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Moos ganz groß — der PhyscoFilter

Date post: 24-Jan-2017
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238 KARRIERE, KÖPFE & KONZEPTE iGEM TU München Moos ganz groß – der PhyscoFilter VOLKER MORATH, ARNE SKERRA LEHRSTUHL FÜR BIOLOGISCHE CHEMIE, TU MÜNCHEN, FREISING-WEIHENSTEPHAN 10.1007/s12268-014-0433-2 © Springer-Verlag 2014 ó Im iGEM-Wettbewerb – international Gene- tically Engineered Machines competition (http://igem.org) – konzipieren und realisie- ren Studierende während eines zehnmonati- gen Zeitraums ein Wissenschaftsprojekt auf dem Gebiet der Synthetischen Biologie. Im Jahr 2013 machte sich an der TU München ein Team von Studierenden an die Entwick- lung eines transgenen Mooses, das als nach- wachsender bioaktiver „PhyscoFilter“ Mikro- schadstoffe in Seen und Flüssen unschädlich machen soll. Für diesen Zweck wurde das Kleine Blasenmützenmoos (Physcomitrella patens), das natürlicherweise mattenartig wächst (Abb. 1A), als Photosynthese betrei- bender „Chassis“-Organismus gewählt. Das anspruchslose Moos kann sogar in rei- nem Wasser wachsen, ist bereits als biotech- nologischer Produktionsorganismus etabliert, und die Herstellung transgener Pflanzen erschien innerhalb weniger Monate möglich. Die im Frühjahr 2013 entworfene Strategie zur Nutzbarmachung von P. patens als bio- aktiver pflanzlicher Filter bestand darin, des- sen Apoplast durch lokale Expression von heterologen Enzymen oder Bindeproteinen in ein Reaktionskompartiment zu verwan- deln. Hierbei wurden zwei Ansätze verfolgt: (1) die Sekretion löslicher Proteine in den extra- zellulären Raum zwischen Zellmembran und Zellwand und (2) die Immobilisierung funk- tioneller Proteine auf der Außenseite der Plas- mamembran durch einen synthetischen Membrananker (Abb. 1B). Für den Machbar- keitsnachweis des PhyscoFilters fiel die Wahl (a) auf Enzyme, z. B. die leicht nachweisbare NanoLuciferase, aber auch Laccase und eine Erythromycin-Estera- se, die Hormone oder Antibiotika abbauen können, (b) auf das grün fluoreszierende Protein (GFP) als Reporter sowie (c) auf Bindungsprotei- ne wie die Anticali- ne, um organische Verunreinigungen im Filtrat abzurei- chern (ggf. gefolgt von Entsorgung des verbrauchten Pflan- zenfilters). Der modulare Membrananker sowie die für beide Ansätze notwendige sekretorische Sig- nalsequenz wurden als BioBricks konstruiert, also als synthetische genetische Bausteine, flankiert von standardisierten Restriktions- schnittstellen. Dies gestattet die einfache Kom- bination mit verschiedenen funktionellen Pro- teinkomponenten, wobei auch auf BioBricks aus vergangenen Wettbewerbsjahren zurück- gegriffen werden konnte. Nach umfangreichen Klonierarbeiten konn- te unser Team P. patens im Sommer 2013 bei Ralf Reski in Freiburg – einem Spezialisten für Moosbiotechnologie – mit den syntheti- schen Genen transfizieren. Nach einmonati- ger Selektion und Regenerierung waren die ersten Klone bereit für den spannenden ersten Blick durch das Fluoreszenzmikroskop. Dabei zeigte sich auf Anhieb, dass das konzipierte hybride Membranprotein von den transgenen Moospflänzchen produziert wird und auch den Weg in die Zellmembran findet (Abb. 1C, D). In weiteren Experimenten gelang es außerdem, das dem Kulturmedium zugege- bene umweltrelevante Makrolidantibiotikum Erythromycin mithilfe von transgenem Moos abzubauen. Parallel hierzu überlegte sich das Team, wie man den PhyscoFilter in Gewässern prak- tisch einsetzen könnte. Abgesehen von leicht realisierbaren Kanalsystemen, in denen das transgene Moos von kontaminiertem Abwas- ser durchspült wird, entstand die Idee schwimmender Moosinseln, die kostengün- stig hergestellt und mobil auch in unterent- wickelten Regionen zur Anwendung kommen BIOspektrum | 02.14 | 20. Jahrgang ¯ Abb. 1: PhyscoFilter im iGEM-Wettbewerb. A, Das Moos Physcomitrella patens wurde gentechnisch verändert, um Umweltschadstoffe abzubau- en. B, Durch mit einem Membrananker versehene funktionelle Domänen wird der Apoplast zum Reaktionsraum. C, D, Das hybride Membranprotein wird im transgenen Moos produziert und findet den Weg in die Zellmem- bran sowohl in Gametophyten (C) als auch im Protonema (D). E, Team-Mit- glieder beim Test eines Prototyp-Trägersystems, auf dem das (hier nicht gentechnisch veränderte) Moss im Freiland eingesetzt werden könnte. F, Endausscheidung in Cambridge: „iGEM from above“ (Foto freundlicher- weise bereitgestellt von Justin Knight und der BioBrick Foundation).
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Page 1: Moos ganz groß — der PhyscoFilter

238 KARRIERE, KÖPFE & KONZEPTE

iGEM TU München

Moos ganz groß – der PhyscoFilterVOLKER MORATH, ARNE SKERRA

LEHRSTUHL FÜR BIOLOGISCHE CHEMIE, TU MÜNCHEN, FREISING-WEIHENSTEPHAN

10.1007/s12268-014-0433-2© Springer-Verlag 2014

ó Im iGEM-Wettbewerb – international Gene-tically Engineered Machines competition(http://igem.org) – konzipieren und realisie-ren Studierende während eines zehnmonati-gen Zeitraums ein Wissenschaftsprojekt aufdem Gebiet der Synthetischen Biologie. ImJahr 2013 machte sich an der TU Münchenein Team von Studierenden an die Entwick-lung eines transgenen Mooses, das als nach-wachsender bioaktiver „PhyscoFilter“ Mikro-schadstoffe in Seen und Flüssen unschädlichmachen soll. Für diesen Zweck wurde dasKleine Blasenmützenmoos (Physcomitrellapatens), das natürlicherweise mattenartigwächst (Abb. 1A), als Photosynthese betrei-bender „Chassis“-Organismus gewählt.

Das anspruchslose Moos kann sogar in rei-nem Wasser wachsen, ist bereits als biotech-

nologischer Produktionsorganismus etabliert,und die Herstellung transgener Pflanzenerschien innerhalb weniger Monate möglich.Die im Frühjahr 2013 entworfene Strategiezur Nutzbarmachung von P. patens als bio-aktiver pflanzlicher Filter bestand darin, des-sen Apoplast durch lokale Expression vonheterologen Enzymen oder Bindeproteinenin ein Reaktionskompartiment zu verwan-deln.

Hierbei wurden zwei Ansätze verfolgt: (1)die Sekretion löslicher Proteine in den extra-zellulären Raum zwischen Zellmembran undZellwand und (2) die Immobilisierung funk-tioneller Proteine auf der Außenseite der Plas-mamembran durch einen synthetischenMembrananker (Abb. 1B). Für den Machbar-keitsnachweis des PhyscoFilters fiel die Wahl(a) auf Enzyme, z. B. die leicht nachweisbareNanoLuciferase, aber auch Laccase und eine

Erythromycin-Estera-se, die Hormone oderAntibiotika abbauenkönnen, (b) auf dasgrün fluoreszierendeProtein (GFP) alsReporter sowie (c)auf Bindungsprotei-ne wie die Anticali-ne, um organischeVerunreinigungenim Filtrat abzurei-chern (ggf. gefolgtvon Entsorgung desverbrauchten Pflan-zenfilters).

Der modulare Membrananker sowie die fürbeide Ansätze notwendige sekretorische Sig-nalsequenz wurden als BioBricks konstruiert,also als synthetische genetische Bausteine,flankiert von standardisierten Restriktions-schnittstellen. Dies gestattet die einfache Kom-bination mit verschiedenen funktionellen Pro-teinkomponenten, wobei auch auf BioBricksaus vergangenen Wettbewerbsjahren zurück-gegriffen werden konnte.

Nach umfangreichen Klonierarbeiten konn-te unser Team P. patens im Sommer 2013 beiRalf Reski in Freiburg – einem Spezialistenfür Moosbiotechnologie – mit den syntheti-schen Genen transfizieren. Nach einmonati-ger Selektion und Regenerierung waren dieersten Klone bereit für den spannenden erstenBlick durch das Fluoreszenzmikroskop. Dabeizeigte sich auf Anhieb, dass das konzipiertehybride Membranprotein von den transgenenMoospflänzchen produziert wird und auchden Weg in die Zellmembran findet (Abb. 1C,D). In weiteren Experimenten gelang esaußerdem, das dem Kulturmedium zugege-bene umweltrelevante MakrolidantibiotikumErythromycin mithilfe von transgenem Moosabzubauen.

Parallel hierzu überlegte sich das Team,wie man den PhyscoFilter in Gewässern prak-tisch einsetzen könnte. Abgesehen von leichtrealisierbaren Kanalsystemen, in denen dastransgene Moos von kontaminiertem Abwas-ser durchspült wird, entstand die Ideeschwimmender Moosinseln, die kostengün-stig hergestellt und mobil auch in unterent-wickelten Regionen zur Anwendung kommen

BIOspektrum | 02.14 | 20. Jahrgang

¯ Abb. 1: PhyscoFilter im iGEM-Wettbewerb. A, Das Moos Physcomitrellapatens wurde gentechnisch verändert, um Umweltschadstoffe abzubau-en. B, Durch mit einem Membrananker versehene funktionelle Domänenwird der Apoplast zum Reaktionsraum. C, D, Das hybride Membranproteinwird im transgenen Moos produziert und findet den Weg in die Zellmem-bran sowohl in Gametophyten (C) als auch im Protonema (D). E, Team-Mit-glieder beim Test eines Prototyp-Trägersystems, auf dem das (hier nichtgentechnisch veränderte) Moss im Freiland eingesetzt werden könnte. F,Endausscheidung in Cambridge: „iGEM from above“ (Foto freundlicher-weise bereitgestellt von Justin Knight und der BioBrick Foundation).

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können (Abb. 1E). Als gentechnische Sicher-heitsmaßnahme für eine solche zukünftige„Freisetzung“ wurde ein durch Sonnenlichtausgelöster Selbstzerstörungsmechanismusentworfen.

Die Art der selbstorganisierten universitä-ren Ausbildung im Rahmen des iGEM-Wett-bewerbs erfreute sich bei den Studierendengroßer Beliebtheit, sodass diese bereitwilligwährend der Sommersemesterferien dasSchwimmbad gegen die Laborbank ein-tauschten. Die wissenschaftliche und techni-sche Betreuung des Projekts fand am Lehr-stuhl für Biologische Chemie statt, wobeineben verschiedenen Sponsoren die FakultätWissenschaftszentrum Weihenstephan unddas Präsidialbüro der TU München wesent-lich zur Finanzierung – u. a. der nicht uner-heblichen Reisekosten – beitrugen.

Der neunte iGEM-Wettbewerb wurde 2013in der ersten Stufe auf europäischer Regio-nalebene in Lyon und daraufhin für die dortqualifizierten Teams im November am Mas-sachusetts Institute of Technology (MIT) inCambridge (USA) ausgetragen. Bei den „Jam-borees“ trafen jeweils etwa 60 Teams mit ins-gesamt fast 1.000 Teilnehmern aufeinander(Abb. 1F) und stellten ihre Projekte in Formvon Präsentationen, Postern sowie Internet-auftritten (http://2013.igem.org/Team:TU-Munich) vor.

Auf beiden Jamborees konnten die zehnStudierenden der TU München die Jury über-zeugen: Das TUM-Team wurde sowohl in Lyon

als auch bei der Endausscheidung in Cam-bridge mit jeweils dem zweiten Platz ausge-zeichnet und erhielt zudem Sonderpreise fürden besten Internetauftritt und das besteUmweltprojekt. Insgesamt war 2013 das bis-lang erfolgreichste Jahr für die elf teilneh-menden deutschen iGEM-Teams, von denensich sieben für die Endausscheidung in denUSA qualifizieren konnten und letztlich dreider sechs Finalisten-Teams aus Deutschlandkamen: ein klares Signal für die internatio-nale Wettbewerbsfähigkeit der SynthetischenBiologie hierzulande. ó

Volker Morath (links) und Arne Skerra

Korrespondenzadresse:Prof. Dr. Arne SkerraLehrstuhl für Biologische ChemieTechnische Universität MünchenEmil-Erlenmeyer-Forum 5D-85350 Freising-WeihenstephanTel.: [email protected]

BIOspektrum | 02.14 | 20. Jahrgang

˚ Abb. 2: Das iGEM-Team der TU München 2013 (v. l. n. r.): Leonie Reichart, Philipp Schneider,Katrin Fischer, Andreas Brunner, Florian Albrecht, Ingmar Polte, Rosario Ciccone, Meike Meißner,Fabian Fröhlich, Dong-Jiunn Jeffery Truong, Louise Funke, Arne Skerra, Johanna Brüggenthies, Volker Morath und Christopher Wolf.


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