, gehen wir hier nur auf die äußerst differenzierte Semantik der De-terminativkomposita ein. Während im Italienischen die Relation zwischen zwei Begriffen explizit aufgelöst werden muss, bleiben diese Grundrelationen im Deutschen implizit21: z.B. kann ein Holz-haus ein Haus aus Holz (casa fatta di legno) oder aber ein Haus zur Aufbewahrung von Holz (casetta per il legno) bezeichnen. Bei einem usuellen Kompositum ist die Bedeutung kon-ventionalisiert, bei okkasionellen WB liegt die Interpretation der Neubildung

20 Auch adjektivische Attribute beziehen sich morphologisch und semantisch auf diese Ba-

sis: ein sonniger Herbst-tag → ein sonniger Tag im Herbst. Manchmal werden Attribute – absichtlich oder unabsichtlich – falsch verwendet, z.B. so müsste z.B. grüner Minzegeschmack wörtlich als *grüner Geschmack von Minze interpretiert werden (*‚profumo verde della men-ta’), aber aufgrund unseres Weltwissens können wir erschließen, dass der Geschmack von grüner Minze gemeint ist.

21 Vgl. Hepp (2005: 99).

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hingegen beim Rezipienten22. Zur Interpretation komplexer semantischer Re-lationen zwischen den beiden Hauptkonstituenten eines Kompositums ziehen auch Muttersprachler bekannte sprachliche Muster und ihr Weltwissen heran. Hier kann nur kurz auf einige Grundmuster hingedeutet werden.

Bei den meisten Determinativkomposita handelt es sich um endozentrische WB23, d.h. der semantische Kern liegt innerhalb des Kompositums. Häufig schränkt das Erstglied das Zweitglied bezüglich der semantischen Grundrela-tionen Raum, Zeit, Grund etc. ein24:

• lokal → wo? Bauch-schmerzen: Schmerzen im Bauch (mal di

stomaco, dolore allo stomaco) • temporal → wann? Sommer-urlaub = Urlaub während des Sommers

(vacanze estive → vacanza durante l‘estate) • kausal→ warum? Freuden-tränen = Tränen vor Freude (lacrime di

gioia → per la gioia) • final → wozu? Unfall-versicherung = Versicherung gegen Unfall

(assicurazione contro gli infortuni) • instrumental → womit? Ball-spiel = Spiel mit dem Ball (gioco con la palla) • konditional → warum?/ Tagungs-akten = Akten anlässlich der Tagung (atti del aus welchem Grund? convegno → in occasione del convegno) • konstitutional/ Leder-schuh = Schuh aus Leder (scarpa di cuoio) substantiell → woraus? • modal → wie? Steh-party = Pary im Stehen (un party all’impiedi) • possessiv → wessen? Königs-palast = der Palast des Königs (il palazzo

reale/ del re)

Eine bedeutende Stellung nehmen die Rektionskomposita ein, die eine syn-taktische Beziehung zwischen den beiden Konstituenten ausdrücken. Dabei handelt es sich um Determinativkomposita mit deverbalem Zweitelement, die sich valenzgrammatisch auflösen lassen, wobei das Bestimmungswort die Leerstelle des Verbs besetzt: z.B. Tennis-spieler → jemand, der Tennis spielt. Auch die Agens- beziehungsweise die Patiensrolle wird übernommen: a) ak-tiv: Radio-hörer = jemand, der Radio hört, b) passiv: Haus-durchsuchung = das Haus wird durchsucht.

Exozentrische Determinativkomposita, auch Possessivkomposita genannt, zeichnen sich hingegen durch ihren außersprachlichen Bezug aus. Sie benen-nen ein Lebewesen nach einer typischen Eigenschaft und können als „pars pro toto“ gedeutet werden: z.B. bezeichnet Löwen-mäulchen (bocca di leone)

22 Mit der Vagheit bzw. Mehrdeutigkeit von Komposita wird in Bereichen wie Literatur, Werbung, Jugendsprache oder auch in Witzen bewusst gespielt.

23 Vgl. Di Meola (22007: 73). 24 Vgl. u.a. Barz (2005: 727-730) und Lohde (2006: 66ff., 75).

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nicht wörtlich das „Mäulchen eines Löwen“, sondern eine Pflanze, deren Blü-te so aussieht25.

3.2. Substantivische Derivation

Die einzelnen Affixe verbinden sich systematisch mit bestimmten Basen,

z.B. V + -er: Mensch oder Sache, der/die etwas tut, lesen > Les-er, kopieren > Kopier-er. Deshalb ist in der folgenden Liste die üblicherweise als Basis verwendete Wortart vermerkt (vgl. auch Übersicht: Native und fremdsprachi-ge Affixe). 3.2.1. Transponierung

Einige Suffixe haben die Funktion, aus Substantiven oder aus einer ande-

ren Wortart ein neues Substantiv mit folgenden Bedeutungen zu bilden26:

a) Geschehens- und Zustandsbezeichnung Basis: Verb → Verlauf oder Resultat eines Geschehens, Geschehen als Ein-zelakt oder als Kontinuum V + -, -[e]r der Traum, der Fehl-er V + -nis das Verhält-nis27 V + -ung die Prüf-ung → iteratives, unerwünschtes Geschehen: Ge- V [+ -e] das Ge-schrei, das Ge-red-e V + -[er]ei die Lauf-erei Basis: Adjektiv bzw. Part. I oder II → Adjektivabstrakta A + - das Blau A + -e die Reif-e A + -heit/[ig]keit die Sicher-heit/ Sparsam-keit/ Traurig-keit A + -nis die Finster-nis A + -schaft die Bekannt-schaft Basis: Substantiv → Sustantivabstrakta S + -schaft die Freund-schaft S + -[er]ei die Kind-erei S + -tum das Brauch-tum

25 Dieses Muster kommt oft bei Zusammensetzungen aus A + S (Dickkopf/testa dura) oder

S + S Holzkopf/testa di legno) vor, vgl. u.a. Lohde (2006: 37f., 82f.). 26 Nach Barz (2005: 734-741), vgl. u.a. auch Altmann - Kemmerling (2000: 125-126), Loh-

de (2006: 116, 143), Marx (1994: 82ff.). 27 Dabei kann auch die Basis modifiziert werden: hier mit Umlaut → verhalten - verhält.

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b) Personenbezeichnungen

A/ Part. I/II + - der Deutsche, der Angestellte S/ V + -(l)er der Lehr-er, der Künst-ler Adj./ Part./ S + -i/ -o28 der Normal-o, der Gruft-i

c) Gegenstandsbezeichnungen

[Ge-] V + -sel das Ge-schreib-sel (lo scarabocchio), das Rät-sel V + -ung die Wohn-ung V + -e die Hup-e V + -er der Aufkleb-er (l‘adesivo) V + -nis das Zeug-nis

d) Ortsbezeichnungen

S/ V + -[er]ei die Ziegel-ei, die Druck-erei V + -e die Bleib-e (posto dove stare, alloggio)

e) Instrumentenbezeichnungen

V + -er der Toast-er syntaktische Fügung + -er: der Scheibenwisch-er (< die Scheibe wischen) V + -e die Brems-e V + -el der Heb-el

3.2.2. Modifikation

Der reichen Auswahl an Suffixen steht bei der substantivischen Derivation

eine relativ geringe Zahl von Präfixen gegenüber, die teils nicht mehr produk-tiv (Miss-) oder sehr selten sind (Ur-).

a) Diminuierung29

S + -chen, -lein30: das Blüm-chen, das Büch-lein S + -i Mutt-i, Vat-i

lexikalische Wörter Klein-(wagen); Kleinst-(wohnung), Liliput-

28 Häufig bei okkassionellen Neubildungen und in der Jugendsprache. 29 Besonders zur Diminuierung sowie zur Augmentation verfügt das Italienische über eine

reiche Auswahl an Suffixen, die neben der reinen Modifikation weitere Nuancen zum Ausdruck bringen, wofür man im Deutschen z.B. auf Adjektive wie „klein“ zurückgreift: -ino/ -(i)cino/ -olino, -etto (pensierino: kleine Aufmerksamkeit), -ello/-(i)cello/-erello (alberello: kleines Bäumchen), -uccio/-uzzo (viuzza/o: schmaler Weg; z.T. auch negativ), -(u)olo; -otto, - acchi-otto, -iciattolo (fiumiciattolo: kleines/mickriges Bächlein); vgl. Dardano et al. (1989: 472f).

30 Bei Diminutivformen mit -chen oder -lein wird der Stammvolkal häufig umgelautet.

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als Erstglied31: (format), Mini-(golf), Zwerg-(staat) etc. b) Augmentation Erz-: Erz-schurke lexikalische Wörter Jahrhundert-(sommer), Mammut- als Erstglied: (veranstaltung), Mega-(hit), Monster-(party), Re-

kord-(verlust) etc. c) Negation Un-: das Un-glück (vgl. it. in-, dis-, s-) Miss-: der Miss-erfolg

d) Taxierung → „falsch, schlecht“: Miss- das Miss-verständnis Un- der Un-mensch, das Un-wort Fehl- die Fehl-anzeige → „ursprünglich, schon immer“: Ur- der Ur-heber, der Ur-einwohner → „wichtig“ Haupt-: der Haupt-grund

e) Movierung → „weiblich“: -in die Student-in (vgl. it. -essa)

f) Kollektivbezeichnung -schaft die Eidgenossen-schaft -heit die Mensch-heit Ge-…[-e] das Ge-wölk, das Ge-summ-e

Die Beispiele zeigen, dass manche Suffixe polysem sind, z.B. -er kann

sowohl eine Person als auch ein Gerät meinen, die eine Tätigkeit ausführen oder -heit kann entweder als Adjektivabstraktum fungieren oder ein Kollektiv bezeichnen. (s. auch Beitrag von Vogt in diesem Band.) 3.3. Fugenelemente in der substantivischen Wortbildung

Die meisten Fugenelemente der substantivischen WB entsprechen be-

stimmten Deklinationsendungen, vorwiegend dem Genitiv Singular -s und dem Nominativ Plural -e, -er oder –en32. Sie werden aber auch in Formen übernommen, wo sie paradigmisch nicht vorkommen, z.B. -s bei Substantiven

31 Neben einer relativ kleinen Zahl von Präfixen steht eine Reihe lexikalischer Wörter mit

modifizierender Funktion. 32 In diesem Fall sprechen wir von paradigmischen Fugenelementen, vgl. z.B. Barz (2005:

722).

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im Feminin, die den Genitiv ohne -s bilden: Bsp. Arbeit (f.): Arbeit-s-zimmer, oder Pluralformen mit -e/ -er/ -en, auch wenn sie einen Singular bezeichnen, z.B. Hühn-er-fleisch (auch für das Fleisch von einem einzigen Huhn). Erst-gliedrige Substantivderivate mit den Suffixen -heit, -keit, -schaft, -ung, -ion, -ität werden vorwiegend mit -s verbunden: Freundschaft-s-beweis. 4. Adjektivische Wortbildung 4.1. Adjektivische Komposition

Viele Adjektive werden mit Erst- oder Zweitgliedern gebildet, die wegen

ihrer Wortfähigkeit als Kompositionskonstituente angesehen werden können. Andererseits tendieren sie zur Reihenbildung, dem typischen Merkmal der Derivationsaffixe. Wegen dieser Stellung zwischen Kompositionselement und Affix werden sie – je nach Stellung – als Präfixoide bzw. Suffixoide einge-ordnet.

Bei den lexikalischen Erstgliedern handelt es sich oft um Substantive, die wie bei der substantivischen WB modifizierend wirken, sei es a) verglei-chend: schnee-weiß = weiß wie Schnee (bianchissimo, candido), sei es b) graduierend, was im Italienischen häufig einem absoluten Superlativ ent-spricht: blitz-sauber = (pulitissimo).

Einige native Suffixoide sind äußerst produktiv. Wie bei Derivaten liegt der semantische Kern auf dem Erstglied; häufig taucht jedoch bei substantivi-schen Erstgliedern das für die Komposition typische Fugenelement auf. Nach-stehend eine kleine Auswahl an sehr produktiven synonymischen, antonymi-schen und weiteren Suffixoiden (in Klammern die Wortart des Erstgliedes)33:

a) native Suffixoide mit synonymischer Bedeutung Beispiele Paraphrase34 (S) -gemäß (S) -gerecht

vertrags-gemäß vertrags-gerecht

gemäß Vertrag dem Vertrag entsprechend

(S) -bereit (S) -fertig

abflug-bereit abflug-fertig

bereit/ fertig zum Abflug

(S) -förmig (S) -artig

stern-förmig stern-artig

in der Form eines Sterns nach Art eines Sterns, wie ein Stern

(S) -reich (S) -voll

tränen-reich gefühl-voll

(reich an =) mit vielen Tränen (voller =) mit viel Gefühl

33 Vgl. besonders Lohde (2006:174) und Barz (2005: 758). 34 Wie Lohde (2006: 159ff.) feststellt, handelt es sich bei diesen WB-Produkten oft um

Rektionskomposita.

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(S/V) -wert (S/V) -würdig

lesens-wert vertrauens-würdig

-wert: oft passivisch → wert, gelesen zu werden des Vertrauens würdig

(V) -freudig (V) -lustig

wander-freudig wander-lustig

das Wandern bereitet Freude/ Lust

b) native Suffixoide mit antonymischer Bedeutung

(S) -freundlich ↔ -feindlich umwelt-freundlch ↔ umwelt-feindlich (S) -voll ↔ -frei sorgen-voll ↔ sorgen-frei (S/V) -reich ↔ -arm schadstoff-reich ↔ schadstoff-arm

c) weitere native Suffixoide: (S/V) -fähig = fähig, etwas zu tun arbeits-fähig (S) -süchtig = süchtig nach etwas fernseh-süchtig (S) -müde = einer Sache müde sein schul-müde

In Fachsprachen oder als okkasionelle Bildungen treten sehr häufig Parti-

zipialkomposita auf, vor allem mit substantivischem Erstglied: S + Part. I oder Part. II, beispielsweise alter-s-bedingt (d.h. durch das Alter bedingt).

4.2. Adjektivische Derivation

Die adjektivische Präfigierung dient vorwiegend der Modifikation: beson-

ders häufig verwendet wird die Negation un-35. Die primäre Funktion der adjektivischen Suffigierung besteht hingegen in

der Transponierung. Als Basis kommen entweder a) Verben mit aktivischer bzw. passivischer Bedeutung oder b) Substantive in Frage, die einen Ver-gleich oder ein possessives Verhältnis ausdrücken36:

a) Basis Verb b) Basis Substantiv aktivisch

(-modal) passivisch (-modal)

vergleichend: „wie“

[nicht-] Haben-Relation

-bar [brenn-bar = etwas kann brennen]37

brauch-bar = etwas kann gebraucht wer-den

---

---

un-…-bar un-brenn-bar un-brauch-bar --- ---

35 Partizipialkomposita werden hingegen mit „nicht“ negiert: nicht altersbedingt. 36 Vgl. Barz (2005: 764-768). 37 In eckigen Klammern sind jene WB-Prozesse bzw. Bedeutungen vermerkt, die selten

vorkommen.

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-haft [stand-haft] - traum-haft mangel-haft -ig auffäll-ig stritt-ig eis-ig hüg(e)l-ig -(er)isch [mürr-isch] - babylon-isch harmon-isch -(er)lich wein-erlich verkäuf-lich kind-lich absicht-lich un-…-lich [un-schäd-

lich] un-leser-lich -38 un-absicht-

lich -los („ohne“) - - - wolken-los be- …-t/ ge-…-t

- - - be-wald-et / ge-tupf-t

-sam folg-sam rat-sam - - un-…-sam un-folg-sam un-rat-sam - -

syntaktische Fügung -ig kurz-leb-ig - - frei-geist-ig

5. Verbale Wortbildung

Verbale Komposition (z.B. kennen lernen) ist sehr selten. Konversion kommt häufiger vor: Salz > salzen. Neu gebildete oder aus Fremdsprachen übernommene (abgeleitete) Verben sind schwach konjugiert: googeln - goo-gelte - hat gegoogelt.

Für Ableitungen kommen als Suffixe nur -ier(en) mit den fremdsprachigen Varianten -isier(en)/ -ifizier(en) sowie -(e)l(n) vor39. Weitaus die wichtigste Rolle bei der Bildung neuer Verben spielt die Präfigierung (vgl. Übersicht: Native und fremdsprachige Affixe). Im Vergleich zum Grundverb verändert sich oft die Verbvalenz. Die Hauptfunktion des Präfixes be- besteht in der Transitivierung: jdm. etw. schenken – jdn. [mit etwas] beschenken.

Während aus einigen Basen nur mit einem Verbzusatz ein Verb gebildet werden kann, z.B. kalt > er-kälten (*kälten), existieren für andere Basen ne-ben den präfigierten auch unpräfigierte Verben, die (meistens) eine unter-schiedliche Bedeutung ausdrücken: z.B. klar > klären neben er-klären, ab-klären etc.

5.1. Trennbare Partikelverben vs. untrennbare Präfixverben

Bezüglich der Verbzusätze unterscheiden wir trennbare Partikeln von un-

trennbaren Präfixen, die sich durch folgende Charakteristika unterscheiden:

38 Negation mit nicht: nicht bäuerlich, nicht kindlich. 39 Dass die Suffigierung beim Verb nicht stark ausgebaut ist, erklärt sich dadurch, dass am

Wortende (außer beim Imperativ) die verbalen Flexionsmorpheme angefügt werden, die ihrer-seits sehr komplex sein können: z.B. sag-t-est → -t: Präteritum, -est: 2. Pers. Sg.

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Partikelverb/

„trennbare Verben“ Präfixverb/ „untrennbare Verben“

z.B. ab-, an-, auf-, aus-, bei-, ein-, mit-, nach-, vor-, zu- etc.

be-, ent-/emp-, er-, ge-, miss-, ver-, zer-

Betonung auf Partikel: 'ab-fahren auf Verbbasis: er-'fahren Part. II mit ge-

zwischen Partikel und Basis: ab-ge-fahren

ohne ge- (untrennbares Präfix belegt die Position von ge-): er-fahren

Verbklammer ja: Der Zug fuhr ohne Verspätung ab.

nein: Sie erfuhr heute Morgen das Resultat ihrer Prüfung.

Basis fast alle einfachen Verben des Grund-wortschatzes

einfache und komplexe Verben; bei desubstantivischen oder deadjekti-vischen Verben vorwiegend einfa-che Basen

Neben den reinen Verbpartikeln und den reinen Verbalpräfixen gibt es

auch Verbzusätze, die entweder als trennbare Partikeln oder als untrennbare Präfixe verwendet werden können und jeweils den entsprechenden oben ge-nannten Merkmalen folgen, z.B.: durch-: 'durch-lesen vs. durch-'suchen; über-: 'über-kochen vs. über-'holen; um-: 'um-ziehen vs. um-'schreiben; unter-: 'unter-gehen vs. unter-'suchen; wieder-: 'wieder-sehen vs. wieder-'holen. (vgl. Beitrag von Vogt.)

Unabhängig davon, ob es sich um Partikelverben oder Präfixverben han-delt, folgt die Konjugation stets dem Paradigma des Basisverbs: fahren – fuhr → er-fahren – er-fuhr, ab-fahren – fuhr ab.

Bei den trennbaren Partikeln handelt es sich vorwiegend um Präpositionen (an-, auf-, mit-, entgegen-, gegen-, hinter- etc.) sowie um adverbiale Erstglie-der (fort-, heim-, hin-, her-); auch die Verbalpräfixe gehen etymologisch auf Präpositionen und/ oder Adverbien zurück40. 5.2. Bedeutung einiger Verbalpräfixe

Obwohl die Bedeutung der Verbalpräfixe weitgehend verblasst ist, lassen

sich dennoch einige Grundbedeutungen unterscheiden.41 Viele Verbalpräfixe sind polysem. Für ihr Verständnis ist es sinnvoll, nach der Wortart der Basis zu fragen.

40 Vgl. Kluge - Seebold (1995), zitiert nach Altmann - Kemmerling (2000: 71). 41 Vgl. Barz (2005: 702-705), Rug - Tomaszewski (2001: 143-149).

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1. Basis: Verb a) Veränderung der Verbvalenz durch Transitivierung mit be-, er-, ver- oder durch Inkorporation42 b) Aspekte des Geschehens: - Anfang (ingressive Verben): er- : er-fahren (venire a sapere) - Prozess, der im Gang ist oder zu Ende geht (egressive Verben): ver-blühen

(s-fiorire). - Intensivierung: zer-schneiden (tagliare a pezzi), er-leuchten (il-luminare) - Gegensatz, Negation: ver-wünschen (male-dire, imprecare), ent-eignen (es-

propriare), miss-achten (dis-prezzare) - Fehler, Missglücken: sich ver-sprechen (sbagliarsi parlando), miss-verstehen

(fra-intere) - Normüberschreitung: über-bewerten (sopra-valutare) 2. Basis: Substantiv - „etwas versehen mit“ (applikative Verben: die Basis bezeichnet ein Materi-

al, einen Stoff): be-waffnen (armare), ver-korken (chiudere con un tappo) - „etwas wegnehmen“ (privative Verben): ent-kernen (s-nocciolare) - „zu X werden“ (ingressive Verben): ver-dunsten (evaporare) - „etw./jdn. zu X machen“: ver-eisen (ghiacciare), zer-trümmern (distruggere) 3. Basis: Adjektiv - vor allem kausative und ingressive Verben: - „etw. Adj. machen“: ver-süßen (ad-dolcire), sich er-frischen (rin-frescarsi) - „etw. wird Adj.“: er-müden (stancare, stancarsi), ver-alten (in-vecchiare)

Wie wir gesehen haben, nutzt die WB im Deutschen eine reiche Auswahl

an Verfahren, von der Komposition über die Derivation und die Konversion bis zur Kurzwortbildung. Je nach Zielwortart sind spezifische WB-Prozesse besonders produktiv. Für die semantische Erschließung wurden einige Grundmuster aufgezeigt, doch um ein einzelnes Wort zu verstehen, muss stets der Kontext berücksichtigt werden.

42 Bei der Inkorporation verbindet sich ein Substantiv mit einem Verb zu einem komplexen

Verb. Entweder bleibt die meist lokale oder temporale Relation implizit und muss in der Para-phrase als Präposition ergänzt werden: berg-steigen → auf den/einen Berg steigen oder die Verbvalenz wird bloss umstrukturiert, die Präposition kommt dann als Verbzusatz vor: die Mauer durch-bohren → durch die Mauer bohren.

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ÜBERSICHT: NATIVE UND FREMDSPRACHIGE AFFIXE

Native und fremdsprachige Affixe der flektierten Wortarten Substantiv (S), Adjektiv (A), Verb (V) sowie des Adverbs (Adv.)43

native Präfixe

fremdspra-chige Präfixe

native Suffixe

fremdsprachige Suffixe

S+A+V

ge-, miss44- in-, ko(m/n/r)-, re-

S+A

erz-, un-, ur- anti-, dis-, hyper-, il-/ im-/ ir-, inter-, kol-, non-, sub-, super-, trans-, ultra

Suffixe sind wortartspezifisch.

native Präfixe

fremdspra-chige Präfixe

native Suffixe

fremdsprachige Suffixe

nur S

Erz-, Haupt-; Ge- [auch als Zirkumfix: Ge-…-e]

A(n)-, Anti-, Pro-, Re-, Ex-, Hyper-

maskulin: -bold(e)45, -ich(e), -i/o(s), -ig(e), -[l]er 46(=), -ling(e), -(er)ian/-jan(e), -(e)rich(e) neutrum: -chen(=), -lein(=), -nis (se), -sal(e), -sel(=), -tel(=),-tum (tümer), -werk(e), -wesen(=), -zeug(e) feminin: -e, -[er/el]ei(en), -heit(en)/-[ig]keit (en), -in(nen), -schaft(en), -ung(en)

maskulin: -and/end(en), -ant/[i]ent(en), -ar/ är(e), -ast(en), -at(en), -eur/-ör(e)47, -[i]at(en), -ier (e), -ing(e), -[t]iker(=), -asmus/ismus(a/ meist nur Sg.), -ist(en), -[at/it]or(en) neutrum: -eau/-o(s), -ier(e), -ett(e/ auch: -s), -[i]um(en), -ma(-men), -[a/e]ment(e) feminin: -a(s/auch: -en), -[i]ade(n), -age(n), -anz/enz(en), -esse(n), -ette(n), -euse(n), -[er]ie(n), -ie(n) [<i:>], -ik(en), -ine(n), -[at]ion(en), -[i]tät(en), -[at]ur(en)

43 Vgl. die Tabelle zum Affixbestand im Deutschen in Lohde (2006: 30) sowie in Barz

(2005: 699, 731-732, 761, 763). 44 kursiv: heute nicht mehr produktive oder sehr seltene Affixe. 45 In runden Klammern ist die Pluralendung vermerkt. (=) bedeutet, dass die Pluralform un-

verändert ist, bei ("=) wird der Vokal der Endung umgelautet, z.B. Fürsten-tum > Fürsten-tümer (Vgl. dazu auch den Beitrag von Vogt.).

46 fett: heute sehr produktive Affixe. 47 Eingedeutschte Schreibweise, vgl. auch -eau/-o: Buerau/Büro.

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nur A

__ para-, post-, prä-

-bar, -(e)n/-ern, -er, -fach, -haft, -ig, -isch, -lich, -los, -mäßig, -sam

-abel/-ibel, -al, -ant/ -ent, -ar/-är, -ell, -esk, -iv, -oid, -os/-ös

nur V

1)48 ab-, an-, auf-, bei-, ein-, nach-, vor- etc. 2) be-, ent-, er-, ver-, wider-, zer- 3) durch-, über-, um-, unter-, wie-der- etc.

de(s)-, re- -(e)l, -(e)r, -ig -ier, (-ifizier, -isier)

Aufgaben und Übungen A. Übungen zur substantivischen Wortbildung A1. Trennen Sie in folgenden Substantiven das (letzte) Suffix von der Basis. Suchen Sie nun in der Übersicht der Affixe das Genus und die Pluralform. Bücherei, Werkzeug, Ministerin, Reformation, Einheit, Gefängnis, Büro, Reisebeglei-ter, Natur, König, Fürstentum, Ballett, Übung, Freundlichkeit, Mädchen, Konsument, Gesellschaft, Materie, Informatiker, Rede. A2. Suchen Sie zu folgenden fremdsprachigen Basen das passende Suffix zur Trans-ponierung in Substantive und ergänzen Sie den Artikel. Bei einigen Basen müssen Sie zuvor ein Suffix oder eine Verbalendung abtrennen, Bsp. real - die Realität. demonstrieren, Spion, national, rasieren, Journal, delikat, leasen, elegant, reparieren, euphorisch. Suffixe: -age; -ament/-ement; -anz/-enz; -asmus/-ismus; -esse; -ie/-erie; -ing; -ion/-tion/-ation; -ität; -ur/-atur. A3. Ergänzen Sie die folgenden Personenbezeichnungen (im Maskulin) durch die Fremdsuffixe -and, -ant/-ent, -ar/-är, -ast, -at, -eur, -ier, -ist, -or/-ator, Bsp.: der Redakt-eur. Bank-, Bibliothek-, Cine-, Diplom-, Doktor-, Million-, Real-, Reform-. A4. Suchen Sie z.B. in http://www.canoo.net (> Wortbildung > [Begriff eingeben] Suchen) Substantive, die durch folgende lexikalische Wörter augmentativ modifiziert werden. a. Riesen-, b. Spitzen-, c. Traum-, d. Affen-, e. Höllen-.

48 Präfixe der Verben können 1) trennbar, 2) untrennbar oder 3) sowohl trennbar als auch

untrennbar sein.

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A5. Die folgenden Kurzwörter gehen auf Substantive zurück. Suchen Sie die Voll-form und überlegen Sie, aus welchen Segmenten die Kurzwörter gebildet wurden. a. Abi, b. Bafög (auch: BAföG), c. Hannes/Hans, d. WG, e. DIN, f. KaDeWe, g. Kripo, h. U-Haft, i. Pkw, j. S-Bahn. A6. Seit 1971 sammelt die Gesellschaft für deutsche Sprache jährlich das „Wort des Jahres“ sowie das „Unwort des Jahres“. Diese Neologismen, Fremdwörter oder Wör-ter, deren Semantik abgewandelt wurde, bezeichnen ein Ereignis, das die Gesellschaft im entsprechenden Jahr besonders beschäftigt hat. Versuchen Sie – unter Berücksich-tigung des Jahres – die folgenden Wörter zu interpretieren. Analysieren Sie zunächst die Konstituenten des (letzten) WB-Prozesses und schreiben Sie dann eine Paraphra-se. (Vgl. http://www.gfds.de/index.php?id=11) a. Raucherkneipe (2007), b. Rechtschreibfrieden (2006), c. Bundeskanzlerin (2007), d. Teuro (2002), e. BRDDR (1989) B. Übung zur adjektivischen Wortbildung Suchen Sie z.B. im „Rückläufigen deutschen Wörterbuch“ (Muthmann, 2001) Adjek-tive mit folgenden Suffixen und Suffixoiden. a. -reich, b. -stark, c. -voll, d. -schwer, e. -leicht, f. -süchtig, g. -sicher, h. -wert C. Übungen zur verbalen Wortbildung C1. Trennen Sie die Präfixe von der Basis und notieren Sie deren Wortart. a. sich erkälten, b. verbessern, c. zerreißen, d. bemerken, e. gehören, f. besteuern, g. vernarben, h. gefallen, i. zerkleinern, j. missbrauchen, k. bedrohen, l. entdecken, m. erneuern, n. verbrauchen, o. erfinden. C2. Suchen Sie im Wörterbuch oder in der Wortliste Ihres Lehrbuches je zwei Bei-spiele zu den folgenden Partikelverben mit a. ab-, b. an-, c. auf-, d. aus-, e. bei-, f. ein-, g. mit-, h. nach-, i. vor-, j. zu-. b. Welche Wortart überwiegt bezüglich der Basis? C3. Unabhängig von der Wortart der Basis ist zer- meist negativ konnotiert: z.B. zer-kochen (= zu lange kochen; solange kochen, bis das Gericht die Konsistenz/den Ge-schmack verloren hat). Auch folgende Präfixe können eine privative oder negative Bedeutung ausdrücken bzw. unterstreichen: ent-, miss-, ver-, weg-, zer-. Kombinieren Sie diese mit den unten stehenden Basen so, dass Verben mit negativer oder privativer Bedeutung entstehen. rechnen, reden, schmeißen, Gift, fremd, achten, täuschen, handeln, brechen, Nerven. C4. Suchen Sie (in Augsts Wortfamilienwörterbuch der deutschen Gegenwartsspra-che) WB-Produkte, die zur Wortfamilie flieg- gehören, z.B. ab-fliegen, Ab-flug.

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D. Gesamtübung Suchen Sie im folgenden Text Wörter, die durch WB entstanden sind. Unterscheiden Sie dabei WB durch a) Komposition, b) Derivation, c) Konversion. Überlegen Sie, aus welchen Konstituenten die Wörter bestehen. Ölpreise steigen deutlich New York (dpa) - Die Ölpreise sind wieder deutlich gestiegen und haben sich dem Rekordhoch der vergangenen Woche genähert. Der Preis für ein Barrel der US-Sorte West Texas Intermediate zur Auslieferung im August stieg auf 137,88 Dollar. Das waren 1,14 Dollar mehr als zum Handelsschluss gestern. Zeitweise war der US-Ölpreis sogar bis auf 138,75 Dollar gestiegen. Die Organisation erdölexportierender Länder signalisierte, die Fördermengen nicht noch weiter anzuheben. Man habe bereits alles getan, um den Anstieg der Preise zu dämpfen. Quelle: www.focus.de, 24.06.2008

Literatur

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Nützliche Weblinks Wörterbücher und Grammatik für Deutsch: http://www.canoo.net/ > Wortbildung Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache des 20. Jh.: http://www.dwds.de/ Wortschatz Universität Leipzig: http://wortschatz.uni-leipzig.de/ Gesellschaft für deutsche Sprache: http://www.gfds.de/

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DIE MODALVERBEN

Klaus Ruch

1. Die Grundbedeutung der Modalverben

Die Modalverben (verbi modali oder servili; im Folgenden auch MV) un-terscheiden sich im Deutschen und Italienischen allein schon hinsichtlich ihrer Zahl. Den fünf (sechs) deutschen Verben wollen, müssen, können, sollen, dürfen, (mögen) stehen im Italienischen die drei Verben volere, dovere, potere gegenüber. Dürfen und sollen spezifizieren also Bedeutungen, die im Italieni-schen entweder in den anderen Verben impliziert oder nicht lexikalisch reprä-sentiert sind und deshalb nur mit periphrastischen Mitteln1 ausgedrückt wer-den können.

Modalverben gehören zum großen Bereich der Realisierungsmittel der Modalität als semantischer Kategorie des Satzes. Darunter sind alle sprachli-chen Elemente zu verstehen, die es erlauben, „den Inhalt eines Satzes, den im Satz beschriebenen Sachverhalt, in ein bestimmtes Verhältnis zu seiner Fakti-zität, also seinem Eintreten, seiner Realisierung zu setzen“ (Ruzicka 1973: 3). MV bilden Systeme; ihren Systemcharakter gilt es herauszuarbeiten.

Modalverben in ihrer Grundbedeutung drücken das Verhältnis des Satz-subjekts zur Proposition aus, die als nicht-faktisch gekennzeichnet ist. Was der Proposition zur Herstellung ihrer Faktizität fehlt, ist in den Verhältnissen des Wollens, Müssens, Könnens usw. begründet, diese Verben antizipieren den Vollzug der Verbhandlung. Ihre Bedeutung ist äußerst abstrakt, da sie sich mit allen möglichen Tätigkeiten des Satzsubjekts verbinden lässt. Diese Verbindung aber ist notwendig. Man kann nicht wollen, müssen etc. ohne etwas Bestimmtes zu wollen, zu müssen etc. Sätze der Art Ich muss jetzt nach Hause sind elliptisch zu lesen, also durch ein Verb wie z.B. gehen zu ergän-zen. (s. Übung A1) Diese enge Beziehung zur inhaltlichen Bestimmung des

1 Eine Periphrase umschreibt ein Wort, oft unter Verwendung mehrerer Wörter.

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Wollens, Müssens etc. kommt bei den deutschen Modalverben im Infinitiv des abhängigen Verbs ohne die Präposition zu zum Ausdruck. (s. Übung A2 und A3)

1.1. Das MV wollen: die Freiheit

Mit der Bedeutung variiert auch die Quelle, von der aus das im Modalverb

begründete Verhältnis zur Verbhandlung seinen Ausgang nimmt. Unter Quel-le verstehen wir die Instanz, welche die folgende Verbhandlung antizipiert, also eine Person, ein Umstand etc., welche auf die Realisierung der Verbhand-lung hinwirkt. Wir beginnen – ganz wie im wirklichen Leben auch – mit wol-len. Die modale Quelle des Verbs wollen liegt im Satzsubjekt. Es drückt die Ansprüche, das Interesse dieses Subjekts hinsichtlich der eingebetteten Verb-handlung (IP = Infinitiv Phrase) aus. Mit dem Satz

(1) a. Peter will nach Hause gehen.

wird die eingebettete Verbhandlung ‚nach Hause gehen’ auf eine in Peter

liegende Ursache bezogen, darin manifestiert sich seine Subjektivität. Sie kann die konkreteren Formen des Wunsches, des Willens, des Anspruches, des Vorsatzes, der Intention usw. annehmen. Da die Subjektivität in sich differen-ziert ist, lassen sich auch gradiente Bedeutungsabstufungen unterscheiden. Eine auf den Punkt des Ichs konzentrierte Subjektivität erscheint als Wille, eine die Bedürfnisse umfassende Subjektivität als Wunsch usw. Allen diesen Formen ist gemeinsam, dass sie den Geltungsdrang der Subjektivität ausdrü-cken. Nichts anderes macht der italienische Satz

(1) b. Pietro vuole andare a casa.

1.2. Das MV mögen: die Lust

Das semantisch nah verwandte Modalverb mögen unterscheidet sich von

wollen darin, dass der Ausgangspunkt des modalen Impulses nicht so sehr im Willen, also in der virtuell auf einen Punkt konzentrierten Subjektivität liegt, als vielmehr in diffusen und peripheren Randbereichen dieser Subjektivität. Mit mögen lassen sich vorzugsweise Lust- und Unlustempfindungen ausdrü-cken, die das Subjekt als psychophysische Vorraussetzung für seine Willens-bildung empfindet. Mit dem Satz

(2) Ich mag dich.

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ist kein Willensverhältnis ausgesagt, sondern ein Zustand, den das Subjekt an sich selbst vorfindet und der nicht allein durch seinen Willen entstanden ist. Das Italienische drückt diesen Unterschied durch einen anderen Valenz-rahmen aus. Man vergleiche etwa die beiden Sätze

(3) a. Lo voglio. b. Gli voglio bene.

Der genannte Unterschied der Modalverben wollen und mögen beschränkt

sich dabei keineswegs auf den Gebrauch des Modalverbs als Vollverb. Wer z.B. „nichts essen will“ macht vielleicht eine Diät. Wer jedoch „nichts essen mag“, der hat keinen Appetit, d.h. dem fehlen die psychophysischen Voraus-setzungen zum Essen. Mögen in Modalverbfunktion mit einer Infinitivergän-zung kommt nur bei Negation vor.

(4) Ich mag jetzt nicht ins Kino gehen.

Wo mögen die psychophysisch vermittelte Neigung zu einer Tätigkeit oder

Sache ausdrückt, bietet sich im Italienischen oft das Verb piacere an. Der Satz

(5) a. Ich mag kein Bier. ist am besten wiederzugeben mit

(5) b. La birra non mi piace. Hingewiesen sei noch auf die besondere Rolle, die mögen bei bestimmten

Konzessivsätzen spielt („Er ist ein genialer Hacker. Mag das Programm auch noch so gut geschützt sein, am Ende knackt er es doch.“). (s. Übung A4)

1.3. Das MV müssen: Schluss mit lustig, die Notwendigkeit

Mit müssen drücken wir den entgegengesetzten Sachverhalt aus. Das Sub-jekt erscheint als das Ziel eines Sachverhaltes, der außerhalb seiner selbst liegt; es ist Gegenstand der Objektivität, die auf es einwirkt. Dem Subjekt gegenüber manifestiert sich die Objektivität als Notwendigkeit. Diese Not-wendigkeit kann sich konkretisieren in Zwang, Pflicht, logische Notwendig-keit usw. Ähnlich wie bei wollen, ja sogar noch reichhaltiger, lässt sich bei müssen die Modalquelle differenzieren in eine überlegene Gewalt (Zwang), in sanktionierende Rechtsverhältnisse (Pflicht), in logische Schlussfolgerungen der Art ‚“wenn nicht x, dann y, also x“ usw. - Mit dem Satz

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(6) a. Peter muss nach Hause gehen.

drücken wir die in einer äußerlichen Quelle begründeten Notwendigkeit

für Peter aus, nach Hause zu gehen, was auch immer der konkrete Grund sein mag.

Dieses Verhältnis des Nicht-Faktischen steht dem ersten diametral gegen-über. Was Peter tun muss, ist der Freiheit seines Wollens entzogen bzw. er tut gut daran, das zu wollen, was er muss. Auch der Satz

(6) b. Pietro deve andare a casa.

drückt das gleiche aus. Mit dem italienischen Modalverb wird Peter zum

Gegenstand einer objektiv wirkenden Notwendigkeit, die auf seine Subjektivi-tät keine Rücksicht nimmt.

1.4. Das MV können: die Synthese oder die Versöhnung

Das Modalverb können enthält die beiden Extreme Subjektivität und Ob-jektivität, die sich bisher als Gegensätze wechselseitig ausgeschlossen haben, als Bedeutungsmerkmale. Können ist die Vermittlung der beiden Extreme, Fähigkeit und Möglichkeit. Jedes enthält jeweils das andere Extrem als sein begriffliches Moment. Wer eine Fähigkeit erworben hat, der kann etwas, der hat sich ein Stück der objektiv geltenden Realität angeeignet. Wem sich eine Möglichkeit bietet, für den verliert die Objektivität ihren Gegensatz gegen das Subjekt. Mit dem Satz

(7) a. Peter kann Gitarre spielen.

wird ausgedrückt, dass sich Peter durch Übung und Fleiß in die Lage ver-

setzt hat, Gitarre zu spielen. Er hat sich die Objektivität ein Stück weit ange-eignet, indem er die Musik und die Technik des Gitarre-Spielen gelernt hat. An seiner Fähigkeit hat auch die Objektivität ihren Anteil, denn als Können gilt nur, was einen Widerstand überwunden hat. Im Können verbinden sich Subjektivität und Objektivität zu einer Einheit. Da es die Subjektivität war, die diese Vermittlung bewirkt hat, dominiert sie auch die Modalität: sie zeigt sich als Fähigkeit. Die modale Quelle liegt innerhalb des Subjekts.

Wenn dieser Vereinigungsprozess der beiden ursprünglich einander gege-nüberstehenden Extreme von der objektiven Seite aus erfolgt, ergibt sich die Bedeutung der Möglichkeit.

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(8) a. Da du sowieso in die Stadt fährst, kannst du doch den Einkauf machen. In dieser Bedeutung verliert die Objektivität ihren Gegensatz gegen das

Subjekt. Da es die dem Subjekt gegenüberstehenden Umstände sind, die die Vermittlung der Subjektivität und der Objektivität bewirkt haben, dominieren sie semantisch das MV mit der Bedeutung Möglichkeit. Die modale Quelle liegt außerhalb des Subjekts.

Für den Ausdruck der Möglichkeit wird im Italienischen das Verb potere benutzt

(8) b. Visto che già vai in centro, puoi fare la spesa tu.

Auch das italienische Modalverb drückt aus, dass die Umstände, die Situa-

tion, die Gegebenheiten dem Subjekt die ihm Vollverb ausgesprochene Tätig-keit ermöglichen.

Für den Ausdruck der Fähigkeit benutzt das Italienische das Verb sapere. Es hat das im Deutschen homonym enthaltene Bedeutungsmoment abgetrennt und einem eigenen Lexem zugewiesen. “Sapere e dovere esprimono tutti e due capacità, ma, mentre con sapere si tratta sempre della capacità di un sog-getto animato, potere può essere costruito con un soggetto non animato e con un significato di capacità dovuta a un agente-esperiente diverso dal sogget-to.” (Renzi et al. 1995: 521) Die Parallele im Unterschied von Fähigkeit und Möglichkeit zur Opposition ‚animiert’ vs. ‚nicht-animiert’ fällt ins Auge. Die Übersetzung von (7a) wäre dementsprechend

(7) b. Pietro sa suonare la chitarra.

Die Benutzung von potere in der Bedeutung Fähigkeit ist offensichtlich

blockiert. Ein Satz wie

(9) Pietro può suonare la chitarra. erfährt automatisch die Interpretation der Möglichkeit: Umstände erlauben

es, dass Peter Gitarre spielt. Zum Kreis der Möglichkeiten gehört hier auch die Erlaubnis, die Peter von irgend jemandem gegeben wurde, der sich durch sein Spiel gestört fühlen und es verbieten könnte. Die Ungewissheit in der Interpretation dessen, was das Gitarrespielen von Peter ermöglicht, führt zur Trennung der beiden Bedeutungsmomente in zwei Verben.

Die Konkurrenz mit potere in der Bedeutung von ‚erlauben’ führt also zu der Suppletivform sapere.

Fähigkeit und Möglichkeit sind die verwandelten Formen von Subjektivi-

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tät und Objektivität. Die italienische Sprache beschränkt sich auf die mit die-sen beiden Begriffen gegebenen Positionen im Beziehungsschema der Modal-verben. Nicht so die deutsche Sprache. Sie hält mit dürfen und sollen zwei weitere Modalverben parat. Haben diese beiden Verben möglicherweise etwas gemeinsam, was den Umstand erklärt, dass ihre Bedeutungen im Italienischen nicht durch MV repräsentiert sind?

1.5. Die MV sollen und dürfen: der unsichtbare Dritte

Betrachten wir zunächst sollen. Mit dem Satz

(10) a. Du sollst zum Chef kommen. wird ausgedrückt, dass es der Wille des Chefs ist, dass sich das Satzsubjekt

zu ihm bewegt. Was die Handlung des Subjekts auslöst („zum Chef kom-men“), ist der Umstand, dass eine weitere Person diese Handlung veranlassen will. Im Fall des Satzes (10a) ist anzunehmen, dass diese weitere Person der Chef selbst ist, der über eine Mittelsperson die Aufforderung ausspricht. Das ist aber nicht notwendig. Wichtig ist nur, dass ein anderer Wille auf das Satz-subjekt einzuwirken versucht. Die mit sollen zum Ausdruck gebrachte Moda-lität bewegt sich also nicht mehr innerhalb der Opposition Subjektivität und Objektivität, sondern nun ist es ein zweites ungenanntes, aber unterstelltes Subjekt, von dessen Wille eine Wirkung auf das Satzsubjekt ausgeht. Sollen stellt einen Bezug zwischen zwei Subjekten her. Sollen ist eine Konverse von wollen (A soll etwas tun = jemand will, dass A etwas tut.) Die modale Quelle ist eine dritte Person, die in der Kommunikationssituation, in der der Satz geäußert wird, gewöhnlich nicht anwesend ist. Das semantische Merkmal von sollen, das es von den bisher besprochenen Verben unterscheidet, lässt sich als ‚intersubjektiv’ angeben. Sollen dient also nicht dem Ausdruck einer be-sonderen und minder gültigen Notwendigkeit, etwa einer moralischen Pflicht, sondern die Quelle, von der aus die Realisierung einer Handlung erfolgt, hat sich geändert.

Da die italienische Sprache den Unterschied zwischen willentlich (volitiv) und objektiv (deontisch) gesetzter ‚Notwendigkeit’ nicht ausdrückt, mag eine Übersetzung von Satz (10a) mit dovere in den meisten Fällen genügen: Devi andare dal capo. Eine die Modalität präziser identifizierende Übersetzung müsste jedoch lauten:

(10) b. Il capo vuole che tu vada da lui.

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Sie hat jedoch den Nachteil, dass die Modalquelle nicht nur allgemein als fremder Wille angegeben wird, sondern sozusagen expliziert werden muss, was zu Übersetzungsfehlern führen kann. Außerdem bleibt diese Formulie-rung hinter einer der Leistungen des Modalverbs zurück, nämlich der syntak-tischen Reduzierung der Argumentstruktur.

Dieser zweite Wille kann auch kollektive Gestalt annehmen. Mit Geboten des bürgerlichen Anstandes wie

(11) Man soll mit Messer und Gabel essen.

wird zum Ausdruck gebracht, dass beim Prozess der Zivilisation auf die Ge-sellschaft als abstrakter, überindividueller Wille Bezug genommen wird. So kann es auch zur Bedeutung von sollen als eines ‚dovere morale’ kommen, also eines religiös, sozial, moralisch etc. kodierten Gebotes. Wichtig für das Verständnis ist jedoch die Identifizierung der Modalquelle mit einem fremden Willen. Mit sollen ist das Subjekt einem ganz anders gearteten Einfluss aus-gesetzt, als es bei müssen der Fall ist. Es hat es mit einem entgegenstehenden, fremden Willen zu tun, gegen den es gegebenenfalls auch seinen eigenen Wil-len durchsetzen kann. Was das Subjekt jedoch tun muss, lässt ihm diese Frei-heit des Abwägens nicht.

Auch bei dem Modalverb dürfen interveniert eine andere Person. Mit dem Satz (12) a. Du darfst gehen. wird ausgedrückt, dass das Satzsubjekt vom Sprecher oder von einer ungenannten Person die Erlaubnis erhalten hat zu gehen. Auch hier kommt ein zweiter Wille ins Spiel, der auf das Satzsubjekt einwirkt, auch wenn die 'Wir-kung' hier darin liegt, dass der implizit operierende zweite Wille darauf ver-zichtet, sich geltend zu machen, denn erlauben kann nur, wer mächtig genug ist, das Erlaubte auch zu verbieten. Im italienischen Modalverbsystem wird dürfen, wie bereits bespro-chen, durch potere wiedergegeben: (12) b. Puoi andare. Die Erlaubnis wird also wie ein Vorkommen von Möglichkeit unter anderen Möglichkeiten behandelt und nicht hinsichtlich ihrer besonderen Mo-dalquelle unterschieden. Was bei sollen als positive Wirkung eines fremden Willens auf das

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Satzsubjekt Ausdruck findet, liegt hier negativ vor. Mit sollen wird die Gel-tung eines fremden Willens ausgedrückt, es hat neben dem Merkmal der Wil-lensäußerung die Merkmale ‚intersubjektiv’ und ‚positiv’, dürfen hat die Merkmale ‚intersubjektiv’ und ‚negativ’. Beiden gemeinsam ist das Merkmal der ‚Intersubjektivität’, also die Tatsache, dass hier von einem weiteren Sub-jekt die Faktizität der Proposition abhängt und dieses zweite Subjekt seman-tisch unterschieden wird von den Modalquellen, die in der Auseinanderset-zung des Subjekts mit der Objektivität ins Spiel kommen. Das deutsche Mo-dalverbsystem unterscheidet also die Komponente ‚intersubjektiv’ von der Komponente ‚deontisch’. Diese Komponente ‚intersubjektiv’ ist im Italieni-schen lexikalisch nicht repräsentiert. Sie kann nur periphrastisch ausgedrückt werden, etwa so, wie es in der Übersetzung (10b) geschehen ist. Eine weitere Schwierigkeit, die sich im Zusammenhang mit den un-terschiedlichen Modalverbsystemen für den italienischen Deutschlerner er-gibt, besteht im unterschiedlichen Verhalten der MV unter Negation. Dies betrifft vor allem die Verben müssen und dovere. Der Satz: (13) a. Du musst nicht kommen. Ist wie folgt zu paraphrasieren: Es ist nicht notwendig, dass du kommst. Eine Alternative zum Modalverb ist das häufig gebrauchte (13) b. Du brauchst nicht (zu) kommen. Die Negation im Satz Du musst nicht kommen hat weiten Skopus, d.h. nicht nur die Proposition wird negiert, sondern auch die mit müssen gesetzte Notwendigkeit zu kommen wird aufgehoben. Wenn aber für das Subjekt kein Zwang zu einer Handlung besteht, dann beginnt seine Freiheit. Ein Vorgang, der für italienische Muttersprachler nicht ganz leicht nachzuvollziehen ist, operiert ihre Sprache doch ganz anders. Der Satz (13) c. Non devi venire.

drückt bei normaler Intonation ein Verbot aus und nicht die Freiheit zu kommen oder es auch zu lassen. Die Negation hat engen Skopus. Die Bedeu-tung der Notwendigkeit von dovere bleibt erhalten, die Negation wirkt nur auf venire. Der Zwang bleibt für das Subjekt von non devi venire erhalten, er wirkt aber negativ und wird zum Verbot. In der Regel wird man Satz (13a) mit

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(13) d. Non c’è bisogno che tu venga.

wiedergeben. Hier eine Übersicht über die Bedeutungen und Bedeutungs-kontraste der MV im Deutschen und Italienischen.

ÜBERSICHT: BEDEUTUNGEN DER MV

wollen Wille, Absicht, Vorsatz

☺ volere volontà, intenzione etc.

mögen Lust, Neigung, Vorliebe

☺ piacere piacere

müssen Notwendigkeit, Pflicht, Zwang, Schlussfolgerung

☺ dovere necessità, dovere, costrizione

nicht müssen

aufgehobene Notwendig-keit, Freiheit � non dovere divieto

können Möglichkeit ☺ potere possibilità

können Fähigkeit � sapere capacità

sollen Auftrag durch Dritte � --- ---

dürfen Erlaubnis durch Dritte � potere permesso

nicht dürfen

Verbot � non dovere divieto

Zusammenfassend also lässt sich feststellen, dass das deutsche Modalverb-

system von den Bedeutungen, die sich aus der Auseinandersetzung des Sub-jekts mit der Objektivität ergeben, eine weitere Bedeutung unterscheidet und lexikalisch repräsentiert. Diese Bedeutung wurde mit dem Merkmal ‚Intersub-jektivität’ angegeben. Soweit also die Gründe für die Nichtfaktizität der aus-gesagten Sachverhalte in den Willensverhältnissen zwischen Subjekten liegen, gelten sie der deutschen Sprache nicht gleich mit solchen, die in objektiven Verhältnissen liegen. Die italienische Sprache trifft diese Unterscheidung nicht. Ein Zwang, der aus natürlicher, sachlicher oder objektiver Notwendig-keit resultiert, und ein Zwang, der auf die Äußerung eines fremden Willens zurückgeht, gelten ihr als gleich. Die italienische Sprache belässt es sozusagen bei dem Handlungsaspekt, der sich aus der Interaktion zwischen Subjekt und Objektivität ergibt. Die deutsche Sprache unterscheidet von diesem Hand-

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lungsaspekt einen intersubjektiv vermittelten ‚sozialen’ Aspekt. Dieser spra-chentypische Unterschied lässt sich auch in weiteren Modalfunktionen (Indi-rekte Rede, Modalpartikeln) zeigen.

2. Der epistemische Gebrauch der MV Vergleichen wir die beiden folgenden Sätze:

(14) a. Peter hat gestern anrufen wollen. (= P. hatte die Absicht, gestern anzurufen)

(14) b. Peter will gestern angerufen haben. (= P. behauptet: er hat gestern angerufen) Satz (14a) bringt zum Ausdruck, dass das Subjekt den Willen oder die Ab-

sicht hatte, anzurufen. Ein solcher Grundgebrauch der MV heißt auch lexika-lischer oder „deontischer“ Gebrauch der MV. Die modale Quelle, das Subjekt in diesem Fall, antizipiert den Vollzug der Verbhandlung. In (14b) dagegen bringt der Sprecher zum Ausdruck, wie er den eingebetteten „szenischen“ Satz, „er hat angerufen“ beurteilt. Im Fokus des MV steht nicht wie in (14a) die Verbhandlung anrufen als beabsichtigte Handlung, sondern die gesamte Behauptung „er hat angerufen“. Was will Peter in (14a)? Anrufen. Was will Peter in (14b)? Dass man ihm glaubt, dass er gestern angerufen hat.

Das Modalverb gibt die Quelle an, aus der der Sprecher seine Informatio-nen schöpft. Im vorliegenden Fall ist das Satzsubjekt, das behauptet, etwas getan zu haben, die modale Quelle, auf die sich der Sprecher bezieht und durch die er dem Hörer den Geltungsgrad der Aussage mitteilt, also sagt, wie weit die Behauptung mit der Realität übereinstimmt. Diese sprecherbasierte Faktizitätsbewertung durch Angabe der Quelle rückt die MV in die Nähe der deiktischen Zeichen (Zeigewörter), durch die der Sprecher, die Origo des Satzes, dem Hörer gleichsam seine modalen Koordinaten mitteilt, also signa-lisiert, woher er die Information hat und wie deshalb ihr Wahrheitsgehalt zu beurteilen ist. Die MV fungieren damit auch als ‚Modusmarker’, durch die der Sprecher seine Bewertung des Faktizitätsgehaltes mitteilt. Ein solcher episte-mischer Gebrauch ist auch in der italienischen Sprache bekannt, im Deutschen scheint er jedoch häufiger vorzukommen, bzw. stellt den Lerner durch die größere Zahl der beteiligten MV vor größere Probleme. Weitere Beispiele für epistemischen Gebrauch:

Müssen als Ausdruck der Notwendigkeit bei epistemischem Gebrauch: dass etwas als faktisch bewertet wird, kommt durch einen Schluss auf seine

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Notwendigkeit zustande. Vergleichen wir zur Verdeutlichung die folgenden Sätze.

(15) a. Wir müssen die Rechnung noch bezahlen. (= Wir sind verpflichtet, die Rechnung zu bezahlen.) (15) b. Peter muss die Rechnung schon bezahlt haben. (= Es gibt nur diese Erklärung: Peter hat die Rechnung bezahlt.)

Mit sollen bezieht sich der Sprecher auf eine (eventuell identifizierbare)

externe Quelle, z.B. die Presse oder ein Gerücht.

(16) a. Zur Demonstration sollen wir alle Trillerpfeifen mitbringen. (=Jemand will, dass wir Trillerpfeifen mitbringen)

(16) b. Bei der gestrigen Demonstration soll es zu Ausschreitungen gekommen sein. (= Jemand sagt: gestern ist es zu Ausschreitungen gekommen.) Mit können verweist der Sprecher auf die im Subjekt oder den Umständen

liegende Möglichkeit, dass die Satzaussage gilt.

(17) Er kann sich getäuscht haben. (= Ich halte es für möglich: er hat sich getäuscht.) Zusammen mit dem Konjunktiv ermöglichen einige MV dem Sprecher, ei-

ne Aussage über die Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines Sachverhaltes zu treffen.

(18) Morgen könnte es regnen.

(= Ich halte es, begründet durch die Umstände, für möglich: morgen regnet es.)

(19) Morgen dürfte es regnen. (= Ich halte es für wahrscheinlich: morgen regnet es) Eine Faktizitätsbewertung, die sich von sicherem Wissen unterscheidet,

liegt auch bei konzessivem Gebrauch von mögen vor.

(20) Mögen die Leute denken, was sie wollen, ich bleibe bei meiner Meinung. (= zugegeben, die Leute sind vielleicht anderer Meinung: das ist ohne Einfluss auf meine Meinung)

Deiktisch gebrauchte MV weisen starke Einschränkungen bei den Flexi-

onsformen auf. Praktisch findet meistens nur das Präsens Verwendung. Das

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heißt, die Quelle, auf die die sprecherbasierte Faktizitätsbewertung Bezug nimmt, ist aktiv, der Sprecher beurteilt das Geschehen von seiner Gegenwart aus, das MV steht also im Präsens. Die referierte Verbhandlung dagegen kann schon lange abgeschlossen sein, sie kann also in einem Tempus der Vergan-genheit präsentiert werden (s. Übungen B1 und B2).

Aufgaben und Übungen A. Übungen zur Grundbedeutung der Modalverben A1. Finden Sie passende Verben, mit denen sich die folgenden elliptischen Sätze sinnvoll ergänzen lassen. a. Immer mehr Menschen können mindestens zwei Fremdsprachen

(...........................). b. Danke, ich will kein Bier mehr (...............). c. Jetzt dauert die Bergtour schon sechs Stunden. Ich kann nicht mehr

(......................). d. Ich muss dringend in die Stadt (........................), mir fehlen frische Socken. A2. Fügen Sie die Elemente zu ganzen Sätzen. a. Petra – Computer, neu – kaufen – wollen b. Sie – ohne Computer – nicht leben – können c. Sie – täglich mindestens zwei Stunden – mit ihren Freundinnen – chatten – müs-

sen d. Außerdem – viele Mails – beantwortet werden – müssen e. Computer des Vaters – sie – nicht benutzen – dürfen f. Briefe schreiben – sie – nicht mehr – mögen A3. Setzen Sie die Sätze aus Aufgabe 2 ins Präteritum und Perfekt. A4. Formulieren sie die Sätze neu mit den MV wollen oder mögen. a. Sie hatte vor, sich die Augenbrauen zu piercen. b. Er hat keine Lust, auf die Party zu gehen. c. Sie sagte zu ihm: „Bitte kommen Sie doch herein auf eine Tasse Kaffee.“ (Indi-

rekte Rede) d. Der Polizist verlangte von dem Ausländer den Pass. e. Ich finde den Dozenten überhaupt nicht nett. f. Beide Mannschaften waren entschlossen zu gewinnen. g. Dir geht es offensichtlich darum, einen guten Eindruck zu machen. h. Ich ertrage Haustiere nicht. A5. Formulieren sie die Sätze neu mit den MV müssen oder sollen. a. Es ist absolut notwendig, dass der Auftrag noch heute erledigt wird.

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b. Die Firma hat darum gebeten, dass der Auftrag noch heute erledigt wird. c. Der Chef sagte zur Sekretärin: „Schicken Sie noch heute die Rechnung.“ (Indi-

rekte Rede) d. Die Sekretärin war leider gezwungen, nach Hause zu gehen. e. Es gibt keinen Grund für dich Angst zu haben, der Hund beißt nicht. f. Der Zahn tat so weh, dass ich gezwungen war, zum Arzt zu gehen. g. Deine Frau hat angerufen, sie bittet darum, dass du sie vom Büro abholst. h. Sie sind verpflichtet, den Schaden zu bezahlen. A6. Formulieren sie die Sätze neu mit den MV können oder dürfen. a. Ist es möglich, dass du mir 50 Euro leihst? b. Dem Soldaten wurde erlaubt, die Kaserne zu verlassen. c. Peter beherrscht zwei Fremdsprachen. d. Ich habe eine Genehmigung, hier zu parken. e. Es ist verboten, hier zu parken. f. Hattest du Gelegenheit, die Band live zu erleben? g. Es ist unmöglich, Mikroben mit bloßem Auge zu erkennen. h. Erlauben Sie mir, Sie zum Essen einzuladen? A7. Ergänzen Sie die fehlenden Modalverben. Nach dem Abitur .............. Niko Medizin studieren. Mit Medizin ............. er jedoch nicht sofort anfangen, weil sein Notendurchschnitt nicht für den NC reicht. Wenn er sich in die Warteliste einträgt, .................... er bestimmt einige Jahre warten. Wie .................. er diese Zeit sinnvoll nutzen? Er .................... zur Bundeswehr gehen, aber als Soldat ................... er bestimmt nicht jeden Abend zu seiner Freundin fahren. Sie hat ihm schon gesagt, wenn er sich in Uniform blicken lässt, .................. er sich eine andere suchen. Sie ist der Meinung, er .................. Zivildienst machen, aber er fürchtet, dass er dann in der Altenpflege arbeiten ................. . Was .............. er nur tun? A8. Antworten Sie nach folgendem Muster. a. Was ziehst du zur Party an? – Ich weiß nicht, was ich anziehen soll. b. Was bringst du Petra zum Geburtstag mit? c. Wohin fährst du in den Ferien? d. Welchen Film schaust du dir an? e. Welche Hose kaufst du dir? f. Was sagst du auf diesen Einwand? B. Übungen zum epistemischen Gebrauch der MV B1. Formulieren Sie die Sätze ohne MV neu, benutzen Sie lexikalische Mittel der Faktizitätsbewertung (z.B. vielleicht, wahrscheinlich, bestimmt, ich vermute, dass etc.). a. Er trägt eine Rolex, er fährt ein dickes Auto, er muss viel Geld haben. b. Die Schauspielerin will noch nie beim Schönheitschirurg gewesen sein.

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c. Die Lösung dieser Aufgabe dürfte Ihnen nicht so leicht gelingen. d. Was auch immer Peter dazu denken mag, morgen lasse ich mich tätowieren. e. Das könnte ein Picasso sein, aber sicher bin ich nicht. f. Man soll in diesem Club leicht neue Menschen kennen lernen. B2. Ersetzen Sie die unterstrichenen Satzteile durch MV. a. Ich habe gehört, dass Siemens tausend Mitarbeiter entlässt. b. Wahrscheinlich regnet es morgen. c. Es ist gar nicht so sicher, dass die Fahrt mit dem Zug teurer ist als mit dem Auto. d. Er behauptet, den Politiker gut zu kennen. e. Ich halte es durchaus für möglich, dass wir das Schiff noch erreichen. f. Zugegeben, Peter ist möglicherweise intelligent, ich kann ihn aber trotzdem nicht

leiden. g. Tanja erklärt, sie habe den Film schon dreimal gesehen. h. Es ist anzunehmen, dass es noch nie so schwer war wie heute, Arbeit zu finden. i. Wenn es so weitergeht, haben die Leute möglicherweise von der Marktwirtschaft

die Nase voll. j. Forscher sagen, dass ein Pilz der größte lebende Organismus der Welt ist. k. Es ist unmöglich, dass die Maschine schon gelandet ist. l. Tanja redet kein Wort mehr mit mir, sie ist bestimmt beleidigt. C. Übersetzungsübungen zu den verschiedenen Verwendungsweisen der MV C1. Übersetzen Sie die Ausschnitte aus dem Dialog zwischen Günter Netzer und Gerhard Delling am 26.06.08 im ZDF anlässlich des Spiels Spanien – Russland. a. Das war ein schöner Erfolg der deutschen Mannschaft, denn das musste man

nicht unbedingt erwarten, dass sie gegen die Türken gewinnt. b. Die Null steht, aber so soll es in der zweiten Halbzeit nicht bleiben. c. Man muss nicht in Ehrfurcht erstarren vor dieser spanischen Mannschaft. d. Man kann ein bisschen ängstlich sein, muss es aber nicht. Ich würde sogar sagen,

die deutsche Mannschaft darf es nicht. C2. Diskutieren Sie die Bedeutung der MV in folgenden Beispielen und vergleichen Sie eventuell mit vorhandenen Übersetzungen. Hegel Dies Gesetz [Liebe deinen Nächsten wie dich selbst, A.d.Autors] hat hiermit ebensowenig einen allgemeinen Inhalt als das erste, das betrachtet wurde, und drückt nicht, wie es als absolutes Sittengesetz sollte, etwas aus, das an und für sich ist. Oder solche Gesetze bleiben nur beim Sollen stehen, haben aber keine Wirklichkeit; sie sind nicht Gesetze, sondern nur Gebote. (Hegel, Phänomenologie des Geistes. Kap. Die Gesetzgebende Vernunft)

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Goethe Hier ist des Volkes wahrer Himmel, Zufrieden jauchzet groß und klein: Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein! (Johann Wolfgang von Goethe, Faust I, 2. Szene, Vor dem Tor) Geschrieben steht: »Im Anfang war das Wort!« Hier stock ich schon! Wer hilft mir weiter fort? Ich kann das Wort so hoch unmöglich schätzen, Ich muss es anders übersetzen. ... Ist es der Sinn, der alles wirkt und schaftt? Es sollte stehn: Im Anfang war die Kraft! (Johann Wolfgang von Goethe, Faust I, 3. Szene, Studierzimmer) C3. Übersetzen Sie ins Deutsche und/oder vergleichen Sie mit vorhandenen Überset-zungen2. Altes Testament - Non avere altri dèi di fronte a me. - Onora tuo padre e tua madre. Lewis Carroll - Non sapevo che i gatti ghignassero a quel modo: anzi non sapevo neppure che i

gatti potessero ghignare. - Tutti possono ghignare, - rispose la Duchessa; - e la maggior parte ghignano. - Non ne conosco nessuno che sappia farlo, - replicò Alice con molto rispetto, e

contenta finalmente di conversare. (Lewis Carroll, Alice nel Paese delle meraviglie: 19) Il carnefice sosteneva che non si poteva tagliar la testa dove mancava un corpo da cui staccarla; che non aveva mai avuto da fare con una cosa simile prima, e che non voleva cominciare a farne alla sua età. L'argomento del Re, era il seguente: che ogni essere che ha una testa può essere decapitato, e che il carnefice non doveva dire sciocchezze. (Lewis Carroll, Alice nel Paese delle meraviglie: 29) Luigi Pirandello - Oh oh oh, che c'entra Copernico! - esclama don Eligio, levandosi su la vita, col

volto infocato sotto il cappellaccio di paglia.

2 Die Texte von Caroll und Pirandello sind zu finden unter:

http://www.liberliber.it/biblioteca/licenze/.

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- C'entra, don Eligio. Perché, quando la Terra non girava... - E dàlli! Ma se ha sempre girato! (Luigi Pirandello, Il fu Mattia Pascal: 6) C4. Die wörtliche Übersetzung des italienischen Titels, z.B. „Wir sind keine Alkoho-liker. Das hätte ich sagen wollen.“, geht nicht. Überlegen Sie warum und finden Sie geeignete Übersetzungen. Marco Rossari Noi non siamo alcolizzati. Ecco cosa avrei voluto dire. (Marco Rossari: Invano Veritas, edizioni E/O, Roma 2004: 137) Literatur Buscha J. (1984), „Zur Semantik der Modalverben“, Deutsch als Fremdsprache,

Sonderheft 1984., 212 - 216. Buscha J., Heinrich G., Zoch I. (1977), Modalverben, Leipzig, Enzyklopädie. Diewald G. (1999), Die Modalverben im Deutschen, Tübingen, Niemeyer. Griesbach H. (2000), Sprachlehre. Deutsch als Fremdsprache, Ismaning, Hueber. Lenz B. (1996), „Wie brauchen ins deutsche Modalverbsystem geriet und welche

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VERGANGENHEITSTEMPORA IM ITALIENISCHEN UND DEUTSCHEN

Nicole Schumacher

1. Die Lernaufgabe Wenn italienische Deutschlernende mit den deutschen Tempora konfron-

tiert werden, wirkt vieles recht vertraut: Im Bereich der Vergangenheitstem-pora gibt es zum Beispiel das Perfekt als zusammengesetzte Form, die aus dem Hilfsverb haben oder sein und dem Partizip II des Verbs gebildet wird. Des Weiteren gibt es das Präteritum als einfache Form, die an das Imperfetto erinnert, denn es enthält das Tempusmorphem -t-, das wie das vertraute -v- Teil des Suffixes am Präsensstamm zur Realisierung von Person und Nume-rus ist. Wir haben es folglich mit einem Kontrastmangel zu tun, und Kon-trastmangel lädt zum Transfer ein.

Doch gehen die genannten Formenähnlichkeiten auch mit einer Entspre-chung im Gebrauch der Tempora einher? Ein erneuter Blick auf die Formen im System der deutschen und italienischen Vergangenheitstempora kann hier stutzig machen: Wieso gibt es – abgesehen von den Plusquamperfektformen und verschiedenen modal schattierten Tempora – im Deutschen nur zwei Tempora zur Bezeichnung von Vergangenem (Perfekt und Präteritum), im Italienischen jedoch drei (Passato Prossimo, Imperfetto, Passato Remoto)? Wo bleiben die Bedeutungen, die italienische Lernende durch drei verschie-dene Tempora ausdrücken, wenn sie im Deutschen nur zwei zur Verfügung haben?

Hinter den auf den ersten Blick vertraut wirkenden L2-Formen lauert eine komplexe Lernaufgabe1. Eine zentrale Rolle spielt hierbei der Aspekt, der in den italienischen, nicht aber in den deutschen Vergangenheitstempora gram-matikalisiert ist. Obwohl Aspekt nicht Teil der Bedeutung des Perfekts oder Präteritums ist, können im Deutschen Situationen in einer perfektiven oder

1 Vgl. Schumacher (2005: 6ff.).

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imperfektiven Perspektive präsentiert werden. Somit gehört die sprachliche Realisierung aspektualer Bedeutungen mit zur zu bewältigenden Lernaufga-be2. Dies zu erfassen ist für italienische Lernende – wie auch für Lernende mit anderen Muttersprachen, in denen Aspekt grammatikalisiert ist – von beson-derer Bedeutung. Denn sie suchen in der L2 nach sprachlichen Ausdrucksmit-teln, mit denen die Bedeutungskomponenten ausgedrückt werden, die sie zu realisieren gewohnt sind. Welches sind diese Bedeutungskomponenten? Und wie werden sie im Deutschen realisiert?

Um diese Fragen zu beantworten, ist es zunächst notwendig, sich bewusst zu machen, inwiefern Aspekt in den italienischen Vergangenheitstempora grammatikalisiert ist und Lernprozesse beeinflussen kann (Kap. 2). Sodann erfolgt eine kontrastive Analyse, in der die aspektualen Lesarten des deut-schen und italienischen Perfekts (Kap. 3.1.), des Präteritums, des Imperfetto und des Passato Remoto (Kap. 3.2.) und schließlich auf der pragmatischen Kategorie der Distanz beruhende Lesarten der deutschen und italienischen Vergangenheitstempora einander gegenüber gestellt werden (Kap. 3.3). Ab-schließend folgen Aufgaben und Übungen.

2. Grammatischer Aspekt und sprachspezifische Perspektivierung

Wenn in einer Sprache Aspekt grammatikalisiert ist, betrachten die Spre-cher dieser Sprachen die Vorgänge, die sie in einer Äußerung darstellen wol-len, „hinsichtlich ihres inneren Ablaufs“ (Schwarze 21995: 718). Sie geben zu verstehen, ob eine Situation beispielsweise abgeschlossen oder resultativ, progressiv, habituell oder kontinuativ ist: Wird die zu schildernde Situation mit ihrem Endpunkt perspektiviert (abgeschlossen)? Weist sie das Ergebnis eines vorangehenden Vorgangs auf (resultativ)? Wird eine Situation von ei-nem bestimmten Blickpunkt aus in ihrem Verlauf präsentiert (progressiv)? Wird eine regelmäßig wiederkehrende Situation dargestellt (habituell)? Wer-den zwei Situationen ohne ihre Endpunkte und gleichzeitig verlaufend ausge-drückt (kontinuativ)? Entsprechende Lesarten sind auf die beiden Bedeutun-gen perfektiv und imperfektiv zurückzuführen und lassen sich in folgender Weise differenzieren: l’aspetto imperfettivo considera l’evento in modo tale da escludere la <<visualizza-zione del punto finale>>, mentre l’aspetto perfettivo include tale visualizzazione. (Bertinetto 2001a: 25)

2 Vgl. Handwerker (2003: 141).

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Diese Aspektbedeutungen sind in den italienischen Vergangenheitstempo-ra insofern grammatikalisiert, als die Bedeutung [- Perspektivierung des End-punkts] im Imperfetto, die Bedeutung [+ Perspektivierung des Endpunkts] hingegen im Passato Remoto und im Passato Prossimo morphologisch reali-siert werden3. Bevor in Kapitel 3 erläutert wird, inwiefern Aspektbedeutungen zu verschiedenen Tempuslesarten führen, sei an dieser Stelle festgehalten, dass italienische L1-Sprecher es gewohnt sind, in jeder Äußerung morpholo-gisch zu realisieren bzw. zu interpretieren, ob eine Situation abgeschlossen oder resultativ, progressiv, habituell oder kontinuativ ist.

In verschiedenen Studien zur sprachspezifischen Perspektivierung hat sich gezeigt, dass der grammatische Aspekt in der L1 Lernende auch in der L2 beeinflusst4. In Schumacher (2008), einer Studie zur Rezeption deutscher Vergangenheitstempora durch italienische Lernende, ist beispielsweise deut-lich geworden, dass Sätze im Präteritum mit Adverbialen oder Verben, die Endpunkte bezeichnen, durch italienische Muttersprachler eher habituell in-terpretiert werden, durch deutsche Muttersprachler hingegen eher abgeschlos-sen. Betrachten wir hierfür Satz (1) mit dem Adverbial bis Mitternacht.

(1) Franza tanzte bis Mitternacht Tango.

Wegen des Kontrastmangels zwischen dem Präteritum und dem Imperfetto tendieren italienische Deutschlernende dazu, die Gebrauchsbeschränkungen des Imperfetto auf die des Präteritums zu übertragen: Da Franza ballava il tango fino a mezzanotte nur habituell interpretiert werden kann, wird auch (1) von italienischen Lernenden häufig habituell interpretiert. Deutsche Mutter-sprachler hingegen tendieren dazu, (1) als Äußerung über ein einmaliges Er-eignis - z.B. von gestern Abend - zu verstehen5. 3. Deutsche und italienische Vergangenheitstempora im Vergleich

Um sich nun dem zentralen Unterschied zwischen den deutschen und ita-lienischen Vergangenheitstempora nähern zu können, muss zunächst ein wei-terer Blick auf die sprachliche Kodierung von Endpunkten geworfen werden. Denn Endpunkte können nicht nur morphologisch, sondern auch lexikalisch realisiert werden. Bei der lexikalischen Kodierung spricht man von inhärenten Endpunkten und Telizität, bei der morphologischen Kodierung hingegen von

3 Vgl. Bertinetto (2001a: 41ff.). 4 Vgl. z.B. Carroll - von Stutterheim (2003). 5 Vgl. genauer Kapitel 3.2.

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aktuell betrachteten Endpunkten und grammatischem Aspekt6. Telizität gehört primär zum Lexikon einer Sprache und wird durch Verben

mit ihren Ergänzungen realisiert; aufstehen / alzarsi oder ein Einhorn erschaf-fen / creare un unicorno stellen als telische Ausdrücke inhärente Endpunkte zur Verfügung, schlafen / dormire oder regnen / piovere stellen als atelische Ausdrücke keine inhärenten Endpunkte zur Verfügung. Sowohl telische als auch atelische Ausdrücke können in einer perfektiven oder imperfektiven Perspektive, d.h. mit oder ohne vom Sprecher tatsächlich betrachteten End-punkt, dargestellt werden7. In Aspektsprachen wie dem Italienischen ge-schieht dies durch morphologische Markierungen am Verb. Der Unterschied zwischen Telizität und grammatischem Aspekt ist an (2) erkennbar:

(2) Quando Artù entrò, Merlino creava un unicorno.8

Der telische Ausdruck creare un unicorno enthält zwar einen inhärenten Endpunkt – die Fertigstellung des Einhorns –, dieser wird jedoch in der aktu-ellen Äußerung nicht realisiert. Durch das Imperfetto wird er vielmehr ausge-blendet. Der Sprecher betrachtet den Verlauf der Situation, ohne deren Ende zu berücksichtigen.

Der wesentliche Unterschied zwischen den italienischen und den deut-schen Vergangenheitstempora sei hier nochmals hervorgehoben: Mit jedem italienischen Vergangenheitstempus wird morphologisch markiert, ob der Sprecher einen Endpunkt in seine Betrachtung einer – atelischen oder teli-schen – Situation mit einbezieht, und dies ist bei den deutschen Vergangen-heitstempora nicht der Fall. Das Passato Prossimo und das Passato Remoto ermöglichen nur Lesarten mit Abgeschlossenheits- oder Resultativitätseffek-ten, das Imperfetto hingegen nur progressive, habituelle oder kontinuative Lesarten. Entsprechende Gebrauchsbeschränkungen liegen beim Perfekt und Präteritum nicht vor. Doch welche Lesarten ermöglichen die deutschen Tem-pora? Und mit welchen sprachlichen Mitteln wird im Deutschen der innere Ablauf von Situationen bezeichnet, den italienische Deutschlerner gerne aus-drücken möchten?

3.1 Aspektuale Lesarten des Perfekts und des Passato Prossimo

Sowohl das deutsche als auch das italienische Perfekt lassen Resultatsles-

arten und Vergangenheitslesarten zu9. Das Perfekt ermöglicht perfektive und

6 Vgl. Bertinetto (2001b: 203ff.). 7 Vgl. genauer Bertinetto - Delfitto (2000: 192). 8 Beispiel aus Bertinetto (2001b: 198). 9 Die einzelnen Komponenten der Konstruktion ermöglichen dies: Der Komplex aus Hilfs-

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perfektive Vergangenheits-lesart (7)

imperfektive Vergangen-heitslesarten (9), (10)

imperfektive Vergangenheitslesarten, das Passato Prossimo hingegen nur perfektive.

Aspektuale Perfektlesarten

Resultatslesarten Vergangenheitslesarten

Abbildung 1: Aspektuale Perfektlesarten

Aspektuale Lesarten des Passato Prossimo

Resultatslesarten perfektive Vergangenheitslesart (8)

Abbildung 2: Aspektuale Lesarten des Passato Prossimo

Resultative Gegenwartslesarten liegen in (3) und (4) vor.

(3) Er hat sich damit jetzt als Politgangster entlarvt.10 (4) Con ciò adesso si è smascherato come bandito politico.

Mit beiden Äußerungen wird eine Aussage über den gegenwärtigen Zu-stand gemacht, in dem sich das Subjekt jeweils befindet. Dieser Zustand re-sultiert aus einer bestimmten Tätigkeit, die mit dem vorangehenden Ereignis des Entlarvens verbunden wird. Die Verben sich entlarven und smascherare sind telische Verben, die inhärent einen Endpunkt zur Verfügung stellen: den Punkt, an dem die Person, auf die das Subjekt referiert, ihre wirklichen Ab-sichten enthüllt hat11. verb und Partizip II-Morphem liefert den Bedeutungsbeitrag [Vorzeitigkeit in Bezug auf einen Nachzustand], das als Nullmorphem erscheinende Präsensmorphem liefert den Beitrag [Nicht-Vergangenheit]. Dadurch werden der Konstruktion zwei Zeitintervalle zugeordnet: die Situati-onszeit, d.h. die Zeit, zu der die in der Äußerung realisierte Situation stattfindet, und die Zeit des Nachzustandes dieser Situation. Je nach Kontext wird jeweils eins der beiden Zeitintervalle ins Zentrum der Äußerung gerückt. Daraus entstehen dann Resultatslesarten bzw. Vergangen-heitslesarten. Vgl. hierzu Musan (2002: 26ff.) sowie Schumacher (2005: 158ff.).

10 Hörbeleg: Tagesschau 19.8.03. 11 Resultatslesarten weisen oft telische Ausdrücke auf, weil sich in der Verbsemantik ver-

ankerte inhärente Endpunkte und ihre Nachzustände besonders gut dafür eignen, ins Zentrum

resultative Gegenwartslesart (3)

resultative Zukunftslesart (5)

resultative Gegenwartslesart (4) resultative Zukunftslesart (6)

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(5) und (6) sind Beispiele für resultative Zukunftslesarten.

(5) Morgen habe ich es geschafft. (6) Domani ho finito.

Auch mit diesen Äußerungen werden jeweils Aussagen über den Zustand des Subjekts getroffen. Dieser resultiert aus dem Ereignis des Schaffens bzw. Beendens und liegt in der Zukunft. Wiederum stellen die Verben schaffen und finire lexikalisch Endpunkte zur Verfügung: die Punkte, an denen etwas zu Leistendes bewältigt ist. Resultative Zukunftslesarten unterliegen beim Passa-to Prossimo größeren Beschränkungen als beim Perfekt: Sie sind nur in einfa-chen Sätzen mit vorangestelltem Adverbial – wie in (6) – oder aber in einge-betteten Sätzen zulässig12. Beim deutschen Perfekt hingegen gibt es diese Beschränkungen nicht; vgl. hierzu (5a) vs. (6a). (5) a. Ich habe es morgen geschafft. (6) a.*Ho finito domani.

Weitere Parallelen zwischen dem deutschen und dem italienischen Perfekt bestehen darin, dass beide über perfektive Vergangenheitslesarten verfügen. In (7) und (8) wird jeweils eine Aussage über das vergangene Ereignis des Abreisens gemacht. Das Abreisen wird als Ganzes, mit seinem Endpunkt per-spektiviert13. (7) Gianni ist um vier abgereist. (8) Gianni è partito alle quattro.

An (9) und (10) nun lässt sich erkennen, dass das deutsche Perfekt – im Gegensatz zum Passato Prossimo – über imperfektive Lesarten verfügt. (9) Während Gianni gespielt hat, hat Maria gesungen. (10) Als wir nach Hause gekommen sind, hat Paolo gerade Giulio angerufen.

der Aussage gerückt zu werden. Vgl. Musan (2002: 97ff.), Schumacher (2005: 160ff., 237ff.).

12 Vgl. Bertinetto (2001a: 94ff.), Schumacher (2005: 239ff.). 13 Vgl. Schumacher (2005: 241ff.).

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In (9) liegt eine typische kontinuative Situation mit zwei durch während verbundenen Parallelsituationen vor. Beide Situationen werden als gleichzei-tig interpretiert, und ihr jeweiliges Ende ist unbestimmt. Im während-Satz ist ein Perfekt möglich. Ein Passato Prossimo wäre hier ungrammatisch:

(9) a.*Mentre Gianni ha suonato, Maria cantava.

In (10) liegt eine typische progressive Lesart vor. Der temporale Nebensatz bezeichnet die Zeit, für die die Aussage im Hauptsatz Gültigkeit hat. Perspek-tiviert wird nur ein Moment der Gesamtsituation des Anrufens, ein Moment des Wählens, wohingegen der Endpunkt ausgeblendet wird. Beide Teilsituati-onen – das Nach-Hause-Kommen und das Anrufen – werden als gleichzeitig interpretiert. Hervorgerufen wird diese progressive Lesart durch das Adverb gerade.

Ein entsprechender Satz im Passato Prossimo lässt nur eine perfektive Lesart zu. In einem Satz wie (10a) werden beide Situationen mit ihrem End-punkt perspektiviert und als aufeinander folgend interpretiert14: (10) a. Quando siamo tornati a casa Paolo ha telefonato a Giulio.

Auch mit einem deutschen Perfekt wäre eine solche perfektive Lesart

möglich. Sie würde zum Beispiel durch ein Adverb wie sofort hervorgerufen:

(10) b. Als wir nach Hause gekommen sind, hat Paolo sofort Giulio angerufen.

Es zeigt sich, dass im Deutschen nicht morphologische Tempusmarkierun-gen, sondern lexikalische Mittel wie die Adverben gerade und sofort die aspektualen Lesarten auslösen. Neben Adverbien spielt hier auch die Telizität der Verben eine Rolle: Ohne Adverbien wie gerade oder sofort wird unser Beispielsatz von deutschen Muttersprachlern präferiert perfektiv interpretiert, denn das telische Verb anrufen stellt inhärent einen Endpunkt zur Verfügung. Beide Teilsituationen werden in (10c) als aufeinander folgend verstanden: (10) c. Als wir nach Hause gekommen sind, hat Paolo Giulio angerufen.

Ein entsprechendes atelisches Verb wie telefonieren wiederum ohne Ad-verbien ruft bei deutschen Muttersprachlern bevorzugt eine progressive Lesart hervor; hier werden beide Teilsituationen als gleichzeitig interpretiert: (10) d. Als wir nach Hause gekommen sind, hat Paolo mit Giulio telefoniert.

14 Vgl. Squartini (1995: 119).

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Wir sehen, dass die perfektiven und imperfektiven Vergangenheitslesarten beim deutschen Perfekt durch lexikalische Mittel wie Konjunktionen, Adver-bien oder Verben hervorgerufen werden. Die Konjunktion während führt im Deutschen zu einer kontinuativen Lesart und ist durchaus mit einem Perfekt kompatibel. Neben dem Adverb gerade löst beispielsweise auch ein Adverbial wie zu der Zeit eine progressive Lesart aus. Zudem verfügt das Deutsche über Verlaufskonstruktionen wie am + Infinitiv + sein, beim + Infinitiv + sein und dabei sein zu + Infinitiv, um Sätze mit progressiver Bedeutung zu bezeichnen. (vgl.den Beitrag von Sattler in diesem Band).

3.2. Aspektuale Lesarten des Präteritums, des Imperfetto und des Pas-

sato Remoto

Das Präteritum ermöglicht alle aspektualen Vergangenheitslesarten, die im Italienischen auf das Imperfetto und das Passato Remoto verteilt sind.

Aspektuale Präteritumlesarten

Abbildung 3: Aspektuale Präteritumlesarten

Aspektuale Lesarten des Imperfetto

Abbildung 4: Aspektuale Lesarten des Imperfetto

Abbildung 5: Aspektuale Lesart des Passato Remoto

imperfektive Vergangenheitslesarten perfektive Vergangenheitslesart (15, 18, 20)

progressive Vergangen-heitslesart (11)

habituelle Vergangenheitslesart (13)

kontinuative Vergangenheitsles-art (16)

imperfektive Vergangenheitslesarten

progressive Vergangenheitslesart (12)

habituelle Vergangenheitslesart (14)

kontinuative Vergangenheitslesart (17)

Aspektuale Lesart des Passato Remoto

perfektive Vergangenheitslesart (19)

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Das Präteritum und das Imperfetto lassen imperfektive Vergangenheitsles-arten zu. In (11) und (12) haben wir zunächst progressive Lesarten.

(11) Als wir nach Hause kamen, rief Paolo gerade Giulio an. (12) Quando siamo tornati a casa Paolo telefonava a Giulio.

Bei diesen progressiven Lesarten bezeichnet der Temporalsatz mit als bzw. quando – ebenso wie im Perfektsatz (10) – die Zeit, die vom Sprecher betrachtet wird. Wiederum wird nur ein Moment des Wählens aus der Ge-samtsituation des Anrufens perspektiviert, ohne dass ein Endpunkt berück-sichtigt würde. Die Differenz zwischen (11) und (12) liegt in den sprachlichen Mitteln, die die progressive Vergangenheitslesart hervorrufen: Ist es im Italie-nischen die morphologische Markierung des Imperfetto, durch die der End-punkt der Situation ausgeblendet wird, so ist es im Deutschen nicht das Präte-ritum, sondern das Adverb gerade. Wie im entsprechenden Perfektsatz (10d) erzeugen auch atelische Verben im Präteritum den gleichen imperfektivieren-den Effekt, was an (11a) zu erkennen ist:

(11) a. Als wir nach Hause gekommen sind, telefonierte Paolo mit Giulio.

Da das atelische Verb telefonieren keinen inhärenten Endpunkt liefert, wird dieser Satz wiederum bevorzugt progressiv verstanden.

Auch habituelle Lesarten entstehen im Italienischen primär durch die –morphologisch kodierte – Bedeutung des Imperfetto, im Deutschen hingegen durch lexikalische Mittel wie Adverbien15. Typische habituelle Vergangen-heitslesarten liegen in (13) und (14) vor. (13) Marco stand immer um 6 auf. (14) Marco si alzava alle 6.

In (13) liefert das Adverb immer den Bedeutungsbeitrag der Habitualität. Weitere Frequenzadverbiale wie oft, regelmäßig oder jeden Montag würden ebenso eine habituelle Lesart hervorrufen. In (14) hingegen ist ein entspre-chendes Adverb nicht notwendig, denn die Interaktion zwischen dem teli-schen alzarsi und dem Imperfetto löst die habituelle Lesart aus: Für italieni-sche L1-Sprecher kann der durch das Verb gelieferte inhärente Endpunkt

15 Bei imperfektiv-habituellen Lesarten werden Endpunkte insofern nicht berücksichtigt, als

die Anzahl und die Dauer mehrerer Einzelsituationen vom Sprecher ausgeblendet werden, vgl. Bertinetto (2001a: 44ff.)

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nicht zu einer perfektiven Lesart führen, weil das Imperfetto eine solche nicht zuließe. Bei einer Interpretation von (14) versuchen sie somit, diesen inhären-ten Endpunkt auszublenden. Folglich verstehen sie den Satz nicht so, dass eine einzelne Situation in ihrer Abgeschlossenheit präsentiert wird, sondern so, dass eine Gesamtsituation dargestellt wird, die aus mehreren Einzelsituati-onen besteht und ein offenes Ende hat.

Deutsche Muttersprachler hingegen interpretieren einen entsprechenden Satz im Präteritum ohne Frequenzadverbial bevorzugt perfektiv. (15) Marco stand um 6 auf.

Da das Präteritum aspektual neutral ist und das telische Verb aufstehen ei-

nen inhärenten Endpunkt liefert, wird die in (15) bezeichnete Situation als einzelnes Ereignis mit ihrem Endpunkt betrachtet. Ein Frequenzadverbial - oder ein bestimmter Kontext - ist notwendig, um diese bevorzugte perfektive Interpretation aufzuheben und eine habituelle Lesart auszulösen. Dies ist in (13) der Fall. Habituelle Präteritumlesarten sind verbreitet und natürlich im Deutschen, aber ohne Frequenzadverbiale oder einen geeigneten Kontext werden Präteritumformen mit telischen Verben präferiert perfektiv verstan-den16.

In (16) und (17) liegen kontinuative Vergangenheitslesarten vor.

(16) Während Gianni zeichnete, las Maria. (17) Mentre Gianni disegnava, Maria leggeva.

Wie auch in (9) werden jeweils zwei Situationen ohne Endpunkt perspek-

tiviert und als gleichzeitig ablaufend verstanden17. Wie schon (15) gezeigt hat, besteht die zentrale Differenz zwischen dem

Präteritum und dem Imperfetto darin, dass nur das Präteritum über perfektive Lesarten verfügt. Dies wird vor allem dann deutlich, wenn der sprachliche Kontext eine einzelne Situation mit Endpunkt vorsieht:

(18) Gestern regnete es zwei Stunden lang.

Hier spezifiziert das durative Grenzadverbial zwei Stunden lang das Ge-

schehen, welches durch das Positionsadverb gestern einmalig auf der Zeitach-se lokalisiert wird. Eine solche einzelne vergangene Situation mit adverbial

16 Vgl. Schumacher (2005: 54ff., 2008). 17 Vgl. Schumacher (2005: 259ff.).

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spezifiziertem Endpunkt ist mit einem Imperfetto inkompatibel18:

(18) a.*Ieri pioveva per due ore. Sprachliche Mittel, die beim Präteritum zu einer perfektiven Interpretation

führen, sind wiederum Adverbiale – in diesem Fall durative Grenzadverbiale wie zwei Stunden lang, bis Mitternacht, von 2 bis 3 Uhr – und telische Ver-ben, wie am Beispiel von aufstehen in (15) erörtert wurde.

In (19) und (20) haben wir perfektive Vergangenheitslesarten des Präteri-

tums und des Passato Remoto19:

(19) Quel mattino, verso le 5, Giovanni andò a scuola, *ma non vi giunse mai. Qualcosa di misterioso accadde.

(20) An jenem Morgen, so gegen 5, ging Giovanni zur Schule, *kam dort aber nie

an. Etwas Mysteriöses geschah. In beiden Fällen ist ein sprachlicher Kontext unzulässig, in dem ein Ereig-

nis die Situation des Zur-Schule-Gehens unterbricht, so dass diese nicht zum Abschluss gelangt. Dadurch kommt es zu einem Widerspruch zwischen der Aussage, dass Giovanni die Situation beendet hat, d.h. in der Schule ange-kommen ist, und der Aussage, dass er dort nicht angekommen ist. Dass der zweite Teilsatz auch in (20) ungrammatisch ist, liegt nicht am Präteritum, sondern an dem telischen Ausdruck zur Schule gehen. Der inhärente End-punkt führt hier wiederum zur perfektiven Interpretation. Dass diese im sprachlichen Kontext aufgehoben werden kann, lässt sich an (20a) erkennen; hier führt das imperfektivierende gerade zur Ausblendung des Endpunkts.

(20) a. An jenem Morgen, so gegen 5, ging Giovanni gerade zur Schule, kam dort

aber nie an. Etwas Mysteriöses geschah. Hier liegt wiederum eine progressive Lesart vor, die im Italienischen typi-

scherweise vom Imperfetto realisiert wird20, im Deutschen hingegen vom Perfekt oder Präteritum mit imperfektivierenden lexikalischen Mitteln.

Dass das Passato Remoto – ebenso wenig wie das Passato Prossimo – kon-tinuative Lesarten zulässt, zeigt sich an (21):

18 Vgl. Squartini (1995: 120). 19 Vgl. Bertinetto (2001a: 24ff.), Schumacher (2005: 266ff.). 20 Die Verbalperiphrase aus stare + Gerundium wird im vorliegenden Artikel nicht

berücksichtigt, weil sie nicht vollständig grammatikalisiert ist (vgl. Bertinetto 2001a: 129ff., s. auch Beitrag von Sattler in diesem Band). Zudem ist zu vermuten, dass sie wenig transferanfällig ist.

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(21) *Mentre Gianni suonò, Maria cantava.

Dass das Präteritum wegen seiner aspektualen Neutralität durchaus auch

kontinuative Lesarten zulässt, hat bereits Beispiel (16) veranschaulicht. Es wird deutlich – so lässt sich resümieren –, dass die deutschen Vergan-

genheitstempora in aspektualer Hinsicht über weniger Gebrauchsbeschrän-kungen verfügen als die italienischen. Gleichwohl ist die Wahl zwischen Per-fekt und Präteritum nicht beliebig, was sowohl in der Linguistik als auch in der Didaktik zu den vieldiskutierten Klassikern gehört21. Für die Frage nach der Austauschbarkeit beider Tempora ist nicht Aspekt, sondern vor allem die pragmatische Dimension der Distanz zentral.

3.3 Distanz statt Aspekt

Das Präteritum lässt nur Vergangenheitslesarten, nicht jedoch Resultats-

lesarten zu, d.h. es ermöglicht keine Aussagen über gegenwärtige oder zu-künftige Nachzustände22. Es ist vielmehr ein Tempus, das Distanz signalisiert. Diese wird im Präteritalmorphem kodiert und hat eine temporale, eine rele-vanzbezogene und eine deiktische Dimension23.

Die temporale Dimension der Distanz besteht darin, dass die Zeit, für die die Aussage Gültigkeit hat, immer mit einem zeitlichen Abstand vor der Äu-ßerungszeit liegt. Deshalb sind Resultatslesarten mit Adverbien wie jetzt oder morgen ungrammatisch:

(22) *Er entlarvte sich damit jetzt als Politgangster. (23) *Morgen schaffte ich es.

Entsprechende Beschränkungen gelten für das Passato Remoto, denn auch

das Passato Remoto ist ein Distanztempus24. Die im Präteritalmorphem verankerte Distanz beinhaltet des Weiteren eine

subjektive, sprecherbezogene Dimension: Eine auszudrückende Situation wird als nicht relevant für die Gegenwart betrachtet. Im Gegensatz dazu wird durch das Präsensmorphem im Perfekt markiert, dass eine Situation relevant ist. Wie

21 Vgl. für Überblicke Schumacher (2005: 74ff. bzw. 13ff.). 22 Das Präteritum verfügt nicht über ein Hilfsverb, ein Partizip und ein Präsensmorphem,

die in ihrer Interaktion auch zu Resultatslesarten führen können. 23 Vgl. Schumacher (2005: 186ff.). 24 Für dialektale und textsortenspezifische Faktoren bei der Verwendung des Passato Re-

moto vgl. Bertinetto - Squartini (1996) sowie Schumacher (2005: 224/225, 271ff.).

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nicht zuletzt auch aus (22) und (23) zu folgern ist, sind Perfekt und Präteritum nur dann durcheinander ersetzbar, wenn im Zentrum der Aussage eine ver-gangene Situation steht, d.h. bei den Vergangenheitslesarten. Was ihre Gebrauchspräferenzen hierbei betrifft, so sind nicht aspektuale Faktoren wie bei den italienischen Vergangenheitstempora ausschlaggebend, sondern der subjektive Faktor der Relevanz, die der Sprecher einer Situation für den kon-kreten Gesprächskontext beimisst.

Entsprechende Gebrauchspräferenzen des Perfekts und Präteritums werden in Anlehnung an Weinrich (1993) auch durch die Konzepte des Besprechens

und Erzählens erfasst. Bei den besprechenden Tempora wird dem Hörer in einer Kommunikationssituation eine gespannte Rezeptionshaltung nahegelegt; es wird signalisiert, dass der Sprecher bereit ist, über seine Aussage zu disku-tieren. Bei den erzählenden Tempora wird dem Hörer oder Leser eine ent-spannte Rezeptionshaltung nahegelegt; es wird darum gebeten, die Diskussion über die einzelnen Aussagen zunächst einmal aufzuschieben, um eine Erzäh-lung entfalten zu können25. Durch den Relevanzfaktor und die Konzepte des Besprechens und Erzählens wird erklärbar, dass das Präteritum bevorzugt in schriftlichen Texten und beim - mündlichen und schriftlichen - Erzählen ver-wendet wird. Denn in diesen Kontexten werden Situationen ausgedrückt, die nicht unmittelbar für die jeweilige Sprechsituation relevant sind26, vgl. hierfür (24) versus (25):

(24) Gestern passierte viel. Er entlarvte sich als Politgangster... (25) Genug ist genug. Er hat sich damit gestern endgültig als Politgangster entlarvt.

(24) ist eine typische mündliche Erzählsituation, in der eine entspannte

Rezeptionshaltung nahegelegt wird, weil die Situation nicht als relevant ein-gestuft wird. In (25) wird deutlich, dass sich selbst bei den Vergangenheits-lesarten des Perfekts die Intuition ergibt, dass eine Äußerung für die konkrete Sprechsituation relevant ist, obwohl eine Aussage über eine vergangene Situa-tion gemacht wird27.

Es wird deutlich, dass Distanz die Grundlage für den textsortenspezifi-schen Gebrauch von Perfekt und Präteritum ist. Dies sei zum Schluss noch einmal im Zusammenhang mit der deiktischen Dimension von Distanz veran-schaulicht. Im Gegensatz zum Perfekt kann das Präteritum nicht unmittelbar in Bezug auf das deiktische Zentrum einer Sprechsituation, sondern nur a-

25 Vgl. Weinrich (1993: 198ff.). 26 Vgl. für dialektale und textsortenspezifische Faktoren bei der Verwendung des Präteri-

tums Welke (2005: 321ff.). 27 Vgl. Schumacher (2005: 197 ff.).

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naphorisch interpretiert werden. Gleiches gilt für das Imperfetto28. Anaphern realisieren insofern Distanz, als ihre Interpretation nicht auf der Basis des Hier und Jetzt der Sprechsituation erfolgen kann, sondern auf eine von dieser Origo entfernt liegende Situation rückverweist. Das Präteritum ist eine solche Ana-pher. Wenn das Präteritum am Anfang von literarischen Texten erscheint, so wird die Intuition erzeugt, als befinde man sich perspektivisch sogleich in der fiktiven Welt des Textes. Denn die deiktische Dimension der Distanz beinhal-tet auch die Möglichkeit, einen Perspektivwechsel zu realisieren, indem das deiktische Zentrum von einer faktischen Sprechsituation in die fiktive Welt eines literarischen Textes verschoben wird. Diese typische Funktion des Prä-teritums, als Erzähltempus in literarischen Texten zu fungieren, lässt sich beispielsweise an einigen Sequenzen aus Alessandro Bariccos Questa storia / Diese Geschichte (2008: 7, 25) erkennen:

(26) Lau die Mainacht in Paris neunzehn hundert drei.

Hunderttausend Pariser ließen die Hälfte der Nacht in ihren Wohnungen zu-rück, als sie zu den Bahnhöfen Saint-Lazare und Montparnasse strömten.

(27) Ultimo hieß so, weil er das erste Kind war.

Durch die Präteritalformen, die jeweils zu Beginn einzelner Abschnitte er-

scheinen, signalisiert der Autor Baricco einen Perspektivwechsel von seiner faktischen Origo in die fiktive Welt der Erzählung, zur Origo des Erzählers. Betrachten wir im Vergleich hierzu die Originaltexte (Baricco 2005: 7, 23):

(29) Tiepida la notte di maggio a Parigi, mille novecento tre. Dalle loro case, centomila parigini lasciarono a metà la notte, scolando in

massa verso le stazioni Saint-Lazare e Montparnasse, stazioni ferroviarie. (30) Ultimo si chiamava così perché era stato il primo figlio.

Weder das deutsche noch das italienische Perfekt können eine solche

Funktion übernehmen, die faktische Origo in die fiktive Welt des Erzählens zu verschieben. Wie an den Originalsequenzen aus Questa storia sichtlich ist, können sowohl das Passato Remoto (29) als auch das Imperfetto (30) diese deiktische Verschiebung signalisieren. Im Gegensatz zum Passato Remoto jedoch, das wie das Präteritum typischerweise als Text- und Erzähltempus zu klassifizieren ist, ist das Imperfetto nicht auf diese Domäne beschränkt. Das Imperfetto ist nicht nur in Texten und mündlichen Distanzsituationen verbrei-tet, sondern ebenso in mündlichen, nicht-distalen Kommunikationssituatio-

28 Vgl. Schumacher (2005: 249).

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nen. Wie die vorangegangenen Ausführungen gezeigt haben, unterscheidet es sich vom Passato Prossimo und vom Passato Remoto in aspektualer Hinsicht. Das Präteritum hingegen unterscheidet sich vom Perfekt nicht aspektual, son-dern bezüglich der pragmatischen Kategorie der Distanz. Deshalb wird es seltener als das Imperfetto in der mündlichen Sprache verwendet. Deutsche L1-Sprecher gebrauchen es mündlich vor allem beim Erzählen. Zudem verwenden sie es bevorzugt als Schrifttempus, insbesondere auch in literarischen Texten.

Aufgaben und Übungen A. Analysieren Sie die Hauptsätze hinsichtlich ihrer Telizität und ihrer aktuellen aspektualen Interpretation. a. Als ihr Bruder angerufen hat, hat Letizia gerade CDs gebrannt. b. Als ihr Bruder anrief, hat Letizia sofort CDs gebrannt. B. Welche Lesarten lassen sich den folgenden Sätzen zuordnen? a. Sie haben das Ziel erreicht. (Navigationssystem im Auto) b. Als wir nach Hause gekommen sind, hat er gelesen. c. Während ihr Bruder gekocht hat, hat Letizia gelesen. d. Gleich ist er angekommen. (Bergsteiger kurz vor dem Gipfel) C. Welche Lesarten lassen sich den folgenden Sätzen zuordnen? a. Als das Telefon klingelte, las Paolo gerade sein neues Buch. b. Letizia schlief gestern Mittag zwei Stunden lang. c. Paolo spielte oft bis zum Abend Klavier. d. Letizia fuhr am Sonntag mit dem Rad ins Theater. D. Geben Sie jeweils ein Beispiel für die folgenden Perfektlesarten. a. resultative Gegenwartslesart des Passato Prossimo: _____________________________________________________________________ b. resultative Gegenwartslesart des Perfekts: _____________________________________________________________________ c. progressive Vergangenheitslesart des Perfekts: _____________________________________________________________________ d. kontinuative Vergangenheitslesart des Perfekts: _____________________________________________________________________ E. Geben Sie jeweils ein Beispiel für die folgenden Präteritum- und Imperfetto-Lesarten. a. progressive Vergangenheitslesart des Präteritums: _____________________________________________________________________

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b. habituelle Vergangenheitslesart des Imperfetto: _____________________________________________________________________ c. habituelle Vergangenheitslesart des Präteritums: _____________________________________________________________________ d. perfektive Vergangenheitslesart des Präteritums: _____________________________________________________________________ F. Warum werden in der folgenden Sequenz von deutschen L1-Sprechern typischer-weise Perfektformen und nicht Präteritumformen gewählt? Weißt du, was ich gerade gehört habe? In der Berliner Philharmonie hat es gebrannt! G. Warum werden in der folgenden Sequenz von deutschen L1-Sprechern typischer-weise Präteritumformen und nicht Perfektformen gewählt? Das Gasthaus lag an der Staatsstraße am Ortseingang. Man konnte dort essen und schlafen. Es gab auch eine Reparaturwerkstatt und eine Tankstelle. Alles gehörte demselben Eigentümer. (Baricco 2008: 255) Literatur Baricco A. (2005), Questa storia, Roma, Fandango Libri. Baricco A. (2008), Diese Geschichte, Aus dem Italienischen von Annette Kopetzi,

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RUND UMS GERUND: DAS GERUNDIO UND SEINE WIEDERGABE IM DEUTSCHEN

Waltraud Sattler

1. Einleitung Das gerundio1 ist ein interessantes Phänomen der italienischen Sprache,

das im Deutschen keine direkte Entsprechung hat. Auf formaler und seman-tischer Ebene kommt es dem deutschen Partizip Präsens sehr nahe, das aber aus stilistischen Gründen in den meisten Fällen kein akzeptables Äquivalent ist.

Als spezifische Erscheinung der italienischen Sprache (mit Entsprechun-gen im Spanischen und im Französischen) ist das gerundio kein Thema im einsprachigen Unterricht Deutsch als Fremdsprache. Aktuell wird es dann plötzlich, wenn es um kontrastive Situationen geht, etwa beim Übersetzen, oder wenn es bei Deutschlernenden zu Interferenzproblemen führt.

Wie die Erfahrung zeigt, beginnen die Unsicherheiten bei der Wiedergabe des gerundio oft bereits bei der Interpretation seiner Funktion im Italieni-schen. Daher ist der erste Schritt zur Umsetzung in die Fremdsprache das Bewusstsein über dieses Phänomen in der italienischen Muttersprache.

Serianni (2007: 484) definiert das gerundio in Anlehnung an Antonini als

„un modo verbale di funzioni larghissime e non sempre definibili con preci-sione“. Enrica Fantino (in Bosco Coletsos - Costa 2006: 291) erklärt es unter Bezugnahme auf Schwarze (1988) als “la forma avverbiale del verbo: con il verbo ha infatti in comune il sistema di valenza, con l’avverbio la caratteristi-

1 Ich schließe mich L. Pusch (1978) an und optiere für die italienische Bezeichnung, um zu

signalisieren, dass sich das gerundio von den Gerundialkonstruktionen anderer Sprachen, z.B. Latein, Englisch und Französisch unterscheidet. Gerundio verwendet neben Pusch auch Lothar Jung (1987); konkurrierend dazu finden sich in der Forschung bzw. in Grammatiken Gerund (Serra Borneto 1982) und Gerundium (Schwarze 1988 und Krenn 1996).

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ca di essere indeclinabile e di poter essere coordinato con altri avverbi o com-plementi”.

Das gerundio ist eine polyvalente Form: es kann sich auf alle Formen des Verbs, auf Singular und Plural, auf maskuline und feminine Verbformen und auf alle Tempora und Modi beziehen. Erst wenn man das Verb des Hauptsat-zes liest, wird klar, auf welche Person oder Personen und auf welches Tempus sich das gerundio bezieht2.

Das gerundio lässt den Eindruck von „Kompaktheit“ entstehen, indem es zwei Handlungen oder Sachverhalte miteinander verbindet. Der Grad dieser Relation kann variieren; so unterscheidet Renzi (in Renzi et al. 2001: 571 ff.) in diesem Zusammenhang zwischen einem gerundio di predicato (1a) und einem gerundio di frase (1b): (1) a. Paolo ha fatto ripartire la macchina spingendola. b. Essendo stato aiutato da Giovanni, Paolo ha fatto ripartire la macchina.

Im Beispiel (1a) sind die beiden Handlungen far ripartire und spingere sehr eng miteinander verbunden: die erste Aktion ist die Konsequenz der zweiten. Man könnte auch sagen, dass es um dieselbe Handlung geht, die unter zwei verschiedenen Aspekten beschrieben wird. Dieses gerundio lässt sich als koextensiv zum Verb des Hauptsatzes interpretieren.

Bei (1b) können wir dagegen nicht sagen, dass far ripartire la macchina und aiutare als eine Handlung zu sehen sind. Erstens haben wir zwei ver-schiedene Agenten, und zweitens besteht keine eindeutige zeitliche Bezie-hung. Die beiden Handlungen können gleichzeitig, aber auch zu verschiede-nen Zeiten stattfinden. 1.1. Vorkommensweisen des gerundio3

Das einfache gerundio (gerundio semplice oder gerundio presente) drückt im Allgemeinen Gleichzeitigkeit im Verhältnis zum Hauptsatz aus4. Das im-plizite Subjekt des gerundio (Renzi nennt es soggetto nullo) ist in der Regel identisch mit dem Subjekt des Hauptsatzes (Ausnahme: absolutes gerundio):

2 Vgl. Krenn 1996: 564. 3 Vgl. Pusch (1980: 6-7), Beispiele und Ergänzungen von mir. 4 Serianni differenziert diese Aussage, indem er darauf hinweist, dass das gerundio presente

ein weiteres Spektrum von Einsatzmöglichkeiten hat; so kann es Gleichzeitigkeit ausdrücken („ insegnandomi la geografia, mia madre mi raccontava di tutti i paesi dov’era stato mio padre da giovane“), ebenso Vorzeitigkeit („tornavano ogni pomeriggio, dapprima preavvisando con una telefonata” ) und schließlich auch Nachzeitigkeit („pensavo che l’altro riprendesse la corsa, sorpassandomi”), vgl. Serianni (2006: 484). Die gleiche Beobachtung wird auch in Renzi et al. (2001: 575) gemacht.

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(2) Lavorando insieme, le due amiche si vedono ogni giorno. Das zusammengesetzte gerundio (gerundio composto oder gerundio passa-

to) drückt Vorzeitigkeit im Verhältnis zum Hauptsatz aus. Auch hier hat das gerundio in der Regel dasselbe Subjekt wie das finite Verb. Das gerundio composto ist heute eher selten und wird vor allem in der Literatur und in der Amtssprache verwendet. Es hat in den meisten Fällen kausale oder – mit vorangestelltem pur – konzessive Funktion:

(3) Avendo chiesto l’autorizzazione ha il diritto di passare. (4) Pur avendo vinto il concorso non è ancora stata assunta.

Das absolute gerundio (gerundio assoluto): Es hat ein eigenes Subjekt und

kann sowohl aus einem einfachen als auch aus einem zusammengesetzten gerundio gebildet werden:

(5) Parlando lei non posso parlare io. (6) Avendolo ordinato il medico lui lo deve accettare.

Das progressive gerundio: Es handelt sich um periphrastische Konstrukti-

onen, die aus einer Form von stare und dem einfachen gerundio gebildet wer-den und zum Ausdruck eines progressiven Aspektes dienen. Daneben finden sich auch andare und venire mit dem gerundio.

(7) Che cosa stai facendo? 1.2. Funktionen des gerundio

In den verschiedenen Grammatiken und Untersuchungen zum gerundio ist man sich einig, dass diese Form durch einen hohen Grad von Polyvalenz cha-rakterisiert ist. Serra Borneto zeigt dies am Beispiel des Satzes Sbagliando si impara. Er könnte mit fünf verschiedenen Paraphrasen wiedergegeben wer-den: a) Man lernt, wenn man Fehler macht (konditional); b) man lernt da-durch, dass man Fehler macht (instrumental); c) man lernt, sobald man Fehler macht (temporal, Fortsetzung der Handlung); d) man lernt, während man Feh-ler macht (temporal, gleichzeitig); e) man lernt, weil man Fehler macht (kau-sal)5.

5 Serra Borneto (1982: 441). Es fehlt allerdings der Hinweis darauf, dass das entsprechende

Sprichwort im Deutschen „Aus Fehlern wird man klug“ lautet.

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Das gerundio ist also eine kondensierte, synthetische Form, die sich durch ein inexplizites Verhältnis zum Hauptsatz auszeichnet. 6In den meisten Fällen ersetzt es einen bzw. mehrere mögliche Nebensätze, d.h. es kann je nach Kon-text verschiedene Funktionen übernehmen, manchmal scheint es sogar mehre-re Funktionen miteinander zu verbinden.

Wenn eine Explikation nötig wird (etwa bei einer Textinterpretation oder einer Übersetzung) stellt sich nun die Frage, aufgrund welcher Kriterien man entscheidet, ob ein gerundio z. B. eine kausale, modale, konzessive oder tem-porale Funktion hat. Diese Entscheidung erfolgt laut Renzi et al. (2001: 575) mithilfe des Weltwissens („L’interpretazione del gerundio è legata alle conos-cenze del mondo.“); in dieselbe Richtung geht Held (1982: 331), die meint, das gerundio stelle in den meisten Fällen einen Nebensatz dar, den es je nach seiner logischen Beziehung zum Kontext aufzulösen gilt.

Renzi et al. (2001: 576) zeigt auch, dass bei der Interpretation der gerun-dio-Funktion nicht nur außersprachliche Kenntnisse eine Rolle spielen, son-dern auch die Position des gerundio im Satz und die Tatsache, ob es sich um ein gerundio di predicato oder um ein gerundio di frase (s. 1.) handelt.

Das gerundio di predicato hat eine instrumentale, modale oder temporale Funktion. Dabei ist die Unterscheidung von instrumental und modal nicht immer einfach7; sie basiert vor allem auf pragmatischem Wissen: Die instru-mentale Funktion liegt vor, wenn das Verb des Hauptsatzes ein Resultat des in der gerundio-Konstruktion dargestellten Sachverhalts ausdrückt (È guarita facendo questa cura omeopatica), eine modale Funktion liegt vor, wenn das gerundio einen Modus (Camminava trascinando i piedi) oder einen Begleit-umstand8 (Rispose sorridendo) ausdrückt. Die modale Funktion kann man-chmal auch durch Koordination ausgedrückt werden (Lasciò il marito portan-do i bambini con sé (= e portò i bambini con sé ).

Das gerundio di frase übernimmt dagegen die kausale, konditionale oder konzessive Funktion. 1.3. Die Interpretation des gerundio

Wie Fehleranalysen von Übersetzungen aus dem Italienischen ins Deut-

sche gezeigt haben, bereitet das gerundio sogar deutschen Muttersprachlern Schwierigkeiten bei der Wiedergabe9. Das zeigt noch einmal, dass es sich hier um einen komplexen Vermittlungsprozess handelt, bei dem neben Sprachwis-sen in der Ausgangs- und Zielsprache auch außersprachliche Faktoren wie

6 Vgl. Pusch (1980: XI.). 7 Die ausführlichste Untersuchung hierzu liefert Pusch (1980). 8 Diese Differenzierung stammt von Pusch, ebda. 9 Vgl. Jung (1987: 247f.).

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Kontext und Weltwissen mitspielen. Dazu zwei Beispiele:

(8) Non avendo né il suo partner né lei preso delle precauzioni è rimasta incinta.

Hier legt schon das Sprachwissen eine kausale Interpretation nahe: Ein ge-rundio composto hat in den meisten Fällen kausale Funktion. Auch das Welt-wissen (in diesem Fall noch vor dem Sprachwissen!) legt eine kausale Inter-pretation nahe. Im folgenden Satz dagegen kann nur das Sprachwissen allein helfen, das Subjekt des gerundio zu identifizieren: (9) Abbiamo visto la professoressa Gallo uscendo dall’aula.

In diesem Fall kann das Subjekt von uscendo nur noi sein, da wir wissen, dass das gerundio (außer beim gerundio assoluto) dasselbe Subjekt wie der Hauptsatz haben muss. 1.3.1. Die explizierende intralinguale Paraphrase

Vor der Übersetzung empfiehlt es sich daher, in einem ersten Schritt die i-talienische gerundio-Konstruktion zu analysieren und explizit zu machen. Durch diese Operation der Desambiguierung wird das Subjekt, das Tempus und die logische Beziehung zum Hauptsatz deutlich (z.B. temporal, kausal, modal…). Im zweiten Schritt kann dann die Übersetzung erfolgen. a) Die Identifizierung von Subjekt, Tempus und logischer Beziehung zum Hauptsatz (10) a. Aspettando il tram ( = Quando/Mentre aspetto il tram) leggo il giornale. Wenn/Während ich auf die Straßenbahn warte, lese ich die Zeitung.

b. Aspettando il tram ( = Quando/Mentre aspetti il tram) leggi il giornale. Wenn/Während du auf die Straßenbahn wartest, liest du die Zeitung.

c. Aspettando il tram ( = Quando/Mentre aspetta il tram) legge il giornale. Wenn/während sie/er auf die Straßenbahn wartet, liest sie/er die Zeitung.

d. Aspettando il tram (= Quando/Mentre aspettavo il tram) ho letto il giornale. Wenn/Als/Während ich auf die Straßenbahn wartete, las ich die Zeitung.

b) Das unpersönliche Subjekt des gerundio

In manchen Fällen hat das gerundio bzw. der Hauptsatz ein unpersönliches

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Subjekt, das ebenfalls durch eine Paraphrase identifiziert werden kann und je nach Kontext im Deutschen mit „man“ bzw. „es“ wiedergegeben wird.

(11) Succede camminando veloce ( = Succede quando si cammina veloce) Das passiert, wenn man schnell geht. (12) Essendo piovuto (= Siccome è piovuto), le piante non vanno annaffiate. Da es geregnet hat, brauchen die Pflanzen nicht gegossen zu werden. c) Das Subjekt des gerundio in Passivsätzen

Auch in Passivsätzen ist das Subjekt des gerundio tendenziell mit dem Subjekt des Hauptsatzes identisch. In diesem Fall kann nur eine temporale Beziehung vorliegen: (13) Aspettando l’autobus (= mentre aspettava l’autobus), Paolo è stato visto dalla

vicina. Als/während er auf den Bus wartete, wurde Paolo von der Nachbarin gesehen.

In manchen Passivsätzen kann das Subjekt des gerundio jedoch mit dem

Agens des Hauptsatzes identisch sein. In den folgenden Beispielen10 liegt eine modale bzw. instrumentale Funktion vor. (14) La notizia è stata trasmessa (dalle varie agenzie) tacendo alcuni particolari. (= le agenzie hanno taciuto alcuni particolari).

Die Nachricht wurde (von den Agenturen) übermittelt, wobei die Agenturen einige Details verschwiegen /wobei einige Details verschwiegen wurden.

(15) Il materiale è stato ricuperato (dai tedeschi) ricorrendo a tecniche sofisticate (= i tedeschi sono ricorsi a tecniche sofisticate)

Das Material wurde (von den Deutschen) gerettet, wobei (indem) hochentwi-ckelte Techniken eingesetzt wurden/ wobei (indem) die Deutschen hochentwi-ckelte Techniken einsetzten.

1.4. Funktionale Äquivalenz

Wie wir gesehen haben, müssen wir uns bei der Übersetzung für eine der

vielen Funktionen entscheiden, die das gerundio enthält, und im Deutschen eine der Möglichkeiten wählen, die diese Funktion wiedergeben. Die Über-setzung kann also nur eine funktionale und keine formal-ästhetische Äquiva-

10 Beispiele von Renzi et al (2001:581).

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lenz garantieren. In vielen Fällen ist die Interpretation des gerundio eindeutig, aber oft – vor

allem in literarischen Texten – gehen Bedeutungen verloren, die in der italie-nischen Form „simultan“ präsent sind. Deshalb lässt sich nicht immer von einer völligen funktionalen Äquivalenz sprechen.

Neben dem Sprach- und dem Weltwissen spielen auch der Stil und der Kontext eine Rolle, wenn es um die Entscheidung geht, für welche der zahl-reichen Möglichkeiten der Wiedergabe man optiert (Serra Borneto (1982) hat über vierzig Varianten ermittelt, mit denen das gerundio wiedergegeben wer-den kann!).

Es kann also kein „Rezept“ für die Übersetzung des gerundio geben; im

Folgenden sollen aber einige Möglichkeiten der Wiedergabe präsentiert wer-den, die einen Orientierungsrahmen liefern können.

2. Verschiedene Wiedergabemöglichkeiten des gerundio im Deut-

schen

Nachdem wir also im ersten Schritt das Subjekt, das Tempus und die Funktion des gerundio (die logische Beziehung zum Hauptsatz) identifiziert haben, bieten sich in den meisten Fällen zwei Möglichkeiten, diese Form im Deutschen wiederzugeben: entweder mit einer Verbalphrase (Haupt- oder Nebensatz) oder mit einer Nominalphrase (mit Präposition + Substantiv). Für Nicht-Muttersprachler ist die Verbalphrase die „sicherere“ Option, da die Nominalphrase nicht immer zu akzeptablen Ergebnissen führt.

Der Nominalstil kommt jedoch dem Prinzip der Sprachökonomie entge-gen11; er gehört im Deutschen vor allem in den Bereich der Sach- und Fach-texte sowie der Amtssprache und ist daher bei der Übersetzung solcher Textsorten vorzuziehen. 2.1. Bei Gleichzeitigkeit der Handlungen

Bei Gleichzeitigkeit der Handlungen kann das gerundio durch verschiedene Verbalphrasen wiedergegeben werden: a) Koordination mit und

Bei der intralingualen Paraphrase einer gerundio-Konstruktion ergibt sich

11 Vgl. Jung (1987: 253).

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in vielen Fällen eine Koordination mit e. Im Rahmen einer Stichprobenunter-suchung12 zeigte sich, dass diese Verwendung des gerundio sogar sehr häufig ist. Neben dem Gebrauch der Nebensätze ist das eine recht einfach zu realisie-rende Möglichkeit der Wiedergabe. Um die Gleichzeitigkeit der Handlungen zu unterstreichen, können das Präpositionaladverb dabei bzw. die Adverbien gleichzeitig oder währenddessen verwendet werden.

(16) Lo sconosciuto uscì dalla casa accendendosi una sigaretta (= e si accese una sigaretta.) Der Unbekannte verließ das Haus und zündete sich (dabei) eine Zigarette an.

b) Temporaler Nebensatz (wenn/ während/ als)

(17) Uscendo dalla casa lo sconosciuto si accese una sigaretta (=quando usci…). Als der Unbekannte das Haus verließ, zündete er sich eine Zigarette an.

c) Nebensatz mit Präpositionaladverb (wobei/ wodurch/ womit…)

(18) Lo sconosciuto uscì dalla casa accendendosi una sigaretta. Der Unbekannte verließ das Haus, wobei er sich eine Zigarette anzündete.

Eine andere Möglichkeit besteht in der Wiedergabe durch eine Nominal-

phrase (mit Präposition während/ bei)

(19) Uscendo dalla casa lo sconosciuto si accese una sigaretta (=quando usci…). Beim Verlassen des Hauses zündete sich der Unbekannte eine Zigarette an.

Eine weitere Möglichkeit der Wiedergabe ist das Partizip Präsens. Die

deutsche Partizipialkonstruktion gleicht syntaktisch und semantisch gesehen dem gerundio am ehesten: Wie das gerundio kann sich das Partizip Präsens auf alle Formen des Verbs, auf Singular und Plural, auf alle Genera, Tempora und Modi beziehen und könnte daher als vollkommen übersetzungsäquivalent gelten:

(20) Tenendo i bambini per mano attraversò la strada. Die Kinder an der Hand haltend, überquerte sie die Straße.

Doch auf stilistischer Ebene führt diese Lösung in den meisten Fällen nicht

zu befriedigenden Ergebnissen; sie ist in literarischen Texten möglich, wirkt

12 Vgl. Jung, ebd.

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aber oft veraltet und ist daher nicht „geläufigkeitsäquivalent“13. Nur in wenigen Fällen kann das gerundio mit dem Partizip Präsens wie-

dergegeben werden. Empfehlenswert ist das aber nur beim einfachen gerundio ohne Ergänzungen, vor allem wenn es sich um Ausdrücke des Modus oder eines Begleitumstandes handelt.

(21) Legge balbettando. Er/Sie liest stotternd.

(22) Ci salutò ridendo. Er/Sie verabschiedete sich lachend. 2.2. Temporale Funktion a) Wiedergabe durch Verbalphrase (Temporaler Nebensatz mit wenn/ wäh-rend/ als/ nachdem) (23) Studiando, Eva ascolta musica classica. a. Wenn/Während Eva lernt, hört sie klassische Musik. b) Wiedergabe durch Nominalphrase: Hauptsatz mit Präposition (bei, wäh-rend, nach) (23) b. Beim Lernen/ Während des Lernens hört Eva klassische Musik. (24) Avendo aspettato per cinque ore Eva se n’è andata.. Nach fünfstündigem Warten ist Eva weggegangen. 2.3. Kausale Funktion a) Wiedergabe durch Verbalphrase (Kausaler Nebensatz mit da/ weil) (25) Avendo presentato una tesina durante il semestre, non deve più dare l’esame orale.

a. Da er/sie während des Semesters ein Referat gehalten hat, braucht er/sie die mündliche Prüfung nicht mehr zu machen. b. Er/Sie braucht die mündliche Prüfung nicht mehr zu machen, weil er/sie während des Semesters ein Referat gehalten hat.

b) Wiedergabe durch Nominalphrase (mit Präposition wegen/ durch)

13 Pusch (1978: 211).

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(26) Arrivando con un’ora di ritardo ho perso il treno per Parigi. Wegen der einstündigen Verspätung/ Durch die einstündige Verspätung habe ich den Zug nach Paris verpasst.

2.4. Modale Funktion

a) Wiedergabe durch Verbalphrase (Modaler Nebensatz mit indem/wobei) (27) Lasciò i presenti sghignazzando. a. Er verließ die Anwesenden, indem/wobei er höhnisch lachte. b) Wiedergabe durch Nominalphrase (mit Präposition unter) (27) b. Er verließ die Anwesenden unter höhnischem Lachen. 2.5. Instrumentale Funktion c) Wiedergabe durch Verbalphrase (Instrumentaler Nebensatz mit indem/ dadurch, dass)

(28) Passando un semestre in Germania ha migliorato molto il suo tedesco.

Indem/ Dadurch, dass er/sie ein Semester in Deutschland verbracht hat, hat er/sie sein/ihr Deutsch sehr verbessert.

d) Wiedergabe durch Nominalphrase (mit Präposition durch) (29) Si è mantenuta agli studi facendo la babysitter. Sie hat sich das Studium durch Babysitten finanziert.

2.6. Konditionale Funktion

Wiedergabe durch Verbalphrase (Konditionaler Nebensatz mit wenn/ falls

oder NS ohne Konjunktion)

(30) Andando a guardare tra le facoltà della Sapienza il garante degli studenti è rimasto lettera morta. a. Wenn/ falls man in den Fakultäten der Sapienza nachsieht, ist der Garant für studentische Interessen nur auf dem Papier geblieben. b. Sieht man in den Fakultäten der Sapienza nach, ist der Garant für studenti-sche Interessen nur auf dem Papier geblieben.

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a) Wiedergabe durch Nominalphrase (mit Präposition bei)

(31) Non ottenendo il quorum rimarrebbe in carica l’attuale amministrazione. Bei Nichterreichen des Quorums bliebe die derzeitige Verwaltung im Amt. 2.7. Konzessive Funktion a) Wiedergabe durch Verbalphrase (Konzessiver Nebensatz mit obwohl/auch wenn) (32) Pur avendo una scolarizzazione maggiore molte ragazze preferiscono non fare

carriera. a. Obwohl /Auch wenn sie eine bessere Schulbildung haben, machen viele Mädchen lieber keine Karriere.

b) Wiedergabe durch Nominalphrase (mit Präposition trotz) (32) b. Trotz ihrer besseren Schulbildung machen viele Mädchen lieber keine Kar-

riere.

2.8. Funktion des irrealen Vergleichs In Verbindung mit come oder quasi drückt das gerundio einen irrealen

Vergleich aus, der im Deutschen nur durch eine Verbalphrase mit als ob/ als wiederzugeben ist14.

(33) Ella ascoltò questa mia spiegazione con curiosità, come dimenticando per un

momento la sua ostilità verso di me. Sie hörte meine Erklärung mit Neugierde an, als ob sie ihre Feindseligkeit mir gegenüber für einen Moment vergessen würde.

(34) Mi guardò, come frugandomi nell’anima.

Er sah mich an, als ob er mein Innerstes erforschen wollte/ als wollte er mein Innerstes erforschen.

14 Die italienischen Beispiele stammen von Krenn (1996: 570). In der konsultierten Litera-

tur ist er der Einzige, der auf diese Funktion des gerundio hinweist.

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2.9. Progressive Funktion

2.9.1. stare + gerundio

Diese periphrastische Konstruktion des gerundio drückt eine Handlung aus, die noch nicht abgeschlossen ist.

In der Verbindung mit stare bezieht sich das Subjekt des gerundio nicht notwendigerweise auf das Subjekt des Hauptsatzes wie in den oben behandel-ten Fällen.

a) Wiedergabe durch Verbalphrase (gerade etw. tun/ dabei sein, etwas zu tun)

Wenn die Konstruktion stare + gerundio eine Handlung in einem präzisen

Moment ausdrückt, kann sie im Deutschen mit dem Verb und dem Adverb „gerade“ bzw. mit der Wendung „dabei sein, etwas zu tun“ wiedergegeben werden.

(35) Che cosa stai facendo? Was machst du gerade? (36) Stavo pranzando quando la mia amica mi ha chiamato. Ich aß gerade zu Mittag, als meine Freundin mich anrief. (37) Mentre stavo scrivendo quell’articolo mi è arrivata la bella notizia.

Während ich dabei war, diesen Artikel zu schreiben, erhielt ich die gute Nach-richt.

(38) Era da due anni che stavo lavorando su quel argomento e ormai non ne pote-

vo più. Ich arbeitete schon seit zwei Jahren an diesem Thema und nun reichte es mir.

b) Wiedergabe durch Nominalphrase ( mit Präposition an/ bei + substantivier-ter Infinitiv)

Diese Form findet sich vor allem in der gesprochenen Sprache und wird fast ausschließlich bei Tätigkeitsverben ohne Ergänzung verwendet.

(39) Cosa stai facendo? – Sto stirando. Was machst du gerade? – Ich bin am Bügeln.

(40) Stavo pranzando. Ich war (gerade) beim/am Mittagessen…

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2.9.2. andare + gerundio Mit dieser Konstruktion wird eine fortgesetzte oder wiederholte Handlung

ausgedrückt. Sie kann nur durch eine Verbalphrase wiedergegeben werden (z.B. mit: immer wieder/ immer mehr/ nach und nach/ allmählich)

(41) I posti fissi vanno diminuendo.

Die festen Stellen gehen immer mehr zurück/ nehmen immer mehr ab/ ver-schwinden allmählich.

2.9.3. venire + gerundio

Mit dieser Konstruktion wird eine Handlung ausgedrückt, die sich ihrem Abschluss nähert. Sie kann nur durch eine Verbalphrase wiedergegeben wer-den (z.B. mit: immer/ immer mehr/ nunmehr)

(42) Mi vengo persuadendo che è impossibile lavorare con lui.

Ich komme immer mehr zur Überzeugung, dass es unmöglich ist, mit ihm zu arbeiten.

ÜBERSICHT: WIEDERGABEMÖGLICHKEITEN DES GERUNDIO15

Funktion Verbalphrase mit

Nominalphrase mit

Anmerkungen

Ausdruck der Gleichzeitigkeit

und während wobei

während + Gen. bei + Dat.

Bei Wiedergabe mit und evtl. An-gaben: dabei, gleichzeitig, wäh-renddessen (selten: Partizip Präsens)

Temporale Funktion

als während wenn nachdem wobei

gleichzeitig: bei + Dat. während + Gen nachzeitig: nach + Dat.

Kausale Funktion

weil da wodurch

wegen + Gen. aufgrund + Gen. durch + Akk.

Modale Funktion

indem wobei

unter + Dat. mit + Dat. bei + Dat.

selten: Partizip Präsens

15 Diese Tabelle basiert auf Jung (1987: 253). Zu berücksichtigen: nicht alle Varianten sind

stilistisch gleich gut.

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Instrumentale Funktion

indem dadurch, dass wodurch womit

durch + Akk.

Konditionale Funktion

wenn falls

bei + Dat. im Fall + Gen.

Konzessive Funktion

obwohl wenn… auch

trotz + Gen.

Funktion des irrealen Ver-gleichs

als ob/ als

Progressive Funktion: stare + gerundio andare + gerun-dio venire + gerundio

gerade….. dabei sein + Infinitiv am/beim… sein + substant. Infinitiv immer mehr nach und nach allmählich immer mehr nunmehr

bei + Dat.

Aufgaben und Übungen

A. Kombinieren Sie: Welche gerundio-Form hat welche Funktion? Gibt es auch Fälle mit mehreren möglichen Funktionen? a. Girando l’angolo l’ho visto scappare. b. Pur protestando energicamente non ho ottenuto niente. irrealer Vergleich c. “Mia mamma”, disse l’uomo, stringendola con tenerezza. Koordination mit “und” d. Digiunando per settimane ha perso dieci kg. modal e. Vedendola arrivare in ritardo mi arrabbiai moltissimo. konzessiv f. Capirai tutto ripassando il capitolo. konditional g. Passando le vacanze in Grecia le ragazze si divertivano molto. instrumental

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h. Passando un semestre ad Heidelberg ha migliorato molto il suo tedesco. kausal i. Non avendo prenotato, non abbiamo trovato posto al ristorante. temporal j. Lo guarda, come volendo misurare la distanza che lo separa da lei. B. Ergänzen Sie nun die Übersetzung der oben stehenden Sätze. Bei manchen Sätzen gibt es mehrere Möglichkeiten. a. ………… ich um die Ecke bog, sah ich ihn weglaufen. (temporal) Ich bog um die Ecke .……. sah ihn weglaufen. (Koordination mit „und“) b. …………. ich heftig protestierte, habe ich nichts erreicht. (konzessiv) …………. meines heftigen Protestes habe ich nichts erreicht. (konzessiv) c. - „Meine Mami“, sagte der Mann, ……/…… er sie zärtlich an sich drückte.

(modal/ temporal) - „Meine Mami“, sagte der Mann ….. drückte sie zärtlich an sich. (Koordination mit „und“)

d. ………/ .…… er/sie wochenlang fastete, hat er/sie 10 kg abgenommen.

(instrumental/ kausal) …………..wochenlanges Fasten hat er/sie 10 kg abgenommen. (instrumental) e. ………/……ich sah, dass sie zu spät kam, wurde ich sehr wütend. (tempo-

ral/kausal) f. Du wirst alles verstehen, ………./……… du das Kapitel wiederholst. (instru-

mental/konditional/temporal) ………../……… Wiederholen des Kapitels wirst du alles verstehen. (instrumen-tal/konditional/temporal)

g. ……. sie die Ferien in Griechenland verbrachten, amüsierten sich die Mädchen

sehr. (temporal) h. …… /………. sie ein Semester in Heidelberg verbracht hat, hat sie ihr Deutsch

sehr verbessert. (instrumental) i. ………... wir nicht reserviert hatten, haben wir im Restaurant keinen Platz ge-

funden. (kausal) j. Sie schaut ihn an, ………. wollte sie die Entfernung messen, die sie von ihm

trennt. (Vergleich)

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Sie schaut ihn an, ………. sie die Entfernung messen wollte, die sie von ihm trennt. (Vergleich)

C. Übersetzen Sie die folgenden gerundio-Konstruktionen und verwenden Sie zur Wiedergabe der instrumentalen Funktion indem, dadurch, dass und durch. Beispiel: mangiando sano - indem man gesund isst - dadurch, dass man gesund isst - durch gesundes Essen a. leggendo (lesen) b. aspettando pazientemente (geduldig warten) c. cantando forte (laut singen) d. bussando alla porta (anklopfen) e. recitando una poesia (ein Gedicht aufsagen) f. guardando attentamente (aufmerksam hinschauen) D. Übersetzen Sie die folgenden gerundio- Konstruktionen und verwenden Sie zur Wiedergabe der progressiven Funktion „gerade“, „dabei sein“ und „am/beim“ Beispiel: Max si sta lavando i denti. - Max putzt sich gerade die Zähne. - Max ist dabei sich die Zähne zu putzen. - Max ist gerade am Zähneputzen. (ugs.) a. Piero sta facendo le valigie. (Koffer packen) b. Carlo sta facendo una torta. (Kuchen backen) c. Enrico sta pulendo la casa. (putzen) d. Alessandro sta studiando. (lernen) e. Stefano sta mettendo in ordine la stanza. (aufräumen) f. Paolo sta giocando a calcio. (Fußball spielen) E. Geben Sie die folgenden Sätze jeweils durch Koordination mit und wieder. Benut-zen Sie die angegebenen Vokabeln. Beispiel: È partita lasciando un grande disordine. (sie – abreisen – groß – Unordnung – hinterlassen) Sie ist abgereist und hat eine große Unordnung hinterlassen. a. Laura entrò salutando tutti. (hereinkommen – grüßen – alle). b. L’intervistato replicò duramente parlando di “censura profondamente ingiusta”.

(der Interviewte – reagieren – scharf – sprechen – von – zutiefst – ungerecht – Zensur)

c. Il ministro della salute indiano ha chiesto alle icone del cinema di dare il buon esempio smettendo di fumare nei film.

(indisch – Gesundheitsminister – auffordern – Filmstars – mit gutem Beispiel vo-rangehen – in – Filme – mit – rauchen – aufhören)

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d. I carabinieri hanno sequestrato un quintale di stupefacenti arrestando un uomo in un parcheggio di un’area di servizio.

(Carabinieri – 100 kg – Rauschgift – beschlagnahmen – auf – Parkplatz – Rast-stätte – Mann – festnehmen)

e. Due uomini armati hanno fatto irruzione nell’ufficio, e, minacciando i dipenden-

ti,hanno chiesto 5000 Euro. (zwei Männer – bewaffnet – stürmen + Akk. – Büro – bedrohen – Angestellte – verlangen)

f. Il ragazzo è scappato facendo perdere le proprie tracce. (Junge – weglaufen – verschwinden – spurlos) g. Si guardò attorno incuriosita, studiando tutte quelle facce nuove. (sie – sich umschauen – neugierig – studieren – alle – neu – Gesicht) h. Mi caricai sulle spalle lo zaino, tenendo in ciascuna mano un bagaglio.

( Ich – laden – mir – Rucksack – auf – Schultern – halten – in – jede – Hand– Gepäckstück)

F. In den folgenden Sätzen hat das gerundio die Funktion eines „Modus“ bzw. „Be-gleitumstandes“; Sie können es mit dem Partizip Präsens übersetzen. Hier dürfen Sie auch das Wörterbuch verwenden. Beispiel: Il bambino è venuto da me piangendo. Das Kind kam weinend zu mir. a. Quell’uomo si avvicinò zoppicando. b. Vieni con me, disse sorridendo. c. Guardandosi intorno attentamente raggiunse l’uscita. d. Esitando un po’ accettò l’offerta. e. Mi rivolse queste parole quasi gridando. G. In den folgenden Sätzen hat das gerundio instrumentale/modale bzw. temporale Funktion. Benutzen Sie die Präpositionen „bei“, „durch“ oder „mit“. Beispiel: Si è rotta il braccio sciando. Sie hat sich beim Skifahren den Arm gebrochen. a. Abbiamo passato la serata ridendo e scherzando. b. Si è rotto il piede ballando il tango. c. Ascoltando regolarmente questo CD potrai migliorare anche la pronuncia. d. Leggendo il giornale mi è venuta questa idea. e. Anche urlando non mi convincerai. f. Sbagliando si impara. g. Non era chiaro se la porta si apriva spingendo o tirando.

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H. Verwenden Sie bei der Wiedergabe der folgenden Sätze Präpositionaladverbien („womit“, „wobei“ „wodurch“). Suchen Sie unbekannte Wörter im Wörterbuch. Beispiel: L’automobilista è passato col rosso, provocando un grave incidente. - Der Autofahrer fuhr bei Rot über die Ampel, wodurch er einen schweren Verkehrs-unfall verursachte. a. Gli sciatori sono stati salvati utilizzando anche un elicottero. b. La bibliotecaria ha messo i libri antichi nella vetrina facendo attenzione che i

titoli fossero ben visibili. c. Nel mercato delle automobili, le marche nazionali hanno registrato oltre 73 mila

immatricolazioni, migliorando di 0,3 punti la propria quota di mercato e rag-giungendo il 31,6% del totale.

I. Rekapitulieren Sie noch einmal alle potentiellen Funktionen des gerundio und über-setzen Sie dann: a. Paolo ha fatto ripartire la macchina spingendola. b. Essendo stato aiutato da Giovanni, Paolo ha fatto ripartire la macchina. c. Lavorando insieme, le due amiche si vedono tutti i giorni. d. Avendo chiesto l’autorizzazione ha il diritto di passare. e. Pur avendo vinto il concorso non è ancora stata assunta. f. Parlando lei non posso parlare io. g. Avendolo ordinato il medico lui lo deve accettare. h. È guarita facendo questa cura omeopatica. i. Camminava trascinando i piedi. j. Sì, rispose sorridendo. k. Lasciò il marito portando i bambini con sé. l. Non avendo né lei né il suo partner preso delle precauzioni è rimasta incinta. m. Abbiamo visto la professoressa Gallo uscendo dall’aula. n. Pur avendo gli stessi genitori hanno dei caratteri completamente diversi. o. Avendo perso la password non riesco più a leggere le e-mail. p. Avendo io in tasca i biglietti lei non è riuscita a partire. q. Presto le donne potrebbero procreare facendo a meno dell’intervento maschile. r. Esaminando i tre principali gruppi linguistici, lo studio pubblicato da “Science”

è giunto ad una conclusione interessante. s. Avendo sentito bussare alla porta e avendo detto “Avanti” vidi entrare una si-

gnora bionda. t. Nel dopoguerra la presenza femminile nelle scuole andava aumentando. u. Era l’argomento principale di cui si stava occupando in quegli anni. J. Übersetzen Sie folgende Ausschnitte aus Andante con tenerezza von Laura Manci-nelli (2007, Torino, Einaudi). a. Forse avevo commesso un peccato di superbia chiedendo di scrivere la mia tesi

su Giacomo Leopardi. (53) b. Quanti siete quest’anno! – esclamò il professore vedendoci. […] Bene, bene,

vedo che andiamo aumentando. L’anno scorso eravate tre. (54)

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c. Ho scoperto la letteratura medievale, ricchissima e talmente sconosciuta, allora, che i corsi di tedesco cominciavano dal Settecento, ignorando tutto quello che c’era stato prima. (54)

d. Mi sedevo alla macchina da scrivere su cui stavo ribattendo la mia tesi di laurea. (56)

e. … a Rapallo mi sentivo a casa mia, essendo la città a pochi chilometri da Cavi. (131-132)

f. Terminati gli impegni universitari scappai a Cavi, godendo avidamente del sole e dell’acqua (132).

g. Lì portai a termine il mio ultimo libro di germanistica, una storia della letteratu-ra medievale […] su cui avevo lavorato già a lungo traducendo le opere che più mi piacevano. (132)

h. …La fatica di quel libro a cui stavo lavorando da più di due anni…(134) K. Übersetzen Sie den folgenden (gekürzten) Ausschnitt aus der Kurzbiographie von Laura Conti: Laura Conti, unica autrice italiana di „ecologia narrata“, nacque a Udine e trascor-se la giovinezza a Milano dove frequentò la facoltà di medicina. Di famiglia antifa-scista, nel 1944 entrò nelle brigate del Fronte della gioventù, e nell’agosto dello stesso anno venne arrestata e deportata in un campo di smistamento di Bolzano. Nel 1965, nel romanzo „la condizione sperimentale”, avrebbe raccontato di un lager di transito, trasferendo per la prima volta una tale esperienza in una narrazione. Nel campo di concentramento costruì una fitta rete di comunicazione con i partigiani e fece memoria di questo intenso e sofferto periodo della storia, curando nel 1961 l’imponente „Bibliografia della stampa clandestina antifascista”. Venne liberata il 1 maggio 1945. Riprese gli studi di medicina, laureandosi nel 1949. Si specializzò in medicina occupandosi in particolare di ortopedia infantile. Alla sua professione di medica affiancò l’impegno politico nel Partito Comunista Italiano ricoprendo tra il 1960 e il 1970 la carica di Consigliera provinciale a Mila-no. Arrivò all’ ecologia attraverso tre tappe: dalla medicina, rendendosi conto che le vere conquiste nel campo della salute possono essere fatte solo nell’ambito della prevenzione; dalla scoperta dei nessi fra l’economia e l’ecologia, e, infine, dalla constatazione di una inadeguatezza della scienza rispetto alla tecnologia. Nel 1976, con l’incidente avvenuto a Seveso, il suo nome venne conosciuto dal grande pubblico in quanto con coraggio condusse per anni una durissima campagna contro quanti volevano minimizzare il disastro ed eludere responsabilità politiche e civili. Nel 1978 scrisse „Una lepre con la faccia da bambina”, un romanzo ispirato a quel dramma. Nello stesso periodo cominciò ad affrontare i problemi e i limiti della scelta nucleare, contro la quale si oppose spiegandone le ragioni scientifiche. Nella convinzione che la cultura ambientalista dovesse tradursi in una pratica politi-ca, lavorò alla fondazione della Lega per l’Ambiente (più tardi Legambiente) diven-tando una presenza autorevole nell’ambientalismo italiano. (Sara Sesti/ Liliana Moro, Scienziate nel tempo. 60 biografie. Milano 2006: 162f.)

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Literatur Übungsbücher (nicht mehr im Handel) Gras Ferraresi B., Tomelleri Kromberg L. (1994), Confronti/ Vergleiche, Bologna,

Zanichelli, 172-177. Fuchs H. P., Poznanski M. C. (ohne Jahr), Strukturen. Ein Deutschkurs für Fortge-

schrittene. Übungen zur Übersetzung, Rom, LEDE, 155-156. Forschungsliteratur: Bosco Coletsos S., Costa M. (Hgg.) (2006), Italiano e tedesco. Un confronto, Ales-

sandria, Edizioni dell’Orso, 291-293. Held G. (1982), “La struttura del gerundio-participio presente nell’analisi critica delle

traduzioni. Discussione di un metodo contrastivo”, SLI 20, 315-338. Jung L. (1987), „Fehleranalyse Italienisch-Deutsch. Il gerundio”, in Destro A. et al.

(Hgg.), Tradurre, Teoria ed esperienze, Bolzano, Provincia Autonoma, 247-256. Pusch L. F. (1978), „Das Gerundio als Ausdruck der Gewichtung: Eine kontrastive

Untersuchung am Deutschen und Italienischen“ in Schwarze, C., Kasusgrammatik und Sprachvergleich. Kontrastive Analysen zum Italienischen und Deutschen, Band 2, Tübingen, Narr, 188-230.

Pusch L. F. (1980), Kontrastive Untersuchungen zum italienischen gerundio. Instru-mental- und Modalsätze und das Problem der Individuierung von Ereignissen, Tübingen, Niemeyer.

Serra Borneto C. (1982), „ Zur Übersetzung des italienischen Gerunds ins Deutsche. Eine konfrontative Studie“ ZPhon (Zeitschrift für Phonetik, Sprachwissenschaft und Kommunikationsforschung) 35, 439-453.

Grammatiken Krenn H. (1996), Italienische Grammatik, Ismaning, Hueber, 564-577. Renzi L., Salvi G., Cardinaletti A. (Hgg.) (2001), Grande grammatica italiana di

consultazione, Vol. II, Bologna, il Mulino, 571-592. Schwarze, C. (1988), Grammatik der italienischen Sprache, Tübingen, Niemeyer,

189-192. Serianni, L. (2006), Grammatica italiana. Italiano comune e lingua letteraria. Nova-

ra, De Agostini, 484-486.

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DIE SPRACHE DER DICHTER UND DENKER: BEWEGT DIE SATZKLAMMER DEN GEIST?

Marita Kaiser

1. Überlegungen zu Sprachbau und Sprachverhalten

Während Italienisch gerne als eine Sprache der Heiligen und Helden cha-rakterisiert wird, ist Deutsch eine Sprache, die gerne den Dichtern und Den-kern zugeordnet wird.

Ob nun Heilige, Helden, Dichter oder Denker, Sprache ist – in welcher Weste auch immer – „Tätigkeit“, ist „wirkende Kraft“. Sie ist nicht ein „da liegender, in seinem Ganzen überschaubarer (…) Stoff“, sondern ein „sich ewig erzeugender Prozess“ (Humboldt 1903/1936, Bd.8: 58). Sie macht „von endlichen Mitteln einen unendlichen Gebrauch“ (ebd., S. 99).

Dennoch ist festzuhalten, dass jede Sprache entsprechend ihrer spezifi-schen Form über ein determiniertes – von anderen Sprachen verschiedenes – Inventar an semantischen und strukturellen Möglichkeiten verfügt, innerhalb derer der Mensch seine Gedanken ordnet, Informationen speichert, die Welt versteht und innerhalb derer er sich ausdrückt, d.h. sprachlich agiert. W. v. Humboldt (1767-1859) hat in seinen Forschungen „Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaus und ihren Einfluss auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts“1 die Theorie vertreten, dass die Sprache das Den-ken und die Wahrnehmung von Welt der jeweiligen Mitglieder einer Sprach-gemeinschaft auf eine bestimmte Art und Weise strukturiert und determiniert2.

1 W. v. Humboldt (1835), S. 144-367. 2 Zu weiteren Vertretern dieser von Humboldt erarbeiteten sprachwissenschaftlichen Kon-

zeption zählen in Deutschland vor allem Leo Weisgerber (1899-1985), Walter Porzig (1895-1961) und Jost Trier (1894-1970), sowie unabhängig davon in Amerika die ethnolinguistisch motivierten Vertreter der Sapir-Whorf-Hypothese, bei der es sich um eine von Benjamin Lee Whorf (1897-1941) auf der Basis der Sprachauffassung seines Lehrers Edward Sapir (1884-1939) entwickelten Forschungshypothese gleichen Charakters handelt.

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Beruht sprachliches Handeln prinzipiell auf vier Kompetenzen und zwar auf einem im mentalen Lexikon gespeicherten Inventar von Einzelelementen in Form von Lauten und Wörtern, auf den Verknüpfungsregeln dieser Einzel-elemente in Form von syntaktischen Strukturen, auf der Integration von Aus-sage und Bedeutung auf sinnhafter, propositionaler Ebene und auf der Integra-tion des Satzes in den laufenden Diskurs, bzw. in den situativen Kontext (vgl. Bußmann 32002: 637), so verdeutlicht gerade das Zusammenwirken, die In-teraktion dieser vier Kompetenzen, wie beim „worten“ der Welt die menschli-che Erkenntnis in direkter Relation zu den semantischen und strukturellen Möglichkeiten ihrer Sprache steht.

Geht man nun von einem kompletten sprachlichen Determinismus oder von einer wechselseitigen Beeinflussung von Sprache und Denken aus, so ist doch festzuhalten, dass die Eigenschaften von Sätzen oder von Konstituenten des Satzes wichtige Signale der kommunikativen Struktur darstellen, weil sie in direkter Beziehung zum gedanklichen Inhalt der Äußerung stehen (vgl. Schwarze 1988: 680), oder: die Äußerung bestimmter Inhalte steht in direk-tem Bezug zum Satz, seiner Form und Funktion.

„Diese mentale Grammatik ist mit dem mentalen Lexikon verbunden, das den Wort-schatz einer Sprache enthält. Während die Eigenschaften der Lexikoneinheiten nicht durch Regeln abgeleitet und daher Element für Element gelernt werden müssen, be-steht das grammatische System aus Regeln und Prinzipien, die festlegen, in welcher Weise die Lexikoneinheiten zu komplexen Syntagmen (also zu größeren Einheiten, in erster Linie zu Sätzen) kombiniert werden können.“ (Jungen – Lohnstein 2006: 9)

Beim Erwerb des Deutschen als Fremdsprache erweist sich also gerade das

grammatische System als ein sprachliches Identifikationselement, das sich immer wieder – gerade weil es auf Regeln und Prinzipien beruht – an den im Spracherwerbsprozess erworbenen sinngebenden, muttersprachlichen Struktu-ren orientiert, die vor allem hinsichtlich der Syntax in einem starken Kontrast zum Deutschen stehen:

Während der italienische Satz in seiner linearen Struktur (vgl. Schwarze 1988: 323f.) den Gedanken auf eine kontinuierliche Weise begleitet, beruht der deutsche (und niederländische) auf einem Grundprinzip des diskontinuier-lichen3 Satzbaus, der durch die sog. Satzklammer (auch Verbklammer, Prädi-katsklammer oder verbale Klammer) charakterisiert ist:

„Das Deutsche weist neben der Zweitstellung des finiten Verbs noch die Eigenheit auf, die weiteren Prädikatsteile (z.B. infinite Verben oder trennbare Verbzusätze) an die letzte Position im Satz zu stellen. Man spricht hier von der verbalen Klammer des

3 Vgl. Kessel – Reimann 2005: 2, die von einem “diskontinuierlichen Prädikat” sprechen.

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Deutschen. Diese hat den Nachteil, dass der Leser/Hörer einer Nachricht unter Um-ständen sehr lange auf die eigentliche Satzaussage warten muss, nämlich dann, wenn die Prädikatsteile sehr weit voneinander entfernt stehen.“ (Kessel – Reimann 2005: 9), wie zum Beispiel: (1) Der Polizeichef hörte den Politiker auf seiner langen Reise gegen den erneut

aufblühenden Rassismus in Südafrika a. ab. b. viele interessante Dinge sagen. (2) Karin hat ihrem Freund den Kinobesuch bei schlechtem und den Spaziergang

bei schönem Wetter a. zu-/abgesagt. b. vorgeschlagen. c. versprochen. Die Position des mehrteiligen Prädikats im Deutschen erfordert also die

Kernaussage des Satzes bis zum Ende wach zu halten, um ihn wirklich ver-stehen zu können (vgl. Gras Ferraresi - Tomelleri Kromberg 1994: 119 ). Dies bedingt eine Spannung im Satz, die sowohl bei der Produktion als auch bei der Rezeption besondere Aufmerksamkeit verlangt und vielleicht gerade des-halb nicht nur das sprachliche Verhalten, sondern auch die Mentalität, die sprachliche Kultur einer Sprachgemeinschaft im weitesten Sinne beeinflusst: Die bewusste Platzierung einzelner Satzelemente auf ein bestimmtes, zu defi-nierendes, verbales Ziel hin bedarf einer Art der Konzentration, die vielleicht eine Kultur des sprachlichen Agierens bevorteilt hat, in der ungestörtes Aus-sprechen-Lassen und gezieltes Zuhören so hoch bewertet werden. Vielleicht liegt auch in dieser gespannten Ausformulierung durch gezielte Platzierung der einzelnen Satzelemente eine Ursache für jenes tiefsinnige, nachdenkliche sinnierende Element deutscher Weltansicht, das sich für die logische Ver-knüpfung komplexer Systeme, deren kontinuierlicher Hinterfragung und Wei-terentwicklung, wie z.B. in der Philosophie, so gut eignet.

Bildet zwar der Satz eine relativ selbständige, abgeschlossene sprachliche Einheit, so wird er in der Regel zusammen mit anderen Sätzen zu einem Text in der geschriebenen Sprache oder einem Diskurs in der gesprochenen Spra-che kombiniert. Dabei markieren die Interpunktion im Text und der Intonati-onsverlauf im Diskurs sowohl grammatische als auch semantische Aspekte der Sprache, die sich im Deutschen anders als im Italienischen hauptsächlich an syntaktischen Strukturen orientieren (vgl. Behrens 1989). Die Kennzeich-nung des Satzes durch eine klare Interpunktion oder Intonation bildet gerade auch wegen der Endposition einzelner Prädikatsteile und der damit bedingten Spannung im Satz einen wichtigen Faktor beim Verstehen von Text und Dis-kurs. Erlaubt der Satzbau auch komplexeste Strukturen, so ist es vor allem im fremdsprachlichen Bereich ratsam, nur eine begrenzte Anzahl von Kompo-

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nenten zu einem Satz zusammenzusetzen damit dieser nicht kollabiert. Öfter mal einen Punkt zu setzen, erfordert das Thema, den Inhalt einer sprachlichen Handlung – oft im Kontrast zum Italienischen – in mehrere kleine sprachliche Einheiten (Sätze) zu zerlegen, die dann entsprechend der Regeln der Kohäsion und Kohärenz aufeinander bezogen den kognitiv-kommunikativen Sinnzu-sammenhang des Gesamttextes oder -diskurses ergeben4.

Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass der deutsche Satz-bau nicht nur hinsichtlich des grammatischen Regelsystems in starkem Kon-trast zur muttersprachlich erworbenen, italienischen mentalen Grammatik steht, sondern auch darüber hinaus das kommunikative Verhalten in der Sprachverwendung wesentlich beeinflusst. Unterliegen auch grammatische und kommunikative Kompetenz unterschiedlichen Regeln und Prinzipien, so wird doch gerade auch am sprachlichen Verhalten unterschiedlicher Kulturen deutlich, wie grammatische Strukturen und Relationen die Kultur sprachlicher Interaktion prägen können. 2. Das Grundprinzip der deutschen Wortstellung: die Satzklammer und ihre topologischen Felder

Entsprechend einer Redensart behauptet sich im Deutschen als der stärke-re, rechtmäßige und damit entscheidende Partner im Diskurs, wer das letzte Wort hat. Ob sich dies aus der Endposition vieler Prädikatsformen ableitet, bleibt dahin gestellt. Sicher ist jedoch, dass das letzte Wort in vielen Satzarten entscheidend ist für die formale, grammatische Richtigkeit des Satzes und für seine Bedeutung und Funktion im Kontext.

„Wenn wir (also) sprechen oder etwas schreiben, so sind unsere Äußerun-gen nicht einzelne unzusammenhängende Wörter, sondern größere Kombina-tionen von Wörtern, das heißt Sätze. Es ist leicht zu sehen, dass die Wörter nicht wahllos zu Sätzen kombiniert werden können“ (Meibauer et al. 22007: 121), sondern einem Regelsystem folgen5. Für die Beschreibung dieses Regelsystems ist im Deutschen vor allem die Position des Verbs von zentraler

4 Kohäsion oder auch grammatische Kohärenz bezeichnet jene Elemente in einem Text, die

zur Verknüpfung der Textteile führen, wie z.B. durch Wiederholungen, Rekurrenzen, Textver-weisen, Pro-Formen, Ellipsen, Konjunktionen, etc. Die semantische Kohärenz betrifft den inneren Zusammenhang, die verdeckte Verknüpfung von Textelementen durch das Weltwissen, das Sprechhandlungswissen und das Textsortenwissen der Kommunikationspartner (vgl. u.a. Kürschner 62008: 223ff.; Kessel – Reimann 2005: 199ff.; Adamzik 2004; Beaugrande – Dress-ler 1981; Bußmann 32002: 357; Knobloch 1994; Rickheit – Schade 2000).

5 Die Regeln, nach denen Wörter zu grammatischen Sätzen kombiniert werden, sind der zentrale Gegenstand der Syntax (Lehre vom Bau der Sätze).

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Bedeutung. Der traditionellen Schulgrammatik6 folgend übernehmen Verben als eine konjugierbare Wortart im Satz die Funktion des Prädikats, das auf das Subjekt bezogene Vorgänge, Zustände oder Handlungen bezeichnet. In seiner Kongruenz bezüglich Person und Numerus ist das Prädikat mit der finiten Verbform direkt auf das Subjekt bezogen. So besteht ein Satz in seiner mini-malen Form aus mindestens diesen zwei Satzgliedern: dem „prädikativen Teil, der ein finites Verb enthalten muss, und einem nominalen Satzglied an Subjektstelle.“ (Pospiech 52005: 125)7. Neben Subjekt und Prädikat als Min-destbesetzung für einen Satz können weitere Satzglieder in Form von Objek-ten, adverbialen Bestimmungen und Attributen den Satz in seiner Komplexität erweitern. Hier eine Übersicht (nach Kürschner 62008: 176):

6 Da die Grammatikbeschreibung vom Griechischen auf das Lateinische und schließlich auf

die deutsche Sprache übertragen wurden, bildet die Terminologie der lateinischen Grammatik das Grundgerüst zahlreicher Grammatiken in Schule und Universität und auch im Bereich DaF. Deshalb werden hier die Grundbegriffe der Syntax aus dieser Perspektive beschrieben. “Die Wortarten- und Satzgliedlehre der traditionellen Schulgrammatik verbindet formale und inhalt-liche Aspekte der Syntax mit Grundkategorien der Logik.” (Pospiech 52005: 128)

7 Ausgehend von der Dependenzgrammatik bestimmt das Verb auf Grund seiner Valenz Zahl und Art aller obligatorischen Elemente des Satzes. (s. auch den Beitrag von Nied Curcio zur Valenz in diesem Band sowie Dürr – Schlobinski 32006: 109-164)

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Die Satzart wird dann vor allem durch die Stellung des finiten Verbs als notwendigem Teil des Prädikats in seiner syntaktischen Struktur und kommu-nikativen Funktion gekennzeichnet. Aus den drei Verb-Stellungen im Deut-schen: Erst-, Zweit- und Letztstellung, leiten sich unter Berücksichtigung des Modusgebrauchs und der Intonation/Interpunktion (mindestens) vier Satzarten ab: Aussage-, Frage-, Aufforderungs- und Ausrufesatz:

Stellung des Verbs: Satzart: Beispiel: Verb-Erststellung = Stirnsatz

Entscheidungsfrage:

Trinkst du einen Kaffee? Fährt sie mit dem Auto?

Aufforderungssatz: (Befehlssatz)

Nimm die Medizin! Schreibt einen Aufsatz!

Ausrufesatz (Wunschsatz8)

Ginge doch die Sonne auf. Wäre doch endlich Sommer.

Verb-Zweitstellung = Kernsatz

Hauptsatz: Aussagesatz

Er geht nach Hause. Ich möchte den Bus nehmen.

Ergänzungsfrage:

Warum kommt er so spät? Wohin gehst du?

Verb-Letztstellung = Spannsatz

Nebensatz: durch Subjunktion oder Relativwort

…, dass er nach Hause geht. …, weil sie einen Brief liest. …, die Karin heisst.

Gilt in der Regel, dass Hauptsätze Kernsätze und Nebensätze Spannsätze

sind, so dient diese Unterteilung der Satztypen auch um die Form des Satzes näher zu bestimmen.

„Haben wir lediglich ein finites Verb (in Zweitstellung) dann liegt ein einfacher Satz vor. Wenn mehr als ein finites Verb (und damit mehr als ein Prädikat) vorkommt, dann ist das zunächst ein komplexer (= zusammengesetzter) Satz. Er kann eine Satz-reihe (Parataxe) mit einer Reihung von Hauptsätzen9 oder ein Satzgefüge (Hypotaxe) mit einer hierarchischen Struktur von Hauptsatz/Hauptsätzen und mindestens einem untergeordneten Nebensatz sein.“ (Kessel – Reimann 2005: 6)

Neben mehreren Prädikaten in einer Satzreihe oder einem Satzgefüge exis-

tiert auch im einfachen Satz das mehrteilige Prädikat, das sich aus zwei Be-standteilen zusammensetzen kann: Dem finiten, d.h. nach Person, Numerus,

8 Der Wunschsatz bezeichnet einen konjunktivischen Ausrufesatz und wird in einigen

Grammatiken als eigene Satzart bezeichnet. 9 Es handelt sich hierbei um die Hauptsätze, die hauptsächlich durch die sogenannten aduso

(aber, denn, und, sondern, oder) Konjunktionen miteinander verbunden werden.

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Tempus, Modus, Genus konjugierten Verb und dem infiniten, d.h. nach Tem-pus und Genus bestimmten Verbzusatz (= Infinitiv oder Partizip). Das mehr-teilige Prädikat:

finitesVerb …. infiniter Verbzusatz Tempus/Genus/Modus Vollverb -- / Präfix Präsens/Präteritum Hilfsverb: haben/sein

Partizip II

Perfekt

hatte/war Partizip II Plusquamperfekt werden Infinitiv Futur I werden Partizip II +

Infinitiv: haben/sein Futur II

werden Partizip II Passiv Modalverb Infinitiv Modus

Diese zwei Teile eines einzigen Prädikats bilden zusammen die sogenannte

Satzklammer, „d.h. der finite Teil des konjugierten Verbs umrahmt zusammen mit dem infiniten Teil die Verbalphrase. Auch Verben mit trennbaren Präfi-xen bilden eine Prädikatsklammer.“ (Pospiech 52005: 132) Das zweiteilige Prädikat wird deshalb als diskontinuierlich bezeichnet, weil die zwei Teile durch andere Satzglieder voneinander getrennt werden und nicht wie im Ita-lienischen kontinuierlich aufeinander folgen, wie zum Beispiel:

(3) Ho comprato carne e verdura per la cena sta sera. Ich habe Fleisch und Gemüse für das Abendessen heute Abend gekauft.

Aus der Diskontinuität von finitem und infinitem Prädikatsteil leitet sich die Einteilung des deutschen Satzes in topologische Felder10 ab, die durch die Satzklammer bestimmt werden: Das finite Verb bildet in Verberst- (V1) und Verbzweitstellung (V2) die linke Satzklammer und in Verbletztstellung (VL) die rechte Klammer.

„Die Position vor der linken Klammer in V2-Sätzen wird gewöhnlich als Vorfeld (VF) und die Position hinter der rechten Klammer als Nachfeld (NF) bezeichnet, zu denen noch das Mittelfeld (MF) als die Position zwischen der linken und rechten Klammer hinzukommt.“ (Meibauer et al. 22007: 123):

10 Dieser Bezeichnung „liegt die Annahme zugrunde, dass die Sätze im Deutschen aus meh-

reren aufeinander folgenden Bereichen bestehen, die mit einzelnen Wörtern oder Wortfolgen besetzt sind und die auch als (…) Stellungsfelder bezeichnet werden (dazu Engel 1970, Reis 1980 und vor allem Höhle 1986).” (Meibauer et al. 22007: 123)

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Satzklammer

Vorfeld linke Klammer Mittelfeld rechte Klammer Nachfeld (a) ٪ Hast du einen Kaffee getrunken? ٪ Ginge doch die Sonne auf. (b) ٪ Hör endlich auf damit! (c) ٪ Kommst du? ٪ Wäre doch ….. (d) ٪ Kommt! (g) Sie schläft. (h) Er segelt gerne. (i) Ich möchte den Bus nehmen. Wer ist so spät gekommen? Darauf kannst du noch lange warten. (j) Er ist heute besser geschwommen als ich. Er hat heute Mittag versucht zu essen. (k) Ich weiss, was in der

Tasche ist. (l) ٪ , was ist. (m) ٪ , die sie hat lesen müssen. ٪ , dass er ihm ein Buch geschenkt hat.

Bezüglich der Besetzung der topologischen Felder lassen sich entspre-

chend der Verbstellung im Satz folgende Regeln aufstellen: Generell gilt (vgl. auch Meibauer et al. 22007: 125): - Mittelfeld, rechte Satzklammer und das Nachfeld müssen nicht unbedingt besetzt sein. - Die linke Satzklammer ist immer besetzt. - Nur V2-Sätze haben ein Vorfeld. - „Weil infinite Verben nicht in der linken Satzklammer stehen können, sind alle V1- und V2-Sätze finit und alle infiniten Sätze VL-Sätze.“ - In allen VL-Sätzen muss die rechte Klammer besetzt sein. Stirnsatz: Verberststellung (V1) Diese Satzart weist kein Vorfeld auf. Bei einem einteiligen Prädikat besteht der Satz mindestens aus der linken Satzklammer: (d) Aufforderungssatz. Bei der Entscheidungsfrage (c) oder dem Wunschsatz (c) folgt der linken Klam-

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mer das Nachfeld11. Bei einem zweiteiligen Prädikat besteht jeder Typ des Stirnsatzes mindestens aus der linken Satzklammer, dem Mittelfeld und der rechten Satzklammer (a), der sich gegebenenfalls ein Nachfeld anschließen kann (b). Kernsatz: Verbzweitstellung (V2) Diese Satzart hat immer eine Vorfeldbesetzung, der sich beim einteiligen Prädikat zumindest die linke Satzklammer (g) anschließt. Bei zweiteiligem Prädikat müssen zumindest Vorfeld, linke und rechte Satzklammer (i) besetzt sein. Die Besetzung des Mittel- und Nachfelds ist fakultativ (j) oder hängt von der Satzform (j) ab. Spannsatz: Verbletztstellung (VL) Diese Satzart wird in der Regel durch einen Kernsatz (Haupt-, Aussagesatz) eingeleitet. Der Spannsatz besteht dann mindestens aus der linken und rechten Satzklammer (l), in der Regel jedoch auch aus dem Mittelfeld, in dem zumin-dest das Subjekt des Satzes erscheint (m). Die linke Klammer wird durch die Subjunktion, das Relativwort oder das Fragewort bei der Ergänzungsfrage in ihrer indirekten Form besetzt. Kontrastiv kann hier als Regel für den Hauptsatz festgehalten werden: - Während im Italienischen das mehrteilige Prädikat als Einheit auftritt,

können im Deutschen finites und infinites Verb durch bestimmte Satzglie-der voneinander getrennt werden:

(4) Ho visto un film al cinema.

Ich habe einen Film im Kino gesehen.

- Im Italienischen ist die Position des Prädikats frei bestimmbar. Im Deut-schen befindet sich die finite Verbform immer in der zweiten Position (linke Satzklammer). Dem konjugierten Verb kann also nur ein Satzele-ment vorausgehen, auch wenn es aus mehreren Wörtern besteht oder so-gar aus einem kompletten Nebensatz:

(5) Impariamo il tedesco.

Wir lernen Deutsch. (6) [Molti allievi] [si] trovano già sul livello A2.

Viele Schüler befinden sich bereits auf dem Niveau A2.

11 Ich lehne mich hier an das Konzept Kürschners an: Wenn beim einteiligen Prädikat keine

rechte Klammer existiert, kann auch kein Mittelfeld existieren. Der linken Klammer folgt in diesem Fall das Nachfeld, das bei Kürschner Nachstellungsfeld heißt. (Kürschner 62008: 202)

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(7) [Oggi] [mio marito] [si] trova a Parigi. Heute befindet sich mein Mann in Paris.

(8) Dopo aver visto il film, [gli amici] andarono al bar. Nachdem sie den Film gesehen hatten, gingen die Freunde ins Café.

Als Regel für den Nebensatz gilt: - Der Nebensatz im Italienischen weist keine strukturellen Unterschiede

zum Hauptsatz auf. Im Deutschen hingegen besetzt das finite Verb im un-tergeordneten Nebensatz12 immer die letzte Position im Satz. Als einzige Ausnahme gilt hier der doppelte Infinitiv bei den zusammengesetzten Zei-ten der Modalverben.

- Das Subjekt folgt im Nebensatz fast immer der linken Satzklammer, die durch die Subjunktion oder das Relativwort besetzt ist.

- Das Präfix trennbarer Verben vereint sich im Nebensatz wieder mit dem Verbstamm.

- Bei den zusammengesetzten Zeiten der Modalverben (Futur/Perfekt/ Plusquamperfekt) steht das finite Verb als Ausnahme unmittelbar vor dem doppelten Infinitiv.

3. Die Besetzung von Vor- und Mittelfeld

Das Vorfeld ist das Stellungsfeld, das vor der linken Satzklammer steht und nur bei Kernsätzen vorkommt. Es kann durch Satzglieder besetzt werden, die vor dem finiten Verb stehen können. Normalerweise wird das Vorfeld von nur einem Satzglied besetzt. Entsprechend der Grundwortstellung Subjekt-Verb-Objekt (SVO) gilt im Deutschen – wie in den meisten Sprachen der Welt –, dass „im einfachen Aussagesatz die Satzteile, die in Subjektfunktion stehen, dem verbalen Prädikat vorangehen, und die Satzteile, die in Objekt-funktion stehen, dem verbalen Prädikat nachgestellt sind.“ (Dürr – Schlo-binski 32006: 132) Demzufolge befindet sich also in der Regel bei der norma-len unmarkierten Wortstellung das Subjekt im Vorfeld und alle anderen Satz-glieder wie z. B. Objekte und adverbiale Bestimmungen im Mittelfeld.

Im Unterschied zu dieser normalen Grundwortstellung (SVO) kann aber auch entsprechend der Sprechsituation und der Absicht des Sprechers jedes einzelne Satzglied aus dem Mittelfeld ins Vorfeld versetzt werden. Das im Vorfeld genannte Satzglied erfährt so gemäß der kommunikativen Funktion

12 Hierbei handelt es sich um Nebensätze, die durch Relativworte oder Subjunktionen wie

z.B. weil, dass, nachdem, seitdem, etc. eingeleitet werden.

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eine besondere Markierung13. Bezüglich des Satzbaus bedeutet dies für das Subjekt, dass es im Deutschen dem finiten Verb direkt nachgestellt wird und so durch Inversion ins Mittelfeld rückt. Hier einige Beispiele:

Satzklammer

Vorfeld Mittelfeld Ich möchte Peter einen Mantel kaufen. Peter möchte ich einen Mantel kaufen. Einen Mantel möchte ich Peter kaufen Wir fangen heute den Unterricht um 8.15 Uhr an. Heute fangen wir den Unterricht um 8.15 Uhr an. Den Unterricht fangen wir heute um 8.15 Uhr an. Um 8.15 Uhr fangen wir heute den Unterricht an Er hat es ihr letzte Woche nicht gezeigt. Letzte Woche hat er es ihr nicht gezeigt. Ihr hat er es letzte Woche nicht gezeigt.

Abgesehen von der unbeweglichen, fest definierten Position des finiten

und infiniten Verbs, sind alle anderen Satzglieder beweglich. Sie können, ob in Subjekt- oder Objektfunktion bis hin zu adverbialen Bestimmungen etc., relativ frei in Vor- oder Mittelfeld platziert werden. Befindet sich das Subjekt im Vorfeld, so spricht man von einer normalen, unmarkierten Grundwortstel-lung. Befindet sich ein anderes Satzglied im Vorfeld, so erfährt dieses eine besondere Markierung: entweder als betontes Element oder als Verbindungs-element zu bereits Gesagtem. Das Deutsche tendiert „Altes“, bereits Erwähn-tes vor der neuen Information im Satz zu nennen. Das Neue – als Kernaussa-ge – steht dann oft gegen Ende des Satzes. Deshalb wird das Vorfeld im Kon-text eines Textes oder Diskurses meist durch bereits Erwähntes oder Bekann-tes besetzt, wie zum Beispiel:

(9) Ich kenne die Musikgruppe. Sie ist im September in Frankfurt aufgetreten.

Diese Stadt hat eine wunderbare Konzerthalle. Durch ihre einmalige Akkustik wurde der Stil der Musikgruppe besonders hervorgehoben. ….

Darüber hinaus werden im Deutschen auch gerne temporale Adverbialbe-

stimmungen an erster Stelle, im Vorfeld genannt. Neben diesen Satzgliedern können außerdem im Vorfeld auch stehen:

13 Auch Topikalisierung oder Fokussierung genannt. (Vgl. Dürr – Schlobinski 32006: 134.)

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Nebensatz : Dass die Prüfung schwer ist, weiß ich.

Infinitiv mit zu: Zu regnen hat es aufgehört.

Platzhalter es Es hat ihn gefreut, dich zu sehen. Prädikatsteile: So heiß war es schon lange nicht mehr.

Hinzu kommt die Feuchtigkeit.

Nicht im Vorfeld zu nennen sind u.a. die meisten Partikeln, die Vernei-nung nicht, das Reflexivpronomen sich, das Personalpronomen es als Akkusa-tivobjekt, das Indefinitpronomen ein im Akkusativ und Dativ.

Das Mittelfeld befindet sich zwischen den beiden Satzklammern und kann

durch die verschiedensten Satzglieder besetzt werden. Die Zahl und Art ist im Prinzip unbegrenzt. Neben den obligatorischen, durch die Valenz des Verbs bestimmten Ergänzungen14 und den fakultativen Ergänzungen können peri-phere Angaben jeglicher Art stehen. Die Reihenfolge der einzelnen Satzglie-der ist relativ frei und wird nur durch wenige Regeln, die sich sogar teilweise widersprechen, festgelegt. Wie bei der Vorfeldbesetzung spielen auch hier nicht nur grammatische Faktoren eine Rolle, sondern vor allem auch semanti-sche oder pragmatische Kriterien hinsichtlich der Markierung einzelner Satz-glieder, die die Sprechsituation und Absicht des Sprechers unterstreichen hel-fen. Zum Beispiel:

Satzklammer Vorfeld Mittelfeld Ich möchte Peter in Frankfurt einen Mantel kaufen. Ich möchte in Frankfurt Peter einen Mantel kaufen. Ich möchte Peter einen Mantel in Frankfurt kaufen. Ich konnte mich gestern wegen des Streiks mit Peter nicht treffen. Ich konnte mich wegen des Streiks gestern nicht mit Peter treffen. Ich konnte mich mit Peter nicht gestern wegen des Streiks treffen. Wir fangen heute den Unterricht um 8.15 Uhr an. Wir fangen den Unterricht heute um 8.15 Uhr an. Wir fangen heute um 8.15 Uhr den Unterricht an. Wir fangen um 8.15 Uhr den Unterricht heute an Er hat es ihr letzte Woche nicht gezeigt.

14 Vgl. auch die Beiträge in diesem Band von Nied Curcio zur Valenz und von Kaiser zu

den Verben mit Präpositivergänzung und ihren Pro-Formen.

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4. Die Reihenfolge der Satzglieder im Mittelfeld

Bei den Variationen in der Wortstellung spielt die Markierung einzelner Satzglieder eine zentrale Rolle. Dennoch existieren einige Tendenzen im Sprachgebrauch, die die Grundwortstellung im Mittelfeld regeln:

Subjekt ►Dativobjekt ►Akkusativobjekt ►Freie Adverbialien ►Gebundene Adverbialien/ Genitivobjekt/ Präpositionalobjekt ►Prädikativ

Diese Abfolge der Satzglieder orientiert sich hauptsächlich an den folgen-den Gesichtspunkten:

Art des Satzglieds: Stellung des Subjekts

Stellung des Objekts Stellung der Adverbialbestimmungen Stellung des Prädikativs

Wert der Mitteilung: alt vor neu Form des Satzglieds: bestimmt vor unbestimmt

Pronomen vor Nomen Bedeutung: belebt vor unbelebt

STELLUNGSTENDENZEN DER EINZELNEN SATZGLIEDER

Subjekt:

Das Subjekt steht in der Regel an erster Stelle im Mittelfeld - gleich nach der linken Klammer: Mit Peter bin ich ins Kino gegangen. …, weil ich mit Peter ins Kino gegangen bin.

Objekt: In Form einer Nomengruppe stehen die Objekte nach dem Subjekt und respektieren normalerweise folgende Reihen-folge: Dativ- ► Akkusativ- ► Genitiv-/ Präpositionalobjekt Gestern gab ich dem Mann das Buch der Weisen. Ich diskutiere das Problem mit meinem Freund.

Adverbial- bestimmungen:

Generell stehen freie Adverbialbestimmungen vor gebun-denen. Als freie zählen jene peripheren Angaben, die keine obligatorische oder fakultative Ergänzung zum Verb dar-stellen. Ich habe lange Zeit in Frankfurt gewohnt. …, weil der Unterricht heute nur eine Stunde dauerte. Sie sind im Sommer mit Freunden nach Paris gefahren.

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Die Stellung der freien Adverbialbestimmungen unterein-ander ist relativ frei. Generell orientiert sie sich an folgen-der Abfolge: Zeit ► Grund ► Art und Weise ► Ort oder auch als (Te-KaMoLo ) bekannt.

Prädikativ: Ob das Prädikativ als Teil des Prädikats oder als selbständi-ges Satzglied verstanden wird, seine Position befindet sich immer an letzter Stelle im Mittelfeld vor der rechten Klam-mer. Ich habe das Buch sehr langweilig gefunden. Er wollte schon immer Lehrer werden. …, weil ich mich seit gestern wirklich gut fühle.

alt vor neu: Alte Information steht vor neuer Information. Hans macht Urlaub. Die Mutter schenkt Hans für den Urlaub Geld. Die Mutter holt Geld auf der Bank. Sie schenkt das Geld Hans für den Urlaub.

bestimmt vor unbestimmt: Pronomen vor Nomen:

Nomen mit dem bestimmten Artikel (definite Nominalphra-sen) haben die Tendenz links zu stehen. Die Definitheit überwiegt den Kasus: Er hat der Frau ein Buch geliehen. Er hat das Buch einer Frau geliehen. Nomen mit unbestimmtem Artikel oder artikellose Nomen haben hingegen die Tendenz rechts zu stehen. Er hat das Buch in den Ferien gelesen. Er hat in den Ferien von morgens bis abends ein Buch gele-sen. Unmarkierte, d.h. schwach betonte Personal- und Reflexiv-pronomen stehen - unabhängig von ihrer Satzgliedfunktion - unmittelbar nach der linken Satzklammer in der sogenann-ten Wackernagel-Position15 in folgender Reihenfolge: Nominativ ► Akkusativ ► Dativ.

belebt vor unbelebt:

Dieses Prinzip gilt nur für die Nomengruppe. Es stellt handlungsfähige, belebte Satzglieder (Menschen und Tie-re) vor handlungsunfähige, unbelebte. An dem Film hat dem Mann die Musik gefallen. Der Lehrer lässt den Schüler das Quadrat zeichnen.

15 Wackernagel war der erste Sprachhistoriker, der diese Position exakt beschrieben hat

(Vgl. Duden Nr. 4 2006: 884).

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5. Das Nachfeld

Das Nachfeld bezeichnet jenes topologische Stellungsfeld, das der rechten Satzklammer folgt. Es kann in allen drei Stellungstypen (Kern-, Stirn- und Spannsatz) vorkommen. Die Besetzung des Nachfeldes ist nicht obligatorisch. Da es durch Satzglieder besetzt wird, die außerhalb der Satzklammer stehen können, spricht man auch von Ausklammerung oder Ausrahmung. Im Nach-feld können stehen: Nebensatz : Ich weiß, dass die Prüfung schwer ist.

Infinitiv mit zu: Es hat aufgehört zu regnen.

Vergleichssatz mit als oder wie:

Sie hat für das Examen gelernt wie eine Verrückte. Er hat länger geschlafen als ich.

Präpositionalgruppe: Ich kann nichts mehr tun in dieser hektischen Zeit. Apposition: Man hat Herrn Sand angerufen, den Journalisten. Relativsatz: Ich habe den Mann gerufen, der dort sitzt.

Darüberhinaus erfolgt die Ausklammerung aber vor allem auch dann, wenn komplexere Satzglieder aus dem Mittelfeld „ausgelagert“ werden, um die Verständlichkeit und Übersichtlichkeit des Satzes zu gewährleisten. Diese Tendenz zur Ausklammerung ist im Deutschen vor allem in der gesprochenen Sprache, „aber auch zunehmend in der geschriebenen Hochsprache zu beo-bachten“ (Bußmann 32002: 106). Wie zum Beispiel:

(10) Zunächst muss man mal unterscheiden bei der Universitätsreform zwischen

Reformen, die Geld kosten und solchen, die kein Geld kosten. Aufgaben und Übungen A. Analysieren Sie die folgenden Sätze: Bestimmen Sie die Satzklammer. Satzart, die topologischen Felder und die folgenden Satzglieder: Subjekt (S), Objekt (O-Akk, O-Dat, O-Gen, O-Präp), Adverbiale Bestimmungen (TeKaMoLo). 100 Mark und ein fröhliches Weihnachtsfest16 a. Itzenplitz und ich waren jung verheiratet und wir besaßen eigentlich gar nichts. b. Wenn man sehr jung, frisch verheiratet und sehr verliebt ist, spielt es keine große

Rolle, wenn man nichts hat. c. Ich kann mich jedoch an ein Gespräch im Sommer im Stadtpark erinnern, bei

16 Nach: Hans Fallada (1980), Erzählungen. In G. B. Nielsen (Hg.), Easy Readers- Reihe B.

Dänemark: Sangill Bogtryk & offset, Holme Olstrup.

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dem Itzenplitz sagte: „Ich muss immer so sehr mit dem Pfennig rechnen. Hätte ich doch ein bißchen mehr Geld! Ich möchte mir so gern etwas kaufen.“

d. „Was würdest Du denn gerne kaufen?“, fragte ich. Itzenplitz begann in ihren Gedanken zu suchen. Nachdem sie wirklich lange gesucht hatte, sagte sie: „Vor allem möchte ich ein Paar Hausschuhe kaufen.“

e. Dieser Wunsch meiner Frau überraschte mich und machte mich sprachlos.Wir haben dieses Gespräch im Hochsommer geführt, die Sonne brannte. Ich wünschte mir in diesem Moment wegen der großen Hitze nur ein kaltes Bier und eine Ziga-rette an einem schattigen Ort.

B. Setzen Sie das finite Verb in die richtige Position. a. In Frankfurt ____________ es ____________ viele Banken. (gibt) b. Nach dem Essen ____________ sich ____________ die Kinder die Zähne.

(putzen) c. Der Vater ____________ ihm ____________ ein Eis. (kauft) d. ____________ Peter ____________ in Hamburg? (studiert) e. Warum ____________ Peter ____________ in Hamburg? (studiert) f. Schon wieder ____________ sein Fahrrad ____________ kaputt. (ist) g. Vollkornbrot ____________ sie ____________ nicht gerne. (mag) h. ____________ endlich ____________ die Tür zu____________! (macht) C. Bilden Sie die Satzklammer: Setzen Sie das finite und infinite Verb in die richtige Position. a. In Frankfurt ____________ es ____________ bald noch mehr Banken

____________ . (wird/geben) b. Nach dem Essen ____________ sich ____________ die Kinder die Zähne

____________. (haben/geputzt) c. Der Vater ____________ ihm ____________ ein Eis ____________.

(hat/gekauft) d. ____________ Peter ____________ in Hamburg ____________?

(hat/studiert) e. Warum ____________ Peter ____________ in Hamburg ____________?

(hat/studiert) f. Schon wieder ____________ sein Fahrrad ____________ kaputt

____________. (ist/gewesen) g. Vollkornbrot ____________ sie ____________ nie ____________.

(hat/gemocht) h. Jeden Tag ____________ er mit dem Zug ____________ zur Arbeit

____________. (ist/gefahren) D. Welche Sätze sind richtig (r) und welche sind falsch (f)? Kreuzen Sie an. r f a. Die Kinder sich die Hände waschen vor dem Essen. b. Vor dem Essen sich waschen die Kinder die Hände.

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r f c. Die Kinder waschen sich vor dem Essen die Hände. d. Vor dem Essen waschen sich die Kinder die Hände. e. Der Vater kauft das Spielzeug dem Kind. f. Der Vater kauft dem Kind das Spielzeug. g. Der Vater kauft es ihm. h. Der Vater kauft ihm es. i. Heute kauft er es ihm. j. Heute kauft es ihm er. k. Seit langem wir diskutieren das Projekt mit der Stadtverwaltung. l. Seit langem diskutieren wir mit der Stadtverwaltung über das Projekt. m. Seit langem diskutieren wir über das Projekt mit der Stadtverwaltung. n. Zuerst stelle ich die Vase mit frischen Blumen auf den Tisch. o. Zuerst ich stelle die Vase auf den Tisch mit frischen Blumen. p. Zuerst ich stelle auf den Tisch die Vase mit frischen Blumen. q. Zuerst stelle ich auf den Tisch mit frischen Blumen die Vase. r. Sie schreibt einem Freund in Afrika den Brief. s. Sie schreibt den Brief einem Freund in Afrika. t. Sie schreibt dem Freund in Afrika einen Brief. u. Sie schreibt einen Brief dem Freund in Afrika. v. Am Meer es gibt viele Surfer. w. Am Meer gibt es viele Surfer. x. Abfährt der Zug um 10.00 Uhr? y. Fährt ab der Zug um 10.00 Uhr? z. Fährt der Zug um 10.00 Uhr ab?

E. Satzgefüge: Setzen Sie das finite Verb im Nebensatz in die richtige Position. a. Sie kam nicht zur Verabredung, obwohl ____________ sie es mir ____________ versprochen ____________. (hatte) b. Ich kann dir nicht helfen, weil ich ____________ kein Superman ____________. (bin) c. Ich weiß nicht, ob er ____________ morgen schon ____________ kommen ____________. (wird) d. So kam es, dass ich ____________ ein großartiger Künstler ____________. (wurde)

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e. Er will ein Haustier, das ____________ lange ____________ leben ____________. (wird) f. Er war sehr überrascht, als er ____________ das das Mädchen sagen ____________. (hörte) g. Er fühlt sich gesundheitlich viel besser, seitdem er ____________ nicht mehr ____________ . (raucht) F. Vervollständigen Sie die Sätze. Schließen Sie den Hauptsatz an den Nebensatz (im Vorfeld) an. a. Obwohl er ihn gesehen hatte, … (Er grüßte ihn nicht.)17 b. Nachdem der Benzinmotor von Nikolaus Otto entdeckt worden war, … (Carl

Benz konnte das erste Auto bauen.) c. Weil der Computer erfunden wurde, …. (Wir können heute in Internet surfen.) d. Bevor das Morsealphabet entwickelt wurde, … (Man konnte keine Nachrichten

über den Telegrafen schicken.) e. Seitdem die UNO 1945 gegründet wurde, … (Die Mitgliedstaaten haben wichti-

ge Entscheidungen gegen Kriege getroffen.) f. Obwohl David Mathe üben muss, … (Er geht mit seiner Freundin aus.) G. Verbinden Sie die Sätze zu einem Haupt- und Nebensatz. Setzen Sie die Prädi-katsteile in die richtige Position. Die Subjunktionen werden gegeben. a. Ein Bus fuhr gegen das Brandenburger Tor. Danach mussten alle Fahrgäste ins

Krankenhaus gebracht werden. Nachdem ein Bus___________________________________________________ b. Man entdeckte eine Schlange im Badesee von Potsdam. Trotzdem badeten die Leu-

te. Obwohl man_______________________________________________________ c. In Frankfurt brach ein Löwe aus dem Zoo aus. Gleichzeitig stürzte in Hamburg ein

Flugzeug ab. Während in Frankfurt________________________________________________ d. Ein Pilot ist auf dem Rhein gelandet. Er hatte kein Benzin mehr. Weil ein Pilot______________________________________________________ e. Ein Schornsteinfeger fiel vom Dach. Er zog sich keine Verletzungen zu. Als ein Schornsteinfeger_____________________________________________ f. Ein junger Mann schickt seiner Freundin in Amerika jeden Tag zehn SMS. Er muss

sein Handy oft nachladen. Seitdem ein junger Mann_____________________________________________

17 Vgl. u.a. R. Schmitt (2001), Weg mit den typischen Fehlern!, Ismaning: Hueber. S. 86

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H. Antworten Sie auf die folgenden Fragen, indem Sie jedes Mal alle Satzglieder wiederholen. In einer zweiten Antwort ersetzen Sie – wo möglich – die Nomen durch Pronomen. Jeden Tag rauben lange Fahrzeiten zum Arbeitsplatz vielen Angestellten Nerven und Zeit. a. Was raubt vielen Angestellten jeden Tag lange Fahrzeiten zum Arbeitsplatz? b. Was raubt vielen Angestellten jeden Tag Nerven und Zeit? c. Wem rauben jeden Tag lange Fahrzeiten zum Arbeitsplatz Nerven und Zeit? d. Wann rauben vielen Angestellten lange Fahrzeiten zum Arbeitsplatz Nerven und

Zeit? e. Rauben lange Fahrzeiten zum Arbeitsplatz vielen Angestellten jeden Tag Nerven

und Zeit? I. Texttsalat: Stellen Sie die Satzglieder in die richtige Reihenfolge (TeKaMoLo), setzen Sie das Verb in die angegebene Zeit. Die Besetzung des Vorfeldes wird gege-ben. a. schenken/ wegen ihres Geburtstags/ er/ vor der Schule/ morgen/ ihr/ mit viel Liebe/

einen Ring. = Futur Morgen______________________________________________________________ b. fahren/ wegen der Prüfung/ er/ zur Universität/ gestern/ ihn/ schnell/ zu dieser Zeit/

kein Bus/ weil/ mit dem Auto/ bringen. = Perfekt Gestern______________________________________________________________ c. Letzten Monat/ ihn/ sie/ ihr/ vorstellen. = Präteritum Letzten Monat_________________________________________________________ d. Der Postbote/ werfen/ einem Mann/ gestern/ den Brief/ in den Postkasten/ nicht

richtig. = Perfekt Der Postbote__________________________________________________________ e. am Sonntag/ ihn/ er/ ihr/ mitbringen. = Präsens Am Sonntag___________________________________________________________ f. der Arzt/ prüfend/ dem Kranken/ auf die Stirn/ gestern/ wegen des hohen Fiebers/ die Hand/ legen/ im Krankenhaus. = Perfekt Die Hand_____________________________________________________________ g. geben/ dem Hund/ vorsichtig/ der Dieb/ einen Knochen. = Perfekt Der Dieb_____________________________________________________________ h. wegen der Prüfungen/ nächstes Jahr/ müssen/ bis Ende Juli/ sein/ ich/ an der Uni-versität = Futur Ich__________________________________________________________________

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J. Ordnen Sie den folgenden Text18, indem Sie alle Regeln und Stellungstendenzen beachten Era un monoposto velocissimo, ma aveva al massimo Es war ein Einsitzer sehr schneller, aber er hatte höchstens _____________________________________________________________________ sei ore di autonomia: perchè non rientrava sechs Stunden Flugautonomie: Warum er nicht kehrte zurück _____________________________________________________________________ alla base? Alle 14.30 il Lightning fu dato per zur Basis? Um 14.30 Uhr die Lightning wurde betrachtet als ___________________________________________________________________ disperso. In serata si sparse la voce che vermisst. Am Abend sich verbreitete das Gerücht, dass ___________________________________________________________________ „Saint- Ex“ era sparito senza lasciar tracce, come il „Saint Ex“ war verschwunden spurlos wie der ___________________________________________________________________ piccolo principe protagonista del suo omonimo capolavoro, della kleine Prinz, der Held seines gleichnamigen Meisterwerks, von ___________________________________________________________________ cui scomparsa Saint-Exupéry aveva scritto dessen Verschwinden Saint-Exupéry hatte geschrieben ___________________________________________________________________ profeticamente: „So che è ritornato sul suo prophetisch: „Ich weiß, dass er ist zurückgekehrt auf seinen ___________________________________________________________________ pianeta, perché al levar del giorno non ho Planeten, denn bei Sonnenaufgang nicht ich habe ___________________________________________________________________ ritrovato il suo corpo.“ wiedergefunden seinen Körper.“ ________________________________

18 Nach: Barina, Il ritorno del piccolo principe. In: Il Venerdì di Repubblica, Nr. 287:

27.08.1993. S. 84 f.

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DIE VALENZ ITALIENISCHER UND DEUTSCHER VERBEN

Martina Nied Curcio

1. Tesnière und die Valenzgrammatik

Die Einführung des Terminus Valenz (Wertigkeit) in die Linguistik wird

im Allgemeinen dem französischen Sprachwissenschaftler Lucien Tesnière zugeschrieben1. Heute ist die Theorie bzw. Grammatik der Valenz weder in Deutschland noch international homogen. Eine Reihe von Konzepten konkur-riert miteinander und unterscheidet sich selbst in der Terminologie. Ver-schiedene Begriffe sind beispielsweise Strukturelle Abhängigkeitsgrammatik2, Valenztheorie3, Dependenzgrammatik4 und Dependenz-Verb-Grammatik (DVG)5. Im Italienischen wird in der Regel der Terminus Grammatica oder Teoria della valenza verbale6 oder grammatica della dipendenza7 verwendet.

Der Begriff stammt aus der Chemie und bezeichnet dort „die Fähigkeit von Atomen […], Wasserstoff-Atome einer bestimmten Anzahl im Molekül zu binden bzw. zu ersetzen.“ (Bußmann 32002: 727). Tesnière überträgt dieses Prinzip auf die Fähigkeit der Verben und nennt dies Valenz:

1 Sehr wahrscheinlich gebrauchte 1934 Karl Bühler jedoch als Erster die Begriffe

"Leerstellen" und "syntaktische Valenz": "...Das läßt sich auch so ausdrücken, daß die Wörter einer bestimmten Wortklasse eine oder mehrere Leerstellen um sich eröffnen, die durch Wörter bestimmter anderer Wortklassen ausgefüllt werden müssen." (Bühler 19652: 173). Tesnière arbeitete schon Ende der 30er Jahre an seiner Grammatiktheorie; doch erst nach seinem Tod konnte das Manuskript „Eléments de syntaxe structurale“ (1959) veröffentlicht werden.

Ursprünglich bezog sich die Valenz auf die syntaktischen Sachverhalte; seit Tesnière hat der Begriff jedoch eine starke Erweiterung zur semantischen, kommunikativen und kognitiven Seite erfahren.

2 Tesnière in Heringer et al. (1980: 119). 3 Welke (1988: 11). 4 Vgl. Weber (21997). 5 Vgl. Rall – Engel - Rall 1977; Engel 1988. 6 Vgl. Bianco 1986; Blumenthal - Rovere 1998. 7 Bianco (1996: 105).

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„Tous les verbes ne sont pas également susceptibles de régir trois actants. Les uns ne peuvent en comporter que deux, d'autres un seul, d'autres même pas du tout. Nous ex-primerons cette constatation, en disant que la valence des verbs diffère“. (Tesniere 1953:9)

Er erklärt, dass zwischen den Elementen im Satz verschiedene Abhängig-

keitsbeziehungen bestehen. Das Verb steht im Zentrum des Satzes und eröff-net Leerstellen für die Mitspieler, die „actants“. Diese hängen von ihm ab. Die Aktanten werden im Deutschen im Allgemeinen Ergänzungen (auch: Kom-plemente) genannt.

Die Eigenschaft eines Wortes, Glieder zu regieren, nennt man Rektion. So wie ein spezifisches Atom Elektronen bindet, so bindet das Verb – als atoma-rer Kern des Satzes – andere Elemente an sich. Es besteht eine hierarchische Ordnung, bei der das Verb als Regens fungiert und die anderen Satzglieder als Dependentien von ihm abhängen8.

Tesnière klassifiziert die Verben nach der Anzahl ihrer Leerstellen, die sie füllen können. Es gibt nullwertige, einwertige, zweiwertige und dreiwertige Verben. In den letzten Jahren liest man auch von vierwertigen Verben9. Bei diesen Verben werden auch die nicht obligatorischen Satzglieder mitgezählt, während man in den meisten Publikationen oft nur die obligatorischen Ergän-zungen des Verbs berücksichtigt10.

Im Folgenden sollen einige Beispiele gezeigt werden: • 0-wertige Verben:

(1) blitzen (es): Es hat geblitzt. (2) regnen (es)11: Es hat geregnet. (3) schneien (es): Hoffentlich schneit es. (4) sein (es): Es ist Nacht./ Es ist kalt. (5) werden (es): Es wird Nacht. /Es wird kalt.

• 1-wertige Verben: (6) geben (es): Es gibt viele Museen.12

8 Es ist Tesnière zu verdanken, dass sowohl die traditionelle Dichotomie von transitiven und

intransitiven Verben als auch die von Subjekt und Prädikat überwunden und somit die Sonderstel-lung des Subjekts beseitigt werden konnte.

9 Vgl. Gross (1998: 92), Pittner - Berman (2004: 44). Auch Ulrich Engel listet in seiner Grammatik Satzmuster mit vier Ergänzungen auf (1988: 206ff.).

10 Bußmann 2002: 728, Helbig - Buscha (1991: 627f.), Duden (72005: 787). 11 Subjektlose Verben brauchen im Deutschen das unpersönliche Pronomen es, eine Art

Scheinsubjekt, das jedoch Bestandteil des Verbs ist (Engel 1988: 190). Es handelt sich meist um Witterungsverben. Das Pronomen ist obligatorisch, es kann nicht weggelassen werden.

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(7) gehen (es): Es geht um eine wichtige Frage. (8) schlafen: Rainer schläft. (9) träumen: Helena hat schlecht geträumt. (10) wachsen: Die Pflanze ist gewachsen.

• 2-wertige Verben:

(11) anrufen: Sie hat mich angerufen. (12) gehören: Die Tasche gehört mir. (13) kaufen: Wir haben ein neues Auto gekauft. (14) sein: Meine Kinder waren gestern krank. (15) wohnen: Wohnst du auch in Rom?

• 3-wertige Verben13:

(16) bedanken: Er hat sich bei ihr für das tolle Geschenk bedankt. (17) erzählen: Die Großmutter hat ihren Enkeln ein Märchen erzählt. (18) geben: Hast du ihr das Buch schon gegeben? (19) sagen: Ich habe ihr gesagt, dass wir nicht kommen können. (20) schenken: Er hat seiner Freundin eine Tasche geschenkt.

• 4-wertige Verben:

(21) bringen: Die Mutter bringt dem Jungen das Essen ans Bett. (22) liefern: Die Firma lieferte dem Kunden das Produkt ins Haus. (23) kaufen: Mein Mann kauft mir zum Geburtstag immer Blumen. (24) übersetzen: Luisa hat den Text vom Deutschen ins Italienische übersetzt. (25) verkürzen: Man hat die Schulzeit von 13 Jahren auf 12 Jahre

verkürzt. Als graphische Darstellung für die Struktur der Sätze wählte Tesnière das

Stemma. Elemente des Stemmas sind Knoten, die die Wörter eines Satzes repräsentieren und den Verbindungslinien zwischen ihnen, die die Abhängig-keitsbeziehungen verdeutlichen (Tesnière nennt sie connexions). Damit muss sich die Darstellung im Stemma – im Gegensatz zum Konstituentenstruktur-baum – strikt auf die tatsächlich im Satz realisierten Wörter beschränken. Bspw. kommt dem Satz (20) Er hat seiner Freundin eine Tasche geschenkt folgendes Stemma zu:

12 Die vom Verb abhängigen Ergänzungen sind mit „_______“ unterstrichen. 13 Häufig geht es hier um Verben des „Sagens“ und des „Gebens“.

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2. Ergänzungen und Angaben und ihre Klassifikation nach Ulrich Engel

Neben der Anzahl der Ergänzungen bestimmen die Verben auch die Art

der Ergänzungen. Das wohl bekannteste Modell für die Klassifizierung der Ergänzungen, das auch Eingang in die Didaktik Deutsch als Fremdsprache gefunden hat, stammt von Ulrich Engel und enthält 11 verschiedene Ergän-zungsklassen14:

Abk. Ergänzung Anapher Beispiel ESUB Subjekt Pers.pron. im Nominativ Dieses Buch ist interessant. EAKK Akkusativerg. Pers.pron. im Akkusativ Sie fragte ihren Vater. EGEN Genitiverg. dessen oder deren Er erinnerte sich seiner. EDAT Dativerg. Pers.pron. im Dativ Hilf dem kleinen Kind. EPRP Präpositiverg. Präposition + Pers.pron.

oder da(r)- + Präposition Wir verlassen uns auf euch. Wir verlassen uns darauf.

ESIT Situativerg. da, deshalb Wir wohnen in Rom. EDIR Direktiverg. hin, dahin oder von dort Wann fährst du nach Mailand? EEXP Expansiverg. (um) soviel oder soweit

oder solange Sie hat 10 kg zugenommen. Er ist 5 km gelaufen.

ENOM Nominalerg. es, so, als solch- Ich bin Student. EADJ Adjektivalerg. es, so Die Vorlesung ist langweilig. EVRB Verbativerg. es geschehen, dass/ob es

geschieht, dass/ob es so ist, u.a.

Ich muss noch Vokabeln lernen. Sie glaubt, dass sie Recht hat. Er versucht, pünktlich zu sein.

14 Aus diesem didaktischen Grund werde ich mich bei den nachfolgenden Beschreibungen

bezüglich der Klassifikation und der Terminologie auf die Engelsche Konzeption beziehen. Die Tabelle folgt dem Engelschen Schema von 1998: 187, die Beispiele wurden abgeändert. Ab-kürzungen: „-erg.“ = Ergänzung, „Pers.pron.“ = Personalpronomen.

hat … geschenkt

er Freundin Tasche

seiner eine

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In der Tabelle steht für jede Ergänzung eine Abkürzung, die komplette Be-zeichnung, die Anapher15 und entsprechende Beispielsätze.

Für die oben genannten Beispiele von 1-wertigen Verben (6)–(10) gilt,

dass das Verb geben (es) eine Akkusativergänzung benötigt (viele Museen), das Verb gehen (es) eine Präpositivergänzung (um eine wichtige Frage). Die Verben schlafen, träumen und wachsen brauchen unbedingt ein Subjekt (Rai-ner, Helena, die Pflanze). 2-wertige Verben realisieren immer ein Subjekt und oft noch eine Akkusativergänzung (mich in (11) und ein neues Auto (13)) oder eine Dativergänzung (mir in (12)) aber auch wie in (14) eine Adjektivalergän-zung (krank) oder wie in (15) eine Situativergänzung (in Rom). Da es sich bei vielen 3-wertigen Verben meist um die Übermittlung (verbal oder konkret) einer Sache an eine Person oder an einen Ort handelt, gibt es immer eine Sub-jektergänzung (er (16), die Großmutter (17), du (18), ich (19) und er (20)), häufig eine Akkusativergänzung (ein Märchen (17), das Buch (18), eine Ta-sche (20)) und gleichzeitig eine Dativergänzung (ihrem Enkel (17), ihr (18, 19), seiner Freundin (20)). Im Beispiel (16) werden zwei Präpositivergänzun-gen realisiert: bei ihr und für das tolle Geschenk16. In (19) haben wir eine Verbativergänzung (dass wir nicht kommen können). 4-wertige Verben kön-nen folgende vier Kombinationen von Ergänzungen haben: Sub-akk-dat-dir (21, 22), Sub-akk-dat-prp (23), Sub-akk-prp-prp (24) und Sub-akk-prp-exp (25). Man nennt diese Kombinationen auch Satzmuster17.

Wie aus einigen Beispielen hervorgeht, müssen nicht immer alle Ergän-

zungen realisiert werden, d.h. sie können weggelassen werden18. Diese Ergän-zungen nennt man fakultative Ergänzungen – im Gegensatz zu den obligatori-

15 Mit Hilfe der Anaphern (Pronomina, Artikel und Adverbien) lassen sich die Ergänzungen

definieren und ersetzen. 16 Das Thema der Präpositivergänzung wird im Beitrag von Kaiser „Verben mit Präpositi-

vergänzung und ihre Pro-Formen“ ausführlich behandelt. 17 „Die Kombination der Ergänzungen eines bestimmten Verbs bildet das zu diesem gehö-

rige Satzmuster: Satzmuster und Verbvalenz stimmen insofern überein. In den Satzmustern sind die meisten Ergänzungen obligatorisch; würden sie weggelassen, so entstünde ein unkor-rekter Satz. Einige Ergänzungen sind aber fakultativ, können also jederzeit weggelassen wer-den. Der Unterschied von obligatorischen und fakultativen Ergänzungen spielt beim Bilden von Sätzen eine wichtige Rolle. Berücksichtigt man diesen Unterschied mit, markiert man also jede fakultative Ergänzung im Satzmuster zusätzlich, so erhält man den Satzbauplan. Er kann als ausreichend detaillierte Anweisung zur Erzeugung korrekter Sätze verstanden werden.“ (Engel 1988: 198f.).

Zu beachten ist, dass diese Satzmuster bzw. Satzbaupläne keine Auskunft über die Anord-nung der einzelnen Ergänzungen im Satz geben. (Vgl. Beitrag von Kaiser zur Satzklammer.)

18 In der gesprochenen Sprache geschieht dies recht häufig, da eine fehlende Ergänzung aus der Situation und dem Kontext erschlossen werden kann.

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schen Ergänzungen, die unbedingt im Satz anwesend sein müssen. Im Satz (11) kann man bspw. die Akkusativergänzung weglassen, ohne dass der Satz ungrammatisch wird; in (16) sogar beide Präpositivergänzungen bei ihr und für das tolle Geschenk.

(11) a. anrufen: Sie hat nicht angerufen. (16) a. bedanken: Er hat sich bedankt.

In den Beispielsätzen (12) und (15) sind die Ergänzungen obligatorisch;

lässt man sie weg, werden die Sätze ungrammatisch (durch * gekennzeichnet). (12’) gehören: *Die Tasche gehört. (15’) wohnen: *Wohnst du auch?

Interessant ist, dass es bezüglich der obligatorischen und fakultativen Er-

gänzungen zwischen den Verben geben und schenken einen Unterschied gibt. Während bei geben die Dativergänzung obligatorisch ist, ist sie bei schenken fakultativ: (18’) geben: *Hast du das Buch schon gegeben? (20) a. schenken: Er hat eine Tasche geschenkt.

Bei 4-wertigen Verben können meist zwei Ergänzungen weggelassen wer-

den, ohne dass sich die Bedeutung des Verbs ändert. Dabei sind es oft Ergän-zungen, zu denen eine Präposition gehört (z.B. Direktivergänzung, Expansiv-ergänzung):

(23) a. kaufen: Mein Freund kauft immer Blumen. (24) a. übersetzen: Luisa hat den Text übersetzt.

Wie oben ersichtlich wurde, dient zur Ermittlung der obligatorischen Er-

gänzungen die Eliminierungsprobe (auch: Weglasstest). Streicht man obliga-torische Ergänzungen, so entsteht ein ungrammatischer Satz.

(15’) wohnen: *Wohnst du auch? (22’) liefern: *Die Firma lieferte dem Kunden ins Haus.

Hinzu kommt, dass sich die Bedeutung des Verbs beim Weglassen einer

Ergänzung nicht ändern darf:

(26) Sabina verspricht sich eine gute Note. (aspettarsi qc.) (26) a. Sabine verspricht sich. (prendere una papera)

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Die Akkusativergänzung (eine gute Note) im Satz (26) ist demnach eine

obligatorische Ergänzung ist. Außer den Ergänzungen können Angaben (Tesnière nennt sie circonstan-

ces) in einem Satz hinzutreten. Sie können fast beliebig hinzugefügt werden und sind außerdem syntaktisch weglassbar, d.h. der Satz ist ohne sie nie un-grammatisch19. Meist bestimmen sie das zeitliche (te), kausale (ka), modale (mo), räumliche (lokal), usw. Umfeld20.

(27) Sie hat mich seit letztem Jahr nicht angerufen. (28) Wir haben letzten Samstag(te) in einem Autohaus in Stuttgart (lo) ein neues Auto gekauft. (29) Wir haben am Sonntag (te) wegen eines Bahnstreiks (ka) meine Tante mit dem Auto (mo) besucht.

Die Unterscheidung zwischen fakultativen Ergänzungen und Angaben ist

nicht immer einfach, denn beide können im Satz weggelassen werden. Die Eliminierungsprobe ist kein Kriterium der Abgrenzung zwischen fakultativen Ergänzungen und Angaben. Die Angaben sind jedoch nie valenzgebunden. Im Beispielsatz (30) kann man sowohl auf der Straße als auch Ball weglassen. Jedoch gibt es zwischen Ball und spielen eine logische Relation, d.h. Ball ist valenzgebunden und ist deshalb eine fakultative Ergänzung (in Klammer ge-setzt); der Bezug zu einem Ort, auf der Straße, ist für das Verb spielen dem-nach eine Angabe.

(30) Die Kinder spielen auf der Straße (Ball).

Zur Unterscheidung von fakultativen Ergänzungen und Angaben wird häu-

fig der Geschehenstest verwendet. Testet man, ob z.B. auf der Straße eine fakultative Ergänzung oder Angabe ist, dann formuliert man: Die Kinder spie-len Ball und das geschieht auf der Straße. Wenn der Test funktioniert, dann handelt es sich – wie in diesem Fall – um eine Angabe. Probiert man dasselbe mit Ball, dann erhält man den ungrammatischen Satz *Die Kinder spielen auf der Straße und das geschieht Ball, was bedeutet, dass es sich um eine Ergän-zung handelt.

19 In den Beispielsätzen sind sie mit „ _ “ unterstrichen. 20 In der DaF-Didaktik ist die Reihenfolge dieser Angaben im Satz auch als TeKaMoLo-

Regel bekannt. (vgl. die beiden Beiträge von Kaiser in diesem Band.)

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3. Valenzwörterbücher und ihre Anwendung in der Didaktik Deutsch als Fremdsprache

Das kleine(s) Valenzwörterbuch deutscher Verben von Ulrich Engel und

Helmut Schumacher (1976) war der Anstoß für die Erarbeitung mehrerer kontrastiver Valenzwörterbücher21. 1996 gab Bianco das erste deutsch-italienische Valenzwörterbuch heraus. Blumenthal/Rovere veröffentlichten 1998 ein umfassendes Wörterbuch italienischer Verben in Strukturen, mit Bedeutungsangaben und Übersetzungsmöglichkeiten. 1999 publizierte die Autorin selbst ein Valenzwörterbuch der gesprochenen Sprache Italienisch-Deutsch. Der Vorteil der Valenzlexika ist, dass die syntaktischen Strukturen, die in den traditionellen Wörterbüchern stets vernachlässigt werden, explizit aufgeführt sind und dadurch den produktiven Gebrauch der Sprache, d.h. die kommunikative Sprachkompetenz des Lerners, unterstützen können22.

Die Tatsache, dass italienische Deutschlerner Fehler machen wie *Ich danke Sie, *Welchen Kurs soll ich teilnehmen?, *Ich telefoniere dir später oder *Wo gehst du? kann mit Hilfe der Valenzgrammatik und dort gerade aus der kontrastiven Perspektive Italienisch-Deutsch erklärt werden. Der italieni-sche Deutschlerner geht oft von der Valenz seiner Muttersprache aus und überträgt diese auf die Fremdsprache, auch wenn diese zwischen beiden Spra-chen divergieren. Vergleicht man die deutschen Sätze und ihre Valenzstruktu-ren mit den italienischen Äquivalenzen, dann sieht man sofort die Divergen-zen, die häufig zu Interferenzfehlern führen bzw. führen können. (31) a. La ringrazio. (SUB)-OGG.DIR23 b. Ich danke Ihnen. SUB-DAT

(32) a. Quale corso devo seguire? (SUB)-OGG.DIR b. An welchem Kurs soll ich teilnehmen? SUB-PRP (33) a. Ti telefono più tardi. (SUB)-aOBLIQ24 b. Ich rufe dich später an. SUB-AKK

21 Das erste kontrastive Valenzwörterbüch auf der Engelschen Konzeption wurde von Ul-

rich Engel und Emilia Savin (1983) für das Sprachenpaar Deutsch-Rumänisch geschrieben. ‚Das kleine Valenzwörterbuch’ wurde 2004 durch das von Helmut Schumacher herausge-

gebene VALBU (Valenzwörterbuch deutscher Verben) ersetzt. 22 Valenzwörterbücher werden oft auch Produktionswörterbücher genannt, da sie insbeson-

dere bei der produktiven Kompetenz (Schreiben, Sprechen) Hilfestellung geben. 23 Oggetto diretto, würde im Deutschen der EAKK entsprechen. 24 aObliquus, entspricht im Deutschen häufig der EDAT, kann aber auch der Eprp entspre-

chen (vgl. den Beitrag von Kaiser zur Präpositivergänzung).

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(34) a. Dove vai? (SUB)-LOK25 b. Wohin gehst du? SUB-SIT

Der italienische DaF-Lerner, der den Satz Ich danke Sie produziert hat,

wusste wahrscheinlich nicht, dass das Verb danken im Deutschen eine DAT braucht, und keine AKK, was einem ‚Oggetto diretto’ entsprechen würde. Im Satz Welchen Kurs soll ich teilnehmen wurde die italienische Ergänzung, das ‚Oggetto diretto’, auf das Deutsche übertragen, ohne dass sich der Student vermutlich bewusst war, dass teilnehmen eine PRP und zwar mit an(+akk) benötigt. Im Beispielsatz Ich telefoniere dir war dem Lerner nicht klar, dass anrufen und telefonieren in verschiedenen Kontexten verwendet werden und außerdem die Valenz zwischen dem deutschen und dem italienischen Verb unterschiedlich ist26. Aus dem Fragesatz Wo gehst du? geht hervor, dass der italienische Lerner nicht erkannt (oder es vergessen) hatte, dass man im Deut-schen einen Unterschied zwischen DIR (wohin?) und SIT (wo?) macht, wäh-rend dieser Unterschied im Italienischen auf der Satzoberfläche nicht verdeut-lich wird (s. unten).

Valenzwörterbücher weisen auf die syntaktischen Divergenzen zwischen

der italienischen und deutschen Sprache hin. Außer den oben genannten spe-zifischen Verbvalenzwörterbüchern gibt es deutsch-italienische Wörterbücher, die bei der Beschreibung der Verben deren Ergänzungen explizit angeben; zu nennen sind hier v.a. Giacoma/Kolb (2001) von Zanichelli (Print- und CD-Rom-Version) und das online-Lernerwörterbuch Deutsch-Italienisch (ELDIT) unter Mitarbeit der Europäischen Akademie Bozen. Der nachfolgende Auszug des Verbs entstammt dem Italienisch-Deutschen Wörterbuch von Giacoma/ Kolb (2004: 1400). Man sieht deutlich die Kennzeichnung der Valenzen, z.B. qc (a qc) oder qc a qu., auch wenn sie nicht einer spezifischen Klassifizie-rung (z.B. der von U. Engel) folgen:

cambiare <cambiò, cambi> A tr <avere> 1 (sostituire) ~ qc (a qc) {PILA ALL’OROLOGIO} etw. (von etw. dat/+gen) aus|wechseln: ~ le federe ai cuscini, die Kissen frisch beziehen; ho cambiato le piastrelle del bagno, ich habe die Fliesen im Bad ausgewechselt, ich im Bad neue Fliesen gelegt; {CAMERA D’ARIA, FRENO, SPECCHIETTO RETROVISORE} etw aus||wechseln 2 (indossare un altro) ~ qu {ABITO, CRAVATTA, MAGLIETTA} etw we-chseln 3 (mettere vestiti puliti) ~ qu {MAMMA, NEONATO} jdn trocken|legen; ~ qc a qu jdm etw an|ziehen; ~a maglietta al bambino, dem Kind ein frisches Unterhemd anziehen 4 (salire su un altro mezzo di trasporto) ~ (qc) {AUTOBUS, TRENO} (in etw acc) um|steigen

25 Lokale Ergänzung. Diese Bezeichnung wurde hier deshalb gewählt, da das Italienische

auf der Oberflächenstruktur keine Unterscheidung zwischen DIR und SIT macht: Dove vai? und Dove sei?.

26 Das Verb telefonieren muss eine PRP(mit + akk) realisieren.

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4. Konvergenzen und Divergenzen zwischen den Ergänzungen im Deutschen und Italienischen

Es gibt Konvergenzen aber häufig auch Divergenzen bezüglich der Va-

lenzstruktur einiger frequenter deutscher und italienischer Verben. Und da es bezüglich der Valenz i.d.R. die Divergenzen sind, die den Lernenden Schwie-rigkeiten bereiten und zu fehlerhaften Äußerungen führen, werden in den nachfolgenden Tabellen nur diese berücksichtigt.

Es werden drei verschiedene Tabellen präsentiert: - in der 1. geht es generell um die unterschiedlichen Ergänzungen im

Deutschen und Italienischen; - in der 2. Tabelle werden vor allem Unterschiede bezüglich der Fakul-

tativität/ Obligatheit zwischen den Ergänzungen in der deutschen und italienischen Sprache aufgezeigt und

- in der 3. Tabelle geht es insbesondere um Divergenzen in der Reflexi-vität27. Dabei wird das Reflexivpronomen nicht als Ergänzung mar-kiert, sondern in der Spalte ‚Verb’ aufgeführt.

Angaben werden bei der Analyse generell vernachlässigt28. Tabelle 1: Unterschiedliche Ergänzungen im Deutschen und Italienischen

Verb

Beispielsatz Ergänzungen29

abschreiben - copiare

Er schreibt immer von mir ab. Lui mi copia sempre.

SUB-PRP(vonDAT) SUB-OGG.DIR

anrufen - telefonare

Der Student ruft das Auslandsamt der Univer-sität an. Lo studente telefona all’ufficio studenti stra-nieri dell’università.

SUB-AKK SUB-aOBL

antworten - rispondere

Maria hat ihr auf die E-Mail noch nicht ge-antwortet. Maria non ha ancora risposto alla sua e-mail.

SUB-DAT-PRP(aufAKK ) SUB-PRP(a)

27 Ein Großteil der Beispiele entstammt der gesprochenen Sprache. Einige Beispiele wur-

den aus Curcio 1999 entnommen. 28 Für die Präpositivergänzung gibt es in den einzelnen Tabellen nur wenige Beispielsätze,

da dem Thema ein extra Beitrag in diesem Buch gewidmet ist. (Kaiser: Verben mit Präpositi-vergänzung und ihre Pro-Formen).

29 Enthalten die Sätze ein Modalverb, so werden diese in der Analyse nicht berücksichtigt, z.B. in einem Satz wie Wollen wir heute Abend ins Kino gehen? werden die Ergänzungen für gehen bestimmt oder im Beispiel Ich muss mit dem Rauchen aufhören wird die Valenz von aufhören angegeben.

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arbeiten - lavorare

Herr Rossi arbeitet an einem interessanten Projekt. Il Sig. Rossi lavora ad un progetto interessan-te.

SUB-PRP(anDAT) SUB-PRP(a)

aufgeben - smettere

Paolo gab das Rauchen auf. Paolo ha smesso di fumare.

SUB-AKK SUB-VRB

aussehen - assomigliare

Mein Freund sieht wie George Clooney aus. Il mio amico assomiglia a George Clooney.

SUB-NOM SUB-OGG.DIR

ausziehen - lasciare

Letztes Jahr bin ich aus der Wohnung meiner Eltern ausgezogen. L’anno scorso ho lasciato casa.

SUB-DIR SUB-OGG.DIR

begegen - incontrare

Bist du ihm schon mal begegnet? L’hai mai incontrato?

SUB-DAT SUB-OGG.DIR

bekommen - venire

Jedes Mal wenn Anna Kopfschmerzen be-kommt, nimmt sie ein Aspirin. Ogni volta che ad Anna viene il mal di testa prende una aspirina.

SUB-AKK SUB-aOBL

brauchen - aver bisogno

Ich brauche dich. Ho bisogno di te.

SUB-AKK SUB-PRP(di)

danken - ringraziare

Ich danke Ihnen vielmals für all die Geschen-ke. La ringrazio tanto per tutti i regali.

SUB-DAT-PRP(fürAKK) SUB-OGG.DIR-PRP(per)

denken - pensare

Ich denke immer noch an sie. Penso ancora a lei.

SUB-PRP(anAKK) SUB-PRP(a)

dran sein - toccare

Du bist dran. Tocca a te.

SUB aOBL

durchfallen - bocciare

Bist du durchgefallen? Ti hanno bocciato?

SUB SUB-AKK

erklären - spiegare

Das erklär ich dir gleich. Ti spiego subito.

SUB-AKK-DAT SUB-OGG.DIR

fahren - andare

Ich fahre morgen nach Mailand. Domani vado a Milano.

SUB-DIR(nach+Stadt) SUB-LOK(a+Stadt)

fernsehen - guardare

Jetzt seh’ ich ein bisschen fern. Adesso guardo un po’ la televisione.

SUB SUB-OGG.DIR

finden - trovare

Ich finde, dass das blöd ist. Lo trovo proprio stupido..

SUB-VRB SUB-OGG.DIR-ADJ

finden - sembrare

Wie fanden Sie den Vortrag? Come Le è sembrata la conferenza?

SUB-AKK-ADJ SUB-aOBL-ADJ

folgen - seguire

Wir sollten der chronologischen Ordnung folgen. Dovremmo seguire l’ordine cronologico.

SUB-DAT SUB-OGG.DIR

fragen - chiedere

Ich habe sie das natürlich nicht gefragt. Certamente non gliel’ho chiesta.

SUB-AKK-AKK SUB-OGG.DIR-aOBL

fragen - chiedere

Hast du den Professor gefragt, wann die Prüfungen sind? Hai chiesto al professore quando ci saranno gli esami?

SUB-AKK-VRB SUB-aOBL-VRB

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fragen - chiedere

Ich habe deine Eltern nach deiner Telefon-nummer gefragt. Ho chiesto ai tuoi genitori il tuo numero di telefono.

SUB-AKK-PRP(nachDAT) SUB-aOBL-OGG.DIR

gefallen - piacere

Wie hat dir das Geschenk gefallen? Ti è piaciuto il regalo?

SUB-DAT-ADJ SUB-aOBL

gehen - andare

Wollen wir heute Abend ins Kino gehen? Vogliamo andare al cinema stasera?

SUB-DIR(in) SUB-LOK(a)

gehen (es) - stare

Wie geht es dir? Come stai?

DAT-ADJ SUB-ADJ

glauben - credere

Mein Freund glaubt nicht an Gott. Il mio fidanzato non crede in Dio.

SUB-PRP(anAKK) SUB-PRP(in)

glauben - credere

Das glaube ich nicht. Non ci credo.

SUB-AKK SUB-PRP(a)

gratulieren - fare gli auguri

Wir gratulieren Ihnen zum Geburtstag. Le facciamo tanti auguri per il Suo complean-no.

SUB-DAT-PRP(zuDAT) SUB-aOBL-OGG.DIR-PRP(per)

handeln - trattare

Das Buch handelt von der Deutschen Sprach-wissenschaft. Il libro tratta di linguistica tedesca.

SUB-PRP(vonDAT) SUB-PRP(di)

helfen - aiutare

Er kann ihr nicht helfen. Non la può aiutare.

SUB-DAT SUB-AKK

hoffen - sperare

Die Bauern hoffen auf Regen. I contadini sperano che piova.

SUB-PRP(aufAKK) SUB-PRP(in)

hören - ascoltare

Hör nicht auf das, was sie dir sagt. Non ascoltare quello che lei ti dice.

SUB-PRP(aufAKK) SUB-OGG.DIR

interessieren - interessare

Das interessiert mich überhaupt nicht. Questo non mi interessa proprio.

SUB-AKK SUB-aOBL

kommen (es) - essere

Mir kommt es nicht auf das Geld an. Per me non sono importanti i soldi.

DAT-PRP(aufAKK ) SUB-ADJ-PRP(per)

kosten - costare/venire

Das kostet mich keinen Cent. Non mi costa/ viene neanche un centesimo.

SUB-AKK-AKK SUB-aOBL-OGG.DIR

kümmern - importarne

Das kümmert doch keinen. Non gliene importa niente a nessuno.

SUB-AKK SUB-aOBL-OGG.DIR(niente)

kündigen - licenziare

Seine Firma hat ihm letzte Woche gekündigt. La sua ditta la settimana scorsa l’ha licenzia-to.

SUB-DAT SUB-OGG.DIR

lassen - fare

Er ließ die Studenten alles von der Tafel ab-schreiben. Agli studenti ha fatto copiare tutto dalla lava-gna.

SUB-AKK-VRB SUB-aOBL-VRB

lassen - lasciare

Lass es gehen! Lascialo stare!

SUB-AKK-VRB SUB-OGG.DIR-VRB

lernen - imparare

Er hat erst mit 30 Autofahren gelernt. Solo a 30 anni ha imparato a guidare la mac-china.

SUB-AKK SUB-VRB

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mögen - piacere

Ich mag diese Professorin nicht. Non mia piace questa professoressa.

SUB-AKK SUB-aOBL

nachdenken - riflettere

Denk doch mal darüber nach! Rifletti! / Rifletti su questa cosa!

SUB-PRP(überAKK) SUB-PRP(su)

passen - andare

Die Jeans passt mir. I jeans mi stanno bene.

SUB-DAT SUB-aOBL-ADJ

sagen - dire

Los, sag schon! Dai, dimmi!

SUB SUB-aOBL

sein - fare/ essere

Das ist egal. Fa/ E’ lo stesso.

SUB-ADJ SUB-AKK(-art)

sich ärgern - arrabbiarsi

Er ärgert sich immer über die Unzuverlässig-keit der Bahn. Si arrabbia sempre della inaffidibilità delle ferrovie.

SUB-PRP(überAKK) SUB-PRP(di)

sich beschäf-tigen - occuparsi

Er beschäftigt sich mit Altphilologie. Si occupa di filologia classica.

SUB-PRP(mitDAT) SUB-PRP(di)

sich beschwe-ren - lamentarsi

Die Studenten beschweren sich über die vielen Prüfungen. Gli studenti si lamentano per il numero degli esami.

SUB-PRP(überAKK) SUB-PRP(per)

sich bewer-ben - fare domanda

Ich habe mich bei mehreren Universitäten beworben. Ho fatto domanda in diverse università.

SUB-PRP(beiAKK) SUB-PRP(in)

sich gewöh-nen - abituarsi

Wir müssen uns an das Chaos gewöhnen. Ci dobbiamo abituare a questo caos.

SUB-PRP(anAKK) SUB-PRP(a)

sich verlieben - innamorarsi

Ich habe mich in ihn verliebt. Mi sono innamorata di lui.

SUB-PRP(inAKK) SUB-PRP(di)

spielen - giocare

Ich spiele gerne Karten. Gioco volentieri a carte.

SUB-AKK SUB-PRP(a)

spielen - suonare

Als ich klein war, habe ich Klavier gespielt. Da bambino ho suonato il pianoforte.

SUB-AKK SUB-AKK(-art)

stehen - stare

Die Telefon-Nr. von Ute steht im Telefonbuch. Il numero di telefono di Ute sta nell’elenco.

SUB-SIT SUB-LOK

stören - dare fastidio

Unpünktlichkeit stört mich. La mancanza di puntualità mi da fastidio.

SUB-AKK SUB-aOBL

unterrichten - insegnare

Ich unterrichte ausländische Kinder in Deutsch. Insegno tedesco a dei bambini stranieri.

SUB-AKK-PRP(in+Fach) SUB-OGG.DIR-aOBL

verzeihen - perdonare

Verzeihen Sie mir, dass ich diesen Fehler gemacht habe. Mi perdoni questo errore.

SUB-DAT-VRB SUB-OGG.DIR-aOBL

warten - aspettare

In Rom wartet man immer lange auf den Bus. A Roma l’autobus si aspetta sempre molto tempo.

SUB-PRP(aufAKK) SUB-OGG.DIR

weitermachen – continuare

Machen wir mit unserem Programm weiter. Continuamo il nostro programma.

SUB-PRP(mitDAT) SUB-OGG.DIR

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wohnen - abitare

Wohnst du auch in Mailand? Anche tu abiti a Milano?

SUB-SIT(in+Stadt) SUB-LOK(a)

wohnen – abitare

Ich wohne noch bei meinen Eltern. Abito ancora con i miei genitori.

SUB-SIT(bei+Person) SUB-LOK(con+Person)

zuhören – ascoltare

Ich höre dir zu. Ti ascolto.

SUB-DAT SUB-OGG.DIR

Zwischen beiden Sprachen gibt es nicht nur eine große Differenz bezüg-

lich der Art der Ergänzungen, sondern auch im Hinblick auf die obligatori-schen und fakultativen Ergänzungen, gerade in der gesprochenen Sprache. Eine Ergänzung kann im Italienischen manchmal weggelassen werden, im Deutschen jedoch ist sie obligatorisch – und umgekehrt30.

Tabelle 2: Unterschiede bezüglich der Weglassbarkeit der Ergänzungen im Deut-schen und Italienischen Verb

Beispielsatz Ergänzungen

ankommen – dipendere

Das kommt darauf an. Dipende.

SUB-PRP(aufAKK) SUB-(PRP(da))

einfallen – venire

Es fällt mir jetzt nicht ein. Non mi viene adesso.

SUB-DAT (SUB)-aOBL

einschreiben – iscrivere

Die Mutter meldet ihren Sohn (auf einer Pri-vatschule) an. La madre iscrive suo figlio ad und scuola privata.

SUB-AKK-(SIT) SUB-OGG.DIR-LOK

erklären – spiegare

Ich erklär’s dir. Ti spiego.

SUB-AKK-DAT SUB-(OGG.DIR)-aOBL

glauben – credere

Das glaube ich dir nicht. Non ti credo.

SUB-AKK-DAT SUB-aOBL

lassen – lasciare

Sie können es da lassen. Lo può lasciare.

SUB-AKK-SIT SUB-OGG.DIR

nerven – seccare

Das nervt mich. Mi secca.

SUB-AKK (SUB)-aOBL

passen – andare

Passt es Ihnen um 8 Uhr? Le va bene alle 8?

SUB-DAT SUB-aOBL-ADJ

probieren – provare

Also probieren wir es. Allora proviamo.

SUB-AKK SUB-(OGG.DIR)

sagen – dire

Sag’ mal! Dimmi!

SUB SUB-aOBL

schwören – giurare

Ich schwör’s dir! Ti giuro!

SUB-AKK-DAT SUB-aOBL

30 Es ist hier nicht das Subjekt gemeint, das bei pro-drop-Sprachen wie dem Italie-

nischen auf der Oberflächenstruktur ohnehin nicht erscheinen muss.

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sich beneh-men - comportarsi

Manche Leute benehmen sich nicht. C’è gente che non si comporta bene.

SUB SUB-ADJ

sitzen - essere seduto

Zwei Studenten sitzen im Hörsaal. 31 Due studenti sono seduti (in aula).

SUB-SIT SUB-(LOK)

studieren - studiare

Ich habe (in München) studiert. Ho studiato all’università di Monaco.

SUB-(SIT) SUB-LOK

wiederholen - ripetere

Können Sie das wiederholen? Può ripetere?

SUB-AKK SUB

Tabelle 3: Unterschiede bezüglich der Reflexivität in der deutschen und italienischen Sprache Wie bereits erwähnt wurde, gibt es viele Kontraste zwischen der italienischen und deutschen Sprache bezüglich der Reflexivität. In der nachfolgenden Ta-belle wird dies in der Spalte ‚Verb’ ersichtlich. Hinzu kommt, dass der Va-lenzrahmen oft divergiert. Verb

Beispielsatz Ergänzungen

aufstehen - alzarsi

Ich stehe morgens um halb sieben auf. Mi alzo la mattina alle sei e mezza.

SUB SUB

aufwachen - svegliarsi

Sie ist heute Morgen mit Kopfschmerzen aufgewacht. Sie è svegliata stamattina con il mal di testa.

SUB SUB

bemerken - accorgersi

Meine Freundinnen haben nicht bemerkt, dass ich eine neue Frisur habe. Le mie amiche non si ono accorte che ho un nuovo taglio di cappelli.

SUB-VRB SUB-VRB

entschuldigen - scusarsi

Entschuldigen Sie die Verspätung. Mi scusi per il ritardo.

SUB-AKK SUB-PRP(per)

gehen (es) - trattarsi

Es geht um eine wichtige Sache. Si tratta di una cosa importante.

PRP(umAKK ) PRP(di)

handeln (es) - trattarsi

Es handelt sich um die mündliche Prüfung. Si tratta dell’esame orale.

PRP(umAKK ) PRP(di)

heißen chiamarsi

Er heißt Müller mit Nachnamen. Si chiama Müller di cognome.

SUB-NOM SUB-NOM

heiraten - sposarsi

Meine Freundin Petra hat meinen besten Freund geheiratet. La mia amica Petra si è sposata con il mio migliore amico.

SUB-AKK SUB-PRP(con)

31 Lässt man die SIT weg, so entsteht der Satz Der Student sitzt. Das Verb sitzen ohne Er-

gänzung enthält die Bedeutung ‚im Gefängnis sein’.

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liegen - trovarsi

Wo liegt das denn? Dove si trova?

SUB-SIT SUB-LOK

machen - preoccuparsi

Mach dir keine Sorgen! Non ti preoccupare!

SUB-AKK SUB

mitnehmen - portarsi

Ich nehme die Zeitung mit. Mi porto il giornale.

SUB-AKK SUB-OGG.DIR

sein - sentirsi

Mir ist nicht so gut. Non mi sento molto bene.

DAT-ADJ SUB-ADJ

sich ändern - cambiare

Die politiche Situation in Italien kann sich schnell ändern. La situazione politica in Italia può cambiare velocemente.

SUB SUB

sich begrüßen – salutare

Ich habe ihn schon begrüßt. L’ho già salutato.

SUB-AKK SUB-OGG.DIR

sich freuen - essere conten-to

Hast du dich über die Note gefreut? Sei contento del voto?

SUB-PRP(überAKK) SUB-PRP(di)

sich freuen - non vedere l’ora

Ich freue mich auf die Ferien. Non vedo l’ora che arrivino le vacanze.

SUB-PRP(aufAKK) SUB-VRB

sich kümmern – pensarci

Ich kümmere mich darum. Ci penso io.

SUB-PRP(umAKK) SUB-PRP(a)

sich überle-gen - riflettere

Das hab ich mir noch gar nicht überlegt. Non ci ho ancora pensato.

SUB SUB-PRP(a)

sich verab-schieden - salutare

Willst du dich nicht von ihm verabschieden? Non lo vuoi salutare?

SUB-PRP(von) SUB-OGG.DIR

vertrauen - fidarsi

Ich habe den Ärzten noch nie vertraut. Non mi sono mai fidato dei medici.

SUB-AKK SUB-PRP(di)

Aufgaben und Übungen A. Erklären Sie die Begriffe Valenz, Rektion, Ergänzungen und Angaben. B. Übungen zu den verschiedenen Ergänzungsklassen B1. Bestimmen Sie die Ergänzungen an Hand der Klassifikation von Ulrich Engel. a. Ich liebe dich. b. Das Semester dauert 12 Wochen. c. Was ist dir denn passiert? d. Unsere Professorin hat uns die Grammatik ausführlich erklärt. e. Diese Suppe schmeckt nach Fisch. f. Sie nannten ihn „den Bomber“.

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g. Unsere Universität liegt im Stadtzentrum. h. Interessierst du dich für die deutsche Literatur? i. Ich finde das toll. j. Der Student fragte den Professor, ob er bei ihm die Magisterarbeit schreiben

kann. B2. Antworten Sie mündlich auf folgende Fragen/ Aufforderungen und achten Sie dabei auf die Valenz und die Position der Akkusativ- und Dativergänzung. a. Wie geht es Ihnen? b. Genügt dir das Geld für die Pizza? c. Können Sie mir zeigen, wo die Bibliothek ist? d. Hast du viel Geld bei dir? e. Kannst du mir bei den Hausaufgaben helfen? f. Wie findest du meine neue Frisur? g. Bist du dran? h. Ich spiele gern Tennis. Und du? i. Jetzt hört mir doch endlich mal zu! j. Hast du sie das schon gefragt? k. Könntest du noch die Auskunft anrufen? l. Willst du ihn nicht nach seiner Telefon-Nr. fragen? m. Arbeitest du schon an deiner Magisterarbeit? C. Übungen zur Unterscheidung von obligatorischen und fakultativen Ergän-zungen sowie Angaben C1. Sind die unterstrichenen Ergänzungen obligatorische oder fakultative Ergänzun-gen? Wenden Sie die Eliminierungsprobe an. a. Maria brachte Anna ein tolles Geschenk mit. b. Es war ein buntes Kleid. c. Anna bedankte sich bei Maria für das Kleid. d. Es gefällt ihr sehr gut. e. Sie probiert gleich, ob es ihr passt. f. Maria findet, dass Anna das Kleid sehr gut steht. g. Anna hängt das Kleid sofort auf einen Bügel. h. Maria hat für dieses Kleid viel Geld ausgegeben.

C2. Handelt es sich bei den unterstrichenen Satzgliedern um Ergänzungen oder An-gaben? Wenden Sie den Geschehenstest an. a. Wir wollen heute Morgen trotz des Verkehrs in die Stadt fahren. b. Wegen des Streiks konnten die Studenten nicht zur Universität kommen. c. Letztes Jahr bin ich mit dem Auto nach Sizilien gefahren. d. An der Uni esse ich mit meinen Freunden zu Mittag. e. Als ich klein war, musste ich immer Röcke tragen.

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D. Übungen zur Reflexivität D1. Entscheiden Sie, ob für das Verb im deutschen Beispielsatz ein äquivalentes italienisches Verb mit oder ohne Reflexivpronomen gebraucht wird. Kreuzen Sie das richtige italienische Verb an.

Beispielsatz italienisches Verb a. Ich befinde mich mitten im Verkehr. trovare trovarsi b. Dein Verhalten finde ich nicht in Ordnung. trovare trovarsi c. Ich habe angehalten um mich nach dem Weg zu fragen.

fermare fermarsi

d. Die Polizei hat zwei Dealer wegen Drogenhandels festgenommen.

fermare fermarsi

e. Wenn du Lust hast, ruf mich mal an. chiamare chiamarsi f. Unser Hund heißt Hops. chiamare chiamarsi g. Meine Eltern nannten mich wie meine Großmutter.

chiamare chiamarsi

h. Peter hat letzten Monat geheiratet. sposare sposarsi i. Peter hat Doris geheiratet. sposare sposarsi

D2. Bilden Sie Sätze mit folgenden Verben, achten Sie auf die Valenz (vgl. Tabelle 3 oben). a. aufwachen, aufstehen, heiraten, gehen (es), handeln (es) vertrauen b. sich ärgern, sich beschäftigen, sich bewerben, sich freuen, sich kümmern. E. Markieren Sie im Text die regierenden Verben (inkl. Reflexivpronomen) fett und unterstreichen sie die Valenzen (oblig. E.: „____“, fak. E.: „_ _ _ „) Benennen Sie die Ergänzungen. - Hallo Giorgio! - Hallo Maria! Wie war denn dein Deutschkurs in Konstanz? - Er war toll. Ich habe viel gelernt und viele neue Freunde kennen gelernt. - Schön. Erzähl mal, wie es war! - Am Anfang gab es eine Begrüßungsparty. Da habe ich gleich eine Fränzösin

getroffen. Sie heißt Annette und lebt in Frankreich. Sie spricht schon sehr gut Deutsch.

- Wart ihr im gleichen Kurs? - Nein, leider nicht. Aber wir haben viele Ausflüge unternommen. - Wohin seid ihr denn gefahren? - Wir haben im Bodensee gebadet, sind mit dem Fahrrad in die Schweiz gefahren,

haben das Kunsthaus in Zürich besucht und… Ach, es war so viel, ich kann mich schon gar nicht mehr an alles erinnern. Aber wir haben auch viel gearbeitet.

- Habt ihr auch zusammen Deutsch gelernt? - Nicht wirklich. Annette hat mir immer bei den Hausaufgaben geholfen.

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- Und jetzt, nach dem Kurs? - Ich werde ihr erst mal eine E-Mail schreiben und einige Fotos schicken und

hoffe, dass sie mich nächstes Jahr besuchen wird. - Das finde ich ja toll. Ich möchte auch mal an so einem Kurs teilnehmen. Na ja,

vielleicht nächsten Sommer… Literatur Fachliteratur Bianco M. T. (1986), “Sintassi e tassonomia. Teoria della valenza e lessicogrammatica in

tedesco e in italiano“, Rassegna italiana di linguistica applicata N. 3, 41-63. Bühler K. (21965), Sprachtheorie. Stuttgart, Fischer. Bußmann H. (32002), Lexikon der Sprachwissenschaft, Stuttgart, Kröner. Dudenredaktion (72005), Die Grammatik, Duden Bd. 4, Mannheim & Wien & Zürich,

Dudenverlag. Engel U. (1977), Syntax der deutschen Gegenwartssprache, Berlin, Schmidt. Engel U. (1988), Deutsche Grammatik, Heidelberg, Groos. Gras Ferraresi B., Tomelleri Kromberg L. (1994), Confronti-Vergleiche. Aspetti con-

trastivi del Tedesco rispetto all’Italiano, Bologna, Zanichelli. Gross H. (31998), Einführung in die germanistische Linguistik. München, Iudicium. Heringer H.J., Strecker, B., Wimmer, R. (1980), Syntax, München, Hueber. Pittner K., Berman, J. (2004), Deutsche Syntax. Ein Arbeitsbuch. Tübingen, Narr. Rall M., Engel U., Rall D. (1977), DVD für DaF, Heidelberg, Groos. Tesnière, Lucien (19532), Esquisse d’une syntaxe structurale. Paris, Klincksiek. Weber H. J. (21997), Dependenzgrammatik. Ein interaktives Arbeitsbuch, Tübingen,

Narr. Welke, Klaus (1988), Einführung in die Valenz- und Kasustheorie, Leipzig, Biblio-

graphisches Institut. (Valenz)wörterbücher Bianco M. T. (1996), Valenzlexikon Deutsch-Italienisch, Dizionario della valenza verba-

le, Heidelberg, Groos. Blumenthal P., Rovere G. (1998), Wörterbuch der italienischen Verben. Konstruktionen,

Bedeutungen, Übersetzungen, Stuttgart & Düsseldorf & Leipzig, Klett. Curcio M. L. (1999), Kontrastives Valenzwörterbuch der gesprochenen Sprache Ita-

lienisch-Deutsch, Mannheim, Institut für deutsche Sprache, amades. ELDIT: Elektronisches Lern(er)wörterbuch Deutsch-Italienisch. Dizionario elettroni-

co per apprendenti Italiano-Tedesco, ondine unter www.eurac.edu/eldit. Engel U., Savin E. (1983), Valenzlexikon deutsch-rumänisch. Dicionar de valen ger-

man-román. (= Deutsch im Kontrast 3). Heidelberg, Groos. Engel U., Schumacher H. (1978), Kleines Valenzlexikon deutscher Verben, Tübingen,

Narr. Giacoma L., Kolb S. (2001), Dizionario Tedesco-Italiano Italiano-Tedesco, Milano &

Stuttgart, Zanichelli & Pons & Klett. VALBU: Schumacher H., Kubczak J., Schmidt R., Ruiter de V. (2004), VALBU –

Valenzwörterbuch deutscher Verben. Tübingen, Narr.

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VERBEN MIT PRÄPOSITIVERGÄNZUNG UND IHRE PRO-FORMEN

Marita Kaiser

1. Die Präpositionalphrase Der Mann zeigt dem Mann den Mann. Ein Satz ohne Präpositionen und

doch wird klar, wer wem wen zeigt. Die drei syntaktischen Leerstellen, die das Verb zeigen eröffnet, werden durch das Subjekt im Nominativ, das indi-rekte Objekt im Dativ und das direkte Objekt im Akkusativ besetzt. Nomina-tiv, Dativ und Akkusativ erfüllen im Deutschen die Funktion, das Subjekt zu bestimmen, das indirekte vom direkten Objekt zu unterscheiden1.

In der deutschen wie in der italienischen Sprache bildet das Verb die kom-plexeste grammatikalische Einheit, weil es nicht nur Informationen zu Person, Numerus, Tempus, Genus und Modus trägt, sondern auch in seiner Funktion als Prädikat die Bedeutung und den inneren Aufbau des gesamten Satzes vor-strukturiert. Die syntaktisch-semantische Valenz2 (auch Wertigkeit genannt) beschreibt diese Eigenschaft des Verbs „Leerstellen zu eröffnen und die Be-setzung dieser Leerstellen zu regeln“ (Dürr - Schlobinski 2006: 116). Damit legt es Quantität und Qualität abhängiger Satzglieder fest, die obligatorisch oder fakultativ zu füllen sind (Verbergänzungen). Diese „Ergänzungen in Form von Nominalphrasen, deren Kasus vom Verb festgelegt (regiert) wird, d.h. Kasusobjekte“ (Duden Nr. 4 2005: 397) stellen im Rahmen der Valenz eine Form der Leerstellenbesetzung dar: „Die Rektionseigenschaften3 von

1 Im Italienischen erfüllen diese Funktion das Objekt, das weitgehend dem deutschen Ak-

kusativobjekt gleichkommt und der a-Obliquus, der dem deutschen Dativobjekt entspricht (vgl. u.a. Schwarze 1988: 107f.).

2 Damit ist gemeint: „Anzahl, Form und ggf. semantische Rollen der vorangelegten Ergän-zungen zu einem Wort.“ Z. B. : Es blitzt. – Ich kenne den Mann. - Er gibt dem Mann eine Tasse Kaffee. etc. (Duden Nr. 4 2006: 1272)

3 „Eigenschaft von Verben, Adjektiven und Präpositionen, den Kasus eines von ihnen abhängigen Wortes zu bestimmen.“ (Duden Nr. 4 2006: 1269)

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Verben nehmen (…) unter den Valenzeigenschaften eine zentrale Stelle in der Grammatik ein“ (Duden Nr.4 2005: 397). Sie beschreiben die Fähigkeit des Verbs, “seine syntaktischen Umgebungen vorzustrukturieren, indem es Satz-gliedern bzw. Attributen Bedingungen bezüglich ihres Vorkommens und ihrer grammatischen Eigenschaften”4 als Agens (Subjekt), Patiens (direktes Objekt) oder Benefizient (indirektes Objekt) auferlegt. Dieser kasusgebundenen Nominalphrase steht die präpositional eingeleitete Nominalphrase als eine andere Form der Leerstellenbesetzung gegenüber. Die Aufgabe der Präposition ist es Inhalte zu differenzieren oder Funktionen zu spezifizieren. Zwischen Verb und Nominalphrase verändert die Präposition die Charakteristik der Leerstelle insofern, als dass das Verb weiterhin ihr Vor-kommen nicht aber ihre grammatische Eigenschaft regelt.

Das Deutsche unterscheidet entsprechend der Valenzeigenschaften der Verben verschiedene Ergänzungsklassen5, bei denen die präpositional einge-leitete Nominalphrase, auch Präpositionalphrase6, eine wichtige Rolle bei der Leerstellenbesetzung spielt. An den folgenden Beispielen soll gezeigt werden, wie sie je nach Kontext und Bedeutung teilweise7:

- die Valenz des Verbs unter Beibehaltung seiner Bedeutung variieren kann: als fakultative Ergänzung - die Bedeutung des Verbs variieren kann: als obligatorische Ergänzung - dem Verb erst Bedeutung und damit Argument geben kann: als obligatorische Ergänzung - von der Valenz des Verbs ungebunden sein kann: als Angabe

1.1. Die Präpositionalphrase als fakultative Ergänzung zur Variation

der Wertigkeit: (1) a. Gaby schreibt.[1] 8 b. Gaby schreibt einen Brief. [2] c. Gaby schreibt ihrer Mutter einen Brief. [3] d. Gaby schreibt ihrer Mutter einen Brief über ihr Geburtstagsfest. [4] e. Gaby schreibt über ihr Geburtstagsfest. [2] f. Gaby schreibt einen Brief über ihr Geburtstagsfest. [3] g. Gaby schreibt ihrer Mutter über ihr Geburtstagsfest. [3]

4 Vgl. Kürschner (42003: 81): Valenz als Rektion eines Verbes, eines Adjektivs oder eines

Substantivs. 5 Vgl. den Beitrag von Nied Curcio zur Valenz in diesem Band. 6 Innerhalb der Klassifizierung der Verbergänzungen spielt die Präpositionalphrase in ver-

schiedenen Ergänzungsklassen eine Rolle. 7 Vgl. zur Argumentstruktur oder zum Valenzrahmen Meibauer et al. (22007: 149). 8 [1] = 1-wertig / [2] = 2-wertig, etc.

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Die Präpositionalphrase variiert die Wertigkeit des Verbs, ohne dessen

Bedeutung zu verändern, weil sie eine in der Themenstruktur des Verbs vor-angelegte Leerstelle (z. B. schreiben über) füllt. Die Präposition an sich hilft die logische Struktur des Satzes weiter zu differenzieren und seinen Inhalt weiter zu spezifizieren. Die Präpositionalphrase ist also in der Argumentstruk-tur des Verbs vorangelegt, muss aber nicht unbedingt realisiert werden, wie z. B. auch bei: (2) a. Ich gratuliere. [1] b. Ich gratuliere ihm. [2] c. Ich gratuliere ihm zum Geburtstag. [3] (3) a. Ich denke. [1] b. Ich denke an Peter. [2] (4) a. Ich entschuldige mich. [1] b. Ich entschuldige mich bei meiner Schwester. [2] c. Ich entschuldige mich für die Verspätung. [2] d. Ich entschuldige mich bei meiner Schwester für die Verspätung. [3] 1.2. Die Präpositionalphrase als obligatorische Ergänzung zur Varia-

tion der Bedeutung: (5) a. Es geht. [0] (Sto così così.) b. Es geht um die Reform. [1] (Si tratta della riforma.)

Durch die präpositional angeschlossene Nominalphrase verändert sich die Bedeutung des Verbs, so dass es sich im Grunde um zwei verschiedene Ver-ben verschiedener Bedeutung und Wertigkeit handelt.

Viel häufiger ist der Bedeutungswandel des Verbs jedoch nicht an die Quantität der Wertigkeit geknüpft, sondern an die Qualität: Durch den Aus-tausch der kasusgebundenen Leerstelle durch eine Präpositionalphrase bleibt die Wertigkeit des Verbs gleich, es verändert sich aber die Qualität, wie zum Beispiel bei folgendem Verb: (6) a. Die Studentin besteht die Prüfung. [2] (superare, passare) b. Meine Diät besteht aus Gemüse. [2] (essere costituito) c. Das Examen besteht in einer Übersetzung. [2] (consistere) d. Ich bestehe auf die sofortige Bezahlung. [2] (insistere) e. Sein Tun bestand nicht vor der harten Kritik. [2] (tenere testa a qc./qu.) f. Es besteht Zweifel über den Tathergang. [2] (esistere, sussistere)

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Das durchgängig zweiwertige Verb gehört zu der Gruppe der Verben, die nicht unbedingt eine Präpositionalphrase als obligatorische Ergänzung brau-chen, damit der Satz grammatisch wird. Aber tritt an die Stelle der kasusge-bundenen Ergänzung eine präpositional eingeleitete Nominalphrase verändert das Verb seine Bedeutung9 und die Präpositionalphrase wird zu einer obliga-torischen Ergänzung wie zum Beispiel auch bei: (7) a. Das Bild gehört mir. [2] (appartenere) b. Das Bild gehört zu der Sammlung. [2] (far parte di, appartenere a) (8) a. Das Auto fährt. [1] (funzionare) b. Das Auto fährt in die Garage. [2] (entrare) c. Das Auto fährt aus der Garage. [2] (uscire da) d. Das Messer fährt ihm aus der Hand. [3] (sfuggire da) e. Ich fahre mit dem Auto. [2] (andara in auto/vettura) 1.3. Die Präpositionalphrase als bedeutungsgebende obligatorische

Ergänzung

Die Verben dieser Kategorie erfordern die Besetzung einer Leerstelle durch eine Präpositionalphrase, damit der Satz überhaupt erst grammatisch wird. (9) a. Italien grenzt an die Schweiz. [2] b. *Italien grenzt. (10) a. Es handelt sich um einen interessanten Film. [2] b. *Es handelt sich. (11) a. Er interessiert sich für das Buch. [2] b. *Er interesssiert sich. (12) a. Ich wohne in einem Hochhaus/ in Berlin. [2] b. *Ich wohne. 1.4. Die Präpositionalphrase als valenzungebundene Angabe

Diese Präpositionalphrasen in der Form valenzungebundener Angaben stellen frei kombinierbare Informationen hauptsächlich temporaler, kausaler, modaler oder lokaler Art dar10.

9 Hier wird sehr schön deutlich, wie das Deutsche durch verschiedene Präpositionen den

Bedeutungsgehalt des gleichen Verbs wesentlich variieren kann. Das Italienische realisiert diese Bedeutungsvarianten eines Verbs oft durch unterschiedliche Präfixe oder durch ein selb-ständiges neues Verb.

10 Sie sind in den Beispielsätzen mit […] gekennzeichnet.

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(13) a. Ich fahre. b. Ich fahre mit dem Zug. c. Ich fahre [mit dem Zug] [um 10 Uhr]. d. Ich fahre [mit dem Zug] [um 10 Uhr] [nach Hamburg]. (14) Er interessiert sich [aus purer Neugier] für das Buch. (15) Ich wohne in einem Hochhaus [im 5. Stock].

Wie in all diesen Beispielen deutlich wird, ist allen Präpositionalphrasen zunächst gemeinsam, dass sie aus einer Präposition und einer Phrase11 beste-hen und dass die Präposition in ihrer Eigenschaft der Rektion den Kasus der Phrase festlegt und nicht wie bei der kasusgebundenen Ergänzung das Verb. Darüber hinaus wird aber auch deutlich, dass die präpositional eingeleitete Nominalphrase innerhalb der Dependenzgrammatik unterschiedliche Funktio-nen und Aufgaben erfüllen kann: Sie kommt als obligatorische, fakultative Ergänzung und als Angabe vor. Sie beeinflusst sowohl die Wertigkeit des Verbs als auch dessen Bedeutungsgehalt und damit die syntaktische Realisie-rung des Satzes. 2. Präpositionalphrase und Präpositivergänzung12

Abgesehen von den Präpositionalphrasen attributiven Charakters, die die

Substantivvalenz13 betreffen, wird die Präpositionalphrase adverbialen Cha-rakters in der Dependenzgrammatik folgendermaßen differenziert14:

Situativergänzung =

Peter wohnt in Frankfurt/ unter der Brücke. Die Bluse ist im Schrank/ in der Wäsche. Das Buch liegt auf/unter/neben dem Tisch.

Temporalergänzung = Der Unfall geschah um 24.oo Uhr. In diesem Jahr ist die Geburtenrate gesunken.

Direktivergänzung =

Ich lege das Buch auf/unter/neben den Tisch. Peter fliegt nach London/ zu Petra. Ich komme aus der Universität/ von der Arbeit.

11 Bei der Phrase handelt es sich meist um eine Nominalphrase (Duden Nr. 4, 2006: 848).

Zur Präpositionalphrase vgl. auch: D. Wunderlich 1984 und R. Steinitz 1997. 12 Präpositivergänzung wird in der traditionellen Grammatik auch präpositionales Ob-

jekt/Präpositionalobjekt, etc. genannt. 13 Eine Valenz haben nicht nur Verben, sondern auch andere Wortarten wie Substantive

und Adjektive. (vgl. Lohnstein 1996: 51; Kessel - Reimann 2005: 14). 14 Vgl. Beitrag von Nied Curcio zur Valenz.

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Expansivergänzung =

Seit drei Stunden warte ich auf dich. Ich habe um die 10 Jahre bei Siemens gearbeitet.

Nominalergänzung = Er hat sich als Arzt verdient gemacht. Sie wird zum Tier.

Präpositivergänzung = Der Philosoph denkt an Sokrates. Ich halte den Mann für einen guten Lehrer. Ich freue mich auf die Ferien. Ich gehöre dazu.

Auf der Basis dieser Ergänzungsklassen lassen sich die unter Punkt 1 auf-

gelisteten adverbialen Präpositionalphrasen15 vor allem durch zwei Eigen-schaften charakterisieren, die hauptsächlich durch den spezifischen Gebrauch der Präposition geprägt sind: Die Präpositionalphrase, in Form der Angabe16 aber auch der obligatorischen Ergänzung, die die logische Struktur des Satzes weiter differenziert oder spe-zifiziert, aber völlig frei kombinierbar ist. Ihre Beziehung zum Verb zeichnet sich durch den spezifischen Gebrauch der Präposition aus, die im Italieni-schen wie im Deutschen frei gewählt werden kann. Sie entfaltet auch valenz-gebunden ihre spezifisch temporale, lokale, kausale oder modale Bedeutung und kann unter Beibehaltung der semantischen Aussage des Satzes durch andere ersetzt werden:

Verb + {Präposition → Kasus + Nominalphrase} (16) Ich wohne {in Frankfurt/bei Karin/unter der Brücke}. (17) Er kam {mit seiner/ohne seine Freundin}. (18) {Seit drei Stunden/Seit Tagen} warte ich auf dich.

Demgegenüber steht die Präpositionalphrase, die als Präpositivergänzung

dem Satz überhaupt erst eine logische Struktur verleiht und dementsprechend nicht frei kombinierbar ist. Als festes Verbindungsglied zum Verb geht die Präposition mit diesem eine untrennbare Bedeutungseinheit ein. Dadurch verliert sie ihre ursprüngliche temporale, lokale, kausale oder modale Bedeu-tung, wird in dieser Hinsicht bedeutungsleer oder –neutral (vgl. Duden Nr. 4 2005: 613). Durch die untrennbare Einheit von Verb und Präposition kann die Präposition nicht durch andere ersetzt werden ohne die semantische Bedeu-tung des gesamten Satzes zu verändern.

Bei der Präpositivergänzung kann man also von einer Doppelfunktion der

15 In der traditionellen Grammatik wird die syntaktische Aufgabe der Präpositionalphrasen

vor allem auf drei Funktionen reduziert: attributiv, adverbial und Objekt-Funktion. (vgl. Buß-mann 32002: 530).

16 Vgl. Pospiech 52005: 140; Herbst/Klotz 2003: 77.

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Präposition sprechen: Einerseits bestimmt sie über ihre Eigenschaft der Rekti-on den Kasus der Nominalphrase und bildet so mit dieser eine grammatikali-sche Einheit. Andererseits stellt sie als neutrale (leere) Präposition ein festes Verbindungsglied zum Verb dar und bildet so mit diesem eine untrennbare Bedeutungseinheit:

Verb + {Präposition → Kasus + Nominalphrase} (19) Er hofft {auf schönes Wetter}. (20) Sie lachen {über den Witz}. (21) Er ärgert sich {über die Nachricht}. (22) Ich freue mich {auf die Party} morgen. (23) Ich freue mich {über das Geschenk}. (24) Ich freue mich {für Peter}.

Zusammenfassend kann die Präpositivergänzung folgendermaßen charak-

terisiert werden: - Sie ist ein Typ der Präpositionalphrase (= Präposition + Nominalphrase/

Pronomen) und bildet als solche innerhalb des Valenzschemas der Verben eine Ergänzungsklasse, die fakultativ oder obligatorisch sein kann.

- Sie beschreibt die von der Handlung betroffene Person oder Sache. - Die Präposition bestimmt in ihrer Eigenschaft der Rektion den Kasus der

Nominalphrase, deren Qualität. - Die Präposition verliert als Verbindungsglied zum Verb ihre eigentliche

Bedeutung, wird neutral, bedeutungsleer. - Verb und Präposition verschmelzen zu einer untrennbaren Bedeutungs-

einheit. - Der Gebrauch der Präposition ist fest an das Verb gebunden, in dessen

Argumentstruktur vorangelegt (vgl. Meibauer et al. 22007: 149). 3. Zur Einheit von Verb und Präposition

Verben, die mit Präpositionen eine feste Bedeutungseinheit eingehen, fin-

den sich in allen Gruppen von Verben. Die Verben mit Akkusativergänzung (direktes Objekt) zum Beispiel sind ihrer Bedeutung nach in beiden Sprachen oft mehr als zweiwertig und stellen eine dritte Leerstelle zur Verfügung, bei der es sich häufig um eine Präpositivergänzung handelt: (25) a. Proteggo i bambini. Ich schütze die Kinder. b. Proteggo i bambini dal fuoco. Ich schütze die Kinder vor dem Feuer.

Auch die Verben mit reflexiver Akkusativergänzung zerfallen nach ihren

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weiteren Valenzeigenschaften in verschiedene Untergruppen. Eine dieser Untergruppen zeichnet sich durch eine zusätzliche Präpositivergänzung aus (vgl. Duden Nr.4 2005: 409): (26) a. Mi scuso. Ich entschuldige mich. a. Mi scuso per il ritardo. Ich entschuldige mich für die Verspätung.

Ebenso ist die Gruppe der einwertigen Verben mit nur einer Nominativer-

gänzung als solche relativ, weil vor allem auch sie eine weitere obligatorisch oder fakultativ zu besetzende syntaktische Leerstelle eröffnen und dieser eine semantische Rolle in Form einer Präpositivergänzung zuordnen kann. In der Liste der Verben, die mit einer Präposition eine feste Bedeutungseinheit ein-gehen, gehören sie in beiden Sprachen zur größten Gruppe (vgl. auch Gras Ferraresi - Tomelleri Kromberg 1994: 106): (27) a. Io penso. Ich denke. b. Io penso al mio fidanzato. Ich denke an meinen Freund.

Bei Verben mit einer Dativergänzung (indirektes Objekt) handelt es sich

um Verben, die zusätzlich auch Raum für eine Präpositionalphrase anbieten können. Der Dativergänzung entspricht im Italienischen oft der a-Obliquus, aber nicht immer, wie auch hier deutlich wird: (28) a. Il politico ringrazia il giornalista. Der Politiker dankt dem Journalisten. b. Il politico ringrazio il giornalista Der Politiker dankt dem Journalisten per l’articolo. für den Artikel.

Generell sind also Verben mit einer Präpositivergänzung in allen Gruppen

von Verben vertreten. Hinzu kommt, wie hier in den Beispielen auch deutlich wird, dass die Valenzeigenschaften deutscher und italienischer Verben nicht immer übereinstimmen, dass die Unterscheidung von fakultativer Ergänzung und Angabe oft schwer fällt, und vieles mehr. Deshalb raten in der Regel die meisten Lehrbücher im Bereich Deutsch als Fremdsprache17, Verb und Präpo-sition in ihrer festen Bedeutungseinheit lexikalisch zu lernen. Während zahl-reiche Übungen dazu dienen, die direktiven, lokalen, temporalen und auch Wechsel-Präpositionen augrund ihres Bedeutungsgehaltes zu üben, werden die Präpositivergänzungen meist in Zahl und Umfang nur sehr kurz behandelt. Schematisch, tabellarisch präsentiert, mit sehr eingeschränkter Übungstypolo-gie werden in der Regel keine Erklärungen geboten, die ausreichend Auf-schluss über die Regeln zu verbspezifischen Ergänzungen und frei kombinier-

17 Z.B. Tangram, Moment mal!, Projekt Deutsch, Delfin, em, etc.

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baren Angaben geben. Vor allem auch deshalb weil der Präposition in der Präpositivergänzung keine klare Bedeutung zugesprochen wird (vgl. u.a. Hel-big - Buscha 171996), bleibt der Versuch einer Vermittlung auf der Basis se-mantischer Verbfelder aus. Deshalb soll hier versucht werden zu einer lerner-gerechten Didaktik und Übungstypologie anzuregen, die das Hauptaugenmerk auf die feste Präposition richtet, um den Lernenden im Aneignungsprozess bestimmte Schemata und Richtlinien zur Verfügung zu stellen.

4. Gebrauch der Präpositionen

Die italienische Sprache verfügt über weitaus weniger Präpositionen als

die deutsche. Die acht am häufigsten benutzten Präpositionen finden im Deut-schen eine weitaus größere Anzahl möglicher Entsprechungen (vgl. u.a. Gras Ferraresi - Tomelleri Kromberg 1994: 57ff.) Das gleiche gilt auch bei den Verben mit Präpositivergänzung. Das Italienische leitet diese hauptsächlich durch die zwei Präpositionen a und di , weniger oft durch con, da oder per ein (vgl. Battaglia - Pernicone 1991: 412f). Das Deutsche bedient sich hingegen der gesamten Bandbreite seiner Präpositionen. Daher entsprechen den italieni-schen Präpositionen oft mehrere deutsche. Kontrastiv kann man zur Orientie-rung Entsprechungen18 herstellen zwischen:

dem italienischen: und der deutschen Präpositivergänzung mit:

a-Obliquus an di-Obliquus von, über, um, aus

zum Beispiel: pensare a denken an adattarsi a sich anpassen an scrivere a schreiben an credere a glauben an aber z.B.: appartenere a gehören zu oder: trattare di handeln von discutere di diskutieren über occuparsi di sich kümmern um essere fatto di bestehen aus aber z.B.: aver paura di Angst haben vor

Neben diesen Entsprechungen, die zur reinen Orientierung dienen, könnte

18 Vgl.: Schwarze 1988: 109. Es bestehen Abweichungen von diesen Entsprechungen.

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die Erstellung semantischer Verbfelder einen ersten Schritt bei der Didaktisie-rung der Präpositivergänzung darstellen. Die Untersuchung von semantischen Verbfeldern (vgl. Schumacher 1986) hat ergeben, dass bei einigen Verbfel-dern immer die gleiche Präposition vorhanden ist. Zum Beispiel (Domìnguez Vázquez 2005: 9):

auf

Verben der Preservation: beharren auf, bestehen auf, insistieren auf, aufpassen auf Verben der Grundlegung: aufbauen auf, basieren auf, sich grün-den auf, sich stützen auf

aus Verben des Folgens und der Folgerung: sich ergeben aus, resul-tieren aus, folgern aus

von Verben der Entfernung/Differenz: sich distanzieren von, sich verabschieden von, sich trennen von

zu Verben der Änderung: bekehren zu, übertreten zu, konvertieren zu, entschließen zu

Die Bildung dieser semantischen Verbfelder und deren Benennung könnte

eine Übungstypologie darstellen um die Funktion der Präposition semantisch einzuordnen.

Darüber hinaus könnte vor allem bei Verben mit einer Reihe unterschiedli-cher Präpositionen (bestehen; sich freuen) die Beschreibung des semantischen Kasus von Seiten der Lernenden zu logischen Verknüpfungen hinsichtlich des Einsatzes fester Präpositionen führen.19

Ich lerne etwas aus den Büchern, aber von meinem Lehrer. Das Italieni-sche bietet keine Hilfe, weil in beiden Fällen da als Präposition auftritt. Oft entscheidet die Präposition darüber, ob ihr Mitspieler eine Institution, ein Mensch oder ein Tier ist und so tragen z. B. von-Präpositionalphrasen häufig die Merkmale (hum/inst)20, d.h. Menschliches oder vom Menschen geschaffe-ne Institutionen. Die aus-Präpositionalphrase wird hingegen durch kategoriel-le Bedeutungen (geg/situ) gekennzeichnet.

Die Zuordnung der Kasus Lokativ, Klassifikativ, Affektiv und Agentiv (vgl. Engel 1996: 230ff) können bei der Erklärung der Präpositionen von Nut-zen sein, sind aber nicht unbedingt notwendig (siehe Übungsteil).

19 Vgl. die von Engel vorgeschlagenen Tests: Engel 1996 und Domìnguez Vázquez 2005 20 Z. B.: Menschliches = hum; Institution = inst; Situation = situ; Gegenständliches = geg

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5. Die Präpositivergänzung und ihre Ersatz-Formen (Pro-Formen)

Alle Präpositionalphrasen können allgemein innerhalb des Satzes durch verschiedene Pro-Formen ersetzt werden. Diese Formen werden auch prono-minale Kopien, Substituens, Verweisformen, Präpositionaladverbien oder im Falle der Präpositivergänzung als Pronominaladverbien bezeichnet. Es han-delt sich um pronominale Ausdrücke, die auf die präpositional eingeleitete Nominalphrase Bezug nehmen und diese im Satz aus verschiedenen Gründen vertreten können (vgl. Sasse 1993: 646-686). Sie setzen sich immer aus einem der Pro-Adverbien wo-, da- oder hier21 und der Präposition zusammen: wo(r) + Präposition22 (worin/wofür/...)

da(r) + Präposition (darin/dafür/...) hier + Präposition (hierin/hierfür/...)

Entsprechend ihrer Bildung gehören sie zu folgenden Gruppen und erfül-

len die folgenden syntaktischen Funktionen: Gruppe Funktion: wo - Interrogativ- und Relativadverbien:

Worüber denkst du nach? Ich kenne das Buch, worüber er spricht.

Fragesatz Relativsatz

da -, hier -

phorische Pro-Adverbien: Sie legt die Tasche darauf. (auf den Tisch) (D) Der Schlüssel ist hierin. (in dieser Tasche) (D) Komm sofort daraus! (aus dem Zimmer) (D) Konjuntionaladverbien: Endlich beginnen die Ferien. Er freut sich sehr dar-auf. (A) Wir sprechen gerade darüber, ins Kino zu gehen. (K) Das Problem ist sehr komplex. Darüber müssen wir nochmal diskutieren. (A) Die Uni leidet darunter, dass durch die Reform eine Verschulung eingetreten ist. (K)

Antwortsatz Hauptsatz konkret zeigend = deiktisch (D) oder rückweisend = Anapher (A) oder vorausweisend = Katapher (K)

21 Verbindungen mit hier werden dabei selten gebraucht. 22 Beginnt die Präposition mit einem Vokal wird zwischen wo- / da- und Präposition ein ‚r’

eingefügt (worin / darum, aber: wogegen / davon, etc.)

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6. Pro-Formen in Frage- und Relativsatz: wo-Bildungen Behält die Präposition in einer Präpositionalphrase ihre eigentliche Bedeu-

tung, so wird die Frage in der Regel durch das entsprechende Interrogativad-verb eingeleitet: Bei temporaler Bedeutung z. B. durch Wann, bei lokaler Wo, Wohin, Woher, bei kausaler Warum und bei modaler Wie.

Bei den Verben mit einer Präpositivergänzung verfährt jedoch sowohl das Italienische als auch das Deutsche anders. Die an das Verb gebundene Präpo-sition wird zu einem festen Bestandteil des Interrogativadverbs. Darüber hin-aus unterscheidet dieses zwischen Person und Nicht-Person (Sachen, Dingen, Konzepte, Ideen, etc.).

Frage bei Personen: Bezieht sich die Frage auf eine Person, leiten in beiden Sprachen Präposition und Interrogativadverb die Frage ein. Im Deutschen wird das Interrogativadverb entsprechend der Rektionseigenschaft der Präpo-sition dekliniert:

Preoposizione + chi ↔ Präposition + wen/ wem A chi pensi? An wen denkst du? Io penso al mio fidanzato. Ich denke an meinen Freund. Con chi giocha? Mit wem spielt er? Gioca con Peter. Er spielt mit Peter.

Frage bei Nicht-Personen: Beide Sprachen bilden das Interrogativadverb

nach dem gleichen System. Im Deutschen wird jedoch häufiger ein anderer Typ entsprechend der wo– Bildung verwendet:

preposizione + che cosa ↔ Präposition + was23 oder ↔ Wo(r) + Präposition A che cosa pensi? An was / Woran24 denkst du? Penso alle vacanze. Ich denke an die Ferien. Con che cosa gioca? Mit was / Womit spielt er? Gioca con la macchina. Er spielt mit dem Auto.

Die Interrogativadverbien >Wo(r) + Präposition< können bei Nicht-

Personen in einem deutschen Relativsatz die Funktion des Relativadverbs annehmen. Bei Personen aber auch bei Nicht-Personen bilden ansonsten die Präposition und der deklinierte Artikel das Relativadverb. Den deutschen

23 Das Interrogativpronomen was wird nicht dekliniert. 24 Die Interrogativadverbien “An was” oder “Woran” sind gleichwertig. Bei allen können

beide Form angewendet werden. Die Wo-Bildungen sind jedoch frequenter.

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entsprechen im Italienischen: a/di/con/per/da cui oder quale Personen: Conosco l‘uomo a cui pensa. Ich kenne den Mann, an den sie denkt Conosco l‘uomo di cui parla. Ich kenne den Mann, über den sie spricht. Nicht-Personen: Conosco il libro al quale pensa. Ich kenne das Buch, an das / woran sie denkt. Conosco il libro di cui parla. Ich kenne das Buch, über das25/worüber er spricht. Eine kleine Tabelle möglicher Interrogativ- und Relativadverbien*:

Präposition Person Nicht - Person über Über wen Über was Worüber* auf Auf wen / wem Auf was Worauf an An wen / wem An was Woran für Für wen Für was Wofür von Von wem Von was Wovon mit Mit wem Mit was Womit in In wen In was Worin aus Aus wem Aus was Woraus gegen Gegen wen Gegen was Wogegen etc. … … …

7. Pro-Formen in Antwort und Hauptsatz: da-Bildungen

Die Pronominaladverbien haben in ihrer Vertreterfunktion für die Präposi-

tivergänzung rückweisenden (Anapher) oder vorausweisenden (Katapher) Charakter. Sie greifen entweder zuvor Gesagtes wieder auf oder antizipieren danach Erwähntes. (vgl. Bußmann 32002: 538; 541) In dieser Funktion treten sie in Antwortsätzen, aber auch in Hauptsätzen mit jedoch unterschiedlichen Regeln auf.

In Antwortsätzen werden sie häufig benutzt, damit die Präpositivergänzung nicht wiederholt werden muss. Wie beim Interrogativadverb in der Frage un-terscheiden das Deutsche und das Italienische auch im Antwortsatz zwischen Person und Nicht-Person.

Bei Personen wird die Präpositivergänzung in beiden Sprachen durch die

25 Bei den Relativadverbien gilt das Gleiche wie bei den Interrogativadverbien. (Anm. 12)

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Präposition zusammen mit dem Personalpronomen ersetzt, das im Deutschen entsprechend der Rektionseigenschaft der Präposition dekliniert werden muss. (29) occuparsi di sich beschäftigen mit Si occupa dei suoi bambini. Di chi si occupa, dei suoi bambini?

Sie beschäftigt sich mit ihren Kindern. Mit wem beschäftigt sie sich, mit ihren Kin-dern?

Si, si occupa di loro. Ja, sie beschäftigt sich mit ihnen. (30) pensare a denken an Lei pensa a Peter? A chi pensa, a Peter?

Sie denkt an Peter. An wen denkt sie, an Peter?

Si, penso a lui. Ja, ich denke an ihn. Bei Nicht-Personen unterscheidet sich das Deutsche vom Italienischen.

Während sich das Deutsche bei allen Präpositionen der Pronominaladverbien aus der Gruppe der da-Bildungen >da(r)+Präposition< bedient, treten im Ita-lienischen an die Stelle der Präpositivergänzung je nach Präposition bestimm-te klitische Pronomina (vgl. Schwarze 1988: 297) oder das Substantiv der Nominalphrase muss wiederholt werden26:

Italienisch Deutsch

Präpositiver- gänzung mit:

Pro-Form: Adverb Präpositiver- gänzung mit:

Pro-Form: Pronominal-adverb

a ci/vi an → daran di → ne von →

über → um → aus →

davon darüber darum daraus

con → da

Wiederholung: Substantiv

mit → bei / vor →

damit dabei / davor

(32) Sì, se ne occupa. Ja, sie beschäftet sich damit. (33) Sì, ci pensa. Ja, sie denkt daran.

In Hauptsätzen können die Pronominaladverbien der da-Bildung bei Nicht-Personen zwei verschiedene Aufgaben erfüllen: rückweisend (Anapher) oder vorausweisend (Katapher).

26 Vgl. Gras Ferraresi - Tomelleri Kromberg (1994: 106); Battaglia - Pernicone (1991:

247ff); Schwarze (1988: 305ff).

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Anapher: Diese Vertreterfunktion bedient sich im Deutschen wie im Italie-nischen der gleichen Pronominaladverbien wie im Antwortsatz. Das Prono-minaladverb verweist auf etwas vorher Gesagtes und erspart so die Wiederho-lung des Substantivs:

(34) a. Il problema è molto complesso. Ne dobbiamo ancora parlare. b. Das Problem ist sehr komplex. Wir müssen nochmal darüber sprechen.

(35) a. Il problema mi occupa tanto. Ci penso continuamente. b. Das Problem beschäftigt mich sehr. Ich denke laufend daran.

(36) a. All‘inizio del convegno mostriamo un film. Con esso si inizia. b. Am Anfang der Konferenz zeigen wir einen Film. Damit fangen wir an.27

Katapher: Diese Vertreterfunktion findet keine gleichwertige Entspre-

chung im Italienischen. Im Deutschen kann die für die Präpositivergänzung vorgesehene Leerstelle durch das Pronominaladverb der da-Bildungen ersetzt werden. Es eröffnet so eine weitere Leerstelle, die in Form eines dass-Satzes oder einer Infinitivkonstruktion besetzt werden kann. Auf diese Weise antizi-piert das Pronominaladverb im Hauptsatz, was dann in einem anschließenden Nebensatz weiter ausgeführt wird: (37) a. Ich beginne mit der Begrüßung. b. Ich beginne damit, dass ich Sie ganz herzlich zur Eröffnungsfeier begrüße. c. Ich beginne damit, das ungeduldige Publikum schnell zu begrüßen.

Das Pronominaladverb vertritt die Präpositivergänzung im Hauptsatz. Durch seinen kataphorischen Charakter (antizipierend) weist es auf ein Kon-zept oder Faktum voraus, das in einem darauf folgenden dass-Satz oder bei gleichem Subjekt in einer Infinitivkonstruktion zum Ausdruck kommt. Der Bedeutungsgehalt der Präpositivergänzung, der in dem maximalen Informati-onsgehalt einer Nominalphrase besteht, kann so in Form einer syntaktischen Konstruktion mit all ihren möglichen Informationsträgern wesentlich erwei-tert und präzisiert werden. Das Italienische bedient sich entsprechender Struk-turen, indem es an die Stelle des Pronominaladverbs auf das Faktum an sich verweist: preposizione + il fatto = da(r)+Präposition

27 Bei Personen benutzen beide Sprachen die Präposition und das Personalpronomen.

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(38)

a. Ich freue mich riesig auf den Urlaub. b. Ich freue mich riesig darauf, dass ich im Urlaub mal richtig ausschlafen kann. c. Ich freue mich riesig darauf, im Urlaub mal richtig ausschlafen zu können. d. Mi rallegro delle vacanze. e. Mi rallegro del fatto che posso dormire ben a lungo durante le vacanze. f. Mi rallegro del fatto di poter dormire ben a lungo durante le vacanze.

(39)

a. Wir unterhielten uns über das letzte Fußballspiel. b. Wir unterhielten uns darüber, dass das letzte Fußballspiel sehr spannend war. c. Parlavamo dell‘ultima partita di calcio. d. Parlavamo del fatto che l‘ultima partita di calcio è stata molto emozionante.

8. Eine Auswahl häufig gebrauchter Verben mit fester Präposition Im Folgenden wird eine Liste von häufig gebrauchten Verben mit fester Prä-position präsentiert.

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Aufgaben und Übungen28 A. Übungen zu den Verbfeldern A1. Ergänzen Sie weitere Verben mit fester Präposition und benennen Sie die Verb-felder (2) und (3). Sie können die Verbfelder auch in ihrer Muttersprache benennen.

für

→ → →

(1) Verben des zielgerichteten positiven Einsatzes (Benefi-zient/Sache-Person-Konzept): protestieren für, sein für, demonstrie-ren für (2) Verben ____________________: arbeiten für, zuständig sein für, jdn. halten für, sorgen für (3) Verben __________________: jdm. danken für, s. bedanken für, s. entschuldigen für

gegen →

(4) Verben des zielgerichteten Einsatzes gegen ein Oppositum (Kontrahent/Person-Konzept): protestieren gegen, sein gegen, de-monstrieren gegen

28 Aus didaktischen Gründen wird hier vor allem die Arbeit in kleinen Gruppen oder zu

zweit empfohlen.

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A2. Bilden Sie a) Sätze mit den Verben der Tabelle. Ersetzen Sie b) in einem zweiten Schritt die Präpositivergänzung durch ein Pronominaladverb und erweitern Sie c) den Satz, indem Sie die Leerstelle durch einen dass-Satz oder eine Infinitivkonstruktion besetzen. Beispiel: Ich protestiere gegen den Rassismus. Ich protestiere dagegen, dass der Rassismus in den Schulen geduldet

wird. Die Studenten protestieren dagegen, unter diesen Bedingungen geprüft

zu werden. A3. Bilden Sie Verbfelder mit den folgenden Verben und benennen Sie sie. über an s. unterhalten über, sprechen über, reden über, diskutieren über, berichten über, nachdenken über, s. wundern über, s. einig sein über, etw. erfahren über, s. beklagen über, s. ärgern über, lachen über, etw. hören über

zweifeln an, Kritik üben an, s. freuen an, s. orientieren an, s. halten an, s. gewöhnen an, s. anpassen an, teilnehmen an, glauben an, jdm. liegt etw. an, schreiben an/an, arbeiten an, s. erinnern an, sterben an, es liegt an

A4. Bilden Sie dann Fragen und Antworten nach dem folgenden Beispiel. Worüber unterhaltet ihr euch? Wir unterhalten uns darüber, dass der Energieverbrauch in den letzten Jahrzehnten in den entwickelten Ländern drastisch zugenommen hat. A5. Arbeiten Sie mit Hilfe der Liste der am häufigsten gebrauchten Verben mit fester Präposition (Punkt 8) so weiter wie oben. Bilden Sie nach und nach zu allen Verben mit fester Präposition Verbfelder und benennen Sie sie. auf – in – mit – nach – zu – vor – von – usw. ….. B. Übungen zum semantischen Kasus B1. Das folgende Verb kann mit unterschiedlichen Präpositionen eine Verbindung eingehen. Ergänzen Sie weitere Satzbeispiele und beschreiben Sie den semantischen Kasus auch mit Hilfe der folgenden Kategorien, z.B.: Menschliches = hum; Institution = inst; Situation = situ; Gegenständliches = geg; Ort = ort; Ich kämpfe für die Rechtschreibreform. Ich kämpfe …

hum/geg: systematisch, zielstre-big, s. bewusst in den Dienst stellen für

Ich kämpfe gegen die Rechtschreibreform. Ich kämpfe …

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Ich kämpfe um die Rechtschreibreform. Ich kämpfe …

Ich kämpfe mit der Rechtschreibreform. Ich kämpfe …

B2. Die folgenden Verben können mit einer Reihe unterschiedlicher Präpositionen eine Verbindung eingehen. Beschreiben Sie den semantischen Kasus der Verben. Orientieren Sie sich an dem unten stehenden Beispiel. - denken über, von, an, s. etw. denken bei, - rechnen mit, auf, in, nach, zu - sprechen mit, zu, vor, über, von, für, gegen - bestehen aus, in, auf, vor, Beispiel: arbeiten für, um Gegenwert; geg Ich arbeite für meinen Lohn.

Er arbeitet um den Erfolg. an, über Produkt/Thema;

geg Ich arbeite an dem Referat. Er arbeitet über Goethe.

in, auf, an bei

Arbeitsplatz; ort/hum

Ich arbeite im Krankenhaus. (=Gebäude) Ich arbeite auf der Baustelle. (=offener Platz) Ich arbeite am Fließband. (= wo man steht/ sitzt) Ich arbeite bei einem Arzt/bei Siemens. (=Person/Firma) Ich arbeite an der Uni/am Gymnasium. (= Lehr-anstalt) Ich arbeite auf der Post/dem Standesamt. (= Äm-ter)

für, gegen Ziel/Benefizient, Kontrahent; situ

Ich arbeite für die Befreiung politischer Gefange-ner. Ich arbeite gegen politischen Schwachsinn.

C. Einsetzübungen zu den festen Präpositionen C1. Setzten Sie die festen Präpositionen oder Pronominaladverbien ein. Ärger mit den Nachbarn

“Sie können sich ____________1) verlassen, dass ich den Flur putze! Nur fange ich ____________2) an, wenn es mir meine Zeit erlaubt!” Es liegt mir nichts ____________3), ____________4) Ihnen ____________5) zu streiten. Kümmern Sie sich ____________6) ihre Angelegenheiten und lassen Sie mich in Ruhe.” Karin hatte immer sehr ____________ 7) geachtet, nicht ____________ 8) den Nachbarn zu streiten. Seitdem sie in diesem ruhigen Haus wohnte, hatte sie sich sehr ____________9) die Nachbarn angepasst: keine Partys, keine laute Musik, keine

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häufigen Besuche, usw. Als Studentin war es nicht leicht, eine schöne Wohnung zu finden. Die meisten Vermieter hielten nichts ____________10) Studenten: “Die ma-chen ja doch nur Krach und bezahlen die Miete nicht!”

Aber obwohl sie sich sehr ____________11) kümmerte, alles in Ordnung zu hal-ten und ihre Nachbarn zu respektieren, gab es nur Ärger. Sie ärgerte sich immer häu-figer ____________12) ihre Nachbarinnen, die sie zehnmal am Tag ____________13) fragten, wann sie endlich die Treppe und den Flur putzen wolle. Sie fürchtete sich schon ____________14), jemanden aus dem Haus zu treffen. Sie zweifelte langsam ____________15), ob es wirklich etwas ____________16) ihr als Person zu tun hatte, oder ob es den Nachbarinnen nicht ganz einfach nur ____________17) ging, sich zu streiten, egal ____________18) wem. So dachte sie ein wenig ____________19) nach, wie sie mit den Damen des Hauses Frieden schließen könnte. Nachdem sie auch ____________20) ihrer Freundin ____________21) das Problem gesprochen hatte, kam ihr nach ein paar Tagen die Idee: ein Kaffeekränzchen! Sie begann sofort ____________22) den Einladungen. Alle sagten zu. Sie kamen wohl eher aus Neugier als aus Freundlichkeit. Dennoch wurde es ein gelungenes Kaffeekränzchen, bei dem sich alle ein bisschen ____________23) die neue Situation gewöhnen mussten, aber man lernte sich endlich kennen und die Situation entspannte sich von diesem Tag an. C2. Setzen Sie die Präpositionen oder Pronominaladverbien ein. Bei welchen Ergän-zungen handelt es sich um Präpositivergänzungen (E)? Welchen Charakter haben die anderen Präpositionen: direktiv, lokal, temporal, oder handelt es sich um Substantive mit fester Präposition? Sprachen öffnen “KulTüren”: Das Europäische Jahr der Sprachen setzt auf Vielfalt Die Vision ____________1) einem vielsprachigen Europa treibt sie an - all die Leh-rer und Schüler, Professoren und Kulturvertreter, die ____________2) diesem Jahr europaweit die Sprachen ____________3) den Mittelpunkt zahlreicher Aktionen stellen. Europarat und Europäische Union haben das “Jahr der Europäischen Spra-chen” ausgerufen. “Muttersprache plus zwei Fremdsprachen” lautet die Devise, ____________4) der nun allerorten - auch in Deutschland- ____________5) das Spra-chenlernen geworben wird. Spanisch ____________6) März, Kroatisch ____________7) April, Französisch ____________8) Mai, Italienisch ____________9) Juni und so weiter ____________10) Dezember: Bielefeld steht jeden Monat ____________11) Zeichen einer anderen Sprache. Geboten werden Schnupperkurse, Filme, Lesungen, Theater-festivals und viele andere Kulturereignisse. Das Programm, organisiert ____________12) der Universität Bielefeld, gehört ____________13) den vielen deut-schen Beiträgen ____________14) das “Europäische Jahr der Sprachen” und wird als herausragendes Projekt ____________15) der Europäischen Union (EU) gefördert. ____________16) Deutschland, das die größte Zahl ____________17) Projekten ____________18) Brüssel eingereicht hat, erhält das Thema Sprache durchaus eine neue Dimension. Ist doch ____________19) den vergangenen Jahren -heftig und kon-trovers- vor allem ____________20) die deutsche Sprache selbst diskutiert worden: ____________21) die zunehmende Anglisierung des Deutschen und den Rückgang seiner Bedeutung als Wissenschaftssprache, ____________22) Deutsch als Amtsspra-

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che ____________23) der EU und ____________24) die Förderung des Deutschen als Fremdsprache ____________25) Ausland. ____________26) der Pflege der eigenen Sprache jetzt also die Fremdsprachen: ____________27) der nationalen Eröffnungskonferenz des Sprachenjahrs ____________28) diesem Februar (2001) ____________29) Berlin nannte Bundesbil-dungsministerin Edelgard Bulmahn die “Fremdsprachenkompetenz eine Schlüssel-qualifikation” sowohl ____________30) das private als auch berufliche Leben. Und Vivian Reding, ____________31) der Europäischen Kommission ____________32) Bildung und Kultur zuständig, plädierte ____________33) ihrem Grußwort ____________34) der Berliner Konferenz ____________35), den “kulturel-len Reichtum” Europas zu erhalten und die Sprachen seiner Nachbarländer zu lernen. ____________36) die Luxemburgerin ist es schwerlich begreiflich, dass nur die Hälfte aller Europäer eine Fremdsprache spricht. “Alle Luxemburger sind dreisprachig, und wenn sie die Schule verlassen, können sie Luxemburgisch, Deutsch und Französisch und als vierte Sprache Englisch und meist noch eine fünfte Sprache”, sagte sie kürz-lich ____________37) einem Rundfunkinterview. ____________38) solchen Verhält-nissen kann man ____________39) Deutschland, das immerhin ____________40) neun Nachbarländer grenzt, nur träumen. 57 Prozent der Deutschen sprechen eine einzige Fremdsprache und nur 27 Prozent noch eine zweite. Englisch hat Vorrang Alle sind sich ____________41) einig, dass man ____________42) dem Sprachenler-nen nicht früh genug beginnen kann - am besten als Grundschüler. ____________43)

den deutschen Schulen ist die “Fremdsprachen-Szene” zwar vielfältig, aber auch unübersichtlich. Das hängt ____________44) zusammen, dass ____________45) Kul-tur und Bildung die Bundesländer zuständig sind, jedes also eigene Vorschriften er-lässt. So kommt es, dass in Hamburg heute alle Grundschüler Englisch als Pflichtun-terricht bekommen, andere Bundesländer ____________46) aber längst noch nicht so weit sind. (...) (nach: DAAD-Letter, Nr. 1 April 2001) D. Übersetzungsübungen D1. Übersetzen Sie die folgenden Sätze ins Italienische. Die festen Präpositionen verlangen alle den Akkusativ im Deutschen. 1. Man denkt nicht genug an die Umwelt. 2. Ich erinnere mich nicht an den Vorfall. 3. Die Regierung glaubt an die Realisierung des Projektes in kurzer Zeit. 4. Peter schreibt eine SMS an seine Freundin. 5. Der Mann schickt ein Geschenk an seine Frau. 6. Achten Sie auf ihre schlanke Linie. 7. Der Erfolg der Prüfung kommt auf den Prüfling an. 8. Mein Mann passt heute auf die Kinder auf. 9. Der Journalist bezieht sich auf die neue Reform.

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10. Wir freuen uns auf die Semesterferien. 11. Ich warte schon 3 Wochen auf ein Paket. 12. Die Braut bedankt sich bei den Gästen für die Geschenke. 13. Der Trainer dankt den Spielern für das gute Spiel. 14. Kinder interessieren sich für viele Dinge. 15. Die Arbeiter streiken für bessere Löhne. 16. Peter entschied sich für das Jurastudium. 17. Die Studenten protestieren gegen die Erhöhung der Studiengebühren. 18. 100.000 Menschen demonstrierten heute gegen Atomkraft. 19. Er entschied sich gegen eine Heirat. 20. Viele ärgern sich über die schlecht funktionierende Kommunalpolitik. 21. In den 70er Jahren wurde viel über Politik und Emanzipation diskutiert. 22. Sara hat sich sehr über das tolle Geschenk gefreut. 23. Über andere Leute wird immer gerne und viel geredet. 24. Wir unterhalten uns gerne über Philosophie. 25. Mein Sohn hat sich um eine Stelle als Manager beworben. 26. Ich möchte dich um einen Gefallen bitten. 27. Es geht bei dem Streik nicht um mehr Lohn, sondern um bessere Arbeitsbedin-

gungen. 28. Lass uns um 10 Euro wetten. D2. Übersetzen Sie die folgenden Sätze ins Italienische. Die festen Präpositionen verlangen alle den Dativ im Deutschen. 1. Nicht alle Studierenden beteiligten sich an dem Protest. 2. Viele Menschen leiden an Kopfschmerzen. 3. Heutzutage sterben viele junge Leute an Schlaganfällen. 4. Ich bestehe auf der Einhaltung der Fristen 5. Die Kleinfamilie besteht heutzutage aus drei Personen. 6. Das Kleid ist aus Seide. 7. In Italien trinken viele Leute den Kaffee aus Gläsern. 8. Der Patient bedankt sich bei dem Arzt. 9. Ich entschuldige mich bei Enrico für die Verspätung. 10. Erkundige dich bei dem Schaffner nach der Ankunft des Zuges. 11. Das Problem des Examens besteht vor allem in der Grammatikprüfung. 12. Sie haben gestern mit den Arbeiten begonnen/angefangen. 13. Isaak beschäftigt sich viel mit seinen Kindern. 14. Ich brauche Hilfe beim Umzug. Kann ich mit dir rechnen?

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15. Mein Bruder unterhält sich gerne mit mir. 16. Der Professor versteht sich gut mit seinen Studierenden. 17. Ich muss mit dir reden. Hast du einen Moment Zeit? 18. In dem Cafe riecht es wunderbar nach Kaffee. 19. Ich muss mich nach den neuen Abfahrtszeiten der Züge erkundigen. 20. In Großstädten stinkt es oft nach Abgasen. 21. Das Brot schmeckt nach Oliven. 22. Jugendliche hängen nicht gerne von ihren Eltern ab. 23. Die Tagesschau berichtet von den letzten Ereignissen. 24. Ich muss mich jetzt erst mal von dem Stress erholen. 25. Von Peter haben wir lange nichts gehört. 26. Das Buch handelt von der Arbeitslosigkeit der jungen Generation. 27. Die Professorin verlangt viel von den Studierenden. 28. Karin hat heute Nacht von Schneewittchen geträumt. 29. Ich habe Angst vor dem Einbrecher. 30. Der Hund rettete das Kind vor dem Ertrinken. 31. Der alte Herr verneigte sich vor der schönen Frau. 32. Ich warne dich vor diesen Leuten. 33. Ich brauche den Computer zum Unterrichten. 34. Er hat es zum Schauspieler gebracht. 35. Viele Politiker werden schnell zu eigennützigen Leuten. Literatur Linguistik Battaglia S., Pernicone V. (1991), La Grammatica Italiana. Torino, Loescher. Bußmann H. (Hg.) (32002), Lexikon der Sprachwissenschaft, Stuttgart, Kröner. Dudenredaktion (72005), Die Grammatik, Duden Bd. 4, Mannheim & Wien & Zürich,

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FALSCHE FREUNDE UND IHRE VERWANDTEN

Christine Twittmann

1. Falsche Freunde – Echte Freunde: Versuch einer Definition Wie vielen Italienern auf Deutschlandreise ist es schon passiert, dass sie

das kalte Wasser aufgedreht haben, obwohl sie gerne warm duschen wollten, weil sie das deutsche Wort kalt auf der Armatur als italienisch caldo interpre-tiert haben? Selbst fortgeschrittenen Lernern passiert die Verwechslung der beiden Wörter in spontanen Äußerungen noch, obwohl ihnen die Bedeutung von kalt eigentlich bekannt ist. Solche Verwechslungen zwischen zwei Spra-chen nennt man Interferenzen. Interferenzen sind fehlerhafte Übertragungen muttersprachlicher Strukturen auf äquivalente Strukturen der Fremdsprache. Sie können semantischer, morphosyntaktischer, lexikalischer, phonologischer und gestikulatorischer Art sein und sind ein Phänomen, das im Fremdspra-chenerwerb häufig beobachtet werden kann, insbesondere wenn sich Mutter- und Fremdsprache von ihrer Struktur her ähnlich sind. In diesem Artikel soll nun dargestellt werden, wie es zu Interferenzen in der Lexik kommt, wie sie unter linguistischen Aspekten zu beschreiben sind und wie sie vermieden werden können. Dabei soll das Hauptaugenmerk auf die Aspekte gelegt wer-den, die für den italienisch-deutschen Sprachvergleich relevant sind.

Der Irrtum, it. caldo mit dt. kalt zu übersetzen, ist wohl das berühmteste

Beispiel für eine Interferenz im italienisch-deutschen Sprachvergleich, jedoch zählen nicht alle Linguisten diesen Fall der Fehlübersetzung zu den Falschen Freunden, da die beiden Lexeme nicht sprachgeschichtlich miteinander ver-wandt sind. Carlo Milan (1989: 395) etwa zählt das Phänomen von zwei sich ähnelnden Lexemen, die aber nicht derselben Wurzel entstammen, ausdrück-lich nicht zu den Falschen Freunden, sondern bezeichnet sie als „zufällige Homonymien“. Er postuliert als eine Bedingung, zwei Lexeme zu den Fal-schen Freunden zählen zu können, dass „sie [...] etymologisch miteinander verwandt [sind]“ (ebd. 394), wodurch er sie klar von diesen zufälligen Homo-

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nymien abgrenzt. Zwar gesteht er ein, dass auch hier Interferenzprobleme auftauchen können, erkennt aber auch, dass – um ein Lexempaar zu den Fal-schen Freunden zählen zu können – der Sprachbenutzer „das Gefühl haben [muss], dass die beiden Wörter irgendwie miteinander zusammenhängen, was sich im Begriff ‚Freund(schaft)’ ausdrückt“ (ebd. 396). Diese Erkenntnis denkt er jedoch nicht konsequent weiter, sondern fordert stattdessen vom Fremdsprachenlerner „ein gewisses Vorwissen über die Herkunft der betrof-fenen Wörter“ (ebd. 396). Er macht nicht den Schritt, dieses „Gefühl“ anstatt des sprachgeschichtlichen Wissens als Kriterium für Falsche Freunde anzu-setzen, obwohl dies aus der Perspektive des Sprechers sinnvoller wäre. Ein Fremdsprachenlerner hat viel eher das „Gefühl“ als das diachrone Hinter-grundwissen, dass zwei Lexeme miteinander zusammenhängen.

Diesen Ansatz hingegen wählt beispielsweise Hans Petersen. Seinen Grundsatz „Falsche Freunde existieren nicht aus sich selbst heraus, erst der Lernende schafft sie“1 verfolgt er soweit, dass er auch Lexempaare, die keinen gemeinsamen sprachhistorischen Ursprung haben, zu den Falschen Freunden zählt. Er spricht also der Lernerperspektive eine größere Bedeutung zu als der rein linguistischen Perspektive und räumt deshalb auch den Lexempaaren einen Platz unter den Falschen Freuden ein, die von Sprechern verwechselt werden, obwohl sie nicht sprachgeschichtlich miteinander verwandt sind2.

In der linguistischen Forschung lassen sich noch weitere Differenzen fin-den, welche Phänomene zu dem Feld der Falschen Freunde gezählt werden. Eine einheitliche Definition der Falschen Freunde existiert nicht. Schon bei der Eingrenzung des Gebietes, in dem Falsche Freunde auftauchen können, finden sich in der Literatur unterschiedliche Standpunkte. So ignorieren zahl-reiche Forscher, dass sich das Problem der Falschen Freunde nicht nur auf Fehlbildungen in einer Fremdsprache beschränkt, sondern diese Fehlbildun-gen ebenso in der Muttersprache vorkommen3. Im Sinne dieses Studienbuches wird hier jedoch das Phänomen Falsche Freunde nur im Spannungsfeld von zwei Sprachen (Italienisch – Deutsch) dargestellt, um dem kontrastiven An-satz gerecht zu werden. Aber auch bezüglich der Frage, welche Fehlbildungen

1 Petersen (1990: 12). 2 Vgl. hierzu genauer das Kapitel 3.2 bei Petersen (1990: 26-27). 3 Hans Petersen erläutert sinnvoller Weise das Phänomen der Falschen Freunde mit seinen

Beobachtungen zu Sinnkonstitution und Motivierung im Bereich der Lexik, wodurch der Beg-riff der Falschen Freunde erweitert wird und auch Falschbildungen in der Muttersprache um-fasst. Als Beispiel führt er die „semantisch differenzierten Zwillingsformen (Doppelformen, Dubletten)“ (Petersen, 1990: 27) an. Dies sind Lexempaare derselben Sprache (für das Deut-sche beispielsweise real – reell, formal – formell), die aus einer gemeinsamen Wurzel entstan-den sind, sich aber sowohl formal als auch semantisch unterscheiden. Auch Milan zählt dieses Phänomen zu den Falschen Freuden und bezeichnet diesen Fall als „synchronische, intralingu-ale faux amis“ (Milan 1989: 390).

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in den Bereich der Falschen Freunde gehören, sind sich die Linguisten nicht einig: zwar zählen die meisten auch formale Fehlbildungen zu den Falschen Freunden, doch insbesondere in einigen Übungs- und Wörterbüchern werden wie selbstverständlich nur Interferenzen im Bereich der Semantik zu den Fal-schen Freunden gezählt4. Und wie bereits dargelegt, gehören für einige nur die Lexempaare zu den Falschen Freunden, die etymologisch miteinander verwandt sind, für andere nicht.

Sucht man den kleinsten gemeinsamen Nenner der verschiedenen Definiti-onen des Phänomens Falsche Freunde, die sich in der Forschungsliteratur finden, lässt sich folgender Grundsatz formulieren: Der Begriff Falsche Freunde bezeichnet Fehlbildungen oder Fehlübersetzungen, die entstehen, weil der Lerner Ähnlichkeiten zwischen zwei Lexemen falsch interpretiert.

Diese sehr offene Definition erlaubt eine Erweiterung des Begriffs der Fal-schen Freunde auf zahlreiche Interferenzprobleme im Bereich der Lexik beim Fremdsprachenerwerb. So bezieht sich dieser Artikel ausdrücklich nicht nur auf Interferenzen bezüglich der Semantik, sondern auch auf lexikalische Inter-ferenzen bezüglich der Form. Zudem sollen hier auch Verwechslungen von ähnlichen Lexemen eingeschlossen werden, die keinen gemeinsamen sprach-geschichtlichen Ursprung haben.

Interferenzen entstehen also aufgrund von Ähnlichkeiten. Diese Ähnlich-keiten, die zwischen zwei Lexemen in unterschiedlichen Sprachen bestehen können, sollen nun an dieser Stelle beschrieben werden. Von Hans Petersen werden die vier Kriterien zur sprachwissenschaftlichen Beschreibung forma-ler Ähnlichkeiten von Lexempaaren übernommen: 1) graphemisch 2) phonetisch-phonologisch 3) morphologisch 4) sprachgeschichtlich-etymologisch5 Um nun diese Kriterien von Ähnlichkeit zu verdeutlichen, wird das obige Beispiel von it. caldo und dt. kalt zu Hilfe gezogen: Eine graphemische Ähn-lichkeit im wissenschaftlichen Sinne kann man nicht feststellen. Dieses Resul-tat ergibt sich logisch aus der Tatsache, dass die Sprachen Italienisch und Deutsch keine analoge Rechtschreibkonvention haben, eine Übereinstimmung der Orthographie gibt es somit eher selten. Ebenso kann eine phonetisch-

4 Bei Lackamp (1998) beispielsweise werden Falsche Freunde ausschließlich unter seman-tischen Aspekten dargestellt.

5 Vgl. Petersen (1990: 8).

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phonologische Ähnlichkeit sprachwissenschaftlich nur selten festgestellt wer-den, denn it. caldo [kaldo] und dt. kalt [kalt] haben einen unterschiedlichen Phonembestand. Es wird also deutlich, dass auch eine Übereinstimmung der Aussprache zwischen Lexemen der beiden Sprachen, die Falsche Freunde sein können, so gut wie nicht auftritt, da das Italienische und Deutsche unter-schiedliche Phoneminventare haben. Trotzdem würde jeder Nicht-Linguist diese zwei Lexeme als ähnlich bezeichnen, und trotzdem kommt es zwischen diesen beiden Lexemen immer wieder zu Fehlübersetzungen. Eine graphemi-sche oder phonetisch-phonologische Ähnlichkeit ist also immer subjektiv und kann wissenschaftlich nicht gemessen oder bewiesen werden. Das bedeutet, dass der Lerner zwar eine Ähnlichkeit nach den Kriterien 1) und 2) erkennt, diese Ähnlichkeit aber nicht sprachwissenschaftlich beschrieben werden kann. Es basiert also immer auf einer gewissen Subjektivität zu beurteilen, wann zwei Lexeme eine graphemische und/oder phonetisch-phonologische Ähn-lichkeit aufweisen. Diese Ähnlichkeit wird hier die oberflächliche Ähnlichkeit genannt.

Für die Kriterien 3) und 4) hingegen lassen sich die Ähnlichkeiten zwi-schen Lexemen durchaus sprachwissenschaftlich nachvollziehen und bewei-sen. Um dies zu verdeutlichen, und um eine erste Klassifizierung der Fal-schen Freunde vorzunehmen, werden drei Lexempaare untersucht: (1) it. tele-fono – dt. Telefon, (2) it. concorso – dt. Konkurs und schließlich das obige Beispiel (3) it. caldo – dt. kalt:

(1) Die Lexeme it. telefono und dt. Telefon sind unter morphologischen und etymologischen Aspekten ähnlich, da beiden Lexemen die griechischen Wurzeln tele („weit“, „fern“) und phone („Stimme“) zu Grunde liegen, sie sind also sprachge-schichtlich miteinander verwandt. In Abgrenzung zu der oben beschriebenen ober-flächlichen Ähnlichkeit sollen diese verwandtschaftliche Ähnlichkeit genannt werden. Weiter lässt sich beobachten, dass beide Lexeme die ursprüngliche Bedeutung behal-ten haben und sich deshalb semantisch entsprechen. (2) Auch dieses Lexempaar hat eine gemeinsame Herkunft, beide haben sich aus dem lateinischen Wort concursus entwickelt. Jedoch weisen die beiden Lexeme un-terschiedliche Bedeutungen auf: it. concorso entspricht von der Bedeutung her dt. Wettbewerb, dt. Konkurs entspricht it. fallimento, bancarotta. Das deutsche Wort Konkurs wurde aus dem Begriff concursus creditorum („das Zusammenlaufen der Gläubiger“) übernommen und hat deshalb eine veränderte Bedeutung. Die Lexeme sind also sprachgeschichtlich miteinander verwandt, sie weisen somit eine verwandt-schaftliche Ähnlichkeit auf, haben aber unterschiedliche Bedeutungen. (3) Bei unserem dritten Lexempaar it. caldo – dt. kalt lässt sich keine gemein-same Wurzel finden. Sie sind nicht etymologisch miteinander verwandt. Nur durch Zufall weisen diese beiden Wörter eine oberflächliche Ähnlichkeit auf, eine verwandt-

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schaftliche Ähnlichkeit liegt nicht vor. Auch hier ist die Bedeutung der beiden Lexe-me vollkommen unterschiedlich.

Man erkennt, dass es sich hier um drei verschiedene Lexempaare handelt. Die Lexempaare in (1) und (2) weisen eine verwandtschaftliche Ähnlichkeit auf. In der linguistischen Forschung werden diese Lexempaare auch Kogna-tenpaare genannt. Kognaten sind zwei unterschiedliche Lexeme in einer oder mehreren Sprachen, die sich aus derselben Wurzel entwickelt haben. Aller-dings sind sie keineswegs gleichzusetzen mit Falschen Freunden. Kognaten-paare haben sprachgeschichtliche denselben Ursprung, können aber völlig unterschiedliche, sich überschneidende, sowie identische Bedeutungen haben. Der Begriff Kognat sagt zwar etwas über die sprachgeschichtliche Verwandt-schaft von zwei Lexemen aus, nichts aber über ihre semantische Beziehung. Durch die Erläuterung der obigen Beispiele wird dies deutlicher. Beim Lexempaar in (1) kann der Lerner die Bedeutung des Lexems seiner Muttersprache auf die Bedeutung des Lexems in der Fremdsprache problem-los übertragen, weil beide aus derselben Wurzel stammen, ohne dass sich die Bedeutung verändert hat. Man spricht hier deshalb von echten Freunden. Das Lexempaar in (2) hingegen entspringt zwar ebenfalls derselben Wurzel, aller-dings hat in einer der beiden Sprachen eine Bedeutungsveränderung stattge-funden. Hierbei handelt es sich um Falsche Freunde mit verwandtschaftlicher Ähnlichkeit. Das Lexempaar in (3) weist sprachgeschichtlich keine gemein-same Wurzel auf und hat damit nur eine oberflächliche Ähnlichkeit, die wissenschaftlich nicht feststellbar ist, vom Lerner aber so interpretiert wird. Hier handelt es sich ebenfalls um Falsche Freunde, jedoch um den Typus mit einer oberflächlichen (nicht etymologisch motivierten) Ähnlichkeit. Es wird deutlich, dass die Kriterien 1) und 2) zur Bestimmung der Ähn-lichkeit von Lexemen nur subjektiv sind und nicht sprachwissenschaftlich bestimmt werden können, während die Kriterien 3) und 4) objektiv sind und sprachwissenschaftlich genau beschrieben werden können. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass es häufig die ersten beiden Kriterien sind, die den Fremdsprachenlerner zu Fehlübersetzungen verleiten. Insbesondere in der mündlichen Äußerung hat der Sprecher kaum die Zeit, sich über sprachhisto-rische Zusammenhänge Gedanken zu machen. Das bedeutet, dass Falsche Freunde nicht auf linguistischem Weg festgestellt werden können, sondern ein Lexempaar erst dann als Falscher Freund bezeichnet werden kann, wenn ein Fremdsprachenlerner die fehlerhafte Übertragung in die Fremdsprache auch tatsächlich aktualisiert hat. Das heißt, dass it. caldo und dt. kalt nicht per se als Falsche Freunde bezeichnet werden können, sondern nur dann, wenn ein Sprecher fälschlicher Weise caldo mit kalt oder umgekehrt übersetzt. Auf-listungen von Falschen Freunden können also immer nur auf empirischen

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Erhebungen, auf Erfahrungen aus dem Fremdsprachenunterricht und aus Ge-sprächen mit Fremdsprachenlernern basieren.

Das Phänomen der Echten Freunde hilft nun zu erklären, wie und warum es zu lexikalischen Interferenzen zwischen zwei Sprachen kommt. Es sind die positiven Erfahrungen mit den Echten Freunden, die den Lerner zu Fehlbil-dungen verleiten. Jeder Lerner einer Fremdsprache wird dazu angehalten, die Ähnlichkeiten zwischen seiner Muttersprache (oder einer anderen, bereits erlernten Sprache) und der Fremdsprache zu nutzen, um sich das Lernen zu vereinfachen. Insbesondere für den Wortschatzerwerb sind diese Übertragun-gen sehr nützlich. Der Lerner ist nun durch seine Erfolge aufgrund Echter Freunde zwischen den zwei Sprachen ermutigt, nicht jedes Wort im Wörter-buch zu suchen, sondern sich selbstständig Bedeutungen zu erschließen. Diese Strategie wird beim Fremdsprachenerwerb grundsätzlich gefördert, da sie den Wortschatzerwerb erleichtert. Eine Vokabel muss nicht gelernt werden, son-dern kann durch kognitive Herleitung verstanden werden. Und an dieser Stelle taucht das Problem der Falschen Freunde auf. Der Lerner erkennt die ober-flächliche Ähnlichkeit und eventuell, wenn vorhanden, auch die verwandt-schaftliche Ähnlichkeit der beiden Wörter. Er versucht automatisch die Bedeu-tung herzuleiten und scheitert. Durch einen falschen Analogieschluss kommt es damit zur Fehlbildung oder -übersetzung.

Aus dem hier dargestellten Prozess wird deutlich, dass weniger Lernan-fänger einer Fremdsprache mit Falschen Freunden zu kämpfen haben. Viel-mehr muss der Lerner schon einen gewissen Verständnisgrad der Fremdspra-che haben, bevor er einen falschen Analogieschluss begehen kann. Er muss zunächst die Regelmäßigkeiten erkennen, mit denen er Bedeutungen herleiten kann. Besonders wenn der Lerner verwandtschaftliche Ähnlichkeiten feststel-len will, muss er über eine geschulte Wahrnehmung und diachrone Kenntnisse der Fremdsprache verfügen. Das Problem dieser Erkenntnis ist, dass fort-schreitender Lernerfolg nicht davor bewahrt, Falschen Freunden zum Opfer zu fallen. Interferenzen in spontanen Äußerungen gehen jedoch selten darauf zurück, dass der Sprecher die etymologische Verwandtschaft von zwei Wör-tern falsch interpretiert hat. Er hat vielmehr einen Automatismus entwickelt, bei subjektiven Ähnlichkeiten auch eine gleiche Bedeutung anzunehmen. Diese subjektive Ähnlichkeit, also die Ähnlichkeit nach den obigen Kriterien 1) und 2), greift aber nicht nur bei verwandten Lexemen, sondern auch bei Lexemen, die nur eine oberflächliche Ähnlichkeit haben. Dies ist der Grund, warum hier ausdrücklich auch die Lexempaare zu den Falschen Freunden gezählt werden, die nur eine oberflächliche und keine verwandtschaftliche Ähnlichkeit haben.

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2. Typologie der Falschen Freunde

Die oben entwickelte recht offene Definition des Phänomens der Falschen Freunde als ‚Fehlbildungen oder Fehlübersetzungen, die entstehen, weil der Lerner Ähnlichkeiten zwischen zwei Lexemen falsch interpretiert’ (s.o.), er-möglicht eine erweiterte Betrachtung des Begriffs. Hier soll das Phänomen nicht auf semantische Unterschiede von ähnlichen Lexempaaren beschränkt werden, sondern es sollen auch formale Unterschiede integriert werden. Des-halb werden zur sprachwissenschaftlichen Beschreibung und Analyse der Falschen Freunde die Interferenzen im lexikalischen Bereich in zwei große Klassen unterteilt: in die strukturell-formalen und die semantischen Falschen Freunde6, die jeweils wieder in Untergruppen eingeteilt werden können. Al-lerdings soll sich hier auf die Einteilung in Beschreibungsmuster beschränkt werden, die für den deutsch-italienischen Vergleich relevant sind. 2.1. Strukturell-formale Falsche Freunde

Hierbei handelt es sich um Scheinentsprechungen, die zwar häufig eine oder mehrere gleiche Bedeutungen haben, sich aber im Bereich der Morpho-logie, Orthographie, Phonetik oder der Syntax unterscheiden. Das heißt, sie scheinen in beiden Sprachen gleich zu sein, unterscheiden sich aber in einem oder mehreren strukturellen oder formalen Aspekten. Durch die Bedeutungs-kongruenz oder Bedeutungsüberschneidung wird der Lerner dazu verleitet, eine vollkommene Übereinstimmung der beiden Lexeme auch für die struktu-rellen und formalen Aspekte der jeweiligen Lexeme anzunehmen. Infolge der Übereinstimmung im Bereich der Lexik entstehen Fehler in der Morphologie, Orthographie, Phonetik oder der Syntax. Die strukturell-formalen Falschen Freunde sind also ein Phänomen, das nicht nur zur Lexik gehört. Ihre Unter-suchung bewegt sich auf der Schwelle zwischen der Lexikologie und anderen linguistischen Disziplinen, weshalb sie hier nur relativ kurz behandelt werden sollen. Im Folgenden wird ein Überblick über die Klassifizierung mit Beispie-len gegeben. a. Unterschiede in der Orthographie: (4) it. internazionale – dt. international

b. Unterschiede in der Aussprache: (5) it. analogia [analo’ȴi:a] – dt. Analo-gie [analog’i:]

6 Diese Einteilung folgt im Wesentlichen Milan (1989: 392-394); zugunsten der Übersicht-

lichkeit und Verständlichkeit sind Randphänomene weggelassen worden.

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d. Unterschiede in der Betonung: (6) it. teléfono – dt. Télefon7 e. Unterschiede im Genus: (7) it. il numero – dt. die Nummer f. Abweichende Endung: (8) it. sportivo – dt. sportlich g. Unterschiede in der Rektion: (9) it. abbonarsi a qc – dt. abonnieren + Akk. h. Pseudowörter: hier bildet der Sprecher Wörter, die in der Zielsprache nicht

existieren. Dieses Phänomen ist im italienisch-deutschen Vergleich beson-ders bei Deutschmuttersprachlern zu beobachten, die Italienisch lernen. Das Deutsche kennt zahlreiche Fremdwörter mit lateinischem Ursprung, was leicht dazu führen kann, dass der Lerner glaubt, das Wort existiere auch im Italienischen: (10) dt. markant – it *marcante (richtig: notevole).

Die hier einzeln dargestellten Unterschiede können auch kombiniert auf-

treten. So unterscheidet sich das Lexempaar it. lo yacht [jǤt]– dt. die Jacht [jaxt] (auch: Yacht)8 nicht nur in der Aussprache, sondern auch in Bezug auf das Genus.

Betrachtet man noch einmal das Lexempaar it. telefono – dt. Telefono, um die Echten Freunde von den Falschen Freunden abzugrenzen, kommt man zu folgender Erkenntnis: Während weiter oben das Lexempaar (als Bsp. (1)) noch zu den Echten Freunden gezählt wurde, muss dieses Urteil nun teilweise revidiert werden. Was die Bedeutung betrifft, handelt es sich hier zwar tat-sächlich um Echte Freunde, unter formalen Aspekten zählt dieses Lexempaar jedoch zu den Falschen Freunden, weil die Betonung in den beiden Sprachen unterschiedlich ist. 2.2. Semantische Falsche Freunde

Semantische Falsche Freunde sind Lexempaare mit einer ähnlichen Form, die sich aber in der Bedeutung unterscheiden. Diese Gruppe unterteilt sich in zwei Untergruppen: und zwar in die Lexempaare, deren Bedeutungen sich ausschließen und die hier als wahre Falsche Freunde bezeichnet werden, sowie in die Lexempaare, deren Bedeutungen sich überschneiden und die hier partielle Falsche Freunde genannt werden.

Das Phänomen der partiellen sowie der wahren Falschen Freunde mit verwandtschaftlicher Ähnlichkeit ist diachronisch damit zu erklären, dass die betreffenden Wörter in den jeweiligen Sprachen von derselben Sprache ab-stammen und sich unter semantischen Aspekten unterschiedlich entwickelt haben. Diese Herkunftssprache kann entweder eine dritte Sprache sein oder

7 Vgl. den Beitrag von Vogt in diesem Band. 8 Hier sind beide Schreibweisen zulässig, so dass ein Falscher Freund in die Richtung Ita-

lienisch-Deutsch bezüglich der Orthographie nicht vorliegt.

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eine der beiden Sprachen selbst. Man nennt diese Wörter, die aus einer ande-ren Sprache übernommen werden, Lehnwörter. Carlo Milan und Rudolf Sün-kel sind bei der Analyse von etwa tausenddreihundert Wortpaaren, die ihnen als Grundlage für ihr umfangreiches Wörterbuch Falsche Freunde auf der Lauer. Dizionario di false analogie e ambigue affinità fra tedesco e italiano9 dienten, zu der Erkenntnis gekommen, „dass das Deutsche fast immer die entlehnende Sprache ist“ (Milan 1989: 396). Die deutschen Wörter, die als Falsche Freunde in Frage kommen, haben ihren Ursprung hauptsächlich im Lateinischen (ca. 50%), im Französischen (knapp unter 40%) und im Italieni-schen (ca. 10%). Die restlichen möglichen Falschen Freunde entstammen anderen Sprachen wie Englisch, Griechisch und Germanisch (vgl. Milan-Sünkel 1990). Hierbei ist zu beachten, dass die Lehnwörter aus dem Französi-schen und dem Italienischen auch einen lateinischen Ursprung haben, da diese beiden Sprachen ja nur die Fortsetzung von Latein sind. Es ist also offensicht-lich, dass der Großteil der Falschen Freunde im Deutschen Fremd- und Lehnwörter sind. 2.2.1. Wahre Falsche Freunde

Die Lexempaare dieser Gruppe haben bei einer gewissen äußeren Ähn-lichkeit vollkommen unterschiedliche Bedeutungen. Deshalb werden sie auch als wahre Falsche Freunde10 bezeichnet. In diese Gruppe gehören unsere Anfangsbeispiele it. caldo – dt. kalt als Falsche Freunde mit oberflächlicher Ähnlichkeit und it. concorso – dt. Konkurs als Falsche Freunde mit verwandt-schaftlicher Ähnlichkeit bei völlig verschiedenen Bedeutungen. Es ist offen-sichtlich, dass die erste Gruppe mit oberflächlicher Ähnlichkeit sehr viel klei-ner ist als die zweite Gruppe mit verwandtschaftlicher Ähnlichkeit. 2.2.2. Partielle Falsche Freunde

Die Falschen Freunde dieser Gruppe haben zwar mindestens eine(n) ge-meinsame(n) Bedeutung/Gebrauch, darüber hinaus haben sie aber jeweils noch mindestens eine(n) andere(n) Bedeutung/Gebrauch. Sie stehen also in einem Verhältnis der Überschneidung. In der Forschungsliteratur findet sich für diese Gruppe auch der Begriff partial cognates11, weil ihre Bedeutun-gen/ihr Gebrauch nur teilweise divergieren. Hier wird der deutsche Terminus partielle Falsche Freunde benutzt. It. telefonare beispielsweise teilt mit dt.

9 Vgl. Milan - Sünkel (1990). 10 Vgl. Milan (1989: 402). 11 Vgl. Milan (1989: 402).

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telefonieren nur die Bedeutung ‚mit jemandem am Telefon sprechen’, die Bedeutung ‚jemanden anrufen’ hat das deutsche Wort nicht. Und die Lexeme it. direzione und dt. Direktion bedeuten beide Leitung, die Bedeutung von Richtung kennt das Deutsche im Gegensatz zum Italienischen jedoch nicht.

Die Überschneidungen können sich nun in verschiedenen Formen manifes-tieren. Bei einigen Lexempaaren wurde das eine Wort in seiner Bedeutung verengt, so dass die beiden Lexeme zwar eine gemeinsame Bedeutung haben, eines der Wörter aber noch zahlreiche andere Bedeutungen haben kann, es handelt sich also um Bedeutungsüberschneidungen durch Verengung. Dies ist im deutsch-italienischen Vergleich der häufigste Fall unter den partiellen Falschen Freunden. Aus dem lateinischen Wort argumentum entwickelten sich die Wörter it. argomento und dt. Argument. Das italienische Wort hat alle Bedeutungen der lateinischen Wurzel beibehalten, während das deutsche Wort semantisch verengt wurde und nur die Bedeutung ‚Beweisgrund’ behal-ten hat, aber nicht ‚Thema, Gegenstand’ bedeuten kann. Die erste Schwierig-keit liegt nun darin, bei der Übersetzung vom Italienischen ins Deutsche nicht unreflektiert davon auszugehen, dass it. argomento und dt. Argument alle möglichen Bedeutungen teilen und so einem Falschen Freund in die Falle zu gehen. Die zweite Schwierigkeit manifestiert sich anschließend darin, das adäquate Semem zu aktualisieren.

Ein ähnlicher Fall, der sprachgeschichtlich jedoch deutlich zu unterschei-denden ist, ist die Bedeutungserweiterung. Hier haben zwei Lexeme von ihrer gemeinsamen Wurzel alle Bedeutungen gleichermaßen übernommen, doch eines der Wörter hat sich im Laufe der Zeit semantisch weiterentwickelt und eine weitere Bedeutung hinzugewonnen. Auch hier handelt es sich um eine Bedeutungsüberschneidung, allerdings durch Erweiterung. Auf dieses Phä-nomen trifft man bei dem Lexempaar it. mimosa und dt. Mimose. Beide be-zeichnen wie das neulateinische mimosa eine Pflanze. Im Deutschen hat das Wort jedoch darüber hinaus noch den figurativen Sinn von ‚empfindliche Person’ angenommen, eine Bedeutung, die das Italienische nicht kennt. So kann man Jana ist eine echte Mimose! nicht mit *Jana è una vera mimosa! übersetzen, sondern muss einen adäquaten Ausdruck im Italienischen suchen, der den figurativen Sinn enthält, wie beispielsweise Jana è davvero permalo-sa!

Darüber hinaus können zwei Wörter, die derselben Wurzel entstammen, zwar die gleiche Bedeutung übernommen haben, aber eine andere Stilebene ausdrücken. Dieser Fall trifft mitunter auf die lateinischstämmigen Fremdwör-ter im Deutschen zu. Aus der lateinischen Wurzel participare haben sich die Lexeme it. partecipare und dt. partizipieren entwickelt und beide haben die Bedeutung ‚teilnehmen, teilhaben an’. Im Deutschen ist das Wort partizipie-ren aber ganz klar für eine recht hohe Sprachebene bzw. einen wissenschaft-

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lich geprägten Sprachstil reserviert. So lässt sich Vuoi partecipare al progetto Erasmus? nicht mit *Willst du am Erasmusprogramm partizipieren?, sondern mit Willst du am Erasmusprogramm teilnehmen? übersetzen. Im politischen Kontext jedoch wird partizipieren durchaus gebraucht, weshalb Le elezioni danno la possibilità a tutti di partecipare alla vita politica sehr wohl mit Die Wahlen geben jedem die Möglichkeit politisch zu partizipieren übersetzt wer-den muss. Es wird deutlich, dass es sich hier um eine stilistische Überschnei-dung handelt.

Die Gruppe der partiellen Falschen Freunde bringt für den Fremdspra-chenlerner sicherlich die größten Schwierigkeiten mit sich. Zum einen verlei-tet die/der eine gemeinsame Bedeutung/Gebrauch dazu, die Lexempaare als semantisch identisch anzusehen. Zum anderen fällt es dem Sprecher oder Übersetzer selbst dann schwer, die adäquate Bedeutung zu finden und zu ak-tualisieren, wenn er erkannt hat, dass ein Wort polysem ist.

Fasst man nun die bisherigen Ergebnisse zusammen, erhält man folgende linguistische Beschreibungs- und Einteilungsmöglichkeiten von Falschen Freunden. Zunächst können die Falschen Freunde unter Berücksichtigung ihrer etymologischen Beziehungen klassifiziert werden. Unter sprachge-schichtlichen Aspekten existieren zwei Typen von Falschen Freunden: dieje-nigen mit oberflächlicher Ähnlichkeit (nicht etymologisch motiviert) und die-jenigen mit verwandtschaftlicher Ähnlichkeit (etymologisch motiviert).

Des Weiteren können Falsche Freunde nach den synchronen Kriterien, die die Lexeme unterscheiden, eingeteilt werden: in Falsche Freunde mit struktu-rell-formalen Unterschieden und mit semantischen Unterschieden. Es gibt mehrere Arten von strukturell-formalen Unterschieden, mit denen sich Fal-sche Freunde beschreiben lassen: Unterschiede der Orthographie, der Aus-sprache, der Betonung, des Genus’, der Endung, der Rektion, sowie Bildung von Pseudowörtern. Die semantischen Falschen Freunde kann man wiederum in zwei Gruppen unterteilen: in die Lexempaare mit vollkommen unterschied-lichen Bedeutungen (wahre Falsche Freunde) und in Lexempaare, die nur teilweise eine semantische Übereinstimmung haben (partielle Falsche Freun-de). 3. Falsche Freunde vermeiden

Zunächst sei angemerkt, dass Fehlbildungen aufgrund strukturell-formaler Falscher Freunde einfacher vermieden werden können als Fehlbildungen, die durch semantische Falsche Freunde entstehen. Um Unterschiede in der Or-thographie erkennen zu können, reicht es meist, die Rechtschreibregeln der Fremdsprache zu erlernen und anzuwenden; gleiches gilt für die Aussprache,

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wenn der Lerner das Schriftbild vor Augen hat. Die anderen strukturell-formalen Unterschiede lassen sich – mit Ausnahme des Problems der Pseu-dowörter – stur auswendig lernen. Semantische Unterschiede hingegen unter-liegen keiner Regelmäßigkeit und bei den partiellen Falschen Freunden hilft auch gezieltes Auswendiglernen nicht. Aus diesem Grund soll die Konzentra-tion hier auf der Vermeidung von Fehlern im Bereich der semantischen Fal-schen Freunde liegen.

Wie bereits oben erwähnt, werden auch fortgeschrittene Lerner einer Fremdsprache Opfer von Falschen Freunden. Besonders in spontanen münd-lichen Äußerungen lassen sich diese Fehler kaum vermeiden. In der modernen Fremdsprachendidaktik soll der Lerner ja gerade ermutigt werden, Ähnlich-keiten zwischen Mutter- und Fremdsprache oder Internationalismen zu nut-zen, da diese insbesondere den Wortschatzerwerb erleichtern. Es ist offen-sichtlich, dass es dabei zu falschen Analogieschlüssen kommen muss. Wenn ein Lerner Fehler aufgrund Falscher Freunde begeht, beweist er damit, dass er über zwei grundlegende Kompetenzen im Fremdsprachenerwerb verfügt: Er kann autonom lernen und ist zu interlingualen Transferleistungen in der Lage. Insofern soll hier unterstrichen werden, dass es normal und zunächst auch begrüßenswert ist, Fehler durch Falsche Freunde zu machen. Der Lerner soll ermutigen werden: Er ist auf dem richtigen Weg.

Übersetzungsfehler im schriftlichen Bereich, die auf Falsche Freunde zu-rückgehen, sind hingegen durchaus vermeidbar, und dies sollte auch gezielt geübt werden. Dabei stellt sich zunächst das Problem, Falsche Freunde über-haupt als solche zu erkennen. Ein Großteil der Falschen Freunde im italie-nisch-deutschen Sprachvergleich ist unter den Fremd- und Lehnwörtern des Deutschen zu finden. Das bedeutet für die Übersetzung vom Deutschen ins Italienische oder umgekehrt, dass der Übersetzer Lehn- und Fremdwörtern im Deutschen grundsätzlich eine größere Vorsicht entgegenbringen muss und ihre exakte Bedeutung überprüfen sollte.

Die genaue Bedeutung eines Wortes zu finden ist oft schwierig, weil fast alle Wörter mehrere Bedeutungen oder Sememe haben, also polysem sind. In zweisprachigen Wörterbüchern findet man häufig nicht alle potentiellen Be-deutungen eines Wortes. Zudem wird im zweisprachigen Wörterbuch die unterschiedliche Semantik der verschiedenen Übersetzungsmöglichkeiten nicht klar. Dies wird durch folgenden Beispielsatz deutlicher: L’Ambasciata Tedesca ha organizzato un ricevimento formale. Die Ähnlichkeit von it. for-male und dt. formal verleitet schnell dazu, diesen Satz mit Die Deutschen Botschaft hat einen *formalen Empfang ausgerichtet zu übersetzen. Bei dem deutschen Wort formal handelt es sich jedoch um ein Fremdwort, weshalb hier Vorsicht geboten ist. Und tatsächlich kennt das Deutsche für it. formale mehrere Bedeutungen. So findet man in den zweisprachigen Wörterbüchern

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die Übersetzungsmöglichkeiten: formal, förmlich, Form..., formell (u.a.). Doch wie ist zu entscheiden, welche Übersetzung die richtige ist?

Hier hilft ein einsprachiges Wörterbuch und/oder ein Fremdwörterbuch, das alle potentiellen Bedeutungen darstellt und vor allem die abstrakte Bedeu-tung eines Wortes erklärt. Wahrigs Fremdwörterbuch definiert formal mit „die Form betreffend, auf einer Form beruhend“ und formell mit „förmlich, die äußeren Formen, die Umgangsformen (genau) beachten“12. Erst durch diese abstrakte Umschreibung und die Analyse des Kontextes wird klar, dass hier entweder ‚formell’ oder ‚förmlich’ zu aktualisieren sind, denn der Kontext ‚Empfang bei einer Botschaft’ verlangt nach der Bedeutung ‚die Umgangs-formen beachten’13.

Zusammenfassend kann man festhalten, dass zur Vermeidung von Über-

setzungsfehlern zwischen dem Italienischen und dem Deutschen, die durch Falsche Freunde bedingt sind, bei beiden Übersetzungsrichtungen höchste Aufmerksamkeit auf die Fremd- und Lehnwörter im Deutschen gelegt werden sollte, da hier die größte Fehlerquelle zu finden ist. Zudem ist bei einer Über-setzung die Arbeit mit einem einsprachigen Wörterbuch (und einem Fremd-wörterbuch) unerlässlich, um alle potentiellen Bedeutungen erkennen und das dem Kontext angemessene Semem auswählen zu können und nicht Opfer eines Falschen Freundes zu werden. Aufgaben und Übungen A. Aufgaben zur Definition und Klassifizierung Falscher Freunde A1. Erläutern Sie mit Ihren eigenen Worten den Unterschied zwischen Echten und Falschen Freunden. A2. Beschreiben Sie den Unterschied zwischen einer oberflächlichen und einer ver-wandtschaftlichen Ähnlichkeit von Lexemen. A3. Worin besteht der Unterschied zwischen semantischen und formal-strukturellen Falschen Freunden? Erklären Sie mit Ihren eigenen Worten. A4. Beschreiben Sie den Unterschied zwischen wahren und partiellen Falschen Freunden.

12 Wahrig-Burfeind (1999: 300-301). 13 Für eine detaillierte Strategie zur Aktualisierung der kontextuell oder stilistisch adäqua-

ten Bedeutung nicht nur von Falschen Freunden vgl. das Kapitel Theorie der semantischen Merkmale in Hönig - Kußmaul (1982: 89-101).

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B. Übungen zur Unterscheidung der Falschen Freunde B1. Welche strukturell-formalen Unterschiede gibt es zwischen diesen Lexempaaren? a. la filosofia – die Philosophie b. il fenomeno – das Phänomen c. la psicologia – die Psychologie d. catastrofico – katastrophal e. polacco - polnisch B2. Verbindet diese Falschen Freunde eine oberflächliche (o) oder eine verwandt-schaftliche (v) Ähnlichkeit? Arbeiten Sie mit einem Fremd- oder etymologischen Wörterbuch. Italienisch Deutsch o v a. l’affare die Affäre b. alto alt c. l’artista der Artist d. comico komisch e. l’ente die Ente f. il flauto die Flaute g. il gatto der Gatte h. la lametta das Lametta i. il latte die Latte j. la lepre die Lepra k. la mappa die Mappe l. prima prima m. promuovere promovieren n. il sacco der Sakko o. il sole die Sole p. la stufa die Stufe q. il tonno die Tonne

B3. Untersuchen Sie die Lexempaare. Handelt es sich unter semantischen Aspekten um a) echte Freunde, um b) wahre Falsche Freunde oder um c) partielle Falsche Freunde? Kreuzen Sie an.

Italienisch Deutsch a) b) c)

a. la carta die Karte b. competente kompetent c. alto alt d. l’artista der Artist e. lo spettacolo das Spektakel f. la sensazione die Sensation

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g. analizzare analysieren h. il termine der Termin i. la firma die Firma j. bravo brav

C. Übungen zu Übersetzungsäquivalenzen C1. Welche Übersetzungsmöglichkeiten gibt es für die folgenden Wörter? Arbeiten Sie mit dem Wörterbuch. a. studiare b. discreto c. la galleria d. sensibile e. investire C2. Übersetzen Sie nun die Sätze und überlegen Sie, welche Bedeutung dem Kontext nach aktualisiert werden muss. a. La settimana prossima Carlo va in Germania per studiare tedesco ad una scuola

privata. b. Per diventare medico bisogna studiare medicina. c. Carlo parla l’inglese discretamente. d. Ti puoi fidare di Carlo, è una persona molto discreta. e. Siccome gli piace l’arte moderna ha visitato tutte le gallerie più importanti di

Berlino. f. Attraversando le Alpi in macchina abbiamo passato tante gallerie. g. Gina mi capisce sempre, è una ragazza molto sensibile. h. I bambini hanno la pelle sensibilissima. i. Mia madre ha investito tanti soldi in alcuni immobili. j. Gianni ha investito una ragazzina che attraversava la strada. C3. Übersetzen Sie die folgenden Sätze und beachten Sie besonders die unterstriche-nen Wörter. a. Dopo la laurea in traduzione ed interpretariato ho fatto il dottorato di ricerca in

Germania dove ho sviluppato le mie competenze scientifiche. Ma è soprattutto grazie alle mie esperienze professionali presso diverse associazioni culturali che sono diventata dirigente dell’Istituto Italiano di Cultura all’Ambasciata d’Italia a Berlino.

b. Invece di accettare il consiglio dei suoi genitori di studiare economia, Carlo ha frequentato un corso di formazione per cuoco. Adesso non solo ha trovato subito un lavoro come chef con uno stipendio decente, ma lavora anche in un ambiente molto piacevole.

c. Oggi ho partecipato a una manifestazione interessante all’università: prima un professore ha tenuto una conferenza sul teatro contemporaneo e dopo c’è stato uno spettacolo di un gruppo teatrale di studenti.

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d. Per celebrare la designazione del nuovo Preside della facoltà di lettere i profes-sori e gli studenti si sono riuniti in aula 12, dove il Rettore terrà un discorso.

C4. Lesen Sie die Sätze und unterstreichen Sie die Fremd- und Lehnwörter. Versu-chen Sie dann zu übersetzen. a. Der Regisseur benötigt für die erste Szene des Films zahlreiche Statisten. b. Die Studenten müssen für die Klausur die Lektionen 1-10 aus dem Buch lernen. c. Meine Mutter war Direktorin einer großen Firma und hat deshalb viele Messen

im Ausland besucht. Wegen der großen Verluste im Import ist die Firma dann aber in Konkurs gegangen.

d. Carlo hat leider das erste Staatsexamen nicht bestanden, während alle seine Kommilitonen sehr gute Noten erhalten haben. Jetzt kann er nicht mit dem Refe-rendariat beginnen.

e. Für eine geheime Affäre können Jalousien sehr nützlich sein. f. Mein Papa geht jeden Sonntag in die Messe. g. Gina ist sehr attraktiv: Sie ist groß und schlank. Aber für meinen Geschmack ist

sie zu brav und hat eine zu ruhige Art. h. Mein Chef imponiert mir immer mehr: je weniger Zeit er hat, desto effektiver

arbeitet er. i. Ich hatte gestern einen Termin mit meinem Professor, um mit ihm über meine

Promotion zu sprechen. Das Gespräch verlief sehr positiv, er hat mir mehrere Vorschläge zu einem möglichen Thema gemacht. Außerdem kümmert er sich um ein Stipendium für mich.

j. Ich finde Timo etwas komisch, er hat einfach keinen Humor. Literatur Hönig H. G., Kußmaul P. (1982), Strategie der Übersetzung. Ein Lehr- und Arbeits-

buch, Tübingen, Narr. Kühnel H. (1993), Typische Fehler Italienisch. 3000 „Falsche Freunde“ italienisch

und deutsch, Berlin, Langenscheidt. Lackamp, M. (1998), Falsche Freunde wahre Freunde, Genova, Cideb. Milan C. (1989), „Falsche Freunde. Ein besonderes Problem der kontrastiven

Lexikologie (deutsch- italienisch)“, Sprachwissenschaft 18, 384-404. Milan C., Sünkel R. (1990), Falsche Freunde auf der Lauer. Dizionario di false ana-

logie e ambigue affinità fra tedesco e italiano, Bologna, Zanichelli. Petersen H. (1990), Das Phänomen Falsche Freunde im Lichte unterschiedlicher

Beschreibungsmodelle, Kassel, Gesamthochschulbibliothek. Storni B., Giovannelli P. (1997), Schwierigkeiten des deutsch-italienischen Wort-

schatzes, Stuttgart, Klett. Wahrig-Burfeind R. (1999), Wahrig. Fremdwörterlexikon, München, Bertelsmann.

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POLYSEME ITALIENISCHE VERBEN ZWISCHEN SYNTAX UND SEMANTIK

Martina Nied Curcio

1. Verbale Polysemie aus der kontrastiven Perspektive Italienischen Deutschlernern ist nicht unbedingt bewusst, dass ein häufig

verwendetes italienisches Verb, das in der Regel mehrere Bedeutungen hat, d.h. polysem ist, keineswegs immer einem häufigen mehrdeutigen deutschen Verb entspricht, d.h. dare wird nicht unbedingt mit geben oder vedere nicht automatisch mit sehen übersetzt. Schauen wir uns zwei Beispiele an1:

(1) dare

a. Mia figlia non ha dato neanche un esame. b. Meine Tochter hat nicht mal eine Prüfung abgelegt.

(2) prendere a. Ha un buon lavoro ma non prende tanto. b. Er hat eine gute Arbeit, verdient aber nicht viel.

In der Regel wird der Begriff Polysemie aus sprachinterner Sicht verwen-

det, und die Mehrdeutigkeit eines Verbs lässt sich durch den Kontext auflö-sen. Polysemie liegt vor, wenn „ein Ausdruck mehrere Bedeutungen aufweist, denen ein gemeinsamer Bedeutungskern zugrunde liegt“ (Bußmann 22003: 524)2. Aus kontrastiver Sicht ist die Polysemie gerade deshalb interessant, da man – wie in den Beispielen (1) und (2) ersichtlich wird – nicht von einer 1:1-

1 Sämtliche Beispielsätze stammen aus meinem Kontrastiven Valenzwörterbuch Italienisch-

Deutsch (Curcio 1999). 2 Im Vergleich dazu handelt es sich bei der Homonymie um Ausdrücke, die über die gleiche

Ausdrucksform hinsichtlich Orthographie und Aussprache verfügen, jedoch unterschiedliche Bedeutung und meist auch unterschiedliche Herkunft haben, z.B. Bank (Geldinstitut) und Bank (Sitzgelegenheit).

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Relation zwischen der Ausgangs- und der Zielsprache (hier: vom Italienischen hin zum Deutschen) ausgehen kann. Bei der Suche nach dem äquivalenten Ausdruck eines italienischen Verbs im Deutschen müssen verschiedene Fak-toren beachtet werden, die an der Entstehung der konkreten Bedeutung des Verbs beteiligt sind. Diese Faktoren sind nicht nur rein syntaktischer Natur, sondern tangieren auch den Bereich der Semantik. Beispiel (3) soll dies ver-deutlichen:

(3) vedere a. Si sono rotti i miei occhiali, e senza non riesco a vedere bene. Meine Brille ist kaputt, und ohne sie kann ich nicht gut sehen. b. In futuro ti potrei vedere come attrice. Ich könnte dich mir in Zukunft als Schauspielerin vorstellen. c. Ieri ti ho visto così stanco. Non avevi dormito bene? Du hast gestern so müde ausgesehen. Hattest du nicht gut geschlafen?

Die Polysemie des italienischen Verbs vedere wird in allen Beispielen in ers-ter Linie durch die spezifische syntaktische Struktur, d.h. durch die Valenz des Verbs3, aufgelöst. In (3a) regiert das Verb ein Subjekt und wird durch ein Adverb modifiziert, in (3b) ein Subjekt, ein direktes Objekt und ein Komple-ment mit come und in (3c) verlangt das Verb vedere ein Subjekt, ein direktes Objekt und ein Adjektiv. Im Deutschen werden drei verschiedene Verben realisiert: (a) sehen, (b) sich vorstellen, (c) aussehen.

Vergleichen wir die italienische und die deutsche Sprache, so lassen sich

viele weitere Verbbeispiele finden, in denen in einem italienischen Satz im-mer dasselbe Verb gebraucht wird, während in der deutschen Sprache ganz verschiedene Äquivalenzen auftauchen4, z.B. (4) mettere a. Mettiamo che tu ti trasferisca in America.

Nehmen wir an, dass du nach Amerika ziehst.

3 Vgl. den Beitrag von Nied Curcio zur Valenz in diesem Band. 4 Dies ergibt sich natürlich aus der kontrastiven Perspektive, die hier vom Italienischen hin

zum Deutschen geht. Es ist nicht zu bestreiten, dass sich bei einem Perspektivenwechsel ebenso viele Beispiele finden lassen, in denen das deutsche Verb verschiedene Realisierungen im Italienischen verlangt. Dies ist im Beitrag von Kaiser zur Präpositivergänzung (1.2.) deutlich zu sehen.

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b. Metto gli occhiali. Ich setze die Brille auf. c. L’ ho messo sul tavolo. Ich habe es auf den Tisch gelegt/gestellt. d. Mettilo in italiano. Übersetze es auf Italienisch. Der Grad der Polysemie hängt stark von der Frequenz des Verbs ab: Je

häufiger ein Verb in einer Sprache verwendet wird, umso geringer ist seine lexikalische Eigenbedeutung bzw. seine semantische Bedeutungsinvariante und umso höher ist der Grad der Polysemie. Dies hat zur Folge, dass das Verb (hier: das italienische) für seine konkrete Bedeutungsbestimmung umso mehr von Faktoren, wie bspw. der syntaktischen Valenz, der Semantik des Objekts und den semantischen Rollen abhängig ist (s. unten). Um das äquivalente Verb im Deutschen zu finden, müssen bei der Übersetzung ins Deutsche diese syntaktischen und semantischen Faktoren beachtet werden5. Besonders fre-quente italienische Verben, bei denen sich diese Problematik in der Polysemie im Kontrast zur deutschen Sprache zeigt, sind essere [1]6, fare [3], avere [6], vedere [11], dare [14], venire [16], mettere [18], sentire [19], chiamare [23], arrivare [27], chiedere [29].

An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass die Trennung der einzelnen Fak-

toren, die im Nachfolgenden beschrieben werden, eher theoretischer Natur ist. Meist dominiert ein bestimmtes Element, auch wenn verschiedene Elemente gleichzeitig eine Rolle spielen, z.B. dominiert in den Beispielen (5) - (7) die syntaktische Valenz (s.u.), auch wenn die Semantik des Subjekts (6) und die des Objekts (7) im italienischen Satz wichtig sind. Aus Gründen der Übersichtlich-keit werden diese Faktoren getrennt aufgeführt.

2. Polysemie und Valenz Wie bereits erwähnt wurde, ist eines der wichtigsten Merkmale bezüglich

der kontrastiven Polysemie die syntaktische Valenz. Bei der syntaktischen Valenz geht es um die primär obligatorische bzw. fakultative Besetzung von

5 Zu Lernschwierigkeiten in diesem Bereich s. Nied Curcio 2002. 6 Die Zahlen in den eckigen Klammern verweisen auf die Frequenz bzw. auf den Rang der

Verwendung in der gesprochenen italienischen Sprache, d.h. je kleiner die Zahl - umso fre-quenter das Verb, vgl. LIP von De Mauro et al. (1993: 436ff.).

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Leerstellen, d.h. um Quantität und Qualität der Aktanten (auch Komplemente oder Ergänzungen genannt). Betrachtet man die nachfolgenden italienischen Beispielsätze, so wird deutlich, dass sich die Polysemie von venire vor allem auf Grund seines syntaktischen Valenzschemas auflöst. Die entsprechenden Verbrealisierungen im Deutschen sind unterschiedlich, was in (6) und (7) außerdem zu einem divergenten syntaktischen Verhalten der deutschen Ver-ben führt. In beiden Sätzen erfolgt bei der Übersetzung ins Deutsche ein Per-spektivenwechsel (s. auch 3.1.): In den italienischen Sätzen ist das Subjekt la febbre (6) bzw. una parola (7), in den entsprechenden deutschen Sätzen bil-den Fieber und kein Wort das Objekt.

(5) a. Giovanni è venuto da me. SUB-V-LOK7

b. Giovanni ist zu mir gekommen. SUB-V-DIR

(6) a. Le è venuta la febbre.8 SUB-V-aOBLIQ b. Sie hat Fieber bekommen. SUB-V-AKK

(7) a. Non mi veniva più una parola. SUB-V-aOBLIQ b. Ich habe kein Wort mehr hervorgebracht. SUB-V-AKK Ein weiteres Merkmal, das bei der Übersetzung vom Italienischen ins Deut-

sche beachtet werden muss, ist die Reflexivität eines Verbs bzw. das Vorkom-men eines Reflexivpronomens. Hier geht es vor allem um das obligatorische Reflexivpronomen. Die obligatorisch reflexiven Verben kommen ausschließ-lich mit dem Reflexivpronomen vor. Die Reflexivkonstruktion ist nicht – wie bei den partimreflexiven Verben (Verben, die sowohl mit als auch ohne Re-flexivpronomen vorkommen können, z.B. lavare: lavo le mani – mi lavo – mi lavo le mani) – ableitbar, sondern lexikalisiert und hat keine reflexive Bedeu-tung. (vgl. Lepschy 1989). Bei einer Übersetzung ins Deutsche muss darauf geachtet werden. Beispiele (8) und (9) mit dem Verb riprendere zeigen, dass die Existenz des Reflexivpronomens die Bedeutung der Verben differenziert. Das Weglassen des Refexivpronomens in (9) würde zu einem ungrammatischen Satz führen. Deutlich wird außerdem, dass die beiden Verben (riprendere und ripren-dersi) unterschiedliches syntaktisches Verhalten aufweisen:

7 Abkürzungen für die Valenzstruktur in den Beispielen: SUB = Subjekt, V = Verb, AKK

= Akkusativergänzung, DIR = Direktivergänzung, für die italienische Sprache: aOBLIQ = aObliquus, LOK = Lokalergänzung (vgl. Beitrag zur Valenz in diesem Band.)

8 Hier spielt die Verteilung der semantischen Rollen auf die unterschiedlichen Satzglieder eine Rolle. Im italienischen Satz wird der Patiens im ‚oggetto diretto’ abgebildet, während im Deutschen der Patiens als Subjekt realisiert wird. Somit ändert sich die Entsprechung des deutschen Verbs und folglich auch die Valenz. Dies gilt auch für Beispiel (7).

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(8) a. Lo vorrei riprendere domani. b. Ich möchte es morgen wieder / (zurück)nehmen. (9) a. Io ancora mi devo riprendere da questa festa. (* Io ancora devo riprendere da questa festa.) b. Ich muss mich erst noch von dem Fest erholen.

Weitere Verben mit kontrastiver Polysemie bezüglich des obligatorischen

Reflexivpronomens sind: trovare (finden) – trovarsi (sich befinden), chiamare (rufen/ telefonieren) – chiamarsi (heißen), fermare (etw. halten/anhalten – fer-marsi (stehen bleiben), alzare (hochheben) - alzarsi (aufstehen).

3. Polysemie und Semantik In seinem Artikel über ‚Semantische Valenz, Polysemie und Bedeutungs-

wandel bei romanischen Verben’ behauptet Koch (1991), dass die Valenz in erster Linie semantisch begründet sei, auch wenn sie sich syntaktisch ausdrücke. Die Verbsemantik sei fundamental für die Verbvalenz (ebd. 279). Daher sei es für die Beschreibung der Verbbedeutung wichtig, die Valenz auch semantisch adäquat zu charakterisieren. Seinem Modell der Verbbedeutung legt er zu Grun-de, dass – neben der syntaktischen Verbvalenz – Komponenten mitspielen, die er als semantische Merkmale bezeichnet (ebd. 280). Es geht hier gerade um die semantischen Rollen, den eigentlichen semantischen Gehalt des Verbs und typi-sche Selektionsbeschränkungen.

3.1. Die semantischen Rollen

Die semantischen Rollen9 sind den jeweiligen Ergänzungen in den einzelnen

Leerstellen zugewiesen und damit untrennbar mit den Verbleerstellen verbun-den. Auch sie üben dadurch Einfluss auf die Verbbedeutung aus. Die italieni-schen Beispiele (10a) und (11a) mit dem Verb abbandonare zeigen, dass es einen Unterschied in der kategoriellen Ausfüllung des Patiens im Objekt gibt, (markiert durch [+belebt] in (10a) und [+abstrakt] in (11a)), was sich auf der Oberfläche jedoch nicht bemerkbar macht. Dieses Merkmal jedoch ist verantwortlich für die verschiedenen Verbrealisierungen im Deutschen.

9 Bei den Begrifflichkeiten für die semantischen Rollen beziehe ich mich auf Ulrich Engel (1988: 865), da dieser in seiner Beschreibung die kategorielle und die relationale Bedeutung unter dem Begriff der semantischen Rollen gemeinsam beschreibt. Kategorielle Bedeutung ist demnach der „Teil der kombinatorischen Bedeutung, [der] (zum Teil) die inhärente Bedeutung umgebender Elemente fest[legt].“ Relationale Bedeutungen sind der „Teil der kombinatorischen Bedeutung, [der] die semantische Relation zwischen einem Wort und seiner Umgebung fest[legt]“.

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wortlich für die verschiedenen Verbrealisierungen im Deutschen.

(10) a. Lei non abbandona mai il gatto [+belebt]. b. Sie lässt die Katze nie alleine.

(11) a. Si vede che non hai ancora abbandonato l'idea [+abstrakt].

b. Man sieht, dass du die Idee noch nicht aufgegeben hast. Weitere Verben, bei denen dieses Phänomen aus der kontrastiven Perspektive

Italienisch-Deutsch auftritt: abbinare, abbracciare, aggiornare, aggiustare, al-zare, annullare, arrivare, assicurare, attaccare, avanzare, avvicinare, bloccare, crescere, discendere, ingrassare. 3.2. Typische Selektionsbeschränkungen

Ein weiteres Element, das im Zusammenhang mit der Valenz steht, sind

die Selektionsbeschränkungen10, die fester Bestandteil der Verbbedeutung sind. Dies gilt sowohl für obligatorische Satzglieder als auch für Adjunkte. Es geht hier um die Akzeptabilität bzw. um die Inakzeptabilität von bestimmten Adjunk-ten und typischen Ergänzungen.

(12) a. *Oggi pomeriggio andiamo a vedere il monumento più attentamente.

b. *Heute Nachmittag sehen wir das Denkmal näher.

(13) a. Oggi pomeriggio andiamo a guardare il monumento più attentamente. b. Heute Nachmittag betrachten wir das Denkmal näher. Die Angaben attentamente und näher drücken eine ‚Einstellung‘ des Agens

aus, und sind in diesen Sätzen mit vedere bzw. sehen nicht zulässig (12). In bei-den Sprachen werden Verben verlangt, die auf diese Spezifik eingehen, hier guardare und anschauen/ betrachten (13). 3.3. Grundbedeutung und Markiertheit

Sprechen wir hier vom semantischen Gehalt eines Verbs, so handelt es sich

um leerstellenunabhängige, innere Bedeutungsmerkmale, d.h. um Elemente, die nicht von der Valenz abhängig sind. Dazu gehört in erster Linie die Grundbe-deutung eines Verbs. In der Regel wird bei dem Begriff ‚Grundbedeutung’ von

10 Der Terminus wird hier entsprechend dem Modell der Verbbedeutung von Koch ver-

wendet (vgl. Koch, 1991: 281f.).

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einer ‚allgemeinen’ und ‚inneren’ Bedeutung ausgegangen11.

(14) a. Maria scrive una A. b. Maria schreibt ein A.

(15) a. Maria disegna una A. b. Maria malt ein A. Es ist augenscheinlich, dass sich die Beispiele (14) und (15) nicht durch die

Anwesenheit von ‚äußeren’ Merkmalen unterscheiden, sondern dass es die inne-re, dem Verb eigene Bedeutung ist, die die Bedeutung des gesamten Satzes aus-macht. In beiden Sätzen ist das Ergebnis zwar ein ‚A’, jedoch ist zu vermuten, dass der Buchstabe A in Beispiel (15) eher ästhetischen Gesichtspunkten unter-liegt und daher vielleicht das Benutzen von Farben und Verzierungen ein-schließt.

Natürlich haben nicht alle Verben denselben Grad an semantischem Gehalt,

bzw. an Eigenbedeutung. Diesbezüglich muss der Begriff der Markiertheit ge-nannt werden: Markiertheit ist der Grad des semantischen Gehalts eines Verbs und verweist darauf, ob ein Verb eine sehr allgemeine oder eine spezifischere Eigenbedeutung innehat12. Betrachtet man die italienischen und die deutschen Verben, so kann festgestellt werden, dass bezüglich der Markiertheit häufig eine Asymmetrie zwischen beiden Sprachen besteht, die in der jeweils anderen Spra-che in der Regel durch die syntaktische Struktur ausgeglichen wird. Es existieren viele Beispiele, in denen das italienische Verb markierter bzw. merkmalhaltiger ist, d.h. eine spezifischere semantische Bedeutung aufweist als das entsprechen-de Verb im Deutschen, und umgekehrt. Im Beispiel (16a) muss dem deutschen Kopulaverb machen mit seiner nur sehr allgemeinen Eigenbedeutung das Adjek-tiv leiser hinzugefügt werden, um denselben semantischen Gehalt des Verbs abbassare in (16a) zu erhalten. Beispiel (17) zeigt den umgekehrten Fall: das deutsche Verb fahren ist markierter (17b) und muss im Italienischen, um die polyseme Bedeutung aufzulösen, durch eine Präpositionalphrase ausgeglichen werden (17a). Das Verb andare allein enthält noch keine Information darüber, ob man in die Stadt fährt oder zu Fuß geht, während die Verben fahren oder laufen diese Information ohne Zusatz wiedergeben.

(16) a. Abbassi il telefono.

b. Machen Sie das Telefon leiser.

11 Vgl. Blumenthal (1996). 12 Vgl. Rabofski (1988).

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(17) a. Andiamo in macchina o a piedi in centro? b. Fahren wir oder laufen wir in die Stadt? In engem Zusammenhang mit der Markiertheit steht die Präfigierung. Häufig

kommt es vor, dass ein polysemes italienisches Verb (hier: dare) in der deut-schen Sprache, oft trotz gleicher Valenzstruktur, durch ein präfigiertes Verb wiedergegeben wird:

(18) a. Gesù Cristo ha dato la sua vita per noi. b. Jesus Christus hat sein Leben für uns hingegeben/ geopfert. (19) a. Ti do subito la parola. b. Ich übergebe dir gleich das Wort. (20) a. Ti fai dare il resto. b. Lass dir den Rest herausgeben. (21) a. Loro non danno l’indirizzo. b. Sie geben die Adresse nicht her.

Die deutschen Beispiele kodieren hier vor allem deiktische Informationen

(hin-, her-, etc.), die im Italienischen nicht ausgedrückt werden. Es ist offensicht-lich, dass ein präfigiertes Verb immer markierter ist als sein entsprechendes Grundverb.

Aufgaben und Übungen A. Aufgaben zu den theoretischen Aspekten der Polysemie A1. Was bedeutet Polysemie und warum ist sie gerade aus der kontrastiven Perspektive interessant?

A2. Warum sind frequente Verben polysem?

A3. Welche Faktoren spielen für die Bedeutung eines polysemen italienischen Verbs und seine deutschen Äquivalenzen eine Rolle? Definieren Sie sie.

A4. Überlegen Sie a. welche deutschen Entsprechungen Ihnen zu den frequenten italienischen Verben cambiare, chiamare, dare, fare, finire, mettere, perdere, sentire, vedere und venire einfallen; b. versuchen Sie in einem zweiten Schritt zu erklären, in welchem Kontext sie stehen können und c. welche Elemente (s. oben) für die Bedeutung möglicherweise verantwortlich sind; d. schauen Sie sich dann die verschiedenen

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Äquivalenzen in einem Wörterbuch an. (Diese Übung ist auch in Zusammenarbeit mit dem Lehrer zu empfehlen.)

B. Übungen zur Valenz13 B1. Unterstreichen Sie die Valenzen von mettere, überlegen Sie ob das Reflexivpronomen gebraucht wird und klasifizieren Sie die Ergänzungen14. Fakultative Ergänzungen können in Klammer gesetzt werden. Beispiel: Mettiti la tuta. mettersi + direktes Objekt______ a. Mi metto subito a farlo. b. L’ho messo sul tavolo. c. Mettilo in italiano. d. Mettiamo che tu ti trasferisca in America. e. Metto gli occhiali. f. Che cos’hai messo? (contesto: musica) g. Dopo tanto tempo ci siamo messi insieme. B2. Ordnen Sie den Beispielsätzen mit mettere (von B1.) die folgenden deutschen Äquivalenzen15 zu.

Beispielsatz übersetzen (‚in einer anderen Sprache wiedergeben’) a. sich anziehen (‚ein Kleidungsstück anlegen’) b. auflegen (,CD oder Kassette abspielen’) c. annehmen (‚vermuten’, ;meinen’, ‚glauben’) d. beginnen (‚etwas anfangen’) e aufsetzen (‚sich etw. auf den Kopf/ Nase setzen’) f. setzen/ stellen/ legen (‚an einem Ort positionieren’) g. sich zusammen tun (‚sich mit jemandem verbinden)

B3. Übersetzen Sie die Sätze von B1./ B2. in die deutsche Sprache. Achten Sie auch im Deutschen auf die Valenzen. (Sie können gern ein Wörterbuch verwenden.)

B4. Wiederholen Sie die Übungen B1. und B3. mit den Beispielsätzen von vedere und venire: a. Lei si vede sempre meno intelligente degli altri. b. Oggi pomeriggio andiamo a vedere il colosseo. c. L’insegnante ci fa vedere come si può trovare la soluzione. d. Non vedo l’ora di andare in ferie.

13 Weitere Übungen finden sich im Beitrag von Nied zur Valenz. 14 Sie können die Klassifikation nach U. Engel bzw. zur italienischen Sprache zu Hilfe

nehmen, die im Beitrag von Nied Curcio zur Valenz erklärt wird. 15 Die deutschen Verben sind mögliche Übersetzungsäquivalenzen.

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e. Se mi immagino questa situazione mi viene proprio da ridere. f. Su questa foto sei venuto malissimo. g. Ti vengo a prendere dopo cena.

C. Übungen zu den semantischen Rollen und Merkmalen C1. Suchen Sie a) (mit Hilfe des Wörterbuchs) die deutschen Verben, die für eine Übersetzung der Beispielsätze ins Deutsche gebraucht werden und b) überlegen Sie, welche semantischen Kategorien bzw. Merkmale der Ergänzungen für die jeweilige Bedeutung des Verbs verantwortlich ist. Verwenden Sie [+belebt, +human, +Sache, +konkret, +abstrakt]. Die Valenz ist natürlich mitverantwortlich, soll jedoch in der Übungen unberücksichtigt bleiben. a. Si abbina la razza Yorkchire a quella. Questo liquore si abbina benissimo ad un dessert. b. Lei ha abbracciato la causa dei poveri. Mi ha abbracciato molto forte. c. Su questo punto vi dobbiamo ancora aggiornare meglio. Questa riunione va aggiornata. d. Luca ha aggiustato tante cose. Adesso ti aggiusto. (umgangssprachlich) e. Questo sistema non va. Siamo andati al cinema. f. Vorrei attaccare questo quadro alla parete in cucina. I greci hanno attaccato i nemici. g. E’ avanzato solo un piatto di pasta. Solo pochi avanzarano alla strage. C2. Suchen Sie in einem Wörterbuch (z.B. ELDIT, online unter: www.eurac.edu/eldit) verschiedene Entsprechungen zu den Verben abbinare, abbracciare, aggiornare, aggiustare, alzare, annullare, arrivare, assicurare, attaccare, avanzare, avvicinare, bloccare, crescere, discendere, ingrassare. Beachten Sie die semantischen Rollen und Merkmale. D. Übung zur Markiertheit Kreuzen Sie den Satz an, der das markiertere Verb enthält. a. Stasera cambiamo ( ) b. Heute Abend machen wir etwas anderes ( )

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c. Ti do subito la parola. ( ) d. Ich übergebe dir gleich das Wort. ( )

e. Gliel'ho già anticipato prima. ( ) f. Ich habe es ihm schon im voraus gesagt ( ) g. Non sei andato? ( ) h. Du bist nicht hingegangen? ( )

i. Io ho concluso. ( ) j. Ich bin fertig. ( )

k. Non lo danno per così poco. ( ) l. Sie geben es für so wenig nicht her. ( ) E. Das Verb fare und seine Äquivalenzen im Deutschen Bei den folgenden Beispielen wird deutlich, wie die Bedeutung des Verbs fare vor allem vom semantischen Gehalt der Ergänzungen (aber auch vom gesamten Kontext) abhängig ist. Im Deutschen wird immer ein anderes Verb realisiert. Finden Sie die deutschen Verben heraus und übersetzen Sie die Beispielsätze ins Deutsche. a. Tutti hanno fatto il disegno in questo modo. b. Ti vuoi fare un amico? c. Fanno la strada statale. d. Deve fare quattordici ventuno zero zero tre. e. Ho già fatto il biglietto. f. Tu hai fatto l’inglese? g. Una scelta va fatta. h. Il nostro cane ha fatto i cagnolini. i. Non fa punteggio. j. Non fa differenza. k. Ha fatto colpo. l. Fa buio presto. m. Che tempo farà domani? n. Oggi ha fatto molto caldo. o. E’ proprio antipatico, fa sempre l’arrogante. p. Faccio il professore di matematica. Einige Beispiele mit komplexen Verbkonstruktionen (unterstrichen) mit fare16: q. L’avrà fatta fuori. r. Noi facciamo finta che non esistono compagni. s. Noi dobbiamo fare i conti con il nuovo anno.

16 Es gibt verschiedene Übersetzungsmöglichkeiten. Einige Vorschläge werden im Lö-

sungsschlüssel präsentiert.

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t. Fai conto che lo stia facendo. u. Mi ha fatto a pezzi questa sera. v. Chi me lo fa fare? Literatur Blumenthal P. (1996a), „Subjektrollen bei polysemen Verben“, in Blumenthal P. et

al. (Hgg.), Lexikalische Analyse romanischer Sprachen, Tübingen, Niemeyer, 7-21.

Blumenthal P. (1996b), „Polysemie im italienischen Valenzlexikon“, in GrécianoG. et al. (Hgg.): Lucien Tesnière. Syntaxe Structurale et Operations Mentales. Akten des deutsch-französischen Kolloquiums anläßlich der 100. Wiederkehr seines Ge-burtstages. Strasbourg 1993. XXIII/312, Tübingen, Niemeyer, 263-280.

Bussmann H. (32003), Lexikon der Sprachwissenschaft, Stuttgart, Kröner. Curcio, M. L. (1999), Kontrastives Valenzwörterbuch der gesprochenen Sprache

Italienisch-Deutsch, Mannheim, Institut für deutsche Sprache. Amades. Dobrovols’skij D. (2002), „Polysemie aus kontrastiver Sicht“, in Barz I. et al. (Hgg.),

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Engel U. (1988), Deutsche Grammatik, Heidelberg, Groos. Helbig, G. (1992), Probleme der Valenz- und Kasustheorie, Tübingen, Niemeyer. Koch P. (1991), „Semantische Valenz, Polysemie und Bedeutungswandel bei romani-

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Lepschy G. C. (1989), “Costruzioni con sì” in Lepschy G. C., Nuovi saggi di lingui-stica italiana, Bologna, il Mulino, 103-117.

LIP: De Mauro T., Mancini F., Vedovelli M., Voghera M. (Hgg.) (1993), Lessico di Frequenza dell'italiano parlato, Milano, ETAS-Libri.

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KLEINE WÖRTER: ABTÖNUNG UND MODALPARTIKELN

Peggy Katelhön

1. Einleitung Unter Modalpartikeln versteht man unflektierbare, oft unbetonte und in ih-

rer syntaktischen Stellungsfreiheit stark eingeschränkte Wörter, die eine Ein-stellung des Sprechers zum Gesagten oder zum Hörer/Leser der Äußerung ausdrücken. In den folgenden Beispielen finden Sie aktuelle Titel von Zei-tungsartikeln in deutscher Sprache, die Modalpartikeln (MP) enthalten. Wir werden erklären, was MP sind, welche Funktion sie haben und welche Äqui-valente in der italienischen Sprache die gleiche Funktion übernehmen können.

(1) „Goldhamster sind eigentlich tagaktiv”1 (2) „Warum reden die bloß so?“ 2 (3) „Freistaat muss wohl zahlen“3

2. Modalpartikeln und Abtönung 2.1.Was ist Abtönung?

Abtönung ist im weitesten Sinne ein dialogisches Verfahren, mit dem wichtige Kontextbedingungen von Sprechakten, die sonst in gesprochener Sprache implizit bleiben würden, mit äußerst sparsamen sprachlichen Mitteln

1 Spiegel online vom 09.04. 2008. 2 Silicon.de vom 29.02.2008. 3 Focus online vom 13.04.2008.

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anzudeuten. Sie bringt die Einschätzung des Sprechers hinsichtlich des Hö-rerwissens oder der situativen Einbettung der Äußerung zum Ausdruck. Es handelt sich um eine deutliche pragmatische Funktion, die in allen Sprachen einen sprachlichen Ausdruck findet. Daher spricht man auch von einer sprach-lichen Universale (Koch - Oesterreicher 1990: 71, Radtke 1983, Waltereit 2006).

2.2. MP - typisch deutsch?

Abtönungs- oder Modalpartikeln gelten als besonders typisch für die deut-

sche Sprache. Man ist lange Zeit davon ausgegangen, dass es in den romani-schen Sprachen keine vergleichbare Wortklasse gibt. Um dies nachzuweisen, haben viele Sprachwissenschaftler deutsche literarische Texte mit ihren Über-setzungen in romanischen Sprachen verglichen. Ein Ergebnis dieser Untersu-chungen war, dass deutsche MP oft gar nicht übersetzt werden, also eine Nulläquivalenz in romanischen Sprachen finden oder aber mit anderen sprachlichen Mitteln wiedergegeben werden. Das würde die Tatsache un-terstreichen, dass die deutsche Sprache tatsächlich einen besonderen Partikel-reichtum im Vergleich zu anderen Sprachen aufweist. Allerdings zeigt ein Übersetzungsvergleich von Métrich (2001) in umgekehrter Richtung, dass grundsätzlich bei der Übersetzung von einer Sprache in die andere Partikeln „verloren gehen“. Die Abwesenheit von Diskursmarkern und MP scheint vielmehr auf die Übersetzungssituation begründet zu sein (vgl. Waltereit 2006). Zudem verweist Blasco Ferrer (Blasco Ferrer - Ortu 1998: 198) darauf, dass bei den meisten Übersetzungsvergleichen zur Untersuchung der MP die deutsche Sprache als Ausgangssprache gewählt wurde. Dieser unilaterale Vergleich setzt indirekt das Vorhandensein entsprechender sprachlicher Kate-gorien in den Zielsprachen voraus. MP bzw. die Abtönung stellen als pragma-tisches Verfahren eine Besonderheit v.a. gesprochener Sprache dar. Da spon-tane Gespräche nur äußert selten übersetzt werden, gestaltet sich die Samm-lung empirischer Daten für Sprachvergleiche schwierig. 2.3. Was sind Modal- oder Abtönungspartikeln? 2.3.1. Definition

Die Bezeichnung dieser kleinen Wörter ist nicht einheitlich in der For-

schung. Wurden sie in früheren Arbeiten noch mit einer deutlich negativen Konnotation als Füll-, Flick- oder Würzwörter bezeichnet, haben sich nun Begriffe wie Einstellungspartikeln, Satzpartikeln, illokutive Partikeln oder Abtönungspartikeln (AP) durchgesetzt. Unter AP versteht man Partikeln wie

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auch, ja, denn, wohl usw., wenn sie in bestimmten Kontexten auftreten. (4) Bist du aber groß geworden! (5) Wie spät ist es denn?

Sie werden auch Modalpartikeln genannt4. Die zehn häufigsten, in gespro-

chener Sprache vorkommenden MP sind: ja, doch, mal, eben, denn, schon, eigentlich, einfach, wohl (Schwitalla 1997: 172). Je informeller und nähe-sprachlicher ein Text ist, desto höher ist die Frequenz von MP (Hentschel 1986: 238-240). Einige MP stellen mündliche Alternativen dar (halt – eben, sowieso – ohnehin), manche kommen nur in bestimmten regionalen Um-gangssprachen vor (bairisch, schwäbisch: fei, süddeutsch: eh, ostdeutsch: eben, sächsisch: freilich, norddeutsch: man usw., vgl. Schwitalla 1997: 172, Dittmar 2000, Franz 2001: 118).

2.3.2. Formale Eigenschaften

a) Morphologische Bestimmung AP sind immer Sonderverwendungen von Wörtern, die primär eine andere

Funktion haben, d.h.: (A) Jede AP weist ein Homonym in einer anderen Wortklasse auf5. Diese Eigenschaft unterscheidet AP grundsätzlich von ande-ren Wortklassen. So ist z. B. aber hauptsächlich ein adversativer Subjunktor wie in (6), kann jedoch auch als AP wie in (7) auftreten.

(6) Er trinkt Tee, aber sie nimmt Kaffee.

(7) Du hast aber viel Geld heute ausgegeben.

b) Syntaktische Eigenschaften (B) Deutsche AP sind häufig auf bestimmte Satzmodi beschränkt, als AP

können sie nur in bestimmten Satzarten auftreten.

4 Gegen diese Bezeichnung spricht, dass mit dem Bestimmungswort modal die Funktion

einer Partikel nur ungenau beschrieben wird. Zudem erlaubt der Begriff Abtönung eine eindeu-tige Abgrenzung von Modalwörtern wie vielleicht, wahrscheinlich, sicherlich usw. Jedoch hat sich in der engl. Literatur der Begriff modal particle als Äquivalent durchgesetzt. Daher werde ich im Folgenden die Begriffe Modal- und Abtönungspartikeln für die dt. Sprache synonym verwenden.

5 Die einzige Ausnahme stellt die AP halt dar, denn sie ist weder mit dem Verb halten noch dem Substantiv Halt etymologisch verwandt.

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(8) Komm doch! (8’) *Komm eigentlich! (9) Was willst du eigentlich? (9’) *Was willst du doch? Tabelle 1: Distribution der häufigsten deutschen AP auf Satzarten

SATZART AP BEISPIEL Aussagesätze auch, doch, eben, halt,

ja, nur, schon, wohl (10) Das Leben ist halt/ eben/ doch/ schon ungerecht.

Ausrufesätze aber, bloß, doch, ein-fach, ja, nur, vielleicht

(11) Das ist ja eine Frechheit! (12) Das ist aber nett!

Wunschsätze bloß, doch, nur (13) Wenn er doch endlich käme! Aufforde-rungssätze

betont: bloß, gefälligst, ja, nur, ruhig unbetont: doch, halt, mal, schon

(14) Mach mir ja die Tür zu! (15) Mach doch/ mal/ einfach das Fenster zu!

(C) Sie sind in ihrer Stellungsfreiheit auf das Mittelfeld beschränkt und

stehen meist vor dem Rhema6.

(16) Gestern Abend wollte ich doch ein Buch lesen. (16’) *Gestern Abend wollte ich ein Buch doch lesen.

Bildet das Verb das Rhema, stehen sie am Ende7.

(17) Das Kind blutet ja. (17’) *Das Kind ja blutet.8

(D) Sie stehen nie an erster Position (im Vorfeld).

(18) Ich habe dir das doch schon gestern gesagt. (18’) * Doch habe ich dir das schon gestern gesagt.

(E) Sie sind nicht erfragbar und können keine Antwort auf Fragen bilden.

(19) Kommt ruhig rein! (19’) Wie sollen wir reinkommen? *Ruhig.

6 Das Rhema wird oft durch ein Nominalsyntagma mit unbestimmtem Artikel oder ohne

Artikel eingeführt. 7 Einzige Ausnahme stellt hier die AP eigentlich dar, die auch am Satzanfang stehen kann. 8 May 2000: 68.

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(F) Sie sind nicht negierbar und können nie nach Negationspartikeln und -adjektiven stehen.

(20) Dann tanzt er heute eben nicht. (20’) *Dann tanzt er heute nicht eben.

(G) AP sind miteinander kombinierbar (Thurmair 1989). Allerdings gelten

feste Abfolgeregeln: ja > halt > doch > einfach > auch > mal

Abbildung 1: Abfolgeregeln für die Kombinierbarkeit deutscher MP (Nübling: 2005: 600)9 (24) Was war das denn nun eigentlich?10 Weitere formale Eigenschaften sind: (H) MP sind nicht fokussierbar. (I) Aufgrund ihres enklitischen Charakters sind sie häufig unbetont. (J) Sie sind nicht koordinierbar (König 1997, Dittmar 2002). c) Semantische Bestimmung In der Fachliteratur hat sich eine Diskussion darüber entfacht, ob den MP

eine Grundbedeutung zugewiesen werden kann oder nicht. (K) Ein Konsens besteht jedoch darüber, dass Partikeln zu der Klasse der

Synsemantika11 gehören. (L) Eine AP kann weggelassen werden, ohne dass sich der semantische

Gehalt des Satzes bzw. seine Wahrheitsbedingungen verändern (Masi 1996: 28, Blasco Ferrer - Ortu 1998: 197), d.h. sie weisen keinen propositionalen Gehalt auf. König (1997) schlägt daher vor, AP als metapragmatische Instruk-tionen für den Gesprächspartner zu bestimmen.

d) Textuelle Bestimmung

(M) Anstelle einer eigenen semantischen Grundbedeutung, weisen AP vor allem eine anaphorisch kontextuelle Bedeutung auf, die auf vorangegangene

9 Aufgrund konkreter Korpusanalysen wird diese Abfolge von Lemnitzer (2001) z. T. in

Frage gestellt. 10 Lemnitzer 2001: 368. 11 Es wird in der Semantik zwischen Auto- und Synsemantika unterschieden. A. sind Wör-

ter, die auch ohne sprachlichen Kontext eine bestimmte Bedeutung haben (Substantive, Verben und Adjektive). S. sind dagegen Funktionswörter, ihre Bedeutung ist (meta-)sprachlicher Natur, es gibt keinen außersprachlichen Referenten.

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Kommunikationssituationen Bezug nimmt (Hentschel 1986, Blasco Ferrer - Ortu 1998) 12.

3. Funktionen deutscher MP Deutsche MP können die unterschiedlichsten Funktionen aufweisen, die

jedoch immer auf die Sprecher-Hörer-Interaktion ausgerichtet sind. U.a. kön-nen dies sein13:

3.1. Erstaunen ausdrücken

Ein Erstaunen kann mittels der AP aber, vielleicht, ja, denn ausgedrückt

werden: Tabelle 2: AP zum Ausdruck des Erstaunens

ERSTAUNEN AUSDRÜCKEN Satzmodus Bedeutung

darüber, wie etwas ist

Sprecher und Hörer

darüber, dass etwas ist

nur Sprecher, beim Erzählen in der Vergan-genheit

Größe, Menge, Umfang

Art, Form, Gestalt

Ausrufe-oder Aus-sagesatz

ja: (21) Du hast ja ein Auto!

vielleicht: (22) Der Film war vielleicht lustig!

aber (23) Der Turm ist aber hoch!

vielleicht (24) Die deutsche Sprache ist vielleicht kompliziert.

Entscheidungsfrage denn: (25) Hast du denn ein Auto?

----------

12 Radtke (1993) fordert deshalb, dass AP vor allen in Abhängigkeit ihres textsortenspezifi-

schen Auftretens untersucht werden müssten. Eine umfassende Untersuchung zu diesem Thema wurde m.W. bis heute nicht vorgelegt.

13 Die folgenden Abschnitte zu den Funktionen der deutschen AP basieren auf der Darstel-lung von Weydt – Harden – Hentschel - Rösler (1983).

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3.2. Entscheidungsfragen stellen In Entscheidungsfragen können die MP eigentlich, denn, etwa, auch, über-

haupt verwendet werden. - eigentlich: Fragen klingen beiläufig, fast zufällig. Oft wird mit ihnen die

Richtung des Gesprächs verändert, ein neues Thema eingeführt.

(26) Kennst du eigentlich meinen neuen Freund schon? - denn: kann Erstaunen ausdrücken. Nach einer Negation klingt die Frage

oft vorwurfsvoll.

(27) Bist du denn noch gar nicht müde? - etwa: Mit etwa zeigt der Sprecher, dass er eigentlich das Gegenteil einer

Tatsache erwartet hätte.

(28) Hast du etwa die Tür nicht abgeschlossen? - auch: drückt Besorgnis aus. Oft finden wir diese MP in Fragen von Müt-

tern.

(29) Habt ihr auch nichts vergessen? - überhaupt: es wird eine grundsätzliche Tatsache in Frage gestellt.

(30) Kannst du überhaupt schwimmen?

3.3. Vermuten oder Bezug auf frühere Sprechhandlungen Um im Deutschen Vermutungen auszudrücken bzw. den Inhalt früherer

Sprechhandlungen wiederzugeben, an die man sich nicht mehr genau erinnert, benutzt man oft AP wie wohl, ja wohl, doch wohl, schon.

- wohl: drückt eine allgemeine Vermutung (ersetzbar durch vermutlich, häufig kombiniert mit epistemischem Futur, Bsp. (31)) aus oder stellt den Bezug auf eine frühere Sprechhandlung her (Redewiedergabe, Bsp. (32))14.

(31) Er ist heute nicht gekommen. Er wird wohl krank sein. (32) Ich habe Annette getroffen. Sie macht wohl gerade eine Ausbildung.

14 Vgl. dazu Katelhön (2008).

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- ja wohl: Der Sprecher hält etwas für sehr wahrscheinlich, fast selbstver-ständlich (oft kombiniert mit epistemischem Futur).

(33) Es ist ja wohl nichts passiert!

- doch wohl: Hier ist der Sprecher sich nicht ganz so sicher. Er hofft aber

stark, dass es so ist., fast immer mit dem epistemischen Futur kombiniert.

(34) Ihm wird doch wohl nichts passiert sein! - schon: Mit dieser AP drückt der Sprecher die Vermutung aus, dass seine

Annahme richtig ist. Sätze mit schon (und dem Futur) wirken oft beruhigend.

(35) Sie wird schon auf die Kinder gut aufpassen.

3.4. Widersprechen Wenn man seinem Gesprächspartner widersprechen will, kann man fol-

gende AP im Deutschen benutzen: dóch, dóch nicht, erst. - dóch: Mit betontem dóch kann man zu einer bereits verworfenen Tatsa-

che zurückkehren.

(36) A: Hast du denn keinen Hunger? B: Nein, danke. A: Nun nimm schon ein Stück Kuchen! B: (isst schließlich drei Stück Kuchen) A: Du hattest dóch Hunger! - dóch nicht: bedeutet häufig: wider Erwarten.

(37) Die Feier findet nun dóch nicht statt. - erst: drückt eine Steigerung aus. Der Gesprächspartner soll ´überboten´

werden. Die Satzstruktur entspricht immer einem verblosen Ausruf: Argu-ment der Steigerung + erst!

(38) A: Ich hab’ Bauchschmerzen. B: Und ich erst!

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3.5. Warnen und drohen Warnungen und Drohungen werden in der deutschen Sprache häufig durch

die MP já, blóß, núr, wohl und schon verstärkt. - já, blóß, núr: Diese betonten MP können benutzt werden, um vor einer

Gefahr zu warnen oder eine Drohung auszusprechen.

(39) Sei já still! (40) Komm mir blóß nicht mit diesem Kerl nach Hause! (41) Denkt núr nicht, dass ihr ohne Strafe davonkommt!

- wohl: kann in Ausrufesätzen mit modalem Futur eine Drohung oder

Warnung ausdrücken. Das Verb steht dann in der 2. Person. Diese Form wird häufig verwendet, um unerzogene Kinder oder Tiere anzusprechen.

(42) Wirst du wohl stillhalten!

- schon: Die AP schon haben Sie bereits in der Funktion kennen gelernt,

Zuversicht auszusprechen und jmdn. zu beruhigen (vgl. 3.3.). Mit dem Futur kann sie aber auch das genaue Gegenteil ausdrücken, nämlich eine Drohung.

(43) Du wirst schon noch merken, wer hier der Chef ist!

3.6. Meinen

Um eine Meinung auszudrücken oder auf die Meinung eines Gespräch-

partners einzugehen, kann man im Deutschen die MP ja, doch, eben, halt, nun mal, auch, einfach verwenden.

- ja, doch: Sätze mit ja und doch versuchen eine Überstimmung zwischen Gesprächspartnern herzustellen. Sie wirken freundlicher, als die gleichen Sät-ze ohne MP. Bei doch liegt ein leichter Widerspruch vor; es ist hier immer unbetont.

(44) Du hast ja Recht. (45) Du hast doch gesagt, dass der Klempner heute kommt.

- eben, halt, nun mal: Mit diesen AP drückt man aus, dass man eine Situa-

tion nicht ändern kann. Eben wird eher in Norddeutschland und halt eher in Süddeutschland verwendet. Die Bedeutung ist gleich. Die MP-Kombination

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nun mal ist in ihrer Bedeutung ähnlich, sie wirkt aber sachlicher und verall-gemeinert die Aussage. Ihre Wirkung ist daher stärker als bei eben/ halt.

(46) Das ist eben/ halt so. Da kann man nichts machen. (47) Orthografie gehört nun mal zur Allgemeinbildung.

- einfach : drückt die Bedeutung aus, dass eine Sache einfach, also nicht

kompliziert ist.

(48) Ich hatte gestern Kopfschmerzen. Da habe ich einfach eine Tablette genommen.

3.7. Etwas erfahren wollen In Bestimmungsfragen (W-Fragen, Fragen mit Fragewort) können folgen-

de Partikeln auftreten: denn, eigentlich, überhaupt, nur, bloß, doch, doch gleich, noch mal.

- denn, eigentlich: machen Bestimmungsfragen natürlicher. Sie unterstrei-chen das Interesse des Fragenden.

(49) Wie spät ist es denn? (50) Wie spät ist es eigentlich? (51) Wie spät ist es denn eigentlich?

- überhaupt: Die Bedeutung von überhaupt in Fragen ist sehr speziell.

Man stellt die Glaubwürdigkeit des Gesprächspartners in Frage. Solche Fra-gen wirken dann oft aggressiv. (52) Wie hat er überhaupt die Prüfung geschafft?

- doch, doch gleich: Diese AP werden benutzt, um sich auf frühere Mittei-

lungen zu beziehen, an deren Inhalt man sich nicht mehr gut erinnert. Oftmals findet sich in der Frage dann auch ein Präteritum mit der gleichen quotativen Funktion15.

(53) Wie war doch gleich Ihr Name? (Man hat es mir schon gesagt, aber ich habe es vergessen.)

15 Vgl. Katelhön (2005, 2008).

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- bloß, nur Der Inhalt dieser (rhetorischen) Fragen ist für den Sprecher im Moment sehr wichtig.

(54) Wo habe ich bloß meine Schlüssel? Ich kann sie nicht finden!

3.8. Auffordern

In deutschen Aufforderungssätzen finden sich häufig die folgenden MP:

doch mal, doch, eben mal, eben/halt, einfach, gerade mal, mal, nur, ruhig, schon. Durch sie wirken die Aufforderungen höflicher und natürlicher.

mal: Eine Aufforderung mit mal vermittelt den Eindruck, dass die verlang-te Tätigkeit ganz einfach ist. Man kann daher der Aufforderung leicht folgen.

(55) Mach mir mal die Tür auf!

Wenn die Person gesiezt wird, benutzen wir oft die Umschreibung mit

würde.

(56) Würden Sie bitte mal Platz machen? Indirekte Aufforderungen können mit mal und Infinitiv ausgedrückt wer-

den.

(57) Mal sehen, was man da machen kann. - eben mal, gerade mal: Mal wird häufig in der Funktion des Aufforderns

mit eben/ gerade kombiniert. Es gibt keinen Bedeutungsunterschied. Auch hier wird suggeriert, dass die auszuführende Handlung einfach und schnell erledigt werden kann.

(58) Würden Sie eben mal hier unterschreiben?

- doch, doch endlich, doch nicht: Aufforderungen mit diesen MP wirken

ärgerlich. Daher sind sie nicht in Verbindung mit der höflichen würde- Kon-struktion möglich.

(59) Sei doch nicht so nervös!

- doch mal: Aufforderungen mit doch mal wirken dagegen beiläufig.

(60) Kommt doch mal vorbei! - ruhig: Diese MP wirkt in einer Aufforderung beruhigend. Sie gibt dem

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Gesprächspartner das Gefühl. dass er kein Risiko eingeht, wenn er der Auf-forderung Folge leistet. Diese MP ist nicht mit Umschreibungen mit würde oder mit können kompatibel. (61) Schlaf ruhig noch weiter!

- nur: Auch nur wirkt beruhigend. Diese MP steht nie in einem Aussage-

satz.

(62) Geht nur schon los! Wir holen euch dann ein. - einfach, doch einfach: Diese MP findet in Aufforderungen Verwendung,

um auszudrücken, dass es für ein Problem eine einfache Lösung gibt. Der Aufforderungscharakter kann durch die Kombination mit doch verstärkt wer-den.

(63) Mach die Jeans doch einfach kürzer!

3.9. Einschränken

Die AP eigentlich, schon, schon mal können eine Äußerung in ihrem Gel-

tungsbereich einschränken. - eigentlich: Durch diese AP wirken Einwände oder Ablehnungen freund-

licher.

(64) A: Kommst du mit ins Kino? B: Ich wollte heute Abend eigentlich arbeiten. - schon: leitet oft einen Einwand oder Widerspruch ein.

(65) Deine Wohnung ist ziemlich groß. B: Ja, schon, aber sie ist auch schwer zu heizen.

- schon mal, schon gar nicht: Diese MP-Kombination drückt aus, dass et-

was ziemlich gut ist, aber noch etwas fehlt, um völlig zufrieden zu sein.

(66) Das Wetter ist schon mal prima. Wenn wir jetzt keinen Stau finden, wird der Ausflug perfekt.

3.10. Wunschdenken

Um (irreale) Wünsche auszudrücken, benutzt man im Deutschen Konditi-

onalsätze, den synthetischen oder analytischen Konjunktiv II und die MP

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bloß, doch, nur. In irrealen Wunschsätzen (mit und ohne wenn) sind diese AP obligatorisch, also grammatikalisiert. Ohne AP würde der Hörer eine Fortset-zung des Satzes in Form eines irrealen Konditionalsatzes erwarten (Bsp. 69). (67) Wäre ich doch nur schon zu Hause. (68) Wenn ich doch bloß schon zu Hause wäre! (69) Wenn ich schon zu Hause wäre, würde ich mich endlich erholen. 4. Italienische Formen der Abtönung

Im Vergleich zum Deutschen steht im Italienischen keine geschlossene

Wortklasse zur Abtönung zur Verfügung. Folgende sprachliche Formen kön-nen jedoch abtönend wirken:

4.1. Lexikalische Abtönung

Lexikalische Mittel der Abtönung können im Italienischen Partikeln, Ad-

verbien und Gliederungssignale sein. - Abtönungspartikeln (particelle intonative): Italienische Lexeme, die als

AP im oben stehenden Sinne klassifiziert werden können (vgl. 2.3.1.), sind: pure, poi und mai16.

- pure: in abtönender Funktion findet sich beispielsweise häufig in Auffor-derungen (vgl. 3.8.). Der Sprecher fordert hier den Hörer zu einer bestimmten Handlung auf (vgl. Held 1983, Koch - Oesterreicher 1990: 68-69, Waltereit 2006: 107-108).

(70) A: dica pure signorina cosa desidera B: guardavo grazie17

- poi: wird u.a. von Hölker (1993: 61) als marker pragmatico bezeichnet.

Als unverzichtbare Bedingung für eine Klassifizierung als ein solcher gilt: „di riferirsi ad aspetti della sitin.“ (ebd.).

- mai: Diese Partikel drückt in Fragen Überraschung über unerwartete Sachverhalte aus. Sie wird oft mit dem epistemischen Futur kombiniert.

(71) Cosa vorrà mai Marco, a quest’ora.18

16 Ein weiteres Argument für ihre Klassifizierung als AP ist ihre Kombinierbarkeit, vgl.

Hölker (1993). 17 LIP, zit. in Waltereit (2006: 107). 18 Masi (1996: 250).

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- Gliederungssignale und Adverbien (segnali discorsivi e avverbi): Als

Gliederungssignale werden diejenigen sprachlichen Elemente bezeichnet, die bei einer teilweisen Bedeutungsentleerung neue Bedeutungen erhalten, die vor allem die Struktur eines Gespräches unterstreichen, Äußerungselemente mit-einander verbinden und einzelne Äußerungen in die interaktive Struktur eines Gespräches und der Sprecher-Hörer-Dimension einbetten. Sie gehören ver-schiedenen grammatikalischen Kategorien an und können nur innerhalb der einzelnen Interaktion bestimmt werden; sie sind immer polyfunktional (Baz-zanella 1995: 225). Besonders abtönend wirken v.a. die zu der von Bazzanella (1995: 238-240) beschriebenen Untergruppe der meccanismi di modulazione. Dazu gehören u.a. praticamente, circa, in qualche modo, in un certo senso, a dir poco, diciamo19, per così dire, appunto, davvero, proprio, secondo me, per conto mio, mi sembra, forse, magari, dicono, certamente. Die hier aufgeführ-ten Gliederungssignale dienen in der Interaktion dazu, den propositionalen Gehalt einer Äußerung zu verstärken oder abzuschwächen.

- Praticamente, in pratica: Dieses Gliederungssignal dient z. B. einer Ein-schränkung (vgl. 3.9., Katelhön 2007). Im folgenden Beispiel ist ein wieder-holtes Auftreten dieser Lexeme zu vermerken. In forma di catene (Bazzanella 1995) wird hier der erzählende Redebeitrag aufrecht gehalten und zugleich abgetönt.

(72) B: sono arrivati due poliziotti dicendo che <???> e' arrivata una telefonata B: in cui dicevano che c'era una bomba alla <?> [incomprensibile]

C: qualche deficiente [incomprensibile] B: e praticamente niente i poliziotti sono arrivati per vedere se qualcuno B: nella fascia oraria in cui loro avevan ricevuto la telefonata aveva B: telefonato da <?> # e praticamente Valentino ha detto di no eh e niente

B: in pratica questi poliziotti se ne sono andati dicendo che c'era un negozio B: vicino alla stazione di <?> (LIP MA 11: 2)

Auch andere Gliederungssignale (ma, allora, magari, no?, be’, eh?) kön-

nen abtönend in der Interaktion wirken (Burckhardt 1985, Koch - Oesterei-cher 1990: 70, Hölker 1993, Masi 1996). Radtke (1985) beschreibt magari und figurati als AP für das Italienische. Im Sinne unserer Definition von AP können wir dem nicht zustimmen. Unbestritten ist jedoch die abtönende Wir-kung dieser Gliederungssignale.

19 Zu diciamo vgl. Hölker (2003).

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4.2. Intonatorische Mittel der Abtönung Für mehrere Sprachen wurde bereits die fallend-steigende (discendente-

ascendente) Intonationskontur als abtönend beschrieben20. Mit dieser Intona-tionskontur deutet der Sprecher an, dass über den Satzgegenstand hinaus auch andere Aussagen außer dem, was er wirklich darüber sagt, relevant sein könn-ten. Sie stellen pragmatische Alternativen zu dem Gesagten dar (Waltereit 2006: 142). Diese Intonationskontur ist häufig in elliptischen Fragen anzutref-fen.

(73) B: ahah Dune ahah dai quand’è che lo fanno io me lo vedo A: adesso? no

B: dai E: Dune lo fanno bello (LIP MA1)

4.3. Morphologische Mittel der Abtönung - Futur: Das modale bzw. epistemische Futur (futuro modale), dem wir

auch schon in Kombination mit deutschen MP begegnet sind, kann ebenso im Ital. mit anderen Abtönungsverfahren kombiniert werden (vgl. 4.1.) als auch allein abtönend wirken. In (74) drückt es wie die deutsche MP wohl eine Vermutung aus.

(74) Ho visto ieri Antonietta. Non avrà più soldi.

- Das Imperfekt (imperfetto) kann in der Funktion des backchecking rück-

verweisend wirken. Es wirkt somit anaphorisch und verweist auf eine früher stattgefundene Sprachhandlung (auch Katelhön 2005: 258-262, Katelhön 2008 ).

(75) La partita, scusa, non era questa domenica?

Das Imperfekt weist hier keine temporale Bedeutung auf, da das Fußball-

spiel noch nicht stattgefunden hat. Vielmehr erkundigt sich der Sprecher, ob er sich richtig daran erinnert, dass in früheren Gesprächen gesagt wurde, dass das Spiel an diesem Sonntag stattfinden wird.

- Diminutivformen (diminutivi): In romanischen Sprachen ist diese Form der Wortbildung sehr produktiv (Waltereit 2001a: 1408, 2001b). Mittels Suf-figierung können in allen romanischen Sprachen Verkleinerungsformen ge-bildet werden. Diminutivformen drücken aus, dass ein Substantiv oder Adjek-

20 Zu einer Übersicht siehe Waltereit (2006: 129-150).

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tiv kleiner als üblich ist. Interessant ist, dass Diminutivsuffixe auch mit Wort-bildungsbasen verbunden werden können, die eigentlich mit kleinen Referen-ten semantisch nicht verträglich sind. (Waltereit 2006: 111)

(76) Potrei avere un po’ di salino?

Natürlich ist hier nicht „kleines Salz“ gemeint, sondern die Aufforderung

wird höflicher bzw. freundlicher gestaltet. Auch in Aussagesätzen kann die abtönende Funktion italienischer Diminutivformen beobachtet werden. Häufig wirken sie abschwächend, der Sprechakt wird als „nicht so ernst“ dargestellt und demnach abgemildert.

4.4. Syntaktische Mittel der Abtönung

Dass auch syntaktische Strukturen in romanischen Sprachen der Abtönung

dienen können, ist mehrfach in der Fachliteratur angeführt worden (Koch - Oesterreicher 1990, Waltereit 1998, 2001a, 2006).

- Rechtsversetzung: Für die italienische Sprache kann die Struktur der Rechtsversetzung (dislocazione a destra) abtönend wirken. Im folgenden Bei-spiel wird durch die Rechtsversetzung und die damit verbundene Rhematisie-rung des Verbs der Sprechakt des Aufforderns selbst ins Zentrum des Interes-ses gerückt.

(77) A: spegnilo il registratore vai.21

- Unpersönliche Konstruktionen: Auch unpersönliche Konstruktionen

(costruzioni impersonali) können im Italienischen abtönend wirken. Masi (1996: 245-247) führt unter dieser Bezeichnung die Strukturen: si passivante, si impersonale und bisogno/ è necessario/ è bene + infinito an. Da der Agens nicht genannt wird, bzw. der Patiens rhematisiert wird, weisen diese Kon-struktionen häufig einen Wert von Allgemeingültigkeit und allgemeiner Be-kanntheit auf und sind dementsprechend als Abtönungsverfahren zu klassifi-zieren.

(78) Sulla sabbia si cammina a piedi nudi.22

- Parenthetische Strukturen: Als weitere syntaktische Abtönungs-

konstruktionen im Italienischen werden von Radtke (1983: 186) credo che, credevo che, direi che, spero che, volevo dire, ti dicevo che usw. angeführt.

21 Koch - Oesterreicher (1990: 71). 22 Masi (1996: 245).

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Sie blenden das subjektive Sprachempfinden ein und wirken daher abtönend (auch: clausole parentetiche bei Schneider 2008).

Aufgaben und Übungen A. Lesen und vergleichen Sie die beiden kurzen Dialoge. Unterstreichen Sie a) die sprachlichen Einheiten, in denen Sie sich voneinander unterscheiden.

DIALOG A DIALOG B 1 A: Mensch, das gibt`s doch überhaupt

nicht! Was machst du denn hier? Ich denk, du bist in Italien!

A: Mensch, das gibt`s nicht! Was machst du hier? Ich denk, du bist in Italien!

2 B: War ich ja auch, aber jetzt wohn´ ich wieder in Hamburg, fahr grad zurück.

B: War ich ja auch, aber jetzt wohn´ ich wieder in Hamburg, fahr grad zurück.

3 A: Ist ja klasse. Ich fahr nämlich auch nach Hamburg, aber nur fürs Wochenen-de.

A: Ist klasse. Ich fahr nämlich auch nach Hamburg, aber nur fürs Wochen-ende.

4 B: Gut, denn können wir ja während der Fahrt ’n bisschen quatschen.

B: Gut, wir können während der Fahrt ´n bisschen quatschen.

5 A: Ja eben, aber sag´ mal, wo fährt denn unser Zug eigentlich überhaupt ab?.....

A: Ja, aber sag, wo fährt unser Zug ab?.....

b) Bei den Wörtern, die Sie unterstrichen haben, handelt es sich um Modal- oder Abtönungspartikeln. Vergleichen Sie die beiden Dialoge miteinander. Versuchen Sie auch, sie laut zu lesen. Was stellen Sie fest? c) Warum bieten Übersetzungsvergleiche nur bedingt die Möglichkeit, Aussagen über das Auftreten von Modalpartikeln in Zielsprachen zu treffen? B. In den nachfolgenden Beispielen finden Sie jeweils einen Satz mit dem Homonym einer anderen Wortklasse (a) und einen Satz mit der entsprechenden AP (b). Bestim-men Sie die Wortklasse der Homonyme unter (a), benutzen Sie ein einsprachiges Wörterbuch. denn (a) Er studiert Fremdsprachen, denn er hat sich schon immer für fremde Kulturen interessiert. (b) Hast du denn Geld mitgenommen? doch (a) Erst war der Abend ganz ruhig, doch plötzlich brach ein Gewitter los. (b) Das muss doch zu machen sein! eben (a) Er ist eben nach Hause gekommen (b) Dann kannst du eben nicht in die Disko gehen!

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eigentlich (a) Der eigentliche Grund seines Ärgers war ihre Verspätung. (b) Wie alt bist du eigentlich? einfach (a) Die erste Aufgabe in der Deutschprüfung war sehr einfach. (b) Ich hatte einfach keine Lust zu studieren. ja (a) Kommst du heute mit ins Kino? – Ja, sehr gern. (b) Geh mir ja aus den Augen nur (a) Er hat nur eine Schwester. (b) Was sollen wir nur tun? ruhig (a) Im Klassenzimmer war es ganz ruhig. (b) Ihr könnt ruhig reinkommen! schon (a) Sie ist schon fünf Jahre alt. (b) Er hat schon Recht. wohl a. Ich fühle mich in der neuen Wohnung sehr wohl. (b) Wer dir das wohl erzählt hat C. Lesen Sie die drei Sätze. Bestimmen Sie aufgrund der syntaktischen Eigenschaften die Wortart von doch. a. Ich habe versucht, Karten für das Fußballspiel zu bekommen, doch es war

vergebens b. Du warst noch nie in Mailand? Doch, ich war schon in Mailand. c. Du hast doch deine Hausaufgaben schon gemacht, oder? D. Fügen Sie ja oder doch ein. Bsp.: Warum fragst du? Du weißt, dass er kommt. Warum fragst du? Du weißt doch, dass er kommt. a. Das ist dann geklärt, da sind wir uns einig. b. Warum kommt Saskia nicht? Sie hat gesagt, dass sie kommt. c. Du weißt, dass ich abends nicht weggehen kann. Ich muss auf die Kinder aufpas-

sen. d. Erzähl mir die Geschichte nicht noch einmal. Ich kenne sie schon längst. e. Denk mal nach! Das kann gar nicht stimmen! f. Die Benzinpreise werden immer teurer. E. Setzen Sie in der folgenden Übung eben, halt, nun mal ein. Bsp.: In der Vorlesung soll ein Student den Lehrstoff der vergangenen Woche für alle noch einmal zusammenfassen. Keiner hat den Mut, sich zu melden. Also sagt Klaus: Na gut, dann (das machen): Na gut, dann mach ich das halt. a. Ein Student kommt zum Professor und beschwert sich über sein schlechtes Prü-

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fungsergebnis. Der Professor antwortet ihm: Die Grammatik (Grundlage für die Sprachkenntnisse sein).

b. Katrin und Klaus-Jürgen wollten ins Theater gehen. Es gibt leider keine Karten mehr für die Premiere. Also sagt Katrin: Dann (an einem anderen Abend das Stück sehen).

c. Gunnar ruft seine Freundin an, weil er mit ihr abends weggehen will. Sie hat aber noch ein wichtiges Meeting. Also sagt Gunnar: Dann (sich später treffen).

d. Die Erasmus-Studentin Chiara beschwert sich darüber, dass die Vorlesungen an den deutschen Unis immer überpünktlich anfangen. Daraufhin sagt ihr deutscher Freund Sven: In Deutschland (so sein).

F. Reagieren Sie mit Aufforderungen auf die folgenden Situationen. Benutzen Sie dabei die MP doch, eben, einfach, mal, ruhig. Sie können sie auch kombinieren. Was würden Sie einem Freund sagen, a. wenn er Ihnen eine Cola aus dem Automaten holen soll. b. wenn Sie ihm versichern wollen, dass er unbesorgt in den Skiurlaub fahren kann. c. wenn er nicht weiß, wie er mit den vielen Büchern nach Berlin kommen soll und

Sie ihm raten, ein Auto zu mieten. d. Sie ihn um Feuer bitten. e. Sie ihn unverbindlich einladen wollen. G. Bilden Sie irreale Wunschsätze mit oder ohne wenn. Denken Sie auch an die obli-gatorischen MP. Bsp.: schon zu Hause sein: Wäre ich doch schon zu Hause. a) die Prüfung bestanden haben b) den Film sehen können c) die Schuhe kaufen können d) die deutsche Sprache beherrschen e) die deutschen Modalpartikeln verstehen können H. Ordnen Sie mindestens 3 der genannten italienischen Abtönungsverfahren deut-schen MP zu. Begründen Sie Ihre Wahl. Literatur Bazzanella C. (1995), “I segnali discorsivi”, in Renzi L. et al. (Hgg.), Grande gram-

matica italiana di consultazione, vol. III: Tipi di frase, deissi, formazione delle parole, Bologna, il Mulino, 225-257.

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LÖSUNGEN ZU DEN AUFGABEN UND ÜBUNGEN

Wortakzent (Vogt) A.1. b. 'Motor (Mo'tor) , Ele'fant, 'Ameise, 'Urlaub, 'Pelikan (Peli'kan), 'Papagei (Pa-pa'gei), 'Arbeit. A.2. a. Hero'in (Droge), Her'oin (Heldin), 'damit (Pronominaladverb), da'mit (Kon-junktion); Ro'man (lange Erzählung), 'Roman (Name); 'modern (3.Ps. Pl. Indikativ des Verbs ‚modern’), mo'dern (Adjektiv); 'August (Name), Au'gust (Monat); miss'trauen (Verb), -s 'Misstrauen (Substantiv). A3. Mu'sik - 'musica, Phy'sik - 'fisica, Pro'fessor - profe'ssore, Syn'these - 'sintesi, Foto'graf - fo'tografo, E'lisabeth - Elisa'betta, 'Pinguin - pingu'ino, Akade'mie - ac-ca'demia, Repu'blik - re'pubblica, auto'nom - au'tonomo, Ana'lyse - a'nalisi, 'Embryo - embri'one, Mi'kroben - 'microbi, Me'thode - 'metodo. A4. a. schreib-: 'abschreiben, 'aufgeschrieben, 'Schreiber, Schreibe'rei, Be'schrei-bung, be'schrieb. b. frag-: 'Frage, ge'fragt, Be'fragung, 'fragten, Be'frager, 'Umfragen, 'fraglich, 'abgefragt. B1. mögliche Aussprache: a. Ing[ə] und Marlen[ə] leb[Ħ] g[ ə]meinsam in ein[ə]m alt[Ħ] Haus. b. Sein[ə] Hund[ə] und Katz[Ħ] mach[Ħ] uns das Leb[Ħ] schwer. c. Inzwisch[Ħ] kannst du dein[ə] Sach[Ħ] hol[ Ħ].

B2. Klavie[ɐ], Radie[ɐ]gummi, radie[r]en, Oh[ɐ], Oh[r]en, Trau[ɐ], trau[r]ig,

hö[r]en, Lehr[ɐ], lee[ɐ], Numm[ɐ], numme[r]ie[r]en, leid[ɐ], Mutt[ɐ], Somm[ɐ], Wint[ɐ], Nachba[ɐ], Nachba[r]in. C1. 'Apfelbaum, 'Baumhaus, 'Haustür, 'Türschloss, 'Schlossgarten, 'Gartentisch, 'Tischbein, 'Beinbruch, 'Bruchstück, 'Stückpreis, 'Preisfrage, 'Fragezeichen. D1. 'aufstehen, be'deuten, 'anziehen, 'abgehen, ge'fallen, be'festigen, zu'rückkommen, 'wiederholen (prendere di nuovo), wieder'holen (ripetere), em'pfangen.

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D2. wieder'holt, 'wiedergesehen, ent'sagt, über'holt, 'vorbereitet, 'aufgestiegen, be'standen, 'abgeschafft, ge'fallen, 'eingefallen, durch'fahren, 'durchgefahren. D3. a. be'kommen – be'kommen; 'ankommen – 'angekommen; ent'kommen - ent'kom-men; b. 'ausgehen – 'ausgegangen; ent'gehen – ent'gangen; ver'gehen – ver'gangen; c. ge'fallen - ge'fallen; 'auffallen – 'aufgefallen; zer'fallen - zer'fallen; d. be'stehen –be'standen; 'aufstehen – 'aufgestanden; 'anstehen – 'angestanden; e. 'anstellen – 'angestellt; 'abstellen – 'abgestellt; be'stellen – be'stellt. D4. 'übersetzen - über'setzen; 'überfahren - über'fahren; 'überlegen - über'legen; über'reden; 'überlaufen, 'unterstellen - unter'stellen, unter'brechen; unter'schreiben; 'unterkommen; 'durchbrechen - durch'brechen; 'durchdrücken; 'durchlaufen - durch -laufen; 'umfahren - um'fahren; 'umstellen - um'stellen; 'umschreiben - um'schreiben; 'umgehen - um'gehen; 'wiederholen - wieder'holen; 'wiedersehen; wider'rufen; miss'brauchen; voll'bringen. E1. akzentuiert: analysieren (analizzare), national (nazionale), Sozialist (socialista), Doktorand (dottoranda/o), Universität (università), Nervosität (nervosità). Nicht-akzentuiert: Heiterkeit (allegria), Müdigkeit (stanchezza), Gesellschaft (socie-tà), Vorbereitung (preparazione), Wahrheit (verità), Neuigkeit (novità), kindlich (in-fantile), kindisch (bambinesco), berechenbar (calcolabile), schreckhaft (pauroso), würdig (degno). E2. 'Monat - 'Monate, natio'nal - Nationa'list, 'Japan - ja'panisch, 'Schrecken -'schrecklich, 'neu - 'Neuheit. E3. müde: Müdigkeit, schlapp: Schlappheit, neu: Neuheit (Neuigkeit), fröhlich: Fröh-lichkeit, traurig: Traurigkeit, flüssig: Flüssigkeit, wichtig: Wichtigkeit, farbig: Far-bigkeit, lebendig: Lebendigkeit, ewig: Ewigkeit, privat: Privatheit, schön: Schönheit, dumm: Dummheit, taub: Taubheit, blind: Blindheit, unendlich: Unendlichkeit, doof: Doofheit, schwierig: Schwierigkeit, richtig: Richtigkeit, krank: Krankheit. E4. die Tanten; die Onkel; die Tische; die Schüler; die Nichten; die Sachen; die Son-nen; die Sessel; die Kellner; die Freuden; die Nationen; die Schwestern; die Mädchen; die Freunde; die Frauen. E5. a. die Leiter (scala) → die Leitern vs. der Leiter (dirigente) → die Leiter; b. die Kiefer (pino silvestre) → die Kiefern vs. der Kiefer (mascella) → die Kiefer. Sprache im Kleid der Schrift:…(Hans-Bianchi) A1. (Legende: MF: morphologisch funktional, WB: in der Wortbildung funktional, LK: lexikalisch konstant): a. MF: Körner (Pl.) - Korn (Sg.); müssen (3.P.Pl.) - muss (3.P.Sg.); LK: geröstet (Part.Perf.) - rösten (Inf.); b. MF: würde (Konj.II) - wurde

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(Prät.); LK: hören (Inf.) - höre (1.P.Sg.); c. MF: jüngsten (Superlativ) - jung (Positiv); Söhne (Pl.) - Sohn (Sg.), LK: Lügen (Pl.) - Lüge (Sg.); d. WB: Schüler, Derivat von: Schule; WB: küssen, Derivat von: Kuss; e. LK: Schönen (Attribut) - schön (Grund-form); MF: Künsten (Pl.Dat.) - Kunst (Sg.); LK: gefördert (Part.Perf.) - fördern (Inf.); f. LK: Königs (Sg.Gen.) - Könige (Pl.); MF: Töchtern (Pl.Dat.) - Tochter (Sg.); LK: Müllers (Sg.Gen.) - Müller (Pl.). A2. a. Hoftor, über, vereist; b. Ampel, anhalten; c. harmlosen, intelligenten, aus, erinnern; d. alten, Gasthaus, aufhalten, heimfahren; e. Krankenhaus, ausgezeichnete Abteilung, Innere. A3. a. verreisen; b. verheißt; c. Beehren; d. beieinander, erzählen; e. Beamter; f. einmal, umarbeiten; g. ewige, Herumsitzen; h. Wahrheit, hören; i. besonders, schmackhaft. B. Namen-s--tag, ver--stopfen, test-en, Wach--station, Glas--topf, ent--spannen, be--stellen, Fuchs--bau, Wespe-n--nest, Bund-es--tag, Groß--stadt, Ver--spätung, Pest--seuche, fest--stecken, Buch--stabe-n--kasten, Arbeit-s--pause, Lach--salve, Bus--ticket. C1. (Legende: Wortstamm, Hauptakzent, Nebenakzent) a. Heirat - verheiratet - un-verheiratet; b. kommen - Einkommen – mitbekommen; c. Scheidung - bescheiden - Bescheidenheit; d. Geschrei - Gebirge – gerne; e. holen - überholt - Erholung; f. versagen - Aussage - unsagbar1; g. Heimat - beheimatet - heimatlos; h. vorhersehen - unvorhergesehen. C2. (Legende: Hauptakzent, Nebenakzent) a. Altstadt, Fachwerkhäuser; b. Informati-onszentrum, Bahnhofsviertel; c. Bewerbungsantrag, Monatsende; d. Spielverderber, Störenfried; e. Jahrhundertwende, Hochwasser; f. Elfmeter, Elfmetermarke; g. Innen-politik, Koalitionsregierung. C3. a. wissen – Wiesen; b. lassen – lasen, c. Robbe – Robe; d. Watte – waten; e. Gasse – Gase; f. Zimmer – ziemen; g. sitzen – siezen; h. betteln – beten. C4. a. Vor dem Schla-fen be-tet sie immer. b. Es lohnt sich nicht, auf ihn zu warten, er wird nicht mehr kommen. c. Ich ha-be keine Lust, noch länger hier zu steh-en2, ich frie-re schon. d. Die-ser Zahn muss gezo-gen werden! e. Wir le-ben nun seit gut zehn Jah-ren hier und füh-len uns sehr wohl. f. Möchtest du die-sen Roman einmal le-sen? g. Der Weg zum Ruhm ist meist sehr beschwerlich. h. Die-se Waa-ge ist nicht für Perso-nen geeignet. i. Als er kam, war der Saal noch leer. j. Wie viel Mehl braucht man für die-sen Ku-chen?

1 Normalerweise wird die negative Vorsilbe un- betont, es gibt jedoch Ausnahmen. 2 Die Funktion des <h> dient hier vorwiegend zur visuellen Abgrenzung der zweiten Silbe,

siehe Abschnitt zum „silbentrennenden h“.

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C5. blähen, Blähung, Böen, böig, drehen, Drehung, fliehen, leihen, leiern, Kühe, mähen, mühen, Mühe, nähen, nähern, Rehe, Reue, reuig, ruhig, Ruhe, ruhen, säen, sehen, Seen, wehen, Wehe, weihen, Weihung, wiehern, ziehen, Ziehung. C6. a. Sehtest (2); b. schlecht (3, 3); c. Aussicht (3); d. Kuhmilch (2, 3); e. Hochzeit (1); f. ausgehen (2); g. Bauchweh (3, 2); h. Belohnung (2); i. Turmuhr (2). C7. Gelände, Geländer-n, gestehen; abwickeln, abwandeln, absagen, abstehen; Gläubige-n, Gläubiger-n; verwickeln, versagen, Versager-n, verstehen, verbessern, verzweifeln; vorsagen, Vorsteher, vorstehen; entwickeln, entsagen, entstehen; besa-gen, bestehen, bezweifeln; zuwickeln, zusagen, zuzwinkern; auswickeln, aussagen, Aussage, ausstehen, ausbessern, Ausländer-n. C8. a. verschlissen; b. vergessen, verschließen; c. Weißt, Gruppenreise; d. ausreißen; e. weise; f. müsst, grüßen; g. Sparkasse; Schloss; h. Bus, Messezentrum; i. Fluss, Kiesel; j. Riss; k. großem, Fuß; l. Finsternis, Straße; m. Maße; n. Schoß. D1. a. blinde, Hund, rannte, knallte, Wand; b. Vermittlung, Erkenntnisse; c. duftet, Lammbraten; d. vollständige, Liste, Mannschaftsmitglieder; e. verband, Wunde, schnell, konnte; f. gekündigt, vermisst; g. Hoffnung, sinnlose, Wettstreit, bald. D2. d/t: rund, bunt, gesund, Mund; v/f: brav, Schaf, aktiv, Beruf; g/k: Zwerg, klug, Lok, Werk; b/p: liebt, zirpt, gebt, hupt; d/t: Gestalt, bald, mild, Schild. D3. Verkäufer – verkaufen; Siebenschläfer – schlafen; Häuschen - das Haus; Pächter – pachten; Gärtner - der Garten; täglich - der Tag; Kälber - das Kalb; Wälder - der Wald; Händler - handeln, der Handel; Hähnchen - der Hahn; länger - lang; Lämmer - das Lamm; Häschen - der Hase; erträglich – ertragen. D4. a. hellhäutige; b. Druckerschwärze; c. Geläute; d. behält; e. Kälte. E1. Gestern war ein schlechter Tag für mich. Zuerst bin ich eine halbe Stunde zu spät aufgestanden. Deshalb war mein Bus schon abgefahren, und ich habe das Fahrrad genommen. Das dauerte natürlich länger, und so kam ich eine Stunde zu spät ins Büro. Mein Chef war darüber nicht glücklich, denn ich war nicht zum Treffen mit den Kollegen gekommen. Nach einer kurzen Zeit habe ich dann plötzlich Halsschmerzen bekommen. Bei der Fahrt mit dem Fahrrad hatte ich mich erkältet, aber das habe ich dem Chef nicht gesagt und habe einfach weiter gearbeitet. Nachmittags bin ich dann wieder mit dem Fahrrad nach Hause gefahren, und da war es schon richtig kalt. Ich habe mich dann sofort ins Bett gelegt und bin eingeschlafen. E2. a. Labyrinth; b. Brokkoli; c. downloaden; d. Apotheke; e. E-Mail-Adresse; f. Look; g. Psychiater, Knacks; h. Joghurt, Vanille-; i. Email; j. Journalisten, Kulissen. F1. Ich weiß nicht mehr, warum und wozu ich lebe. Mir ist der Glaube an den Sinn meines Daseins abhanden gekommen. Das ging über viele Stufen abwärts, eine Ent-

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täuschung mit einem Mädchen, die Beobachtung der Leere und Verlogenheit im Le-ben meiner religiösen Eltern und der Gesellschaft ringsum, der Leistungszwang in der Schule, der Selbstmord meines Freundes, das Scheitern der politischen Linken, das Versagen der Kirchen. Woran könnte man sich halten? Da ist nichts. F2. Die Geschichte, die ich Ihnen erzählen will, hat eigentlich gar keinen Inhalt, vielleicht ist es gar keine Geschichte, aber ich muss sie Ihnen erzählen. Vor zehn Jahren spielte sich eine Art Vorgeschichte ab, und vor wenigen Tagen rundete sich das Bild… Denn vor wenigen Tagen fuhren wir über jene Brücke die einst stark und breit war, eisern wie die Brust Bismarcks auf zahlreichen Denkmälern, unerschütter-lich wie die Dienstvorschriften; es war eine breite, viergleisige Brücke über den Rhein und auf viele schwere Strompfeiler gestützt, und damals fuhr ich dreimal wö-chentlich mit demselben Zug darüber: montags, mittwochs und samstags. Wie werden neue Substantive, Adjektive und Verben gebildet?... (Gemperle) A1. Büch-erei: f., -en; Werk-zeug: n., -e; Minister-in: f., -innen; Reform-ation: f., -en; Ein-heit: f., -en; Gefäng-nis: n., -nisse; Bür-o: n., -s; Reisebegleit-er: m., =; Nat-ur: f., -en; Kön-ig: m., -e; Fürsten-tum: n., -tümer; Ball-ett: n., -e; Üb-ung: f., -en; Freund-lich-keit: f., -en; Mäd-chen: n., =; Konsum-ent: m., -en; Gesell-schaft: f.; -en; Mater-ie: f., -ien; Informatik-er: m., =; Red-e: f., -en. A2. die Demonstr-ation; die Spion-age; die National-ität; die Ras-ur; der Journal-ismus; die Delikat-esse; das Leas-ing; die Eleg-anz; die Repar-atur; die Euphor-ie. A3. Bank-ier; Bibliothek-ar; Cine-ast; Diplom-at; Doktor-and; Million-är; Real-ist; Reform-ator. A4. Mögliche Antworten: a. Riesen-fehler; b. Spitzen-ergebnis; c. Traum-beruf; d. Affen-hitze; e. Höllen-angst. A5. a. Abitur; b. Bundesausbildungsförderungsgesetz; c. Johannes; d. Wohngemein-schaft; e. Deutsche Industrie-Norm; f. Kaufhaus des Westens; g. Kriminalpolizei; h. Untersuchungshaft; i. Personenkraftwagen; j. Stadtbahn/ Schnellbahn. A6. (K: Komposition, D: Derivation) a. Raucher-kneipe: K<S + S; eine Kneipe für Raucher/ wo das Rauchen erlaubt ist (2007 wurde in Deutschland das Rauchverbot eingeführt); b. Rechtschreib-frieden: K<S + S; Frieden bezüglich der Rechtschreibung (oder genauer: bez. der Rechtschreibreform) / in Anlehnung an „Rechtschreibreform“, die 1996 abgeschlossen war. Darauf folgte eine 10-jährige Revision und Einführungs-zeit, die 2006 mit der „Reform der Reform“ endete; c. Bund-es-kanzler-in: D mit Suffix -in der K<S + S; 2007 wurde Angela Merkel als erste Frau in das Bundeskanz-

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leramt gewählt; d. T-euro: Kontamination aus teuer + Euro; e. BR-D-DR: Kontamina-tion der Abkürzungen BRD + DDR: 1989 fiel die Mauer zwischen Ost- und Westber-lin. B. mögliche Antworten: a. kalorien-reich, ideen-reich; b. nerven-stark; c. liebe-voll, temperament-voll; d. folgen-schwer; e. bügel-leicht; f. streit-süchtig; g. diebstahl-sicher; h. erwähnens-wert. C1. a. sich er-kälten (kalt: A); b. ver-bessern (besser: A im Superlativ); c. zer-reißen (reißen: V); d. be-merken (merken: V); e. ge-hören (hören: V); f. be-steuern (die Steuer: S); g. ver-narben (die Narbe: S); h. ge-fallen (fallen: V); i. zer-kleinern (klei-ner: A im Superlativ); j. miss-brauchen (brauchen: V); k. be-drohen (drohen: V); l. ent-decken (decken: V); m. er-neuern (neu: A [im Superlativ?]); n. ver-brauchen (brauchen: V); o. er-finden (finden: V). C2. mögliche Antworten: a) a. ab-fliegen, ab-raten, ab-schließen; b. an-bieten, an-kommen, an-melden; c. auf-hören, auf-schreiben, auf-wachen; d. aus-atmen3, aus-füllen, aus-steigen; e. bei-treten, bei-tragen; f. ein-atmen, ein-kaufen, ein-richten, ein-schlafen; g. mit-bringen, mit-singen; h. nach-fragen, nach-schlagen, nach-sprechen; i. vor-bereiten, vor-lesen, vor-schlagen; j. zu-geben, zu-hören, zu-machen b) Als Basis kommen vor allem Verben vor. C3. ver-rechnen; zer-reden; weg-schmeißen; ver-giften/ ent-giften; ent-fremden; miss-achten; ent-täuschen; miss-handeln; zer-brechen; ent-nerven. C4. mögliche Antworten: die Flieg-e, der Flüg-el, das Ge-flüg-el, der Aus-flug, über-fliegen, fort-fliegen, ent-fliegen, ver-fliegen, flügg-e, flug-s D. In Klammern: Wortart der Basis; bei D: letzte Derivation kursiv: a) Komposition: Öl-preise (S < S + S), Rekord-hoch (S + S [< substantiviertem Adj.]), US-Sorte (S < Kurzwort [United States] + S), Handel-s-schluss (S < S + S; mit Fugen-s), US-Öl-preis (S < Kurzwort + Kompositum [< S + S]), Förder-mengen (S < V + S), b) Derivation: deut-lich (A < V), ver-gangen[en] (präfigiertes Verb), Aus-liefer-ung (S < Partikelverb), zeit-weise (Adv. < S), Organi-sation (S < V), erd-öl-export-ieren-d[er] (Part. I < Syntagma [Kompositum + V]), signal-isierte (V < S), an-[zu-]heben (Partikelverb) c) Konversion: ge-nähert (V < Adj.), An-stieg (S < Partikelverb)

3 Manchmal lässt sich zur selben Basis mit verschiedenen Verbalpräfixen ein Gegensatz-

paar bilden: aus-atmen (espirare) <-> ein-atmen (inspirare).

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Die Modalverben (Ruch) A1. a. sprechen; b. trinken; c. laufen; d. gehen/ fahren. A2. mögliche Antworten: a. Petra will einen neuen Computer kaufen.; b. Sie kann ohne Computer nicht leben.; c. Sie muss mindestens zwei Stunden am Tag mit ihren Freundinnen chatten.; d. Außerdem müssen viele Mails beantwortet werden.; e. Den Computer des Vaters darf sie nicht benutzen.; f. Briefe schreiben mag sie nicht mehr. A3. a) a. Petra wollte einen neuen Computer kaufen.; b. Sie konnte ohne Computer nicht leben.; c. Sie musste mindestens zwei Stunden am Tag mit ihren Freundinnen chatten.; d. Außerdem mussten viele Mails beantwortet werden.; e. Den Computer des Vaters durfte sie nicht benutzen. f. Briefe schreiben mochte sie nicht mehr. b) a. Petra hat einen neuen Computer kaufen wollen.; b. Sie hat ohne Computer nicht leben können.; c. Sie hat mindestens zwei Stunden am Tag mit ihren Freundinnen chatten müssen.; d. Außerdem haben viele Mails beantwortet werden müssen.; e. Den Computer des Vaters hat sie nicht benutzen dürfen.; f. Briefe schreiben hat sie nicht mehr mögen. A4. a. Sie wollte sich die Augenbrauen piercen.; b. Er mag nicht auf die Party gehen.; c. Sie sagte zu ihm, er solle auf eine Tasse Kaffee herein kommen.; d. Der Polizist wollte von dem Ausländer den Pass sehen.; e. Ich mag den Dozenten überhaupt nicht. f. Beide Mannschaften wollten gewinnen.; g. Du willst offensichtlich einen guten Eindruck machen.; h. Ich mag Haustiere nicht. A5. a. Der Auftrag muss noch heute erledigt werden.; b. Der Auftrag soll noch heute erledigt werden.; c. Der Chef sagte zur Sekretärin, sie solle noch heute die Rechnung schicken.; d. Die Sekretärin musste nach Hause gehen.; e. Du musst keine Angst ha-ben, der Hund beißt nicht.; f. Der Zahn tat so weh, dass ich zum Arzt gehen musste.; g. Deine Frau hat angerufen, du sollst sie vom Büro abholen.; h. Sie müssen den Schaden bezahlen. A6. a. Kannst du mir 50 Euro leihen?; b. Der Soldat durfte die Kaserne verlassen.; c. Peter kann zwei Fremdsprachen.; d. Ich darf hier parken.; e. Hier darf nicht geparkt werden.; f. Konntest du die Band live erleben?; g. Man kann Mikroben mit bloßem Auge nicht erkennen.; h. Darf ich Sie zum Essen einladen?. A7. Nach dem Abitur will Niko Medizin studieren. Mit Medizin kann er jedoch nicht sofort anfangen, weil sein Notendurchschnitt nicht für den NC reicht. Wenn er sich in die Warteliste einträgt, muss er bestimmt einige Jahre warten. Wie soll/ kann er diese Zeit sinnvoll nutzen? Er kann/ könnte zur Bundeswehr gehen, aber als Soldat kann er bestimmt nicht jeden Abend zu seiner Freundin fahren. Sie hat ihm schon gesagt, wenn er sich in Uniform blicken lässt, kann er sich eine andere suchen. Sie ist der Meinung, er soll Zivildienst machen, aber er fürchtet, dass er dann in der Altenpflege arbeiten muss. Was soll er nur tun?

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A8. a. Ich weiß nicht, was ich anziehen soll.; b. Ich weiß nicht, was ich Petra zum Geburtstag mitbringen soll.; c. Ich weiß nicht, wohin in den Ferien fahren soll.; d. Ich weiß nicht, welchen Film ich mir anschauen soll.; e. Ich weiß nicht, welche Hose ich mir kaufen soll.; f. Ich weiß nicht, was ich auf diesen Einwand sagen soll . B1. mögliche Antworten: a. Er trägt eine Rolex, er fährt ein dickes Auto, er hat be-stimmt/ sicher/ offensichtlich viel Geld.; b. Die Schauspielerin war angeblich noch nie beim Schönheitschirurg.; c. Die Lösung dieser Aufgabe gelingt Ihnen wahrschein-lich/vermutlich nicht so leicht.; d. Egal, was Peter dazu denkt, morgen lasse ich mich tätowieren.; e. Das ist möglicherweise/vielleicht ein Picasso, aber sicher bin ich nicht.; f. Angeblich lernt man in diesem Club leicht neue Menschen kennen. B2. a. Siemens soll tausend Mitarbeiter entlassen.; b. Es dürfte morgen regnen.; c. Die Fahrt mit dem Zug muss nicht teurer sein als mit dem Auto.; d. Er will den Politi-ker gut kennen.; e. Wir könnten das Schiff noch erreichen.; f. Peter mag ja intelligent sein, ich kann ihn aber trotzdem nicht leiden.; g. Tanja will den Film schon dreimal gesehen haben.; h. Es dürfte noch nie so schwer gewesen sein wie heute, Arbeit zu finden.; i. Wenn es so weitergeht, könnten die Leute von der Marktwirtschaft die Nase voll haben.; j. Ein Pilz soll der größte lebende Organismus der Welt sein.; k. Die Maschine kann noch nicht gelandet sein.; l. Tanja redet kein Wort mehr mit mir, sie muss beleidigt sein. C1. Mögliche Übersetzungen der Dialoge von Günter Netzer und Gerhard Delling: a. E’ stato un bel successo quello della squadra tedesca, anche perchè non c’era del tutto da aspettarsi che vincesse contro la Turchia. b. Lo 0 a 0 intanto è assicurato, ma il risultato deve cambiare nel corso del secondo tempo. c. Non è affatto necessario che il timore reverenziale di fronte a questa squadra spa-gnola ci impietrisca. d. Certo, si può essere un po’ spaventati, ma non necessariamente. Anzi, direi che la squadra tedesca non debba assolutamente lasciarsi intimorire. C2. Hegel: Con ciò questa legge ("ama il prossimo tuo come te stesso“) è tanto poco un contenuto universale, quanto la prima già considerata, e non esprime, - come inve-ce, in quanto assoluta legge etica, dovrebbe, - qualcosa d‘in sé e per sé. Ossia tali leggi si arrestano al dovere, ma non hanno effettualità alcuna; esse non sono leggi, ma solo comandi. (Fenomenologia dello Spirito, traduzione di E. De Negri, La Nuova Italia, Firenze 1970, cap. La ragione legislatrice, p. 352). Goethe: Qui è il vero paradiso del popolo, grandi e piccini gioiscono lietamente. Qui sono un uomo, qui mi è permesso di esserlo! Sta scritto: „in principio era il Verbo!“ Son gia bell’e fermo! Chi mi aiuta a prose-guire? È impossibile ch’io stimi “la parola” in modo cosi alto. Devo tradurre altri-menti,…

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È forse il pensiero che tutto crea e in tutto agisce? Allora dovrebbe essere: “In principio era la Forza!” C3. Il vecchio testamento: - Du sollst keine fremden Götter neben mir haben. - Du sollst Vater und Mutter ehren. Lewis Carroll »Ich wusste nicht, dass Katzen manchmal grinsen; ja ich wusste nicht, dass Katzen überhaupt grinsen können.« »Sie können es alle,« sagte die Herzogin, »und die meisten tun es.« »Ich kenne keine, die es tut,« sagte Alice sehr höflich, da sie ganz froh war, eine Unterhaltung ange-knüpft zu haben. (S. 31) Der Henker behauptete, dass man keinen Kopf abschneiden könne, wo kein Körper sei, von dem man ihn abschneiden könne; dass er so etwas noch nie getan habe, und jetzt über die Jahre hinaus sei, wo man etwas Neues lerne. Der König behauptete, dass Alles, was einen Kopf habe, geköpft werden könne, und dass man nicht so viel Unsinn schwatzen solle. (S. 48) (http://www.gutenberg.org/catalog/world/readfile?fk_files=270180&pageno=1) Luigi Pirandello „Hohoho“, ruft Don Eligio aus. Er richtet sich auf, sein Gesicht ist feuerrot unter dem großen Strohhut. „Was hat denn Kopernikus mit der Sache zu tu?“ „Er hat, Don Eligio. Denn als die Erde sich noch nicht drehte….“ „Was soll das wieder heißen! Sie hat sich doch schon immer gedreht!“ (Luigi Pirandello, Il fu Mattia Pascal, Berlin 1977, Übersetzung Piero Rismondi, S. 10) C4. Es gibt zwei mögliche Übersetzungen. Wir nehmen folgendes an: Der Ich-Erzähler hatte zum Zeitpunkt der Unterhaltung, in der der Satz “Wir sind Alkoholiker“ fiel, bereits im Sinn zu sagen, “Wir sind keine Alkoholiker“, sagte aber etwas anderes. Dann bietet sich folgende Übersetzung an: “Wir sind keine Alkoholiker. Das wollte ich eigentlich sagen.“ Oder: Der Ich-Erzähler hatte zum Zeitpunkt der Unterhaltung etwas anderes im Sinn als zum Zeitpunkt der späteren Reflexion, dann bietet sich die folgende Übersetzung an. “Wir sind keine Alkoholiker. Das hätte ich sagen sollen.“ „Das hätte ich sagen wollen“, enthält einen Widerspruch. Entweder er wollte es, dann ist der Irrealis des Konjunktivs falsch, oder es wollte es nicht, dann ist der Irrealis des Konjunktivs richtig, aber das MV falsch.

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Vergangenheitstempora … (Schumacher) A. a. atelisch, imperfektiv/progressiv; b. atelisch, perfektiv. B. a. resultative Gegenwartslesart; b. progressive Vergangenheitslesart; c. kontinuati-ve Vergangenheitslesart; d. resultative Zukunftslesart. C. a. progressive Vergangenheitslesart; b. perfektive Vergangenheitslesart; c. habitu-elle Vergangenheitslesart; d. perfektive Vergangenheitslesart. D. mögliche Lösungen: a. Adesso ho mangiato abbastanza.; b. Jetzt habe ich genug gegessen.; c. Als Paolo gekommen ist, hat Letizia gerade Opernarien gehört.; d. Wäh-rend Letizia Operarien gesungen hat, hat Paolo in der Sonne gelegen. E. mögliche Lösungen: a. In dem Moment schlief Paolo fest.; b. Letizia veniva a tro-varci il primo del mese.; c. Letizia kam uns immer am Ersten des Monats besuchen.; d. Paolo kam die Treppe herunter, um zu frühstücken. F. mündliche Kommunikationssituation, Relevanz. G. Distanz, fiktive Erzählung. Rund ums Gerund:…(Sattler) A. a. temporal/ Koordination mit “und”; b. konzessiv; c. modal/ temporal/ Koordina-tion mit „und“; d. instrumental/ kausal; e. temporal/ kausal; f. instrumental/ konditio-nal/ temporal; g. temporal; h. instrumental; i. kausal; j. irrealer Vergleich. B. a. Als, und; b. Obwohl, Trotz; c. indem/ während, und; d. Dadurch, dass/ Da, Durch; e. Als/ Da; f. indem/ wenn/ wenn, Durch/ Beim; g. Als; h. Indem/ Dadurch, dass; i. Da; j. als, als ob C. a. indem man liest/ dadurch, dass man liest/ durch Lesen; b. indem man geduldig wartet/ dadurch, dass man geduldig wartet/ durch geduldiges Warten; c. indem man laut singt/ dadurch, dass man laut singt/ durch lautes Singen; d. indem man anklopft/ dadurch, dass man anklopft/ durch Anklopfen; e. indem man ein Gedicht aufsagt/ dadurch, dass man ein Gedicht aufsagt/ durch Aufsagen eines Gedichtes; f. indem man aufmerksam hinschaut/ dadurch, dass man aufmerksam hinschaut/ durch auf-merksames Hinschauen. D. a. Piero packt gerade die Koffer/ Piero ist dabei die Koffer zu packen/ Piero ist gerade am Kofferpacken; b. Carlo backt gerade einen Kuchen/ Carlo ist dabei einen Kuchen zu backen/ Carlo ist gerade am Kuchenbacken. c. Enrico putzt gerade/ Enri-

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co ist dabei zu putzen/ Enrico ist gerade am Putzen; d. Alessandro lernt gerade/ Ales-sandro ist dabei zu lernen/ Alessandro ist am Lernen; e. Stefano räumt gerade auf/ Stefano ist dabei aufzuräumen/ Stefano ist am Aufräumen; f. Paolo spielt gerade Fußball/ Paolo ist dabei Fußball zu spielen/ Paolo ist am Fußballspielen. E. a. Laura trat ein und grüßte alle.; b. Der Interviewte reagierte scharf und sprach von zutiefst ungerechter Zensur.; c. Der indische Gesundheitsminister forderte die Filmstars auf, mit gutem Beispiel voranzugehen und in den Filmen mit dem Rauchen aufzuhören.; d. Die Carabinieri haben 100 kg Rauschgift beschlagnahmt und auf dem Parkplatz einer Raststätte einen Mann festgenommen.; e. Zwei bewaffnete Männer haben das Büro gestürmt, die Angestellten bedroht und 5000 Euro verlangt.; f. Der Junge ist weggelaufen und ist spurlos verschwunden.; g. Sie schaute sich neugierig um und studierte alle diese neuen Gesichter.; h. Ich lud mir den Rucksack auf die Schultern und hielt in jeder Hand ein Gepäckstück. F. a. Dieser Mann kam hinkend näher/ näherte sich hinkend.; b. Komm mit mir, sagte er lächelnd.; c. Vorsichtig umherschauend erreichte sie den Ausgang/ gelangte sie zum Ausgang.; d. Etwas zögernd nahm er/ sie den Vorschlag an.; e. Fast schreiend richtete er/ sie diese Worte an mich. G. a. Wir haben den Abend mit Lachen und Scherzen verbracht.; b. Er hat sich beim Tangotanzen den Fuß gebrochen/ den Fuß beim Tangotanzen gebrochen.; c. Durch regelmäßiges Hören dieser CD wirst du auch deine Aussprache verbessern.; d. Beim Zeitungslesen ist mir diese Idee gekommen/ bin ich auf diese Idee gekommen.; e. Auch durch Schreien wirst du mich nicht überzeugen.; f. Durch Fehler wird man klug.; g. Es war nicht klar, ob sich die Tür durch Drücken oder durch Ziehen öffnete. H. a. Die Skifahrer wurden gerettet, wobei auch ein Hubschrauber eingesetzt wurde.; b. Die Bibliothekarin stellte die alten Bücher in die Vitrine, wobei sie darauf achtete, dass die Titel gut sichtbar waren.; c. Auf dem Automarkt konnten die einheimischen Marken über 73000 Neuanmeldungen verzeichnen, wodurch/ womit sie ihren Markt-anteil um 0,3% verbesserten und 31,6% des Gesamtmarktes erreichten. I. mögliche Lösungen: a. Paolo hat das Auto wieder in Gang gesetzt, indem er es anschob.; b. Da ihm Giovanni, half/ geholfen hatte, hat Paolo das Auto wieder in Gang gesetzt/ Mit Giovannis Hilfe hat Paolo das Auto wieder in Gang gesetzt.; c. Da die beiden Freundinnen zusammen arbeiten, sehen sie sich jeden Tag.; d. Da er/ sie eine Genehmigung beantragt hat, hat er/ sie das Recht auf Durchfahrt.; e. Obwohl sie den Wettbewerb gewonnen hat, ist sie noch nicht eingestellt worden.; f. Da/ Wenn sie spricht, kann ich nicht sprechen.; g. Da es der Arzt verordnet hat, muss er es akzep-tieren.; h. Sie ist gesund geworden, weil/ indem sie diese homöopathische Behandlung machte.; i. Er lief, indem er die Füße nachzog/ mit schleppendem Gang.; j. Ja, ant-wortete er/ sie lächelnd.; k. Sie verließ ihren Mann und nahm die Kinder mit.; l. Da weder sie noch ihr Partner Vorsichtsmaßnamen ergriffen hatten, wurde sie schwan-ger.; m. Wir haben Frau (Prof.) Gallo gesehen, als wir aus dem Veranstaltungsraum/

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Klassenzimmer gingen.; n. Obwohl sie dieselben Eltern haben, haben sie völlig ver-schiedene Charaktere.; o. Da ich das Passwort verloren habe, kann ich die E-Mails nicht mehr lesen.; p. Da ich die Fahrkarten in der Tasche hatte, konnte sie nicht ab-fahren.; q. Bald werden die Frauen ohne Hilfe/ Zutun der Männer Kinder bekommen können/ schwanger werden können.; r. Indem/ Dadurch, dass die in/ von „Science“ veröffentlichte Untersuchung die drei wichtigsten Sprachgruppen berücksichtigte/ Durch Berücksichtigung der drei wichtigsten Sprachgruppen/ kam die… Untersu-chung zu einem interessanten Ergebnis.; s. Nachdem ich ein Klopfen an der Tür ge-hört hatte/ Nachdem ich jemanden hatte anklopfen hören und „Herein“ gesagt hatte, sah ich eine blonde Frau eintreten.; t. In der Nachkriegszeit nahm die Zahl/ die Prä-senz der Mädchen in den Schulen ständig zu.; u. Das war das Hauptthema/ das wich-tigste Thema, mit dem er/ sie sich in jenen Jahren beschäftigte. J. mögliche Übersetzungen: a. Vielleicht war ich hochmütig gewesen, als ich fragte, ob ich meine Examensarbeit über Giacomo Leopardi schreiben könne.; b. Wie viele ihr dieses Jahr seid/ Wie viele Sie dieses Jahr sind!, rief der Professor aus, als er uns sah. Gut, gut, ich sehe, dass wir immer mehr werden, letztes Jahr wart ihr/ waren Sie drei.; c. Ich entdeckte die mittelalterliche Literatur, die sehr reichhaltig ist und da-mals so unbekannt war, dass die Deutschkurse mit dem/ beim achtzehnten Jahrhun-dert anfingen und alles ignorierten, was vorher (gewesen) war.; d. Ich setzte mich an die Schreibmaschine, auf der ich meine Examensarbeit tippte.; e. In Rapallo fühlte ich mich zu Hause, da die Stadt nur wenige Kilometer von Cavi entfernt war.; f. Nachdem die Verpflichtungen an der Universität zu Ende waren, flüchtete/ fuhr ich nach Cavi und genoss gierig Sonne und Wasser.; g. Dort schrieb ich mein letztes Germanistik-buch zu Ende, eine Geschichte der mittelalterlichen Literatur, an der ich schon lange gearbeitet hatte, wobei ich die Werke übersetzte, die mir am besten gefielen.; h. Die Mühe dieses Buchs, an dem ich seit mehr als zwei Jahren arbeitete…. K. mögliche Übersetzung: Laura Conti, die einzige italienische Autorin, die Ökologie in Erzählform vermittelt/ die einzige italienische Vertreterin der „erzählten Ökolo-gie“, wurde in Udine geboren und verbrachte ihre Jugend in Mailand, wo sie Medizin studierte. Sie stammte aus einer antifaschistischen Familie und trat 1944 den Briga-den der „Fronte della gioventù“ (Jugendfront) bei. Im August desselben Jahres wur-de sie verhaftet und in ein Durchgangslager in Bozen deportiert. 1965 berichtete sie dann in ihrem Roman „la condizione sperimentale“ von einem Durchgangslager, womit sie dieser Erfahrung zum ersten Mal die Form einer Erzäh-lung gab. Im Konzentrationslager schuf sie ein enges Netz von Beziehungen mit den Partisanen. Sie pflegte die Erinnerung an diese intensive und schmerzliche Zeit, in-dem sie 1961 die umfangreiche „Bibliografia della stampa clandestina antifascista“ herausgab/ Zur Erinnerung an diese…Zeit gab sie …heraus. Sie wurde am 1. Mai 1945 befreit. Danach nahm sie das Medizinstudium wieder auf und machte 1949 ihren Abschluss. Sie spezialisierte sich in Medizin vor allem auf den Bereich der Kinderorthopädie. Ihr Beruf als Ärztin war vom politischen Engagement in der KPI begleitet, wo sie zwischen 1960 und 1970 das Amt der Regionalrätin in Mailand innehatte.

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Zur Ökologie kam sie über drei Phasen: erstens durch die Medizin, da ihr bewusst wurde, dass wirkliche Errungenschaften im Bereich der Gesundheit nur im Bereich der Vorbeugung gemacht werden können, zweitens durch die Entdeckung der Zu-sammenhänge zwischen Ökonomie und Ökologie und schließlich durch die Feststel-lung, dass die Wissenschaft der Technologie nicht gewachsen ist. 1976 wurde ihr Name im Zusammenhang mit dem Giftunglück von Seveso auch beim breiten Publikum bekannt, da sie jahrelang mit viel Mut eine harte Kampagne gegen diejenigen führte, die die Umweltkatastrophe herunterspielen und ihre politische und zivile Verantwortung umgehen wollten. 1978 schrieb sie „Una lepre con la faccia da bambina“, einen Roman, der von die-sem Drama inspiriert war. In derselben Zeit begann sie, sich mit den Problemen und Grenzen der Kernkraft zu auseinanderzusetzen, die sie mit wissenschaftlichen Argu-menten bekämpfte. In der Überzeugung, dass Umweltbewusstsein in politische Praxis umzusetzen sei, arbeitete sie bei der Gründung der „Lega per l’Ambiente“ (später „Legambiente“) mit und wurde eine einflussreiche Figur in der italienischen Umweltbewegung. Die Sprache der Dichter und Denker:…(Kaiser) A. [Linke Klammer], [Rechte Klammer]: a. Kernsatz/ Aussagesatz/ Satzreihe: Itzenplitz und ich (S) [waren] jung verheiratet und wir (S) [besaßen] eigentlich gar nichts. b. Spannsatz/ Nebensatz: [Wenn] man (S) sehr jung, frisch verheiratet und sehr ver-liebt [ist]; Kernsatz/Aussagesatz mit Vorfeld: [spielt] es keine große Rolle; Spannsatz/ Nebensatz: [wenn] man (S) nichts [hat]. c. Kernsatz/ Aussagesatz: Ich (S) [kann] mich jedoch an ein Gespräch (O-Präp) im Sommer (Te) im Stadtpark (Lo) [erinnern]; Spannsatz/Relativsatz/ Nachfeld: bei dem Itzenplitz (S) [sagte]:; Kernsatz/Aussagesatz/direkte Rede: „Ich (S) [muss] immer so sehr mit dem Pfennig (O-Dat) [rechnen]; Stirnsatz/Wunschsatz: [Hätte] ich (S) doch ein bißchen mehr Geld (O-Akk)! Kernsatz/Aussagesatz: Ich (S) [möchte] mir (O-Dat) so gern etwas [kaufen].“ d. Kernsatz/ Entscheidungsfrage: „Was [würdest] Du (S) denn gerne [kaufen]?“; Kernsatz/Aussagesatz mit Vorfeldbesetzung: [fragte] ich (S).; Kernsatz/Aussagesatz: Itzenplitz (S) [begann] in ihren Gedanken (O-Dat) [zu suchen]; Spannsatz/ Nebensatz: [Nachdem] sie (S) wirklich lange (Te) [gesucht hatte], [sagte] sie: Kern-satz/Aussagesatz/ direkte Rede: „Vor allem [möchte] ich (S) ein Paar Hausschuhe (O-Akk) [kaufen].“ e. Kernsatz/Aussagesatz/Satzreihe: Dieser Wunsch meiner Frau (S) [überraschte] mich (O-Akk) und [machte] mich (O-Akk) sprachlos.; Kernsatz/ Aussagesatz/ Satz-reihe: Wir (S) [haben] dieses Gespräch (O-Akk) im Hochsommer (Te) [geführt], die Sonne (S) [brannte].; Kernsatz/Aussagesatz: Ich (S) [wünschte] mir (O-Dat) in diesem Moment (Te) wegen der großen Hitze (Ka) nur ein kaltes Bier (O-Akk) und eine Zi-garette (O-Akk) an einem schattigen Ort (Lo).

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B. a. In Frankfurt gibt es viele Banken.; b. Nach dem Essen putzen sich die Kinder die Zähne.; c. Der Vater kauft ihm ein Eis.; d. Studiert Peter in Hamburg?; e. Warum studiert Peter in Hamburg?; f. Schon wieder ist sein Fahrrad kaputt.; g. Vollkornbrot mag sie nicht gerne.; h. Macht endlich die Tür zu! C. a. In Frankfurt wird es bald noch mehr Banken geben.; b. Nach dem Essen haben sich die Kinder die Zähne geputzt.; c. Der Vater hat ihm ein Eis gekauft.; d. Hat Peter in Hamburg studiert?; e. Warum hat Peter in Hamburg studiert?; f. Schon wieder ist sein Fahrrad kaputt gewesen.; g. Vollkornbrot hat sie noch nie gemocht.; h. Jeden Tag ist er mit dem Zug zur Arbeit gefahren. D. a. (f); b. (f); c. (r); d. (r); e. (f); f. (r); g. (r); h. (f); i. (r); j. (f); k. (f); l. (f); m. (f); n. (r); o. (f); p. (f); q. (f); r. (r); s. (f); t. (r); u. (f); v. (f); w. (r); x. (f); y. (f); z. (r). E. a. Sie kam nicht zur Verabredung, obwohl sie es mir versprochen hatte.; b. Ich kann dir nicht helfen, weil ich kein Superman bin.; c. Ich weiß nicht, ob er morgen schon kommen wird.; d. So kam es, dass ich ein großartiger Künstler wurde.; e. Er will ein Haustier, das lange leben wird.; f. Er war sehr überrascht, als er das Mäd-chen singen hörte. F. a. Obwohl er ihn gesehen hatte, grüßte er ihn nicht.; b. Nachdem der Benzinmotor von Nikolaus Otto entdeckt worden war, konnte Carl Benz das erste Auto bauen.; c. Weil der Computer erfunden wurde, können wir heute in Internet surfen.; d. Bevor das Morsealphabet entwickelt wurde, konnte man keine Nachrichten über den Tele-grafen schicken.; e. Seitdem die UNO 1945 gegründet wurde, haben die Mitgliedstaa-ten wichtige Entscheidungen gegen Kriege getroffen.; f. Obwohl David Mathe üben muss, geht er mit seiner Freundin aus.

G. a. Nachdem ein Bus gegen das Brandenburger Tor gefahren war, mussten alle Fahrgäste ins Krankenhaus gebracht werden.; b. Obwohl man eine Schlange im Ba-desee von Potsdam entdeckt hatte, badeten die Leute.; c. Während in Frankfurt ein Löwe aus dem Zoo ausbrach, stürzte in Hamburg ein Flugzeug ab.; d. Weil ein Pilot kein Benzin mehr hatte, ist er auf dem Rhein gelandet.; e. Als ein Schornsteinfeger vom Dach fiel, zog er sich keine Verletzungen zu.; f. Seitdem ein junger Mann seiner Freundin in Amerika jeden Tag zehn SMS schickt, muss er sein Handy oft nachladen. H. a. Nerven und Zeit rauben jeden Tag lange Fahrzeiten zum Arbeitsplatz vielen Angestellten. - Nerven und Zeit rauben sie ihnen jeden Tag. b. Lange Fahrzeiten zum Arbeitsplatz rauben vielen Angestellten jeden Tag Nerven und Zeit. - Sie rauben es ihnen jeden Tag. c. Vielen Angestellten rauben jeden Tag lange Fahrzeiten zum Arbeitsplatz Nerven und Zeit. - Ihnen rauben sie es jeden Tag. d. Jeden Tag rauben vielen Angestellten lange Fahrzeiten zum Arbeitsplatz Nerven und Zeit. - Jeden Tag rauben sie es ihnen.

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e. Ja, lange Fahrzeiten zum Arbeitsplatz rauben vielen Angestellten jeden Tag Nerven und Zeit. - Ja, sie rauben es ihnen jeden Tag. I. a. Morgen wird er ihr wegen ihres Geburtstages mit viel Liebe einen Ring vor der Schule schenken.; b. Gestern hat er ihn wegen der Prüfung schnell mit dem Auto zur Universität gebracht, weil zu dieser Zeit kein Bus gefahren ist.; c. Letzten Monat stellte sie ihn ihr vor.; d. Der Postbote hat gestern einem Mann den Brief nicht richtig in den Postkasten geworfen.; e. Am Sonntag bringt er ihn ihr mit.; f. Die Hand hat der Arzt dem Kranken gestern wegen des hohen Fiebers im Krankenhaus prüfend auf die Stirn gelegt.; g. Der Dieb hat dem Hund vorsichtig einen Knochen gegeben.; h. Ich werde nächstes Jahr wegen der Prüfungen bis Ende Juli an der Universität sein müs-sen. J. Es war ein sehr schneller Einsitzer, aber er hatte höchstens sechs Stunden Flugau-tonomie: Warum er nicht zur Basis zurückkehrte? Um 14.30 Uhr wurde die Lightning als vermisst betrachtet. Am Abend verbreitete sich das Gerücht, dass„Saint Ex“ spur-los verschwunden war wie der kleine Prinz, der Held seines gleichnamigen Meister-werks, von dessen Verschwinden Saint-Exupéry prophetisch geschrieben hatte: „Ich weiß, dass er auf seinen Planeten zurückgekehrt ist, denn bei Sonnenaufgang habe ich seinen Körper nicht wiedergefunden.“ Die Valenz italienischer und deutscher Verben (Nied Curcio) B. a. ich (SUB), dich (AKK); b. Das Semester (SUB), 12 Wochen (EXP; c. Was (SUB), dir (DAT), d. Unsere Professorin (SUB), uns (DAT), die Grammatik (AKK); e. Die Suppe (SUB), nach Fisch (PRP); f. Sie (SUB) ihn (AKK), den Bomber (AKK), g. Unsere Universität (SUB), im Stadtzentrum (SIT), h. du (SUB), für die deutsche Literatur (PRP), i. Ich (SUB), das (AKK) toll (ADJ); j. Der Student (SUB), den Pro-fessor (AKK), ob er bei ihm die Magisterarbiet schreiben kann (VRB). B2. mögliche Antworten: a. Mir geht es so lala.; b. Ja, es genügt mir.; c. Die Biblio-thekt ist dort vorne.; d. Ich habe nur ganz wenig bei mir.; e. Klar, kann ich dir hel-fen.; f. Ich finde sie ein bisschen kurz.; g. Ja, ich bin dran.; h. Ich spiele lieber Fuß-ball. i. Wir haben dir doch zugehört!; j. Ja ich habe sie das schon gefragt.; k. Ja, ich rufe sie in 5 min. an.; l. Ich würde ihn gern nach seiner Telefon-Nr. fragen, aber…; m. Nein, ich arbeitet noch nicht daran/ an der Magisterarbeit. C1. fakultative Ergänzungen: a. Anna; c. bei Maria, d. sehr gut; h. für dieses Kleid. Die anderen Ergänzungen sind obligatorisch. C2. Ergänzungen: b. zur Universität; c. nach Sizilien. Die anderen unterstrichenen Satzelemente sind Angaben.

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D1. a. trovarsi; b. trovare; c. fermarsi; d. fermare, e. chiamare; f. chiamarsi; g. chia-mare; h. sposarsi, i. sposare. E. - Hallo Giorgio! - Hallo Maria! Wie (ADJ/ NOM) war denn dein Deutschkurs (SUB) in Konstanz? - Er(SUB) war toll (AJD). Ich (SUB) habe viel (EXP) gelernt und viele neue

Freunde (AKK) kennen gelernt. - Schön. Erzähl mal, wie es war (VRB)! - Am Anfang gab es eine Begrüßungsparty (AKK) . Da habe ich (SUB) gleich eine

Fränzösin (AKK) getroffen. Sie (SUB) heißt Annette (NOM) und lebt in Frank-reich (SIT). Sie (SUB) spricht schon sehr gut (ADJ) Deutsch (AKK) .

- Seid ihr (SUB) im gleichen Kurs (SIT) gewesen? - Nein, leider nicht. Aber wir (SUB) haben viele Ausflüge (AKK) unternommen. - Wohin (DIR) seid ihr (SUB) denn gefahren? - Wir (SUB) haben im Bodensee gebadet, sind mit dem Fahrrad in die Schweiz

(DIR) gefahren, haben das Kunsthaus (AKK) in Zürich besucht und… Ach, es war so viel (EXP), ich (SUB) kann mich schon gar nicht mehr an alles (PRP) er-innern. Aber wir (SUB) haben auch viel (EXP) gearbeitet.

- Habt ihr (SUB) auch zusammen Deutsch (AKK) gelernt? - Nicht wirklich, Annette (SUB) hat mir(DAT) immer bei den Hausaufgaben

(PRP) geholfen. - Und jetzt, nach dem Kurs? - Ich (SUB) werde ihr (DAT) erst mal eine E-Mail (AKK) schreiben und einige

Fotos (AKK) schicken und hoffe, dass sie mich nächstes Jahr besuchen wird(VRB).

- Das (AKK) finde ich (SUB) ja toll (ADJ). Ich (SUB) möchte auch mal an so einem Kurs (PRP) teilnehmen. Na ja, vielleicht nächsten Sommer…

Verben mit Präpositivergänzung (Kaiser) Bei den Übungen A und B vergleichen Sie Ihre Ergebisse in der Gruppe und konsul-tieren Sie zur Kontrolle eine Lehrkraft, da hier mehrere Lösungen verschiedenster Art möglich sind. C1. 1) darauf; 2) damit; 3) daran; 4) mit; 5) darüber; 6) um; 7) darauf; 8) mit; 9) an; 10) von; 11) darum; 12) über; 13) danach; 14) davor; 15) daran; 16) mit; 17) darum; 18) mit; 19) darüber; 20) mit; 21) über; 22) mit; 23) an. C2. 1) von (Vision von); 2) in (Te); 3) in (in den Mittelpunkt stellen); 4) mit (E); 5) für (E); 6)/ 7)/ 8)/ 9) im (Te); 10) bis (Te); 11) im (im Zeichen stehen); 12) an (Lo); 13) zu (E); 14) für (Beitrag für); 15) von (Passiv); 16) in (Lo); 17) von (Zahl von); 18 in (Lo); 19) in (Te); 20)/21) 22) über (E); 23) in (Lo); 24) über (E); 25) im (Lo); 26) nach (Te); 27) auf (Lo); 28) in (Te); 29) in (Lo); 30) für (Qualifikation für); 31) in

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(Lo); 32) für (E); 33) in (Lo); 34) auf (Lo); 35) dafür (E); 36) für (E); 37) in (Lo); 38) von (E); 39) in (Lo); 40) an (E); 41) darüber (E); 42) mit (E); 43) in (Lo); 44) damit (E); 45) für (E); 46) damit (E). D1. 1. Non si pensa abbastanza all’ambiente.; 2. Non mi ricordo dell’avvenimento.; 3. Il governo crede alla rapida realizzazione del progetto.; 4. Peter scrive un sms alla sua fidanzata.; 5. L’uomo manda un regalo a sua moglie.; 6. Bada alla linea!; 7. Il successo dell’esame dipende dal candidato.; 8. Oggi mio marito sorveglia i bambini.; 9. Il giornalista si riferisce alla nuova riforma.; 10. Siamo contenti delle ferie seme-strali.; 11. Sono già tre settimane che attendo un/il pacco.; 12. La sposa ringrazia gli ospiti per i regali.; 13. L’allenatore ringrazia i giocatori per il buon gioco.; 14. I bambini si interessano a/ di tante cose.; 15. Gli operai scioperano per una paga mi-gliore.; 16. Peter si è deciso a studiare giurisprudenza.; 17. Gli studenti protestano contro l’aumento delle tasse universitarie.; 18. Centomila persone dimostrano oggi contro l’energia nucleare.; 19. Si è deciso contro il matrimonio.; 20. Tanti si arrab-biano della politica comunale mal funzionante.; 21. Negli anni Settanta si è discusso tanto di politica e di emancipazione.; 22. Sara si è rallegrata molto del regalo mera-viglioso.; 23. Degli altri si parla sempre spesso e con piacere.; 24. Parliamo con piacere di filosofia.; 25. Mio figlio ha fatto domanda per il posto di manager.; 26. Ti vorrei chiedere un favore.; 27. In questo sciopero non si tratta di più soldi ma di miglior condizioni di lavoro.; 28. Scommettiamo 10 euro. D2. 1. Non tutti gli studenti partecipano alla protesta.; 2. Mi rallegro [continuativa-mente] dei miei figli.; 3. Tante persone soffrono di mal di testa.; 4. Insisto sul rispetto dei termini.; 5. La famiglia è fatta oggigiorno di tre persone.; 6. L’abito è fatto di seta.; 7. In Italia tanta gente beve il caffè dal bicchiere.; 8. Il paziente ringrazia il medico.; 9. Mi scuso con Enrico per il ritardo.; 10. Informati dal capotreno sull’arrivo del treno!; 11. Il problema dell’esame consiste soprattutto nella parte grammaticale.; 12. Hanno iniziato ieri con i lavori.; 13. Isaac si occupa tanto dei suoi figli .; 14. Ho bisogno d’aiuto per il trasloco. Posso contare su di te?; 15. Mio fratello chiacchiera volentieri con me.; 16. Il professore va d’accordo con i suoi studenti.; 17. Devo parlarti. Hai un momento?; 18. In questo bar c’è un meraviglioso profumo di caffè.; 19. Mi devo informare sui nuovi orari di partenza dei treni.; 20. Le grandi città puzzano spesso di gas di scarico.; 21. Questo pane sa di olive.; 22. I giovani non dipendono volentieri dai loro genitori.; 23. Il telegiornale riferisce sugli ultimi avve-nimenti.; 24. Per prima cosa mi devo riprendere adesso dallo stress.; 25. Da Peter non abbiamo sentito niente da tempo.; 26. Il libro tratta della disoccupazione della giovane generazione.; 27. La professoressa richiede tanto dagli studenti.; 28. Stanotte Karin ha sognato Schneewittchen.; 29. Ho paura del ladro.; 30. Il cane ha salvato il bambino dall’affogare.; 31. Il signore anziano si inchinò davanti alla bella signora.; 32. Ti metto in guardia da questa gente.; 33. Ho bisogno del computer per insegnare.; 34. Lui è arrivato ad essere attore.; 35. Tanti politici diventano facilmente persone egoiste.

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Falsche Freunde und ihre Verwandten (Twittmann) B1. a. Orthographie; b. Orthographie, Betonung, Aussprache, Unterschiede im Genus; c. Orthographie, Aussprache; d. Orthographie, Aussprache, Betonung, abweichende Endung; e. Betonung, abweichende Endung. B2. oberflächlich (o): b., e., f., g., i., j., o.; verwandtschaftlich (v): a., c., d., h., k., l., m., n., p., q. B3. Echte Freunde a): g; wahre FF b): c., e., i.; partielle FF c): a., b., d., f., h., j. C1. a. lernen, studieren, einstudieren, untersuchen, beobachten; b. ausreichend, ge-nügend, mäßig, bescheiden, ziemlich/ganz gut, taktvoll, diskret; c. der Tunnel, die Galerie, der Rang; d. wahrnehmbar, sensibel, empfindlich, spürbar; e. investieren, zusammenstoßen mit, anfahren, überfahren. C2. a. Nächste Woche fährt Carlo nach Deutschland, um an einer Privatschule Deutsch zu lernen.; b. Um Arzt zu werden, muss man Medizin studieren.; c. Carlo spricht ziemlich gut Englisch.; d. Du kannst dich auf Carlo verlassen, er ist sehr dis-kret.; e. Da er Moderne Kunst mag, hat er die wichtigsten Galerien von Berlin besich-tigt.; f. Als wir mit dem Auto die Alpen durchquert haben, sind wir durch viele Tun-nels gefahren.; g. Gina versteht mich immer, sie ist ein sehr sensibles Mädchen.; h. Kinder haben eine sehr empfindliche Haut.; i. Meine Mutter hat viel Geld in einige Immobilien investiert.; j. Gianni hat ein Mädchen angefahren, das über die Straße ging. C3. a. Nach meinem Master in Übersetzen und Dolmetschen habe ich in Deutschland promoviert, wo ich meine wissenschaftlichen Fähigkeiten weiterentwickelt habe. Aber hauptsächlich dank meiner beruflichen Erfahrungen bei verschiedenen Kulturvereini-gungen bin ich Leiterin des Italienischen Kulturinstituts an der Italienischen Bot-schaft von Berlin geworden. b. Anstatt den Rat seiner Eltern zu befolgen Wirtschaft zu studieren, hat Carlo einen Ausbildungskurs zum Koch besucht. Jetzt hat er nicht nur sofort Arbeit als Chefkoch mit einem anständigen Gehalt gefunden, sondern er arbeitet auch in einem sehr an-genehmen Umfeld. c. Heute habe ich an einer interessanten Veranstaltung an der Universität teilgenom-men: zuerst hat ein Professor einen Vortrag über das zeitgenössische Theater gehal-ten und danach gab es eine Vorführung von einer Studententheatergruppe. d. Um die Ernennung des neuen Dekans der Philologischen Fakultät zu feiern, haben sich die Professoren und Studenten im Hörsaal 12 versammelt, wo der Rektor eine Rede halten wird. C4. a. Der Regisseur benötigt für die erste Szene des Films zahlreiche Statisten. → Per la prima scena del film il regista ha bisogno di numerose comparse.

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b. Die Studenten müssen für die Klausur die Lektionen 1-10 aus dem Buch lernen. → Gli studenti devono studiare le unità 1-10 del libro per l’esame scritto. c. Meine Mutter war Direktorin einer großen Firma und hat deshalb viele Messen im Ausland besucht. Wegen der großen Verluste im Import ist die Firma dann aber in Konkurs gegangen. → Mia madre era direttrice di una grande ditta e perciò visitava tante fiere all’estero. Però a causa del deficit nell’importazione la ditta è fallita dopo. d. Carlo hat leider das erste Staatsexamen nicht bestanden, während alle seine Kom-militonen sehr gute Noten erhalten haben. Jetzt kann er nicht mit dem Referendariat beginnen. → Purtroppo Carlo non ha passato il primo esame di stato mentre tutti i suoi compagni hanno ottenuto ottimi voti. Adesso non può iniziare l’apprendistato biennale per diventare professore. e. Für eine geheime Affäre können Jalousien sehr nützlich sein. → Per una relazione amorosa segreta le persiane possone essere molto utili . f. Mein Papa geht jeden Sonntag in die Messe. → Il mio papà va a messa ogni domenica. g. Gina ist sehr attraktiv: Sie ist groß und schlank. Aber für meinen Geschmack ist sie zu brav und hat eine zu ruhige Art. → Gina è molto attraente: è alta e snella. Ma per i miei gusti è troppo buona ed ha un carattere troppo tranquillo. h. Mein Chef imponiert mir immer mehr: je weniger Zeit er hat, desto effektiver arbei-tet er. → Ammiro sempre di più il mio capo: meno tempo ha, più lavora efficacemen-te. i. Ich hatte gestern einen Termin mit meinem Professor, um mit ihm über meine Pro-motion zu sprechen. Das Gespräch verlief sehr positiv, er hat mir mehrere Vorschlä-ge zu einem möglichen Thema gemacht. Außerdem kümmert er sich um ein Stipendi-um für mich. → Ieri avevo un appuntamento col mio professore per parlare del mio dottorato di ricerca. Il colloquio è andato molto bene, mi ha fatto parecchie proposte riguardo a possibili argomenti. Inoltre cercherà di trivarmi una borsa di studio. j. Ich finde Timo etwas komisch, er hat einfach keinen Humor. → Io trovo Timo un po’ strano, non ha senso dell’umorismo. Polyseme italienische Verben zwischen Syntax und Semantik (Nied Curcio) B1. a. Mi metto subito a farlo: mettersi + SUB + Infinitivergänzung mit a (VRB); b. L’ho messo sul tavolo: mettere + (SUB) + Ogg.dir. + DIR; c. Mettilo in italiano: met-tere + (SUB) + Ogg.dir. + in (lingua) (PRP); d. Mettiamo che tu ti trasferisca in Ame-rica: mettiamo (1. Pers.Pl.) + (SUB) + che-Satz (VRB); e. Metto gli occhiali: mettere + (SUB) + Ogg.dir. (z.B. Hut, Brille, Kopfhörer, ); f. Che cos’hai messo?: mettere + (SUB) + Ogg.dir.; g. Dopo tanto tempo ci siamo messi insieme.: mettersi insieme (komplexes Verb). B2. Beispielsatz – sich anziehen; a. beginnen; b. setzen/ stellen/ legen; c. übersetzen; d. annehmen; e. aufsetzen; f. auflegen; g. sich zusammen tun.

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B3. mögliche Übersetzungen: Beispielsatz: Zieh dir den Anzug an.; a. Ich fange sofort damit an.; b. Ich habe es auf den Tisch gesetzt/ gestellt/ gelegt.; c. Übersetze es ins Italienische./… auf Italienisch (ugs.).; d. Nehmen wir an, dass du nach Amerika ziehst.; e. Ich setze die Brille auf.; f. Was hast du aufgelegt?; g. Nach langer Zeit haben wir uns zusammen getan. B4. a. Lei si vede sempre meno intelligente degli altri.: vedersi + (SUB) + ADJ oder vedere + (SUB) + OGG.dir + ADJ; b. Oggi pomeriggio andiamo a vedere il colosse-o.: vedere + (SUB) + OGG.dir; c. L’insegnante ci fa vedere come si può trovare la soluzione.: far vedere + (SUB) + aOBL + Fragesatz (VRB); d. Non vedo l’ora di andare in ferie.: non vedere l’ora + (SUB) + Infitnivsatz mit di (VRB).; e. Se mi im-magino questa situazione mi viene proprio da ridere.: venire + aObl. + Infinitivsatz mit da (VRB; recht feste Verbindung); f. Su questa foto sei venuto malissimo.: venire + (SUB) + AJD + (SIT).; g. Ti vengo a prendere dopo cena: venire a prendere + (SUB) + Ogg.dir. Mögliche Übersetzungen: a. Sie fühlt sich nicht so intelligent wie die anderen./ Sie glaubt, dass sie nicht so intelligent wie die anderen ist.; b. Heute Nachmittag gehen wir das Kolosseum besichtigen./ Heute Nachmittag besichtigen wir das Kolosseum.; c. Die Lehrerin zeigt uns wie man die Lösung finden kann.; d. Ich kann es kaum er-warten, in Ferien zu gehen.; e. Wenn ich mir das/ die Situation vorstelle, dann muss ich lachen.; f. Auf diesem Foto bist du schlecht getroffen.; g. Ich hole dich nach dem Abendessen ab. C1. a) a. kreuzen – passen; b. Partei ergreifen für etw./ sich etw. widmen – umarmen; c. informieren – verschieben; d. reparieren/ in Ordnung bringen – heimzahlen; e. funktionieren – gehen; f. aufhängen – angreifen; g. übrig bleiben – überleben. b) a. la razza (+belebt) – il liquore (+Sache, +konkret), un dessert (+Sache, + kon-kret); b. lei (+hum), la causa dei poveri (+Sache, +abstrakt) – qualcuno (+hum) + mi (+human); c. noi (+hum), vi (+hum) – questa riunione (+Sache, +abstrakt); d. Luca (+human), tante cose (+Sache, +konkret) – io (+human), ti (+human); e. questo siste-ma (+Sache/ +abstrakt) – noi (+human), al cinema (+Sache, +konkret); f. io (+human), questo quadro (+Sache, +konkret), alla parete in cucina (+Sache, +konkret) – i greci (+human), i nemici (+human); g. un piatto di pasta (+Sache, +konkret) – pochi (+human). D. a.; d.; e.; h.; i.; l. E. mögliche Übersetzungen: a. Alle haben die Zeichnung so gemacht.; b. Willst du einen Freund haben? / Willst du dir einen Freund suchen?; c. Sie nehmen die Bundes-straße.; d. Ich muss 14 21 0 0 3 wählen.; e. Ich habe schon das Ticket/ die Karte ge-kauft.; f. Hast du schon Englisch gelernt?; g. Eine Wahl muss getroffen werden.; h. Unser Hund hat Junge bekommen.; i. Das zählt nicht. / Das gibt keine Punkte.; j. Das macht/ ergibt keinen Unterschied.; k. Er/ Sie hat Eindruck gemacht. / Das hat Aufse-hen erregt.; l. Es wird früh dunkel.; m. Wir wird das Wetter morgen?; n. Heute war es

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sehr heiß.; o. Er ist wirklich unsympathisch, er macht immer einen auf arrogant. / …, ist immer so arrogant.; p. Ich bin Mathelehrer.; q. Jemand hat sie hinausgeworfen. / Jemand hat ihr gekündigt. (Geschäftsleben) / Jemand hat sie (die Torte) weggeputzt/ aufgegessen. / Jemand hat sie umgebracht/ um die Ecke gebracht (uccidere). / Je-mand hat sie durchgebracht (eine Summe Geld ausgeben). ; r. Wir tun so als ob es keine Freunde gäbe.; s. Wir müssen das neue Jahr berücksichtigen.; t. Nimm mal an, dass er es macht.; u. Er/ Sie/ Es mich heute Abend fertig gemacht.; v. Wozu mache ich das überhaupt?. Kleine Wörter: Abtönung und Modalpartikeln (Katelhön) A. a) Dialog A: 1. A: Mensch, das gibt`s doch überhaupt nicht! was machst du denn hier? Ich denk, du bist in Italien!; 2. B: War ich ja auch, aber jetzt wohn´ich wieder in Hamburg, fahr grad zurück.; 3. A: Ist ja klasse. Ich fahr nämlich auch nach Ham-burg, aber nur fürs Wochenende.; 4. B: Gut, denn können wir ja während der Fahrt ’n bisschen quatschen.; 5. A: Ja eben, aber sag´mal, wo fährt denn unser Zug eigent-lich überhaupt ab? b) Der Dialog A mit den AP wirkt natürlicher, typisch deutsch, flüssig, auch freundli-cher. Dialog B ohne AP wirkt künstlich, fast hölzern, er hört sich wie „Lehrbuch-deutsch“ an. c) AP stellen eine Ausdrucksform der sprachlichen Funktion der Abtönung dar, die eine sprechsprachliche Universale darstellt. Da spontane Dialoge nur schlecht über-setzt werden können, gibt es ein Problem des Datenmaterials für Übersetzungsver-gleiche. Außerdem scheint die Übersetzungssituation an sich einen „Partikelschwund“ zu begründen. B. denn: kausaler Konjunktor; doch: adversativer Konjuntor; eben: Temporaladverb; eigentlich: Adjektiv; einfach: Adjektiv; ja: Affirmationspartikel; ruhig: Modaladverb; schon: Temporaladverb; wohl: Modaladverb. C. a. adversativer Konjunktor auf Nullposition zwischen den beiden Hauptsätzen; b. Affirmationspartikel im Vorvorfeld; c. Modalpartikel im Mittelfeld. D. a. Das ist geklärt, da sind wir uns ja einig.; b. Warum kommt Saskia nicht? Sie hat doch gesagt, dass sie kommt.; c. Du weißt doch, dass ich abends nicht weggehen kann. Ich muss auf die Kinder aufpassen.; d. Erzähl mir die Geschichte nicht noch einmal. Ich kenne sie ja schon längst.; e. Denk mal nach! Das kann doch gar nicht stimmen.; f. Die Benzinpreise werden ja immer teurer! E. a. Die Grammatik ist nun mal die Grundlage für die Sprachkenntnisse.; b. Dann sehen wir das Stück halt an einem anderen Abend.; c. Dann treffen wir uns eben spä-ter.; d. In Deutschland ist das nun mal so.

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F. a. Hol mir mal bitte `ne Cola!; b. Fahr ruhig in den Skiurlaub!; c. Miete dir doch einfach ein Auto.; d. Würdest du mir mal dein Feuerzeug geben?; e. Komm doch ein-fach mal vorbei! G. mögliche Lösungen: a. Hätte ich nur die Prüfung bestanden!; b. Wenn ich bloß den Film sehen könnte!; c. Könnte ich mir doch die Schuhe kaufen!; d. Wenn ich nur die deutsche Sprache beherrschen würde!; e. Könnte ich doch bloß die deutschen Modalpartikeln verstehen! H. 1. Unpersönliche Konstruktionen im Italienischen (Bedeutung Allgemeingültig-keit) > MP nun mal, 2. AP pure (höfliche Aufforderungen) > MP doch mal, doch, eben mal, eben/halt, einfach, gerade mal, mal, nur, ruhig, schon in Aufforderungen, 3. futuro (Bedeutung Vermutung) > MP wohl mit oder ohne epist. Futur, 4. diminuti-vo (Bedeutung Abschwächung in Aufforderungen) > MP doch mal, doch, eben mal, eben/halt, einfach, gerade mal, mal, nur, ruhig, schon, 5. imperfetto (backchecking) > Präteritum + MP doch, usw.

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BEITRAGENDE Katharina Gemperle ([email protected]) Studium der Germanistik und Italianistik an der Universität Konstanz. Lehrtätigkeit in der Schweiz; seit 1997 Lektorin für Deutsche Sprache an der Universität Siena; 2006-08 Lehrbeauftragte für Deutsche Sprache und Sprachwissenschaft an der LUMSA in Rom. Veröffentlichungen zu kontrastiver Grammatik, Sprachkontakt, Landeskunde sowie Sprachvermittlung und Spracherwerb, u.a. italienische Ausgaben der DaF-Lehrwerke Blaue Blume und Delfin. Barbara Hans-Bianchi ([email protected]) Studium der Romanistik an den Universitäten Strasbourg und Mainz; Promotion im Fach Italienische Sprachwissenschaft an der Universität Tübingen. Von 1995-2008 Lektorin im Bereich Deutsch als Fremdsprache; seit 2008 ‚Ricercatrice’ für Deutsche Sprache und Sprachwissenschaft an der Universität L’Aquila. Marita Kaiser ([email protected]) Studium der Deutschen Sprach- und Literaturwissenschaften, Pädagogik und Religi-onswissenschaften an der Universität Siegen. Seit 1983 Unterricht in Deutsch als Fremdsprache, zunächst in Deutschland zur Integration politischer Flüchtlinge, von 1988-1993 als DAAD-Lektorin an der West-London-University und seit 1993 Lekto-rin an der Universität Roma Tre. Autorin eines Lehr-, Übungs- und Handbuchs zur Textproduktion im Bereich DaF (Mimesis 2007). Peggy Katelhön ([email protected]) Studium der Romanistik, Slavistik und Deutsch als Fremdsprache an der Universität Halle-Wittenberg und Promotion an der Universität Potsdam. Seit 1993 Lektorin an der Universität Bergamo. Lehraufträge für romanistische und germanistische Linguis-tik an der Universität Potsdam und der Freien Universität Bozen. Publikationen zur Redewiedergabe, kontrastiven Linguistik, Spracherwerb und Sprachvarianten. Martina Nied Curcio ([email protected]) Studium der Germanistik mit Deutsch als Fremdsprache in Karlsruhe und Promotion in Italienischer Sprachwissenschaft in Konstanz. Langjährige Erfahrungen im Bereich Deutsch als Fremdsprache an Goethe-Instituten und italienischen Universitäten. Seit 2005 Professorin an der Universität Roma Tre.

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Klaus Ruch ([email protected]) Studium der Germanistik und Geschichte an der Universität Freiburg. Zweites Staatsexamen für Lehramt an beruflichen Schulen. Seit 1987 in Italien und als Lektor an der Universität Mailand (Dipartimento di studi linguistici, letterari e filologici) tätig; arbeitet auch als freischaffender Übersetzer und Autor (auch Hörspiele für das Radio). Unter seinen Publikationen: Intersubjektivität im Deutschen und Italienischen (in DaF 4/2006) und ‚Die Wunder/n Mailands’ (Mimesis Verlag). Waltraud Sattler ([email protected]) Studium der Germanistik und Romanistik in Heidelberg. Seit 1982 DaF-Unterricht an verschiedenen Institutionen in Mailand (Università Statale, IULM, Goethe Institut, ISIT). Derzeit als Lektorin an der Universität sowie als Dozentin für Übersetzen am ‚Istituto Superiore per Interpreti e Traduttori’ in Mailand tätig. Außerdem Autorin für DaF-Lehrwerke in Italien (u.a. ‚Projekt Deutsch’) sowie Übersetzerin ins Deutsche v.a. im Bereich der politischen Theorie und Praxis des italienischen Feminismus. Nicole Schumacher ([email protected]) Studium der Fächer Neuere deutsche Literatur, Italienisch und Deutsch als Fremd-sprache in Berlin und Florenz; Magistra Artium an der FU Berlin, Zertifikat „DaF“ und Promotion in Germanistischer Sprachwissenschaft an der HU Berlin. 1998-2006 wissenschaftliche Mitarbeiterin und seit 2006 Lehrkraft für besondere Aufgaben im Bereich DaF des Instituts für deutsche Sprache und Linguistik der HU Berlin. Christine Twittmann ([email protected]) Magisterstudium der Germanistik und Romanistik in Freiburg, Pisa, Leipzig mit an-schließendem Aufbaustudium DaF an der Ruhr-Universität Bochum. Ab 2005 Dozen-tin für DaF und Interkulturelle Kommunikation an den Carl Duisberg Centren und freie Übersetzerin. Seit 2007 als DAAD-Lektorin an der Universität Roma Tre. Barbara Vogt ([email protected]) Studium der Geschichte, Germanistik und Italianistik. Von 1994 bis 2000 als DAAD-Lektorin an der Universität in Venedig tätig. Danach Lehrtätigkeit u.a. an weiterfüh-renden Schulen. Seit 2004 Lehrbeauftragte für Deutsche Sprache und Sprachwissen-schaft an der Universität in Teramo. Gegenwärtig Durchführung eines Promotions-Vorhaben im Bereich der Phonologie an der Universität in Verona.


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