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Mode und Kultur · 2018. 8. 27. · zeitschriften »Pramo« und »Saison« 3 es sich mit Gekauftem...

Date post: 27-Jan-2021
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Mode und Kultur Vereinsmagazin »Chic im Osten e. V.« Ausgabe 2. 2018 Sonderausgabe zur Ausstellung »Sommer - Sonne - Ferienmode« im Stadtmusueum Bergen auf Rügen 15. Juni bis 20. Oktober 2018
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  • Mode und KulturVereinsmagazin »Chic im Osten e. V.«

    Ausgabe 2. 2018

    Sonderausgabe zur Ausstellung»Sommer - Sonne - Ferienmode«

    im Stadtmusueum Bergen auf Rügen15. Juni bis 20. Oktober 2018

  • Sonne ... Ferienzeit. Ferienmode gehört natürlich dazu. Das war in der DDR nicht anders. Grund genug

    für den Leipziger Verein »Chic im Osten e. V.« mehr

    als einen Blick in die Koffer der ostdeut-

    schen Reisenden zu werfen und die »Fundstücke« im Zentrum der Ferienträume der DDR-Bürger und Bürgerinnen

    zu zeigen – auf Rü-gen! Das Stadtmu-

    seum in Bergen war sofort dabei und ermög-

    lichte die Sonderausstellung,

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    Sommersogar über die gesamte Saison. Und so sind von Juni bis Oktober 2018 Kleidung und Accessoires, Zeit-schriften und Fotos, Modegrafik und Zeitdokumente unterm Dach in der Billrothstraße zu sehen. Ein faszinie-render und zugleich amüsanter Blick auf 40 Jahre Modegeschichte, der vor allem eines beweist: Die Mode in der DDR war abwechslungsreich, kreativ und schick – weitaus mehr, als die verbreiteten Vorurteile ver-muten lassen.

    Bei vielen Modenschauen und Aus-stellungen in den letzten Jahren hat der Verein schon so manches Stück aus dem Fundus geholt und gezeigt, begonnen bei den niedlichen, aber noch recht braven Sommerkleidchen der 1950er und frühen 1960er Jahre (selbstverständlich komplett mit Petticoat, Handschuhen, Hütchen und Perlenkettchen) über das

    Selber machen Pflicht

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    passende Strand-Outfit mit abnehm-barem Rock bis hin zum superkurzen Minirock oder -kleid, durchaus einmal in Lack oder Leder, oft mit psychedelischen Mustern und grell-bunten Accessoires bis hin zur Wie-derentdeckung des damenhaften Chics gegen Ende der 1980er Jahre.

    Schon diese kurzen Streiflichter bewiesen, wie einfallsreich Frau und Mann in jenen Jahren waren, wenn es um den modischen Auftritt ging. Was Konfektion und Handel schmerzlich vermissen ließen, wurde kurzentschlossen selbst genäht, gestrickt, gehäkelt ... aber auch gefärbt und gebastelt. Kupferdraht und Messingstücke verwandelten sich unter kundigen Händen in kleidsamen Schmuck, Baumwollwin-deln und Bettlaken in individuelle Kleidung. Aus Bast wurden Taschen gehäkelt, gern mit dem Innenleben von Flaschenverschlüssen verziert.Vorhangstoffe eigneten sich für

    Sommerblusen oder Röcke und sogar Kleider. Dem Einfallsreichtum schienen keine Grenzen gesetzt. Wer schick und zeitgemäß gekleidet sein wollte, griff auf alle Materialien zurück, die sich für ein neues Leben im Modehimmel anboten.

    Bis heute schwärmt so mancher ge- lernte DDR-Bürger von seinem Orga-

    nisationstalent: »Es gab wunderbare Leinenstoffe, nur waren das Bett-laken. Man hat sie einfach gekauft, gefärbt und daraus Jacken, Röcke, Hemden und Blazer genäht«. Junge Frauen bettelten ihren Großmüttern

    Fotos: Privat | CiO: Modenschau Schlosspark Frohburg 2015

  • verbanden Modetipps mit Schnitt-mustern zum Nacharbeiten; selbst die »Sibylle«, heute gern als Vogue des Ostens gerühmt, kam ohne die Sibylle-Schnitte nicht aus. Die »Mo-dischen Maschen« und viele Sonder-hefte komplettierten das Angebot.

    Fast alles, was in den Zeitschriften gezeigt wurde, diente vor allem einen Zweck: Mode so zu präsentie-ren, dass sie leicht nachgeschneidert werden konnte. Oft genug war Mode in der DDR Mode Marke »Eigenbau«. Das beweist auch die Sammlung des Vereins. Selbstgenäh-tes überwiegt oder zumindest hält

    die bestickte Leinenunterwäsche vom Anfang des 20. Jahrhunderts ab, um daraus Tops und Kleider zu nähen. Sogar Scheuerlappen wurden umfunktioniert. Wegen ihrer wei-chen Struktur waren sie bestens als Innenfutter von Jacken geeignet.

    Derartige Selbstinitiative wurde auch staatlicherseits gern gesehen. Der Demokratische Frauenbund Deutschlands (DFD) und sogar die Freie Deutsche Jugend (FDJ) boten Nähkurse an. Die begehrten Mode-zeitschriften »Pramo« und »Saison«

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    es sich mit Gekauftem die Waage. Natürlich sind all jene Stücke, die auf-gehoben und über Jahre wie Schätze gehütet wurden, die Lieblingsstücke der Trägerinnen und Träger. Beinah jedes hat seine eigene Geschichte: Das Kleid vom Tanzstunden- oder Abiball, das Jugendweihe-Outfit, das, was beim ersten Rendevouz getragen wurde, bei der Verlo-bung, zur Hochzeit - mit liebevollen Erinnerungen aufbewahrt, ein Stück Jugend für die vielen Frauen und Männer, die dem Verein Kleidung und die dazu passenden Accessoires gespendet haben.Vieles davon ist selbst genäht oder von einer versierten Schneiderin angefertigt. Doch nicht alles! Im Bestand gibt es wunderbare Kleider vom VEB Elegant Berlin, Treffmodel-le vom VEB Kombinat Oberbeklei-dung, Kleidung aus Pirna (Pirnetta), Jena und Arnstadt, aus Plauen und Leipzig, Jugendmode, hergestellt in Rostock, und vieles, vieles mehr.

    Schnittmuster überall

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    Die Mode in der DDR war nicht nur eine selbst gemachte. Trotz aller Probleme galt die Textil- und Kon-fektionsindustrie der DDR als eine der größten und produktivsten des »Ostens«. Der überwiegende Teil der Produktion der volkseigenen Betriebe zwischen Ostseestrand und Thüringer Wald ging in den Export – nach Ost wie West – und findet sich auch in den Modekatalogen von »Quelle« oder »Neckermann« wieder. Die Qualität war auf hohem Niveau, auch modetechnisch ver-suchten die Kombinate die Trends der Zeit nicht aus den Augen zu ver-lieren. Da kam es dann durchaus vor, dass sich im heiß ersehnten West-paket Kleidungsstücke aus der

    eigenen Produktion fanden – selbst-verständlich ohne Firmierung oder gar Label. Bis in die Sammlung des Vereins haben es derartige Beispiele geschafft. Ein Hosenanzug aus blau-em Rundstrick mit beeindruckenden Schlaghosen vom VEB Exquisit Moden und sein (fast) identisches Pendant mit freundlichen Grüßen von der Tante aus Westberlin ist nur ein Beispiel.Wer es sich leisten konnte – und das konnten viele, denn Geld war selten das Problem – kaufte in den Exquisit-Geschäften, die für an-spruchsvolle, hochwertige Mode standen. Meist im eigenen Land produziert und teu-

    Fotos: Modefotografie in der DDR · Arno Fischer · Günter Rössler | Pramo 1964 | Modische Maschen 1974

    Konfektion

  • er verkauft wie zum Beispiel die ersten Kleidungsstücke aus Microfaserstoffen. Der Stoff kam aus Japan und wurde im Textilkombinat zu angesagten Mänteln im Trench-coat-Stil verarbeitet, dann im Exqui-sit zu Preisen verkauft, die mehr als das Doppelte eines durchschnitt-lichen Monatsgehaltes betrugen.Zum Konfektionsangebot gehörte

    ab Ende der 1960er Jah-re auch Mode für die

    Jugend. 1969 konnte man im westdeut-

    schen »Spiegel« lesen, dass in den knallbunten Tee-nager-Boutiquen für Mode und Modeschmuck – im Osten

    »Jugendmode« genannt – nichts

    wesentlich Anderes zum Kauf angeboten

    wurde, als es westlich der

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    Elbe gab. Das Angebot der sozialis-tischen Konfektionäre entspricht westlichem Repertoire: Twen-Uni-formen, Mini-Faltenröcke, Blümchen- und Reißverschluß-Mode, Military- und Western-Look. Und die Preise der Modelle entsprechen ostdeutschem Teenager-Einkommen: Ein Jeans-Anzug kostet 56 Mark, ein Langkra-gen-Oberhemd zwischen 24 und 45 Mark, ein dreiteiliger Hosenanzug ... 112 Mark. Auf diese Mode spezialisier-ten sich damals rund 40 Konfektions-betriebe samt ihren Zulieferern und eigenen Entwürfen des »Modeinsti-tutes der DDR«. Gern wurde betont, dass ein Mini-Rock oder ein buntes Hemd noch lange nichts mit Gammlertum gemein haben ... Selbst wenn das Angebot die Nachfrage selten deckte, rieten die Verkäuferinnen ihren Kunden im Sinn von »SONNIDEE - SONNIGE JU-GEND« endlich mehr Mut zu zeigen und sich an kurze Röcke, »Heiße Hös-chen« und grelle Farben zu wagen.

  • Wenn von Konfektion die Rede ist, kann man die passende Bekleidung für Strand und Freibad nicht über-gehen. Vor allem im Erzgebirge ent-standen mehr oder weniger knappe und farbenfrohe Badeanzüge, Bikinis und Badehosen in allen denkbaren Schnittformen und Mustern.Es waren auch hier überwiegend Frauen, die entwarfen, planten, produzierten und verkauften. Die Kollektionen hatten eingängige Namen. »Goldfisch« und »Sporett« waren landauf wie landab bekannt. Der Schwerpunkt der DDR-Bade-moden-Produktion lag in Sachsen. Zum Beispiel produzierte der VEB Strickwaren OLUBA mit mehr als 3000 Beschäftigten Badeanzüge und mehr, die in 18 Ländern exportiert

    Goldfische

    Fotos: NBI 1963 | »Goldfisch«-Werbung 1961 | Sibylle 1986 | Sibylle 1990 6

    wurden. 1967 war der vertraute Name »Goldfisch« des VEB Strick- und Wirkwarenfabriken in »OLUBA« geändert worden. In der DDR liebte man derartige Abkürzungen, die immer eine versteckte Bedeutung hatten: OLUBA – Oberlungwitzer Bademoden. Schon in den 1960er Jahren sind Bikinis in der DDR ange-sagt. Meist aus Wolpryla, Malimo

    oder Dederon gefertigt, manchmal selbst genäht oder auch selbst gestrickt bzw. gehäkelt. Die be-kannten Modezeitschriften boten Anregungen und Schnittmuster im Überfluss. Und das Erzgebirge war

    durchaus Weltspitze und sexy. In der Juni-Ausgabe von 1963 stellte die Neue Berliner Illustrierte (NBI) Biki-nis vor, die ihrer Zeit voraus waren, auch wegen ihrer knappen Höschen. Die gingen längst nicht mehr so hoch wie damals oft üblich. Die Modege-stalterinnen jener Jahre wissen bis heute um die Gründe: Vor allem lag es am verfügbaren Material. Unfle-

    xibel wie die Stoffe waren, mussten die Bademoden größer geschnitten und mit Gummis versetzt werden, damit die Trägerin leicht hinein- und hinausschlüpfen konnte. Auch blieb der Bauchnabel züchtig bedeckt.

  • 1970er Jahren ließ er sich nicht mehr aus dem Alltag verbannen. Bei-spielsweise wurden allein 320.000 Bikinis und Badeanzüge pro Jahr in die UdSSR exportiert. Nina Hagen besang ihn gar: Ich im Bikini, ich beim FKK, ich frech in Mini, Landschaft war auch da ... Und der leider vergessene Farbfilm von ORWO (Original Wol-fen) setzt bei seinen Messefotos nur wenige Jahre später auf knappeste Bikinis als Verkaufsanreiz.Dabei ist das Verhüllen manchmal viel erotischer als das Offenlegen, zumal die meisten von uns wahrlich keine Model-Maße haben. Das ver-langt geradezu nach einer Bademo-de, die weibliche Rundungen perfekt in Szene setzt und Problemzonen gekonnt kaschiert. In den 1920er und 1950er Jahren wussten die Gestalter das noch umzusetzen – heute heißt es Vintage. Dieser Trend ist nicht neu, aber ungebrochen, spielt er doch mit Erinnerung und der Identifi-kation mit einem Jahrzehnt.

    Erst Anfang der 1970er wurden die Materialien elastischer – eine echte Revolution, die ganz neue Schnitte erlaubte. Die Bademoden aus dem säch-sischen Erzgebirge waren auch im Ausland gefragt. Dabei stand an erster Stelle die Frage, was die Kunden wollten. Die einen mochtenes kompakt, die anderen eher aufrei-zend. In den USA maßen Polizisten noch bis in die 1960er Jahre nach,

    ob das Bade-Outfit nicht doch zu viel entblößte und in westdeutschen Freibädern war der Zweiteiler gleich komplett verboten. Erst in den

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    Natürlich verklärt der Blick zurück so manches. Doch lebt Mode nicht immer auch von der Rückbesinnung? Vieles, was vor 70 oder 30 Jahren modern war, ist in unserer Zeit gefragt wie nie und gilt als willkom-mene Möglichkeit, sich vom Main-stream abzusetzen und Individualität zu betonen. Das gern benutzte Etikett »Vintage« kommt aus dem Englischen und bezeichnet ursprüng-lich die Weinlese als solche, den Jahrgang eines Weines und – davon abgeleitet – einen besonders guten Jahrgang bzw. einen besonders erlesenen Wein. Mit Mode hat das scheinbar so gar nichts zu tun und sich dennoch gerade hier durchge-setzt, wobei (meist) die Idee einer

    gewissen Wertigkeit mitschwingt. Hat denn die Mode der DDR diese Wertigkeit? Ist sie es wert, bewahrt und gezeigt zu werden? Hat sie das Potenzial für Ausstellungen und aus-reichend Ausstrahlung für Moden-schauen, die mehr als wehmütige Erinnerungen bedienen? Selbstver-ständlich sind wir davon überzeugt, sonst gäbe es den Verein »Chic im Osten« nicht. Kleidungs-stücke, Schmuck und Accessoires aus der 2. Hälfte des 20. Jahrhun-derts sind ein wichtiges Stück Alltags-geschichte, Ausdruck eines Le-bensgefühls, Spiegel ihrer Zeit und vor allem der Wünsche und Träume ihrer Träger*Innen wie

    Fotos: Versandhauskatalog 1969 | Sibylle 1958 | Versandhauskatalog 1970

    Erinnerung

  • Macher*Innen. Mustern, Farben, Schnitten von damals begegnet man heute in so manchem beliebten Bekleidungsgeschäft – vom Dis-counter bis zum Marken-Outlet. So sind beispielsweise die kurzen, in A-Linie geschnittenen Kleider aus den 1960ern modern wie eh und je und werden aus den für diese Zeit typischen poppig-bunten Stoffen

    gefertigt. Liebhaber des mo-dischen Chics der 1950er

    werden fündig, wenn sie Petticoatkleider,

    knielange, weite Swingröcke und enge Blusen mit Bubikragen suchen. Sogar jene, die sich zur Mode der 1970er

    Jahre hingezogen fühlen, können

    Schlaghosen aus Cord, blumige Maxi-

    Kleider, Batik-Shirts und weit

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    geschnittene Tuniken erwerben. Vintage gibt sich gern als eine Art Ge-gentrend zur vereinheitlichten Mode der global agierenden Textilketten. Aber neu ist die Idee nicht!

    Schon zu DDR-Zeiten waren die selbst gewerkelten Unikate nicht nur der Mangelwirtschaft geschul-det, sondern standen vor allem für Selbstbewusstsein, Einfallsreichtum und Individualität. So wurde bei Oma oder in Trödelläden gern nach reiz-vollen, betagten Kleidungsstücken gekramt. Pelzjäckchen passten zu Jeans, Mieder erlebten eine Aufer-stehung als Top. Ideen gab es viele. Chic im Osten e. V. beweist immer wieder gern, dass vieles von dem, was zwischen 1949 und 1990 getra-gen wurde, heute wieder im Trend liegt. Die Schnitte sind wunderbar zeitlos, die Kunstfasern oft gewöh-nungsbedürftig. Aber Präsent 20

    Suche nach Unikaten

  • Fotos: LWB Mieterfest Leipzig 2018 | Modenschau »Villa Esche« Chemnitz 2017 10

    Mustern. Petticoat-Kleider verlan-gen förmlich nach einem strengen Pferdeschwanz, Ballerinas oder auch schmalen Absätzen. Armreifen und Ketten aus bunten Perlen gehören zu Schlaghose und Tunika, auffällig große Ohrringe zum Look der Acht-ziger.Das Vorurteil von der allgegenwär-tigen Dederon-Kittelschürze führt

    sich schnell selbst ad absurdum, wenn man sich näher mit der Mode der DDR beschäftigt. Das Zauber-wort Mode übte auch im Osten sei-nen magischen Reiz auf Frauen wie Männer aus. Modisch gekleidet sein

    wollte so gut wie jeder, natürlich un-terschieden sich die Vorstellungen; die junge Generation hatte andere Wünsche als die ältere, es gab Un-terschiede zwischen Stadt und Land, aber eigene Initiative und modisches Gespür war allen eigen.Meist vertraute man auf die Anre-gungen der Modellmodenschauen.Zwischen Rostock und Suhl waren

    sie Standard und fanden zu Beginn jeder Saison statt. Im Osten hatte man schon um 1950 kurzerhand die Schnittmustermodenschauen der 1920er und 1930er Jahre wiederbe-lebt.

    unterschied sich nicht von Rundstrick und Dederon nicht von Nylon – ande-rer Name gleiches Produkt. Es war ja nicht so, dass es im Westen nur Na-turfasern gegeben hätte. Schließlich ging es überall um pflegeleichte und praktische Kleidung. Waschmaschi-ne, Trocknen, Anziehen hieß es in Ost wie West. Genauso wie man für besondere Anlässe auf edle Textilien setzte: schwere Plauener Spitzen, Brokat und Honan-Seide, Organza, Crêpe de Chine, Satin, Tüll, Lochspit-ze, Chiffon und mehr ... Pelze auch. Von allem findet sich etwas in der Sammlung des Vereins, gern auch handbemalt oder bestickt.Mit den passenden Accessoires kön-nen Modebegeisterte ein Stückchen Vergangenheit zum Leben erwe-cken – Anregungen gibt der Verein gern in seinen Modenschauen und Ausstellungen. Zum kurzen Kleid der Sechziger passen kantige Hand-taschen, übergroße Sonnenbrillen und Modeketten mit geometrischen

  • le« oder »Neckmann«, gingen mit ihren Kollektionen an die Basis, was in diesem Fall die ländlichen Gebiete meinte. Bei diesen Modenschauen konnte sofort bestellt werden, was jedoch nicht immer garantierte, dass das Bestellte dann auch lieferbar war.Die VVB-Konfektion (Vereinigung Volkseigener Betriebe) informierte mit ihren Modenschauen im In- und Ausland generell zur Mode in der DDR. Diese Werbeschauen waren vor allem auf den Export ausgerichtet und so gingen zu jeder internationa-len Messe Modelle vieler Betriebe der DDR unter diesem Sammelbe-griff über die Laufstege. Außerdem traten bei Kongressen, Tagungen und besonders bei Regierungsveran-staltungen die drei Vorzeige-Instituti-onen des Landes mit anspruchsvoller Mode auf: das Modeinstitut der DDR und mit ihm die Modehäuser Heinz Bormann | Magdeburg und Lucie Kaiser | Altenburg.

    Der Verlag für die Frau war nicht nur die unangefochtene Institution in Sachen Mode zum Nacharbeiten, er bot zudem zweimal jährlich ein genau geplantes Tourneeprogramm und zeigte in Städten und Betrieben die Trends der kommenden Saison, ohne zu verkaufen. Aber die dazu passenden Schnittmuster waren käuflich.

    Auch die Versandhäuser von kon-sument und Centrum, die bis 1972 | 1973 existierten und auf der gleichen Katalogbasis arbeiteten wie »Quel-

    11

    Anregungen

  • 12

    Am Anfang hieß es »Institut für Bekleidungskultur«. 1952 gegründet, hatte es den Auftrag eine fort-schrittliche, der gesellschaftlichen Entwicklung entsprechende und an das nationale Kulturerbe anknüp-fende Bekleidungskultur zu entwi-ckeln. Noch in den 1960er Jahren ließen sich diese Moderichtlinien der Parteiführung in der – mittlerweile in »Deutsches Modeinstitut« um-benannten – Bekleidungszentrale nicht wirklich umsetzen. Doch die Gestalter*Innen stellten sich in der Berliner Brunnenstraße voller En-thusiasmus der Aufgabe, Ideen und Muster für die Textil-, Konfektions- und Lederwarenkollektionen der In-dustrie zu entwickeln. 1952 waren es fünf Mitarbeiter, um 1970 schon 45

    und als die Ideenschmiede 1971 den Namen »Modeinstitut der DDR« be-kam, deutlich mehr. Zum Team des Instituts gehörten Textilingenieure und Schneiderinnen, es gab Ateliers und Werkstätten, ein Fotostudio und eine eigene Pressestelle. In der hauseigenen Bibliothek war die fran-zösische wie italienischem Vogue vorrätig, internationale Filme und Literatur boten Anregung. Aber die Akteure fühlten sich nicht als Trendsetter. Sie hatten ihre Aufgaben verinnerlicht: Vorgaben für die Industrie entwickeln, tragbare, funktionale, produzierbare Mode zeigen, Richtungen vorge-ben, den modischen

    Fotos CiO: Ausstellung Oschatz 2017 | Modenschau Leizpig 2018 | Schlosspark Frohburg 2015

    Vorgaben

  • Geschmack bilden. Und das in der Zeit des Kalten Krieges und der Handelsembargos. Rohstoffeng-pässe verhinderten nur allzu oft die Umsetzung kreativer Ideen, Kom-promisse waren unumgänglich. Doch die Musterkollektionen des Modeinstitutes sollten der Industrie als Anregung dienen und den Stil der gesamten DDR-Mode prägen.

    Einer eigenständigen Mode-linie, die sich von den

    westlichen Trends unterschied und

    distanzierte. Eine jener engstir-nigen Vorga-ben von oben. Sogenannte westliche Mode-phänomene wie

    Jeanskleidung oder Mini-Mode

    setzten sich eher von selbst durch. Die

    modebegeisterten, selbst-

    13

    bewussten Frauen des Landes ließen sich von den konservativen Klei-dungsvorstellungen der Funktionäre nicht beeindrucken und schnei-derten selbst. Mini oder Maxi, Jeans oder Uniformstil waren im Straßen-bild allgegenwärtig. Auch den einge-schränkten wirtschaftlichen Möglich-keiten schlugen die Bürger*Innen so manches Schnippchen und ver-trauten auf ihr Organisationstalent. Die DDR lag nicht außerhalb der Welt und Filme wie Fernsehen zeigten deutlich, was gerade angesagt war. Die Mode- und Textilgestalter des Landes wussten das nur allzu gut, dennoch war nach oft mehr als zehn Entscheidungsebenen von den Ent-würfen nicht viel wiederzuerkennen und hatte mit den Bedürfnissen der Käufer noch weniger gemein. Zum Glück stellte das Institut seine Ideen nicht nur der Industrie vor, sie wurden auch in der »Sibylle« oder »Saison« abgedruckt, wurden auf Modenschauen gezeigt. Viele Frauen

  • Abbildungen: Berlins Modeblatt 1960 | Deutsches Modeinstitut 1972 und 1977 | Modeempfehlungen 1976, Zeichnung von Hannelore Gabriel 14

    an den ökonomischen Zwängen der textilen Massenfertigung. Wo nur möglich, mussten Steppnähte, Knöpfe und Verzierungen eingespart werden. Hartnäckig hält sich das Ge-rücht, dass die Modegestalter*Innen geweint hätten, wenn sie das nach ihren Entwürfen gefertigte Klei-dungsstück zu Gesicht bekamen.Dass die Entwürfe nur selten in

    ihrer ursprünglichen Form produ-ziert wurden, nahmen die meisten in Kauf. Irgendwie hatten sie sich daran gewöhnt, dass der Erfolg des Instituts eher der Hinführung der Käufer*Innen zu eigener Kreativität

    zu verdanken war. Ja, die sozialis-tische Mode sollte praktisch sein, auch schlicht, aber dabei schön! Sie wurde durch den Gebrauchswert be-stimmt und nicht durch den saisona-len Wechsel. Die Langlebigkeit und Kombinationsfähigkeit der Produkte galten als erstrebenswerteste Ziele. Ungeachtet dessen verkauften die Modegestalter, ebenso wie die Foto-

    grafen und Redakteure der begehr-ten Modezeitschriften, in erster Linie Träume. Die modischen Trends wa-ren nicht als Kaufanregung gedacht, sondern wurden als Anregung zum Nacharbeiten in Szene gesetzt.

    hätten diese Entwürfe, die in den Zeitschriften zu sehen waren, nur allzu gern gekauft, denn die Modelle waren ansehnlich und praktisch, hatten darüber hinaus wirklich Chic und Pep.

    Einige wenige Modelle schafften es in die Exquisit-Geschäfte, anderes ging gleich in den Export (immerhin bis zu 80 Prozent der Bekleidungs-produktion der DDR wurden ins Ausland verkauft) und so nahm die durchschnittliche Bürgerin die Entwürfe der Modegestalter einfach als Anregung zum Selbstschneidern. Was die Kreativen im Institut darin bestärkte, ihre Aufgaben mit vollem Einsatz anzugehen. Seit Ende der Siebziger präsentierten sich die Kol-lektionen künstlerisch zunehmend interessanter und anspruchsvoller. Deren Umsetzung scheiterte nicht an mangelnder Kreativität, sondern

    Orientierung

  • Beitrittserklärung zum Verein „Chic im Osten e. V.“

    Hiermit erkläre ich meinen Beitritt zum Verein »Chic im Osten e. V. Leipzig«

    Das Ziel des Vereins ist klar umrissen: Die Organisation und Durchführung von Veranstal-tungen wie zum Beispiel Ausstellungen und Modenschauen, beruhend auf der Sicherung und Pflege der umfangreichen Sammlung des Vereins.Die Satzung, Beitragsordnung und Datenschutzbestimmungen von »Chic im Osten e. V.« (zu finden unter www.chic-im-osten.de/chic-im-osten-e-v/) habe ich zur Kenntnis genom-men und erkenne sie an.

    Name: Vorname:

    Straße, Haus-Nr. PLZ, Ort:

    Telefon: E-Mail:

    Internet: Tätigkeit:

    Datum: Unterschrift:

    © Chic im Osten e. V.

    Vereinsmagazin, Ausgabe 2 | 2018Sonderausgabe zur Ausstel-lung in Bergen auf Rügen

    Herausgeber:Chic im Osten e. V. Mockauer Straße 12004357 LeipzigTelefon: 0157 [email protected]

    Redaktion: Ute Scheffler

    Layout und Produktion: life edition Leipzig

    Zeichnungen | Fotos und Abbildungen stammen aus dem Fundus von Chic im Osten e. V.Wir danken den Models und Fotograf*Innen für die Abbildungsrechte

    www.chic-im-osten.de

    Impressum


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