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Nahrungsmittelallergien

Date post: 07-Feb-2017
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Nahrungsmittel-Allergie Wenn Essen krank macht Diagnose und Therapie gehören in die Hände des spezialisierten Arztes Warum machen manche Lebensmittel, die für den einen Menschen durchaus verträglich sind, andere krank? Wird Essen zum Gesundheitsrisiko, und ist dessen scheinbar zunehmende Unverträglichkeit ein Preis unseres Lebensstils? Nicht immer steckt eine Allergie hinter den Beschwerden. Häufiger sind es Intoleranzen z.B. gegen Histamin, Frucht- oder Milchzucker, die Probleme machen. Die exakte Diagnose zu stellen, ist schwierig, aber äußerst wichtig, denn Nahrungsmittel-Allergien bergen die Gefahr eines allergischen Schocks, der binnen Minuten zur tödlichen Bedrohung werden kann. Betroffene sollten daher ausschließlich auf allergologisch ausgebildete Ärzte vertrauen, um keine falschen Diagnosen und auch keine falschen Empfehlungen zu riskieren. Aufgrund des Trends zu gesun- der Ernährung und einer damit verbun- denen gesteigerten Selbstbeobach- tung stellen immer mehr Menschen fest, dass sie gewisse Lebensmittel schlecht vertragen. Sie fürchten so- dann, an einer Allergie zu leiden; doch nicht alles, was Symptome verursacht, ist auch eine Allergie. Untersuchungen, wie aktuell eine Analyse von über 50 europäischen Stu- dien, zeigen 1 : „17 Prozent der Men- schen berichteten über nahrungsmit- telbedingte Beschwerden. Tatsächlich konnte die Allergie in nur 1-3 Prozent der Fälle bestätigt werden“, zitiert Univ.-Prof. Dr. Anita Rieder (Abb. 1), Leiterin des Instituts für Sozialmedizin und des Zentrums für Public Health der Medizinischen Universität Wien. „Obwohl man immer wieder von einer Zunahme an Nahrungsmittel-Allergien hört und liest – die Zahl an Neuerkran- kungen bleibt europaweit stabil; aller- dings scheint die Häufigkeit insgesamt zuzunehmen. Eine wahrscheinliche Er- klärung dafür ist, dass sich in den letz- ten Jahren die diagnostischen Möglich- keiten deutlich weiterentwickelt haben.“ Allergie & Intoleranz Allergien können leicht mit den deut- lich häufigeren Intoleranzen gegen z.B. Histamin, Frucht- oder Milchzucker ver- wechselt werden. „Eine Intoleranz wird meist durch einen Enzymmangel ver- ursacht, wodurch Nahrungsmittel-Be- standteile nicht abgebaut werden kön- nen. Sie sind zwar unangenehm, wer- den aber in der Regel nicht zu einer ernsten Bedrohung“, beschreibt die Wiener Hautärztin Dr. Nadine Mothes- Luksch (Abb. 2). „Bei einer Nahrungs- mittel-Allergie hingegen kommt es zu einer Überreaktion des Immunsystems. Bereits kleinste Mengen reichen, um Reaktionen wie starker Juckreiz, Rötun- gen und Nesselausschlag am ganzen Körper, Übelkeit und Erbrechen, Bauch- schmerzen und Durchfall auszulösen. Im Extremfall kommt es zu einem all- ergischen Schock.“ Ohne sofortige Not- fallbehandlung kann der Allergie- schock zum Tod führen. Mothes-Luksch empfiehlt daher eindringlich: „Betrof- fene sollten immer Adrenalin, das in handlichen Autoinjektoren zur einfa- chen Selbstinjektion zur Verfügung steht, bei sich tragen!“ Eine andere Form der allergischen Reaktion ist die Kreuzallergie. Sie tritt meist als Folge einer Pollenallergie auf, zeigt eher milde klinische Verläufe und ist nur selten Auslöser eines allergi- schen Schocks. Das Risiko für diese Kreuzreaktion liegt bei 55 Prozent. Diagnose verlangt Spezialwissen Die einzige therapeutische Möglichkeit ist, das unverträgliche Nahrungsmittel vom Speiseplan zu streichen. Dazu muss man genau wissen, was das Im- munsystem derart ins Schleudern bringt. „Die Diagnose einer Nahrungs- mittel-Allergie ist meist kompliziert und erfordert spezifisches Wissen. Betroffene sollten daher ausschließlich auf den allergologisch geschulten Abb. 2: Dr. Nadine Mothes-Luksch Abb. 1: Univ.-Prof. Dr. Anita Rieder © www.allergenvermeidung.org (Presse) © www.allergenvermeidung.org (Presse) aktuell 42 | Pädiatrie & Pädologie 4 · 2014
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Nahrungsmittel-Allergie

Wenn Essen krank machtDiagnose und Therapie gehören in die Hände des spezialisierten ArztesWarum machen manche Lebensmittel, die für den einen Menschen durchaus verträglich sind, andere krank? Wird Essen zum Gesundheitsrisiko, und ist dessen scheinbar zunehmende Unverträglichkeit ein Preis unseres Lebensstils? Nicht immer steckt eine Allergie hinter den Beschwerden. Häufiger sind es Intoleranzen z.B. gegen Histamin, Frucht- oder Milchzucker, die Probleme machen. Die exakte Diagnose zu stellen, ist schwierig, aber äußerst wichtig, denn Nahrungsmittel-Allergien bergen die Gefahr eines allergischen Schocks, der binnen Minuten zur tödlichen Bedrohung werden kann. Betroffene sollten daher ausschließlich auf allergologisch ausgebildete Ärzte vertrauen, um keine falschen Diagnosen und auch keine falschen Empfehlungen zu riskieren.

▬▬ Aufgrund des Trends zu gesun-der Ernährung und einer damit verbun-denen gesteigerten Selbstbeobach-tung stellen immer mehr Menschen fest, dass sie gewisse Lebensmittel schlecht vertragen. Sie fürchten so-dann, an einer Allergie zu leiden; doch nicht alles, was Symptome verursacht, ist auch eine Allergie.

Untersuchungen, wie aktuell eine Analyse von über 50 europäischen Stu-dien, zeigen1: „17 Prozent der Men-schen berichteten über nahrungsmit-telbedingte Beschwerden. Tatsächlich konnte die Allergie in nur 1-3 Prozent der Fälle bestätigt werden“, zitiert Univ.-Prof. Dr. Anita Rieder (Abb. 1), Leiterin des Instituts für Sozialmedizin und des Zentrums für Public Health der Medizinischen Universität Wien. „Obwohl man immer wieder von einer Zunahme an Nahrungsmittel-Allergien hört und liest – die Zahl an Neuerkran-kungen bleibt europaweit stabil; aller-dings scheint die Häufigkeit insgesamt zuzunehmen. Eine wahrscheinliche Er-klärung dafür ist, dass sich in den letz-ten Jahren die diagnostischen Möglich-keiten deutlich weiterentwickelt haben.“

Allergie & IntoleranzAllergien können leicht mit den deut-lich häufigeren Intoleranzen gegen z.B. Histamin, Frucht- oder Milchzucker ver-wechselt werden. „Eine Intoleranz wird meist durch einen Enzymmangel ver-

ursacht, wodurch Nahrungsmittel-Be-standteile nicht abgebaut werden kön-nen. Sie sind zwar unangenehm, wer-den aber in der Regel nicht zu einer ernsten Bedrohung“, beschreibt die Wiener Hautärztin Dr. Nadine Mothes-Luksch (Abb. 2). „Bei einer Nahrungs-mittel-Allergie hingegen kommt es zu einer Überreaktion des Immunsystems. Bereits kleinste Mengen reichen, um Reaktionen wie starker Juckreiz, Rötun-gen und Nesselausschlag am ganzen Körper, Übelkeit und Erbrechen, Bauch-schmerzen und Durchfall auszulösen. Im Extremfall kommt es zu einem all-ergischen Schock.“ Ohne sofortige Not-fallbehandlung kann der Allergie-schock zum Tod führen. Mothes-Luksch empfiehlt daher eindringlich: „Betrof-fene sollten immer Adrenalin, das in handlichen Autoinjektoren zur einfa-

chen Selbstinjektion zur Verfügung steht, bei sich tragen!“

Eine andere Form der allergischen Reaktion ist die Kreuzallergie. Sie tritt meist als Folge einer Pollenallergie auf, zeigt eher milde klinische Verläufe und ist nur selten Auslöser eines allergi-schen Schocks. Das Risiko für diese Kreuzreaktion liegt bei 55 Prozent.

Diagnose verlangt Spezialwissen Die einzige therapeutische Möglichkeit ist, das unverträgliche Nahrungsmittel vom Speiseplan zu streichen. Dazu muss man genau wissen, was das Im-munsystem derart ins Schleudern bringt. „Die Diagnose einer Nahrungs-mittel-Allergie ist meist kompliziert und erfordert spezifisches Wissen. Betroffene sollten daher ausschließlich auf den allergologisch geschulten

Abb. 2: Dr. Nadine Mothes-LukschAbb. 1: Univ.-Prof. Dr. Anita Rieder

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Facharzt vertrauen“, rät Mothes-Luksch.

Am Beginn der Allergie-Diagnose steht immer das ausführliche Gespräch, das Aufschluss über die genaue Kran-kengeschichte, Symptome, Lebensum-stände und Ernährungsgewohnheiten des Patienten gibt. Danach folgt meist ein Hauttest, bei dem Allergenextrak-te oder das verdächtige Nahrungsmit-tel selbst oberflächlich in die Haut ge-ritzt werden. Nächster Schritt ist ein Bluttest (bei Kindern startet man häu-fig gleich damit). Mit der Entwicklung der molekularen Allergiediagnostik wurden diese Tests in den letzten Jah-ren sehr genau. Es ist nun z.B. schon möglich, nicht nur der Allergie-Auslö-ser als Ganzes, sondern auch dessen einzelne Eiweiß-Bestandteile zu iden-tifizieren. Seit kurzem gibt es mit dem Allergenchip auch die Möglichkeit, mit nur ein paar Tropfen Blutserum eine Testung gegen mehr als 100 Allergen-komponenten durchzuführen.

Passen nun Symptome und Test-ergebnis zusammen, kann eine Diag-nose gestellt werden. Bei einer Typ-I-Allergie gegen ein Nahrungsmittel werden strikte Meidung, das Ausstel-len eines Allergiepasses und die Ver-schreibung von Notfall-Medikamen-ten empfohlen. Bestehen noch Zwei-fel, schafft ein Provokationstest letzte Gewissheit.

Lebensqualität leidetDa bereits Spuren des Allergens fatale Folgen haben können, sind Allergiker (bzw. Eltern allergischer Kinder) tag-

täglich damit konfrontiert auf Spuren-suche zu gehen. So wird jeder Einkauf, ein Restaurantbesuch, die Auswahl am Schulbuffet etc. zur Herausforderung. Das und die Angst vor einer schweren allergischen Reaktion schränken die Le-bensqualität von Betroffenen stark ein. Eine Ernährungsberatung durch ge-schulte Diätologen ist eine wichtige und wertvolle Unterstützung.

Lebensmittelkennzeichnung Der Gesetzgeber reagiert auf das hohe Gefahrenpotenzial: Mit neuen Kenn-zeichnungsvorschriften von Lebens-mitteln will er Allergiker noch besser schützen. Schon vor ein paar Jahren wurde die Kennzeichnungspflicht be-stimmter Zutaten auf verpackten Le-bensmitteln eingeführt. „Die 14 wich-tigsten Produktgruppen, die für den Großteil aller Allergien verantwortlich sind, müssen auf verpackten Lebens-mitteln angegeben sein“, informiert Univ.-Doz. Dr. Ingrid Kiefer (Abb. 3) von der AGES, der Österreichischen Agen-tur für Gesundheit und Ernährungssi-cherheit GmbH. Die neue EU-Vorschrift will nun die Zusammensetzung eines Lebensmittels für Konsumenten noch transparenter machen. Kiefer: „Sie be-sagt unter anderem, dass Stoffe, die Al-lergien auslösen können, besonders hervorgehoben werden müssen. Das gilt ab Dezember des heurigen Jahres auch für lose Waren.“ In Begutachtung ist derzeit noch, wie Restaurants ihre Gäste über allergieauslösende Stoffe informieren müssen.

Neue europäische Leitlinie 17 Millionen Nahrungsmittel-Allergi-ker in Europa sind auch für die europäi-sche Allergie-Fachgesellschaft EAACI (European Academy of Allergy and Cli-nical Immunology) Anlass zum Han-deln. Der bedeutende Allergieverband hat sich in den letzten Jahren verstärkt dieses Themas angenommen. „Behan-delnde Ärzte werden über den aktu-ellsten Stand des allergologischen Wis-sens informiert und Aufklärungskam-pagnen sorgen dafür, dass Betroffene sowie die Gesundheitspolitik diese ge-fährliche Form der Allergie entspre-chend wahr und ernst nehmen“, infor-miert Assoc. Prof. Dr. Karin Hoffmann-Sommergruber vom Institut für Patho-physiologie und Allergieforschung der Medizinischen Universität Wien und im Board der Interest Group „food aller-gy“ der EAACI. Brandneu und topaktu-ell sind Guidelines, die für Ärzte und alle sonstigen Berufsgruppen, die zu diesem Thema arbeiten und Patienten betreuen, eine äußerst wertvolle Hil-festellung und Richtschnur in der täg-lichen Praxis darstellen werden: „Im Rahmen des großen EAACI-Kongres-ses im Juni wird diese erste Leitlinie für die Diagnose, das Management und die Vorbeugung von Nahrungsmittel-Allergien sowie Anaphylaxien präsen-tiert. Die Empfehlungen stellen einen Konsens der führenden Experten in Europa dar und basieren auf einer Ana-lyse aus 109 wissenschaftlichen Arti-keln sowie 75 Studien – beinhalten also das derzeitige Wissen und Verständnis zu dieser komplexen Thematik.“

Quelle: Pressegespräch „Nahrungsmittel-Aller-gie: Gefahr aus dem Kochtopf“, 6. Mai 201, Wien

Linktipp:www.allergenvermeidung.org – Unabhängige Informationsplattform für Allergiker

Literatur1 Nwaru BI et al. Allergy 2013;DOI: 10.1111/all.12305

Abb. 4: Assoc. Prof. Dr. Karin Hoffmann-SommergruberAbb. 3: Univ.-Doz. Dr. Ingrid Kiefer

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Aktuelle Studie

Neues zur Muttermilch-Mikrobiota Über das Vorkommen von Laktobazillen und Bifidobakterien – bei gesunden Stillenden und nach Antibiotikatherapie.Die Annahme, Muttermilch sei eine sterile Flüssigkeit, ist mittlerweile widerlegt. Seit einigen Jahren ist be-kannt, dass Muttermilch eine wichtige Quelle von kommensalen Bakterien für den Säugling darstellt, die den kindlichen Darm besiedeln. Eine neue Studie gibt Hinweise darauf, dass Laktobazillen deutlich häufiger in der Muttermilch deutscher und österreichischer Mütter vorkommen, als Bifidobakterien. Die Gabe von Antibiotika in Schwangerschaft und/oder Stillzeit reduziert diese positiven Muttermilch-Bakterien.

▬▬ Die Darm-Mikrobiota spielt für den Säugling eine wichtige Rolle in der Unterstützung des noch unreifen, kind-lichen Immunsystems und trägt zum Schutz vor Infektionen maßgeblich bei. Man geht heute davon aus, dass die Bakterien in der Muttermilch zumin-dest zum Teil aus der Darmflora der Mutter stammen und über einen endo-genen Transfer in die Muttermilch ge-langen. Von den Bakterien in der Mut-termilch werden Laktobazillen und Bifidobakterien als besonders bedeut-sam für den Säugling angesehen.

Laktobazillen haben eine Art „Pionier-funktion“, da sie zu den Erstbesiedlern zählen und für nachfolgende Keime ein günstiges Milieu schaffen. Bifidobakte-rien stellen vermutlich ebenfalls eine große Bakterienpopulation im Darm.

Studie untersuchte 160 Mutter-milchprobenSoto et al.1 führten eine Studie mit 160 gesunden Frauen aus Deutschland und Österreich durch. Jeder Mutter wurde steril eine Milchprobe entnommen und unmittelbar nach der Entnahme ein-gefroren. Alle Mütter füllten zusätzlich einen Fragebogen aus, in dem sie über demographische Merkmale, Ernäh-rungsweise, Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit Auskunft gaben. Alle 160 Proben wurden einer qualitativen DNA-Analyse mittels PCR unterzogen und auf DNA ausgewählter Mutter-milch-spezifischer Arten von Laktoba-zillen und Bifidobakterien untersucht.

Studienergebnisse zeigen: Laktoba-zillen häufiger als Bifidobakterien, Anti-biotika in Schwangerschaft und/oder Stillzeit reduzieren deren Präsenz

Laktobazillen konnten in mehr als zwei Dritteln (67,5%) und Bifidobakte-rien in einem Viertel (25,6%) aller 160 Proben nachgewiesen werden. Bei den Laktobazillen zählte L. fermentum (25%) zu den häufigsten Vertretern, ge-folgt von L. gasseri (22%) und L. reute-ri (12%). Bei den Bifidobakterien kamen einzelne Arten deutlich seltener vor: B. breve (14%), B. lactis und B. longum je-weils 4%.

Die Zahl an Milchproben, die entwe-der Laktobazillen oder Bifidobakteri-en enthielten, war bei den Frauen sig-nifikant geringer, die während der Schwangerschaft oder Stillzeit Antibio-tika erhalten hatten (p<0,001 für Lak-tobazillen bzw. p<0,05 für Bifidobak-terien).

Fazit für die PraxisMuttermilch ist auch aufgrund des breiten Spektrums an positiven Bakte-rien die beste Nahrung für den Säug-ling. Für Schwangere/Stillende nach Antibiotikagabe könnte die Gabe aus Humanmilch stammender Laktobazil-len/Bifidobakterien einen attraktiven Ansatz darstellen, ein natürliches bak-terielles Ökosystem wieder herzu- stellen.

Für nicht gestillte Kinder lässt sich die Empfehlung ableiten, eine Nahrung zu verwenden, die ein häufig in Mut-termilch vorkommendes Bakterium als Probiotikum enthält. Anhand der Stu-die zeigt sich ein klarer Vorteil für HiPP Combiotik®, denn die in HiPP Combio-tik® eingesetzte probiotische Kultur L. fermentum findet sich häufiger in der Muttermilch deutscher und öster-reichischer Mütter, als alle anderen der-zeit in Säuglingsnahrung verwendeten probiotischen Kulturen.

Literatur:1. Soto A et al. Lactobacilli and bifidobacteria in hu-man breast milk: influence of antibiotherapy and other host and clinical factors. J Pediatr Gastroenterol Nutr 2014 Feb 28. Epub ahead of print

Abb. 1: BU: Muttermilch ist auch aufgrund des breiten Spektrums an positiven Bakte-rien die beste Nahrung für den Säugling.

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1. Kongress für Schulgesundheit

Gesundheit macht Schule „Sozialer Jetlag“ bei Jugendlichen nimmt zu.

▬▬ Am 23. Mai trafen sich rund 270 Schulärzte, Direktoren, Lehrer und Schulpsychologen zum 1. Kongress für Schulgesundheit im Techgate Vienna. „Dieser Kongress ist ein Meilenstein für das Thema Schulgesundheit“, so Dr. Judith Glazer, Präsidentin der Gesell-schaft der Schulärztinnen und Schul-ärzte Österreichs. Neben brisanten Themen wie Essstörungen, häusliche Gewalt, Suizidprävention und dem ver-antwortungsvollen Umgang mit dem Internet, warnte Univ. Prof. Dr. Reinhold Kerbl, Präsident der Österr. Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde vor einer Zunahme des „sozialen Jetlags“ bei Jugendlichen, der vor allem durch den Gebrauch von Smartphones und Computern in den späten Abendstun-den gefördert wird – und gab Tipps für die Schlafhygiene im Schulalltag. Auch die GSÖ zog Bilanz: Seit 2009 hat die Gesellschaft mit ihren Aufklärungspro-jekten rund 1.400.000 SchülerInnen erreicht.

Vertrauen in den SchularztVon O-Beinen über die Erstversorgung von Platzwunden nach dem letzten Pausengerangel bis hin zum epilepti-schen Anfall oder einem homosexuel-len Outing – das Tätigkeitsfeld der Schulärzte ist mehr als breit. „Nur wenn alle Berufsgruppen im Bereich Schule und Kinder- und Jugendgesundheit zu-sammenarbeiten, können wir die Schü-ler bestmöglich unterstützen“, ist Schulärztin Dr. Judith Glazer über-zeugt. „Schulärzte haben zu Schüler-Innen oft ein Vertrauensverhältnis, das über Jahre aufgebaut ist. Der Kontakt zum Schularzt ist meist der erste Arzt-kontakt ohne Eltern – und damit eine Möglichkeit ganz offen zu sprechen.“

Gesundheitliche Chancen- gleichheit „Wir wissen, dass viele Erkrankungen in bestimmten Bevölkerungsgruppen häufiger vorkommen“, so Dr. Judith Glazer. „In ihrem familiären Umfeld ha-ben leider nicht alle Kinder die gleichen Chancen auf einen gesunden Start ins Erwachsenenleben – aber sie alle ge-hen in die Schule! Dort haben wir die Chance, eine Basis an Gesundheitsbil-dung mitzugeben und darüber hinaus Erkrankungen des Körpers und auch der Seele früh zu erkennen.“ Umso mehr freute sich die GSÖ über die Unterstützung des Kongresses durch den Fonds Gesundes Österreich.

Lerchen & Eulen„Ja, es gibt sie wirklich – die Lerchen und die Eulen“, bestätigte Univ. Prof. Dr. Reinhold Kerbl und zeigte Studien-ergebnisse, die diese landläufige Ver-mutung untermauern. Man spricht von unterschiedlichen „Chronotypen“. „Der soziale Jetlag ergibt sich dann, wenn der individuelle ‚Chronotyp‘ mit den Bedingungen des sozialen Umfelds nicht übereinstimmt“. Prinzipiell brau-chen Pubertierende mehr Schlaf als Er-wachsene. Doch haben Jugendliche ein erhöhtes Risiko für den sozialen Jetlag, weil sich innerhalb weniger Jahre der Zeitpunkt des ‚midsleep‘ (Schlafmitte) stark nach hinten verschiebt.

Diese Verschiebung scheint einer-seits endogen festgelegt, andererseits aber durch veränderte Lebensumstän-de mitbedingt bzw. zusätzlich geför-dert, z.B. durch nächtlichen Gebrauch des Mobiltelefons, TV im eigenen Zim-mer, Internet, Ausgehen am Wochen-ende. Diese „phase delay“ führt in wei-terer Folge häufig zu einem Schlaf- defizit während der Woche, das auch am Wochenende nicht kompensiert

werden kann. Daraus resultieren u.a. Tagesmüdigkeit, Leistungsdefizit, aber auch Störungen des psychischen Be-findens (z.B. Depressionen), die wiede-rum sehr ernst genommen werden sollten. „Die meisten Schlafprobleme sind allerdings nicht organisch bedingt, sondern nur vorübergehend“, beruhigt Kerbl. Mit etwa 18 Jahren stabilisiert sich das Schlafbedürfnis wieder. „Ein Schulbeginn rund eine Stunde später wäre für die meisten Schüler ein gro-ßer Gewinn“, so Prof. Kerbl.

Neue ProjekteDie Gesellschaft der SchulärztInnen

präsentierte im Rahmen des Kongres-ses auch ihre neuen Projekte zur Ge-sundheitsförderung und Aufklärung. Neu sind ein Aufklärungsprojekt zum Thema „Bettnässen“ sowie ein Projekt zur Förderung der Früherkennung von Schuppenflechte und Aufklärungsma-terial für betroffene SchülerInnen.

Abb. 1: BU: Dr. Judith Glazer, Präsidentin der GSÖ – Gesellschaft der SchulärztInnen Österreichs

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Mit dem Kongress und dem großen An-drang zeigt sich die GSÖ mehr als zu-frieden: „Das Interesse der Teilnehmer war riesengroß. Hoffentlich ein Auftakt für eine noch bessere Zusammenarbeit der Berufsgruppen im Bereich der Kin-

der- und Jugendgesundheit“, so Präsidentin Dr. Judith Glazer. Der nächste Kongress für Schulgesundheit ist im Frühjahr 2016 geplant.

Die Gesellschaft der Schulärztin-nen und Schulärzte Österreichs „Seit 2008 engagiert sich die Gesell-schaft der Schulärztinnen und Schul-ärzte für mehr Gesundheitsbildung an Österreichs Schulen. „In den letzten Jahren hat die GSÖ gezeigt, dass durch persönliches Engagement und Eigen-initiative viel erreicht werden kann: Jährlich setzt die GSÖ mehrere The-menschwerpunkte an Österreichs Schulen um und stellt in Kooperation mit medizinischen Fachgesellschaften kompetentes und unterhaltsames Auf-klärungsmaterial zur Verfügung, das von tausenden Schulen verwendet wird. Unser Ziel: „Gesundheit soll Spaß

machen.“ Bis dato konnten rund 1.400.000 SchülerInnen erreicht werden.

Informationen: www.schulaerzte.at

Abb. 2: Prof. DDr. Hans-Christoph Steinhausen, Keynote-Speaker von der Universität Aalborg/Dänemark

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Abb. 3: Publikum

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Pädiatrische Onkologie

Österreich ist Vorreiter in der Behandlung von KinderkrebsEuropaweit liegt die Überlebensrate von an Krebs erkrankten Kindern in den ersten fünf Jahren bei 81 Prozent. In Österreich sind es mehr als 87 Prozent.

▬▬ Laut einer europaweiten Studie (EUROCARE-5), die im Zeitraum von 1999 bis 2007 das Überleben von knapp 60.000 an Krebs erkrankten Kin-der bis zu einem Alter von 14 Jahren untersuchte, überlebten in den ersten fünf Jahren durchschnittlich 81,2 Pro-zent1 der Patienten. In Österreich waren es 87,7 Prozent, wie die renommierte internationale Fachzeitschrift "The Lan-cet Oncology" 2013 berichtete. Dieses Ergebnis unterstreicht einmal mehr die hohe Qualität und Expertise in der Krebsbehandlung von Kindern und Jugendlichen in Österreich. Da das Überleben, abhängig von der jeweili-gen Krebsform, verschieden ist und die

Behandlungsstrategien zwischen den westlich europäischen Ländern nicht so unterschiedlich sind, beleuchteten und diskutierten Experten aus den Be-reichen Gesundheit, Jugendheilkunde, Forschung und Psychologie im Rahmen einer Podiumsdiskussion im St. Anna Kinderspital die Gründe für die beson-ders erfolgreiche Umsetzung der Be-handlungsstrategien in der österreichi-schen Kinderonkologie.

Interdisziplinäre Zusammen-arbeit„Die Größe unseres Landes begünstigt die Konzentration der Behandlung von an Krebs erkrankten Kindern und Ju-

gendlichen auf relativ wenige Zentren, in denen ein außerordentlich hohes Maß an Kompetenz und Erfahrung in der Versorgung vorliegt. Die interdis-ziplinäre Zusammenarbeit von Ärzten aller medizinischer Fachrichtungen, ge-meinsam mit der Pflege und den psy-chosozialen Mitarbeitern, in engster Kooperation mit einem Forschungsin-stitut, in dem Forschung auf interna-tional höchstem Niveau durchgeführt wird, ist ein herausragendes Merkmal der österreichischen Versorgung und in dieser Konstellation einzigartig“, er-

1 Hirntumore wegen länderweise unterschied-licher Klassifikation exkludiert

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läutert Univ. Prof. Dr. Wolfgang Holter, Ärztlicher Direktor des St. Anna-Kin-derspitals und Direktor der Kinder-krebsforschung Wien (CCRI).

Forschung und EntwicklungNeben der Erforschung der Krebsursa-chen ist heute auch die Analyse patien-tenindividueller Veränderungen des erkrankten Gewebes eine wichtige Auf-gabe der Forschungslaboratorien. Die-se Analysen erlauben, dass den Patien-ten die für sie angepasste und geeig-netste Therapie zuteil wird, so Univ. Prof. Dr. Heinrich Kovar, Wissenschaft-licher Direktor der St. Anna Kinder-krebsforschung. Ein wichtiges Ziel der Forschung ist auch die Entwicklung einer sanfteren Therapie, die ohne Wir-kungsverlust ungewünschte Spätfol-gen minimiert und auch jenen Patien-ten hilft, die heute noch nicht geheilt werden können.

Psychosoziale BetreuungEine besondere Bedeutung kommt da-rüber hinaus auch der psychosozialen Betreuung der an Krebs erkrankten Kinder und ihrer Familien zu. Denn die-se psychosoziale Versorgung gibt den Betroffenen nicht nur Halt und stärkt die Familien, sondern ermöglicht in vie-len Fällen, durch die Förderung des kindlichen Krankheitsverständnisses und die psychologische Vorbereitung der Kinder auf beängstigende oder schmerzhafte Prozeduren, erst die me-dizinische Behandlung in der notwen-digen Dichte und Konsequenz. Begüns-tigt wird dies vor allem durch die we-nigen und sehr spezialisierten Kliniken,

wo psychosoziale Mitarbeiter aus-schließlich im Bereich der Kinderonko-logie tätig und somit in das onkologi-sche Behandlungsteam integriert sein können, beschreibt Mag. Dr. Ulrike Leiss, Klinische und Gesundheitspsy-chologin sowie Klinische Neuropsycho-login an der pädiatrischen Neuro-On-kologie der Univ. Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde in Wien.

BuchpräsentationWie wichtig und notwendig neben der medizinischen Behandlung und der in-tensiven pflegerischen Betreuung auch die Unterstützung durch Mitarbeiter aus Psychologie, Sozialarbeit, Kunst- und Musiktherapie, Kindergartenpäd-agogik, Schule und Seelsorge notwen-dig für eine positive Krankheitsbewäl-tigung ist, betont auch Univ. Prof. Dr. Irene Slavc, Neuroonkologin an der Universitätskinderklinik Wien, die das Buch „Das krebskranke Kind und sein Umfeld“, das im Rahmen der Veranstal-tung erstmals präsentiert wird, vor-stellt. Sehr ausführlich und anhand von Erfahrungen aus der Praxis wird die Entwicklung und Anwendung von Interdisziplinarität innerhalb der öster-reichischen Kinderonkologie im Buch dargestellt.

Familienorientierte Rehabilita-tionWie Slavc am Beispiel der Behandlung von Hirntumoren erläutert, ist neben der Grundlagenforschung und dem neuropsychologischer Nachsorgebe-darf auch das Konzept der familien-orientierten Rehabilitation ein wichti-

ges Ziel. „Ermöglicht wird die ganzheit-lich medizinische und psychosoziale Betreuung von Patienten und ihren Fa-milien durch die Kooperation unter-schiedlicher Organisationen, wie bei-spielsweise dem Familienzentrum Ro-nald McDonald Haus, den Clinic Clowns, dem Roten Kreuz oder dem Projekt „Familienlotse – externer psy-chologischer Betreuungsdienst“ sowie das langjährige Engagement und die finanzielle Unterstützung der Kinder-Krebs-Hilfe Elterninitiativen in den Bun-desländern und der österreichischen Kinder-Krebs-Hilfe“, erklärt Dr. Rein-hard J. Topf, Leiter der Psychosozialen Abteilung des St. Anna Kinderspitals und Herausgeber des im Rahmen der Podiumsdiskussion vorgestellten Bu-ches. Das Einbeziehen des gesamten

Abb. 1: Krebskrankes Kind und sein Umfeld

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Fachkurzinformation siehe Seite 32

Umfeldes der krebskranken Kinder und Jugendlichen in die Betreuung ist dem Experten dabei besonders wichtig.

Versorgungslücke in der Nach-sorgeMit den stetig steigenden und sehr er-freulichen Überlebensraten der letzten Jahrzehnte steigt jedochauch der Bedarf nach entsprechenden Nachsorgekonzepten. Der Bedarf nach einer kontinuierlichen, spezialisierten Nachsorge wird vor allem von ehemals Betroffenen sowie deren Familien ge-fordert. Carina Schneider erkrankte mit 17 Jahren an Knochenkrebs und wur-de im St. Anna-Kinderspital erfolgreich behandelt. Als Betroffene und Mitglied der „Survivors“ (Interessensgemein-schaft Erwachsener, die in ihrer Kind-heit/Jugend an Krebs erkrankt waren) sieht sie die Versorgungslücke in der Kinderonkologie im Fehlen der medi-zinischen und psychosozialen Lang-zeitnachsorge. Denn gerade in Bezug auf mögliche Spätfolgen ist eine kon-tinuierliche Nachsorge der Betroffenen als Gesundheitsvorsorge von großer Relevanz. Ein neues Werkzeug wird da-bei der sogenannte Survivorship-Pass-port sein. Dieses von Survivors mit Me-dizinern entwickelte Tool soll den Be-troffenen und Medizinern gleicherma-ßen eine wichtige Unterstützung und

„Datenbank“ für eine adäquate Nach-sorge sein.

„Wir wissen oft nicht, an wen wir uns wenden sollen, wenn Jahre nach der Behandlung Beschwerden auftreten. Wir fordern eine auf unsere Bedürfnis-se zugeschnittene Langzeitnachsorge. Das würde die auch von den Medizi-nern „diagnostizierte“ Versorgungslü-cke im Bereich der Nachsorge endlich schließen“, sagt Schneider am Podium. Im Sinne einer Langzeitnachsorge wird daher ein multidisziplinäres Team von Spezialisten aus der Kinderonkologie, der Erwachsenenmedizin und der Psy-chologie gefordert, an das sich ehema-lige Patienten wenden können. Um derartigen Forderungen nachzukom-men, steht Österreich, trotz einiger er-folgreicher Projekte, jedoch am Beginn einer dringend notwendigen Entwick-lung.

Denn trotz jahrelanger Bemühun-gen für krebskranke Kinder, ist in Ös-terreich noch immer keine geordnete hämato-onkologische Rehabilitation etabliert. Viele „Survivors“ gehen be-dauerlicherweise noch immer ohne op-timale Bedingungen in das „Leben da-nach“, kritisiert Primarius Univ.-Prof. Dr. Reinhold Kerbl, Präsident der Österrei-chischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ). Primarius Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Sperl, Mitglied

des wissenschaftlichen Beirates der „In-itiative Kinder- und Jugendrehabilita-tion in Österreich“, fordert deshalb eine rasche Umsetzung des österreichi-schen Konzeptes für Kinder- und Ju-gendrehabilitation durch Errichtung und Betrieb von familienorientierten Rehabilitationszentren mit Priorität für krebskranke Kinder, wie sie in Deutsch-land bereits seit vielen Jahren Standard sind.

„Um den speziellen Anforderungen und Bedürfnissen der an Krebs erkrank-ten Kinder und Jugendlichen besser gerecht zu werden, widmet sich das geplante nationale Krebsprogramm, das derzeit im Gesundheitsministerium in Zusammenarbeit mit dem Onkolo-giebeirat fertig gestellt wird, unter an-derem den besonderen Herausforde-rungen der onkologischen Versorgung von Kinder und Jugendlichen. Die zwei großen Ziele sind die bedarfsorientier-te Bereitstellung einer familienorien-tierten stationären Rehabilitation und die Implementierung eines „Survivors-hip Passports“ für an Krebs erkrankte Kinder und Jugendliche. Damit wollen wir die besten Voraussetzungen in der Phase der Erkrankung schaffen und eine lebenslange Nachsorge nach der Krebserkrankung sicherstellen“, betont Alois Stöger, Bundesminister für Ge-sundheit, am Ende der Podiumsdiskus-sion.

Fazit Die Experten der Podiumsdiskussion waren sich darüber einig, dass Öster-reich eine Vorreiterrolle in der erfolg-reichen Kinderkrebsbehandlung ein-nimmt, jedoch, im Sinne der Lebens-qualität der Betroffenen, noch Hand-lungsbedarf in der kontinuierlichen und spezialisierten Nachsorge besteht. Nun sind Politik, Entscheidungsträger und Organisationen gleichermaßen gefordert, die hochgesteckten Ziele rasch umzusetzen, damit die Kinder und Jugendlichen ihre zweite Chance, die sie in jungen Jahren durch ihren Kampf gegen den Krebs ergriffen ha-ben, auch weiterhin gut nutzen kön-nen.

Abb. 2: Die Experten der Podiumsdiskussion, v.l.n.r.: Univ.-Prof. Dr. Reinhold Kerbl, Univ.-Prof. Dr. Heinrich Kovar, Dr. Reinhard J. Topf, Alois Stöger, Carina Schneider, Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Sperl, Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Holter, Univ.-Prof. Dr. Irene Slavc, Mag. Dr. Ulrike Leiss

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ÖGKJ Pädiatrietage 2014: Satellitensymposium

Babys empfindliches BäuchleinHäufige gastrointestinale Symptome im Säuglingsalter Gastrointestinale Symptome im Säuglingsalter sind ein häufiges Thema in der pädiatrischen Praxis. Die mögli-cherweise weitreichenden Auswirkungen einer Kuhmilchproteinallergie sowie der gastroösophagealen Re-fluxkrankheit und infantiler Koliken werden in einem hochkarätig besetzten Satellitensymposium im Rahmen der diesjährigen Pädiatrietage der ÖGKJ in Venedig vom 20.-21. November 2014 behandelt (siehe Kasten). Hier ein kleiner Vorgeschmack auf die beiden spannenden Vorträge.

Wenn die Milch dem Bauch nicht schmecktDie Proteine der Kuhmilch sind in der Regel nach den mütterlichen die ers-ten Fremdeiweiße und damit poten-ziellen Nahrungsmittelallergene, mit welchen ein Mensch konfrontiert wird. Epidemiologische Daten ergaben, dass bis zu 10% der Säuglinge eine (meist passagere) Kuhmilchproteinallergie (KMPA) entwickeln, weshalb die KMPA auch die häufigste Nahrungsmittel- allergie in dieser Altersgruppe ist. Er-freulich ist die vergleichsweise gute Prognose, da gezeigt wurde, dass weit mehr als 80% aller betroffenen Patien-ten nach dem vollendeten 3. Lebens-jahr wieder symptomfrei sind.

Eine Ursache, viele SymptomeDie ersten Symptome einer KMPA tre-ten Tage bis Wochen nach Beginn der KMP-haltigen Ernährung auf – bei fast 90% der betroffenen Säuglinge schon in den ersten 4 Wochen. Knapp 25% dieser Kinder sind ausschließlich ge-stillt, wobei KMP aus der mütterlichen Diät in die Muttermilch übergehen und so die allergische Reaktion beim Kind hervorrufen.

Die sehr variable klinische Sympto-matik betrifft im Wesentlichen drei Organsysteme, wobei 90% der er-krankten Säuglinge systemübergrei-fende Symptome haben:

F Haut (Ekzem, Urtikaria, …) F Respirationstrakt (Rhinitis, bron-chiale Obstruktion, …)

F Gastrointestinaltrakt (Nausea, Er-brechen, Diarrhoe, Gedeihstörung, Reflux, Obstipation, …)

Klinische Manifestationen und DiagnoseGrundsätzlich gilt es zu unterscheiden:

…IgE-vermittelte Immunreaktionen: Sofortreaktionen innerhalb von Minu-ten bis zu 2 Stunden; meist kutane und respiratorische Symptome

…nicht-IgE-(v.a. zell)-vermittelte Im-munreaktionen und Mischformen: Ver-zögerte Reaktion (1-6 Stunden bis zu Wochen); meist gastrointestinale Ma-nifestationen

Spezialfälle infantile Prokto- kolitis und Enterokolitis Bei der infantilen Proktokolitis ist meist die Schleimhaut des Rektums und dis-talen Sigmas betroffen. Typische Symptome sind häufigere und blutige Stühle, Schleimbeimengungen, Defä-kationsschmerz bei ansonsten gutem Allgemeinzustand. Nicht immer ist eine KMPA für eine Proktokolitis verant-wortlich. Daher sollten Infektionen mit analen Blutungen (u. a. ß-hämolysie-rende Streptokokken A) ausgeschlos-sen werden.

Die KMP-Enterokolitis manifestiert sich eher chronisch-intermittierend: Leitsymptome sind Erbrechen und Di-arrhoe ca. 2-4 Stunden nach Kuhmilch-gabe. Differenzialdiagnostisch ist auch hier der Ausschluss infektiöser Ursa-chen bzw. einer nekrotisierenden En-terokolitis wichtig.

Die diagnostische Vorgehensweise wird beim Symposium besprochen. Letztlich ist standardisierte KMP-Bela-stung unter stationärer Observanz, u.U. „offen“ oder sogar als DBPCFC („doub-

le blind placebo controlled food chal-lenge") diagnostischer Goldstandard.

Therapie – keine Alternative zu eHF/AAFMit strikter Nahrungsumstellung ist die KMPA gut in den Griff zu bekom-men. Als "therapeutische Nahrungen" gelten Formulanahrungen mit exten-siv hydrolysiertem Eiweißanteil (eHF) oder Aminosäuren-Formulanahrun-gen (AAF), die meist bis zum Ende des 1. Lebensjahres bzw. bis zur Entwick-lung von Toleranz gegeben werden. Empfehlenswert ist, auf bewährte Pro-dukte zurückzugreifen. Formulanah-

Babys empfindliches Bäuchlein

Diagnose und Behandlung häufiger gastrointestinaler Symptome im Säuglingsalter Milupa-Symposium im Rahmen der Pädiatrietage der ÖGKJ 2014

Freitag, 21. November 201412.30-14.00 Uhr Palazzo Cavalli FranchettiVenedig

Wenn die Milch dem Bauch nicht schmeckt Kuhmilchsensitive Enteropathie und infantile Proktokolitis

Univ. Prof. Dr. Almuthe C. HauerKlinische Abteilung für Allgemeine Pädiatrie, Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde Graz

Von Spei- und Schreibabys Gastroösophagealer Reflux und Koliken

Prof. Dr. Tobias G. Wenzl, FRCPCHKlinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum der RWTH Aachen

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rungen auf Sojabasis oder HA-Nah-rungen gelten als ungeeignet. Bei ge-stillten Säuglingen ist weiter zu stil-len, die Mutter soll allerdings zunächst zwei Wochen lang auf Kuhmilchpro-dukte verzichten. Genauere Therapie-empfehlungen werden ebenfalls beim Symposium erörtert.

Gastroösophagealer Reflux (GÖR)GÖR beruht bei Säuglingen und Kin-dern meist auf einer vorübergehen-den Relaxation des unteren Ösopha-gus-Sphinkter ohne peristaltische Welle. Diese Relaxationen werden durch Neurotransmitter des enter-ischen Nervensystems vermittelt. Kommt der GÖR bei Säuglingen in Kombination mit häufigen Regurgi-tationen, aber ohne weitere Sympto-matik vor, hat er keine klinische Rele-vanz. Diagnostische und therapeuti-sche Maßnahmen sind hier nicht not-wendig.

Erst wenn weitere Symptome auf-treten (Sodbrennen, Schluck-, Gedeih- oder Schlafstörungen, rezidivierende Luftwegsinfekte, Husten, Apnoen und Aspirationen), spricht man von GÖR-Krankheit.

Eine Krankheit, verschiedene AuslöserUnterschieden wird der primäre vom sekundären GÖR. Der primäre Reflux tritt aufgrund funktioneller und ana-

tomischer Störungen der ösophago-gastralen Einheit, aber auch zur Druck-entlastung des Magens auf. Zu den Auslösern eines sekundären GÖR ge-hören u. a. Gastroenteritiden, Nah-rungsmittelunverträglichkeiten, Harn-wegsinfekte, Stoffwechselstörungen und Erkrankungen des ZNS.

Erste Hilfe bei GÖR: AndickenZum diagnostischen Standard gehö-ren katheter-basierte intraösophage-ale Langzeit-Messmethoden (pH-Me-trie, Impedanzmessung) sowie Endo-skopie und anschließende Histologie. Beim gelegentlich spuckenden, aber gut gedeihenden Säugling ist neben einer Beratung der Eltern und dem An-dicken der Milch bzw. Gabe von bereits angedickter Formulanahrung keine weitere Intervention nötig. Bei anhal-tendem oder kompliziertem GÖR er-folgt neben der Gabe angedickter Nah-rung die Therapie entsprechend den Empfehlungen der Fachgesellschaften (ESPGHAN / NASPGHAN). Im Sympo-sium werden diverse Therapieansätze (medikamentös, chirurgisch) vorge-stellt und diskutiert.

Koliken und mögliche BehandlungAufgrund der Multikausalität gibt es im Fall von kindlichen Koliken keine ein-heitlichen Kriterien für ein bestimmtes Therapieschema. Stillende sollten zwei

Wochen lang auf Kuhmilchprodukte verzichten und die Reaktion des Säug-lings abwarten. Formulaernährte Kin-der erhalten eine Säuglingsnahrung mit extensiv hydrolisiertem Eiweißan-teil (eHF). Einige randomisierte kon- trollierte Studien haben gezeigt, dass auch teil-hydrolysierte Formulanah-rung auf Molke-Basis eine gute Alter-native ist, sofern KMPA als Ursache ausgeschlossen werden kann.

Aktuelle Erkenntnisse gibt es zu einer neuen Formulanahrung, in der die bewährte Prebiotikamischung aus kurzkettigen Galacto-Oligosacchari-den und langkettigen Fructo-Oligosac-chariden (scGOS/lcFOS 9:1) mit der fer-mentierten Lactofidus™-Formulamilch (LF) kombiniert wurde. In einer rando-misierten, doppelblind-placebo-kont-rollierten Multicenter-Studie wurde diese Rezeptur an 292 Kindern getes-tet. Die Inzidenz von Koliken war spe-ziell bei 4 Wochen alten Säuglingen, welche die Kombination aus Prebioti-ka und LF bekamen, um 60% geringer als in der Formula-Kontrollgruppe.

FazitFür viele gastrointestinale Störungen gibt es eine Lösung, so dass bei recht-zeitiger Diagnose und adäquater The-rapie den betroffenen Säuglingen und ihren Familien geholfen werden kann.

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Pädiatrischer Frühling, Schloss Seggau 2014 – Lunchsymposium

Die ersten 1.000 TageWie Ernährung das Leben prägen kannEpigenetik und frühkindliche Stoffwechsel-Prägung stehen seit kurzem im Mittelpunkt der internationalen Forschung. In den ersten 1.000 Tagen im Leben eines Menschen – im Zeitraum zwischen Empfängnis und etwa dem zweiten Geburtstag – werden viele Weichen für die spätere Gesundheit gestellt. Der Ernährung kommt dabei eine besondere Rolle zu. So haben das Essverhalten der Schwangeren sowie jenes des Säuglings und Kleinkindes langfristigen Einfluss auf die spätere Gesundheit, vor allem auf das Risiko für Zivilisationserkran-kungen. Diesem spannenden Thema widmete sich das hochkarätig besetzte Milupa-Symposium im Rahmen des Pädiatrischen Frühlings 2014.

Epigenetische EinflüsseZunächst umriss Univ.-Prof. Dr. Jürgen König, Department für Ernährungswis-senschaften der Universität Wien, die epigenetischen Einflüsse auf die Ge-sundheit: DJP Barker beobachtete schon in den 1990er-Jahren einen Zusammen-hang zwischen Geburtsgewicht und dem Risiko für koronare Herzerkrankun-gen (1). Er zeigte auf, dass fetale Unter-ernährung mit Hypertonie, Diabetes mellitus Typ II, Störungen des Fettstoff-wechsels sowie der Blutgerinnung, in Summe und als letzte Konsequenz mit einer erhöhten Mortalität im Erwachse-nenalter einher geht.

Diese epidemiologischen Betrach-tungen wurden in der Folge bioche-misch-molekularbiologisch näher untersucht und in Form der Thrifty Phe-notype Hypothesis formuliert (2). Die-se geht davon aus, dass der Fötus sich an eine qualitative oder quantitative Fehlernährung durch Veränderungen seiner Physiologie und seines Stoff-wechsels anpasst. Je nachdem zu wel-chem Zeitpunkt der Schwangerschaft dies stattfindet, sind die Veränderun-gen im Metabolismus unterschiedlich ausgeprägt.

Einfluss der Ernährung auf die GenexpressionDie diesem Phänomen zugrunde liegen-den epigenetischen Mechanismen wur-den am Mausmodell mit der so genann-ten Agouti-Maus untersucht (3). „Verab-reichte man Muttertieren Supplemen-

te mit Methyldonatoren, veränderte sich infolge der DNA-Methylierung die Fell-farbe der Nachkommen. Anders ausge-drückt: Die Ernährung ändert hier die Expression der Gene“, so König.

Ein ähnliches Phänomen konnte bei der Honigbiene beobachtet werden (4). Hier kam es nach der längerfristigen Er-nährung mit Gelée Royale zu einer Blo-ckierung der DNA-Methyltranferase. In-folge dessen entwickelten sich aus glei-chen Larven mehr Bienenköniginnen. Die unterschiedliche Fütterung führte zu einem geänderten Phänotyp sowie zu einer etwa 40-fachen Lebenserwar-tung bei der Bienenkönigin im Vergleich mit den Arbeiterbienen (Abb. 2 siehe nächste Seite) (5).

Schließlich konnten mit den so ge-nannten "Hungerstudien" weitere Bei-spiele für eine Methylierung der DNA beim Menschen gefunden werden, die die Thrifty Phenotype Hypothesis untermauern (6). Die Geburtsjahrgän-ge von Hungerperioden (z. B. 1938/39 bzw. 1944/45) haben ein erhöhtes Ri-siko, an Diabetes mellitus Typ II zu er-kranken. Daraus kann abgeleitet wer-den, dass eine Mangelernährung in der Schwangerschaft zu einem Thrif-ty Phenotype führt. Unklar ist jedoch nach wie vor, welche Nährstoffe hier-für konkret verantwortlich sind.

Konkrete Empfehlungen noch nicht ableitbarEs gibt ausreichend Evidenz, dass Ear-ly Life Nutrition (inklusive Schwanger-

schaft) für die Gesundheit in späteren Lebensabschnitten eine große Rolle spielt. Qualitative und quantitative Fehlernährung haben Konsequenzen für den Föten. Konkrete diätetische Maßnahmen, welche von den allge-meinen Richtlinien zur gesunden Er-nährung abweichen, können zurzeit jedoch noch nicht formuliert werden. Epigenetische Einflüsse spielen defi-nitiv eine Rolle, sind aber vermutlich im Stellenwert den Lebensstilfakto-ren in späteren Lebensabschnitten unterzuordnen.

-15 Monate

-9 Monate

6 Jahre

2 Jahre

Geburt

Optimaler Einfluss auf Erkrankungsrisiko

(Prä) Befruchtung

Wichtiges Zeitfenster

Abb. 1: "Window of opportunity": Die ersten 1.000 Tage im Leben eines Kindes bieten viele Chancen, positiven Einfluss auf die spätere Gesundheit zu nehmen.

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Pränatale PräventionIm Rahmen seines Vortrags über die pränatale Prävention präsentierte Univ.-Prof. Dr. Gernot Desoye von der Univ.-Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Graz eingangs eine alar-mierende Statistik: „Weltweit ist jedes 5. Kind unter 12 Jahren übergewichtig oder adipös.“

Diesbezüglich ist die fetale Über-ernährung als problematisch zu be-trachten (7), da sie beim Säugling zu einem erhöhten Risiko für überpropor-tionales Adipozytenwachstum und Fettspeicherung führt. Gemäß dem "Pedersen-Freinkel-Konzept", einer Art circulus vitiosus, bei dem mütterliche Adipositas bzw. Gestationsdiabetes zu einem fetalen Hyperinsulinismus füh-ren, nimmt die Fettmasse bereits im Mutterleib zu.

Das Kind steuert auf eine gestörte Glukosetoleranz und Probleme in der eigenen Schwangerschaft (Gestations-diabetes, GDM) zu und bietet seinen Nachkommen ein ähnlich ungünstiges metabolisches Umfeld. Ein erhöhter prä-nataler Fettanteil ist außerdem mit einem erhöhten Fettanteil im 9. Lebens-jahr assoziiert und resultiert meist in einem erhöhten Körpergewicht im Er-wachsenenalter. „Denn“, so Desoye, „die Zahl der Fettzellen wird früh im Leben festgelegt, bleibt aber im Erwachsenen-alter stabil. Ein signifikanter Gewichts-verlust kann jedoch das Adipozyten-Vo-lumen verringern.“ (8) (Abb. 3).

Diesen Kreislauf gilt es zu unterbre-chen. Dies kann nur durch möglichst frühzeitige Intervention - am besten im Säuglings- und Kleinkind-, spätes-tens jedoch im Jugendalter gelingen.

DALI - mehr als nur ein großer KünstlerDas von der EU geförderte multizent-rische Projekt DALI "Vitamin D and Life-style Intervention for Gestational Dia-betes Prevention" (2010-2015) zielt da-rauf ab, die beste Intervention zur Prä-vention von Schwangerschaftsdiabe-tes zu finden (9). Untersucht wird da-bei der Einfluss der Ernährung allgemein und im Speziellen der Gabe von Vitamin D sowie der Einfluss von körperlicher Aktivität. Bislang konnten Interventionsstudien wie LIMIT und LIP(O) keinen wirklichen Effekt ausfin-dig machen. Dies liege laut Desoye je-doch hauptsächlich an der mangeln-den Compliance der Teilnehmerinnen, dem (zu späten) Zeitpunkt der Inter-vention (10, 11), der Betrachtung der falschen Parameter sowie der Auswahl inadäquater Interventionsmaßnah-men. In DALI sowie UPBEAT werden Interventionen basierend auf Metho-den der Motivationstherapie angewen-det. Dies lässt auf eine bessere Compli-ance hoffen. Die Ergebnisse beider Stu-dien werden 2015 vorliegen.

Nährstoffreich essen und viel bewegen„Die geeignete Prävention zur Vermei-dung von Adipositas beim Neugebo-renen bzw. in der Kindheit wurde noch nicht gefunden. Vielversprechend ha-ben sich jedoch körperliche Aktivität, ein insgesamt gesunder Essalltag und die Einnahme von Vitamin D-Supple-menten während der Schwanger-schaft erwiesen“, so das Resümee von Desoye.

Frühe Chancen nutzenZuletzt ergriff der Vorsitzende des Symposiums, Univ.-Doz. Dr. Daniel Weghuber, Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde, SALK, Paracelsus Medizinische Privatuniversität, das Wort und ergänzte Desoyes Statistik um Zahlen aus Österreich: 23 Prozent der Buben (4-18 Jahre) und 15 Prozent der Mädchen bringen zu viele Kilos auf die Waage. Dem entgegenzusteuern ist deshalb so schwierig, da es sich bei Adipositas um ein extrem komplexes Thema handelt, wie eine Beobachtung

<3 Tage mit Gelée Royalegefütterte Larven

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3–6 Tage mit Gelée Royalegefütterte Larven

Ein proteinreiches Sekret (Royalactin)aus der Oberkieferdrüse junger Arbeiterinnen

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Ernährung

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Abb. 2: Langfristige Ernährung mit Gelée Royale führt zu einer Blockierung der DNA-Methlytransferase.

Abb. 3: Die Zahl der Fettzellen wird früh im Leben festgelegt, bleibt im Erwachsenenalter stabil

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aus Kuba (12) zeigt: Ein Einbruch der Wirtschaft entsprach dort einem Ein-bruch der Inzidenzen von Adipositas und Diabetes mellitus. Die Verbesse-rung der ökonomischen Situation brachte jedoch einen Wiederanstieg der beiden Krankheitsbilder. Weghu-ber sieht hier einen Zusammenhang mit Food Marketing. Er fordert die In-dustrie auf, sich dazu zu verpflichten, dass Kinder nicht die Zielgruppe der Werbung für "high fat, salt and sugar"-Produkte sein sollten.

Gesundes Wachstum von Anfang anZurzeit werden international unter den Stichworten "Die ersten 1.000 Tage", "Ear-ly life nutrition" bzw. "early life pro-gramming" verschiedene Programme (z. B. EARNEST) initiiert. Wichtigster positi-ver "Programmierer" in der frühkindli-chen Ernährung ist zweifelsfrei die Mut-termilch. So schützt Stillen in Abhängig-keit von der Stilldauer vor Adipositas. Sechs Monate oder länger gestillte Kin-der haben ein geringeres Risiko für Adi-positas als niemals gestillte. Einer der Gründe dürfte in der Eiweißaufnahme liegen. Stillbabys nehmen signifikant we-niger Eiweiß als nicht gestillte Säuglinge auf. Koletzko et al stellten außerdem 2009 im Rahmen des "European Child-hood Obesity Projects" fest (13): Eine hö-here Eiweißaufnahme (2.9 und 4.4 g Pro-tein/100 kcal) über Säuglingsnahrung be-dingt ein signifikant höheres Gewicht mit 12 und 24 Monaten – als eine niedrige Ei-weißaufnahme über Säuglingsnahrung (1.77 und 2.2 g Protein/100 kcal). Der Prä-ventiveffekt einer eiweißreduzierten Kost ist besonders ausgeprägt für jene, die es besonders benötigen (BMI an der 90.-95. Perzentile). Das ist, so Weghofer, ermuti-gend. Dieser Zusammenhang wurde be-reits von Marie Rolland-Cachera in den 1980er Jahren und später beschrieben. Als metabolische Erklärung wird der An-stieg des Wachstumshormons IGF-1 so-wie die höhere Insulinausschüttung bei gleichzeitig verringerter Lipolyse ange-führt. Diese Faktoren können die Bildung von Adipozyten stimulieren, was schließ-lich zu einer Vermehrung der Fettmasse führen kann. (14)

Abbildung 4 zeigt die Ergebnisse einer Metaanalyse zum Zusammenhang zwi-schen Stilldauer und späterem Überge-wichtsrisiko des Kindes; dargestellt sind kombinierte (gepoolte) relative Risiken (OR, odds ratios mit 95% Konfidenzinter-vall) für Übergewicht bei unterschiedli-cher Stilldauer (15) (Abb. 4).

Essen will gelernt seinFaktoren und Zeiträume, die das Essver-halten in der Kindheit prägen, sind die Zeit der Milchernährung, jene der Bei-kosteinführung sowie der Umstieg auf die Familienkost im Kleinkindalter. Be-kannt ist, dass Geschmack, Geruch und Textur von Lebensmitteln, die in den ge-nannten Phasen kennengelernt werden, prägend für die Nahrungsmittelpräferen-zen der Kinder sind. Auch ist erwiesen, dass Frühgeburtlichkeit und SGA Status im Alter von zwei Jahren mit Ernährungs-schwierigkeiten assoziiert sind.

Man weiß heute, dass Aromen aus der Nahrung der Mutter in das Frucht-wasser bzw. die Muttermilch überge-hen. Ein vielfältiger Speiseplan der (werdenden) Mutter wirkt sich positiv auf das Essverhalten ihres Kindes aus. So sind gestillte Kinder von Müttern mit einem abwechslungsreichen Spei-seplan zum Zeitpunkt der Beikostein-führung weniger wählerisch als Kinder, deren Mütter sich einseitig ernähren (15). Dies stellt eine gute Voraussetzung für Lebensmittelvielfalt und damit einen ausgewogenen Essalltag im Kleinkindalter dar. Im Fetal- bzw. Säuglings alter findet also nicht nur eine metabolische sondern auch eine sensorische Programmierung statt.

Die Beikostphase ist häufig geprägt von Neophobie. Ein neuer Geschmack wird zunächst abgelehnt. Wiederholtes Anbieten (10-15x) erhöht die Akzeptanz. Übrigens übt Zucker hier keinen Einfluss aus, es ist die Vielfalt der Exposition, die ausschlaggebend ist (16). Kinder kön-nen es so lernen, neue Nahrungsmittel zu lieben. Das Zeitfenster erstreckt sich vom Ende des vierten Lebensmonats bis zum Alter von zwei Jahren.

ZusammenfassungIn den derzeit viel zitierten ersten 1.000 Tagen, gerechnet von der Befruchtung bis etwa zum zweiten Geburtstag des Kindes, können die Weichen für eine gesündere Zukunft gestellt werden. Adipositasprävention sollte möglichst früh in der Schwangerschaft beginnen und im Säuglings- und Kleinkindalter fortgesetzt werden. Normalgewicht vor und während der Schwangerschaft erhöht die Chancen des Kindes, selbst einmal normalgewichtig zu sein. Post-natal ist Muttermilch der wichtigste positive "Programmierer“ in der früh-kindlichen Ernährung. Weitere Fakto-ren und kritische Zeitpunkte für die Ausbildung der Essgewohnheiten sind die Einführung der Beikost sowie der Übergang zur Familienkost.

Dr. Renate Höhl

Quelle: Satellitensymposium der Fa. Milupa, 16. Mai 2014, Schloss Seggau – Pädiatrischer Frühling 2014

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Abb. 4: Zusammenhang zwischen Stilldauer und späterem Übergewicht des Kindes, Metaanalyse

Literatur:1 Barker DJP, BMJ 1995; 311:

171-1742 www.thebarkertheory.org3 Waterland RA, Jirtle RL, Mol Cell

Biol 2003; 23: 5293-53004 Kucharski at al, Science 2008;

319: 1827-305 Kamakura M. Royalactin

induces queen differentiation in honeybees. Nature 2011;473:478-83

6 Thurner et al, PNAS 2013: 110: 4703-07

7 Petersen 1988; Catalano AJOG 2003; Durnwald AJOG 2004; Sewell AJOG 2006

8 Spalding KL et al, Nature 453: 783 (2008)

9 www.DALI-project.eu 10 Carpenter MW, Diabetes Care

24: 1259 (2001)11 Riskin-Mashia S et al, Diabetes

Care 32: 1639, 200912 M Franco, BMJ April 201313 Koletzko B et al, Am J Clin Nutr.

2009 Jun; 89(6): 1836-184514 Cachera MR et al, Int J Obes

Relat Metab Disord 1995; 19: 573-578

15 Harder et al, Am J Epidemiol 2005; 162: 397-403

16 Hausner, Nicklaus, Issanchou, Molgaard, Loller, Clinical Nutrition 2010

17 Menella, Nicklaus, Jagolino, Yourshaw, Physiology & Behaviour 2008

TerminavisoECOG Kongress 13.-15. 11 2014, Salzburg

http://www.ecog-obesity.eu/index.php/ECOG2014

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Ernährung

Säuglingsnahrungen: gestern - heute - morgenNoch nie war es so leicht wie heute, einen Säugling, der nicht gestillt werden kann, zu ernähren.

Ausflug in die Geschichte Noch nie in der Menschheitsgeschich-te war es so leicht und sicher, einen Säugling, der nicht gestillt werden kann oder will, zu ernähren. Dies war nicht immer so: Noch vor ca. hundert Jahren war es lebensbedrohlich für den Säugling, wenn eine Mutter ihn – aus welchen Gründen auch immer – nicht stillen konnte. Und Gründe da-für gab es mehr als genug. Zum einen waren selbst die damaligen Ärzte nicht davon überzeugt, dass Stillen die beste Ernährung für einen Säugling ist, aber auch andere Gründe beding-ten regional sehr niedrige Stillraten.

Soziale Verhältnisse, insbesondere in den sich entwickelnden Großstäd-ten und während der industriellen Re-volution machten es Frauen und Müt-tern fast unmöglich, ihr Kind zu stil-len. Mütter mussten gleich nach der Geburt wieder arbeiten, und die Säug-lingssterblichkeit war in den Städten höher als am Land. Aber auch auf dem Land, in den bäuerlichen Regionen gab es genügend Gründe, warum jun-ge Mütter nicht stillen konnten. Aus dem süddeutschen Raum berichtet ein Pfarrer 1868: „eine Mutter wird als übertrieben faul verschrien, wenn sie sich entschließt und Zeit nimmt, ihrem Kinde die Brust zu reichen, und dar-um macht sie es am Ende lieber wie die anderen und lässt es bleiben ...“.

Aber auch in den sozialen Schichten, in denen es kein Arbeitszeitproblem gegeben hat, in den höheren Ständen waren die Stillraten sehr niedrig. Für eine Frau hohen Standes war es schlicht und einfach „unschicklich“ zu stillen. Auch die Dienste von Ammen wurden nur zögernd in Anspruch ge-nommen, sowohl aus Kostengründen als auch aus Überzeugung, dass der Charakter der Amme auf den Säugling überginge. Stattdessen bestand die gängige Säuglingsnahrung aus (sel-ten abgekochter) Kuhmilch, dünnem Mehlbrei und Zuckerwasser oder einer Wassersuppe.

Während man Obst und Gemüse lange Zeit als extrem schädlich für Säuglinge und Kleinkinder ansah, war man von der „stärkenden Wirkung“ des Weins überzeugt. Kaiser Joseph II. sah sich 1785 sogar dazu veranlasst, ein Gesetz zu erlassen, wonach es ver-boten war, Säuglingen und Kindern Wein zu geben. Magen-Darm-Erkran-kungen und Mangelerscheinungen waren häufig Folgen dieser Ernäh-rung, ein Zusammenhang zwischen „Darmgfrais“ – einer vielfach genann-ten Todesursache bei Säuglingen – und der Ernährung wurde allerdings nicht erkannt.

Die Folgen dieser Gebräuche wur-den lange Zeit nicht klar gesehen, spre-

chen aber eine eindeutige Sprache (Ab-bildung 1).

Ein Blick in die Geburts- und Sterbe-bücher der damaligen Zeit zeigt, dass die Mortalität von nicht gestillten Säuglingen dramatisch höher war, als von Gestillten unabhängig davon, in welchem Land der Vergleich angestellt wurde (Abbildung 2).

Beginn einer EntwicklungEs wundert daher nicht, dass vieler-

orts Anstrengungen unternommen wurden, diese unbefriedigende Situa-tion zu ändern. Gleichzeitig war es der Beginn einer Entwicklung, die vom ein-fachsten hergestellten löslichen Milch-pulver (Farine Lactee) bis hin zu hoch-qualitativen, ernährungsphysiologisch ausgeklügelten und mit zahlreichen Zusätzen ausgestatteten Säuglings-nahrungen der heutigen Zeit.

Wenn auch nach wie vor Stillen die natürliche und optimale Ernährung für gesunde Säuglinge ist, so gibt es heut-zutage auf Grund der hohen Qualität, die durch strenge EU Richtlinien fest-gelegt wird, keine Unterschiede mehr in Europa hinsichtlich der Mortalität zwischen gestillten und nicht-gestill-ten Säuglingen.

Industriell hergestellte SäuglingsnahrungenParallel mit der Entwicklung der in-dustriell hergestellten Säuglingsnah-rungen ist die Konkurrenz zum Stillen mehr und mehr in den Vordergrund getreten und sind künstliche Säug-lingsnahrungen nicht nur mehr Ergän-zung für den Fall, dass ein Kind nicht gestillt werden konnte, geworden, sondern in einen Wettbewerb mit dem Stillen getreten. Eine Entwick-lung, die insbesondere in den 60 er Jahren des vergangenen Jahrhunderts begonnen hat und auch mit den dra-matischen gesellschaftlichen Verän-

Tab. 1: Säuglingsmortalität 1728 - 1790 (auf 1.000 Lebendgeborene)1)

Jahr Säuglingssterblichkeitsrate 1. Woche 1. Monat 2.-12. Monat

1716 2) 486

1728-1729 554

1752-1754 406 75 161 245

1783-1786 475

1789/91 494

1) Stadt und Vorstädte. - 2) etwa 25%ige Stichprobe.

Quelle: Weigl, Demographischer Wandel, 206 f. - Peller, Kenntnis, 240.. - Travnicek, Wien 1716. - Sedlaczek, Löwy, Wien, 13-17. - de Luca, Topographie, 35, 47-52

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derungen dieser Zeit einhergegangen ist. Die bewegten Zeiten der sexuel-len Befreiung, die aufkeimende Frau-enbewegung und der Feminismus wurden begleitet von einer zuneh-menden Verdrängung der natürlichen, entwicklungsphysiologisch und phy-logenetisch vorgegebenen Ernährung des Säuglings in Form des Stillens. Die Stillraten sanken kontinuierlich bis sie in den 80er Jahren in Europa einen Tiefpunkt erreichten. Die Gegenströ-mung wurde von WHO und UNICEF tatkräftig unterstützt und führte zur Festlegung von klaren Grenzen der Werbung und der Vermarktungsbe-dürfnisse der großen Säuglingsnah-rungshersteller. Letztendlich war es auch die Erkenntnis, dass Stillen nicht nur ernährungsphysiologische kurz-fristige Vorteile sondern weit über den Vorgang der Nahrungszufuhr hinaus-gehende nachhaltige Aspekte auf-weist, die zu einem Anstieg der Still-raten führte.

Nationale und internationale Empfehlungen Von medizinisch pädiatrischer Seite liegt die Idealvorstellung in einem kon-

sensuellen Neben- und Miteinander: Stillen als natürliche, nicht begrün-densnotwendige optimale Ernährung, das in Fällen, in denen es nicht mög-lich ist, zu stillen, durch qualitativ höchstwertige Säuglingsnahrungen, die ein optimales Wachsen und Gedei-hen, ohne nachteilige Konsequenzen für das Kind eingesetzt bzw. ergänzt werden kann.

Vor diesem Hintergrund sind auch die derzeitigen Empfehlungen der na-tionalen und internationalen Gesell-schaften für die Ernährung von gesun-den Säuglingen zu sehen. Sie empfeh-len durchaus einheitlich Stillen und dann, wenn ein Säugling, nicht (voll) gestillt wird, die Verwendung einer Säuglingsanfangsnahrung, vor allem einer Pre-Nahrung oder 1-Nahrung. Im-mer wieder wird auch gleichzeitig be-tont, dass diese Anfangsnahrungen nicht nur in den ersten Lebensmona-ten gegeben werden können, sondern im gesamten ersten Lebensjahr ad li-bitum gefüttert werden. In den ersten etwa 4 Lebensmonaten sollen aus-schließlich Säuglingsanfangsnahrun-gen, keine Folgenahrungen als Mutter-milchersatz gefüttert werden. Der gro-

ße Vorteil der Anfangsnahrungen liegt auch darin, dass sie wie Muttermilch hinsichtlich Menge und Mahlzeitenfre-quenz ad libitum gefüttert werden können.

Die Zusammensetzung der am euro-päischen Markt befindlichen Anfangs-nahrungen ist streng EU gesetzlich ge-regelt. Diese Regelungen umfassen so-wohl die Makronährstoffe, wie z.B. Ei-weißquellen (Kuhmilcheiweiß oder So-jabohneneiweißisolate oder daraus ge-wonnene Eiweißhydrolysate), Gehalt und Zusammensetzung der Kohlenhy-drate, wie auch den Gehalt an Mikro-nährstoffen und Zusätzen.

Nach Einführung von Beikost ab dem 5. Lebensmonat können dann auch Fol-genahrungen ab dem vollendeten 6. Lebensmonat verwendet werden, wo-bei nochmals zu betonen ist, dass es keine Notwendigkeit und keine Vortei-le für die Verwendung dieser Produkt-klasse gibt, mit einer Ausnahme, diese Nahrungen sind billiger.

Erhöhtes AllergierisikoWenn es bei einem Säugling in der Fa-milie allergische Erkrankungen gibt, die auf ein erhöhtes Allergierisiko hindeu-

Tab. 2: Vergleich der Mortalität und der Überlebensrate bis zum Ende des 1. Lebensjahres zwischen gestillten und nicht-gestillten Säuglingen in unterschiedlichen Städten

Mortality (per 1000) Survivors to age 1 (per 1000)

Date Breastfed Artificially fed Breastfed Artificially fed Difference

Berlin, Germany 1895-96 57 376 943 624 319

Barmen, Germany 1905 68 379 932 621 311

Hanover, Germany 1912 96 296 304 704 200

Boston, Mass. 1911 30 212 370 788 182

Eight U.S. cities* 1911-16 76 255 324 745 179

Paris, France 1900 140 310 860 690 170

Cologne, Germany 1908-09 73 241 927 759 168

Amsterdam, Holland 1904 144 304 856 696 160

Liverpool, England 1905 84 134 916 866 144

Eight U.S. cities † 1911-16 76 215 924 785 139

Derby, England 1900-03 70 198 930 802 128

Chicago, III. 1924-29 2 84 998 916 82

Liverpool, England 1936-42 10 57 990 943 47

Great Britain 1946-47 9 18 991 982 9

*Coparison of breast-fed infants with infants artificially fed from birth.† Comparison of breast-fed infants with all infants artificially fed in the period of observation.

Knodel J: Breastfeeding and population growth. Science 198: 1111 (1997)

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ten, dann sollte eine Säuglingsnahrung verwendet werden, die als Eiweiß hy-drolysiertes Protein verwendet. Diese Nahrungen werden unter dem Sam-melbegriff HA-Nahrungen vermarktet. Bei Verwendung dieser Nahrungen ist es möglich, das Risiko für das Auftre-ten von einem atopischen Ekzem in den ersten Lebensmonaten zu verrin-gern, ähnlich wie dies auch beim Stil-len der Fall ist. Wenn der Säugling Bei-kost zur flüssigen Milchnahrung be-kommt, ist die Gabe einer HA-Nahrung in weiterer Folge nicht mehr notwen-dig und auch nicht sinnvoll, weil das Allergierisiko nach Einführung der Bei-kost im 5. und 6. Lebensmonat nicht mehr beeinflusst werden kann. Die et-was teureren HA-Nahrungen können somit keine Risikoreduktion mehr brin-gen und sind daher nicht sinnvoll ein-zusetzen.

Säuglingsnahrungen auf Sojaeiweiß-basis sind nicht für die Prävention von allergischen Erkrankungen geeignet. Diese Säuglingsnahrungen sollen über-haupt nur bei spezieller Indikation (z.B.: Galaktosämie, weltanschauliche Grün-de) verwendet werden. Ein genereller Einsatz ist wegen des hohen Gehalts an sekundären Pflanzenstoffen mit schwacher östrogener Wirkung in unserem Kulturraum nicht empfohlen. Es sollen Säuglingsnahrungen auf So-jaeiweißbasis nicht ohne entsprechen-de Indikation verwendet werden.

Verschiedene ZusätzeFast allen derzeit auf dem Markt be-findlichen Säuglingsnahrungen sind langkettige, mehrfach-ungesättigte Fettsäuren zugesetzt. Die Zugabe von LC-PUFA wie DHA zu Säuglingsnahrun-gen wirkt sich – wie in zahlreichen Stu-dien gezeigt werden konnte - günstig auf die Reifung des kindlichen Sehver-mögens aus. Es gibt darüber hinaus auch Hinweise, dass LC-PUFA Vorteile hinsichtlich der kindlichen Entwicklung haben könnten.

Derzeit gibt es aber noch keine si-cheren Hinweise, dass der Zusatz von Prä- und Probiotika zu Säuglingsnah-rungen einen gesundheitsfördernden Effekt hat. Als Präbiotika werden un-verdauliche Nahrungsbestandteile, meist komplexe Kohlenhydrate, die se-lektiv Wachstum und Aktivität be-stimmter Mikroorganismen vorwie-gend im Dickdarm fördern und da-durch gesundheitsfördernde Effekte erzielen sollen, bezeichnet. Unter Pro-biotika werden lebende, nicht patho-gene Mikroorganismen, die den Intes-tinaltrakt kolonisieren und gesund-heitsfördernde Ef¬fekte erzielen sol-len, zusammengefasst. Auch wenn fast alle derzeit gängigen Säuglingsnah-rungen Prä-, Pro- oder Synbiotika ent-halten, so haben sich erste erfolgsver-sprechende Studien nicht bestätig, dass durch den Zusatz die Häufigkeit von allergischen Erkrankungen vermin-dert werden könnte.

Medizinische EinsatzgebieteIn den letzten Jahren sind mehr und mehr sogenannte „Spezialnahrungen“ auf den Markt gekommen, die für unterschiedliche medizinische Einsatz-gebiete (z.B.: funktionelle gastrointes-tinale Störungen wie Koliken, Obstipa-tion oder bei Kindern nach Sectioent-bindung) eingesetzt werden können. Abgesehen davon, dass für viele die-ser Nahrungen es nur sehr wenig Stu-dien über die Wirksamkeit bei den ein-zelnen angegebenen Einsatzgebieten gibt, sollten sie nur nach strikter Indi-kationsstellung durch den Arzt ver-wendet werden. Oftmals werden sie bei Säuglingen eingesetzt, die mit einer normalen Ernährung und ent-sprechender Beratung zur Behandlung der funktionellen Störungen auch ebenso gut behandelt werden können.

Zubereitung und VerzehrAbschließend soll betont werden, dass Säuglingsnahrungen immer frisch zu-bereitet werden müssen und unmittel-

bar danach verfüttert werden sollen, um die Vermehrung von pathogenen Keimen und in weiterer Folge dadurch verursachte Infektionen zu verhindern. Insgesamt ist bei der Zubereitung von Säuglingsnahrungen eine sorgfältige, aber auch nicht übertriebene Hygiene angezeigt. Säuglingsnahrungen sollen mit frischem Trinkwasser zubereitet werden, bei hohem Nitrat- oder Blei-gehalt des Wassers sollte entsprechend für die Säuglingsernährung geeigne-tes abgepacktes (Mineral)Wasser ver-wendet werden.

Selbst hergestellte Nahrungen aus unterschiedlichen Tiermilchen weisen nicht unerhebliche Risiken auf und sollten grundsätzlich nicht verwendet werden.

Schluss und AusblickWenngleich die heute verfügbaren Säuglingsnahrungen eine sichere und problemlose Ernährung von Säuglin-gen möglich macht, so ist dennoch die Entwicklung der Säuglingsnahrungen bei weitem nicht abgeschlossen. Dies vor allem auch deshalb, weil auch das Wissen um die Zusammensetzung und die Inhaltsstoffe von Muttermilch wohl groß, aber bei weitem nicht so ist, dass wir sagen könnten, wir wissen um Zu-sammensetzung, Wirkung und Effek-te der Muttermilch wirklich Bescheid. Es ist daher zu erwarten, dass mit zu-nehmendem Wissen um die Mutter-milch auch die Entwicklung der Säug-lingsmilchnahrungen weitergehen wird. Dies hoffentlich in Zukunft vor al-lem unter dem Aspekt der Ergänzung und der Alternative und weniger im Sinne von Wettbewerb und Kon- kurrenz.

Autor und Korrespondenz:Prim. Univ.-Prof. Dr. Karl ZwiauerUniversitätsklinikum St. Pölten Propst-Führer-Straße 4A-3100 St. PöltenE-Mail: [email protected]

Es folgt ein Interview mit Prof. Zwiauer.

aktuel l

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Die richtige BabyflascheInterview mit Univ.-Prof. Dr. Karl Zwiauer, St. Pölten

Interview

1. Auf welche Merkmale sollte man beim Kauf einer Babyflasche achten, um ähnlich gute Ergebnisse beim Füt-tern zu erzielen wie beim Stillen?Neben hygienischen Erfordernissen an die Babyflasche sollte auf einige wichti-ge Punkte geachtet werden: Der Flaschensauger sollte in Form und Beschaffenheit der Brust möglichst ähn-lich sein, damit das Kind die Möglichkeit hat, seine Saugmuskulatur richtig zu gebrauchen. Daher sollte der Durch-messer der Lippenauflage möglichst groß sein. Beim Saugen an der Brust umfassen die Lippen die Brustwarze und einen Teil des Warzenhofes. Nur bei einem Sauger mit breiter Auflagefläche für die Lippen ist eine ähnliche Lippen-haltung wie beim Stillen möglich. Der Saugnippel sollte lang und brustähnlich sein. Zusätzlich soll der Sauger mög-lichst formbar und weich sein, denn der „Saugzapfen“ passt sich der Mundhöh-le des Kindes an. Die Zunge drückt die-

sen „Saugzapfen“ bei der Schluckbewe-gung an den Gaumen. Die Zunge ist gemeinsam mit der Brust die Kieferfor-merin.

Das Loch des Saugers soll so klein wie möglich sein. Anfangs ist die Milchmen-ge, die das Kind aufnimmt, sehr gering. Später reguliert der Säugling durch das Saugen an der Brust den Milchfluss selbst. Der Flaschensauger mit dem kleinsten Loch ist für den Anfang wich-tig. Auch später soll das Loch so klein sein, dass das Kind kräftig saugen muss.

2. Worauf sollten Eltern beim Füttern mit der Flasche besonders achten?Wichtig ist, dass die Position beim Füt-tern mit der Flasche möglichst wie beim Stillen ist: körpernah, Blickkontakt sollte gegeben sein, die Hände des Kindes beim Körper und in Symmetrie. Beim Stillen wird abwechselnd links und rechts angelegt, auch beim Füttern mit der Flasche sollte die Seite gewechselt

werden. Es sollten die individuellen Be-dürfnisse und Eigenheiten des Kindes Vorrang haben, das Kind muss mit dem Flaschensauger zurechtkommen.

3. Was muss man beachten, wenn man zwischen Stillen und Flaschenfütte-rung gelegentlich wechseln möchte?Wenn das Stillen gut etabliert ist und die Ratschläge, die oben aufgelistet sind, eingehalten werden, ist ein Wechseln durchaus möglich. Dennoch sollte nicht ständig zwischen Stillen und Flaschen-fütterung gewechselt werden.

4. Was muss beim Abpumpen von Muttermilch beachtet werden, um möglichst alle wertvollen Inhaltsstof-fe zu bewahren?Neben einer normalen Körperpflege (Dusche) ist auch sonst auf peinlich ge-naue Hygiene zu achten: vor dem Ab-pumpen sollen Brust und Hände mit frischem Wasser und Seife gewaschen

werden. Nach dem Abpumpen soll die abgepumpte Milchmenge unter fließen-dem kaltem Wasser rasch abkühlen und sofort kühlgestellt werden. Die Mutter-milch darf nur in sterile bzw. ausgekoch-te Flaschen gefüllt werden. Wenn Mut-termilch länger tiefgefroren aufbewahrt wird, sollen die Flaschen mit dem Datum beschriftet werden, damit die jeweils älteren Portionen früher verfüttert wer-den.

Die Milchpumpe und das Pumpglas sind nach jedem Gebrauch kalt auszu-spülen und anschließend mit Spülmit-tel auszuwaschen. Das Pumpglas soll mindestens 10 Minuten ausgekocht werden.Bei strikter Einhaltung dieser hygieni-schen Empfehlungen sollte das Abpum-pen und spätere Verfüttern kein Pro- blem darstellen.

Vielen Dank!Das Gespräch führte Dr. Renate Höhl.


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