Date post: | 24-Jul-2016 |
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MustERZIMMER
17. August – 14. september 2012
Vernissage: Freitag 17. August
DEPOT BAsEL
in Kooperation mit
sachenmachen.ch
Öffnungszeiten
Donnerstag / Freitag 16.00 — 19.00
samstag / sonntag 14.00 — 18.00
Oder nach Vereinbarung.
Depot Basel – Ort für kontemporäre Gestaltung
schwarzwaldallee 305
(Erlenmattareal / BLG-Halle) CH-4058 Basel
Mit freundlicher Unterstützung von
deutscheundjapaner.com
2012
Befreien wir uns in Zukunft von unnötigem Ballast, verkaufen etwa das Auto, und denken eher ans teilen und Leihen? Oder planen wir ein Mehrgenerationenhaus und legen mit unseren Eltern einen Garten zur Selbstversorgung an? Kaufen wir in Zukunft nur noch Hochwertiges aus lokaler Produktion, und beginnen wir, nach dem Credo „Qualität statt Quantität“ zu leben? Wir leben in einer bewegten Zeit, die nach neuen Wohn- und Lebensformen ruft – es stehen Veränderungen an. Mit ihren Visionen des Musterzimmers zeigen die Schweizer Designer auf 4x4m persönliche Perspektiven im umgang mit den Herausforderungen des neuen Jahrtausends.
Wie sieht das zukünftige Musterzimmer aus? Das Musterzimmer vermittelt durch Raum und Möbel – als eine Art Medium – gestalterische Überlegungen zu einer bestimmten Zeit. In der Vergangenheit gaben oft schwierige umstände wie Wirtschaftskrisen, akute Wohnungsnot oder Zeiten des umbruchs den Anlass, sogenannte Musterzimmer zu entwerfen. Wir haben zehn Schweizer DesignerInnen eingeladen, in Anlehnung an die ganzheitlichen Prinzipien des Werk-bundes aus den 20er Jahren Entwürfe für ein zeitgenössisches Musterzimmer zu machen: Die Zukunftsvision eines Wohn-raumes inklusive Mobiliar, die neben den wesentlichen Elementen Material, Konstruktion, Form und Funktion vor allem auch aktuelle Fragestellungen thematisiert. Wir befinden uns in Zeiten des umbruchs: technolo-gische Revolutionen, gesellschaftlicher Wandel, Verknappung der natürlichen Ressourcen und die drohende Finanzkrise zwingen uns zum umdenken. the W.I.R.E, ein unabhängiger Schweizer think tank, der sich mit globalen Entwicklungen in Wirtschaft, Gesellschaft und den Life Sciences beschäftigt, schreibt dazu: „Wenn wir den Herausforderungen unserer Zeit begegnen wollen, müssen wir den Blick nicht nur auf globale Phänomene wie den Klimawandel oder weltwirtschaftliche ungleichgewichte richten, sondern auch auf unser eigenes, alltägliches Verhalten.“
Daniel Wehrli; stéphanie Baechler;
Katia Ritz & Florian Hauswirth; Nicola stäubli;
Giorgia Zanellato & Mauro Tittoto; Meret Probst;
sibylle stoeckli; David schäublin & Karin Hueber;
Postfossil; Laetitia Florin
Mit
M u s t e r z i m m e r
Die Chancen des Designs
in einer digitalisierten Welt
Ohne titel
„ ‚Fitting Room‘ ist eine spielerische Wohnanordnung,
die sich aus einzelnen Objekten zusammensetzt.
Durch die Kombination von organisch geformten Flä-
chen mit Gewichten, Rahmen und Profilen werden
Beistelltische, Raumtrenner, Nischen, Kleiderhalter
und Ablageflächen aufgebaut. Die einzelnen For-
men treten summiert auf, werden getragen oder sind
selbst Träger. Mit einfachen Handlungen wie stapeln,
Drehen, stecken oder Lehnen lassen sie sich vari-
ieren und zueinander ins Gleichgewicht bringen. Im
Vordergrund steht die Faszination für Wohnformen,
in denen sich jeder Bewohner mit den Objekten seine
alltäglichen Nutzungswünsche erfüllen und räumliche
stimmungen individuell herstellen kann“.
„ ‚Halbraum‘ ist das Zusammenspiel von Innen- und
Aussenraum, Rückzug und Rückhalt, sowie eine
schnittstelle zwischen Arbeit und Leben. Die Lebens-
und Arbeitspartnerschaft des interdisziplinären Teams
findet in der Verknüpfung von Objekten mit der räum-
lichen Umgebung einen Ausdruck. Formal sind ge-
spiegelte Konturen (positive and negative space) das
zentrale Thema. Gezielt gesetzte Farben lösen neue
Beziehungen zwischen einzelnen Partien, zwischen
den Objekten und ihrer Umgebung aus. Eine einfache
Formensprache und natürliche Materialien wie Wolle
und Holz nehmen einen zeitgenössischen Bezug auf
geschichtliche Modelle des Musterzimmers“.
„Die ausgestellten Objekte sind Einzelstücke, die
durch den Verzicht auf komplizierte Fertigungsver-
fahren und die Verwendung von leicht erhältlichen
Materialien entstanden sind. Hauptverantwortlich für
das hohe Preisniveau der heutigen Designgüter sind
nicht die Produktionskosten, sondern die lange Wert-
schöpfungskette mit allen Zwischenhändlern. Die Di-
gitalisierung bietet die Möglichkeit, alternative Distri-
butionswege zu etablieren, die den Designer und den
Kunden wieder näher zueinander zu bringen. Dabei
wird die lokale Produktion, wie sie vor der Industri-
alisierung verbreitet war, zunehmend an Bedeutung
gewinnen“.
„Meine Interpretation des Musterzimmers ist eine
dreidimensionale skizze eines Wohnraumes, eines
Provisoriums. Ihr zu Grunde liegen abstrakte Holzkon-
struktionen, die vom Raum als einem idealisierten Ku-
bus abgeleitet werden und deshalb auf einem relativ
strengen Raster aufgebaut sind. sie stellen die Basis-
struktur des Inhalts eines Wohnraumes dar. Die ein-
zelnen Elemente können wie Möbel verschoben und
kombiniert werden, sind aber in ihrer Form starr. Hinzu
kommen weiche, aus Polstermaterialien geschaffene
Zusätze, die – ähnlich wie Plug-Ins – dazu dienen, den
Raum zu individualisieren und den Holzstrukturen die
Möglichkeit von Funktion zu verleihen“.
Karin Hueber
David schäublin
Katia Ritz
Florian Hauswirth
Nicola stäubli Meret Probst
Fitting Room Halbraum
davidschaeublin.com
karinhueber.com
rkstudio.ch
florianhauswirth.ch
nicola-staubli.com meretprobst.com
M u s t e r z i m m e r
Aktives Wohnen,
wohnliches Arbeiten
im Jahr 2010
Past / Present / Future
„Das ‚Musterzimmer‘ gleicht einer Assemblage roher
Materialien. Einfache Prinzipien lassen die Objekte
zu einer Einrichtung werden; das Zusammenspiel
erscheint wichtiger als die Typologie der einzelnen
Objekte. Die Materialien und Halbfabrikate sind mit
handwerklichem Geschick verbunden oder angeord-
net, um Funktionen zu erhalten. Damit thematisiert
die Installation den Umgang mit den allgegenwärti-
gen Ressourcen einer materialistischen Umgebung.
sie ist ein Labor für neue Formen und Kombinationen
in einem verdichteten Wohnraum. Der Ort ist Wohn-
zimmer und Werkstatt in einem; hier entstehen und
verändern sich Dinge“.
„Indem ich ein Zelt aus Keramik und nicht aus stoff
schaffe, betone ich den Aspekt des ‚Beschützt-Wer-
dens‘. Keramik ist zeitlos, zerbrechlich, brüchig und
empfindlich, aber gleichzeitig sehr stark. Ich schaffe
in unserer eiligen, beschleunigten Welt einen schutz-
raum, einen Ort der Besinnung und der Regeneration.
Die Überschreitung der Grenze zwischen Kunst und
Architektur eröffnet neue Möglichkeiten des nomadi-
schen Lebens und der Erforschung von Raum“.
2009 realisierte das Designkollektiv Postfossil als
Wettbewerbseingabe für den Werkbunddesignpreis@
embru ein Musterzimmer mit dem Titel „Aktives Woh-
nen, wohnliches Arbeiten im Jahr 2010“.
„Die verschiedenen Bedürfnisse an Wohnen
und Arbeiten in der heutigen Zeit verlangen nach
adaptierfähigem und wandelfreudigem Design. Der
Entwurf beschreibt eine Wohn-/Arbeitseinrichtungs-
Fusion, die mobiles Arbeiten und multidisziplinäres
Wohnen ermöglicht. Der Beitrag gewann den zweiten
Preis und wurde im Museum für Gestaltung Zürich
zum ersten Mal ausgestellt“.
Wettbewerbseingabe 2009 von Postfossil für den Werkbunddesignpreis@embru
„Dieser Raum ist flexibel, eignet sich für Menschen,
die in Bewegung bleiben und ihre sachen immer mit-
nehmen. Er erzählt vom Damals und vom Heute. Die
Vergangenheit ist in den Bildern repräsentiert. Ein
Raum muss Erinnerungen und Andenken bergen.
Letztere sind in der Regel Objekte, die einen Gedan-
ken, ein Gefühl, einen Geruch bewahren, die an Bege-
benheiten in der Vergangenheit erinnern. Das Jetzt ist
in Gegenständen des momentanen Gebrauchs ausge-
drückt; in einem stuhl, einem sofa, einer Uhr. Diese
Objekte haben funktional zu sein: In Bezug auf den
Benutzer, das Land, in dem er lebt, und den Lebens-
abschnitt, in dem er sich gerade befindet“.
Daniel Wehrli stéphanie BaechlerPostfossil Giorgia Zanellato
Mauro Tittoto
Musterzimmer oder
Materials we love
Ohne titel
danielwehrli.ch stephaniebaechler.compostfossil.ch giorgiazanellato.altervista.org
maurot8.altervista.org
M u s t e r z i m m e r
Ohne titel
„Ich habe mich dafür entschieden, dieses Zimmer mit
sachen einzurichten, die ich in den letzten Jahren
entworfen habe: Eine Mélange zu schaffen aus ver-
schiedenen sichtweisen und Resultaten aus studien-
projekten wie ‚Tabula Rasa‘. Was sind unsere Grund-
bedürfnisse? sich ernähren, sich aufklären(?), sich
etwas vorstellen, sich austauschen, etwas aufbauen,
frei denken, sich ausruhen, erholen, träumen … : dies
sind für mich die ersten, wichtigsten. Alle Objekte in-
duzieren verschiedene Anwendungen: ‚Les plateaux
gigognes‘ kann man als kleine Tische im Raum ver-
teilen oder einen in den anderen hineinstellen. ‚La
couverture‘ lässt sich wie einen Beutel schliessen
und an der Wand verstauen. ‚Les vases Totem‘ sind –
auch ohne Blumen – skulpturen“.
„Ich stelle mir ein Haus vor, in dem sich Räume und
Oberflächen vermischen und verketten: Zu einer
struktur, die Freiheit in der Bewegung und im Ge-
brauch erlaubt. Es soll kein offener Raum sein. Wän-
de sind wichtig. Aber statt Flächen abzugrenzen und
zu limitieren, sollen sie die Bereiche miteinander ver-
binden; die Menschen gehen um sie herum. Wände
sind die struktur, die es den Bewohnern erlaubt, sich
in einem Gebäude zu bewegen, die struktur, die Räu-
me verbindet und ‚vermischt‘: Die Küche wird zum
Wohnbereich, in dem man schläft; gegessen und ge-
arbeitet wird im schlafzimmer oder im Garten, das
Rad parkt im Flur. Die Räume hängen zusammen und
stehen in einer Wechselbeziehung zueinander“ …
sibylle stoeckli Laetitia Florin
Etat des Lieux –
Wohnungsabnahme
sibyllestoeckli.com laetitiaflorin.ch
„Nicht nur Kleider zeugen nunmehr von sozialem status und Geschmack, auch der Wohnraum hat sich zum massentauglichen Ausdrucks- und Unterscheidungsmittel entwickelt. Die Nachfrage nach gestalterischer Orientierung steigt und das Angebot lässt nicht lange auf sich warten. Bereits im 19. Jahrhundert gibt es in sachen stilbildung aufschlussgebende Möbel- und Ausstellungskataloge. Es ist die Zeit, in der der Begriff Musterzimmer entsteht.“ Eva Maria stadler, 2010
Wiener Musterzimmer, Belvedere Verlag, 2010
„… dem Publikum muss das mit scheinendem, unsachlichem Zierrat behängten ‚stilvolle‘ Möbel doch als schön gelten, sonst kaufte es wohl den Zauber nicht. sonach muss, wer wirklich guten und formschönen Möbeln Bahn brechen will, mit Geschmackserzieh- ung des Publikums beginnen.“ J. sigg, 1921
70 Jahre schweizer Werkbund, sWB 1983
„Wenn du dir eine Wohnung einrichten willst, solltest du in deinem eigenen Interesse soviel als möglich selber daran schaffen und nicht in den ersten besten Möbelladen laufen und dir von einem ixbeliebigen Menschen die sachen zusammenstellen lassen.“ A. sulzer, 1922
70 Jahre schweizer Werkbund, sWB 1983
M u s t e r z i m m e r Z i t a t e
„Das Herstellen von Einzelstücken an sich hat absolut kein Interesse mehr. Die Zeit, da man glaubte, der Architekt müsse jede Türklinke und jedes schlüsselbrett selbst entwerfen, oder – schlimmer noch – die Wohnung müsse eine ‚Komposition‘ darstellen, ist vorüber.“ Werner Gräffs, 1928
schweizer Typenmöbel 1925 – 1935, gta-Verlag
„... was den Pionieren des neuen Möbels, des befreiten Wohnens vorgeschwebt hat erfährt – so paradox es scheinen mag – im modernen handwerklichen Einzelmöbel seine Erfüllung.“ E. Kettinger, 1944
70 Jahre schweizer Werkbund, sWB 1983
„Es ging um die Fragen der Identität, der Authentizität, des Materials, der Arbeit, des Menschen und der Gestaltung als soziales Binde-glied der Gesellschaft.“ Burkhard Remmers, 2005
Geschmacksbildung – Dogma oder Leitbild? Werkbund – Bildung – Wirtschaft 2004; in:
Wie Wohnen, Hatje Cantz Verlag 2005
„Wir wollen niemand die Heilsbotschaft des guten Design aufzwingen. Vielleicht einen Lernprozess auslösen? ‚Umwelt‘ muss man lernen wie Lesen und schreiben.“M. staber, 1977
70 Jahre schweizer Werkbund, sWB 1983
Z i t a t e
„Auch in der wirtschaftlichen Entwicklung befinden wir uns deutlich in einer Phase der Besinnung auf die Folgen der hemmungslosen Expansion von Produktion und Verbrauch in den 50er Jahren … Jeder technische Fortschritt macht uns mehr sorge als Freude – die Automation z.B. oder das Überschall-Verkehrsflugzeug.“ Automation z.B. oder das Überschall-Verkehrsflugzeug. G. schmidt, 1963
70 Jahre schweizer Werkbund, 1983
„Vielmehr liegt im Ziel umfassender Mitbestimmung, dass es als Voraussetzung kompetenten Handelns allen gelingt, sinnliche Wahrnehmung mit Verstand zu vereinen. Dem Design-Experten erwächst daraus die doppelte Arbeit, seine fachliche Tätigkeit mit Erziehung im weitesten sinne, mit Politik, in Übereinstimmung zu bringen.“Otti Gmür, 1983
Reform und Revolution, 70 Jahre schweizer Werkbund, sWB 1983
„Es gibt prinzipiell keine ‚falschen‘ menschlichen Bedürfnisse; ‚falsche‘ Befriedigungsangebote hingegen liegen an der Tagesordnung.“L. Balmer, 1977
70 Jahre schweizer Werkbund, sWB 1983
„Die Verdrängung der menschlichen Hand aus der schöpfung der Dinge, die zum Verlust der beseelter Formen geführt hatte, sollte mit einer durchgeistigten Maschinenproduktion kompensiert werden: Das bedeutet aber, unser von der Macht der Technologie und Technokratie vergewaltigtes Leben durch Design nach Möglichkeit zu humanisieren.“Hans Eckstein, 1985
Formgebung des Nützlichen. Marginalien zur Geschichte und Theorie des Design, Düsseldorf 1985
„seit über 10 Jahren fordern Pädagogen und Bildungsexperten, die ästhetische Bildung in schulen und Hochschulen grundlegend zu verbessern, auch und gerade im Bereich der seit den 1970er Jahren stark vernachlässigten Alltagskultur. Das Verständnis für künstlerische Gestaltung im weitesten sinne und die Teilhabe an kreativen Prozessen sind mitentscheidend für die Entfaltung des Individuums und die Zukunft unserer Gesellschaft.“ Beate Manske, 2005
Wie wohnen, Hatje Cantz Verlag 2005
„so wurde, um nur das prominenteste Beispiel zu nennen, das alte Ziel, Kunst und Leben zusammenzuführen, wie Jugendstil, Bauhaus und andere Bewegungen der Moderne propagiert hatten, zwar irgendwann erreicht, doch geschah dies unter den Vorzeichen des spektakels, des Diktats der Kulturindustrie, während das streben der Avantgarde nach Befreiung unerfüllt blieb. In unserer Zeit heisst eine der grundlegendsten Formen dieser Versöhnung Design. (…) Doch vielleicht haben sich die Zeiten geändert; vielleicht befinden wir uns an einem Punkt, da Differenzierungen erneut möglich und notwenig scheinen – ohne gleich den ideologischen Ballast von Reinheit und Korrektheit mitzuschleppen.“ Hal Foster, 2012
Design und Verbrechen, Jungle World Nr.22 31.5.2012
„Als schweizer, die in China leben, werden wir je-
den Tag mit kulturellen Unterschieden konfrontiert.
Wir zeigen Objekte, die wir auf shanghais stras-
sen gekauft haben. Die Alltagsgegenstände aus
Papier erscheinen nutzlos, in europäischen Augen
unbrauchbar, nicht einmal als speizeuge wären sie
richtig zu verwenden. In der Chinesischen Kultur
hingegen haben sie eine konkrete Bestimmung: Als
Geschenke für die Toten, Konsumgüter, die man
den Verstorbenen mittels eines Feuerrituals sendet,
um ihnen ihr ‚Leben‘ angenehmer zu machen. Die
Kleider, Brillen, Handys und Kreditkarten stehen für
einen populären chinesischen Glauben an ein mate-
rialistisches Jenseits“.
Preise: Papierobjekte CHF 5.–,
Plastikobjekte CHF 10.–
„Ein nonfunktionales Objekt zu entwerfen, ist eine
merkwürdige Vorstellung für einen Designer – das
Gegenteil von ‚Form follows Function‘. Ich zeichne-
te Wellen. Flüssige, freie Formen. Das Resultat ist
eine skulptur, an deren Ausdruck man sich freut.
Während der Arbeit realisierte ich, dass alles eine
- wenn nicht immanente, so doch ihm zugedachte –
Funktion hat. Manchmal kaufen wir Objekte bloss,
weil sie schön sind, und benutzen sie nicht. Ich war
mit der Wellen-Form per se glücklich. sie erinnerte
mich auch an einen Magazinständer. Uns Designer
kann nichts davon abhalten, praktisch zu denken:
Mein Objekt ist in Zeitungsständer-Grösse ausge-
führt; als skulptur mit Zusatzfunktion“.
Preise: Marmor £700 (ohne Transport),
Keramik (gelb, silber-gold, dunkelblau, schwarz):
£300 (ohne Transport)
Die Präsentation eines in Butter gegossenen Tafel-
messers im Massstab 1:1 unter einer rechteckigen
gläsernen Kühlglocke wäre im Depot Basel schwie-
rig gewesen. Deshalb lässt David Glättli seine
Idee von der Illustratorin shiho Ueda umsetzen.
„Alle vermeintlich funktionslosen Objekte täuschen
entweder eine Funktion vor, oder sie lassen sich –
auch wenn sie sich einer lesbaren Form verweigern
– doch zu etwas gebrauchen. Die Aufgabe, etwas
ohne Funktion zu schaffen, ist nicht lösbar. Das
zeigt sich auch in meiner Arbeit: Das Buttermesser
selber ist ganz offensichtlich nicht als solches zu
benutzen. Dennoch lässt sich die Butter aus der es
gemacht ist, aufs Brot streichen“.
Julia Modolo und Jean-Philippe Bonzon, shanghai
Laetitia de Allegri, London David Glättli, Kyoto/Zürich und shiho Ueda, Kyoto
Mathias Renner, London
shanghaiUntitled N1 ButtermesserBanana
juliamodolo.com
jpbd.ch
davidglaetttli.jp
shiho-ueda.com
No FunctionNo sense?
„... Vor ihm nahm eine gebrechliche Pyramide, zu-
sammengefügt aus drei Rindenstücken, auf einem
Gestell von besonderer Form, seine ganze Aufmerk-
samkeit in Anspruch; die Basis, ihm zugekehrt, aber
merklich überhöht, diente ihm als Webstuhl; auf
einem Ansatz des Gestells lag in Reichweite seiner
Hand ein Haufen von Obstschalen, die auf der Aus-
senseite von einer graulichten pflanzlichen sub-
stanz überzogen waren. sie erinnerten an Insek-
tenlarven, die kurz vor der Verwandlung in Puppen
standen. Indem der junge Mann mit zwei Fingern
eine dieser zarten Umhüllungen fasste und langsam
seine Hand an sich zog, schuf er eine elastische
Verbindung gleich jenen spinnenfäden, die im Früh-
ling durch die Wälder schweben.“
Aus: ‚Eindrücke von Afrika‘, Raymond Roussel, 1910
mathiasrenner.ch
„Die ‚B vs. U Collection‘ besteht aus einer serie
von Objekten, die von Hand aus weichen Materiali-
en wie Neopren und Latex geschaffen wurden. Die
Kollektion befasst sich mit expressivem Potenzial
und stellt einen Diskurs zwischen der Macherin und
dem Prozess des Machens dar, einen Diskurs über
die Ästhetik von Körpern und Form und deren Rolle
in der Gestaltung von Identität. Die Kollektion sucht
nach einem Ausdruck jenseits herkömmlicher Ka-
tegorien. Wegen des Fehlens klarer Funktionen und
durch die Ambivalenz ihrer Erscheinung erfahren
diese Objekte ihre Vollendung, ihren sinn und Inhalt
erst durch die Reaktion der Betrachter“.
Preise: klein CHF 300.–, mittel CHF 550.–,
gross CHF 1’100.–
„Das Muster der ‚Tapete der Materialien und Be-
handlungen‘ besteht aus 20 verschiedenen ‚Ka-
cheln‘, auf die jeweils ein Wort für ein Material und
eine Bezeichnung für ein Verfahren gedruckt sind.
Die Positionierung der Wörter und die zufällige
Aneinanderfügung der ‚Kacheln‘ führen zu unend-
lich variierbaren Kombinationen von Materialien und
Verarbeitungsmöglichkeiten: Vom Realistischen und
Vorstellbaren bis hin zum Immaginären. Die ‚Tape-
te der Materialien und Behandlungen‘ schafft auch
einen kontextuellen Hintergrund für die anderen
Exponate.“
„Ich habe mich eines industriellen Prozesses be-
dient, um Objekte zu schaffen, die funktionslos
sind. sie lassen sich nicht in ein kulturelles oder
soziales Bezugssytem einordnen. Die Funktion, die
sie repräsentieren, bestimmt der Benutzer, sie kann
sowohl primitiv als auch spezifisch sein. Die Objek-
te sind aus schlacken gemacht, die in einer Extru-
sionsmaschine in einem ganz bestimmten Moment
des industriellen Prozesses entstehen. Ich greife in
diesem Augenblick ein, um im Kontext der Ausstel-
lung mit dem Material zu spielen. Meine Arbeit als
Designer ist es, das Abfallmaterial umzugestalten,
um daraus Objekte mit unbestimmten Funktionen zu
entwerfen!“
Preise auf Anfrage
„ ‚Cups‘ sind Gefässe, die für spezielle Lebensla-
gen gebraucht werden könnten – stände nicht ge-
nau ihre spezifische Ausgestaltung einer reibungs-
losen Anwendung im Wege. Aufgetürmt wird die
Kollektion zu einem harmonischen Ganzen, dessen
Äusseres klischierte Gefässformen persifliert; Aus-
güsse und Henkel werden von Funktionsträgern zu
beliebigen Bestandteilen einer körperhaften Gesam-
terscheinung“.
Meret Probst, LondonJacques Borel, Dieter Glauser, Michael Häne, Zürich
Arno Mathies, LondonMoritz schlatter, Zürich/Antwerpen
B vs. U Collection
Tapete der Materialien und Behandlungen
Made in PlasticCups
meretprobst.comjacquesborel.ch
resortstudio.ch arnomathies.commoritzschlatter.com
No FunctionNo sense?
„Was stellen diese Objekte dar? Konzeptionell,
visuell und ästhetisch sind es Ringe; sie sehen aus
wie Ringe; sie haben deren Grösse und Kostbarkeit.
sie erwecken den Eindruck, schmuckstücke zu
sein. Aber sie können nicht getragen werden. Das
Konzept Ring wohnt ihnen zwar inne, nicht aber
die Funktion. Was sind sie also? Müssen wir die
Objekte überhaupt einordnen? Vielleicht ist ja die
Funktion dieser absurden kleinen Dinger auch, uns
zu frustrieren. sie wollen sich an uns rächen: Weil
sie selber nicht das sein können, was sie eigentlich
gerne wären …“
„Alles ist nützlich, jedes Objekt ist wichtig, und es
könnte irgendein auf dem Boden liegendes altes
Gummiband sein, das dein Leben rettet. Wer weiss
das schon? Ich glaube nicht, dass einige Objekte
wertvoller sind als andere oder dass bestimmte
Materialien grösseren Wert haben als die übrigen.
Das hängt allein von Nachfrage und Erhältlichkeit
ab. Felsen oder steine sind nutzlos und offensicht-
lich ohne Wert, aber sie bilden das Fundament der
Gesellschaft: Häuser, strassen, Denkmäler, Böden …
In meiner Arbeit habe ich deshalb kleine steine,
die ich in der Nähe meines studios gefunden habe,
verewigt“.
Preis: CHF 5.–
„AUBE ist eine von den silos inspirierte künstle-
rische Entdeckungsreise und versucht, einfache
Formen, Farben und Lichtdurchlässigkeiten mitein-
ander zu verbinden. Die Tüll-Origamis sind aus zwei
identischen, mit einem feinen Faden verbundenen
Formen gefügt. sie wirken in einer Gruppe am bes-
ten. Ein erster Blick mag die Verbindung der Farben
zeigen, ein zweiter entdeckt vielleicht die ovale
Geometrie, die der Diamantform einbeschrieben ist
oder erkennt die verschiedenen schichten. AUBE
hängt im Raum, spielt mit natürlichem und künstli-
chem Licht, bewegt sich in der Luft und wirft auf-
wändige schatten. AUBE ist zum Anschauen, zum
In-die-Ecke-Hängen und zum sein-Eigen-Nennen“.
Preise: 14cm CHF 10.–, 24cm CHF 15.–,
verschiedene Farbkombinationen
„Ist es eine Vase? Eine geschmolzene Vase? Eine
fehlerhafte Vase? Eine sehr sonderbare Vase? Ist
sie schön? Oder hässlich? Ist sie das Resultat von
Design oder der Ausdruck eines Fehlers im Produk-
tionsprozess? Jeder wird davon eine andere Auf-
fassung haben, eine andere sichtweise, bestimmt
von Kontext, Kultur und Geschmack. Wir haben für
unsere Arbeit eine Idee und einen Prozess definiert,
bei dem wir mit einer Rezeptur spielen. Die Grenzen
kontrollieren wir, aber nie das Ergebnis. Die Hitze
beim schmelzprozess und die schwerkraft definie-
ren die Form der ‚Vasen‘ Jedes stück ist einzigar-
tig. seine schönheit liegt in der Ungewissheit. Die
Funktion ist irrelevant“.
Preise auf Anfrage
Julie Usel, LondonAlexandre Bettler, London
No Function
Anne Lutz, ParisLoris Jaccard und Livia Lauber, London
Drei Objekte, die davon träumen, Ringe zu sein
Objects Without Function = Lack of Imagination
AUBE‚Vase‘
julieusel.netaalex.info
designmarketo.com annelutz.chlorisetlivia.com
No sense?
Klare Begriffe. Eigentlich. Denn – und das ist mit vielen Wörtern so – je länger man sich
mit ihnen beschäftigt, desto weniger ist zu greifen, was vermeintlich schon begriffen
wurde. Verbindlichkeiten sind keine mehr, Definitionen verlieren ihre Absolutheit, wer-
den sperrig, widerspenstig, Grenzen verschwimmen. Existieren überhaupt Dinge ohne
Funktion? Was ist Nutzen? Inwiefern bestimmen Kontext und ‚Nutzer‘ den Zweck?
Kann ein Designer Funktionsloses entwerfen, oder hat er – im sinne seines gestalteri-
schen Auftrags – Gegenteiliges zu tun? Von welcher Prämisse geht er beim Designen
aus, wenn nicht von der Zweckbestimmtheit? Wird aus einem Designer, der Funktions-
loses entwirft, nicht ein Künstler? Und wo liegen die Grenzen zwischen Design und
Kunst? „Das, was man als schön bezeichnet, entsteht in der Regel aus der Praxis des
täglichen Lebens“, schreibt der japanische schriftsteller Tanizaki Jun’ichiro in seinem
Essay Lob des schattens. „schön ist etwas, bei dem sich alles Einzelne ‚zweckmäs-
sig‘ in das Ganze einfügt, ohne dass das Ganze noch einen weitergehenden Zweck
hätte. Es gibt also Zweckmässigkeit ohne Zweck“, definiert Immanuel Kant in Kritik
der Urteilskraft. „Das sind die Auserwählten, denen schöne Dinge nichts bedeuten als
schönheit“, konstatiert Oscar Wilde im Bildnis des Dorian Gray. Und was machen im
Ausland lebende schweizer Industrie- und schmuckdesigner, wenn sie gebeten wer-
den, Objekte ohne Funktion zu entwerfen?: sie stellen sich die oben genannten Fragen,
reflektieren ihr selbstverständnis und finden ganz unterschiedliche Lösungen.
No FunctionNo sense?
Mit:
Alexandre Bettler; Laetitia de Allegri; David Glättli &
shiho Ueda; Livia Lauber & Loris Jaccard; Anne Lutz;
Arno Mathies; Julia Modolo & Jean-Philippe Bonzon;
Meret Probst; Mathias Renner; Moritz schlatter; Julie
Usel; Dieter Glauser; Michael Häne & Jacques Borel
Nutzen
Zweck
Form
schönheit
Funktion
Nutzen
Zweck
Form
schönheit
Funktion
No Function — No sense?
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