165
10 Netzrückwirkungen
Stromrichterschaltungen entnehmen dem speisenden Netz im Allgemeinen nicht sinusförmigeStröme. Die Wirkung nicht sinusförmiger Ströme auf das speisende Netz führt zu den Er-scheinungen:
Blindleistung,
Stromoberschwingungen,
Spannungsoberschwingungen.
Diese Erscheinungen werden zusammenfassend als Netzrückwirkungen bezeichnet.
10.1 BlindleistungsverhaltenAusgehend von einer gesteuerten M2-Schaltung nach Abb. 10-1 kann man feststellen, dass derNetzstrom iN der Netzspannung uN um den Phasenverschiebungswinkel 1 nacheilt. Dasbedeutet, dass der Stromrichter über die Stromgrundschwingung iN,1 eine induktive Blind-leistung Q1 bezieht. Neben der Stromgrundschwingung iN,1 enthält der Netzstrom abhängigvon der Kurvenform zusätzliche Oberschwingungen. Zusammen mit der Netzspannung UNentsteht eine Oberschwingungsblindleistung, die als Verzerrungsleistung D bezeichnet wird.Wie Abb. 10-1 zeigt, sind der Phasenwinkel der Grundschwingung, 1, und der Steuerwinkel
identisch, weshalb die Grundschwingungsblindleistung Q1 auch als Steuerblindleis tungbezeichnet wird. Dieser Zusammenhang gilt auch bei höherpulsigen Schaltungen.
Wirkleistung: P U N I N,1cos 1 mit cos 1 = Verschiebungsfaktor (10-1)
Abbildung 10-1 Gesteuerte M2-Schaltung mit Netzgrößen, id = konstant, idealer Transformator
t
1
iN
iN,1
uNui
uS1 uS2
id
Udi
iN
L
M
uN
166 10 Netzrückwirkungen
10.1.1 Die Kennlinie der SteuerblindleistungWird bei der Schaltung nach Abb. 10-1 bei konstantem Gleichstrom Id der Steuerwinkel von0° bis zum Maximalwert von 180° verändert, so gelten folgende Zusammenhänge:
Grundschwingungsscheinleistung: S1 U N I N,1 konstant Grundschwingungsblindleistung: Q1 S1 sin 1 U di I d sinWirkleistung: P S1 cos 1 U di I d cos
Eine quadratische Zusammenfassung liefert: Q12 P 2 S1
2 U di I d2
weitere Umformung: Q1
U di I d
2P
Udi I d
21 ( Kreisgleichung )
setzt man schließlich P U di I d ein, so folgt :
Q1U di I d
2 UdiUdi
2
1 (10-2)
Diese Gleichung ist als Blindleistungs-Diagramm in Abb. 10-2 dargestellt.
Berücksichtigt man auch die Transformator-Streuinduktivität L , so ist der Netzstrom nichtmehr rechteckförmig sondern weist während der Überlappung cosinusförmige Flanken auf(Abb. 10-3). Die Überlappung u( ) führt bereits bei = 0° zu einer Blindleistungsaufnahmeder Schaltung. Die Überlappung führt ferner zu einer Verlängerung der Thyristorleitdauer auf180° + u0. Für den max. Steuerwinkel max gilt dann zur Vermeidung des Wechselrichter-kippens näherungsweise Gl. 10-13.
max 180 ° u0 mit: tS (Schonzeitwinkel) (10-3)
Abbildung 10-2 Grundschwingungsblindleistung bei konstantem Gleichstrom
0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0-0,2-0,4-0,6-0,8-1,0
1,0
u0max
min U diU di
Q 1
S 1
10.1 Blindleistungsverhalten 167
Wegen der praktisch immer vorhandenen Anfangsüberlappung u0 kann im Gleichrichter-betrieb der Steuerbereich nur zwischen dem Wert der Anfangsüberlappung min = u0 und imWechselrichterbetrieb bis max ausgenutzt werden. Wegen der für die Dauer der Kommu-tierung (Überlappung u) cosinusförmigen Flanken muss die Annahme = 1 aufgegebenwerden. Es gilt mit der relativen induktiven Gleichspannungsänderung dx nun folgenderZusammenhang zwischen Steuerwinkel und dem Verschiebungswinkel der Grund-schwingung ( 1):
cos 1 cos d x (10-4)
Schon bei Vollaussteuerung ( = 0°) wird Blindleistung aufgenommen
1 kann näherungsweise durch u0/2 bzw. u /2 ersetzt werden ( 1 u /2).
10.1.2 OberschwingungsblindleistungDurch eine Zerlegung des nicht sinusförmigen Stromes IN in Grund- und Oberschwingungenlässt sich nach Gl. (10-8) auch die Blindleistung Q in Grund- und Oberschwingungsblind-leistung (Q1 und D) zerlegen. Zur Veranschaulichung dient Abb. 10-4. Die Oberschwingungs-blindleistung D (Verzerrungsleistung) führt zu zusätzlichen Stromwärmeverlusten imTransformator (Zusatzverluste, s. Kap. 16.2).
(10-5)
(10-6)
(10-7)
Zerlegung der Blindleistung Q in Grundschwingungs- und Verzerrungsblindleistung:
Q U N2 IN,1
2 IN,22 I N,3
2 ... U N I N,1 cos 12
Durch Ausmultiplizieren und Zusammenfassung sowie mit sin2 1 cos2 folgt:
Q U N2 I N,1
2 sin21 U N
2 I N,22 I N,3
2 ... Q Q12 D2
Gesamtscheinleistung: S U N I N U N I N,12 I N,2
2 I N,32 ...
Gesamtblindleistung Q S 2 P2
Abbildung 10-3
Netzgrößen unter Einfluss der Kommu-tierungsinduktivität LK bei = 0°
Während der Kommutierung verläuft derNetzstrom cosinusförmig. Hierdurch ist dieStromkurve leicht nach rechts verschoben.
t
u
2
iS,1
u0
1
iS
Wirkleistung P U N I N,1 cos 1
168 10 Netzrückwirkungen
(10-8)
10.2 StromoberschwingungenDer von einem Stromrichter aus dem Versorgungsnetz bezogene Strom ist im Allgemeinennicht sinusförmig und setzt sich aus Grund- und Oberschwingungen zusammen. Während dieStromgrundschwingung die Leistungsübertragung bewirkt, tragen die Stromoberschwingungennicht zur Leistungsübertragung bei. Sie belasten aber das speisende Netz durch Spannungs-abfälle wodurch die Spannungskurvenform verzerrt wird. Ferner entstehen zusätzliche Verlust-leistungen (I2·R) und es besteht die Gefahr von Resonanzanregungen im Netz. Den Ober-schwingungsstrom THC (Total Harmonic Current, EN 61000) ermittelt man mit Gl. (10-9).
THCn 2
40
In2 (10-9)
Für die vom Stromrichter hervorgerufenen Oberschwingungen im Netzstrom gelten die in derEN 61000-3 festgelegten Grenzwerte. Die Oberschwingungen des Netzstromes sind abhängigvon der Pulszahl p des Stromrichters und der Art der Glättung. Wir unterscheiden nach der Artder Glättung:
Schaltungen mit Stromglättung,Schaltungen mit Spannungsglättung.
10.2.1 StromglättungStromrichter mit Stromglättung arbeiten mit einem konstantem Gleichstrom Id. Der NetzstromiN in Abb. 10-5 ist daher abschnittweise eingeprägt durch den Gleichstrom Id und daher recht-eckförmig. Die Breite der Stromblöcke hängt von der Pulszahl p des Stromrichters ab undbeträgt bei 2-puls-Stromrichtern 180° und beim 6-pulsigen Stromrichter 120°. Zu jederKurvenform ist das entsprechende Frequenzspektrum dargestellt. Darin istIN,1: Effektivwert der StromgrundschwingungIN,n: Effektivwert der n-ten Harmonischen (n: Ordnungszahl)Ein Vergleich der Kurvenform und Spektren des Netzstromes iN einer B2- und B6-Schaltungzeigt Abb. 10-5. Darin ist zu erkennen, dass die Anzahl an Oberschwingungen bei dersechspulsigen B6-Schaltung wesentlich geringer ist als bei der zweipulsigen B2-Schaltung.
Verzerrungsleistung D U N I N,22 I N,3
2 ...
Grundschwingungsblindleistung Q1 U N I N,1sin 1
Abbildung 10-4
Zeigerdiagramm der Leistungen beinichtsinusförmigem StromS: GesamtscheinleistungS1: GrundschwingungsscheinleistungP: WirkleistungD: VerzerrungsleistungQ: GesamtblindleistungQ1: Grundschwingungsblindleistung
S
S1
PQ1
DQ
10.2 Stromoberschwingungen 169
Allgemein nimmt der Oberschwingungsgehalt mit steigender Pulszahl p des Stromrichters ab.Bei einer Stromrichterschaltung der Pulszahl p treten im Eingangsstrom keine Ober-schwingungen mit der Ordnungszahl n < (p – 1) auf.
Bei großen Leistungen werden daher zur Erzielung eines günstigen Oberschwingungsgehaltesnur Stromrichter mit höherer Pulszahl (p = 6, 12, 18, ...) eingesetzt. Zur Verringerung desOberschwingungsgehaltes im Netzstrom können zusätzlich selektive Filter (Saugkreisfilter) amEingang der Stromrichterschaltung vorgesehen werden. Eine beispielhafte Ausführung für einSaugkreisfilter zeigt Abb. 10-6b. Der Saugkreis wird mit seiner Resonanzfrequenz f0entsprechend Gl. (10-12) auf die Frequenz der zu eliminierenden Oberschwingung abges-timmt, und stellt für die betreffende Stromoberschwingung eine sehr geringe Impedanz dar,deren Minimalwert durch den ohmschen Widerstand RL gegeben ist. Der Ohmsche Widerstandbestimmt auch die Güte Q (und damit den Dämpfungsgrad d) des Filters nach Gl. (10-10) undzusammen mit der Eigenfrequenz nach Gl. (10-12) die Bandbreite B (siehe Abb. 10-6a). Fürjede zu kompensierende Stromoberschwingung ist ein Saugkreis erforderlich. Bei dreiphasigenSchaltungen ist diese Anordnung dann dreimal vorzusehen. Um den Aufwand nicht unnötig indie Höhe zu treiben, kompensiert man im Allgemeinen nur die Stromoberschwingung mit demgrößten Einfluss und das ist im Allgemeinen die Stromoberschwingung mit der niedrigstenOrdnungszahl. Die einphasige Ausführung und Anordnung eines Saugkreisfilters zeigt Abb.10-6b. Darin ist auch zu erkennen, dass das Filter zusammen mit der Netzinduktivität LN einenzusätzlichen Resonanzkreis bildet. Wegen der Reihenschaltung mit dem Saugkreis liegt diesezusätzliche Eigenfrequenz unterhalb der Frequenz des Saugkreisfilters. Diese Frequenz darfnicht durch den Netzstrom angeregt werden.
Abbildung 10-5 Netzstrom und -spektrum der B2 und B6-Schaltung
t
iN,1uN
iN t
uN iN,1
iN Id
1
1n
1 3 5 7 9 11 13 15 17n
1
I N, n
I N,1
1n I n
I N,1
Pulszahl p = 6Pulszahl p = 2
1 3 5 7 9 11 13 15 17 n
Id
N,
170 10 Netzrückwirkungen
Güte Q 1RL
LC (10-10)
Dämpfungsgrad d1
2Q (10-11)
Resonanzfrequenz e1 d2
LC(10-12)
Bandbreite B eQ
(10-13)
Abb. 10-7 zeigt beispielhaft eine dreiphasige An-ordnung (LS, CS). Saugkreisfilter wirken für alle Fre-quenzen unterhalb der Resonanzfrequenz f0 kapazitiv.Dadurch wird eine vorhandene induktive Grund-schwingungsblindleistung Q1 kompensiert. Bei einemschwankendem Blindleistungsbedarf des Stromrichtersbesteht wegen der konstanten kapazitiven Blind-leistung die Möglichkeit einer Überkompensation, d. h.die Schaltung wirkt kapazitiv. In der Praxis bilden dieFilterelemente mit der Netzimpedanz weitere Eigen-frequenzen, die nicht angeregt werden dürfen. EineMindestdämpfung d ist daher erforderlich, verschlech-tert aber die Filterwirksamkeit.
Abbildung 10-6 Wirkung eines Saugkreisfilters für die 5. Oberschwingung (f / fN = 5)
Abbildung 10-7 Saugkreisfilter, 3-phasig
Q = 10
B10
0 1 5 10f f N
1
0,707
0
II 5
uN
LNRN
iN iE
iFC
L
RL
LS CS
Stromrichter
L1
LS CS
LS CS
LNLNLN
L2 L3
10.2 Stromoberschwingungen 171
10.2.2 SpannungsglättungSchaltungen mit Spannungsglättung arbeiten mit einer konstanten Gleichspannung Ud. DieGlättung der gleichgerichteten Wechselspannung ud erfolgt in Abb. 10-8 mit dem Glättungs-kondensator Cd. Die Gleichrichterdioden schalten ein, sobald uS größer ud ist. Der LadestromiC wird nur durch den Kondensator Cd und die Höhe der Netzspannung uS bestimmt. DerKondensator wird ideal sofort auf die Netzspannung aufgeladen, wodurch ein sehr hoherStromimpuls entsteht. Ist die Netzspannung wieder kleiner ud, so sperren die Dioden und derKondensator wird durch die Last entladen, bis in der nächsten Halbschwingung von uS dieanderen Dioden kurzzeitig leiten. Die Schwankung der Gleichspannung ud wird durch dieWelligkeit wU (Gl. 7-15) beschrieben. Ud, : Effektivwert der -ten Oberschwingung
Der Netzstrom iS besteht entsprechend Abb. 10-9 aus kurzen hohen Stromimpulsen abwech-selnder Polarität und enthält daher eine hohe Zahl an Stromoberschwingungen. Der Leis-tungsfaktor (power factor) ist sehr ungünstig.
Das Verhältnis von Scheitelwert zu Effektivwert bildet den Scheitelfaktor oder crest factor c.
crest factor c iI
(10-14)
Der crest factor c beträgt bei Sinusgrößen c = 1,41, bei Gleichrichterschaltungen mit kapa-zitiver Glättung, wie in Abb. 10-9 dargestellt, kann c = 3 und mehr erreichen.
Abbildung 10-8
B2-Schaltung mit kapazitiver Glättungund eingeprägtem Gleichstrom id
Abbildung 10-9Netzstrom iS und Gleichspannung ud beikapazitiver Glättung
Sobald uS > ud ist wird Cd geladen wobei kurz-zeitig ein hoher Strom fließt. Durch den Innen-widerstand der Dioden und parasitären Induk-tivitäten im Stromkreis weicht dieGleichspannung ud beim Laden von derNetzspannungskurvenform geringfügig ab.
Die Qualität der Gleichspannung ud wird durchdie Welligkeit wU beschrieben.
udiS
uS
t
iS CduS
id
ud
iC
172 10 Netzrückwirkungen
10.2.2.1 Passive PFC-SchaltungAbhilfe gegen die in Abb. 10-9 dargestellte ungünstige Stromkurvenform von iS bietet einezusätzliche Induktivität LPFC in Serie zum Glättungskondensator Cd. Zweckmäßig wird dieseInduktivität auf der Wechselspannungsseite entsprechend Abb. 10-10 installiert. DieInduktivität lässt den Ladestrom nur verzögert ansteigen. Die Stromkurvenform nach Abb.10-11 zeigt einen besseren Leistungsfaktor als die Stromkurvenform nach Abb. 10-9.
Die Drossel LPFC wird handelsüblich als Power Factor Correction-Drossel (PFC-Drossel)bezeichnet (passives Verfahren, kostengünstig bei kleinen Leistungen).
Der Leistungsfaktor (power factor) ist definiert zu:
PS
U I 1 cos
U II 1I
cos g i cos (10-15)
gi: Grundschwingungsgehalt des Stromes, 0 < gi < 1.
Durch eine Absenkung des Oberschwingungsanteils im Netzstrom kann somit eineVerbesserung (correction) des Leistungsfaktors erreicht werden. Nach diesem Prinziparbeitet eine passive Power-Factor-Correction-Schaltung (PFC-Schaltung).
Abbildung 10-11
Zur Wirkung einer passiven PFC-Einrichtung
Die wechselspannungsseitige Drosselverbessert die Stromkurvenform.
Die höherfrequenten Störströmewerden reduziert und der Leistungs-faktor steigt an (PFC-Drossel).
Aber:
Erhöhter Spannungsabfall ( u)während der Netz-Nachladung.
Abbildung 10-10
B2-Schaltung mit kapazitiverGlättung und PFC-Drossel
iC
iS CduS
id
ud
LPFC
ud
iSuS
t
u
10.2 Stromoberschwingungen 173
10.2.2.2 Aktive PFC-SchaltungNeben den passiven Verfahren gibt es bei der Spannungsglättung auch aktive PFC-Verfahren,bei denen durch PWM-Technologien die Kurvenform des Netzstromes sinusförmig geregeltund zusätzlich über den Phasenwinkel der Grundschwingung der cos 1 1 eingestelltwerden kann. Abb. 10-12 zeigt eine Schaltung für die Stromkurvenformregelung auf Basiseines handelsüblichen PFC-Control Circuit.
Der Schalttransistor T wird so angesteuert, das sich in der Speicherdrossel LS im zeitlichenMittel ein sinusförmiger Strom einstellt. Dieser Strom wird mit RSh erfasst. Die Schaltung istdurch zwei Arbeitstakte gekennzeichnet, die in Abb. 10-13 dargestellt sind.
In Abb. 10-13a wird die Netzspannung über die Drossel LS kurzgeschlossen und der Strom iniS steigt schnell an (LS wird geladen). In Abb. 10-13b ist der Transistor T wieder abgeschaltet.Der Strom iS ist von der Induktivität LS eingeprägt und fließt über die Boost-Diode in denKondensator Cd (LS wird dabei entladen). Wenn der Strom weit genug abgefallen ist, wird Twieder eingeschaltet und der Strom iS steigt unter Einfluss der Netzspannung erneut an. Durcheine geeignete Taktung des Transistors T über den PFC-Control-Circuit in Abb. 10-12 lässtsich für iS ein sinusförmiger Stromverlauf entsprechend Abb. 10-14 erreichen.
Abbildung 10-14
Typischer Verlauf des Netzstromes beiaktiver PFC-EinrichtungKurvenform und Phasenlage lassen sicheinstellen. Mit zunehmender Schaltfrequenzgeht iS gegen Null und die Stromkurven-form nähert sich der idealen Sinus-kurvenform an.
Es treten höherfrequente Störströme imNetz auf.
Abbildung 10-13
Arbeitstakte deraktiven PFC-Schaltung
LS
uS
iS
T
LS
uS
iS
ud
ida) b)
Abbildung 10-12
B2-Gleichrichter mit aktiver PFC-SchaltungDer Shuntwiderstand RSh dient zurStromerfassung.
Speicherinduktivität LSgleichstromseitig
Einquadrantenbetrieb (1QS)RSh
PFC-Control Circuit
LS Boost Diode
CdT
uS
iS
ud
uS
iS
t
iS
174 10 Netzrückwirkungen
Die Schaltung in Abb. 10-12 arbeitet als Hochsetzsteller, d. h. die Gleichspannung Ud istgrößer als der Scheitelwert der Eingangswechselspannung uS. Daher bietet sich dieseSchaltung an als Weitbereichsnetzteil mit Ud = 400 V bei einer Eingangsspannung von z. B.65 bis 240 V (effektiv). Durch eine Weiterentwicklung der Schaltung zum einphasigenPulsgleichrichter (PGR) nach Abb. 10-15 mit wechselstromseitiger Speicherdrossel LS kanndie Phasenverschiebung beliebig eingestellt werden, wodurch eine Umkehr derEnergierichtung möglich ist. Die Einstellgrenzen für den Phasenwinkel sind allein durch dieHöhe der Eingangsspannung und dem abschaltbaren Strom gegeben. Diese als Active-Front-End-Umrichter (AFE) bezeichnete Gleichrichterschaltung wird als Vierquadrantensteller(4QS) für Antriebe in praktisch allen Leistungsklassen eingesetzt, wie z. B. alsEingangsstromrichter moderner Lokomotiven.
Jeweils zwei Transistoren (T1 und T2 bzw. T3 und T4) werden zusammen angesteuert underzeugen eine pulsbreitenmodulierte Wechselspannung uSt (siehe Abb. 13-11). Der Scheitel-wert von uSt ist ±Ud und muss größer sein als der Scheitelwert der Netzspannung uS um eineÜbersteuerung (und damit eine verzerrte Stromkurvenform) zu vermeiden. Die Wirkungsweisedes Vierquadrantenstellers (4QS) nach Abb. 10-15 erläutern die Zeigerdiagramme derGrundschwingung für den normalen Gleichrichterbetrieb (Abb. 10-16a, motorischer Betrieb)und den Rückspeisebetrieb (Abb. 10-16b, generatorischer Betrieb).
Die 4QS-Schaltung in Abb. 10-15 kann durch hinzufügen eines 3. Brückenzweiges zu einendreiphasigen Pulsgleichrichter erweitert werden. Der dreiphasige PGR entspricht in seinemAufbau dem dreiphasigen Pulswechselrichter (siehe auch Kapitel 16.7.3).
Abbildung 10-15Einphasiger Pulsgleichrichter (PGR)
Diese Schaltung entnimmt demWechselspannungsnetz einen sinus-förmigen Strom einstellbarer Phasen-lage. Die Schaltung erlaubt auch beiEnergierückspeisung einenLeistungsfaktor nahe 1.
Abbildung 10-16
Zeigerdiagramm des 4QS
Die Stellerspannung uSt wird nachBetrag und Phase vorgegeben, sodass sich der gewünschte Netz-strom iS einstellt. Neben den hierdargestellten Fällen für cos = 1und -1 sind auch alle anderenPhasenwinkel möglich.
Einschränkungen sind durch dieHöhe der Gleichspannung (ûSt <Ud) und der zulässigen Strom-amplitude îS gegeben.
CdUd
Id
uS
iS
uStLS
T1 T3
T2T4
uR uLS
R
uSt
uStiS
iS
a.) Motorischer Betrieb b.) Generatorischer Betrieb = 180°, cos = -1 = 0°, cos = 1
uLS
uR
uR
uLS
uS
uS
10.3 Spannungsoberschwingungen 175
10.3 SpannungsoberschwingungenEin Versorgungsnetz ist in der Regel ein räumlich verteiltes System, bestehend aus Generato-ren, Leitungen, Transformatoren und Lasten. Um die Auswirkungen von nicht sinusförmigenStrömen auf die Spannungskurvenform zu beschreiben, genügt pro Phase eine einfache Mo-dellierung nach Abb. 10-17, bestehend aus einer Wechselspannungsquelle uN und einerohmsch-induktiven Impedanz RN und LN.
Für die Untersuchung der Rückwirkungen nichtsinusförmiger Ströme auf das so vereinfachteNetz kann die Maschengleichung (10-16) betrachtet werden.
uS uN RN iN LN
d iNd t
(10-16)
Darin ist zu erkennen, wie die Spannung uN vom bezogenen Strom iN abhängt. Weicht derStrom iN von der Sinusform ab, so ergibt sich eine nicht sinusförmige Spannung uN. Für diereibungslose Zusammenarbeit aller Verbraucher ist es erforderlich, die maximal zulässigenVerzerrungen der Spannungskurvenform in Normen festzuschreiben. Hierfür ist die EN61800(VDE0160) maßgebend. Für die Verzerrungen der Spannungskurvenform sind in erster LinieStromoberschwingungen oberhalb der Netzfrequenz maßgebend, wie sie vorzugsweise beiKommutierungsvorgängen auftreten.
Für allgemeine Betrachtungen kann der ohmsche Widerstand RN vernachlässigt werden.
Die Kurvenform der Spannungsquelle uN wird als rein sinusförmig angenommen. DieseAnnahme ist auch in der Praxis weitgehend erfüllt.
Die Erläuterung dieses Einflusses soll an dem vereinfachten Ersatzschaltbild einer ZweipulsBrückenschaltung nach Abb. 10-18 erfolgen.
10.3.1 B2-SchaltungFür den dargestellten Transformator soll das Übersetzungsverhältnis eins betragen und derGleichstrom id sei ideal geglättet. LN fasst die Induktivitäten vorgeschalteter Einrichtungen(Transformatoren, Leitungen, Generator) zusammen, LT ist die Streuinduktivität des Strom-richter-Transformators. Den Verlauf der primär- und sekundärseitigen Spannungen zeigt Abb.10-19. Die sekundärseitigen Spannungseinbrüche uS wirken sich auf der Primärseite als uPaus. Die Induktivitäten LN und LT bilden einen Spannungsteiler und es gilt folgenderZusammenhang:
d iSd t
uGL N LT
uPLN
uSLT
uP uG
LNLN LT
(10-17)
Abbildung 10-17
NetzmodelluSuN
LN RN iN
176 10 Netzrückwirkungen
Die Spannungseinbrüche uP bezeichnet man als Kommutierungseinbrüche. Sie stellen dieHauptursache für das Entstehen von Spannungsoberschwingungen dar. Zur Begrenzung dernetzseitigen Spannungsoberschwingungen muss die Induktivität LT des vorgeschalteten Trans-formators entsprechend Gl. (10-1) ausgewählt sein (geeignetes uK wählen).
Gegebenenfalls können zusätzlicheKommutierungsdrosseln vorgesehenwerden. Die Vorschaltung von Kom-mutierungsdrosseln ist auch erforder-lich, falls der Stromrichter ohne Trans-formator direkt am Netz betrieben wird.
Als zusätzliche Eigenschaften bleibtanzumerken, dass die Induktivitäten dieStromsteilheit begrenzen und damit dieÜberlappung u vergrößern.
Liegen die Kommutierungseinbrücheim Bereich der Nulldurchgänge derNetzspannung, so sind die Spannungs-nulldurchgänge verfälscht und es kannzu einer Störung der Synchronisationdes Steuergerätes kommen. Aus diesemGrunde wird die Synchronisations-spannung aus der Netzspannung nurüber ein Tiefpass- oder PLL-Filtergewonnen (siehe auch Kapitel 9.3).
Abbildung 10-18 Ersatzschaltung einer Zweipuls-Brückenschaltung mit Einspeisung
Transformator
LT
uG uS
Weitere Verbraucher
L
R
uP uS
iSLN
uP
Abbildung 10-19Strom- und Spannungsverlauf mit Kommutierungseinfluss
t
uG
2
t
t
iS
uPuP
uS
uS
10.3 Spannungsoberschwingungen 177
10.3.2 B6-Schaltung Um den Einfluss der Kommutierungen auf die verkettete Spannung u12 und die Phasenspan-nung uS1 zu beschreiben dient eine Ersatzschaltung nach Abb. 10-20. Die möglichenKommutierungen sind mit den entsprechenden Kommutierungsspannung uK in Tab. 10.1aufgeführt.
Tabelle 10.1 B6-Schaltung, mögliche Kommutierungen und Verlauf von u12 und uS1
Kommutierung uK u12 Phasenspannung uS1
V1 V3 u21 0 -0,5 u3
V2 V4 u31 - 1,5 u2 -0,5 u2
V3 V5 u32 1,5 u1 u1
V4 V6 u12 0 -0,5 u3
V5 V1 u13 - 1,5 u2 -0,5 u2
V6 V2 u23 1,5 u1 u1
Die einzelnen Kommutierungen werden mit den reduzierten Schaltbildern nach Abb. 10-21untersucht. Um den Einfluss der Welligkeit von id auf den Verlauf der Spannungen darzustel-len, wurde eine Schaltungssimulation für verschiedene Stromkurvenformen nach Abb. 10-23durchgeführt. Die Konstruktion der Spannungen für = 30° und idealer Stromglättung zeigtAbb. 10-22.
Abbildung 10-20
B6-Schaltung mit eingeprägtemGleichstrom(id = konstant)
ud
V1
id
iS1
L1
N
V3 V5
V4 V6 V2
L3
L2
u1
LN
uS1
u12u2
u3
LN
LN
178 10 Netzrückwirkungen
Abbildung 10-21 Leiter- und Phasenspannung bei den Kommutierungen der B6-Schaltung
u12* 0 uS1
u32
u12* 0 uS1
u32
u12* 3
2u2 uS1
u22
u12* 3
2u2 uS1
u22
u12* 3
2u1 uS1 u1 u12
* 32
u1 uS1 u1
V3 V 5
u32
u32 / 2
u32 / 2
M
LN
u1
u2
u3
uS1 iS1id
id
u12*
LN
LN
uS1
V6
u12 2
u12 2
Mu1
u2
u12
iS1
id
V4id
LN
LN
u12*
V 2V4
u31
Mu31 / 2
u31 / 2
LN
u1
u2
u3
uS1 iS1
id
id
u12*
LN
LN
V 1uS1 V3
u21 2
u21 2
M
u1
u2 u21
iS1
id
u12*LN
LN
V1 V 5
u13
u13 / 2
u13 / 2M
LNu1
u2
u3
uS1
iS1
id
id
u12*
LN
LN
V 2V6
u23
M
u23 / 2
LN
u1
u2
u3
uS1 iS1
id
u23 / 2
id
u12*
LN
LN
10.3 Spannungsoberschwingungen 179
Abbildung 10-22Konstruktion der Leiter- und Phasenspannung der B6-Schaltung mit = 30° bei idealer Glättung
u
-u2
u12u1
3
1,5
1,0
u
u t
1,5 u1u12
u1u3 u2
uS1
Annahme: u = konstant
u12*
u32
u22
t
-1,5 u2
180 10 Netzrückwirkungen
Abbildung 10-23 Einfluss nicht idealer Glättung auf u12 und uS1 (Simulation)
id
idu12
t
uS1
u12
uS1
u12
uS1
id
t
t
10.3 Spannungsoberschwingungen 181
Damit die Kommutierungseinflüsse vom öffentlichen Drehstrom-Versorgungsnetz fernge-halten werden können, muss am Eingang des Stromrichters eine zusätzliche Induktivität LTvorgesehen werden (siehe auch Abb. 10-18). Wegen der Funktion wird diese Induktivität alsKommutierungsdrossel bezeichnet. Zusammen mit der Netzinduktivität LN bildet die Kom-mutierungsdrossel LT in Abb. 10-24 einen induktiven Spannungsteiler.
Die Kommutierungseinbrüche der Phasenspannungen teilen sich nach Gl. (10-17) imVerhältnis der Induktivitäten auf. Damit die VDE-Bestimmungen erfüllt werden, darf dieSpannung während der Kommutierung nur um 20 % des Scheitelwertes einbrechen. Dierestlichen 80 % müssen demnach an der Kommutierungsinduktivität LT abfallen. Daraus lässtsich das Verhältnis von Netz- zu Kommutierungsinduktivität nach Gl. (10-18) berechnen.
uN 0,2 u12
LNLT
uN
uT
0,2 u120,8 u12
d. h. LT 4 LN (10-18)
Abb. 10-25 zeigt die Wirkung von LT bei einer Auslegung nach Gl. (10-18).
Abbildung 10-25 Spannungen bei LN /LT = 2/8 und ideale Glättung, = 30° (Simulation)
t
u12
u12_SR
uS1_SR
uS1
t
0,2 ûV
ûV
Abbildung 10-24
B6-Schaltung mit Netzin-duktivität LN und Zusatzin-duktivität LT
ud
u1
V6 V2V4
V1 V3 V5
id = konstant
iS1
uN uTu12
uS1
uS1_SR
LN LT
LN LT
LN LT
u2
u3
u12_SR
182 10 Netzrückwirkungen
Zur Bemessung von LT steht im Allgemeinen die Netz-Scheinleistung SN und die Netz-Kurzschlussspannung uKN zur Verfügung. Abb. 10-26 zeigt den Anschluss eines Stromrichtersüber einen Netztransformator bzw. über eine Netzdrossel der Leistung ST an die öffentliche400V-Stromversorgung der Leistung SN.
Die Impedanzen XN = LN und XT = LT bilden einen Spannungsteiler. Auf der 400 V Ebeneerhält man mit UK = 400V· uK bei einer verlustfreien Anordnung folgende Zusammenhänge:
X N
U KNI N
400VuKNI N
X T
U KTI T
400VuKTI T
(10-19)
Entspricht ST der Netzscheinleistung SN, (d. h. IN = IT), so folgt Gl. (10-20) für den maximalenSpannungsabfall u der Mindestwert der Kurzschlussspannung uKT im Verhältnis zu uKN.
uNuN
X NX N X T
UKNU KN UKT
1
1uKNuKT
0,2 uKT 4 uKN (10-20)
Um den Grenzwert von uN/û 0,2 einzuhalten muss der Stromrichter die 4-fache Kurz-schlussspannung des Netzes aufweisen. Bei einer Kurzschlussspannung von uKN = 4 %kommt somit eine Gesamt-Kurzschlussspannung von 20 % zustande.
Im Allgemeinen kann man von einer vergleichbaren Kurzschlussspannung von Netz- undStromrichter ausgehen, d. h. uKN = uKT = uK = 4 %. In diesem Fall wird mit Gl. (10-21) überdie Nennströme IN und IT das erforderliche Leistungsverhältnis von Netz- und Stromrichter-transformator ermittelt.
uNuN
X NX N X T
U KI N
U KI N
U KI T
1
1I NI T
0,2 I N 4 I T (10-21)
Um den Grenzwert von uN/û 0,2 einzuhalten muss bei gleicher Kurzschlussspannungdie Netzscheinleistung SN mindestens den 4-fachen Wert des Stromrichters SSRaufweisen.
Abbildung 10-26
Anschluss des Stromrichters an das öffentlicheStromnetz
uK: relative Kurzschlussspannung
400 V
SN, uKN
ST, uKT
ITIN
Stromrichter
Netztransformator bzw. -Drossel
3~=
3