Was ist es ?
- Die „organische Endstrecke“
und die klassifizierende Eingrenzung der Symptome
Auf wen trifft es und was macht der M. Menière mit ihm und ihr?
- Was löst es beim Erkrankten aus?
- Was hält die Krankheit und ihre Symptome aufrecht ?
Wie kann man den M. Menière diagnostizieren?
Wo setzen die Therapien an ?
Die Menièresche Erkrankung
Attacken – Schwindel
Hörverlust
Tinnitus (tieffrequent)
Die Menièresche Erkrankung 1861
Menière P (1861) Mémoire sur les lésions de l'oreille interne donnant lieu à des symptômes
de congestion cérébrale apoplectiforme. Gaz Méd Paris Sér 16: 597– 601
Attacken – Schwindel
Hörverlust
Tinnitus (tieffrequent)
Die Menièresche Erkrankung 1938
Yamakawa K (1938) Über pathologische Veränderungen bei einem Menière Kranken. J Otolaryngol Soc Jpn 4: 2310–2312
Hallpike CS, Cairns H (1938) Observations on the pathology of Menière's syndrome. J Laryngol Otol 53: 625–655
Attacken – Schwindel
Hörverlust
Tinnitus (tieffrequent)
Die Menièresche Erkrankung 1938
Yamakawa K (1938) Über pathologische Veränderungen bei einem Menière Kranken. J Otolaryngol Soc Jpn 4: 2310–2312
Hallpike CS, Cairns H (1938) Observations on the pathology of Menière's syndrome. J Laryngol Otol 53: 625–655
Die Leitlinien der American Academy
of Otolaryngology – Head and Neck Surgery
(AAOHNS) 1995
sind die weltweit am weitesten akzeptierten
diagnostischen Kriterien.
Der Morbus Menière wurde
definiert als das idiopathische Syndrom
des endolymphatischen Hydrops (ELH).
„Alt“
1995
Die Bárány-Society (2015) hat die Kategorie
„Mögliche Menière-Erkrankung“, die in der Praxis
nur wenig Bedeutung hat, aufgegeben.
Der Hörverlust wurde auf den mittelfrequenten Bereich
ausgeweitet, allerdings mit höheren Schwellenwerten.
Was gibt’s Neues (II)
2015
Foster CA, Breeze RE. 2013 Endolymphatic hydrops in Meniere’s disease: cause, consequence, or epiphenomenon? Otol Neurotol; 34:1210-4
Alpay HC, Linthicum FH Jr. 2007 Endolymphatic hydrops without Meniere’s syndrome. Otol Neurotol; 28: 871–872
Merchant SN, Adams JC, Nadol JB Jr. 2005 Pathophysiology of Meniere’s syndrome: are symptoms caused by endolymphatic hydrops? Otol
Neurotol; 26: 74–81
Post-mortem-Untersuchungen an Schläfenbeinen
zeigten, dass ein Hydrops zwar bei allen Patienten mit
einem eindeutigen Morbus Menière vorhanden,
aber auch bei Patienten mit Innenohrsymptomen,
die nicht die Diagnosekriterien eines Morbus Menière
erfüllen, zu beobachten ist
Klassifizierung nach Hydrops Stadium ? Aber …….
Schwankendes Hörvermögen und brummender Tinnitus
- ohne Schwindel!!!
Über 10 Jahre:
bei 3 (!!!) von 96 Patienten
Schaaf, H, Seling, B. (2001) Sind rezidivierende Tiefton – Hörverluste ohne Schwindel die Vorstufe eines M. Menière? HNO 49: 543 – 7
Eine der häufigsten Fehldiagnosen:
2001
Mehr häufige Fehl- und Zusatzdiagnosen:
- (reaktiv) psychogene Schwindelelemente
- Gutartiger Lagerungsschwindel (BPLS)
Migräne
Augen-,
kardiale und neurologische Erkrankungen
2016
Biographischer Ablauf
Krankheitszeichen
…
….
Auf wen trifft es ?
Frage nicht nur, wer welche Krankheit hat, sondern welche Person die Krankheit hat
Mögliche Konsequenzen:
Spezifisch: Kontrollverlust
Angst (vor dem nächsten Anfall)
Unsicherheit
Anhaltendes Schwindelgefühl
- „generalisierter“ Schwindel
- Depressive Entwicklung
Schwerhörigkeit (vorzugsweise im Tieftonbereich)
Tinnitus – Leiden
Die Menièresche Erkrankung
Staab, J. (2012) Chronic Subjective Dizziness. Continuum; 18(5): 1118-1141
Was gibt’s Neues (III)
Das Konzept der fehlenden Rückanpassung auf eine vestibuläre Krise
Akut sinnvoll:
2012
Was bedeutet das (u.a.) ?
- Überempfindlichkeit für bewegte optische Reize
- Verminderte Fähigkeit, zwischen Eigen- und Umweltbewegungen zu unterscheiden
Sekundär: Angst und Ermüdung
( cognitive load: fear and fatigue )
Was gibt’s Neues (III)
Das Konzept der fehlenden Rückanpassung auf eine vestibuläre Krise
Staab, J. (2012) Chronic Subjective Dizziness. Continuum; 18(5): 1118-1141
Angst und
Unsicherheit
Hilflosigkeit
Katastrophisierende
Gedanken
Erwartungsängste,
ängstliches Grübeln
Was gibt’s Neues (III)
Das Konzept der fehlenden Rückanpassung auf eine vestibuläre Krise:
Langfristig hemmend:
Balaban, Jacob, Furman (2011)
Neurologic bases for comorbidity of balance disorders,
anxiety disorders and migraine: neurotherapeutic implications.
Expert Review of Neurotherapeutics 11 (3) 379-394
Staab, J. (2012) Chronic Subjective Dizziness. Continuum; 18(5): 1118-1141
Doppelte Hemmung
hält den Schwindler doppelt im Griff
Balaban, Jacob, Furman (2011) Neurologic bases for comorbidity of balance disorders, anxiety disorders and migraine:
neurotherapeutic implications. Expert Review of Neurotherapeutics 11 (3) 379-394
Was gibt’s Neues (III)
Das Konzept der fehlenden Rückanpassung auf eine vestibuläre Krise
Auslösende Faktoren
Eigen- und Fremd-Bewegungen
Komplexe und präzise
visuelle Aufgaben
Vermeidung
Psychogene Folge- Probleme
Ausbleibende
Wiederherstellung
Prädisponierende Faktoren
Introvertiertes „Naturell“
Vorbestehende Angst-
(Erkrankung)
Aufrechterhaltende
Schleife
Staab, J. (2012) Chronic Subjective Dizziness. Continuum; 18(5): 1118-1141
Tyrrell J, White MP, Barrett G, Ronan N, Phoenix C, Whinney DJ, Osborne NJ. (2015)
Mental Health and Subjective Well-being of Individuals with Ménière's:
Cross-sectional Analysis in the UK Biobank. Otol Neurotol.
Deutliche Korrelation zur Dauer der Erkrankung:
Patienten mit einer länger bestehenden Morbus Menière Symptomatik schnitten deutlich
besser ab, als die mit einer erst seit kurzem bestehenden Problematik.
Adaptationsstrategien
Die Autoren vermuten eine vermehrte soziale Unterstützung und soziale Interaktion,
die dazu beitragen könnte, dass trotz der Symptomatik ein befriedigender Umgang mit dem
Leben ermöglicht wird.
Die Menièresche Erkrankung im Verlauf
2015
Committee on hearing and Equilibrium guidelines for the diagnosis and evaluation of therapy in Ménière’s disease.
American Academy of Otolaryngology - Head and Neck Surgery. Otolarngol. Head Neck Surg. 113:181-185, 1995.
Stadieneinteilung
nach Hörbefunden
4-Frequenzdurchschnitt
1 ≤ 25 dB
2 26 - 40 dB
3 41 - 70 dB
4 > 70 dB
Die Menièresche Erkrankung
Diagnostik bisher
Möglicherweise lassen sich (doch) Befundkonstellationen in den
Gleichgewichtsuntersuchungen - zumindest im Verlauf des M. Menière - erkennen
Anfangs Tiefton-Hörverluste und eher Einschränkungen
bei der Kalt-Warm Untersuchung
(niedrig frequente Bewegungsimpulse)
Was gibt’s Neues IV ?
O - VEMP Wendung bei Kalorischer Spülung –
Rotatorische Prüfung
SVV
Kalorische
Spülung
Rotatorische Prüfung
C- VEMP
Kopf-
Impuls-Test
KIT
1) zentrale Augenstörung im Intervall
(keine rein „peripher vestibuläre Zuordnung“ – HS)
2) Fehlen einer fortschreitenden Hörminderung –
trotz vieler Attacken + Unauffällige VEMPS
3) Verbindung mit anderen neurologischen Symptomen,
wie z. B. das Taubheitsgefühl im Gesicht, Kopf- und Nackenschmerzen
4) das Ansprechen auf eine prophylaktische Behandlung mit Betarezeptorenblockern.
Rattke & Lempert 2002 Migräne und Menière
Was gibt’s Neues (IV)
Vestibuläre Migräne versus M. Menière
Kann das Schwindelerleben deutlich
bessern Ohne direkten Einfluss auf den Schwindel Vertraute Menschen
bessert das Schwindelerleben und führt
zu mehr Standfestigkeit
nicht möglich,
führt zu erneuten Anfällen Heftiges Auftreten
möglich nicht möglich Fixieren eines festen
Gegenstandes
Psychogener Schwindel-zustand
Innenohr-bedingter Schwindel
Was ist alt:
(reaktiv) Psychogener Schwindel versus M. Menière
- Erklärung in der Ungewissheit: Anker gegen Kontrollverlust
- effektive Dämpfung des akuten Anfall
- Kompensationshilfen bei Hörverlust: Hörgerät bis Cochlear Implant
- Placebos oder Betahistin-Placebo
- Intratympanales Cortison
- Ausschaltung des Gleichgewichtsorgan mit intratymanalem Gentamycin
- Neurektomie oder andere operative Verfahren
Die Menièresche Erkrankung
Therapieansätze - Übersicht
Beim M. Menière:
handelt sich um eine Erkrankung des Innenohrs
- nicht des Gehirns!!!
und die meisten Symptome sind beherrschbar.
Meistens hilft nicht „mehr Tablette“,
sondern mehr Zuversicht und Gleichgewichtstherapie
Die Menièresche Erkrankung
Bitte erklären Sie
Schwindeldämpfende Zäpfchen
Tüte
Handy mit Kamerafunktion!
Die Menièresche Erkrankung
Akut – (Selbst) Therapie
Das seit 30 Jahren weit eingesetzte – und immer umstrittene - Betahistin
zeigt sich in einer gut angelegten Studie der Betahistin-Befürworter (!)
ebenso (wenig!) wirksam wie Placebo, ob niedrig oder hochdosiert.
Was gibt’s Neues (V)
Betahistin ist nicht wirksamer als Placebo
2016
Was gibt’s Neues (V)
Betahistin ist immer noch nicht wirksamer als Placebo
Funding: This study was not industry sponsored. ……
aber:
Competing interests: ….
MS has received speaker honorariums from Abbott, Actelion, UCB SA Belgium, GlaxoSmithKline,
TEVA GmbH, Biogen, Pierre Fabre, Eisai GmbH, MSD Sharp & Dohme, and Hennig Pharma;
MS has worked as a consultant for Abbott ….
According to a contract approved ….. Abbott had access to the data after the study and statistical
analyses were completed in order to use the data for approval of betahistine for the treatment
of Meniere’s disease.
….
Abbott did not have any influence on the analyses or interpretation of the data or on the content or
form of the manuscript.
2016
Es wird bewusst der endolymphatische Gang mit Clips verschlossen
(Saliba et al (2015), damit keine Endolymphe mehr fließen kann.
Dann entwickelt sich (erwartungsgemäß) ein Hydrops, der aber – bei den bisher als Meniere Patienten
Eingestuften – erstaunlicherweise ohne Menière-Symptome bleiben soll.
Nach einiger Zeit würde die Endolymphe dann besser (!)
durch andere intrakochleäre Strukturen resorbiert.
Dies soll zumindest die gleiche Wirkung haben wie die Saccotomie.
Was gibt’s Neues (VI)
2015
Die HNO ärztlich weltweit am häufigsten angewandte Operation bei M. Menière,
die Sakkotomie, die in den „abgelaufenen“, neurologisch dominierten Leitlinien als
„obsolet“ bezeichnet wird,
bekommt durch ein gegenteiliges Verfahren Konkurrenz,
was noch mehr an der Rationalität der (beider) Eingriffe zweifeln lässt.
Was gibt’s Neues (VI)
2015
Wieso Kortison?
Was gibt’s Neues (VII)
Spekulativ …
Immunmodulation
Einfluss auf das Ionengleichgewicht?
(bei der Ratte bekannt):
Effekt auf Aquaporine, die für den
Wassertransport durch die Membran
zuständig sind.
Regulierung der Endolymph-Flüssigkeit ?
Plontke und Gürkov 2015 :
Die Schlussfolgerung, dass die Symptome des M. M. auf eine Autoimmunerkrankung
des Innenohrs zurückzuführen sind, ist wahrscheinlich nicht korrekt.
- „Stabilisierung der Gefäßbarriere“
- Einwirkung auf das Hormon Vasopressin, dies koppelt an Rezeptoren,
die zur Translation von Aquaporinen führt
Schaaf 2017:
Beachtenswert ist die Frage, warum eine intravenöse Gabe
anscheinend keine erkennbaren den Effekte aufweist.
Wieso Kortison?
Was folgt
aus dieser qualitativ hochwertigen Studie?
• Intratympanales Cortison statt Betahistine
(nach einer sachgerechten Diagnosestellung!)
• Intratympanales Cortison vor intratympanalem Gentamycin
(nach einer sachgerechten Diagnosestellung!)
• Ende der Schwindelattacken (nach 9 - 12 Jahren) ?
Ausblick: Laufende Zulassungsstudie nach AMG (Phase III)
Langwirksames Kortison intratympanal,
placebokontrolliert
- Diagnose nach den AAO-HNS-Kriterien (1995) und klinischer Einschätzung.
„Steroid im thermoreversiblem Poloxamer-Gel gibt über Monate
den Wirkstoff so ab, dass wirksame Spiegel im Innenohr entstehen“.
Die Schwindelsymptome werden täglich vom Patienten per Telefonat dokumentiert.
In 4-wöchigen Abstand Blutentnahme, Otoskopie, Audiometrie + Tympanometrie.
Nachbeobachtung = 3 Monate – sehr kurz!
Keine Vestibuläre Untersuchungen,
keine Psychodiagnostik oder „Lebensqualität“.
Nach Durchlaufen der Studie erhält jeder Proband der teilgenommen hat, die Möglichkeit, das echte Medikament noch
zweimal im Abstand von 3 Monaten zu erhalten. (Das Medikament ist ausserhalb der Studie nicht erhältlich).
Die Verwendung von niedrig dosiertem
intratympanalen Gentamycin
bei nicht beherrschbarem Schwindel etabliert sich zunehmend.
Es ist eine (1) verlässliche Möglichkeit, dem Schwindel ggf. die organische
Grundlage zu entziehen, die dadurch weiter verschlechterten Höreinbussen sind
gering
Was gibt’s Neues (VIII) – fast schon alt:
1. Körperliche Gleichgewichts-Übungen
2. Entspannungstraining (PMR)
3. Tagebucharbeit
4. Expositionsübung
5. Kognitive Umstrukturierung der Schwindel verstärkenden Gedanken
(Spezifisch: Kontrollverlust!)
6. Aktivierung von Ressourcen zum Umgang mit der Erkrankung
7. Ggf: kritische Auseinandersetzung mit der Funktion des Schwindel,
auch der für den Patienten unbewussten Anteile
Wenn ein Menière Patient zur psychosomatischen Behandlung kommt …