Herausgegeben vomInstitut für deutsche SpracheRedaktion:Wolfgang Teubert
CopyrightInstitut für deutsche Sprache 1985 Postfach 5409 D-6800 Mannheim 1 Tel. (0621) 4401-1
ISBN 3-922641-28-8
INHALTSVERZEICHNIS
Gerhard Stickel: Das "Fremdwort" hat ausgedient ....................... 7
Nathalie Roth: Deutsche Sprachkultur in der Gegenwart ............... 18
Ulrich Wetz: Ansichten über Sprache .................................... 35
Manfred W. Hellmann: Deutsche Sprache Ost und West ................... 63
Michael Kinne: Sprachliche Folgen der Teilung Deutschlandserneut in der Diskussion ................................................ 69
Manfred W. Hellmann: Bemerkungen zur Entwicklung und zur gegenwärtigen Lage des Arbeitsgebietes "Ost-West-Sprach- differenzierung" ......................................................... 76
Manfred W. Hellmann: Das Bonner Zeitungskorpus Teil 1 ................. 93
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VORWORT
Am Anfang des vorliegenden Hefts 11 der Mitteilungen steht ein Beitrag
von Gerhard Stickel über die Fremdwörter. Die Diskussion über dieses
Thema in der Öffentlichkeit hält unvermindert an; noch immer wird, auch
in den Medien, die Ansicht vertreten, bei der Vermittlung von Fachwissen
an die Öffentlichkeit würden sich Verständnisprobleme vor allem da ein
stellen, wo sogenannte Fremdwörter verwendet werden. Dabei gehört nach
Ansicht der meisten Sprachwissenschaftler die Fremdwortfrage zum alten
Eisen. Verstehensbarrieren entstehen da, wo Wörter einer Fachsprache vom
Laien nicht verstanden werden, weil er die damit bezeichneten Begriffe
nicht kennt; ob diese Wörter lateinischen Urpsrungs sind wie Geron
tologie, aus dem Englischen kommen wie Software oder aus dem Deutschen
wie Dünnsäure, Besitzdiener oder Zarge, ist dabei ohne Belang.
Über die Internationale Jahrestagung 1984 des Instituts für deutsche
Sprache, die dem Thema 'Sprachkultur' gewidmet war, berichtet Nathalie
Roth. Die Tagung hat eine erstaunlich große Breiten- und Tiefenwirkung
erzielt, sie hat das Wort Sprachkultur in der Bundesrepublik heimisch
gemacht und sicher dazu beigetragen, daß neuerdings die Gesellschaft für
deutsche Sprache einem Preis für Sprachkultur im "Medienalltag" vergibt.
Die Tagungsvorträge sind soeben unter dem Titel 'Sprachkultur' als Jahr
buch 1984 des Instituts für deutsche Sprache in der Reihe 'Sprache der
Gegenwart1 erschienen. Sprachkultur und politische Kultur - damit be
schäftigen sich auch die ersten Römerberggespräche, die dem Thema "Spra
che der Macht - Macht der Sprache" gewidmet waren. In seinem Beitrag hat
Ulrich Wetz diese Veranstaltung einer kritischen Würdigung unterzogen.
Der Schwerpunkt dieser Nummer der Mitteilungen beschäftigt sich mit der
Entwicklung der deutschen Sprache in der Bundesrepublik und der DDR.
Michael Kinne gibt in seinen Anmerkungen zu einem linguistischen Kol
loquium eine Übersicht über den Forschungsstand hierzu in den beiden
deutschen Staaten. Manfred W. Hellmann ist als Autor gleich dreimal ver
treten; zum einen mit seinem Beitrag für die Fernsehsendung "Aspekte
Literatur - die geteilte Sprache", zum anderen mit einer Bestandsauf
nahme des Forschungsgebiets "Ost-West-Sprachdifferenzierung" und
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schließlich mit einer ausführlichen Dokumentation des Bonner Zeitungs
korpus Teil 1. Die letzten Korrekturarbeiten an diesem umfangreichen
Korpus (Texte aus der "Welt" und dem "Neuen Deutschland" mit einem Ge
samtumfang von über 3 Mio. Wörtern) wurden vor einigen Monaten abge
schlossen. Das Korpus (einschließlich Registern und weiteren Textauf
bereitungen) steht nun endlich als Mikrofiche-Ausgabe und als Text
datenbank der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zur Verfügung.
Juli 1985
Wolfgang Teubert
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Gerhard Stickel
DAS "FREMDWORT" HAT AUSGEDIENT*
Fremdwörter sind für viele Menschen immer noch ein heißes Eisen. Nun
gibt es bekanntlich für den Umgang mit heißen Eisen seit alters zwei ge
genläufige Empfehlungen: Nach der einen soll man das Eisen schmieden,
solange es heiß ist; nach einem anderen überlieferten Ratschlag, der
wohl nicht für Schmiede gedacht ist, soll man sich von heißen Eisen mög
lichst fernhalten, um sich nicht die Finger zu verbrennen. Als Sprach
wissenschaftler sieht man sich gegenüber einem Gegenstand des eigenen
Fachs natürlich am liebsten in der Rolle eines tüchtigen Schmieds, der
das Werkstück mit der richtigen Zange anfaßt und etwas Sinnvolles und
Nützliches daraus hämmert. Wenn ich mir aber das Eisen 'Fremdwort' ge
nauer ansehe, geht es mir wie einigen meiner Kollegen, die sich mit die
sem Gegenstand eingehender befaßt haben als ich: Ich habe den Eindruck,
daß die Fremdwortfrage schon so oft erhitzt worden ist, schon von so
vielen Schmieden mit oft ungeeigneten Hämmern bearbeitet worden ist, daß
sie nun völlig zerklopft daliegt und man nichts Rechtes mehr daraus ma
chen kann. Als sprachwissenschaftliches Thema würde ich deshalb das
Fremdwort am liebsten zum alten Eisen werfen. Im folgenden möchte ich
erläutern, warum ich das meine.
Soweit die Fremdwortdiskussion heute noch geführt wird, sind zwei Ebenen
zu unterscheiden, die aber nicht übereinanderliegen, sondern schief zu
einander stehen:
- die fachinterne Erörterung der Sprachwissenschaftler darüber, was
Fremdwörter eigentlich sind oder sein könnten,
* Leicht gekürzte Fassung eines Beitrags zu einem Diskussionsabend der Gesellschaft für deutsche Sprache/Wiesbaden am 30.10.1984. In der Ankündigung der Veranstaltung wurden Fremdwörter als ein "heißes Eisen" bezeichnet.
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- die seit einiger Zeit in der Öffentlichkeit wieder einmal lebhafter
geführte Diskussion über Nutzen und Schaden der Fremdwörter.
Im Grunde sollte die allgemeine Diskussion die Ergebnisse der fachin
ternen Klärungsbemühungen voraussetzen. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Und daraus sollte man nicht nur den sprachlich interessierten Mitbürgern
einen Vorwurf machen, die zu Fremdwörtern oft recht entschiedene Mei
nungen haben, sondern auch den Sprachwissenschaftlern, denen es bisher
offensichtlich noch nicht gelungen ist, das, was sie in neuerer Zeit zur
Fremdwortfrage herausgefunden haben, über ihr Fach hinaus zu vermitteln.
Daß Neuigkeiten aus der Forschung sich erst nach einiger Zeit nach und
nach herumsprechen, ist an sich nichts Besonderes. Das gilt für nahezu
alle Wissenschaftler. Im Fall der Fremdwörter kommt jedoch ein ganz ent
scheidender Verzögerungsfaktor hinzu, nämlich das Wort Fremdwort selbst.
Anders als viele Fachwörter der Sprachwissenschaft und der Sprach-
pädagogik ist der Ausdruck Fremdwort den meisten deutschsprachigen Zeit
genossen sehr vertraut. Sie gehen mühelos damit um, vor allem in wer
tenden Äußerungen, in denen etwa ein schwieriger Text oder der Sprach
gebrauch eines anderen Menschen kritisiert wird. Verbreitet ist die
Meinung, man könne klar unterscheiden zwischen deutschen Wörtern, die
wir ganz oder in ihren Teilen aus der deutschen Sprachgeschichte, soweit
sie sich zurückverfolgen läßt, geerbt haben, und Fremdwörtern, die vor
längerer Zeit oder auch erst in der jüngsten Vergangeheit aus anderen
Sprachen übernommen wurden. Verbunden wird mit dieser Unterscheidung
meist eine unterschiedliche Bewertung. Nach wie vor gibt es die Auf
fassung, daß der Gebrauch von Fremdwörtern anders als der von deutschen
Wörtern besondere Schwierigkeiten bereitet: Fremdwörter sind schwer zu
schreiben, auszusprechen oder zu verstehen, weil die mit ihnen verbun
denen Bedeutungen besondere Fach- und Sprachkenntnisse voraussetzen. Wie
man bei Fremdwortdiskussionen immer wieder beobachten kann, wird meist
ein solcher Kausalzusammenhang zwischen Herkunft und Gebrauchsschwie
rigkeit von Wörtern angenommen.
Gelegentlich wird bei solchen Diskussionen auch eine begriffliche
Dreierunterscheidung gemacht, die viele von uns in der Schule gelernt
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haben, nämlich zwischen Erbwörtern, Fremdwörtern und Lehnwörtern. Wenn
es aber darum geht, anhand konkreter Beispiele zu entscheiden, ob be
stimmte Wörter Fremd- oder Lehnwörter sind, können die Meinungen rasch
auseinandergehen. Meist gibt man sich mit der generellen Vorstellung zu
frieden, daß Lehnwörter so etwas wie ehemalige Fremdwörter sind, die
sich den Erbwörtern so weit angeglichen haben, daß sie nur noch von
Fachleuten als Fremdwörter erkannt werden können.
Soweit ich die öffentliche Fremdwortdiskussion in den letzten Jahren be
obachtet habe, und ich habe mich dabei vor allem mit Leserbriefen und
Sprachglossen in den Zeitungen befaßt, spielt die Begriffstrias von
Erb-, Lehn- und Fremdwörtern dabei keine große Rolle. Zumeist wird an
genommen, daß man bei den gegenwärtig gebrauchten Wörtern ohne weiteres
zwischen deutschen Wörtern und Fremdwörtern unterscheiden könne.
Im Unterschied zu den meisten Mitbürgern tun sich die Sprachwissen
schaftler, besonders die Spezialisten im Bereich von Lexikologie und Le
xikographie mit dem Ausruck Fremdwort schon seit längerem recht schwer.
Die Tendenz geht sogar dahin, diesen Ausdruck als Fachterminus ganz
aufzugeben. Der Grund, warum das Fremdwort als Fachausdruck in Mißkredit
geraten ist, ist vor allem in den Neuansätzen der Sprachforschung der
letzten Jahrzehnte zu suchen, die auf eine geänderte, in jedem Falle
weitere Auffassung von Sprache zurückgehen.
Bis in die ersten Jahre nach Kriegsende war die Sprachwissenschaft in
den deutschsprachigen Ländern vorwiegend historisch ausgerichtet. Auch
Untersuchungen der Gegenwartssprache einschließlich ihres Wortschatzes
zielten stets darauf ab, die beschriebenen Einheiten zu älteren Formen
des Deutschen in Beziehung zu setzen, sie als Ergebnis einer ge
schichtlichen Entwicklung vom Althochdeutschen bis in die Neuzeit zu
erfassen. Für eine solche Betrachtung waren viele Wörter der Gegen
wartssprache schon deshalb weniger interessant, wenn nicht gar ärger
lich, weil sie innerhalb des Deutschen nur eine relativ kurze Geschichte
haben, also z.B. erst im 18. oder 19. Jahrhundert oder gar erst in der
jüngsten Vergangenheit aus anderen Sprachen ins Deutsche übernommen oder
unter Verwendung fremdsprachlicher Elemente im Deutschen gebildet worden
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sind. Was liegt bei einer vorwiegend historischen Interessenlage näher,
als mit Altersunterschieden auch Wertunterschiede zu verbinden?
Hinzu kam, daß die historische Ausrichtung der Germanistik zum Teil auch
motiviert war durch das Bemühen einer nationalen Identitätsbestimmung
aus der deutschen Sprachgeschichte heraus. Deshalb wurden bis in die
jüngste Vergangenheit die aus anderen Sprachen entlehnten Wörter, Wort
elemente und Bildungsmuster von einem Teil der professionellen Germa
nisten als Gefahr, als schädlich für die deutsche Sprache und nationale
Identität angesehen und deshalb oft leidenschaftlich bekämpft. Fremd
wort war dabei nicht nur Beschreibungsbegriff für Teile des Wort
schatzes, sondern auch Kampfwort zur Verteidigung des Deutschen vor
allem sprachlich, kulturell und politisch Fremden. Einzelheiten der po
litischen Verstrickung der zünftigen Germanistik einschließlich der
Sprachvereine und -gesellschaften, die als ihre Multiplikatoren wirkten,
sollen aber hier nicht weiter erörtert werden.
Für wichtiger halte ich, daß die Sprachwissenschaft hierzulande erst in
der Nachkriegszeit die Möglichkeit erhielt, Forschungsansätze aufzuar
beiten, mit denen anderswo schon seit längerem erfolgreich gearbeitet
worden war. Hierzu gehören die Theorien und Methoden des europäischen
und amerikanischen Strukturalismus, der die Geschichtlichkeit von Spra
che keineswegs leugnet, andererseits aber deutlich gemacht hatte, daß
das Funktionieren einer lebenden Sprache, die wechselseitigen Bezie
hungen der Einheiten zueinander, die Regeln ihres Gebrauchs sich nicht
ausschließlich aus ihrer Geschichte herleiten lassen. Schon 1916 hatte
der Schweizer Sprachwissenschaftler Ferdinand de Saussure auf die me
thodischen Schwächen der herkömmlichen vorwiegend etymologischen Wort
forschung hingewiesen. Die außerhalb Deutschlands längst akzeptierte
Einsicht, daß etwa die Bedeutung von Wörtern zu einer gegebenen Zeit in
ihren Beziehungen zu anderen Wörtern und aus ihren Gebrauchseigenschaf
ten zu ermitteln ist, wurde bestimmend für die neuen Richtungen der
Wortforschung.
Die traditionelle Sprachwissenschaft hatte lexikalische Strukturen zwar
nicht geleugnet, die Gebrauchseigenschaften, den Gebrauchswert der Wör-
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ter aber in verkürzter Weise mit ihrer Herkunft vermengt oder sogar
gleichgesetzt. Als gut und nützlich galten Wörter anerkannt germanischer
Herkunft, als nützlich, wenn auch nicht ganz so gut, die 'eingedeutsch
ten' Lehnwörter und als unnütz oder sogar schädlich Wörter, die urnnas-
kiert ihre fremde Herkunft erkennen lassen.
Diese Dreierunterscheidung hat sich für die beschreibende Wortforschung,
die sich auf die Beobachtung des gegenwärtigen Sprachgebrauchs stützt,
als ungeeignet erwiesen, als ungeeignet vor allem deshalb, weil sich
zwischen der Herkunft und den Gebrauchseigenschaften der einzelnen Wör
ter, ihren grammatischen und stilistischen Merkmalen, ihrer Zugehörig
keit zu bestimmten Fach- und Gruppensprachen bzw. ihrer Gebrauchsüblich-
keit in der Gemeindesprache kein durchgehender Erklärungszusammenhang
herstellen läßt.
Es ist vor allem der noch weithin angenommene kausale Zusammenhang zwi
schen Herkunft einerseits und Verständlichkeit und Gebräuchlichkeit an
dererseits, der bei einer Vielzahl von Wörtern zu Abgrenzungsschwierig
keiten und Widersprüchen führt. Hierzu einige wenige Beispiele.
Die beiden Kriterien scheinen gut zueinander zu passen bei Wörtern wie
Biotop, Gerontologie, Hybridkompositum, Diskont, Legato, Relais, Marke
ting oder Holding, die wohl die meisten Zeitgenossen Fremdwörter nennen
würden, weil sie mit ihnen nur eine unklare oder gar keine Bedeutung
verbinden. Abgesehen von ihrer Bedeutung sind z.B. Apperzeption, Trans
substantiation, Ptyalin oder Thriller auch noch schwer zu sprechen. Und
wer außer Medizinern weiß schon, wie man Anästhesie oder Gonorrhöe
schreibt?
Eventuelle Schreibschwierigkeiten scheinen aber die meisten Menschen
nicht daran zu hindern, häufig Wörter wie Portemonaie, Serviette oder
Malheur zu gebrauchen. Und mit Freak, T-Shirt, Jogging, Tuen, Feeling.
Disco oder Poster kommen vor allem junge Leute heute gut zurecht.
Mit Wörtern wie Doktor, Professor, Klinik, Interesse, Material, Zigaret
te, Theater, Partner, Pullover, Hobby, Sport, Film, Pudding und vielen
anderen hat wohl niemand hierzulande Schwierigkeiten.
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Wenn es also offensichtlich schwierige und leichte, wenig gebräuchliche
und gebräuchliche Fremdwörter gibt, was unterscheidet dann diese Wörter
insgesamt von anderen Wörtern im Deutschen? Bei einem Teil von ihnen
kann ja nicht einmal die fremde Herkunft als Abgrenzungsmerkmal dienen,
worauf ich unten noch kurz eingehen werde.
Auf der anderen Seite werden viele von uns mit Texten konfrontiert, die
nahezu ausschließlich Wörter untadeliger Herkunft enthalten, die aber
deshalb nicht etwa leicht zu verstehen sind. Ich erinnere nur an Behör
denformulare und andere Texte der öffentlichen Verwaltung und des
Rechtswesens. Bekanntlich wird ja gerade bei den Gesetzestexten schon
seit langem ganz besonders auf sprachliche Sauberkeit geachtet. Ein
Nichtjurist, der sich mit dem auch sprachlich für alle Bürger gemachten
Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) befaßt, wird aber dieses Buch nicht gerade
als Muster für gebräuchliche und verständliche Wörter empfehlen kennen.
Ich beschränke mich auf eine kleine Bei spiel 1iste:
AbdingbarkeitAuflassungAuslobungBefriedigungsrechtBesitzdienerBüchersitzungDienstbarkeitGattungsschuldMündelsicherheitNießbrauchRangvorbehaltSachenmehrheitVerkehrssitteWahlschuldWandelung
Solche Wörter mögen vielen Menschen weniger fremdartig erscheinen als
etwa Appendizitis, Laktose, Computertomograph oder Multiplechoice-Text.
Als Laie sollte man jedoch dem Befriedigungsrecht oder der Verkehrs
sitte ebensowenig trauen, genauer gesagt, man sollte die eigene spon
tane Deutung auf keinen Fall mit der juristischen Verwendung dieser Wör
ter verwechseln.
Man braucht sich im übrigen nicht auf die Fachsprache des Rechtswesens
zu beschränken. Mit dem Wort Dünnsäure, das in letzter Zeit häufig in
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den Nachrichten gebraucht wird, verbinde ich selbst nur eine sehr un
klare Vorstellung. Bis heute weiß ich nicht, ob diese Säure wegen ihrer
Dünne relativ harmlos oder besonders gefährlich ist. Gelernt habe ich
nur, daß Dünnsäure verklappt wird. Was aber bedeutet verklappen?
Diese wenigen Beispiele sollen nur illustrieren, daß der Begriff 'Fremd
wort' zur umfassenden Bestimmung von Wörtern mit den Eigenschaften
'fremdsprachliche Herkunft' und 'schwer zu gebrauchen oder zu verstehen'
untauglich ist. Wenn man die beiden Kriterien getrennt anwendet, gelangt
man zu Wortmengen, die sich nur teilweise überlappen, und auch dies
nicht in konstanter Weise. Die Herkunft läßt sich zwar für viele Wörter
einigermaßen sicher ermitteln. Deren Verständlichkeit variiert jedoch
mit den individuellen und sozialen Voraussetzungen der hierzu befragten
Menschen. Was dem Mediziner die Zirrhose ist, ist dem Winzer der Tres
ter, dem Germanisten der Ablaut, dem Biologen der Klon, dem Historiker
das Palimpsest, dem Jugendlichen der Freak und dem Bildungsbürger das
Sohibboleth. Fremdwörter als Klasse von Wörtern, die allen Mitgliedern
einer Sprachgemeinschaft Schwierigkeiten bereiten, gibt es nun einmal
nicht.
Noch einige Bemerkungen zu den scheinbar sicheren Herkunftskriterium.
Als Fachwort ist der Ausdruck Fremdwort auch deshalb im Kurs gefallen,
weil es herkömmlicherweise suggeriert, daß die damit bezeichneten Wörter
ihre Heimat in einer fremden Sprache haben. Und gerade das trifft auf
eine Vielzahl von Wörtern, die alltagssprachlich Fremdwörter genannt
werden, gar nicht zu. Ich denke dabei etwa an Scheinentlehnungen wie
Twen, Dressman, Showmaster und Highlife, die weder im britischen noch im
amerikanischen Englisch zu Hause sind, sondern hierzulande geprägt wur
den.
Bedeutsamer als solche sprachlichen Kuriositäten sind große Teile des
Fachwortschatzes von Medizin, Pharmakologie, Chemie und einigen anderen
Fächern: Wörter, die weder aus dem alten Rom noch dem antiken Griechen
land stammen, die vielmehr in der Neuzeit zumeist aus griechischen und
lateinischen Wortelementen konstruiert wurden, weil deutsche, französi
sche, englische oder andere Wissenschaftler einen Bezeichnungsnotstand
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zu bewältigen hatten, weil für neuentdeckte Krankheiten, Stoffe oder
Verfahren möglichst eindeutige Bezeichnungen gebraucht wurden. All die
vielen Fachwörter z.B. auf -ose, -itis und -iasis, auf -ismus und -istik
gibt es in ähnlichen Ausdrucksformen in vielen Sprachen. Da sie keiner
Einzelsprache entlehnt sind, sondern in ganz unterschiedlichen Ländern
geprägt wurden, kann man sie nicht gut Fremdwörter nennen, zumindest
bliebe dabei die 'Fremde' völlig unbestimmt. Solche fachsprachlichen
Internationalismen gehören im Grunde genommen allen Sprachen an, deren
fachliche Varietäten an einem solchen internationalen Spezialwortschatz
teilhaben.
Was nun die echten Entlehnungen angeht, also Wörter, die nachweislich
aus einer bestimmten Fremdsprache übernommen wurden, so haben die meis
ten im Unterschied zu den Internationalismen im Deutschen Eigenschaften
angenommen, die sich von ihrem Gebrauch in der Gebersprache unter
scheiden. Bekannt ist, daß ein Wortausdruck nach seiner Übernahme in
eine andere Sprache zwar nicht immer seine Form, aber sehr oft seine Be
deutung ändert. Die schon erwähnte Serviette bezeichnet im Französischen
kein Mundtuch, sondern ein Handtuch. Und auch ein im Deutschen relativ
neues Wort, der Computer hat eine Bedeutungsänderung, und zwar eine Be
deutungsverengung mitgemacht. Anders als im Deutschen kann man mit Com
puter im Englischen nicht nur eine rechnende Maschine, sondern auch
einen rechnenden Menschen bezeichnen. Derartige Bedeutungsverschiebungen
sind geradezu kennzeichnend für viele Entlehnungsvorgänge. Die oft
gescholtene Anlehnung des Deutschen an fremde Sprachen erweist sich in
solchen Fällen geradezu als das Gegenteil. Die semantische Abwandlung
von Wörtern ist ja keine Annäherung, sondern eine Entfernung von der be
treffenden Fremdsprache.
Neben den Erscheinungen der innersprachlichen Entwicklung und dem Ge
brauch entlehnter Wörter und Wortelemente gibt es Entlehnungsarten, die
sich auch bei historischer Betrachtung nicht sinnvoll unter irgendeinen
Fremdwortbegriff fassen lassen. Hierzu gehören Entlehnungen, bei denen
nicht Wortausdrücke, sondern Bedeutungen übernommen werden. Soll man et
wa Wörter wie Selbstbedienung, Taschentuch oder Eierkopf zu den Fremd
wörtern rechnen, weil sie Lehnübersetzungen aus englisch self-service,
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pooket book bzw. egghead sind? Und sind Lehnübertragungen wie Wolken
kratzer (nach skycraper) oder Entwicklungsland (nach developing country)
Fremdwörter, weil sie nach englischem Vorbild gebildet sind? Sind Verben
wie feuern oder buchen sowohl deutsche Wörter als auch Fremdwörter, weil
sie unter anderem in den Bedeutungen 'entlassen' bzw. 'Platz bestellen'
nach dem Vorbild von englisch to fire und to book gebraucht werden?
Solche Erscheinungen lassen sich mit dem herkömmlichen unklaren Fremd
wortbegriff gar nicht erfassen. Und ich wüßte auch nicht, wie man diesen
Begriff entsprechend präzisieren könnte. Warum auch? Fachwörter wie
Lehnwortbildung, Lehnübersetzung und Lehnübertragung sind eingeführt und
in jedem Fall genauer.
Es sollte deutlich geworden sein, daß die derzeitige Sprachwissenschaft
die Entlehnungen aus fremden Sprachen nicht etwa übersieht oder bagatel
lisiert. Auch die neuere Wortforschung nimmt den Einfluß fremder Spra
chen auf das Deutsche ernst. An der Tatsache, daß der überwiegende Teil
unseres heutigen Wortschatzes auf Entlehnungen oder Lehnwortbildungen
zurückgeht, läßt sich nun einmal nicht herumdeuteln. Es sollte aber
deutlich geworden sein, warum die Sprachwissenschaft mit dem Ausdruck
Fremdwort weder bei der historischen Untersuchung von Entlehnungsvorgän
gen noch bei der funktionalen Beschreibung des gegenwärtigen deutschen
Wortschatzes etwas anfangen kann. Als Fachwort hat das Fremdwort aus
gedient.
Da es aber weiterhin in aller Munde ist und deshalb zur deutschen Gegen
wartssprache gehört, können wir es nicht zum alten Eisen werfen. Es wird
wohl noch einige Zeit im Gebrauch bleiben als alltagssprachliche Be
zeichnung für Wörter, die dem jeweiligen Sprecher als fremd erscheinen,
und zwar unabhängig davon, ob die so bezeichneten lexikalischen Einhei
ten tatsächlich aus fremden Sprachen übernommen, ob sie fach- oder bil
dungssprachliche Internationalismen sind oder im Deutschen unter Ver
wendung fremdsprachlicher Elemente gebildet wurden.
Als Kampfwort sollte das Fremdwort dagegen längst ausgedient haben. Da
mit soll nicht von der Tatsache abgelenkt werden, daß es wortbedingte
Verständnis- und Verständigungsschwierigkeiten gibt, daß wir tagtäglich
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mit rücksichtslosem oder irreführendem Sprachgebrauch konfrontiert wer
den. Wer sich aber sprachkritisch mit bestimmten Texten, mit dem Sprach
gebrauch in bestimmten Situationen auseinandersetzt, kann sich jedoch
nicht auf einen wissenschaftlich gesicherten Fremdwortbegriff berufen.
Das Bemühen etwa um verständlichere für Laien bestimmte Fachtexte, die
Kritik unklaren oder irreführenden Sprachgebrauchs in der Werbung oder
in der Politik ist wenig hilfreich, wenn dabei lediglich bei der tat
sächlichen oder vermeintlichen fremden Herkunft der verwendeten Wörter
angesetzt wird. Wie der Germanist Peter von Polenz schon 1967 schrieb,
ist die Ursache für wortbedingte Verständnisprobleme nicht so sehr die
fremdsprachliche Herkunft bestimmter "Wörter oder ihrer Bestandteile,
sondern ihre sprachsoziologische und stilistisch gebundene Geltung"
('Fremdwort und Lehnwort sprachwissenschaftlich betrachtet', in: Mutter
sprache, 1967, H. 3/4). Als Kampfwort ist Fremdwort demnach kein sprach-
kritisches Argument, sondern aus der Sicht der heutigen Sprachwis
senschaft vor allem eine begriffliche Schlamperei.
Wenn schon nicht den alltagssprachlichen Ausdruck Fremdwort, sollten wir
auf jeden Fall zusammen mit dem unbrauchbaren Begriff 'Fremdwort' auch
die sogenannte Fremdwortfrage zum alten Eisen werfen. Wir Germanisten
müssen zugeben, daß gerade auch Vertreter unserer eigenen Zunft im Ver
lauf der letzten hundert Jahre ihren Landsleuten immer wieder die Fremd
wortfrage als Komplex aus einem wissenschaftlich ungenauen Begriff und
irrationalen hygienischen und ästhetischen Vorstellungen von Sprache
eingeredet haben. Dies hat zur Verbreitung von Vorurteilen geführt, von
denen sich einige leider bis heute erhalten haben. Neben der irrigen
Auffassung von der prinzipiell möglichen, leichten Unterscheidung zwi
schen 'deutschen' und 'fremden' Wörtern und der generellen Schwerver
ständlichkeit von 'Fremdwörtern' gehören hierzu die Meinungen, daß
Fremdwörter
- von 'bestimmten' (d.h. unbestimmten) Kreisen gezielt ins Deutsche ein
geschleust werden,
- im Unterschied zu 'deutschen' Wörtern ungenaue Bedeutungen haben,
- zur Verschleierung oder Irreführung gebraucht werden,
- einer niedrigen Stilebene angehören,
- für anspruchsvolle Dichtung ungeeignet sind,
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- den Wortschatz unnötig 'aufblähen' und die Grammatik komplizierter
machen
- und daß durch ihren Gebrauch die deutsche Sprache und mit ihr die
nationale Identität der Deutschen gefährdet werde.
Sprachwissenschaftler, die sich mit solchen unhaltbaren Pauschalmei
nungen auseinandersetzen, plädieren damit keineswegs für Gleichgültig
keit gegenüber unverständlichem oder manipulativem Sprachgebrauch, son
dern suchen durch die Analyse und Kritik von Vorurteilen zu rationaler
Sprachkritik beizutragen.
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Natalie Roth
DEUTSCHE SPRACHKULTUR IN DER GEGENWART
Internationale Tagung des Instituts für deutsche Sprache
Mannheim, 13. - 16. März 1984
0. EINLEITUNG
Das Thema "Sprachkultur" erwies sich als gewichtig und umfassend genug,
um der diesjährigen und zugleich 20. Jubiläumstagung des IdS mit ent
sprechender bundesweiter und internationaler Beteiligung würdig zu sein.
Wie das IdS selbst das Problem der gegenwärtigen deutschen Sprachkultur
sieht, konnte man den von ihm zu diesem Anlaß veröffentlichten Mit
teilungen 10 mit dem Titel Aspekte der Sprachkultur entnehmen, das den
Tagungsteilnehmern überreicht wurde.
Schon der erste Beitrag von Rainer Wimmer, Sprachkultivierung durch
Sprachkritik: Ein Plädoyer für reflektierten Sprachgebrauch, ließ in der
einleitenden Begriffserklärung erkennen, daß mit Sprachkultur nicht etwa
die durch die "überzogenenen normativen Ansprüche" der Puristen in Miß
kredit geratene Sprachpflege und schon gar nicht die elitäre Sprachkul
turauffassung gemeint ist, sondern die Förderung eines reflektierten
Sprachgebrauchs des Einzelnen. Nicht die "Herrschaft der wenigen über
die vielen" sollte eine Sprachkultur in unserer Zeit bestimmen, sondern
eine Pluralität von Kommunikationsteilnehmern. Einzelne Sprecher und
Sprechergruppen mit all ihren tatsächlich gelebten Sprachformen sollten
bei einem Sprachkulturkonzept in Betracht gezogen werden.
Ist bei der Erzeugung von Sprachkultur des Deutschen heute Pluralismus
erwünscht, so kam dieser schon bei der Erörterung des Themas auf der Ta
gung selbst durch zahlreiche recht unterschiedliche Standpunkte zum Aus
druck. Sprachkultur als Summe der Bemühungen aller an der Kommunikation
18
beteiligten Individuen und Gruppen um "reflektierten" Sprachgebrauch, ja
aber wo? In der Bundesrepublik und den anderen deutschsprachigen Län
dern? Überall dort, wo Deutsch Muttersprache ist? Im Ausland, wo sie es
nicht ist, aber umsomehr gelehrt wird?
1. ZUGÄNGLICHKEIT DES DEUTSCHEN FÜR DEN AUSLÄNDER
Der erste von den insgesamt 19 Beiträgen zu diesem Thema, das Statement
des Präsidenten des Goethe-Instituts, Klaus von Bismarck, Zur Problema
tik der Sprachkultur im Blick auf das nicht-deutschsprachige Ausland,
bewies schon, daß man möglicherweise Gefahr läuft, über dem Problem der
Erzeugung von Sprachkultur das der Verbreitung eben dieses Resultats
sprachpflegerischer und sprachkultureller Tendenzen im 'Mutterland' zu
vergessen. Geht es bei der Verbreitung des Deutschen im Ausland eigent
lich noch darum, welcher Überlegenheit das heutige Deutsch zu verdanken
ist, ob der der wenigen oder der der vielen, oder in erster Linie um die
Zugänglichkeit dieser Sprache für den Ausländer? Der Deutschlehrer im
Ausland weiß sehr wohl, daß er z.B. puristische Maßstäbe nicht ansetzen
kann, wenn es darum geht, Deutsch als 'leicht erlernbare' Sprache zu
vermitteln. Man scheut sich nicht vor Internationalismen, wie B. be
richtete. Bekanntlich werden diese sogar für Einführungslektionen zusam
mengetragen. Es wird mitunter auch auf schwer erlernbare grammatische
Formen, wie die des Konjunktivs, verzichtet, der in Deutschland sogar in
Mundarten verwendet wird, geschweige denn in den sprachkulturbewußten
Schichten, in der Öffentlichkeit, in den Medien. Eine Sprachreflektiert-
heit der vielen scheint also allein nicht zu genügen, wenn in unserer
Zeit ein Deutsch hervorgebracht werden soll, das auch den rund 20 Mil
lionen Deutschschülern in der Welt zugänglich ist. (16-17 Millionen
lernen gemäß den von B. gemachten Angaben an Schulen Deutsch und 3-4
Millionen in der Erwachsenenbildung.).
1.1. Normbewußtheit ohne elitäre Tendenz
Normbewußt, wenn auch nicht mit elitärer Tendenz muß der Deutschlehrer
im Ausland schon arbeiten. Dies ging auch aus den Diskussionen deutlich
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hervor, die nach den Ausführungen von B. und dem nachfolgenden Sprecher,
einem Auslandsgermanisten, J. Juhäsz (Budapest), Der Stellenwert der
Sprachkultur in der modernen Gesellschaft, folgten. Daß Deutsch in der
Reihenfolge der erlernten Fremdsprachen heute nach dem unglückseligen
Tiefstand infolge der Ereignisse um den Zweiten Weltkrieg wieder den
dritten Platz einnimmt, nach Englisch und Französisch, sollte eigentlich
auch jene nicht unberührt lassen, die sich für Entwicklung und Pflege
des heutigen Deutsch verantwortlich fühlen, auch wenn sie sich nicht zu
Normierern emporschwingen wollen. Und noch eine Feststellung des Präsi
denten des Goethe-Instituts ließ manchen Tagungsteilnehmer aufhorchen:
Deutsch wird nicht so sehr aus einem pragmatischen Interesse heraus
gelernt, wie man in letzter Zeit anzunehmen geneigt war, sondern auch um
der deutschen Kultur willen, was wiederum eine Herausforderung an das
'Mutterland1, und zwar für all jene bedeutet, die Kulturwerte mit Hilfe
von Sprache schaffen.
Als "Bestandteil der Kultur überhaupt" bezeichnete Dieter Nerius
(Rostock), einer der beiden erstmals auf einer IdS-Tagung erschienenen
DDR-Linguisten, die Sprachkultur. In seinem Statement, Zur Geschichte
und Bedeutung des Begriffs Sprachkultur in der Linguistik der DDR,
stellte er klar, daß nicht jede sprachliche Erscheinung oder Äußerung
als Sprachkultur zu betrachten sei, sondern nur jene, die bestimmte
Merkmale aufweisen, die beispielsweise ein gewisses qualitatives Niveau,
einen bestimmten Grad der Geformtheit, Gepflegtheit und Ausbildung zeig
ten. Also nicht Sprachkunst, eine elitäre Befähigung weniger, wolle man
unter Sprachkultur verstehen, sondern die Tendenz, Sprache jedem ihrer
Benutzer zugänglich zu machen, sei es produktiv oder reziptiv. Unter
Hinweis auf die von der DDR-Linguistin Erika Ising 1974 formulierte De
finition des Begriffs Sprachkultur bekannte sich N. zu einem "norm
gerechten und schöpferischen Sprachgebrauch", der sich nicht bloß auf
eine bestimmte Existenzform der Sprache, etwa die Literatur-, Hoch- oder
Standardsprache, bezieht, sondern auf alle.
1.2. DDR - normierte Bildungssprache für die vielen
Man unterscheidet zur Zeit in der DDR-Linguistik zwischen einer engeren
20
und einer weiteren Fassung des Begriffs Sprachkultur, wobei der zweite
als Oberbegriff verstanden wird, d.h. er umfaßt Gegebenheiten der
Sprache, des Sprachverhaltens und des Sprachgebrauchs, während mit dem
ersten die in der DDR zur Tradition gewordene Sprachpflege gemeint ist.
'Sprachpflege' ist auch der Titel einer Zeitschrift, die dort seit vie
len Jahren erscheint und auch heute diese Tendenz kontinuierlich ver
folgt.
Sprachkultur bezogen auf Gesellschaft einerseits und den einzelnen Spre
cher andererseits - darüber scheint man sich in der DDR heute bereits
ziemlich einig zu sein, ebenso wie über die Notwendigkeit einer normier
ten Bildungssprache, die allen zugänglich sein soll, d.h. den vielen,
die am Bildungsprozeß teilhaben. Ob dies nun ausschließlich die Litera
tursprache sein soll oder auch die Umgangssprache sein könnte, darüber
gebe es zur Zeit in der DDR noch unterschiedliche Meinungen. Dies
bezüglich wurde der DDR-Linguist B. Techtmeier erwähnt, der für kom
munikative Adäquatheit plädiert, d.h. für einen funktional und situativ
angemessenen Sprachgebrauch. Als Grundlage der Sprachkultur werde aber
allgemein und so auch von den beiden auf der Tagung vertretenen Lin
guisten die Literatursprache als wichtigste Existenzform betrachtet,
weil sie überregional, einheitlich und dazu auch viel reicher sei als
die einzelnen Varietäten.
Ob es einer sozialistischen Gesellschaft etwa nicht besser anstünde, die
von allen Sprechern beherrschte Umgangssprache in den Rang einer Stan
dardsprache zu erheben? Die Frage beantwortete der zweite Tagungs
teilnehmer aus der DDR, Wolfdietrich Hartung (Berlin), mit nein. In
seinem Statement, Sprachkultur als gesellschaftliches Problem und als
linguistische Aufgabe, erklärte er, die bekannte Diskrepanz zwischen ge
bildeten und anderen Sprechern, nämlich die Bildung, sei in der DDR
durch Beseitigung der Bildungsschranken so gut wie verschwunden. Unter
schiede gebe es zwar noch in der Beherrschung des Standards, dieser sei
jedoch den wenigsten fremd. Die DDR-Schule weise dem Muttersprache-
Unterricht beachtliche Bedeutung zu, und man stehe diesbezüglich im
internationalen Vergleich nicht schlecht da (auch im deutsch-deutschen,
wie sich im weiteren Verlauf der Tagung noch herausstellen sollte - Anm.
21
d.A.). Angesichts seiner engen Bindung an die Schriftlichkeit könne
allein der Standard die Hauptform sein, in der gesellschaftliches Wissen
fixiert ist. Zugang zum Standard ist also gleich Zugang zum gesell
schaftlichen Wissen, so H.
Also wieder Verweis auf die Norm (H. teilt diese in grammatische und
kommunikative Norm),, damit die Sprache zugänglicher werde.
1.3 Duden - Stabilisierung und Kontrolle über Zentrifugalkräfte
Wie es um Normen und Normierarbeit heute in der Bundesrepublik bestellt
ist, ging aus der nachfolgenden Podiumsdiskussion, Sprache und Insti
tutionen., hervor, zu der die Vertreter der dafür zuständigen Insti
tutionen dieses Landes angetreten waren: Duden-Redaktion (Mannheim),
Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung (Darmstadt) und Gesellschaft
für deutsche Sprache (Wiesbaden). Das Institut für deutsche Sprache
(Mannheim) hatte sich - wie der Sprecher der Duden-Redaktion Günter
Drosdowski, eingangs hintergründig bemerkte, "bezeichnenderweise auf
eine Moderatorenrolle zurückgezogen", und zwar in der Person des Vor
standes Gerhard Stickel, der die Diskussion leitete. Gerne hätte man
hier erfahren wollen, welche Haltung das IdS zur Standardsprache hat.
Hatte D. etwa nicht die bereits erwähnten Mitteilungen zu Gesicht be
kommen, oder sollte das IdS deutlich zu einer verbalen Stellungnahme
hinc et nunc herausgefordert werden? D. stellte vor allem klar, daß der
Duden keineswegs ein staatlicher Verlag sei, verwies auf die Geschichte
dieser Institution, die auch eine Geschichte des geteilten Landes ist,
und auf die Arbeit mit der Sprachkartei, durch die einerseits die Pro
duktivität der deutschen Sprache, andererseits der Einfluß anderer
Sprachen auf das heutige Deutsch erfaßt, d.h. alle diesbezüglichen 'Be
wegungen' verfolgt werden. Von einer 'Herrschaft der wenigen' scheint
hier keine Rede zu sein. Es wird bloß der Wortschatz des realen
Sprachgebrauchs erfaßt, das Wortgut differenziert eingeordnet, um es dem
Benutzer zugänglich zu machen. Dabei stelle die zur Zeit ungeheure Flut
von Anglizismen und Amerikanismen Probleme, die zu bewältigen der Duden
allein mitunter nicht vermag. Ein Vorwurf ging auch an die Gesellschaft
für deutsche Sprache, die bezüglich der Entlehnungen nicht genug
22
unternehme. Die Sprachberatungsstelle des Duden hat jährlich 8.000 -
10.000 Anfragen auszuwerten, wo es manchmal auch darum geht, ob man z.B.
'Gerdas Kleid' oder 'Gerda ihr Kleid' sagen sollte. Da heute die Sprach
gesellschaften an Bedeutung verloren haben, bleibe dem Duden die Rolle
der Stabilisierung der Standardsprache und der Kontrolle Uber die sich
zerfächernden und mitunter zersetzenden Zentrifugalkräfte. Der Weg zum
souveränen Umgang mit Sprache über die Erlernung der Normen sei das, was
der Duden den Sprachbenutzern geben wolle. Dabei müsse er sich manchmal
Kritik gefallen lassen, vom Vorwurf, sich als alleinherrschender
Normierer aufzuschwingen, unkontrolliert 'eskalierende Normsetzung' zu
betreiben, wie es einem privatwirtschaftlichen Unternehmen nicht zu
stehe, bis hin zur gegenteiligen Behauptung, er bringe zu viele Varian
ten in seinen Wörterbüchern, ohne anzugeben, welches nun die richtige
sei, und er übe zu große Toleranz gegenüber namhaften Schriftstellern,
die auch mal einen Fehler machten und mit diesem nicht gleich zur
Normsetzung beitragen sollten, wie man später noch auf der Tagung hören
konnte.
1.4. Sprachkultur als geistige Haltung
Nachdem Martin Gauger, Geschichte, Zielsetzungen und vergangene sowie
gegenwärtige Projekte (u.a. ein noch in Frage stehendes über Wirt
schaftssprachen) der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung (Darm
stadt) dargestellt hatte, machte 0. Nüssler im Namen der Gesellschaft
für deutsche Sprache (Wiesbaden) den Versuch, den Begriff Sprachkultur
zu umreißen, der - wie die Themenvielfalt der Tagung bewies - keineswegs
leicht zu fassen ist. Das Thema müsse zuerst mit einer Feststellung und
dann mit einer Forderung angegangen werden. Feststellung darüber, ob man
Sprachkultur hat oder nicht, wobei dies jeweils von der inneren, der
geistigen Haltung eines Individuums oder einer Gemeinschaft abhänge. Hat
man Sprachkultur, so müsse man diese auch vor dem Verkommen schützen.
Sprachkultur sei das hohe Ziel, Sprachpflege die Wege zu diesem Ziel.
Eine sehr gute Abgrenzung zwischen beiden Begriffen, ohne jedoch die
Präzisierung der Mittel zu liefern, mit denen das eine und das andere zu
erreichen ist.
23
Ein glücklicher Einfall der Tagungsveranstalter war, zwischen die Reali
täten der Sprachkultur in beiden Teilen Deutschlands sowie im Ausland
einen kleinen Exkurs über Sprachgeschichte einzuschieben.
2. SPRACH- UND MORALNORMIERER IM 18. JAHRHUNDERT
K. Eibl (Trier) sprach zum Thema Sprachkultur im 18. Jahrhundert. Über
die Erzeugung von Gesellschaft durch Literatur. Er erinnerte an die
Zeit, da Dichtung als Form gebundener Sprache der Vermittlung morali
scher Lehrsätze diente. Christian Fürchtegott Geliert (1715-1769) prägte
durch seine Werke das Tugendideal des aufgeklärten deutschen Bürgertums
entscheidend mit. Bürgerliche Tugend wird höfischem Laster gegenüber
gestellt. Gelassenheit, Bescheidenheit, Freundschaft u.a. moralische
Werte werden von ihm in die bürgerliche Schicht getragen. Er steht so
mit zwischen der Gottsched- und der Lessing-Phase und stellt eine wich
tige Station der deutschen Aufklärung dar. Die Kodifizierung sprach
licher Normen setzte damals anerkannte Vorbilder voraus, wie etwa Johann
Christoph Gottsched (1700-1766) und Johann Christoph Adelung (1732-
1806), beide selbst Normierer der Sprache. Adelungs 'Grammatisch
kritisches Wörterbuch der hochdeutschen Mundart' galt bekanntlich bis zu
den Arbeiten der Brüder Grimm als das große deutsche Wörterbuch. Auf
diese frühen deutschen Sprach- und Moralnormierer folgt das anti-
normiererische Zeitalter der 'Abweichungspoetik', die sich z.B. im Sturm
und Drang äußerte. Die 'Fülle des Herzens' und Freiheit des Gefühls
siegt über die Vernunftherrschaft der Aufklärung, wird aber allmählich
verklärt und geht in Kulturpessimismus über, der zur Entdeckung der
Eingeschränktheit des Individuums führt, die allein im Tragischen enden
kann (Goethes Werther). E. teilt diese Literatur des 18. Jahrhunderts in
eine subsidiäre (bis 1770) und eine komplementäre (nach 1770).
3. MEDIENADÄQUATHEIT DER LITERATUR HEUTE
Daß hingegen heute Literatur durchaus keine gesellschaftsbildende Funk
tion erfüllt, konnte man von den beiden zur Tagung geladenen Schrift-
24
Stellern Adolf Muschg (Zürich) und Ludwig Harig (Saarbrücken) hören.
Muschg erörterte das Problem Sprachkultur und Literatur und stellte u.a.
fest, daß die Literatur das Medium sei, in dem unsere Erkenntnisse noch
am wenigsten altern. Anders als im 18. Jahrhundert, sind Literaten heute
eher darauf bedacht, sich die 'Moral der Welt' anzueignen, als diese
verbessern zu wollen. Der Schriftsteller heute müsse eher dem "Rauschen
des sechsten Sinnes" folgen, wie Harig es in seinem Beitrag, Das
Rauschen des sechsten Sinnes. Vom Rohstoff zum Kunststoff und wieder zu
rück, formulierte, um mit seinem Werk nicht hinter der gesellschaft
lichen Realität zurückzubleiben. In Anbetracht der stürmisch fortschrei
tenden Elektronisierung des öffentlichen und privaten Lebens wird er
womöglich auch zu neuen, mitunter an die außersprachliche Sphäre gren
zenden Mitteln greifen müssen, um Kultur oder das, was man allmählich
darunter verstehen mag, zu transportieren. Die zur Zeit im Buchhandel
befindliche Luchterhand-Kassette von Ernst Jandls Vorträgen könnte nur
ein Anfang sein in der Richtung Medienadäquatheit der Literatur.
4. STANDARDSPRACHE FÜR DIE SCHULE?
Doch zu einer anderen nicht minder traurigen bundesdeutschen Realität
führte der Beitrag F. Hebels (Darmstadt), Sprachkultivierung in der
schulischen Bildung. Viele schulische Lehrpläne für das Unterrichtsfach
Deutsch seien von starren Normen geprägt, die die Sprachkultur in der
schulischen Bildung beträchtlich einschränkten, führte H. aus. Für die
Gestaltung des Unterrichts müsse es einen größeren Freiraum geben, so z.
B. sei nicht einzusehen, daß den gymnasialen Lehrplänen zufolge Goethe
und Schiller gelesen werden muß. Warum nicht etwa Goethe und Lessing?
Eine sprachliche Kultivierung sei ohne Theoriebezug nicht denkbar, und
gerade darauf verzichteten die Lehrpläne weitgehend. Auch meinte Hebel,
daß eine Gesellschaft wie die unsere eine Standardsprache brauche, womit
er bei vielen Anwesenden auf beträchtlichen Widerstand stieß. Hebels
Argument: Wie könnte sonst die Muttersprache für ihre Sprecher aus dem
Munde von Ausländern verständlich sein? Diese Frage könnte m.E. mit
einer Gegenfrage beantwortet werden: Wem soll der Ausländer eigentlich
'auf den Mund schauen', damit er sich mit seinem Deutsch von Hamburg bis
25
München verständlich machen kann? Vom deutschlernenden Ausland ganz zu
schweigen, das dem vorangegangenen Bericht von D. Bismarck zufolge nicht
weniger einer Einheits- und Standardsprache bedarf, um sich auf deutsch
für alle verständlich ausdrücken zu lernen.
4.1. Weniger Inhalte durch Norm?
Die dem Thema angemessene lebhafte Diskussion förderte, wie erwartet,
die verschiedensten Ansichten zutage. Einheitssprache ja, aber die Nor
men schränkten eine Sprachkultivierung ein. Man habe es eben angesichts
der in der Bundesrepublik herrschenden gegenläufigen Tendenzen diesbe
züglich schwerer als in der DDR oder gar in Frankreich. Wir sind kein
zentralistischer Nationalstaat (H. Weinrich - München). Wozu wir eine
Einheitssprache brauchten, wo diese doch nur rezeptiv empfunden werde?
Die kommunikative Breite stehe im umgekehrten Verhältnis zur kommunika
tiven Tiefe (H.J.Heringer - Augsburg), was soviel bedeutet, daß Inhalte
angeblich durch normierte Einheit verlorengingen. Was wäre aber dazu zu
sagen, daß z.B. an der Technischen Hochschule in Aachen (laut einem
kürzlichen ZdF-Bericht) Deutsch als Fremdsprache mitunter auch für deut
sche Studenten eingeführt werden mußte, weil diese zwar brillante For
schungsergebnisse aufweisen, sich aber sprachlich nicht darstellen konn
ten. Auch Prof. Heringer habe aus Augsburg - so der ZDF-Moderator - ähn
liches zu melden. Oder ist es etwa normal, daß sich fünf Chemiker an
einem Tisch im Fernsehen (Südwest 3) über Dioxin unterhalten und das
Wort Chemie auf drei verschiedene Arten aussprechen?
4.2 Reorganisierung der Schule von unten
H. Glinz vermißte während der Diskussion zu diesem Thema den Begriff der
Schichtung und Gewichtung im ganzen Prozeß der sprachlichen Kulti
vierung. Ferner wurde bezweifelt, ob der Lehrplan es sein müsse, an den
die höchsten Anforderungen zu stellen sind, ob nicht eher vom Lehrer
eine akademische Bildung zu erwarten sei, mit deren Hilfe er auch bei
'sehr kleinem Lehrplan1 gut zurechtkommen könne (U. Pörksen - Freiburg).
Wo man beginnen müßte, um dem Übel beizukommen? F. Hebel sieht die Lö-
26
sung in einer Reorganisierung der Schule von unten und nicht von oben.
Nicht eine autoritär-normative Sprachkultivierung sei erstrebenswert. Es
gehe auch nicht an, daß der muttersprachliche Unterricht von jenen be
stimmt wird, die gerade an der Macht sind.
5. VERWISSENSCHAFTSSCHUB DER SPRACHE
Eine noch heftigere Diskussion sollte jedoch folgender Beitrag von U.
Pörksen (Freiburg) auslösen: Das Demokratisierungsparadoxon. Über die
zweifelhaften Vorzüge der Verwissenschaftlichung und Verfachlichung
unserer Sprache. Hier fühlten sich selbstredend die anwesenden Lin
guisten in erster Linie als Fachgilde angesprochen und herausgefordert.
Es gehe nicht um Normen, sondern um Usage, meinte P. Und zurück zu
Gottsched: Zu der von diesem Vorgänger unserer Sprachkultur geforderten
Deutlichkeit und Differenziertheit könne man noch den Wohlklang nehmen.
Was aber die Demokratisierung der Wissenschaft hervorgebracht haben, das
seien vor allem undurchdringliche Wissenschaftswörter, wodurch die Spra
che ihren aufklärenden Wert eingebüßt habe. Der infolge einer vielfach
erhöhten Zahl von Studenten und Hochschulen eingetretene Verwissen-
schaftsschub habe es soweit gebracht, daß man heute eigentlich weniger
Mühe mit der Sache als mit der Sprache habe. Die Wissenschaftstermino
logie sei ständig erweitert und auseinandergefächert worden und habe zu
einer Metasprache geführt, deren Wurzel eigentlich überwiegend außerhalb
der Wissenschaft selbst zu suchen sei. Diese Metasprache genieße leider
ein hohes Prestige, werde nachgeahmt, es entstehen sprachliche Atrappen.
Eine Repetitions- und Multiplikationsliteratur wachse sich aus, die in
keinem Verhältnis zu ihrer Nützlichkeit stehe. Als Beispiel führte P.
für die Linguistik die Verb-Valenz-Theorie an, etwas, was mit einfachen
Worten erklärt, jedes Schulkind begreifen könne, über die jedoch eine
ganze Literatur geschrieben worden sei. Was all dies für die Sprachkul
tur allgemein bedeutet? Man müsse sich endlich auf eine leistungsfähige
Gemeinsprache, eine Bildungssprache besinnen, die, um die erforderlichen
Termini und begrifflichen Formeln erweitert, auch im Bereich der Lin
guistik vermutlich der Komplexität des Gegenstandes besser gewachsen und
27
eher in der Lage ist, differenzierend darzustellen als etwa die steife
Sprache der Naturwissenschaften. Mit anderen Worten, die Linguistik müs
se als Wissenschaft der Sprache mit gutem Beispiel vorangehen.
5.1 Scheinfachlichkeit und Überlieferungsschwund
Wie die Gemein- und Bildungssprache sein sollte, oder besser, wie sie
nicht sein sollte, erläuterte P. anhand einiger Beispiele aus dem All
tag, wo wissenschaftliche Termini in die Umgangssprache eingegangen
sind, wobei sie wohl eine Erweiterung des Umfangs, jedoch zugleich auch
eine Verarmung des Inhalts zur Folge hatten. Dadurch werde einerseits
eine Scheinfachlichkeit erzeugt, andererseits sei ein Überlieferungs
schwund, ein öffentlicher Gedächtnisverlust festzustellen. Diese Wissen
schaftwörter schließen die Alltagssphäre dem Autoritätsbereich Wissen
schaft an, ohne daß diese uns dort begegne, sondern vielmehr über den
Umweg ihrer Ratgeber, kommerziell von diesen vermittelt. Sie erwecken
dort die Illusion, an ihren Quellen sei man eigentlich schon viel wei
ter, und der Einzelne glaubt, er sei an ein System angeschlossen, unbe
kannt-rätselhaft und zugleich Umfassend, das alle Probleme zu beherr
schen vermag. Sein Informationsradius wächst, aber er erfährt durch
immer mehr immer weniger. Das Bewußtsein einer sich immer weiter aus
differenzierenden, verkomplizierenden Welt nimmt zu, die Umgangssprache
wird überlastet durch teils unverstandene, teils passiv verfügbare Vo
kabeln, aber das Weltbild wird dadurch kaum komplexer, eher vereinfacht
es sich, und die Gebrauchssprache schrumpft. Man fühlte sich dabei an
Wörter erinnert, die heute nicht nur aus dem Sprachgebrauch gekommen,
sondern für die Mehrzahl der Sprecher völlig unverständlich geworden
sind. So muß man heute schon ein Wörterbuch zur Hand nehmen, um z.B. zu
erfahren, daß abtun, auch die Bedeutung töten hat. (Bei Schiller wurde
ein Tier, wenn es geschlachtet wurde, noch abgetan - "Die Räuber"). Es
scheint aber, daß man bald töten im Wörterbuch wird suchen müssen, wie
aus der noch folgenden Podiumsdiskussion "Sprachglossen" zu entnehmen
war, wo man erwog, ob es nicht etwa an der Zeit wäre, das fünfte Gebot
in "Du sollst nicht morden!" abzuändern, weil töten diese verab
scheuungswürdige Tat der Körpervernichtung heute nicht mehr genau
treffe.
28
Aber zurück zu den Gedanken U. Pörkens, die nicht bloß Interesse, son
dern sogar Betroffenheit und Unbehagen auslösten. Er räumte zwar ein,
daß durch den Entlehnungsschub in den letzten Jahrzehnten eine Latini-
sierung und damit eine Europäisierung des Deutschen erreicht worden sei,
die wiederum nicht als so unglücklich zu bezeichnen wäre, dennoch wäre
durch die Undurchdringlichkeit der allgemeinen Sprachverwissenschaft-
lichung eine Verkrustung nicht zu bestreiten. Die Conclusio: Man sollte
sich auf eine Gemeinsprache, eine Bildungssprache besinnen, die in die
Humanwissenschaften und ins Unterrichtswesen hineinreicht, auf eine öf
fentliche und private Gebrauchssprache statt auf Scheinfachlichkeit der
verschiedenen Teil sprachen.
5.2 Therapie gegen Verkrustung schwierig
Die Diskussion zeigte dann, daß das von P. Unterbreitete zwar bei ver
nünftiger Betrachtung nicht bestritten werden kann, daß jedoch eine
Therapie viel schwerer ist als eine Diagnosestellung (M. Gauger -
Freiburg). Schlimm sei vor allem, daß englische und amerikanische ge
meinsprachliche Wörter zu wissenschaftlichen Termini erhoben werden (G.
Drosdowski). H. Glinz erinnerte daran, daß es schon immer bei den Deut
schen Tradition war, eine übermäßige Terminologisierung zu pflegen, im
Unterschied zu Engländern und Franzosen. Ein Trost wohl, aber kaum eine
Maxime für diese Tagung.
Zum anderen waren hier gerade die Linguisten angesprochen, der Überter-
minologisierung in ihrem eigenen Bereich einmal Einhalt zu gebieten, um
so auch für andere Wissenszweige beispielgebend zu sein und der Schein
verwissenschaftlichung des Alltags entgegenzuwirken.
6. GRUPPENSPRACHEN ODER SPRACHSUBKULTUREN
Nach dieser rigorosen Untersuchung der Wissenschaftssprache folgte eine,
deren Gegenstand sozusagen das andere Extrem sprachlicher Äußerung ist,
die Gruppensprachen. W. Kallmeyers (IdS) Statement, Wir und die anderen,
Bemerkungen zum Verhältnis von sozialen Welten und Sprachkultur, löste
29
zwar weniger Kontroversen aus, dafür aber mehr Verwunderung, und zwar
darüber, daß diese soziolinguistische Untersuchung des im IdS laufenden
Projekts "Stadtsprachen" als sprachkultivierende Aktivität seine Berech
tigung sucht, zumal es hier keineswegs um Sprachpflege oder um reflek
tierten Sprachgebrauch geht, sondern vielmehr um Sprachkulturen, d.h.
Sprachen von Randgruppen, deren genaue Untersuchung offenbar dazu dient,
diese Gruppen selbst und nicht deren Sprache einzuordnen. Die Auswertung
der verschiedenen Spracherhebungen dient vielmehr der Aufstellung von
Sozialdaten als einer Sprachpflege oder Sprachkultur. Zwar erläuterte
der Sprecher, man helfe den Zielgruppen durch Beraten und nicht durch
Normieren, damit sie den Kreis der Subkultur, in den sie geraten sind,
verlassen, d.h. von der 'schiefen Ebene' abrücken können, ob ihnen aber
sprachliche Mittel an die Hand gegeben werden, um dies zu realisieren,
ging aus dem Statement nicht klar hervor. Ob es sich- hier eigentlich um
Erforschung von Sprach-Subkulturen handelt, als linguistische Vorarbeit
für soziale Forschung, blieb im Raum stehen. Man helfe den Menschen eben
durch Beratung, damit ihnen durch ihre sprachliche Ausdrucksweise nicht
alle Chancen verbaut würden. Verbaut ist ihnen wohl auch jeglicher Zu
gang zu Bildung und Ausbildung. Selbst die Sprache der 'nichtschrei-
benden' Medien kann Gruppen mit solch einengendem Sprachgebrauch nicht
mehr zugänglich sein, so daß sie auch an der künftig über diese ver
mittelten Bildungsquellen nicht teilhaben werden. Ein Bild des Zerfalls
am Rande der Gesellschaft, das - obwohl der Sprecher dies keineswegs
intendierte - gerade auf die Notwendigkeit einer einheitlichen Sprache
für alle hinweist oder zumindest eines möglichst großen Normenkonsenses.
7. POLITIKERSPRACHE
Ein weiterer Gesellschaftsbereich mit einer eigenen Sprache wurde bei
der folgenden Podiumsdiskussion Sprachkultur und politische Kultur in
Augenschein genommen, und zwar der der Politik. W. Holly (Trier) wies
erstens auf den Einwegcharakter der Kommunikation in der politischen
Sphäre hin, zweitens auf den perlokutiven Aspekt der in diesem Bereich
vollzogenen Sprechakte, d.h. das Hervorrufen von Wirkungen durch Be
hauptungen, Aufforderungen, Versprechungen und andere IIlokutionen. Da
30
in den wenigen Situationen, wo hier Interaktion möglich wäre, der Poli
tiker dem angesprochenen Publikum haushoch überlegen ist, bliebe letz
terem nur das eine: genau zuzuhören, um all das herauszuhören, was neben
dem Gesagten nicht gesagt würde.
W. Bergsdorf (Bonn) wollte offenbar den Politikern gewissermaßen Gerech
tigkeit widerfahren lassen und erklärte, daß dieser Gegensatz von In
teressen durch das parlamentarisch-demokratische System institutionali
siert und zum Teil auch geregelt werde. Auch mache die Komplexität na
tionaler und internationaler politischer Zusammenhänge die Politik zu
weilen so undurchsichtig. Dazu käme noch, daß unsere Massenmedien durch
ihre Informationen beim Bürger vorwiegend Betroffenheit erzeugten. So
sei es zu verstehen, daß vor allem der Bildungsbürger eine gewisse Demo
kratiemüdigkeit zeige, Zweifel an der Leistungsfähigkeit der Demokratie
habe. In der Politik ende aber der Handlungsstrang nicht mit der Infor
mation wie in der Wissenschaft, sondern beginne damit erst. Die Sprache
der Politik ist eine Sprache der Begriffe, Kritik an ihrer angeblich
mangelnden Präzision sei eigentlich keine Kritik an der Sprache selbst,
sondern an den Inhalten. Die politische Dimension der Sprachkritik rich
te sich an die Politiker selbst, meinte B. Das folgende Statement von G.
Strauß und G. Zifonun (IdS) sollte ihm diesbezüglich recht geben.
7.1. Kommunikative Konflikte
Politische Kommunikationskultivierung beziehe sich vor allem auf den
pflegerischen Umgang aller Beteiligten, Politiker wie Öffentlichkeit,
mit kommunikativen Konflikten, und eben diese Konflikte seien Mitur
sachen von Glaubwürdigkeitsverlust und Systemmüdigkeit. Woher diese Kon
flikte kommen? Aus dem unterschiedlichen Interesse, das auf beiden Sei
ten herrsche. Der Politiker müsse 'verkaufen', d.h. werben. Dieser In
teressengegensatz in der Interaktionskonstellation Politiker - Bürger
sei laut Habermas auf den Gegensatz zwischen Verständigungs- und Er
folgsorientierung zurückzuführen. Der Grad von Kooperation und Sta
bilität innerhalb einer sozialen Ordnung ergebe sich - so Habermas - aus
den Interessenlagen der Beteiligten. Stimmten die Aktoren ihre Hand
lungspläne intern aufeinander ab, so könne man von kommunikativem Han-
31
dein sprechen. Auf die öffentliche politische Kommunikation übertragen,
bedeute dies, daß Verständigungsorientiertheit auf der einen Seite, d.h.
auf der des Bürgers, herrscht, der dem Inhalt einer politischen Aussage
zustimmt, da er aufgrund zugelieferter Fakten von der Richtigkeit dieser
Aussage überzeugt ist, ja sogar die Zielsetzungen des Politikers als
seine eigenen übernimmt, weil die enthaltenen Wertesetzungen den eigenen
für rational gehaltenen kritisch standhalten. Auf der anderen Seite ste
he hingegen die Erfolgsorientiertheit des Politikers, der Einver-
ständnisgewinnung und Zustimmung des Bürgers ausschließlich in den
Dienst seiner eigenen Handlungsziele stellt, d.h. sie für seine Zwecke
nutzt.
7.2. Perlokutiven Charakter von Sprechhandlungen erkennen
Was bleibt dem Bürger einer Demokratie übrig, angesichts solch erfolgs
orientierter Rede der Politiker? Er kann diesen Kommunikationskonflikt
zwar nicht lösen, sich aber wappnen, erstens durch Wachsamkeit gegenüber
solch zielgerichteter Taktik, zweitens durch Entschlüsselung der sprach
lichen Mittel des 'Gegners'. Hier könne nun die Linguistik hilfreich
sein, indem sie dem kleinen Mann zeigt, wie er den perlokutären Cha
rakter politischer Sprechhandlungen erkennen und sich davor schützen
kann. Daß dies sowohl auf textsemantischer als auch auf wortseman
tisch-pragmatischer Ebene geschehen kann, war im weiteren Verlauf des
Statements Z/S zu hören.
7.3 Alarmzeichen durch aufklärende Lexikographie
Eine realistische Möglichkeit einer "gesellschaftlich engagierten Lin
guistik" ergab sich aus diesen Ausführungen jedoch allein auf der Ebene
1angue-bezogener Sprachkultivierung, und zwar durch die Erstellung eines
"Handbuches der schweren Wörter", ein Projekt, das beim IdS seit einigen
Jahren läuft. Eine politisch aufklärende Lexikographie soll den Sprech
teilhabern Alarmzeichen an die Hand geben, die sie für bestimmten Ge
brauch bzw. Mißbrauch politischer Wörter sensibilisieren, um nicht durch
manipulativen, taktisch-persuasiven Sprachgebrauch erfolgsorientierter
Rede irregeführt zu werden.
32
8. JOURNALISTEN GEGEN SPRACHMISSBRAUCH
Den Abschluß der Tagung bildete die Podiumsdiskussion Sprachglossen in
Zeitungen und Zeitschriften, die von H. Steger (Freiburg) in so vorzüg
licher Weise geleitet wurde, daß sie nicht nur das Tagungsgrau farbig
aufhellte, sondern auch manche gegensätzliche Meinungen zutagebrachte.
Schon die erste vom Diskussionsleiter gestellte Frage war durch ihren
provokatorischen Inhalt dazu angetan, die Diskussion aufzuheizen. Was,
wenn der Kultusminister plötzlich gegen Mickey-Maus-Sprechblasen und für
Goethe, Schiller und Matthias Claudius eintreten würde, weil letztere
nützlicher sind? Ja, bei Goethe gebe es manche Sprachmuster, die auch
heute noch verständlich und gültig seien, weil schlicht und prägnant,
gab W. Schneider (Hamburg) auf die sichtbare Ironie hin zu bedenken. Und
wie es mit den Politikern stehe? Die hätten die Neigung, mit vielen Wor
ten wenig zu sagen, meinte R. Leonhard (Hamburg), was schon bedeutend
versöhnlicher klang als alles, was am Vormittag an die Adresse dieser
gesagt worden war. Zum Thema der Politik kam man auf das der ver
schiedenen Sprachebenen und wieder auf politische Vokabeln, die
Euphemismen darstellen, wie etwa Mitarbeiter werden freigestellt statt
entlassen, wie es richtig heißen sollte, so daß man sich wiederum an den
perlokutiven Aspekt von Reden und Erklärungen in der öffentlichen Sphä
re, nicht nur der politischen, erinnert fühlte. Ob der umsichgreifende
Feminismus die Sprache z.B. so weit verändere, daß heute Vater unser
nicht mehr adäquat sei? Oder ob es gar an der Zeit wäre, die Bibel in
ganz modernes Deutsch zu bringen? Ob ethische Normen nicht besser ein
gehalten werden könnten, wenn die Sprache, in der sie verfaßt sind, der
heutigen Realität näher wäre?
Welches ist das Ziel der Sprachglossenschreiber heute eigentlich? K.
Honolka (Stuttgart) meinte dazu, der Sprachglossenschreiber kritisiere
nicht die Sprecher, sondern den Sprachmißbrauch. Es werde vornehmlich
schlechtes Deutsch unter die Lupe genommen.
Die mit Hilfe der Ironie agierenden Sprachpfleger erwiesen sich im Laufe
der Diskussion als ziemliche Gegner der Linguistik. Man könne diese
höchstens noch bei anderen Sprachen dulden, es sei aber ziemlich unnütz,
33
komisch zu definieren, was einem selbstverständlich sei (L.). Auch die
Duden-Redaktion mache nicht alles richtig, sie lasse den Varianten all
zuviel Freiheit (Sch.). Man sollte eigentlich Grass eher belehren, als
dessen ungrammatische Sätze als 'zulässig' eintragen. Damit war man auch
wieder beim Thema Normieren. Schneider bekannte sich freimütig als Nor
mierer, seine Kollegen weniger. Nein, Sprachzuchtmeister, wie Karl Kraus
einst sagte, wollte Honolka keineswegs sein.
Wichtigstes Kriterium sei die Verständlichkeit (L), Hauptzielpunkt der
Kritik von Sprachglossenschreibern seien die Renomiersprachen, z.B. So
ziologenchinesisch, Wissenschaftsdeutsch als Imponiergehabe von Nicht
wissenschaftlern, d.h. das, was U. Pörksen u.a. meinte. Die Glosse rege
zum Nachdenken an über die Sprache, meinte G. Drosdowski bei der an
schließenden Diskussion. Also Sprachreflexion mit Hilfe der 'schrei
benden' Medien. Gewiß kein schlechter Gedanke und eine Aufgabe, die sich
nicht nur dem Laien stellt, an den die Sprachglosse laut K. Honolka ge
richtet ist, sondern offenbar in erster Linie an den Linguisten selbst.
34
Ulrich Wetz
ANSICHTEN ÜBER SPRACHE
KOMMENTIERTER BERICHT ZU DEN 11. RÖMERBERG-GESPRÄCHEN
“SPRACHE DER MACHT - MACHT DER SPRACHE"
(in Frankfurt am Main vom 29. bis 30. Juni 1984)'
"Diese Arbeit wurde teils von der U.S.A. Army (Signal Corps), der Air Force (Office of Scientific Research, Air Research and Development Command) und der Navy (Office of Naval Research) und teils von der National Science Foundation und der Eastman Kodak Corporation unterstützt.1. August 1956 Noam Chomsky"(Strukturen der Syntax. The Hague / Paris 1973. S. 9)
1. VORBEMERKUNGEN
1.1. Wort und Ding
"... das Wort ist aber nicht das Ding, das existiert.
.... Wenn die Dinge aber auch erkennbar wären, wie könnte sie einer dem
ändern mitteilen? Denn was einer gesehen hat, wie könnte er das
durch ein Wort ausdriicken?
Wenn es aber auch möglich ist, ein Wort zu vernehmen, ja genau zu
vernehmen - aber wie ist es möglich, daß sich der Hörende dasselbe
(wie der Redende) darunter vorstellt? Denn es ist doch nicht mög
lich, daß dasselbe (Ding) zugleich in mehreren Personen, die von
einander getrennt sind, vorhanden ist!
.... Es ist daher, wenn es etwas gibt, dies doch nicht erkennbar, (und
wenn es auch erkennbar ist,) so kann es doch keiner dem anderen
mitteilen, erstens, weil die Dinge nicht Worte sind, und zweitens,
weil niemand dasselbe wie der andere (unter ein und demselben Wor-
te) versteht." (Georgias von Leontinoi, etwa 483 - etwa 375)
35
1.2. Skandal
Die Gedanken des Vorsokratikers Gorgias sind eines der ältesten Zeugnis
se sprachphilosophischer Überlegungen. Gleich an ihnen zeigt sich, wie
Überlegungen zur Möglichkeit menschlicher Erkenntnis unauflösbar mit
Überlegungen zur Sprachlichkeit des Menschen und zur Möglichkeit
sprachlicher Verständigung verflochten sind. Die Gedanken des Gorgias
mögen uns heute in all ihrer unwiederholbaren Naivität brisant erschei
nen - aber eine Tradition haben sie nicht begründet. Zum Sophisten
abgestempelt, hat Gorgias nicht überlebt.
Die Sprachlichkeit des Menschen unter dem Aspekt sowohl der Erkenntnis
als auch der Verständigung, schließlich des Handelns, geriet mehr als
zweitausend Jahre lang n i c h t zum Thema der Philosophen, Gram-3
matiker und Schriftgelehrten. "Eigentlich ist es ein Skandal" , daß
selbst, nachdem sich einmal so etwas wie eine Sprachphilosophie (und
eine Sprachwissenschaft) herauszukristallisieren begonnen hatte, die
Handlungsdimension der Sprache noch lange nicht ins Blickfeld rückte.
Das dauerte nochmals sozusagen bis in unsere Tage.
Man wird sagen dürfen, daß die Menschen, seit sie über Sprache nachden-
ken, falsche Ansichten darüber haben. Nicht, daß wir Heutigen die rich
tigen hätten. Aber es beginnt sich allmählich immerhin ein gewisses
Problembewußtsein zu formen. (Sofern es weder von der Verwertungsma
schinerie - vgl. auch das vorangestellte Chomsky-Zitat - vereinnahmt
oder plattgewalzt noch vom Wandel so genannter Forschungsinteressen
überrollt wird, mag es sich einmal um wirklichen Fortschritt handeln.)
Falsche Ansichten über Sprache zu haben, wäre nicht schlimm, wenn Spra
che bzw. der Umgang mit ihr etwas Harmloses wäre. Aber die Sprache ist
Gewalt, vermittelt und unvermittelt. Und es wäre gut zu wissen, was wir
mit ihr tun und was sie, geworden, wie sie einmal ist, mit uns tut. Da
von sind wir aber weit entfernt.
1.3. Gigantisches Toben
Ein unaufhörlicher millionenstimmiger Streit tobt allerorten Tag und
36
Nacht: Ein jeder und eine jede ringen unablässig um ihre Stellung in der
Gesellschaft, und sie tun es, indem sie immerzu sprechen, und sie spre
chen mit dem alleinigen Ziel, i h r e Bedeutungen der Wörter
durchzusetzen mit allen erfolgversprechenden Mitteln vom zärtlichen
Flüstern bis zum grimmen Totschlag.
1.4. Sprechen über Sprache
Sprechen ist so selbstverständlich, daß Sprache es uns auch scheint. Daß
sie es nicht ist, zeigt sich schon bei jedem öffentlichen wie - im Falle
von Konflikten - privaten Versuch, über Sprache zu sprechen: Das Spre
chen über Sprache ist, sofern nicht zum metaphysischen Schwindel Aus
flucht genommen wird, meist bald überschattet von einer gewissen Hoff
nungslosigkeit und schlägt oft rasch um in Zynismus oder ohnmächtige
Wut.
Gewiß kennt jeder aus eigener Erfahrung, wie schwierig, ja wie aus
sichtslos eigentlich es ist, zu klären zu versuchen, was jemand in einer
bestimmten Situation g e m e i n t , ja was er überhaupt erst einmal
g e s a g t hat. Und wie bitter ist uns allen die Erkenntnis, daß der
entscheidende Unterschied zwischen Sagen und Meinen, den wir in
unproblematischen Fällen mühelos bewältigen, in Fällen von Verständi
gungsproblemen zur Klippe wird, an der zu guter Letzt dann auch noch
unser guter Wille zerschellt. Und wie grausam fühlen wir uns behandelt,
wenn wir mit Entsetzen feststellen, daß nicht einmal der Rückzug auf das
w ö r t l i c h Gesagte - vom Gemeinten noch gar nicht zu reden - ir
gend im mindesten weiterhilft, weil das wörtlich Gesagte uns unter dem
analysierenden Blick in tausend mögliche Bedeutungen auseinanderweht,
bis es schließlich gänzlich unfaßbar ist. Nur zu schnell sind wir dann
bereit, die Probleme auf eine persönliche Ebene zu zerren und unseren
Mitmenschen die Schuld am Scheitern der Verständigung zuzuschieben;
s i e tun das natürlich auch, und notgedrungen verlagert sich der
Konflikt aus der Sphäre des wohl ohnehin halbherzigen Versuchs der
sprachlichen Verständigung offen in die Sphäre des Kampfes um die Macht-
der freilich a u c h sprachlich geführt wird, aber jetzt nicht mehr
mit dem Ziel der Verständigung unter Gleichrangigen, sondern mit dem
37
Ziel der Unterwerfung Andersdenkender, Andersfühlender, Andersmeinender,
Andersgearteter.
In Wirklichkeit ähneln unsere Versuche, anderen Unverständnis vorzuwer
fen, dem Ansinnen, jemanden zu tadeln, weil er etwa auf die Schwerkraft
zu sehr Rücksicht nähme.
Es ist ein bislang unausrottbarer und folgenschwerer Irrtum zu glauben,
die Sprache sei ein Verständigungsmittel. Sie mag es noch sein, solange
es nur um das reine Funktionieren im Bereich dessen, was wir die physi
kalische Welt nennen, geht - also beispielsweise um die Reparatur eines
Motors. Aber die Lebenswelt des Menschen, die äußere und die innere, ist
nicht die physikalische Welt - oder doch nur zu geringen Teilen, von der
wirklichen Bedeutung her gesehen.
Der Glaube und die Rede von der Sprache als Verständigungsmittel ist
mehrfach unwahr.
Erstens ist die Sprache, beim derzeitigen Stand unserer Kenntnis von ihr
und uns, als Verständigungsmittel nicht geeignet, von relativ unbedeu
tenden Teilbereichen des Lebens abgesehen. Das kann hier nur behauptet,
müßte aber noch entwickelt werden. Ich muß mich mit dem - allerdings
starken - Hinweis begnügen, daß ganz offensichtlich Verständigung, außer
in belanglosen Angelegenheiten, nirgendwo stattfindet. (Oder wer wüßte
überzeugende Gegenbeispiele?)
Zweitens w o 1 l e n die Menschen im Ernst gar keine Verständigung,
und zwar den Begriff 'Verständigung' hier in jeder Bedeutung, die noch
einigermaßen sinnvoll erscheint, genommen - das muß nicht mal gleich die
von Habermas ins Auge gefaßte Utopie der idealen Kommunikationssituation
mit gleichberechtigten Partnern sein. Sondern die Menschen wollen ihre
Interessen bzw. das, was ihnen als ihr Interesse erscheint bzw. das, was
ihnen von dem, was ihnen als ihr Interesse erscheint, durchsetzbar
scheint, durchsetzen. Verständigung hat insofern nur einen Stellenwert
im Rahmen einer Strategie zur Durchsetzung von Interessen, und das
heißt: v o n S p r a c h r e g e l u n g e n . Wo es ohne Ver-
38
ständigung geht, unterbleibt sie bedenkenlos, wo sie umgehbar ist, wird
sie leichtherzig umgangen. Man muß sich endlich klarmachen, daß Ver
ständigung, so wie der Begriff üblicherweise gebraucht wird, eine m o
r a l i s c h e Kategorie ist, also keinen Zustand beschreibt, sondern
ein Verhalten fordert, und zwar ein Verhalten, das, da es ja gefordert
wird, real nicht existiert. Wobei zur Ehrenrettung des Begriffs viel
leicht gesagt werden sollte, daß es letztlich das wahre Interesse der
Menschen sein muß und wohl ist, Verständigung zu wollen - daß dieses
wahre Interesse nur verstellt ist von gesellschaftlichen Verhältnissen,
die Scheininteressen als wahre vorgaukeln.
Drittens verdeckt die Rede von Sprache als Verständigungsmittel, wozu in
gewissem Sinn auch die Rede vom Werkzeugcharakter der Sprache gehört,
Wesentliches, wie ja immer die fortgesetzte falsche Rede zusätzlich zu
der Tatsache, daß sie falsch ist, das Wesentliche verdeckt und damit dem
Bewußtsein und der Diskussion zu entziehen droht. Zwar wäre es gewiß
nicht nur töricht, sondern auch gefährlich, der Sprache eine vom Men
schen losgelöste irgendwie mythische Existenz zuzusprechen. Deswegen
darf aber nicht das qualitativ ganz andere übersehen werden, daß die
Sprache, einmal nach Maßgabe der Lebenswelt den Köpfen der Menschen ent
sprungen, nun auch den Menschen gegenübertritt - als zwar in Ab
hängigkeit zu den Menschen sich wandelndes, aber dennoch jeweils weit
gehend eigenständiges, eine eigene Wirklichkeit entfaltendes Gebilde,
das seinerseits auf die Menschen einwirkt, ja sie sich, in vielerlei
Hinsicht, unterwirft - dies zumindest solange, als die Menschen glauben,
über die Sprache nach Belieben zu verfügen. (Wie es ja überhaupt ein We
sensmerkmal des Menschen ist, daß er etwas erschafft - Dinge, Insti
tutionen, Organisationen, Ideen -, dem er, wenn nicht gleich, so doch
langfristig, zum Opfer fällt.)
1.5. Sprache in der Öffentlichkeit
Nun scheint sich seit einiger Zeit in dem, was Öffentlichkeit heißt, das
Bewußtsein für Sprache ein wenig zu schärfen. Sprachverwendung und
Sprachkultur etablieren sich als Gegenstand von Diskussionen und als
Thema von Veranstaltungen. Man möchte das begrüßen, allein der Zweifel,
39
ob das nicht nur mit der politischen Wende zum Konservatismus zu tun
hat, sitzt tief. Dieser Zweifel hat nichts mit vordergründig parteipoli
tischen Einstellungen zu tun, sondern mit einem der Parteipolitik vor
gelagerten Unbehagen. Seine schwächste Artikulation wäre noch die, daß
es sich eventuell um ein Modethema handelt. Gewichtiger sind andere Be
denken: Es ist höchste Vorsicht geboten, sobald - zumal in unserem Land
- die Besinnung (die ja immer einen Bestandteil von R ü c k besinnung
enthält) auf irgendwelche Werte auch nur droht, um sich zu greifen.
Und wie kommt es, so könnte man beispielsweise fragen, daß 'Kultur', ein
Wort das (durch den und) nach dem Krieg zunehmend in Mißkredit geraten
und in den sechziger und siebziger Jahren mehr und mehr zum Reizwort ge
diehen ist, das man mied wie die zu heiße Kartoffel, daß dieses Wort
plötzlich wieder in aller Munde ist, als wäre nichts geschehen? Was ist
denn da geschehen? Ist es das: Haben die Konservativen es geschafft,
einen Begriff wieder durchzusetzen, um den sich die anderen jetzt auch
balgen? Oder haben die anderen, die Nichtkonservativen, zeigen wollen,
daß sie viel besser wissen, was Kultur ist, und wollen sie, sich bei
zeiten in die vermutete Blasrichtung des Zeitgeists legend, den Konser
vativen davonsegeln? Oder hat der Zeitgeist höchstselbst, keiner weiß
wie, diktiert - und plötzlich war es da? "Als Mitte der achtziger Jahre
die Diskussion um die Sprachkultur ausbrach ...", wird es später viel
leicht heißen, und vielleicht wird es geschluckt, weil man ja diese
Redeweise gewöhnt ist: "Als 1939 der Krieg ausbrach ...".
Aber das Positive sollte man auch sehen und hervorkehren: Es besteht zu
mindest darin, daß überhaupt, warum zunächst auch immer, über Sprache in
ihren vielerlei Verflechtungen diskutiert wird. Somit ist prinzipiell
nicht ausgeschlossen, daß auch Vernünftiges gesagt wird.
Zweifellos wurde schon viel Vernünftiges gesagt. Trotzdem bietet das,
was dann nach Durchlaufen der verschiedenen Meinungsfilterungsinstanzen
am Ende übrigbleibt, ein mehr als trauriges Bild. Den Journalisten fällt
beim Thema Sprache meist nur Unsinn ein, lauter quasi im letzten Jahr
hundert schon abgestandene Sachen. Man sollte es ihnen nicht vorwerfen,
sie sind vom Thema Uberfordert. Man sollte vielmehr versuchen, mit dem
40
Thema vertrauter zu machen. Daflir müssen Formen gefunden werden,
sprachliche und organisatorische.
Die Jahrestagung 1984 des Instituts für deutsche Sprache in Mannheim zum
Thema 'Sprachkultur' kann auch als solch ein Versuch angesehen werden.
Wie weit dieser Versuch trägt, ist noch nicht abzusehen, da die eigent
lichen einschlägigen, nachlesbaren wissenschaftlichen Veröffentlichungen
dazu und eventuellen Reaktionen darauf noch ausstehen.^ Seitdem haben
einige Veranstaltungen stattgefunden, die Sprache und Kultur, Sprache
und Politik, Sprache und Krieg und Frieden in ihrem möglichen Zusam
menhang behandelten. Eine davon war eingebunden in die Tradition der
Frankfurter Römerberg-Gespräche; darauf ist es wohl zurückzuführen, daß
sie ein sehr breites Presse- und Rundfunkecho fand.
Insgesamt gibt es also Anlaß genug, sich mit der Römerberg-Veranstaltung
zu beschäftigen. Dies soll im folgenden, berichtend und kommentierend,
geschehen.
2. DIE 11. RÖMERBERG-GESPRÄCHE
"SPRACHE DER MACHT - MACHT DER SPRACHE"
2.1. Einleitung
Die Römerberg-Gespräche finden im Auftrag des Frankfurter Kulturdezer
nats statt; sie werden organisiert von der Geschäftsführerin des Kura
toriums der Römerberg-Gespräche, Maria Christiana-Leven. Nach dem Willen
der Veranstalter sind sie "Expertengespräche zu Themen von besonderer
kultur- und gesellschaftspolitischer Aktualität" und dienen "der kri
tischen Information durch Analysen und Streitgespräche". Die Referate5
erscheinen jeweils in einem Sammelband.
Zu den 11. Römerberg-Gesprächen waren zusätzlich zu den Referenten/Re-
ferentinnen (s.u.) als Gesprächsteilnehmer/-innen geladen: Hilde Domin
(Schriftstellerin, Heidelberg), Dieter Forte (Schriftsteller, Basel),
Heinrich von Nußbaum (Journalist, Frankfurt), Fritz Pasierbsky (Lin-
41
guist, Paderborn), Wilhelm von Sternburg (Journalist, Frankfurt), Inge-
borg Wurster (Journalistin, Mainz). Diskussionsleiter waren Horst Bingel
(Schriftsteller, Frankfurt) und Iring Fetscher (Politologe, Frankfurt).
Das Publikum zählte an beiden Veranstaltungstagen etwa je 300 Köpfe;
Vertreter von Presse und Rundfunk waren ständig, vom Fernsehen zeit
weilig anwesend.
2.2. Die Referate in ihrer Reihenfolge
Hans-Jürgen Hellwig (Frankfurts Stadtverordnetenvorsteher und somit
Hausherr des Veranstaltungsraums, des Römerberg-Plenarsaals) hielt das
Begrüßungsreferat. Er stellte u.a. die Frage, ob es einerseits eine
eigene Sprache der Macht und ob es andererseits nicht, angesichts von
Macht, eine Ohnmacht der Sprache gebe.
Hilmar Hoffmann (Frankfurts Kulturdezernent) hielt das Eröffnungsre
ferat: "Macht der Sprache". Er begann mit einem Brecht-Zitat: "Wenn die
Oberen vom Frieden reden/Weiß das gemeine Volk/Daß es Krieg gibt./Wenn
die Oberen den Krieg verfluchen/Sind die Gestellungsbefehle schon ausge
schrieben."® Er führte anhand einer Reihe geschichtlicher Beispiele vor,
wie schon immer Sprache und Politik, Sprache und Macht in "fundamentalem
Zusammenhang" gestanden hätten, sei es, daß die Sprache als Machtinstru
ment eingesetzt worden sei (etwa: "Schon die Römer erkannten die Wich
tigkeit einer einheitlichen Amtssprache."), oder sei es, daß, wie "mit
grauenhafter Meisterschaft" im Dritten Reich, durch Mißbrauch der Spra
che die Wirklichkeit verdeckt worden sei. Da "Sprache und Erkenntnis der
Welt untrennbar zusammengehören", sieht er neue, große Gefahren herauf
wachsen, denn: "Wie nie zuvor ist Sprache vermittelst der neuen Medien
in unserem Jahrhundert nicht nur Instrument der Aufklärung, sondern ist
zum Instrument des Betrugs geworden, millionenfach wirksamer als je zu
vor durch Runfunk, Fernsehen und alle anderen Wort-Vervielfältiger." Er
halte es allerdings für falsch, aus dem "Mißtrauen gegen den Mißbrauch
der Sprache" heraus in "Mißtrauen in die Sprache oder gar Sprachlosig
keit" zu verfallen. "Allein Aufklärung über die Macht der Sprache",
"Aufklärung durch Sprache über Sprache" biete die Möglichkeit, die "Ver
deckung der Wirklichkeit" aufzuheben.
42
Bruno Liebrucks ((Sprach-)Philosoph,7 Frankfurt: "Sprache und Politik")
ist der Auffassung, daß über Krieg und Frieden und über Sprache nur ge-O
sprochen werden könne in der Hegelschen Logik. Für ihn "ist Sprache die
einzige wirkliche Macht auf dieser Erde: Wir verfügen nicht über die
Sprache, sondern sie verfügt über uns." Das zeige sich schon in der
"Sprachlichkeit des Menschen", die keineswegs darin bestehe, daß er
sprechen könne (wie etwa Piaget behaupte), sondern darin, daß er sich,
"indem er sich zu seiner Umgebung verhält, immer und zugleich, uno et
eodem actu, zu sich selbst verhält". Die Physik z.B. habe "ihre zum
Himmel schreienden Erfolge" nur dadurch erreicht, daß sie diese Sprach-
1ichkeit des Menschen, daß sie den "sowohl subjektiven wie objektiven
sprachlichen Weltumgang" verkürzt und sich allein einer angeblichen Ob
jektivität verschrieben habe. Die "Zielsetzung der Objektivität" sei
aber "eine Form der Rede ..., in der ihr verborgener kriegerischer Sinn
bei einigen mit Wissen und Willen v e r s t e l l t ist, während die
meisten wohl in dieser Verstellung als einem Verblendungszustand leben."
Ähnliches müsse von der Politik gesagt werden, weswegen "außerhalb der
Sprachlichkeit des menschlichen Handelns jede politische Handlung in der
heutigen Situation nur noch als Verbrechen anzusehen" sei. "(Man) fra
ternisiert auch mit dem Krieg ..., wenn man dauernd das Wort des Frie
dens in den Mund und nicht s p r a c h l i c h i n d i e S p r a
c h e nimmt." Da nun "die meisten Politiker lügen", und zwar "mit der
Wahrheit, d.h. mit der Zusammenstellung von Tatsachen, die uns dazu
zwingen sollen, die von ihnen, den Politikern, gewünschten Schlüsse zu
ziehen, und zwar so, daß wir uns einbilden, daß wir sie selbständig
vollziehen" -; und da allein Kunst und Philosophie, "wenn auch auf dem
Umweg, wenn Sie so wollen, über die Phantasie, wenn Sie so wollen, über
die Lüge", die Wahrheit sagten oder doch ernsthaft versuchten zu sagen
-; da, ferner, was heute als Wissenschaft gelte, nur die R e a l i t ä t
als Inbegriff sog. Tatsachen, hingegen allein Kunst und Philosophie die
W i r k l i c h k e i t als "Einheit von Innerem und Äußerem" be
schreiben könnten -; und da schließlich die Naturwissenschaften "zwar
ihre Theorien und Techniken erklären", nicht aber sie begreifen und ver
stehen könnten ('"Verstehen1 würde bedeuten, sie für die ganze Mensch
heit sinnvoll zu machen.") -: erzählte er ein Märchen, um auf eine ver
paßte historische Chance aufmerksam zu machen: das Märchen vom 'römi-
43
gsehen Cäsar mit Christi Seele'. Hätten die USA in jenen Jahren, als sie
im Alleinbesitz der Atombombe waren, begriffen, was das hieß, so wären
sie in Gestalt jenes römischen Cäsar mit Christi Seele aufgetreten und
hätten den Weltfrieden diktiert. Liebrucks schloß mit den Worten: " V a
t e r 1 a n d und K r i e g sind Stereotypen, kitschige Stereoty
pen - jeder, der damit argumentiert, ist verächtlich-, nicht jedoch die
W i r k l i c h k e i t , zu der uns nicht die Wissenschaft, sondern
Kunst und Philosophie führen, von denen man sich allerdings heut' hat
sagen lassen, daß es sie nicht mehr gibt."
B e m e r k u n g e n d a z u : 1.) Es ist die Frage, ob es gleich
solch umgreifender Theorien (vgl. Anm. 8) wie dieses radikalen, des ab
soluten Idealismus bedarf, um den globalen Siegeszug der formalen Logik,
des Glanzstücks der instrumentellen Vernunft, als globale Gefahr zu er
kennen und zu bekämpfen. Wenn ja: dann wird es nötig sein, sich ver
ständlicher zu machen. Jedenfalls scheinen eingängigere Argumentations
weisen gegen den Vormarsch der Computer und die Künstliche-Intelligenz-
Forschung, wie etwa die von Weizenbaum,^ zu kurz zu greifen, ja gerade
zu kitschig - um nicht zu sagen: amerikanisch - zu sein. (Vgl. auch
unten die Bemerkungen zu Burger.) 2.) Ein Versuch, Liebrucks zu
verstehen, könnte in folgender Rekonstruktion bestehen: Die Sprache bzw.
Sprachlichkeit stellt eine Gewalt dar, u.a. dadurch, daß sie mich
zwingt, mich, indem ich mich zu anderen verhalte, gleichzeitig zu mir
selbst zu verhalten. Dieser Gewalt kann ich mich nicht entziehen (wie ja
schon mein Selbstbewußtsein - vgl. Kant - eine nicht abzuwendende
Nötigung darstellt) - eigentlich. Nun kann ich mich ihr aber doch ent
ziehen. Und zwar entweder bewußtlos, weil meine Reflexion diese Gewalt
noch nicht aufgedeckt hat - dann verelendet meine Sprachlichkeit zum
scheinbar naturgegebenen Instrumentarium rein zweckrationalen Handelns,
bleibt also kriegerisch; oder aber bewußt - dann verkommt mein Wort zur
Waffe, mit der ich den anderen und letztlich mich selbst vergewaltige.
Also kann ich mich dieser Gewalt meiner Sprachlichkeit eben doch nicht
entziehen: ohne Unheil zu stiften.
Oskar Negt (Soziologe, Hannover: "Politischer Sprachkampf") ging unter
Hinweis auf Lübbe11 von der Feststellung aus, daß es "in keinem west-
44
liehen Land einen solch wilden Kampf um die politische Sprache" gebe wie
in der Bundesrepublik Deutschland (das zeige sich sogar noch in den er
bitterten Diskussionen über die Benennung von Straßen und Gebäuden: eine
Allee nach Hindenburg zu benennen, bereite zwar im allgemeinen keine
Schwierigkeiten, aber wenn es um Ossietzky, Lessing, Heine gehe ...). Er
versuchte an den Begriffen 'Zensur', 'Folter' und 'Freiheit/Frieden'
aufzuzeigen, wie im Sinne eines zurückgekehrten Begriffsrealismus ein
Teil der Realität der öffentlichen Diskussion entzogen werde: ein12Vorgang, den er "Enteignung der Begriffe" nannte. Dies geschehe durch
Institutionalisierung der Begriffe, die sie ihrer wichtigsten Eigen
schaft, nämlich Sprachzusammenhänge zu öffnen, gerade beraube. Z.B. fin
de laut Grundgesetz eine Zensur nicht statt. Tatsächlich aber finde le
diglich eine D i s k u s s i o n über Zensur nicht statt, Zensur
selbst dagegen wohl: beispielsweise in den Redaktionen, vor allem in den
Köpfen. Ähnlich verhalte es sich etwa mit der Isolationsfolter, die als
Folter nicht akzeptiert werde, da ja Folter abgeschafft sei. Und Frei
heit sei, institutionalisiert, zum "Polizeibegriff" geworden, über den
nicht mehr diskutiert werden könne, ohne daß man sich als Freiheitsfeind
verdächtig mache. Insgesamt sei der Begriffsrealismus und, in seiner
Auswirkung, die Tabuierung von Wörtern bzw. Begriffen Ausdruck der
Tatsache, daß es in Deutschland, dem Land der "gelungenen Konter
revolutionen", weder eine eigene politische Rhetorik noch Sprache noch
auch eine eigene politische Theorie und schließlich auch keine autonome
Politik gebe.
B e m e r k u n g e n d a z u : In der anschließenden Diskussion war
Enttäuschung zu spüren - man hatte gerade von Negt, einem Schüler Lieb
rucks' und somit aus dem Umkreis der Frankfurter Schule kommend, mehr
erwartet. Tatsächlich scheint es, als hätte er ein Thema verschenkt; der
Problematik 'Nominalismus, Begriffsrealismus usw.' wären gründlichere,
klarere und nicht zuletzt politisch zündendere Gedanken angemessen ge
wesen.
Bernhard Großfeld (Jurist, München: "Sprache - Recht - Demokratie") ver
suchte, anhand sprach- und literaturgeschichtlicher Betrachtungen die
geschichtliche und auch die systematische Verflochtenheit von Sprache
45
und Recht sowie von Recht und Macht zu beleuchten. Er kam zu dem Schluß:
"Für die Demokratie ist entscheidend, daß unser aller Erfahrung 'zur
Sprache' kommen kann, daß die Sprachgewalt vom Volke ausgeht ... und das
Klima der Rechtskultur bestimmt."
B e m e r k u n g e n d a z u : Der zitierte Satz sollte nicht zu
falschen Schlüssen verleiten - er ist mit weitem Abstand der brillan
teste und brisanteste des ansonsten netten Vortrags.
Hans-Gerd Schumann (Politologe, Darmstadt: "Die Beschönigung des Un-13 14
hei 1s") zeigte unter Hinweis auf Burkhardt, Lattmann und Pasierbs-
ky1^ an den Beispielen existierender (Massen-)Arbeitslosigkeit und mög
lichen Atomtodes auf, wie die Wirklichkeit durch beschönigende Ausdrücke
- Euphemismen - verstellt und wie damit u.a. eine "Gewöhnung an das
Schreckliche" erlangt werde. So werde der doch "individuell erlittene
und kollektiv erfahrene" Verlust des Arbeitsplatzes beschönigt als
"Freistellung" aufgrund von "Anpassungsschwierigkeiten", "Strukturwan
del", "notwendig gewordener Rationalisierung", "produktionsorientierter
Umstellung" usw.; und zwar beschönigt nicht nur im Hinblick auf das tat
sächliche menschliche und soziale Elend, sondern auch in dem Sinne, als
handele es sich um anonyme Sachzwänge, "als handele es sich gar nicht um
von Menschen Gemachtes und Veranlaßtes, sondern um ein standortneutrales
System der Zweckrationalität, dessen interessengebundene Prämissen damit
fortinterpretiert werden sollen". Wenn hingegen die Interessen der "so
zial und politisch Herrschenden" betroffen seien, z.B. im Falle tarif
politischer Auseinandersetzungen, dann rücke man ab von dieser Sprache
der "technizistischen Sachlichkeit" mit ihrem "Gestus klinisch reiner
Eingriffe zum Zwecke der Krisenbewältigung und zum Wohle des Fort
schritts", und es "klingt die Interessen- und Mediensprache unisono:
'Ein Streik d r o h t auszubrechen'."
B e m e r k u n g e n d a z u : In der Diskussion entstand der Ein
druck, der sich im weiteren Verlauf der Veranstaltung verstärkte, daß es
Schumann gelungen war, die Unmenschlichkeit und gleichzeitig Interes
sen-, also Machtgebundenheit eines wichtigen Bereichs der 'öffentlichen'
Sprache überzeugend vorzuführen. Schumann selbst nannte es eine Aufgabe
der Sprachkritik, Interessen zu enthüllen.
46
Heiner Geißler (CDU-Generalsekretär/Bundesminister für Jugend, Familie
und Gesundheit, Bonn: ich bin die Tat von deinem Gedanken1
(Heine).1® Die Macht der Sprache oder: Über die politische Verantwortung
der Intellektuellen") hatte sich wegen einer Krankheit entschuldigen
lassen; das Referat wurde von Wulf Schönbohm (Leiter der Gruppe Pla-
nungs- und Grundsatzfragen in der Bundesgeschäftsstelle der CDU, Bonn)
verlesen. Ausgehend von einer Gegenüberstellung des unter "Legitima
tionszwang" stehenden Politikers, dem es um Machbares, und des nur
"selbstverantwortlichen" Intellektuellen, dem es um Wünschbares gehe,
wurde zunächst auf die Weimarer Republik verwiesen: diese sei "nach Mei
nung vieler Intellektueller nicht mehr zu verteidigen" gewesen, und "dem
Denken folgen die Taten". Dann wurde ausgeführt, daß die Intellektuellen
in der Bundesrepublik ihre "Glaubwürdigkeit" verspielten, wenn sie in
ihrer Kritik maßlos seien (denn z.B. habe "die atomare Hochrüstung den
Frieden nicht gefährdet") oder wenn sie, andererseits, als unkritische
"Hofsänger" und "geistige Wasserträger" aufträten (so habe es in Frank
reich "in den letzten Jahren eine grundlegende Auseinandersetzung mit
dem Kommunismus" gegeben, "bei uns nicht") oder aber auch dann, wenn sie
in "politischen Aktivismus" verfielen, weil dieser es "den Politikern
leichtmacht, die Intellektuellen nicht ernst zu nehmen".
B e m e r k u n g e n d a z u : Um es zu verdeutlichen, falls das
noch notwendig sein sollte: Wie schon die Tatsache, daß ausgerechnet
Geißler ein Heine-Zitat im Vortragstitel führte, hatte vermuten lassen,
war der Vortrag selbst eine üble Zumutung. Ist die völlig unhinterfragte
Selbstgerechtigkeit vieler Konservativer ohnehin schon alarmierend ge
nug, so wird ihre menschenverachtende Arroganz, sobald sie sich im Voll
besitz der Macht fühlen, erschreckend unerträglich.
Schönbohm verhielt sich in der Diskussion wie erwartet geschickt: Ent
weder er schwieg eisern auch zu provokantesten Fragen oder er zog sich
zurück auf definitorische Omnipotenz, etwa im Falle der Intellektuellen,
die er - weitab jeglicher diskursfähigen Überlegungen - zirkulär defi
nierte als diejenigen, auf die er eingedroschen hatte.
Aber es soll nicht verschwiegen werden, daß von allen Referaten, die ge-
47
halten wurden, das Geißler/Schönbohmsche das formal beste war, und es
gibt jede Menge Redner anderer Denkart, denen dringend nahegelegt werden
könnte, davon zu lernen: Es war klar gegliedert (!!!), es uferte nicht
nach allen Himmelsrichtungen hin aus und es brachte griffige Thesen
(wenn sie auch, nicht nachahmenswert, als Wahrheiten ausgegeben wurden).
Peter Glotz (SPD-Bundesgeschäftsführer, Bonn: "Sprache, Politik und Emo
tion") kam nach Aufzählung einiger philosophischer bzw. erkenntnistheo
retischer Probleme (etwa des Subjekt/Objekt-Verhältnisses in den Natur-
und in den Gesellschaftswissenschaften) auf die in der Tradition Antonio
Gramscis17 stehenden Analysen zu sprechen, denen zufolge ein Kampf um
die kulturelle Hegemonie die derzeitigen politischen Erfolge der
Konservativen überall in der westlichen Welt vorbereitet habe. In diesem
Zusammenhang erwähnte er auch, daß die CDU sich von Linguisten habe be- 18raten lassen. Auf Geißler eingehend, kritisierte er vor allem dessen
19Pazifismus-Äußerung und die Dokumentation von 1977, in der Sozialdemo
kraten, Schriftsteller und Philosophen in Verbindung mit Terrorismus ge
bracht worden seien: "An diesen beiden Punkten war Bonn d o c h Wei
mar"; und bezüglich dessen M e t h o d e "der publizistischen und
geistigen Kriegsführung" stellte er Geißler neben Goebbels. Selbstkri
tisch behandelte er die SPD-Wahlkampfparole "Den Frieden wählen", die
die Unterstellung beinhaltet habe, daß, wer anders wählte, den Krieg
wähle.
B e m e r k u n g e n d a z u : Glotz litt sichtlich doppelt: einmal
unter der Abwesenheit seines Lieblingsgegners Geißler, zum anderen unter
seinem eigenen Image, nämlich dem des redegewandten und gleichwohl ker
nigen, des redlichen und gleichwohl holzen und klotzen könnenden, des
philosophisch gebildeten und gleichwohl zupackenden intellektuellen
Machers. Er hatte Mühe, das alles zusammenzukriegen, zumal er, im Hin
blick auf den fehlenden Geißler, teilweise improvisierte, und entschied
sich für die schlechteste Lösung: Er machte Wahlkampf; dies allerdings
um mehrere Größenordnungen genießbarer als Geißler/Schönbohm. (Schönbohm
sagte übrigens, er kenne keine Linguisten, die für die CDU gearbeitet
hätten.)
48
Im MANNHEIMER MORGEN vom 2.7.1984 war auf S. 2 zu lesen: "Weil sie
(gemeint sind Geißler/Schönbohm und Glotz) das Thema verfehlten und
'reine Wahlreden' hielten, beschloß das Kuratorium der kulturpolitischen
Veranstaltung, in Zukunft überhaupt keine Politiker mehr einzuladen."
Das ist vielleicht doch kurzsichtig. Denn weder konnte man von Poli
tikern - Sprechern der Sprache der Macht - von vornherein erwarten, daß
sie darauf verzichten würden, die Macht der Sprache in ihrem Sinne ein
zusetzen. Noch sollte man sie aus der Pflicht entlassen, auch öffentlich
über ihr Tun zu reflektieren - und sei es nur versuchsweise.
20Senta Trömel-Plötz (Linguistin, Konstanz: "Vergewaltigung durch Spra
che") brachte eine Reihe von Beispielen dafür, daß die Frauen nicht nur
bei der herrschenden Verwendung der Sprache oft übergangen würden, son
dern schon in der Struktur der Sprache oft ausgeschlossen seien. "Die
semantische Regel lautet: Alles ist solange männlich, bis etwas anderes
bewiesen ist." Ein Satz wie "Die Deutschen und ihre Frauen sind ein
friedliebendes Volk." werde in bezug auf seine Grammatikalität anstands
los hingenommen, hingegen müsse die Umkehrung "Die Deutschen und ihre
Männer sind ein friedliebendes Volk." als semantisch "abweichend" be
trachtet werden, und sie sei "ohne kontextuelle Hilfe nicht (zu) ver
stehen". "Da Sprache Wirklichkeit nicht nur abbildet, sondern auch
schafft", müsse die "sprachliche Gleichbehandlung von Frauen" und damit
die Anerkennung der Frauen "als autonome(r) Menschen" durchgesetzt21werden.
B e m e r k u n g e n d a z u : Trömel-Plötz' Beobachtungen sind ge
wiß richtig und verdienstvoll - dies wird im großen und ganzen anerkannt
werden müssen. Aber je öfter man ihren Vortrag hört, desto nachdenk
licher stimmen folgende Mängel: Zum einen kommt überhaupt nicht zur
Sprache, daß es sich bei den von ihr beschriebenen Erscheinungen in
erster Linie vielleicht gar nicht um geschlechtsspezifische, sondern um
allgemein machtspezifische handelt; analog ihrer Verkürzung der Problem
sicht bleibt sie eben auch in der Analyse unterwegs stecken. Zum zweiten
tut sie einiges, um den Verdacht zu nähren, daß das Sprachspiel nur um
gedreht werden soll: Frauen nach oben, Männer nach unten, und innerhalb
der Geschlechter alles nach gehabter Rangordnung. Zum dritten sind ihre
49
Ausführungen gespickt mit peinlichen Passagen wie: "So sagte ein Pro
fessor an einer juristischen Fakultät Deutschlands seiner Doktorandin,
ob 'summa' oder 'magna cum laude', würde immer noch im Bett entschie
den." Das mag stimmen oder nicht - mit dieser Zitierweise jedenfalls ist
die Erträglichkeitsschwelle schon überschritten; und daß sie auch nicht
davor zurückschreckt, das Auslaufen ihrer befristeten "Professur" in
Konstanz ohne jede weitere Information und als Ohrfeige für alle männ
lichen Arbeitslosen einfach als Beispiel für Gewalt, die den Frauen von
Männern angetan wird, hinzustellen - diese und ähnliche Unanständigkei
ten machen es denjenigen, die sie und ihre Sicht der Sprache und ihre
Art der Linguistik verteidigen wollen, sehr schwer (ich spreche nicht
zuletzt aus eigener leidgeprüfter Erfahrung).
Henri Nannen (ehemaliger Chefredakteur und Herausgeber des STERN, Ham
burg: "Die Ohnmacht des Leitartiklers") nahm eine Gleichsetzung von
Leitartikel mit Rede und von Reportage mit Gespräch vor und versuchte
darzulegen, daß Bewußtsein nicht durch Rede, sondern durch Gespräch
verändert werde.
Heiner Müller (Schriftsteller, Berlin (Ost)) verlas eine Passage aus
Lessings "Nathan der Weise" (ab 3. Aufzug, 4. Auftritt bis einschließ- 22
lieh Ring-Parabel).
Karin Reschke (Schriftstellerin, Berlin (West)) verlas einen Text, der
den Versuch darstelte, das Phänomen 'Marschflugkörper' poetisch zu
fassen.
B e m e r k u n g e n d a z u : Obwohl Reschke bemerkenswert viele
grobe grammatische und andere Schnitzer ganz offensichtlich unterlaufen
waren (so sprach sie etwa in einem Satz vom Wort 'Rakete', das dann im
nächsten Satz über der realen Landschaft kurvte), fand die schon mehr
mals aufgeflackerte Diskussion der 'Ästhetik des Grauens' hier ihren
Platz. Es wurde gefragt, wie man "so schön" (die Schnitzer übersah man)
"über solch grausame Dinge sprechen" könne. Es wurde allgemein gefragt:
Kann durch Benennung und Darstellung des Grauens eine abschreckende Wir
kung erzielt werden? Und selbst, wenn: Ist die Darstellung des Grauens
50
und des Grauenhaften moralisch vertretbar oder wird das Grauen durch
Darstellung nur Mittel zum Zweck (z.B. des Geldverdienens)? Es wurde der
"Holocaust"-FiIm heftig kritisiert und vehement verteidigt. Liebrucks,
der Allgegenwärtige, der die Zuhörer sogar mit weitausholenden und
garantiert schwerstverständlichen Exkursen über Hegel in seinen Bann zu
schlagen vermochte, äußerte die Auffassung: Die 'Macht der Sprache' sei
schon als Begriff existent (Hinweis auf Anselm von Canterbury, der aus
der Tatsache des Begriffs 'Gott' die Existenz Gottes zu beweisen such
te (später sogenannter ontologischer Gottesbeweis)); ferner: die Atom
bombe habe schon lange vor ihrem Bau existiert, nämlich a l s B e
g r i f f , und allein dadurch schon die ganze Politik verändert:
darin zeige sich die "Sprach]ichkeit der Waffen", und von daher sei das
Problem anzugehen, ob man ästhetisch darüber reden könne.
Rudolf Burger (Wissenschaftstheoretiker, Wien: "Die Sprache der Puppen
oder Die Angst vor dem Widerspruch") stellte seinem Vortrag das
Liebrucks-Zitat voran: "Als Erkenntnis gilt in unserer Gesellschaft nur,
was formal logisch ausdrückbar ist." Ausgehend von dem in der Literatur
als 'Turing-Test' bezeichneten Probierstein der Wahrheit (Kant) ging es
ihm um die Konsequenzen einer positiven Antwort auf die Frage: "Kann 23eine Maschine denken?" Turing und andere Automatentheoretiker bejahten
diese Frage nämlich in dem Sinne, daß es sowohl prinzipiell als auch, in
welch naher oder ferner Zukunft auch immer, technisch möglich sei, Ma
schinen zu bauen, die in einem "beliebigen Dialog von einem menschlichen
Gesprächspartner nicht zu unterscheiden wären", ja daß sogar alle der
Introspektion zugänglichen Akte des menschlichen Gehirns "konstruktiv
nachgebildet werden könnten, ohne daß es notwendig wäre, ein Konzept des
'Bewußtseins' ins Spiel zu bringen". Wenn eine Maschine ohne Bewußtsein
denken könne, dann dränge sich der (von den Automatentheoretikern voll
zogene) Umkehrschluß auf, daß das menschliche Bewußtsein eine bloße Fik
tion sei, eine höfliche Leerformel idealistischer Herkunft. "Was sagt es
über eine Gesellschaft aus, daß diese Debatte (Kann eine Maschine den
ken?) geführt werden kann, ohne auf Gelächter zu stoßen?" Es sage aus,
daß das "maschinenförmige" Denken auf dem Wege sei, das menschliche Den
ken zu ersetzen, und man werde sagen können: Die Gesetze der formalen
Logik, bisher "regulatives Postulat des reinen Denkens", "Gesetz aus
51
Freiheit", "methodisches Ideal, Norm, die als solche auch immer bewußt
und damit überschreitbar blieb", sind "in der Maschine gegenständlich
geworden: In ihr hat verdinglichtes Denken buchstäblich sich materiali
siert." Formale Logik werde "zum Naturgesetz", Bewußtsein und Geschicht
lichkeit des Menschen würden ausgeschaltet, Widerspruch trete nur noch
als Defekt auf: "Das maschinenförmige Gerede wäre eine gigantische Tau
tologie."
B e m e r k u n g e n d a z u : (Vgl. auch oben die Bemerkungen zu
Liebrucks.) Die Debatte zum Thema "Kann eine Maschine denken?" hält an
und weitet sich aus, obwohl diese Formulierung des Themas teilweise
schon belächelt wird - nicht von 'der Gesellschaft', sondern von For
schern.24 Eine rigorose Abrechnung mit, so scheint es, fast allen momen
tan auffindbaren Argumenten gegen die Künstliche-Intelligenz-Forschung25liefert Kanngießer (1984); sein forscher Ton wird da, wo es um Moral
und Ethik geht, erstaunlich unpräzis, ja schwammig und gleichzeitig bei
nah' höhnisch: es lohnt sich, die Stelle nachzulesen, und schon die
Stellenangabe macht den ganzen inneren Widerspruch der Argumentation
greifbar: Fußnote 7, S. 70-73.
Angesichts der Diskussionen um die KUnstliche-Intel1igenz-Forschung (die
nicht ganz so im Verborgenen blüht und expandiert wie die Gen-Forschung
- denn diese bedarf nicht der Rechtfertigung: ihr brutaler Sinn ist
denen, die an ihr interessiert sein können, unmittelbar eingängig) fragt
sich vielleicht der naive Laie, warum sie überhaupt nötig seien: Denn
entweder man kann diese wunderbaren Maschinen bauen oder man kann sie
nicht; das muß einfach ausprobiert werden. Wozu also Diskussionen? Doch
wohl deswegen: Weil man sie, wenn überhaupt, nur bauen kann mit viel
Zeit und viel Geld. Die Diskussionen um die theoretische Baubarkeit die
ser sagenhaft intelligenten Maschinen sind Scheindiskussionen, es geht
lediglich darum, Geld, viel Geld, von anderswo abzuzweigen. So daß also,
ob die Maschinen nun gebaut werden oder nicht gebaut werden können, lei
der beides von Übel ist. Aber - und ich drehe hier Kanngießers Spieß um,
daß nämlich jedes Argument der Künstliche-Intelligenz-Forschungs-Gegner
die Künstliche-Intelligenz-Forschung nur vorantreibe, weil es der
Klärung diene - die Tatsache, daß es Forscher gibt, die allen Ernstes
52
daran arbeiten, den Menschen maschinell nachzubilden und zu übertreffen,
klärt die Köpfe der, sei es idealistischen oder materialistischen oder
sonstigen, Gegner - und das ganz ohne Abzweigung von Geld, im Gegenteil.
Ein Aspekt, einer der vielleicht überhaupt bedenklichsten, kommt m.E. in
allen Diskussionen zu kurz oder überhaupt nicht vor. Es ist immer die
Rede davon, ob es in irgendeinem Sinne möglich sei, den Menschen maschi
nell nachzubilden oder zu übertreffen (es kommt mir hier nicht auf die
Bezeichnungen an). Diese und ähnliche Redeweisen verdecken von vorn
herein zwei fundamentale Probleme.
Erstens: Es wird nämlich so getan, als wüßte man schon, was und wie der
Mensch ist. Davon sind wir aber, trotz aller sogenannter Fortschritte in
den sogenannten Natur- und den ihnen nacheifernden Wissenschaften, ge
nausoweit entfernt wie eh und je. Man kann nicht etwas nachbilden, das
man nicht kennt. Also bleibt nur die Möglichkeit, das Nachzubildende auf
das, was man kennt oder zu kennen glaubt, zu reduzieren - kurz, ein ma
schinenförmiges Bild des Menschen zu entwerfen, damit der Mensch ma
schinell nachgebildet werden kann.
Das wäre vielleicht nicht so schlimm, man kann die Forscher ja forschen
lassen - aber nun zweitens: Die Geschichte der Neuzeit ist untrennbar
mit der Entwicklung der Maschinen verknüpft; die Maschinen, die prinzi
piell die Mühsal des Lebens erleichtern könnten und dies zum Teil auch
unbestreitbar getan haben, haben aber ihre eigene Wirkmächtigkeit ent
faltet. So bestimmt z.B. der Rhythmus der Maschine den Rhythmus der Ar
beit, aber auch bestimmt z.B. die Auslastung der Maschinenkapazität die
materielle und immaterielle Produktion, und vieles andere mehr. Die
Maschinen als geschichtliche Tatsache haben sich verselbständigt und
Zwänge geschaffen, denen sich der Mensch, zumal der einzelne, nicht mehr
entgegenstellen kann: Er muß sich, will er nicht untergehen, anpassen.
Diese Anpassung wird ihm erleichtert und verschleiert durch die Faszina
tion, die von Maschinen ausgeht. Ohnehin mit der unseligen Gabe ausge
stattet, sich Autoritäten fraglos anzupassen, erliegt der Mensch der
Faszination der Maschine dann bedingungslos. Und da der Mensch ohne
Wertung nichts tun kann, paßt er sich der Maschine nicht nur einfach an,
53
sondern er sieht einen Wert darin, sich in jeder Weise maschinenförmig
zu verhalten, ja maschinenförmiger als die Maschinen.
Für die Künstliche-Intel1igenz-Forschung heißt dies: Auf der einen Seite
arbeitet man mit einem reduzierten Menschenbild, auf der anderen Seite
arbeiten die Menschen selber fleißig an ihrer Reduktion, an ihrer Ma-
schinenwerdung. Dann ist es natürlich bald kein Kunststück mehr, eine
Ma- schine zu bauen, die sich wie ein Mensch verhält, nur weniger
störan- fällig.
Aber, wie gesagt, diese Diskussion ist nur Scheindiskussion - ist Ersatz
auch für einen gewissen Grundbedarf an Kultivierung auf dem von der
Philosophie geräumten Feld.
Michael Schneider (Schriftsteller, Wiesbaden: "Die Intellektuellen und
der Katastrophismus. Wider den Kultus der Angst und die Rhetorik der
Vergeblichkeit") sieht angesichts des Zustandes der Welt nur die Alter
native "Einlösung der sozialistischen Utopie (im Sinne des 'Dritten We
ges') oder der Abfahrt in die Katastrophe". Er kritisierte die Intellek
tuellen, die als (meist gutsituierte) "professionelle Kassandras" der
Abfahrt in die Katastrophe Vorschub leisteten, indem sie unablässig
deren Unaufhaltsamkeit verkündeten. Stattdessen forderte er Anstrengun
gen im Sinne der "konkreten Utopie" (Bloch), nicht nur, um "vermittels
unserer hochautomatisierten Produktionstechnologie den Hunger in der
Welt zu beseitigen", sondern auch, um eine "technologisch erstmals mög-OC
lieh gewordene sozialistische Freizeitgesellschaft" herbeizuführen.
B e m e r k u n g e n d a z u : Schneider ist zweifellos ein großes
Formulierungstalent, aber eine geschlagene halbe Stunde sich einander
überschlagender brillantester Formulierungen hält kein Mensch aus, und,
so skeptisch geworden, findet man das Ende gar zu kärglich: Die Techno
logie, nur recht verstanden und kräftig vorangetrieben, soll die Prob
leme lösen.
Die Absurdität etwa, daß das alles überwölbende Lebensproblem vieler
Leute hierzulande die Wahl der geeigneten Abmagerungskur zu sein
54
scheint, während anderswo jährlich Millionen verhungern, läßt sich gewiß
nicht durch bessere Technologie überwinden. Denn zu essen wäre ja auch
jetzt genug für alle da.
2.3 Abschließende Bemerkungen
1. Es ist merkwürdig und überraschend, daß sich unter den ursprünglich
geladenen Referenten/Referentinnen keine Linguisten/Linguistinnen be
fanden (Trömel-Plötz1 Referat war nicht vorgesehen gewesen). Viel
leicht zeigte sich hier, daß die Linguistik, nach dem großen Boom,
ein wenig in Mißkredit geraten ist: zu Recht möglicherweise, was den
sich auf dem Rücken der Schüler und Lehrer austobenden Methoden
streit, zu Unrecht gewiß, was ihre Substanz betrifft. Dieses Indiz -
wenn es eines ist - sollte sehr ernst genommen werden, gerade in
Zeiten (angeblicher oder tatsächlicher, je nach Standpunkt) Geld
knappheit: In Zeiten der Arbeitslosigkeit und Geldknappheit ist das
Regieren in mancher Beziehung allzu leicht.
2. Sowohl in den Referaten als auch in den Diskussionen wurde vielfach
von unklaren Sprachbegriffen ausgegangen. Zu einer Klärung kam es
kaum einmal, ebenso wie es kaum zu einer Klärung der verwendeten
Machtbegriffe kam. Auch wurde einmütig vorausgesetzt, daß es so etwas
wie Sprache der Macht und Macht der Sprache gebe; die berühmte Frage27"Gibt es Mißbrauch der Sprache?" wurde nicht gestellt. Brennender
schien es zu sein, Ängste zur artikulieren: Krieg und Technisierung
wurden sofort zu zentralen Themen. Die Kritik an der Aufklärung (als
historischer Epoche), wie sie vor allem von der Frankfurter Schule in 28
Gang gesetzt worden ist, nahm breiten Raum ein. Das Unbehagen an
der Verselbständigung der instrumentellen technizistischen Vernunft,
die - antiaufklärerisch - selber zum unbegriffenen, unantastbaren
Mythos geworden ist, kam immer wieder zur Sprache.
3. Auch bei dieser Veranstaltung war in bezug auf die Linguistik ein ge
wisses Gefühl des Mangels unabweisbar; das mag daran liegen, daß 'die
Linguistik1 mit zu großer Bescheidenheit auftritt. Sie ist offenbar
nicht genügend präsent. Sie scheut zurück vor der Maßlosigkeit der
55
Ansprüche, die mit ihrer Mathematisierung einst geweckt wurden. Und
sie scheut immer noch zurück vor ihrer eigenen deutschen Tradition,
anstatt allmählich das Brauchbare, Nichtkorrumpierbare sich anzueig
nen. Kaum jemand zitiert beispielsweise Weisgerber, aber wäre es
wirklich so gänzlich uninteressant zu erforschen - gerade auch ange
sichts einer Thematik 'Sprache und Macht' - ,was es nun mit der Ak-
kusativierung des Menschen tatsächlich auf sich hat, nach jetzt wei-29teren bald dreißig Jahren? Könnte nicht vielleicht durch eine Ein
beziehung solcher Gedanken der merkwürdigen Hohlheit der linguisti
schen Pragmatik begnet werden?
Aber auch die strukturalistische Betrachtung der Sprache muß nicht im
Papier steckenbleiben. An einem anderen Beispiel, nämlich in der Mu
sik, hat Adorno angedeutet, was Strukturanalysen zu leisten imstande 30waren.
Der gesellschaftliche Bedarf, das spürt man allerorten, an Wissen
über die Sprache ist groß, und wenn die Linguistik sich ihm nicht
stellt, werden andere ihn entdecken: als Marktlücke; und entsprechend
stopfen.
3. NACHBETRACHTUNG: EIN FALL AUS DER PRAXIS
Am 2.10.1984 hielt Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) die Eröffnungsrede31auf der Frankfurter Buchmesse. Diese Rede ist in mehrererlei Hinsicht
interessant. Z..B. findet man in dem Teil, der von der Auseinandersetzung
zwischen Politikern und Intellektuellen handelt, Anklänge, wenn auch ge
mäßigte, an die Frankfurter Geißler/Schönbohm-Rede. Oder: die Passagen,
die sich mit der politischen Sprache beschäftigen, enthalten z.T. wört
liche Übernahmen von früheren Veröffentlichungen des bayerischen Kultus
ministers Hans Maier (CSU) aus den Tagen der konservativen 'semantischen32 33Offensive' (und Wolfgang Bergsdorf ist meines Wissens zur Zeit Ab
teilungsleiter im Bundespresseamt).
Nun darf man einen Bundeskanzler nicht verantwortlich machen für das,
56
was er zu bestimmten Fachgebieten - hier: Sprachwissenschaft - sagt; zu
mindest darf man seine Worte nicht auf die Goldwaage legen: Er ist da
zum guten Teil nur Sprachrohr seiner Spezialisten, insofern freilich
Verkörperung von Zeitströmungen. Außerdem: Je höher der Rang eines Re
präsentanten (und/oder je ritueller der Anlaß), desto leerer die Formeln
- dies ist weniger jeweilige subjektive Unfähigkeit als vielmehr objek
tive Notwendigkeit in einer bestimmten Ausprägung gesellschaftlicher
Organisation (so wie etwa der viel beschworene 'Konsens der Demokraten'
inhaltlich leer ist und gerade deshalb breiteste Identifikationsmöglich
keiten bietet, die wiederum tatsächlich geschichtlich wirksam werden).
Dennoch ist es lehrreich zu sehen, was der Bundeskanzler, der sich in
der Kritik an der Weltuntergangsstimmungsverbreitung der Intellkektuel-
len mit Schneider (s.o.) durchaus trifft, an Positivem anbietet. Da ist
zum einen die Sprache, die Muttersprache: Problemlos-blauäugig wird da
regierungsamtlich, wie eine regierungsamtliche Mitteilung lauten könnte,
auf der Schiene Humboldt-Weisgerber gefahren; aber wohin? (Dann wird
übrigens gleichzeitig davon gesprochen, daß die Sprache die Wirklichkeit
abbilde - das wäre dann also der entgegenkommende Zug, in dem auch noch,
um das Bild völlig zu verwirren, westliche Christdemokraten, auf Kolli
sionskurs mit sich selbst, einträchtig mit östlichen Widerspiegelungs
theoretikern beieinandersitzen.)
Und sonst? Da werden nur angeboten: "Rückbesinnung auf Familie, Nach
barschaft, Heimat, Vaterland".
Daß die Konservativen (die es gar nicht sind, weil sie ja unermüdlich
die neuesten Maschinen durch die allerneuesten ersetzen wollen - Adorno)
unentwegt die Familie und die Nachbarschaft im Munde führen und unent
wegt die Augen vor der Tatsache verschließen, daß die von ihnen ja be
triebene Industrialisierung und Technisierung ein einziger Prozeß der
Zerschlagung der Familie und der Nachbarschaft war und ist!
Heimat? Es kann ja nicht einmal mehr die Kitsch-Heimat des schönen
Rheins (der auch in seinen besten Zeiten garantiert nie schöner war als
die schöne Marne oder die schöne Wolga) gemeint sein: Heimat ist heutzu-
57
tage hierzulande eine Krankheitsursache aus Dreck, Beton und Fernsehen.
Vaterland? Jedes Schulkind kann heute wissen, daß der Begriff des Vater
landes den Begriff des Krieges in sich birgt, ja in unaufhaltsam ent-
birgt.
"Wir Deutsche", sagte der Bundeskanzler im Anschluß an Ausführungen über
die jüngere deutsche Geschichte, "haben die Lektion dieser historischen
Erfahrungen gelernt: Von deutschem Boden muß Frieden ausgehen und wir
müssen Europa einigen, um auch für Deutschland die Einheit in Freiheit
zu vollenden." Das ist (obwohl er es natürlich nicht weiß - aber das ist
es ja eben) eine Kriegserklärung.
Anmerkungen
1) Dieser Aufsatz ist die geänderte und erweiterte Fassung eines Berichts, der mit freundlicher Genehmigung des Erich Schmidt Verlages (Berlin) verwendet werden durfte: Ulrich Wetz: Abfahrt in die Katastrophe? Bericht über die 11. Römerberg-Gespräche "Sprache der Macht - Macht der Sprache" (Frankfurt am Main, 29. - 30. Juni 1984). In:Deutsche Sprache 12, 1984, S. 374-381.
2) Bericht von Sextus Empiricus (200-250) und Pseudo-Aristoteles, zitiert nach Capelle (1968) S. 350-353; in Klammern Zusätze vonCapelle.
3) Stegmüller (1975) S. 64.
4) Für zahlreiche andere Berichte stehe Rosengren (1984). Die Referate der Tagung erscheinen in einem Band der Reihe "Sprache der Gegenwart" .
5) Vgl. z.B. Hoffmann (1983). Die bisherigen Themen waren: "Kann dieStadt im Kapitalismus noch bewohnbar gemacht werden?" (1973), "Kunst und Manipulation" (1974), "Literatur - Opium ohne Volk?" (1976), "Sie schlagen uns das Kino tot" (1977), "Humanismus und Utopie" (1978), "Die Angst des Prometheus" (1979), "Die Bundesrepublik Deutschland - Republik ohne Bürger?" (1980), "Innerlichkeit - Flucht oder Rettung?" (1981), "Diskriminierung" (1982), "Kultur-Zerstörung?" (1983).
6) Brecht (1981) S. 230.
7) Vgl. etwa Liebrucks (1964-1979).
58
8) Die Hegelsche Logik ist - wie schon, wenn man so will, im Ansatz ihr Vorläufer, die Kantsche transzendentale Logik - Ontologie bzw., umfassender, Metaphysik, hat also nichts mit Logik im Sinne etwa der formalen Logik zu tun. Sie ist, ausgehend von bzw. gelangend zu der Identität von Begriff und Sache, die Selbstreflexion der Begriff- lichkeit: die Aufdeckung der logischen Struktur der Begriffe ist die Aufdeckung der Struktur des Seins; zugleich ist sie als beginnende (Selbst-)Bewegung der Begriffe (Dialektik) das erste Stadium des Zu- sich-selbst-Kommens, der Selbstvergewisserung des Geistes als Wahrheit. Damit muß sie eine Disziplin wie die formale Logik, die sich unter der Maxime der Widerspruchslosigkeit mit linearen Denkgesetzen beschäftigt und Selbstreflexivität nicht darstellen kann (Liebrucks) , ablehnen, ja sie als Verstellung der Wirklichkeit 'denunzieren' und sie letztlich als "kriegerisch" (Liebrucks) bekämpfen.
9) Diese hypothetische Gestalt übernahm er von Nietzsche. Vgl.Nietzsche (1952) S. 652.
10) Weizenbaum (1978), bes. S. 337 ff.: "Gegen den Imperialismus der instrumenteilen Vernunft".
11) Lübbe (1967).
12) Offensichtlich in zweifachem Sinne: den Begriffen wird ihre Bedeutung und der Öffentlichkeit werden die Begriffe weggenommen.
13) Burkhardt (1984).
14) Lattmann (1983).
15) Pasierbsky (1983).
16) Heine (1968) S. 438 ("Deutschland. Ein Wintermärchen", Cap. VI).(Der Sprecher dieser Worte zerschmettert übrigens auf S. 442 (Cap.VII) mit seinem Beil "die Skelette des Aberglaubens" - aber auchdieses Zitat ist eine Verkürzung).
17) Vgl. etwa de Biago u.a. (1978).
18) Er meinte wohl vor allem jene "Projektgruppe Semantik", die 1973 aufInitiative des damaligen CDU-Generalsekretärs Kurt Biedenkopf hin zum Kampf gegen die "rote Semantik" aufbrach mit dem Ziel, die politischen Begriffe wieder zu "besetzen", und deren Arbeit u.a. dieWahlkampfparole "Freiheit oder/statt Sozialismus" entsprang. Vgl. Behrens/Dieckmann/Kehl (1982).
19) Nachzulesen z.B. in Zifonun (1984).
20) Vgl. etwa Trömel-Plötz (1982).
21) Vgl. auch Trömel-Plötz (1984). Die Römerberg-Variante ihres Vortragsist in großen Auszügen abgedruckt in: Deutsche Volkszeitung, dietat, Frankfurt (M.), vom 27.7.1984.
59
22) Er wollte (wie er hinterher sagte) mit dieser Lesung aus einem Stück, das zu Lebzeiten des Autors nicht aufgeführt worden war, auf die gerade wieder einmal abgesagte Uraufführung (in Frankfurt) des Fassbinder-Stücks "Die Stadt, der Müll und der Tod", dem Antisemitismus vorgeworfen wird und das er, Müller, dramaturgisch betreute, hinweisen.
23) Vgl. Turing (1967)
24) Vgl. z.B. Wiener (1984).
25) Vgl. übrigens, im selben Heft, auch Giese/Januschek (1984) und Habel (1984).
26) In großen Auszügen abgedruckt in: Frankfurter Rundschau vom 14.7.1984, S. ZB 3.
27) Römer (1970). Verkürzt gesagt kommt Römer zu dem Schluß, daß in einem wissenschaftlich vertretbaren Sinn von Mißbrauch der Sprache nicht gesprochen werden kann (sondern immer nur von G e brauch).
28) Vgl. etwa Horkheimer/Adorno (1984).
29) Vgl. Weisgerber (1958).
30) Vgl. Adorno (1975).
31) Pressemitteilung Nr. 503/84 vom 2. Okt. 1984 des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung.
32) Vgl. Maier (1982). Es scheint diesen Aufsatz ab 1973 in mehreren Versionen zu geben.
33) Vgl. etwa Bergsdorf (1978). Bergsdorf war beteiligt an der 'semantischen Offensive' (vgl. Behrens/Dieckmann/Kehl (1982)).
Literatur
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Brecht, Bertolt (1981): Svendborger Gedichte. Hier zitiert nach: Bertolt Brecht. Werke in fünf Bänden. Hg. Werner Mittenzwei. Bd. 3, Gedichte. Berlin/Weimar.
60
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Capelle, Wilhelm (Hg.) (1968): Die Vorsokratiker. Die Fragmente undQuellenberichte. (4. Aufl.) Stuttgart.
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Heine, Heinrich (1968): Hier zitiert nach: Heinrich Heine Werke (in vier Bänden), Bd. 1, Gedichte. Hg. Christoph Siegrist. Frankfurt (M.).
Heringer, Hans Jürgen (Hg.) (1982): Holzfeuer im hölzerenen Ofen. Aufsätze zur politischen Sprachkritik. Tübingen.
Hoffmann, Hilmar (Hg.) (1983): "Kultur-Zerstörung?" 10. Römerberggespräche in Frankfurt am Main. Königstein (Ts.).
Horkheimer, Max/Adorno, Theodor W. (1984): Dialektik der Aufklärung.Philosophische Fragmente. Hier zitiert nach: (76.-80. Taus.)Frankfurt (M.).
Kanngießer, Siegfried (1984): Deduktion der Sprecher-Hörer-Maschine. In: OBST 29, S. 37-77.
Lattmann, Dieter (1983): Hochrüstung in der Sprache. Nach Auskunft des Autors vermutlich: Vortrag, gehalten an der evangelischen Akademie Tutzing; inzwischen mehrmals verändert.
Liebrucks, Bruno (1964-1979): Sprache und Bewußtsein. 7 Bde. (in 9Bdn.). Frankfurt (M.).
Lübbe, Hermann (1967): Der Streit um Worte. Sprache und Politik. Bochum. Auch z.B. in: Sprache und Herrschaft. Die umfunktionierten Wörter. Hg. Gerd-Klaus Kaltenbrunner. Freiburg usw. 1975. S. 87-111; oder: Heringer (1982) S. 48-69.
Maier, Hans (1982): Aktuelle Tendenzen der politischen Sprache. In:Heringer (1982) S. 179-188.
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OBST 29 = Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie 29, Dezember 1984: Sprachersatz. Linguistische Konstrukte und ihre Rationalität.
Pasierbsky, Fritz (1983): Krieg und Frieden in der Sprache. Eine sprachwissenschaftliche Textanalyse. Frankfurt (M.).
61
Römer, Ruth (1970): Gibt es Mißbrauch der Sprache? In: Muttersprache 80, S. 73-85.
Rosengren, Inger (1984): Bericht über die internationale Jahrestagungdes Instituts für deutsche Sprache (Mannheim, 13.-16. März 1984). In: Deutsche Sprache 12, S. 359-364.
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Stegmüller, Wolfgang (1975): Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie. Eine kritische Einführung. Bd. II. Stuttgart.
Turing, Alan M. (1967): Kann eine Maschine denken? In: Kursbuch 8: Neue Mathematik. Grundlagenforschung. Theorie der Automaten. Hg. Hans Magnus Enzensberger. Frankfurt (M.). S. 106-138.
Weisgerber, Leo (1958) : Der Mensch im Akkusativ. In: Wirkendes Wort 8, S. 193-205.
Weizenbaum, Joseph (1978): Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft. Frankfurt (M.).
Wiener, Oswald (1984) : Turings Test. Vom dialektischen zum binären Denken. In: Kursbuch 75: Computerkultur. Hg. Karl Markus Michel/Tilman Spengler. Berlin (West). S. 12-37.
Zifonun, Gisela (1984): Politische Sprachkultur und Sprachkritik. In: Mitteilungen 10. Aspekte der Sprachkultur. Hg. Institut für deutsche Sprache. Red. Wolfgang Teubert. Mannheim. S. 61-90.
62
Manfred W. Hellmann
DEUTSCHE SPRACHE - OST UND WEST
Der folgende Text ist die ungekürzte Fassung des für die Sendung "Aspekte Literatur - Die geteilte Sprache" vom 06.12.1984 vorbereiteten Diskussionsbeitrags. In der Sendung selbst wurde der Text auf etwa dieHälfte gekürzt. Die Frage des Moderators lautete: Wie weit hat sich diedeutsche Sprache oder wie weit hat sie sich nicht auseinanderentwickelt?"
Über diese Frage gibt es einen Meinungsstreit, seit die ersten Anzeichen
sprachlicher Unterschiede überhaupt bemerkt wurden - das war schon
1947/48. Von "Sprachspaltung" zum "einigenden Band der Nation", von
"Verteidigung der deutschen National sprache" zu den vier national sprach
lichen Varianten" der vier deutschsprachigen Staaten spannt sich ein
weiter Bogen kontroverser Meinungen. Das ist auch nicht erstaunlich:
Sprache ist ein Politikum, die deutsche Sprache in einem geteilten
Deutschland an der Grenze zweier Machtblöcke ist es umso mehr.
Im übrigen ist auch der Hinweis darauf, daß wir schließlich vier
deutschsprachige Staaten haben und nicht nur zwei, der Beachtung wert.
Österreich und die deutschsprachige Schweiz haben zweifellos ebenso ihre
sprachlichen Eigentümlichkeiten wie die DDR und die Bundesrepublik. Zum
Teil beruhen sie auf einer langen mundartlichen Tradition, andere - vor
allem im öffentlichen Sprachgebrauch - haben mit der Eigenstaatlichkeit
zu tun. Bundesrat bedeutet in der Schweiz etwas anderes als bei uns, und
der staatsrat ist nur in der DDR das oberste Staatsorgan, in der Schweiz
ist es u.a. ein Titel für Personen in bestimmten staatlichen Gremien.
Vergleichende Untersuchungen zu den Wortschätzen der öffentlichen
Kommunikation wären nützlich und sicher lohnend. Aber soweit ich sehe,
reicht die verfügbare Forschungskapazität in der Bundesrepublik zur Zeit
nicht mal für eine angemessene Bearbeitung des Ost-West-Themas - und da
ist uns das deutsch-deutsche Hemd doch näher als der österreichische
oder schweizerdeutsche Rock.
63
Daß die deutsche Sprache nicht unbeeinflußt bleiben konnte von der Er
richtung zweier Staaten mit verschiedenen politischen und wirtschaft
lichen Systemen, mit unterschiedlichem Alltag und unterschiedlichen so
zialen Problemen, ist ja völlig selbstverständlich. Sprache muß unver
züglich reagieren, wenn sich die Welt der Menschen ändert, und sie tut
es, z.B. mittels Bedeutungsveränderung vorhandener Wörter oder mittels
Einführung neuer Wörter in den Wortschatz, die man entweder aus vor
handenen Wortelementen neu bildet oder einfach aus einer anderen Sprache
entlehnt. Beides ist in reichem Maße geschehen. Die deutsche Sprache hat
hunderte von Wörtern aus dem Englisch/Amerikanischen aufgenommen, vor
allem in der Bundesrepublik, aber auch in erheblichen Maße in der DDR,
und ebenfalls hunderte von Wörtern aus dem Russischen in den Sprach
gebrauch der DDR, obwohl sie dort nicht so leicht erkennbar sind (Sou
jet, Kolchose, Datsche, Subbotnik sind eher Ausnahmen), sondern meist
Lehnbildungen verschiedener Art, wie z.B. Held der Arbeit, Bestarbeiter,
Neuerer, Aktivist, vorfristig, einschätzen. Wir sind beiderseits nach
haltig sprachlich geprägt von der jeweils führenden Macht.
Zunächst ein Blick auf die Größenordnung, in denen sich unser Problem
abspielt: Die großen mehrbändigen Wörterbücher zur deutschen Sprache der
Gegenwart - es gibt drei davon1 - enthalten zwischen 1,8 und 3 %
ost-west- differente Wörter.
Vergleiche zwischen Zeitungstexten kommen allerdings zu Werten bis zu
10 %, Untersuchungen an literarischen Texten zu sehr viel niedrigeren,
unter 1,5 S, manchmal nahe Null.
Das "Kleine Wörterbuch des DDR-Wortschatzes" meiner Kollegen M. Kinne 2
und B. Strube-Edelmann hat an die 900 Stichwörter nur aus dem Sprach
gebrauch der DDR und könnte leicht auf 1100 gebracht werden. Nimmt man
die Wörter hinzu, die spezifisch sind für die Bundesrepublik {und zwar
nur die gängigen, die man auch in den Zeitungen findet), kommt man etwa
auf zweieinhalb bis dreitausend Wörter, die ein deutsch-deutsches ver
gleichendes Wörterbuch enthalten müßte. Im Vergleich zu den vielen
hunderttausend Wörtern, die der Wortschatz der deutschen Gegenwarts
sprache enthält, ist das immer noch sehr wenig.
64
Daß es nicht mehr sind, liegt u.a. daran, daß eben doch viele neue Wör
ter gemeinsam akzeptiert werden. Um nur ein Beispiel zu nennen: Der
Wortschatz der Ökologie: Umweltverschmutzung, Schadstoffemission, Ge
wässerbelastung u.v.a. ist in der DDR weitgehend der gleiche wie bei
uns. Das Wort Bürgerinitiative allerdings hat eine andere Bedeutung als
bei uns, z.B. etwa: die Partei entfaltet eine Initiative und die Bürger
machen mit. Und das Wort grün, als Bezeichnung für eine politische Rich
tung, kennt man aus dem Westen. Wie so vieles andere: es gibt eine West-
Ost-Wortwanderung - auch eine in der Gegenrichtung, aber sie ist schwä- 3
eher. Trotzdem kommt es ja nicht allein auf die relativ niedrige Zahl
an, sondern darauf, was das für Wörter sind. Und hier wird das Bild et
was bedenklicher. Denn es handelt sich zum großen Teil um Wörter, die
für die öffentliche Kommunikation zentral wichtig sind. Dabei möchte ich
die eigentlichen Ideologiewörter lieber ausklammern. Daß nämlich Wörter
wie Demokratie, Fortschritt, Humanismus, Freiheit, Selbstbestimmung,
aber auch Aggression, imperialistisch in Ost und West sehr unterschied
lich definiert werden, ist keineswegs ein speziell deutsches Problem.
Darüber streitet man sich nämlich in allen Sprachen und mit allen Spra
chen der Welt, z.B. in der UNO. Allerdings: In der DDR streitet man sich
nicht darüber: ihre Definitionen werden von oben bestimmt und sind dann
verbindlich.
Aber selbst wenn wir diese Wortgruppe beiseite lassen, bleibt noch ge
nügend Wichtiges: Staatliche und gesellschaftliche Institutionen sind
anders und heißen anders (Staatsrat, Ministerrat, Bezirke statt Länder),
man sagt territorial statt regional , in der Wirtschaft gibt es keine
Konzerne und Unternehmen, sondern Kombinate, volkseigene Betriebe und
LPGs ^Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften). Realschule,
Gymnasium, Gesamtschule sind keine gängigen Wörter, wohl aber polytech
nische Oberschule und EOS (=Erweiterte Oberschule).
Die sprachlichen Unterschiede betreffen keineswegs nur das System -
sagen wir: den staatlichen und gesellschaftlichen Überbau, - sie reichen
vielmehr tief in den Alltag, in Beruf, Freizeit, Familie hinein. Es gibt
die Jugendweihe, Neuererprämie und zahllose Kennziffern und Pläne, (im
Sinne von verbindlichen Vorschriften), es gibt in den Betrieben die BGL
65
(Betriebsgewerkschaften) die Kaderabteilung, die Konfliktkommission und
den sozialistischen Wettbewerb um einen Ehrentitel, wie Brigade der so
zialistischen Arbeit, wobei Brigade natürlich keine militärische Ein
heit meint. Statt Plastik sagt man Plaste, statt Zielsetzung häufiger
Zielstellung, und Funktionäre allenthalben orientieren auf, etwas oder
schätzen positiv ein.
Daneben und über allem gibt es Propaganda. Meist in einem für unsere
Ohren schwer erträglichen pathetischen Ton der Übertreibung, des Selbst
lobs. Es heißt unauflöslicher Bruderbund und brüderliche Kampfesgrüße,
ruhmreiche Sowjetarmee der Kurs, die Politik der Regierung sind immer
erfolgreich und die Wörter konkret, umfassend, allseitig kann man vor
unglaublich vielen Verben setzen, vor allem aber vor das Verb ent
wickeln. Und wenn irgendwo ein Produkt verbessert, ein Plan überboten
wird, dann ist das gleich ein Beitrag zum Sieg des Sozialismus und
Kampf für den Frieden.
Eine solche Sprache läßt sich nicht in den Alltag integrieren. Das ist
Jargon, und er wird auch in der DDR als solcher verstanden, kritisiert
und verulkt (z.B. von Kabaretts).
Aber man muß dringend davor warnen, alles, was uns in der DDR sprachlich
als fremd oder merkwürdig erscheint, gleich als Parteijargon zu denun
zieren. Es gibt natürlich Parteijargon und es gibt Propagandajargon.
Aber wie schon gesagt, es gibt auch im DDR-Alltag Wörter und Wendungen
und Bedeutungen von Wörtern, die es bei uns so nicht gibt. Und man muß
auch wissen, daß jeder DDR-Bürger je nach Stellung und Ambitionen in der
Öffentlichkeit sich bestimmter Formen dieses DDR-spezifisehen öffent
lichen Sprachgebrauchs bedienen muß, wenn er sich öffentlich äußern
wi 11.
Heißt das nun, die DDR-Bürger reden wirklich so, wie das Neue Deutsch
land schreibt und wie die Funktionäre auf den Versammlungen reden? Na
türlich nicht. Sie können es mehr oder weniger gut, wenn es notwendig
ist, aber untereinander, im privaten oder Freundeskreis, tun sie es ganz
und gar nicht. Im Gegenteil, mir scheint, sie entwickeln eine größere
66
Vorsicht, ein höheres Maß an Sensibilität gegenüber modischen öffent-4
liehen Wendungen, als dies bei uns der Fall ist. Eva Windmöller nannte
die Fähigkeit, zwischen dem privaten Sprachregister der zwischen
menschlichen Kommunikation und dem öffentlichen Sprachregister umzu
schalten, die "Kunst der doppelten Zunge". Manche beherrschen sie
virtuos! Für Journalisten und besonders für Schriftsteller, die ja davon
leben, daß sie das, was sie meinen, auch sagen können, bedeutet der5
Zwang zum öffentlichen Klischee eine manchmal unlösbare Aufgabe.
Welche Folgerungen lassen sich nun daraus ziehen?
Die eingetretenen sprachlichen Differenzen sind zwar manchmal störend,
aber nicht generell bedrohlich für die Verständigung; DDR-Texte, insbe
sondere solche in den öffentlichen Medien, können gelegentlich schon
recht exotisch wirken, sie sind aber deshalb noch nicht unverständlich -
obwohl es das auch gibt: DDR-Text, der uns schlicht unverständlich ist.
Es gibt also keinen Grund zur Panik, wohl aber zur Wachsamkeit: Es wäre
recht fahrlässig, wollte man die sprachliche Entwicklung nicht
sorgfältig im Auge behalten. Noch ist die deutsche Sprache in der Tat
eines der wichtigsten, der wirksamsten Elemente deutsch/deutscher Ge
meinsamkeiten. Man kann sich weiterhin mit ihr und in ihr trefflich
verständigen und auch streiten, beides gehört ja zu ihren Funktionen.
Aber sie bietet keine G a r a n t i e für Gemeinsamkeit. Wenn es
eine Gefahr für die Verständigung gibt, dann liegt sie nicht in der
Sprache selbst, vielmehr wäre sie sekundär davon betroffen. Eine Gefahr
liegt eher z.B. in der verbreiteten Unkenntnis oder in der Gleich
gültigkeit auf unserer Seite, die uns natürlich das Verstehen erschwert.
Sie liegt vielleicht auch in der Arroganz, die uns Westdeutsche sogar in
der DDR "deutsch" oder "Deutschland" sagen läßt, wo wir ausschließlich
die Bundesrepublik meinen, sie liegt vielleicht in der Neigung, unsere
Sprachgewohnheiten und Lebensgewohnheiten als normal, als Standard, zu
betrachten und die der DDR-Bevölkerung sozusagen als Abweichung. Wir
können nicht verhindern, daß hüben und drüben neue und unterschiedliche
Wörter entstehen. Aber was wir daraus machen, ist allein unsere Sache.
Ob diese Wortschatzentwicklung zu einer Wortschatz b e r e i c h e -
r u n g der gesamten deutschen Sprache wird - einfach deshalb, weil wir
67
uns füreinander interessieren - oder aber zu einer Verständigungs
barriere, weil wir das nicht tun, liegt allein in unserer Hand. Wir
können niemand anders dafür verantwortlich machen.
Anmerkungen:
1) Aus der DDR: Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache. Hrsg. vonder Akademie der Wissenschaften der DDR - Zentralinstitut für Sprachwissenschaft. Hauptbearbeiter Ruth Klappenbach und WolfgangSteinitz . Bd. 1 - 6 . Berlin Akademie-Verlag 1964-1977.
Aus der BRD: DUDEN Das große Wörterbuch der deutschen Sprache. Hrsg. von Günther Drosdowski. Bd. 1 - 6. Mannheim/Wien/Zürich Bibliographisches Institut AG. 1976-1981.
Brockhaus/Wahrig: Deutsches Wörterbuch in sechs Bänden. Hrsg. von G. Wahrig , H. Krämer, H. Zimmermann. Bd. 1 - 6. Wiesbaden und Stuttgart 1981-1985 (bisher 5 Bände erschienen).
2) Michael Kinne und Birgit Strube-Edelmann: Kleines Wörterbuch des DDR- Wortschatzes. Schwann Düsseldorf 1980, 2. Aufl. 1981.
3) In derselben ZDF-Sendung wurde mehrfach das Wort Exponat als DDR-Wort erwähnt. Es breitete sich in der BRD erst Ende der sechziger Jahre (statt = Ausstellungsstück) aus.
4) Eva Windmöller und Thomas Höpker: Leben in der DDR. Ein Stern-Buch. Hrsg. von Henry Nannen. Hamburg. 1977. Neuauflage Goldmann Sachbücher 11502. München 1980.
5) Ein Beispiel für ein solches Scheitern beschreibt Monika Maron in ihrem Roman "Flugasche". (S. Fischer Verlag. Frankfurt 1981). Dort versucht eine DDR-Journalistin vergeblich, ihre Eindrücke von einer kleinen Stadt, die unter dem Staub eines Großkraftwerks erstickt, in einer druckbaren, offiziell tolerablen Reportage zu schildern.
68
Michael Kinne
SPRACHLICHE FOLGEN DER TEILUNG DEUTSCHLANDS ERNEUT IN DER DISKUSSION
Anmerkungen zu einem linguistischen Kolloquium in Frankfurt/M.
Die sprachlichen Folgen der Teilung Deutschlands stehen seit der Grün
dung ier beiden in ihrem Gesellschaftssystem so unterschiedlichen Staa
ten immer wieder im Blickpunkt des öffentlichen Interesses. Auch die
Sprachwissenschaft hat sich kontinuierlich mit diesem Thema befaßt, in
der DDR ebenso wie in der Bundesrepublik. Wesentliche forschungsge
schichtliche Stationen hier im Westen waren 1962 eine Tagung in Auel bei
Bonn und acht Jahre danach ein Kolloquium in Mannheim. Diese Unternehmen
- beide initiiert von Prof. Hugo Moser, einem Nestor der sprachlichen
Ost-West-Forschungen - gaben einerseits einen guten Überblick über den
jeweiligen Forschungsstand, zum anderen waren sie Anreger und Wegweiser
für die nachfolgenden Arbeiten. Die Aueler Tagung von 1962 setzte sich
vor allem sprachkritisch mit bestimmten Erscheinungen des DDR-Sprachge-
brauchs auseinander. Ganz im politischen Trend der Jahre des kalten
Krieges liegend wurde dabei (methodisch zum Teil recht unreflektiert)
mit Hilfe der Sprachkritik vielfach und handfest Ideologiekritik betrie
ben. Methodenkritische und sprachtheoretische Gesichtspunkte traten da
nach notwendigerweise mehr und mehr ins Blickfeld der Forschung und
prägten weitgehend das 1970 vom Institut für deutsche Sprache in Mann
heim veranstaltete Kolloquium. In den 70er Jahren blieb das Mannheimer
Institut westdeutsches Zentrum der sprachlichen Ost-West-Forschung, der
es sich schon seit seiner Gründung im Jahre 1964 zugewandt hatte.
Nach mehr als 12-jähriger Pause trafen sich im Herbst 1983 erstmals wie
der rund ein Dutzend westdeutscher Sprachgermanisten, die mit dem Thema
in Forschung und Lehre mehr oder weniger kontinuierlich befaßt sind.
Initiatoren waren Prof. Dr. Horst Dieter Schlosser vom Institut für
deutsche Sprache und Literatur der Frankfurter Universität und Dr. Man
fred W. Hellmann, langjähriger Bearbeiter des sprachlichen Ost-West-
Themas im Mannheimer Institut. Der rege Meinungsaustausch mündete
69
seinerzeit in konkrete Planungen einer zentralen wissenschaftlichen
Fachtagung, die nun in diesem Frühjahr, vom 21. - 23. Februar 1985
stattgefunden hat. Gastgeber waren wiederum die Universität Frankfurt
und die beiden oben genannten Initiatoren des 83er Treffens. Der Einla
dung folgten ca. 30 Linguisten aus der Bundesrepublik (vorwiegend aus
dem Hochschulbereich), hinzu kamen Gäste aus Großbritannien und aus
Schweden. Vor allem die schwedische Sprachgermanistik hat sich des
sprachlichen Ost-West-Themas in den vergangenen 30 Jahren kontinuierlich
und intensiv angenommen.
★
Daß von einer Spaltung der deutschen Sprache in eine Sprache Ost und in
eine Sprache West nicht die Rede sein kann - darüber besteht bei west
deutschen Sprachgermanisten schon seit vielen Jahren weitgehend Konsens,
und es hätte keiner Tagung bedurft, um diese Erkenntnis erneut zu be
stätigen. Die vorhandenen Unterschiede im Wortschatz (neue Wörter oder
Wortbedeutungen auf beiden Seiten), so spürbar sie in manchen Sach- und
Sprachbereichen auch ausfallen, stellen im Blick aufs Ganze, auf den Ge
samtwortschatz, keine ernsthafte Gefährdung der Spracheinheit dar und
sind als Hindernisse der Verständigung überwindbar. Gravierend und auf
fallend sind vor allem die Unterschiede zwischen der öffentlichen Spra
che in West und Ost. Inwieweit ideologische Normen auch im sprachlichen
Bereich - im öffentlichen wie im privaten - ihren spürbaren Niederschlag
finden, war eine der wesentlichen Fragestellungen der Frankfurter Ta
gung, deren zentrales Thema "Sprachliche Normen und Normierungsfolgen in
der DDR" hieß.
Der Hauptakzent lag also, und das ist charakteristisch für die gesamte
bisherige Forschungsarbeit zum sprachlichen Ost-West-Thema in der Bun
desrepublik, auch in Frankfurt im wesentlichen auf dem Sprachgebrauch in
der DDR. Daß dennoch - und was hätte näher gelegen! - keine Linguisten
aus der DDR am Frankfurter Treffen teilnahmen, lag nicht daran, daß sie
nicht hätten kommen können bzw. dürfen, sondern daran, daß gar keine
Einladungen an sie ergangen waren. Die Veranstalter nannten zu Beginn
des Kolloquiums zwei Gründe dafür. Zum einen sollte die Tagung einer
70
westdeutschen Bestandsaufnahme der Forschung (immerhin ja der ersten
seit 1970) Vorbehalten bleiben. Schwerwiegend vor allem der zweite
Grund: seit etwa zwei Jahren ist in der thematisch einschlägig arbeiten
den Sprachgermanistik der DDR ein Prozeß in Gang gekommen, der deutlich
eine Abkehr von lange vertretenen und verteidigten Positionen erkennen
läßt, eine Abkehr von der These der sprachlichen Sonderentwicklung in
der DDR, von einer "sozialistischen Sprachvariante" der deutschen Spra
che und somit von verschiedenen deutschen Sprachen. Jüngste Arbeiten von
DDR-Linguisten sprechen jetzt von "der deutschen Sprache in der DDR" und
betonen, daß eine weitgehende Differenzierung und Verselbständigung der
deutschen Sprache in der DDR nicht feststellbar und auch nicht wün
schenswert ist, daß es angebracht ist, die deutsche Sprache in der DDR
"nicht weiter DDR-isolationistisch zu spezifizieren".' Da diese für die
weitere Entwicklung des Forschungsgebiets außerordentlich bedeutsamen
Diskussionen offensichtlich noch in Gang sind, wäre es - so die Ver
anstalter - wenig sinnvoll gewesen, die Frankfurter Tagung mit dieser
Problematik zu belasten. Begrüßt wurden die neuen Positionen der DDR-
Linguistik von den Tagungsteilnehmern rückhaltlos und uneingeschränkt,
zumal ein Gespräch mit DDR-Linguisten über den gemeinsamen Forschungs
gegenstand damit erstmals möglich und aussichtsreich erscheint, ein Ge
spräch, das nicht mehr vorzeitig in ideologisch-terminologischen Aus
einandersetzungen über eine Zwei Sprachentheorie steckenbleiben muß.
Die Erörterungen dieser neuen Auffassungen in der DDR-Linguistik zur
Einheit der deutschen Sprache bzw. zur Spezifik der deutschen Gegen
wartssprache wurden von den Teilnehmern in auffallend behutsamer und
sehr sachlicher Weise vorgenommen. Dies hier ausdrücklich hervorzuheben,
erscheint mir vor allem deshalb notwendig, weil in einem Bericht der Ta
geszeitung DIE WELT Uber das Frankfurter Kolloquium der Eindruck erweckt
wird, als sei dort ein lautstarker Sieg der "gesamtdeutschen Sache" ge
feiert und DDR-Linguisten der Status von "grimmigen" und "mutigen" Re-2
gimegegnern oder auch Dissidenten zugesprochen worden. Es stellt sich
die Frage, wem eine derart verzerrte Darstellung nützt: den Kollegen in
der DDR zumindest ebensowenig wie einem nun in greifbare Nähe gerückten
Dialog.
71
Zwölf wissenschaftliche Vorträge wurden während des Frankfurter Kollo-3
quiums gehalten. Am Anfang standen zwei grundlegende Referate zur Ent
wicklung der Sprachnormdebatte in der DDR, die Einblicke in eine
erstaunlich kontinuierliche und intensive Begriffsdiskussion in der DDR
gaben, eine Diskussion, zu der es in der Bundesrepublik kaum Ver
gleichbares gibt. Verwiesen wurde auf starke Wandlungen bei der Bewer
tung der Mundarten, auf Änderungen der Einschätzung der Umgangssprache
und auf den stets hohen Stellenwert, der der Standardsprache und ihrer
Pflege zugemessen wird. Das Themenspektrum der folgenden Referate reich
te von den Normen der Namensgebung über Kinder- und Jugendsprache bis
zum Sprachgebrauch in der Berichterstattung in den Massenmedien Presse
und Fernsehen. Praxisorientierte Textanalysen standen neben empirischen
Beobachtungen anhand der gesprochenen Sprache, die damit seit Jahr
zehnten erstmals wieder Gegenstand westdeutscher Untersuchungen geworden
ist. Methodenkritische und mehr theorieorientierte Ansätze, wie sie auf
der Mannheimer Tagung 1970 - damals zu einseitig - dominierten, waren
jetzt in Frankfurt auffallend wenig gefragt. Als charakteristisch erwie
sen sich unbefangene praktische Analysen mit gelegentlich recht schmaler
theoretischer Vorbesinnung. DDR und Bundesrepublik im Kontrast behan
delten leider nur zwei Beiträge: in dem einen ging es um den Leipziger
und um den Mannheimer Duden als Normierungsinstrumente, im anderen um
den Vergleich von Worthäufigkeiten als Indikatoren für Stil und Ein
stellungsunterschiede in Zeitungstexten der DDR und der Bundesrepublik.
Artikuliert wurden schließlich in zwei Beiträgen die Bedürfnisse der
Schule und der Auslandsgermanistik nach angemessener und sachgerechter
Information über die deutsch-deutsche Sprachsituation durch die Sprach-
germanistik.
Bei den Referaten und den anschließenden Diskussionen blieben die Wis
senschaftler unter sich. Der interessierte Bürger war zu einer Podiums
diskussion in der Frankfurter Universität eingeladen, die zum Thema
"Sprachliche Normen in der DDR und in der Bundesrepublik - Brücke oder
Schranke der Verständigung?" Gesprächspartner vorwiegend mit intensiven
(gegenwärtigen oder früheren) DDR-Erfahrungen zusammenführte.4 Das
heißt: Gesprächspartner waren sie eigentlich nicht. Vielmehr trat an die
72
Stelle des erwarteten lebhaften Gedankenaustausches eine Aneinander
reihung gewiß sehr aufschlußreicher und interessanter, aber insgesamt
viel zu langer Statement-Monologe, die den Zuhörern ein Höchstmaß an5
Konzentration abverlangten. Einig waren sich die Damen und Herren auf
dem Podium darin, daß man sich heute hier wie drüben problemlos in
Deutsch verstehen kann, daß die Probleme oder auch Schwierigkeiten in
der Verständigung offenbar weniger an der sprachlichen Oberfläche liegen
und nicht nur an einzelnen Wörtern festzumachen sind. Verständigungs
schwierigkeiten, so wurde konstatiert, resultierten vor allem aus unter
schiedlichen Verhaltensweisen, aus dem unterschiedlichen kommunikativen
Gestus sowie aus den jahrelangen differierenden Alltagserfahrungen der
Dialogpartner. Die Berichte der Podiumsteilnehmer waren über weite
Strecken geprägt durch aufschlußreiche Details im Hinblick auf solche
Alltagserfahrungen, die, wie sich zeigte, bei linguistischen Unter
suchungen in Zukunft stärker berücksichtigt werden müßten.
Kritisch hinweisen möchte ich auf eine Beobachtung, die sich sowohl wäh
rend der wissenschaftlichen Diskussion wie in den Podiumsberichten mehr
fach anstellen ließ, eine Beobachtung, die sich im übrigen in
Diskussionen über das sprachliche Ost-West-Thema generell machen läßt.
Der empirisch fundierte Verweis auf sprachliche Fakten und Spezifika im
Bereich der DDR wird bisweilen vorschnell mit dem Hinweis konterkariert
und disqualifiziert, daß es das diskutierte Phänomen in der Bundes
republik so oder zumindest ähnlich auch gäbe, daß die sprachlichen oder
auch außersprachlichen Gegebenheiten hier im Westen im Grunde dieselben
seien. Dabei werden jedoch in der Regel Phänomene miteinander verglichen
und auf ein und dieselbe Stufe gestellt, die tatsächlich von großer
struktureller Unterschiedlichkeit und somit unvergleichbar sind. Die Un
terschiede hier aufzuhellen und ihre Spezifik exakt zu beschreiben, das
gerade erscheint mir als wissenschaftliche Aufgabe. Besonders wichtig in
diesem Zusammenhang ist es, bestimmte relevante Bereiche des Sprachge
brauchs hier in der Bundesrepublik (z.B. Formen der Sprachregelung, der
Manipulation, des politischen Sprachgebrauchs generell) intensiver als
bisher linguistisch aufzuarbeiten. Es dürfte sich dann sehr schnell der
empirisch-faktische Nachweis darüber führen lassen, daß das, was immer
wieder als gleichartig hingestellt wird, kaum Gemeinsamkeiten aufweist.
73
★
Die Linguisten trennten sich in Frankfurt mit dem Wunsch nach intensi
verer Zusammenarbeit und kontinuierlichen Kontakten und in der Hoffnung,
daß es nicht wiederum länger als 10 Jahre dauert, bis man zu umfassenden
wissenschaftlichen Diskussionen zusammenkommt. Zwischen den größeren Ta
gungen sollen Arbeitstreffen im kleineren Kreis mit jeweils engerer The
matik stattfinden.
Das Thema der Sprachentwicklung in beiden deutschen Staaten bleibt also
auch weiterhin auf der Tagesordnung der bundesdeutschen Sprachgerma-
nistik. Hatte doch Minister Windelen vor Jahresfrist darauf gedrängt,
diesem Thema, das, wie er sagte, bei der wissenschaftlichen Erforschung
in der Bundesrepublik in den letzten Jahren zu kurz gekommen sei, wieder
stärkere Beachtung zu widmen. Er verwies damals darauf, daß es im Rahmen
der Deutschlandpolitik notwendig sei, die sprachliche Entwicklung sorg
fältig im Auge zu behalten, um kein Defizit an wissenschaftlicher Poli
tikberatung entstehen zu lassen.6
Nachdem in den 60er und 70er Jahren wesentliche Impulse bei der Erfor
schung des sprachlichen Ost-West-Themas vom Institut für deutsche Spra
che ausgegangen waren, scheint nun Frankfurt und die universitäre
Sprachgermanistik zum Zentrum der weiteren Arbeit zu werden.
Anmerkungen
1) Vgl. hierzu: Zeitschrift für Phonetik Sprachwissenschaft und Kommunikationsforschung 1984, H. 4, S. 415 ff.
2) Ausgabe vom 2.3.1985, S. 31. Titel: "Linguistisches Kolloquium in Frankfurt: Es gibt nur eine deutsche Sprache. Die Ohnmacht des Unwahren" .
3) Die Beiträge und Ausschnitte aus den Diskussionen werden in einem Sonderheft der Zeitschrift "Germanistische Linguistik" veröffentlicht.
74
4) Dr. Manfred Ackermann (Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in der DDR, Berlin/O.), Irene Böhme (Dramaturgin, Schiller-Theater Berlin/W.), Marlies Menge (DIE ZEIT, akkredigiert in Berlin/O.), Dr. Hans-Joachim Schädlich (Schriftsteller, Berlin/W.), Prof. Dr. H.D. Schlosser (Universität Frankfurt/M.); Diskussionsleitung: Prof. em Dr. Gustav Korlen (Stockholm).
5) Ausschnitte aus der öffentlichen Veranstaltung wurden inzwischen vom Deutschlandfunk und vom Hessischen Rundfunk gesendet.
6) Vgl.: Pressemitteilung des Bundesministeriums für innerdeutsche Beziehungen Nr. 22/84, S. 5.
75
Manfred W. Hellmann
BEMERKUNGEN ZUR ENTWICKLUNG UND ZUR GEGENWÄRTIGEN LAGE DES ARBEITSGE
BIETES "OST-WEST-SPRACHDIFFERENZIERUNG“
Die folgenden Bemerkungen wurden als Einleitung auf dem Frankfurter Gesprächstreffen vom 23. - 24. September 1983 vorgetragen, zu dem 14 Fachleute, zumeist Hochschullehrer aus der Bundesrepublik, auf Einladung Horst Dieter Schlossers (Universität Frankfurt) und des Verfassers zusammengekommen waren. Das Gesprächstreffen diente u.a. der Vorbereitung des Frankfurter Kolloquiums "Sprachliche Normen und Normierungsfolgen in der DDR", das vom 23. - 25. Februar 1985 stattfand (vgl. dazu den Bericht von M. Kinne in diesem Heft).
Die Bemerkungen werden inhaltlich auf dem Stand von September 1983 und sprachlich in ihrer ursprünglichen Form als knappe, thesenartige statements belassen; nur die Anmerkungen wurden ergänzt.
VORBEMERKUNG:
Ich benutze zur zeitlichen Strukturierung meiner Bemerkungen folgende
Orientierungspunkte:
A Die Tagung in Auel von 1962 und den Sammelband "Das Aueler Protokoll"1
von 1964
B Das Mannheimer Symposion von 1970 und den Sammelband "Zum öffentlichen 2
Sprachgebrauch ..." von 1974
C Dieses Gesprächstreffen (1983)
Für den ersten Zeitraum A/B gibt es genügend Überblicke über die For-3
schungsentwicklung; ich verweise auch auf den Aufsatz von Pelster 1974,
der die Ergebnisse der Aueler und der Mannheimer Tagung verglichen hat.
Ich konzentriere mich daher im wesentlichen auf den zweiten Zeitraum.
Es ist eine erwiesene und mehrfach diskutierte Tatsache, daß die Be
schäftigung mit unserem Arbeitsthema von außerfachlichen Bedingungen u.
76
a. auch politischer Art beeinflußt worden ist und wohl auch immer beein
flußt werden wird. Innerhalb dieser Rahmenbedingungen sind vor allem die
interessant, die sich seit 1970 besonders stark gewandelt haben. Ich be
schränke mich dabei auf
1. das politische Umfeld
2. das mediale Umfeld
3. das schulische Umfeld.
I. ALLGEMEINE RAHMENBEDINGUNGEN
1. Politisches Umfeld
Ich erinnere:
1970 hatten die Verhandlungen zwischen den Regierungen der beiden deut
schen Staaten gerade erst begonnen (Erfurt und Kassel). Die DDR schoß
propagandistisches Sperrfeuer gegen die Fortschritte in der Ost-Politik
der Bundesregierung. Zur Zeit des Mannheimer Symposions im Dezember 1971
hatte die DDR gerade wieder die Zugangswege nach West-Berlin behindert.
1971 wurde das Viermächteabkommen über Berlin geschlossen, 1972 die Ver
kehrsverträge mit der DDR, 1973 der Grundlagenvertrag; beide deutschen
Staaten traten der UNO bei.
In der Folge kam es dann zu einer Serie weiterer Einzel Vereinbarungen,
so z.B. über den Telefonverkehr (1976), der eine wesentliche Ver
besserung der Telefonverbindungen brachte. Der Reiseverkehr vervielfach
te sich; weit mehr Bundesbürger als je vorher lernten und lernen die DDR
aus eigener Anschauung kennen. Zunehmend reisen auch Schulklassen in die
DDR. Sprachliche Erfahrungen bei einem solchen Besuch schildert z.B.4
Pelster in seinem Aufsatz in der "Muttersprache" .
Es gibt Zusammenarbeit auf Teilgebieten (z.B. Grenz- und Umweltfragen),
es gibt Gefangenenfrei kauf ("besondere Bemühungen" (West), "humanitäre
77
Maßnahmen" (Ost)),
es gibt den "Swing" und überraschende Kredite
und manchmal auch überraschende Ausreisegenehmigungen;
es gibt eine neue Bundesregierung, die jedoch im wesentlichen die
Deutschlandpolitik ihrer Vorgängerin fortsetzt und insbesondere die
menschlichen individuellen Kontakte zwischen Ost und West weiterhin för
dern will, in der Erwartung, daß mehr Verständigung und mehr Kommuni
kation auch die Einheit der Deutschen bewahren und fördern könne.
Es gibt andererseits:
die Politik der Abgrenzung in der DDR,
seit 1974 die neue Verfassung der DDR als "sozialistischer Staat der Ar
beiter und Bauern" (statt: "sozialistischer Staat deutscher Nation"),
die Selbstdefinition der DDR als "sozialistische Nation (deutscher Na
tionalität)" und - dazu passend - die These der "vier nationalsprach- 5
liehen Varianten" ,
es gibt eine scharfe Abgrenzung insbesondere im ideologischen und kul
turellen Bereich (z.B. Ausbürgerung Biermanns und Kampf gegen dessen
Sympathisanten; Ausweisung von Anhängern der Jenaer Friedensbewegung),
die Propagierung einer sozialistischen "Sprachkultur"6 - ein Begriff,
dessen Ambivalenz noch nicht erkennen läßt, ob hier mehr Erbe-Bewahrung
im Vordergrund steht, oder vielmehr die Herausbildung DDR-spezifischer
Normen des Sprachgebrauchs;
es gibt zwar neuerdings Kulturverhandlungen, jedoch immer noch kein Kul
turabkommen, also auch keine Zusammenarbeit auf sprachwissenschaftlichem
Gebiet (mit der einen Ausnahme: Rechtschreibreform7).
Zusammenfassend:
Trotz fortgesetzter Abgrenzung der DDR gegenüber Einflüssen der Bundes
republik, insbesondere gegenüber allem, was die Selbständigkeit der DDR
schwächen könnte, haben sich die Rahmenbedingungen für Kontakte zumin
dest für die Bürger der Bundesrepublik seit 1970 erheblich verbessert,
d.h. qualitativ differenziert und quantitativ vermehrt.
78
2. Mediales Umfeld
Seit Anfang der 70er Jahre nimmt das Informationsangebot über die DDR in
den Medien der Bundesrepublik laufend zu. Zumindest die Medienverant
wortlichen setzen offenbar auch ein zunehmendes Informationsinteresse
voraus, und zwar mit Erfolg.
Nach der Akkreditierung westlicher Korrespondenten in der DDR erschienen
und erscheinen in allen großen Publikumszeitschriften der Bundesrepublik
sowie im Fernsehen zum Teil ausführliche Serien über die DDR ("Stern",
"Spiegel", "Zeit"; sogar "Brigitte"). Anlaß für größere Darstellungen
waren z.B. die Dreißigjahrfeiern der beiden deutschen Staaten 1979. Hin
zu kommen die regelmäßigen Serien im Fernsehen ("Kennzeichen D", "ZDF-
Magazin", "Kontraste" u.a.). Verbreitet vor allem an Schulen ist auch
der DDR-Kalender des Gesamtdeutschen Instituts. In einer Reihe verbrei
teter Taschenbücher werden System und Alltag der DDR westdeutschen Le-Q
sern begreiflich gemacht:
H. Bussiek: Notizen aus der DDR (1979)
Windmül 1er/Höpker: Leben in der DDR (Stern-Buch, 1980)
T.G. Ash: Und willst Du nicht mein Bruder sein ... Die DDR heute (Spiegel Buch, 1981)
Irene Böhme: Die da drüben - Sieben Kapitel DDR (1983)
"DDR konkret" (Beiträge exilierter DDR-Schriftsteller aus der Pro-Bier- mann-Gruppe, 1981)
Gesamtdeutsche Ereignisse von weitester Resonanz waren auch die Auf
tritte Wolf Biermanns im Fernsehen, seine Bücher und Schallplatten und
die Diskussion um seine folgende Ausweisung; kennzeichnend für das stark
gewachsene Interesse sind auch die Literaturvorlesungen bekannter DDR-
Autoren an der Universität Frankfurt.
Sogar die Unterhaltungsbranche profitiert von diesem Publikumsinteresse:
Wer hätte vor 10 Jahren Udo Lindenbergs "Sonderzug nach Pankow" oder
Reinhard Mey's "Ich möcht so gern in Dresden singen" für möglich gehal
ten?
79
Zusammenfassend:
Das Interesse und die Beschäftigung mit der DDR sind gestiegen und haben
sich verbreitert. Ich bewerte dies gewachsene Publikumsinteresse und Me
dienangebot nicht als ein Argument gegen die Beschäftigung mit unserem
Thema. Verstärktes Interesse und verbesserte Sachkenntnis beim Bürger
machen die sprachliche Arbeit des Linguisten nicht überflüssig, sondern
stützen sie.
3. Schulisches Umfeld
In den Schulen wurde der Bedarf an Informationen und Unterstützung bei
der Behandlung von Ost-West-Themen verstärkt durch den Beschluß der Kul
tusministerkonferenz über die Behandlung des Themas "Deutschland" im
Unterricht. Abgesehen von den sprachlichen Anforderungen aus dem Fach
Deutsch (wo das Ost-West-Thema zum Teil schon verankert war), erwachsen
nun neue Anforderungen auch aus den Fächern Geschichte und Gemein-g
schaftskunde. Das Angebot an Unterrichtsmaterial verbreitert sich, aber
das sprachliche Thema ist - mit Ausnahme des Heftes "Texte Ost - Texte
West" von M. Kinne ^ - entweder auf einem überholten Stand stehenge
blieben oder weitgehend ausgeklammert geblieben.
Vermutliche Ursache:
Der Rückgang der Zahl derjenigen, die sich regelmäßig in Forschung und
(Hochschul-)Lehre mit dem sprachlichen Ost-West-Thema befassen, führt zu
Schwierigkeiten, die im Schulbereich entstandene Lücke zu schließen. Da
die Lehrerstudenten in aller Regel mit dem Ost-West-Thema im Laufe ihres
Studiums nicht in Berührung kommen (vgl. nächsten Punkt), sind aus die
ser Gruppe kaum eigenständige Beiträge zum Thema zu erwarten. Die gerin
ge Zahl einschlägig versierter Lehrer macht es zudem nicht sehr wahr
scheinlich, daß für die Schule geeignetes Material aus diesen Kreisen
selbst entwickelt und bereitgestellt wird. Fachliches Interesse an die
sem Thema ist jedoch offensichtlich vorhanden.
80
II. FACHLICHES
1. Forschung und Lehre
a) Universität/Lehre: Soweit sich dies aus den zum Teil sehr allgemein
gehaltenen Titelangaben der Lehrveranstaltungen erkennen läßt, haben
in den vergangenen zwei Jahren etwa 12-15 Hochschulgermanisten und
-linguisten das Ost-West-Thema zum Inhalt von Lehrveranstaltungen ge
macht.11 In den 3 Jahren vorher waren es drei bis vier.
b) Sekundärliteratur: Schaeders Literaturübersicht in der "Mutterspra-12che" 1981 zeigt es exemplarisch: Die DDR-Linguistik hat im Zeitraum
1973 bis 1982 rund dreimal so viel Titel produziert wie die BRD-Lin-
guistik. Zentrum der linguistischen Arbeit ist das Zentralinstitut
für Sprachwissenschaft in Ost-Berlin, Nebenzentren haben sich gebil
det um W. Fleischer (Leipzig) und W. Schmidt (Potsdam) (inzwischen
verstorben).
Auffällig: In der BRD gibt es nur wenige kritische Auseinander
setzungen mit den einschlägigen Veröffentlichungen in der DDR, auch
nicht mit den wichtigen Bänden der Reihe "Sprache und Gesellschaft".
c) Hochschulfreie Forschung: Die Institutionen der etablierten DDR-For-
schung in der Bundesrepublik bearbeiten das sprachliche Thema 13nicht. Die einzige Institution, die dies tut, ist das IdS. Seine
Bonner Forschungsstelle hatte in den Jahren 1976-80 eine annehmbare
Kapazität erreicht, die auch lexikographische Textauswertung ("Ma
schinelles Korpuswörterbuch") und Kinnes "Kleines Wörterbuch" ermög- 14lichte, jedoch wurde sie 1980 aufgelöst. Von ihren Aktivitäten wer
den einige in begrenztem Rahmen in Mannheim weitergeführt.
Insgesamt:
Seit 1981/82 ist an den Hochschulen der BRD vielleicht eine gewisse Be
lebung in der Beschäftigung mit unserem Thema spürbar; dadurch wurde
dieses Treffen erst möglich und sinnvoll. Eine verdienstvolle Rolle
81
spielt dabei die Zeitschrift "Muttersprache", die einen großen Teil der
einschlägigen Aufsätze 1981-83 veröffentlicht hat.16
Dazu die Frage:
Wie ist die Gegenläufigkeit zu erklären: Mehr deutsch/deutsche Bezie
hungen, mehr Informationen und Informationsinteresse über DDR-Themen in
der Öffentlichkeit, weiterhin starkes Interesse auch von Seiten der (Hö
heren) Schule, - aber Nachlassen der Forschungs- und Lehranstrengungen
in der BRD.
2. Personeller Wandel
Von dem auf dem Mannheimer Symposion 1970 vertretenen Wissenschaftlern
sind aus dem Kreis der aktiven Forscher bzw. Hochschullehrer ausgeschie
den: W. Betz (gestorben 1981), H. Moser, G. Korlen (beide emeritiert),
H. Ischreyt. Die Teilnehmer am Mannheimer Symposion 1970 Bartholmes,
Marx-Nordin, Reich, Römer, Stolt haben sich von dem Thema zurückgezogen.
Von den damaligen Teilnehmern sind weiterhin mit dem Thema befaßt:
Dieckmann, Pelster, Hellmann, Kinne und Schmidt (die beiden letzteren
mit Einschränkungen16); ferner C.H. Good, der allerdings 1970 in Mann
heim nicht dabei war.
Neu hinzugekommen sind die meisten der hier Versammelten und einige wei
tere, die entweder verhindert waren oder die wir nicht mehr einladen
konnten; außerdem sicher einige, die wir übersehen haben, weil uns ihre
Beschäftigung mit dem Thema nicht bekannt geworden ist.
Kontinuierlich dabei schon seit der Aueler Tagung 1962 sind, soweit ich
sehe, nur drei der jetzigen Teilnehmer.17
Offensichtlich war die personelle Kontinuität von Auel bis Mannheim weit
stärker als die von Mannheim bis Frankfurt.
Auch dazu wieder die Frage: Hat der Rückgang in Forschung und Lehre et
was mit diesem personellen Wandel zu tun? Sind wir .zuwenige? Oder nicht
mehr interessiert genug?
82
3. Thematischer Wandel
Anfang der 60er Jahre dominierten folgende Themen:
Duden-Vergleiche, Partei spräche der DDR, Veränderung in ideologischen
Wortinhalten, Stilelemente als Indiz für Außersprachliches, einige Sach-
gebietsuntersuchungen.
19Anfang der 70er Jahre (nach Dieckmanns kritischen Arbeiten ) dominier
ten material reiche Untersuchungen zur offiziellen DDR-Sprache, zu An
glizismen, Begriffs- und wortmonographische Arbeiten (H. Bartholmes
1970, B. Marzahn 1979), Glossare zum Sprachgebrauch der "Linken", Sach
gebietsuntersuchungen (z.B. H. Lehmann 1972).
Anfang der 80er Jahre dominieren folgende Themen: Wörterbuchanalysen zum20
WDG und zum Großen Duden-Wörterbuch (z.B. Braun, Hermanns ), Unter-21suchungen zum Problem der "nationalsprachlichen Varianten", zu poli-
22tischen Wörtern und ihrer Kritik (hier meist bezogen auf die BRD ),23
textgestutzte Lexikographie (IdS), einige Einzelthemen (z.B. Oschlies
"Jugendsprache",24, G.D. Schmidt "Paläologismen"2^).
4. Erreichtes, auf das man sich heute stützen kann
Anfang der 80er Jahre können wir uns auf einige wichtige Vorgaben stüt
zen, die es Anfang der 70er Jahre noch nicht gab:
OCa) Zur Lexikographie (in Auswahl)
Fertig sind:
das Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache (WDG) in 6 Bänden
(seit 1977)
das Große Duden-Wörternuch in 6 Bänden (seit 1983)
das "kleine Wörterbuch des DDR-Wortschatzes" von Kinne und Strube/
Edelmann (1980/81)
die 1. und 2. Auflage des "DDR-Handbuchs" (1979) (3. Auflage 1985)
einige Bände der "Geschichtlichen Grundbegriffe" (1972 ff)
das komplette Werk "Sowjetsystem und demokratische Gesellschaft"
(seit 1972)
83
das Kulturpolitische Wörterbuch (1983).
b) Texte für maschinell gestützte lexikologische Untersuchungen:
Es liegen heute folgende Textkorpora zur Auswertung vor:
das Bonner Zeitungskorpus Teil 1 aus ost- und westdeutschen Zeitungs
texten - WELT und ND bis Jg. 1974 -(1. Version seit 1979, revidierte27Version ab 1985 auf Mikrofiches so- wie auf Magnetband )
das Bonner Zeitungskorpus Teil 2 (Regionalzeitungen Jg. 1964 und
1974) unkorrigiert auf Magnetband
das LIMAS-Korpus (Querschnittskorpus von 1966/67 aus diversen Texten28
der BRD) auf Mikrofiches und Magnetband
das Lunder-Korpus (Süddeutsche Zeitung) von 1967/68 tei1 korrigiert 29auf Magnetband
das Mannheimer-Korpus des IdS (mit wenigen Texten aus der DDR) On-30
line auf Bildschirm und Magnetband.
c) Auswertungshilfen
cl Maschinelle Auswertung: Für die vom IdS verwalteten Texte:
Mannheimer Korpus 1 und 2
Freiburger Korpus gesprochener Sprache
Bonner Zeitungskorpus
LIMAS Korpus
31hat das IdS verbesserte Auswertungsprogramme entwickelt. Sie sind
auch für externe Interessenten verfügbar. Ergebnisse maschineller
Auswertungen bleiben aber oft, wie wir auch aus Bonner Erfahrungen
wissen, auf der Ebene von Zulassungsarbeiten oder Ma- gisterarbeiten
stecken.
c2 Auswertung über Mikrofiches: Zum Bonner Zeitungskorpus und zum LIMAS-
Korpus sind außer den Texten selbst auch Basisregister (Indices, Häu
figkeitsregister, KWIC-Konkordanzen) zur manuellen Auswertung auf Mi-32krofiches verfügbar bzw. in Vorbereitung.
84
d) Literaturdokumentation:
Das in der früheren Bonner Forschungsstelle des IdS aufgebaute Archiv
für öffentlichen Sprachgebrauch, auf dem auch die "Kommentierte Bib-33liographie zum öffentlichen Sprachgebrauch" beruht, dokumentiert
insbesondere die Sekundärliteratur (Zeitschriften, Sammelbandbeiträ
ge) zum sprachlichen Ost-West-Problem. Es wurde nach 1980 im Mann
heimer IdS bis zu einem gewissen Grade fortgeführt und soll 1984 wie-34der auf einen aktuellen Stand gebracht werden. Erwogen wird z.Z.
die Übertragung neuerer Titel zum Thema auf Datenträger. Dieses
Archiv steht auch externen Interessenten wie bisher zur Verfügung.
e) Forschungsdokumentation:
Das Bonner Gesamtdeutsche Institut stellt seit 1980 in eigenen Doku
mentationen Informationen über Themen, Personen und Institutionen der
DDR- und vergleichenden Deutschlandforschung aus Forschung und Lehre 35bereit. Auch die IdS-Dokumentationen Sprachwissenschaftliche Lehr
veranstaltungen (seit 1981) und Sprachwissenschaftliche Forschungs
vorhaben (seit 1981/82) führen die Veranstaltungen zu unserem Themaoc
(soweit als solche erkennbar) auf.
f) Interdisziplinäre Ausweitung:
Als plus ist auch zu verbuchen, daß die Sozial- bzw. Politikwis
senschaft in mindestens zwei markanten Fällen sprachliche Gesichts-37punkte miteinbezogen' hat, und zwar nicht nur marginal: vgl. P. C.
Ludz, Mechanismen der Herrschaftssicherung (1980), und 0. Gudorf,
Sprache als Politik (1981).
Zusammenfassung:
Was die Aufbereitung und Bereitstellung von sprachlichen Daten und
außersprachlichen Fakten, sowie die fachspezifische Dokumentation be
trifft, hat sich die Forschungslage gegenüber 1970/73 entschieden ver
bessert. Frage dazu: Nutzen wir die gegebenen Möglichkeiten?
85
5. Lücken
Es erscheint mir offenkundig, daß die derzeitige Beschäftigung mit dem
sprachlichen Ost-West-Problem nur einen kleinen Teil der möglichen und
wünschbaren Themen abdeckt, die derzeit bearbeitbar sind. Ich liste im
folgenden einige solcher Themen auf, deren Nichtbearbeitung mir am mei
sten auffällt, wobei persönliche Präferenzen natürlich nicht im Spiel
sind.
- Syntaxuntersuchungen an nicht literarischen Texten, z.B. ,Zeitungstex ten (vielleicht unter Benutzung der von Folsom und Rencher benutzten Untersuchungskategorien
- vergleichende Stil-Untersuchungen, auch frequenziell gestützt, zu bestimmten Textsorten
- vergleichende Sachgebietsiintersuchungen (H. Lehmanns Untersuchungen zum Wirtschaftsvokabular sind schon 10 Jahre alt, weitere gründliche Sachgebietsuntersuchungen gibt es nicht). Erwünscht wären vor allen Dingen alltagsnahe Sachgebiete wie z.B. Betrieb/Beruf/Arbeit; Wohnen/ Familie/Einkaufen/Freizeit und eine Reihe anderer. (Dagegen liegen gerade zum relativ unergiebigen Sachgebiet Sport mehrere Untersuchungen vor.)
40- Diachronische Untersuchungen: Wortschatzentwicklung allgemein, Gewinn- und Verlustraten im Gesamtvokabular oder in Teilvokabularien Neologismen, ModewörterPropagandavokabularOnomasiologie bestimmter Sachbereiche/Sachverhalte/Wortfelder (z.B. zu den Staatsbezeichnungen für Deutschland und die beiden deutschen Staaten seit 1945)
- Untersuchungen von Wortverbindungen und Wortumgebungen (auch maschinell gestutzt)
- Untersuchungen zum nicht-öffentlichen Sprachgebrauch (Umgangssprache, Jargon etc.)
- Verständlichkeitsuntersuchungen, z.B.: Fremdheitsgrad von Texten in Abhängigkeit von verwendetem Wortschatz und Wortgebrauch
Der Mangel an Untersuchungen zur Verständlichkeit von Texten und Verständigung zwischen Kommunikationspartnern aus Ost und West ist insofern besonders auffällig, als die Deutschlandpolitik sowohl der früheren wie auch der jetzigen Regierung davon ausgeht, daß massenhafte Kommunikation entscheidende Basis für die Einheit der Deutschen sei. Niemand aber macht die Frage, ob und welche Schwierigkeiten bei der (ein- oder mehrdirektionalen) Kommunikation zwischen Ost und West auf- treten und inwieweit diese sprachlich bedingt sind, zum Gegenstand eines Forschungsprojekts.
86
Zusammenfassend:
Es besteht nach wie vor ein empfindlicher Mangel an soliden empirischen
Wortschatz- und Sprachgebrauchsuntersuchungen, insbesondere solchen zur
Entwicklung in der Nachkriegszeit.
6. Schlußbemerkung
Angesichts der seit 1980 drastisch reduzierten Forschungskapazität in41der institutionalisierten Sprachforschung der Bundesrepublik ist bis
auf weiteres von dieser Seite jedenfalls quantitativ kein wesentlicher
Beitrag mehr zu erwarten. Insofern die geschilderte Situation als än
derungsbedürftig betrachtet wird, kann eine solche Änderung nur - oder
doch ganz überwiegend - von den Germanisten/Linguisten an den Hoch
schulen herbeigeführt werden. Sie haben die Möglichkeit, die Themen
ihrer Lehre und Forschung weitgehend selbst zu bestimmen, sie haben auch
den wissenschaftlichen Nachwuchs. Die Bereitschaft zur Förderung ein
schlägiger begrenzter Projekte ist, nach den öffentlichen Erklärungen
staatlicher Stellen zu urteilen, durchaus vorhanden.
Anmerkungen
1) Moser, Hugo: Das Aueler Protokoll. Deutsche Sprache im Spannungsfeld zwischen West und Ost (= Sprache im geteilten Deutschland, Bd. 1) . Düsseldorf 1964.
2) Hellmann, Manfred W. (Hg.): Zum öffentlichen Sprachgebrauch in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR - Methoden und Probleme seiner Erforschung. Aus den Referaten einer Tagung zusammengestellt von Manfred W. Hellmann (= Reihe Sprache der Gegenwart Bd. 18). Düsseldorf 1973.
87
3) Pelster, Theodor: Überlegungen zur deutschen Sprachentwicklung. In: deutsche Studien 12, H. 48, 1974, S. 377-381.
4) Pelster, Theodor: Deutsch im geteilten Deutschland. 'Kommunikationsmittel', 'Muttersprache' oder Summe 'nationalsprachlicher Varianten'? In: Muttersprache, Jg. 91, H. 3/4, 1981, S. 121-144.
5) In der BRD bekanntgeworden ist diese These durch den Beitrag von Lerchner, Gotthard: Nationalsprachliche Varianten. In: Forum, H. 6, 1976, S. 10-11.
6) Vgl. zum Begriff "Sprachkultur" die von Walter Schmich zusammengestellte Bibliographie in "Aspekte der Sprachkultur", Mitteilungen des Instituts für deutsche Sprache H. 10, Mannheim (Eigenverlag) 1984, S. 122-136.
7) Zur Neuregelung der Rechtschreibung vgl. Mentrup, Wolfgang: Dasorthographie-problem als begründung einer neuregelung. In: Spectrum der Wissenschaft H. 2 (Februar) 1975, S, 28-29. Demnächst derselbe:Zur Viel-Schichtigkeit der Diskussion einer Rechtschreibreform. In:Jahrbuch für internationale Germanistik Bd. XVI H. 2 und XVII H. 1 (1985, im Druck).
8) Bussiek, Hendrik: Notizen aus der DDR. Fischer Taschenbuch Nr. 3417, Frankfurt 1979.Windmöller, Eva und Höpker, Thomas: Leben in der DDR. Ein Stern- Buch. (= Goldmann-Taschenbücher 11502) München 1980.Ash, Timothy G.: Und willst Du nicht mein Bruder sein ... - Die DDR heute. (Spiegel-Buch Nr. 15) Rowohlt Reinbeck 1981.Böhme, Irene: Die da drüben - Sieben Kapitel DDR (= Rotbuch Nr. 265) Berlin (W) 1983.Auerbach, Thomas u.a.: DDR-konkret. Geschichten und Berichte auseinem real existierenden Land. Verlag Olle & Wolter, Berlin 1981.Neu erschienen ist 1985: GEO special DDR. Nr. 1, 13.2.85.Schon älter ist Rudolph, Hermann: Die Gesellschaft der DDR - eine deutsche Möglichkeit? Piper Verlag, 2. Aufl., München 1973.
9) Ein interessantes Beispiel ist WOCHENSCHAU für politische Erziehung, Sozial- und Gemeinschaftskunde, 33. Jg., 1982, Nr. 3/4, Ausg. Sekundarstufe I mit dem Titel "DDR-ALLTAG 1 + 2". Ein entsprechendes Arbeitsheft für den Deutschunterricht gibt es m. W. nicht.
10) Kinne, Michael (Hg.): Texte Ost - Texte West. Arbeitsmaterialien zur Sprache der Gegenwart in beiden deutschen Staaten (= Kommunikation/ Sprache. Materialien für den Kurs- und Projektunterricht).Frankfurt/Berlin/München 1977.
11) Quelle: Institut für deutsche Sprache, Abt. Wiss. Dienste: Dokumentation Sprachwissenschaftlicher Lehrveranstltungen an Hochschulen der BRD. Bd. 1, WS 1980/81, Mannheim 1980; Bd. 2, SS 1981, Mannheim 1981; Bd. 3, WS 1981/82, Mannheim 1981; Bd. 4, SS 1982, Mannheim1982; Bd. 5, WS 1982/83, Mannheim 1982; Bd. 6, SS 1983, Mannheim1983.
88
12) Schaeder, Burkhard: Deutsche Sprache in der BRD und in der DDR. Neuere Arbeiten und Ansichten über das sprachliche Ost-West-Problem. In: Muttersprache, Jg. 91, H. 3/4, 1981, S. 198-205.
13) Kennzeichnend dafür ist auch das Fehlen jeder sprachlichen Thematik auf den jährlich stattfindenden "Tagungen zum Stand der DDR-For- schung", die vom Deutschland Archiv veranstaltet werden (1984 die 17. Tagung).
14) Vgl. zu beiden Projekten die Berichte in dem Sammelband Hellmann, Manfred W. (Hg.): Ost-West-Wortschatzvergleiche. Maschinell gestützte Untersuchungen zum Vokabular von Zeitungstexten aus der BRD und der DDR. (= Forschungsberichte des IdS, Bd. 48) Tübingen 1984. Darin besonders die Beiträge Nr. I, VIII und IX.
15) Vgl. die Hefte Nr. 3/4 1981 und Nr. 5/6 1983 mit jeweils mehreren einschlägigen Beiträgen.
16) Michael Kinne, und Günter Dietrich Schmidt, sind als wissenschaftliche Mitarbeiter des IdS in andere lexikologische Arbeitsvorhaben übergewechselt.
17) Die Herren G. Beilmann, M. Kinne, H. Murawski.
18) Hierzu vgl. die knappe Literaturübersicht bei Hellmann, Manfred W.: Das Projekt Ost-West-Wortschatzvergleiche (= Beitrag Nr. I in dem Anm. 14 zitierten Sammelband), S. 22-31 sowie das Literaturverzeichnis am Schluß des genannten Sammelbandes.
19) Dieckmann, Walther: Kritische Bemerkungen zum sprachlichen Ost- West-Problem. In: Zeitschrift für deutsche Sprache, Jg. 23, H. 3, 1967, S. 136-165.derselbe: Sprache in der Politik. Einführung in die Pragmatik und Semantik der politischen Sprache (= Schmitt, L. E. (Hg.): Sprachwis- senschaftliche Studienbücher, 2. Abt.). 1. Aufl. Heidelberg 1969, 2. Aufl. Heidelberg 1975 (mit einem Literaturanhang).
20) Braun, Peter: Vergleichende Untersuchungen zu deutsch-deutschen Wörterbüchern. In: Muttersprache, Jg. 91, H. 3/4, 1981, S. 157-168. Hermanns, Fritz: Brisante Wörter. Zur lexikographischen Behandlung parteisprachlicher Wörter und Wendungen in Wörterbüchern der deutschen Gegenwartssprache. In: Wiegand (Hg.): Studien zur neuhochdeutschen Lexikographie II, 1982, S. 87-108.Hinzuweisen ist auch auf die im Entstehen begriffene Dissertation von Gisela Erkens, Essen, die ebenfalls die beiden 6-bändigen Wörterbücher vergleicht.
21) Schmidt, Günter Dietrich: Bald zweierlei Deutsch in den Schulen des Auslands? Zur Anerkennung der Vier-Varianten-These in der Sowjetunion. In: Muttersprache, Jg. 88, H. 5, 1978, S. 287-290.Schlosser, Horst-Dieter: Die Verwechslung der deutschen Nationalsprache mit einer lexikalischen Teilmenge. In: Muttersprache, Jg. 91, H. 3/4 1981, S. 145-156.Andersson, Sven-Gunnnar: Deutsche Standardsprache - drei oder vier
89
Varianten? In: Muttersprache, H. 5/6, 1983, S. 259-293.Schmidt, Günter Dietrich: Die deutschen Varianten des Deutschen. Zum Einfluß der Politik auf Interpretation, Bewertung und Verlauf der Sprachentwicklung in der DDR. In: Muttersprache, Jg. 93, H. 5/6,1983, S. 284-289.Schmidt, Günter Dietrich: Wie weit noch ist der Weg zur nationalen Variante der DDR? Zu einem neuen Buch des sowjetischen Germanisten A. I. Domaschev. In: Muttersprache, Jg. 94, H. 3/4, 1984, S.376-378.Inzwischen scheint sich in der DDR-Linguistik eine neue Auffassung durchzusetzen, die von der "DDR-isolationistischen" (W. Fleischer) Vier-Varianten-These abrückt und nur noch von der "deutschen Sprache in der DDR, der BRD, in Österreich und der Schweiz" und von deren jeweiligen "Besonderheiten" spricht. Vgl. dazu insbesondere die folgende Aufsätze von Wolfgang Fleischer, der in unterschiedlicher Ausführlichkeit und von den verschiedensten Ansätzen her auf das Thema eingeht:Fleischer, Wolfgang: Die deutsche Sprache in der DDR. Grundsätzliche Überlegungen zur Sprachsituation. In: D. Nerius (Hg.): Entwicklungstendenzen der deutschen Sprache seit dem 18. Jahrhundert. Linguistische Studien, Reihe A, H.111, Berlin (0) 1983, S. 258-273. derselbe: Zur lexikalischen Charakteristik der deutschen Sprache in der DDR. In: Zeitschrift für Phonetik, Sprachwissenschaft und Kommunikationsforschung (Berlin, 0) H. 4, 1984, S. 415-424. derselbe: Der Wortschatz der deutschen Sprache in der DDR - Aufriß des Projekts. In: Wiss. Zs. der KMU Leipzig, Ges. u. sprachwiss. Reihe, Heft 5 ("Der Wortschatz der deutschen Sprache in der DDR"),1984, S. 458-463.derselbe: Aspekte der sprachlichen Benennung. In: Sitzungsberichteder Akademie der Wissenschaften der DDR, Gesellschaftswissenschaften, Heft Nr. 7, Berlin 1984, S. 3-28.derselbe: Zum Begriff 'Nationale Variante einer Sprache' in dersowjetischen Soziolinguistik. In: Linguistische Arbeitsberichte,Heft 43, Leipzig 1984, S. 63-73.derselbe: Geschichte und Sprache. Festvortrag anläßlich der Verleihung des "Jakob und Wilhelm Grimm-Preises der DDR" 1983. In: Deutsch als Fremdsprache, Jahrgang 1921, Heft 3, 1984, S. 133-138.
22) Vgl. dazu einige der Aufsätze in Dieckmann, Walther (Hg.): Politische Sprache - Politische Kommunikation. Vorträge - Aufsätze - Entwürfe. Heidelberg 1981.
23) Vgl. den in Anm. 14 genannten Sammelband von Hellmann (Hg.).
24) Mehrere Aufsätze, u.a. in "Muttersprache" H. 3/4, 1981 und H. 5/6, 1983; in "Deutschland Archiv" H. 10, 1979, und H. 9, 1980.
25) Schmidt, Günter Dietrich: DDR-spezifische Paläologismen. Veraltetes Wortgut in der deutsche Sprache der DDR. In: Muttersprache, Jg. 92, Hi 3/4, 1982, S. 129-145.
26) Klappenbach, Ruth/Steinitz, Wolfgang: Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache. Bd. 1-6, 1. Aufl. 1964-1977. Berlin (0) 1964 ff.Hg. von der Akademie der Wissenschaften der DDR, Zentralinstitut für Sprachwissenschaft
90
Drosdowski, Günther (Hg.): Duden - Das große Wörterbuch der deutschen Sprache in 6 Bänden. Mannheim/Wien/Zürich, 1976-1981.Kinne, Michael/Strube-Edelmann, Birgit: Kleines Wörterbuch des DDR- Wortschatzes. Düsseldorf 1980, 2. Aufl. 1981.DDR Handbuch. Wissensch. Leitung: Peter Christian Ludz unter Mitwirkung von Johannes Kuppe. Hg. vom Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen. 2. Aufl. Köln, 1979 (3. Aufl. in 2 Bänden ist Mai 1985 erschienen).Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politischsozialen Sprache in Deutschland. Hg. von O. Brunner, W. Conze, R. Koselleck. Klett-Cotta Stuttgart, 1972 ff; erschienen Bd. 1 (1972)bis Bd. 5 (Pro-Soz) (1984).Sowjetsystem und demokratische Gesellschaft. Eine vergleichende Enzyklopädie. Hg. von C.D. Kernig. 6 Bde. und Zusatzband. Herder, Freiburg, 1966-1972.Kulturpolitisches Wörterbuch. Bundesrepublik Deutschland/Deutsche Demokratische Republik im Vergleich. Hg. von W. R. Langenbucher, R. Rytlewski, B. Weiergraf. Stuttgart 1983.Seit 1985 ist ferner erschienen: Handwörterbuch der deutschen Gegenwartssprache in zwei Bänden. Von einem Autorenkollektiv unter Leitung von Günter Kempcke. Akademie der Wissenschaften der DDR - Zentralinstitut für Sprachwissenschaft. Berlin (O), 1984.
27) Eine ausführliche Beschreibung zur revidierten Mannheimer Version findet sich in diesem Heft.
28) Hoppe, Alfred/Zimmermann, Harald/Hitzenberger, Ludwig: LIMAS-Corpus (= Regensburger Microfiche Materialien (RMM) Nr. 02, Teil 1 und Teil2). Nürnberg/Regensburg 1979.
29) Das Lunder Korpus, begründet von Inger Rosengren (Lund/Schweden), enthält Zeitungstexte aus der WELT und der Süddeutschen Zeitung 1966/67 in nur teilweise korrigiertem Zustand. Die Texte sind ggf. auf Anfrage im IdS benutzbar.
30) Vgl. dazu Institut für deutsche Sprache: LDV-Info 1, Mannheim (Eigenverlag) 1981.
31) Die erstgenannten 3 Korpora sind im IdS auch für externe Wissenschaftler mit dem Dialog-System REFER direkt auswertbar, diese und die übrigen genannten Texte im Rahmen von Service-Aufträgen mit verschiedenen Auswertungsprogrammen. Eine knappe Übersicht dazu von S. Dickgießer: LDV-Service. In: Institut für deutsche Sprache,LDV-Info 4, Mannheim 1984.
32) Institut für deutsche Sprache: Das Bonner Zeitungskorpus. Am Institut für deutsche Sprache erstellt nach der Konzeption und unter der Leitung von Manfred W. Hellmann. Teil 1: DIE WELT und NEUES DEUTSCHLAND. (= Brekle u.a. (Hg.), Regensburger Microfiche Materialien (RMM) Nr. 007/1), MCS-Verlag Nürnberg/Regensburg 1985.Zum LIMAS-Korpus siehe Anm. 28
33) Hellmann, Manfred W. (Hg.): Bibliographie zum öffentlichen Sprach-91
gebrauch in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR. Zusam- mengestellt und kommentiert von einer Arbeitsgruppe unter Leitung von Manfred W. Hellmann (= Reihe Sprache der Gegenwart Bd. 16) . Düsseldorf 1976.
34) Vgl. Kinne, Michael: Das "Archiv zum öffentlichen deutschen Sprachgebrauch" (AöS) im Institut für deutsche Sprache. In: Mitteilungen des Ids, Heft 8, Mannheim o.J. (1982), S. 97-102. Das Archiv wird inzwischen aktualisiert.
35) Die Dokumentationen erscheinen beim Gesamtdeutschen Institut Bonn (nicht im Buchhandel!) in 3 Reihen:I Hochschulveranstaltungen (3. Folge; WS 80/81-WS 81/82) 1984II Forschungsvorhaben (2. Projektverzeichnis Juli 1981)III Institutionen, Publikationen, Entwicklung1. Dissertationen, Habilitationen, Hochschulschriften aus der BRD
bis 19782. dito aus der DDR bis 19783. Kritiken aus der DDR (1983)4. Institutionen (1984)Hinzukommt eine Dokumentation von Forschungsvorhaben zur DDR- und vgl. Deutschlandforschung "auf englisch" (in englischsprachigen Ländern) .
36) Zur Dokumentation Sprachwissenschaftliche Lehrveranstaltungen s. Anm. 11. Für Forschungsvorhaben siehe Institut für deutsche Sprache Mannheim: Dokumentation Sprachwissenschaftliche Forschungsvorhaben1981/82. Bearbeitet von Roland Wingerter, Mannheim 1983.
37) Ludz, Peter Christian: Mechanismen der Herrschaftssicherung. Eine sprachpolitische Analyse gesellschaftlichen Wandels in der DDR. München/Wien 1980.Gudorf, Odilo: Sprache als Politik. Untersuchungen zur öffentlichen Sprache und Kommunikationsstruktur in der DDR. Köln 1981.
38) Folsom, Marvin H./Rencher, Alvin C.: Zur Frage der sprachlichen Unterschiede in der BRD und der DDR. Zwei statistische Studien. In: Deutsche Sprache 1977, S. 48-55.
39) Lehmann, Heidi: Russisch-deutsche Lehnbeziehungen im Wortschatz offizieller Wirtschaftstexte der DDR (= Reihe Sprache der Gegenwart Bd. 21). Düsseldorf 1972.
40) Das Bonner Zeitungskorpus bietet aufgrund seiner zeitlichen Stufung besonders gute Möglichkeiten zu vergleichenden diachronischen Untersuchungen, die bis in die Anfangsjahre der beiden deutschen Staaten zurückreichen.
41) Das IdS z.B. stellt seit 1981 nur noch einen wissenschaftlichen Mitarbeiter zur Bearbeitung des Ost-West-Themas frei.
92
Manfred W. Hellmann
DAS BONNER ZEITUNGSKORPUS TEIL I
INFORMATIONEN FÜR DEN BENUTZER
0. Vorbemerkung
1. Zielsetzung und Textauswahl
2. Aufbau und Zusammensetzung
3. Zur Codierung des BZK 1
4. Zur Identifikation und Klassifikation der Zeitungsartikel
5. Möglichkeiten der Auswertung
6. Ausblick
7. Literatur
0. VORBEMERKUNG
Über das Bonner Zeitungskorpus ist, wie die Literaturübersicht am Schluß
zeigt, an verschiedenen Stellen berichtet worden, am ausführlichsten in
dem Sammelband Hellmann (Hg.) 1984, vor allem dort im Bericht II von B.
Schaeder. Allerdings bezieht sich jener Bericht auf die Bonner Version
des BZK. Inzwischen ist das BZK 1 vollständig überarbeitet worden. Es
gab noch zwei weitere Gründe, eine neue - und zwar vollständige - Be
schreibung des BZK vorzulegen: Zum einen ist der erwähnte Sammelband so
exorbitant teuer, daß er nicht überall erreichbar sein wird, zum anderen
ist mit erhöhtem Benutzerinteresse zu rechnen, da das BZK Teil 1 jetzt
gleichzeitig im MCS-Verlag auf Microfiches erscheint und im IdS mit dem
Abfragesystem REFER auswertbar ist.
Ich danke den Kolleginnen und Kollegen im IdS, die sich in den letzten 3
Jahren mit mir der Mühe unterzogen haben, ein Drei-Millionen-Korpus zu
überarbeiten und bereitzustellen, insbesondere Willi Oksas, Snjezana
Benakovic und Peter Mückenmüller.
93
1. ZIELSETZUNG UND TEXTAUSWAHL
1.1. Gegenstandsbestimmung
Das Bonner Zeitungskorpus (BZK) ist eine systematisch zusammengestellte,
maschinenverfügbar gemachte Sammlung von Texten aus bestimmten Tageszei
tungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen
Republik, die zum Zwecke linguistischer Untersuchungen zur deutschen Ge
genwartssprache, insbesondere zum Zweck vergleichender Untersuchungen
des öffentlichen Sprachgebrauchs in den beiden deutschen Staaten, ange
legt wurde. Das BZK Teil 1 ist eine bestimmte Teilmenge davon (nämlich
aus der WELT und dem NEUEN DEUTSCHLAND), und zwar diejenige, die zur
Zeit überarbeitet, an die Textkonventionen des IdS Mannheim angepaßt und
mittels vorhandener Auswertungsprogramme auswertbar ist (vgl. 2.3.).
1.2. Anlaß und Zielsetzung
Das IdS hatte 1964 in Bonn eine Forschungsstelle eingerichtet, deren
Hauptaufgabe die Untersuchung der sprachlichen Differenzierungen zwi
schen den beiden deutschen Staaten sein sollte. Die damalige For
schungssituation legte es nahe, sich zunächst das Ziel zu setzen, eine
ausreichende und von subjektiven Auswahlkriterien möglichst unabhängige
Grundlage für empirische Untersuchungen zu schaffen, und zwar nach Lage
der Dinge vor allem für Untersuchungen zum Wortschatz und Wortgebrauch.
Eine solche Textgrundlage sollte auf jeden Fall maschinell verfügbar ge
macht werden, und zwar einerseits zur Entlastung von zeitraubenden Aus-
wertungs-, Sortier- und Auflistungsarbeiten, zum anderen aber um Häufig
keit und Verteilung sprachlicher Phänomene als Erkenntnis- und Beschrei
bungskategorie nutzen zu können. Darüber hinaus sollte das zu schaffende
Textkorpus folgende Eigenschaften aufweisen: Es sollte
- aktuell sein
- wenig autorenspezifisch sein
- thematisch weit gestreut sein
- dem Forschungsgegenstand angemessen, also möglichst ergiebig für Ost-
West-Unterschiede sein.
94
Da für uns die Konstituierung eines großen Mischkorpus aus unter
schiedlichen Publikationsgattungen aus Kosten- und organisatorischen
Gründen nicht in Frage kam, mußten wir uns also für eine bestimmte Pub
likationsgattung entscheiden. Am ehesten werden die gestellten Anfor
derungen von Tageszeitungen erfüllt, und zwar von solchen, die sich an
gehobene Ansprüche richten (also nicht von Boulevardblättern).
1.3. Auswahl und Zusammensetzung
Textauswahl und Aufnahmeprinzip
Die Kriterien für die Auswahl eines Textkorpus werden - bewußt oder un
bewußt - bestimmt durch den Zweck, für den das Korpus aufgenommen werden
soll. Dies gilt schon für die Wahl der Grundgesamtheit: Wenn ich öffent
lichen Sprachgebrauch, und zwar in den beiden deutschen Staaten, unter
suchen will, ist die Wahl von überregionalen Tageszeitungen, und zwar
aus Ost und West, vielleicht nicht die einzig mögliche, aber sicher eine
zweckmäßige Grundlage für den Aufbau eines Korpus.
Die nächste Frage gilt dem Aufnahmeprinzip: Zugespitzt (es gibt Über
gangsformen) lautet die Alternative: Benötige ich ein Korpus für eine
einzige, vorher bekannte Fragestellung oder ein Korpus für eine Vielzahl
verschiedener, z.T. vielleicht noch nicht bekannter Fragestellungen?
Diesen sehr unterschiedlichen Zwecken entsprechen auch - auch hier wie
der zugespitzt - sehr unterschiedliche Aufnahmeprinzipien:
(a) thematisch gesteuerte Auswahl
(b) statistisch gesteuerte Auswahl
Bei ersterem Aufnahmeprinzip wähle ich aus der festgelegten Grundgesamt
heit solche Texte aus, die - nach meinem Vorverständnis vom Forschungs
gegenstand und vom Thema - besonders ergiebig und interessant zu sein
scheinen. Dieses Auswahlverfahren ist sehr effektiv, denn ich komme mit
relativ geringem Aufwand zu einer Auswahl, die in hoher Dichte die von
mir zu untersuchenden Erscheinungen enthält und daher für diesen Gegen
stand sehr gut geeignet ist, - für alle anderen Fragestellungen jedoch
95
voraussichtlich entsprechend schlecht. Hinzuweisen ist noch auf zwei
weitere Punkte: Eine rein thematisch gesteuerte Auswahl erlaubt keine
statistisch abgesicherten Rückschlüsse auf die Verhältnisse in der
Grundgesamtheit, der die Auswahl entnommen ist, und sie erlaubt keiner
lei Vergleiche mit anderen thematisch gesteuerten Auswahlen. Zweitens:
Es besteht die Gefahr des methodischen Zirkels: Ich erhalte im wesent
lichen das bestätigt, was ich über den Gegenstand kategorial schon vor
her wußte.
Das zweite Aufnahmeprinzip, das ja von der Vorstellung einer Vielzahl
verschiedener Benutzer mit sehr unterschiedlichen Fragestellungen aus
geht, erlaubt von vornherein keine Vorweg-Auswahl des "Wichtigeren" oder
"Interessanteren", da jede qualitative Auswahl eine Einschränkung der
Benutzung durch andere bedeuten kann. Konsequenterweise wird man ver
suchen, die Auswahl so zu treffen, daß sie alle bekannten Eigenschaften
der Grundgesamtheit möglichst getreu widerspiegelt. Beachtet man bei der
Zusammenstellung der Auswahl gewisse systematische Grundsätze, so kann
die Auswahl als in jeweils bestimmbaren Grenzen repräsentativ in bezug
auf die Grundgesamtheit angesehen werden, d.h. Zahlenangaben zu Vor
kommen oder Verteilung bestimmter Erscheinungen in der Auswahl lassen
mit hoher Wahrscheinlichkeit den Schluß auf entsprechende Verhältnisse
in der Grundgesamtheit zu. Außerdem sind alle Teile des Korpus, die nach
dem gleichen Verfahren ausgewählt und aufgenommen worden sind, auch
untereinander vergleichbar.
Der Nachteil bei diesem Auswahl verfahren ist, daß man, um auch für spe
ziellere Untersuchungen noch genügend Material zur Verfügung stellen zu
können, sehr viel mehr Text als bei einer thematisch gesteuerten Auswahl
aufnehmen muß. Außerdem verlangt eine so breit gestreute Auswahl einen
wesentlich höheren Aufwand an Klassifikation der einzelnen Textein
heiten, um dem künftigen Benutzer eine Selektion der Texte im Hinblick
auf bestimmte gewünschte oder nicht gewünschte Merkmale zu ermöglichen.
Wir entschieden uns im Jahre 1964/65 für ein rein statistisch gesteuer
tes Aufnahmeprinzip, und zwar aus folgenden Gründen:
96
Erforschung des öffentlichen Sprachgebrauchs auf der Basis von Tageszei
tungen war damals und ist auch heute keineswegs nur unter Ost-West-
Aspekt interessant. Es war vorauszusehen, daß die Linguistik, wäre ein
geeignetes Korpus erst einmal vorhanden, dies ist auch unter generellen
Aspekten des Wortschatzes, des Wortgebrauchs, des Stils, der Wortbil
dung, der Syntax usw. auswerten würde. Angesichts des Aufwandes an Zeit
und Kosten, den jede maschinelle Dokumentation von Texten - gleich ob
thematisch gesteuert oder statistisch gesteuert - verursacht, schien es
uns auch ökonomischer, die Textauswahl nicht auf den einen Forschungsge
genstand hin zu beschneiden. Im übrigen sahen wir in der Tatsache, daß
das IdS eine zentrale Forschungsinstitution ist, eine gewisse Verpflich
tung, ein neu aufzubauendes Korpus nicht als ad-hoc-Korpus für über
wiegend hausinterne Zwecke anzulegen, sondern es für eine möglichst
breite wissenschaftliche Nutzung innerhalb u n d außerhalb des IdS zu
konzipieren. Denn der Aufbau eines ad-hoc-Korpus für eine spezielle Fra
gestellung führt oft zum Aufbau anderer ad-hoc-Korpora für ähnliche,
ebenfalls spezielle Fragestellungen an anderer Stelle, ohne daß sich
durch die Kumulation von ad-hoc-Korpora ein in sich vergleichbares
Korpus deutscher Gegenwartssprache - oder auch nur eines Ausschnitts
daraus - ergäbe.
Über einen Nachteil waren wir uns seinerzeit allerdings im klaren: Eine
Korpuskonzeption, die im skizzierten Sinne auf breite verschiedenartige
Nutzung und statistische Repräsentativität zur jeweiligen Grundgesamt
heit hin angelegt ist, kann zwar für die meisten Fragestellungen ge
eignetes, aber für manche davon sicherlich nicht genügend Material be
reitstellen, - jedenfalls wenn man von einigermaßen realistischen Kos
ten- und Zeitvorstellungen ausgeht. Die Konzeption mußte also so be
schaffen sein, daß sie Materialerweiterungen und -Verdichtungen in ver
schiedener Hinsicht jederzeit zuläßt.
Zum Problem der Aktualität
Jedes Korpus beginnt vom Tage seiner Verfügbarkeit an zu veralten. Nun
ist der Begriff "Deutsche Gegenwartssprache" zwar recht dehnbar - man
setzt den Beginn meist 1945 oder 1949 und läßt ihn jeweils in der Gegen-
97
wart enden jedoch hat sich für eine Reihe von Untersuchungen insbe
sondere zum Wortschatz und zum Stil ein engerer Begriff von "Gegenwart"
und zugleich ein Bedürfnis nach stärkerer Differenzierung der Ent
wicklung in der Nachkriegszeit herausgestellt. Die Bonner Korpuskonzep
tion wollte dem Rechnung tragen.
Man kann Aktualität dadurch erreichen, daß man laufend Texte aufnimmt.
Dies ist bei Periodika, die ohnehin parallel zum Zeitkontinuum permanent
Texte produzieren, grundsätzlich kein Problem. Allerdings stößt man sehr
schnell auf Kapazitätsgrenzen. Westdeutsche überregionale Tageszeitungen
produzieren pro Jahrgang etwa 5.000 Seiten "Normal"-Text, dazu nochmals
zwischen 1.500 und 3.000 Seiten Beilagentext. Bei rd. 3.000 lfd. Wörtern
pro Seite ergibt sich daraus eine Menge von 15 Mio. lfd. Textwörtern zu
züglich ca. 6 Mio. lfd. Wörtern aus Beilagen. Solche Mengen führen schon
bei e i n e r Zeitung und e i n e m Jahrgang ins Absurde, um so
mehr bei einer beabsichtigten Aktualisierung durch laufende Aufnahme von
Texten. Ein Ausweg ist die Aktualisierung durch Aufnahme von Querschnit
ten in regelmäßigen Intervallen. Solange dieses Verfahren weitergeführt
wird, ist Aktualität in hohem Maße gewährleistet; gleichzeitig sind die
Voraussetzungen gegeben für diachronische Untersuchungen der Sprachent
wicklung mit zunehmender zeitlicher Tiefe.
Die Entscheidung für die Textaufnahme in Form diachronischer Querschnit
te in bestimmten zeitlichen Intervallen nimmt natürlich Lücken in Kauf.
Sachlich und sprachlich können dabei wichtige Erscheinungen undokumen
tiert bleiben. Unsere Entscheidung für ein fünfjähriges Aufnahmeinter
vall läßt z.B. Ereignisse wie den 17. Juni 1953, den 13. August 1961,
die Verhandlungen über das Berlin-Abkommen 1970-72, den Wahlsieg der so-
zial-liberalen-Koalition oder auch die Olympiade in München unberück
sichtigt; andere wie z.B. die Gründung der beiden deutschen Staaten, die
Bildung der großen Koalition, die Guilleaume-Krise und der Wechsel
Brandt/Schmidt, die Olympiade von Tokio (1964) u.v.a. sind im Bonner
Zeitungskorpus sehr gut vertreten.
Es spricht also - vom Kosten- und Kapazitätsargument abgesehen - einiges
für kürzere Intervalle. Es spricht noch mehr gegen längere Intervalle.
98
Wir halten Fünf-Jahres-Intervalle für gerade noch ausreichend: mittel
fristige Erscheinungen haben noch eine ausreichende Wahrscheinlichkeit,
in der Auswahl dokumentiert zu werden; kürzerfristige nur dann, wenn sie
in einen der dokumentierten Jahrgänge oder do.ch in dessen Nähe fallen.
Im konkreten Fall haben wir mit dem Jahrgang 1964 deshalb begonnen, weil
er bei Beginn der Textdokumentation (im Frühjahr 1965) der erste und ak
tuellste abgeschlossen vorliegende Jahrgang war; damit war auch gewähr
leistet, daß unsere Auswahl im Jahr der Gründung der beiden deutschen
Staaten, 1949, beginnen würde.
Zur Auswahl innerhalb des Jahrgangs
Wie schon festgestellt, ist die vollständige Aufnahme eines Jahrgangs
aus Kapazitätsgründen unmöglich. Eine Auswahl aus dem Jahrgang kann in
verschiedener Hinsicht erfolgen:
Man kann bei gleichem Aufwand z. B. sowohl einen Monat vollständig als
auch über den ganzen Jahrgang hin jede zwölfte Ausgabe erfassen. Für be
stimmte Untersuchungen, z.B. eine Untersuchung zur Sprache der Fußball-
Sportberichterstattung, kann die erstere Variante eine hervorragende Ma
terialbasis mit sehr hoher Dichte ergeben, sofern man darauf achtet, daß
der ausgewählte Monat nicht gerade in die Zeit der Fußballferien fällt.
Unter der Voraussetzung sehr unterschiedlicher Fragestellungen macht die
Entscheidung für einen bestimmten Erfassungszeitraum jedoch große Be
gründungsschwierigkeiten. Denn jede Untersuchung von Zeitungen bestä
tigt, daß Zeitungen im Verlauf eines Jahres sehr starke, regelmäßige
"thematische Dominanzen" aufweisen, so insbesondere im Bereich des
Sports, der Wirtschaft (vor allem Landwirtschaft), der Sparte Reise/Er
holung, der Werbung, aber auch in Teilen der Sparte Kultur (Theater
ferien) und teilweise auch Politik (thematische Schwerpunkte z.B. am
Jahresanfang bzw. -ende, zu bestimmten Gedenktagen etc.). Ein Textkor
pus, das Zeitungssprache widerspiegeln will, muß diese thematischen Do
minanzen angemessen berücksichtigen, d.h. es muß sich auf den ganzen
Jahrgang einer Zeitung beziehen.
99
Die Stichproben, die aus dem Kontinuum eines Jahrgangs entnommen werden
sollen, sollten in gleichmäßigen, nicht zu großen Abständen über den
ganzen Jahrgang verteilt werden.
Uns schien die Berücksichtigung von je einer Ausgabe pro Woche dafür am
geeignetsten.
Außer im Ablauf eines Jahres gibt es auch im Ablauf einer Woche bei Ta
geszeitungen sehr deutliche thematische Dominanzen. So gibt es einen
ausgedehnten Sportteil montags, ausführliche Kinoprogramme dienstags
oder freitags, Wohnungsmarkt vor allem mittwochs und samstags; bestimmte
Beilagen erscheinen an bestimmten Wochentagen; vor allem die Samstagaus
gabe weist eine Reihe von Besonderheiten auf. Es war also notwendig,
durch einen entsprechenden Turnus der Aufnahme dafür zu sorgen, daß alle
Wochentagsausgaben in der Jahrgangsauswahl berücksichtigt wurden.
Dies führte zu folgendem rotierenden Turnus: Zum Beispiel erste Jahres
woche: Montagsausgabe, zweite Woche Dienstagsausgabe, dritte Woche Mitt
wochsausgabe ..., fünfte Woche Freitagsausgabe, sechste Woche Samstags
ausgabe, siebente Woche Montagsausgabe.
Während der Normalabstand zwischen zwei Ausgaben also acht Tage beträgt,
beträgt er zwischen der Samstags- und Montagsausgabe nur zwei Tage, so
daß ein durchschnittlicher Abstand von knapp sieben Tagen gewährleistet
ist. Insgesamt führt dies zu einer Berücksichtigung von 52 oder 53 Aus
gaben pro Jahr.
Zur Auswahl der Seiten
Falls man diese 53 Ausgaben vollständig aufnehmen kann, entfallen wei
tere Auswahl Überlegungen. Für uns lag die damit anfallende Menge von ca.
700-800 Seiten pro Zeitung und Jahrgang jedoch noch weit jenseits un
serer Möglichkeiten. Eine Seitenauswahl war also unumgänglich. Nun gibt
es auch innerhalb einer jeden Ausgabe Regelmäßigkeiten, die zu beachten
sind, wenn man bestimmte Seiten auswählen will. Während die erste und
die letzte Seite bei allen Zeitungen in aller Regel eine Mischung ver-
100
schiedener Themen und Sachgebiete aufweisen, sind die übrigen Seiten
meist in sog. "Sparten" thematisch gebündelt. Diese Bündelung ist zwar
nicht starr, weist jedoch jeweils zeitungstypische Regelmäßigkeiten auf.
Diese Regelmäßigkeiten müssen sich in der Auswahl widerspiegeln, d. h.
jede Seitenklasse soll in der Auswahl anteilig repräsentiert sein.
Zur Aufnahmequote
Wenn man davon ausgeht, daß aus jeder Woche eine Ausgabe und aus jeder
Ausgabe nur eine Seite aufgenommen wird, ergibt dies eine Mindest
auswahlmenge von 52 oder 53 Seiten. Mit diesem Minimum haben wir in der
Tat bei den Jahrgängen ND 64 und ND 54 begonnen (die Auswahl ND wurde
später durch Beilagenseiten erweitert). Bei einer Grundgesamtheit von
2125 Seiten im Jahrgang ND 64 und 1976 Seiten bei ND 54 ergaben sich so
mit Aufnahmequoten von 2,5 % (ND 64) bzw. 2,6 % für ND 54.
Wir haben im folgenden eine Auswahlquote von ca. 2,4 t bis 2,5 l für
alle Jahrgänge des BZK 1 konstant gehalten, mindestens aber 52 Seiten
pro Jahrgang aufgenommen (zur Ausnahme WE 49 siehe unten 2.3., Anm. 1).
Da die WELT weit mehr Seiten und Text produziert als das ND, ergibt sich
für die WELT bei gleicher Quote eine größere Auswahlmenge und zugleich
eine höhere Aufnahmedichte pro Ausgabe.
Das Schema sieht folgendermaßen aus:
z.B. ND 74 z.B. WELT 74
1. Woche Mi 02.01. S. 1 Mi S. 1, 2, 3
2. Woche Do 10.01. S. 2 Do S. 2, 3, 4
3. Woche Fr 18.01. S. 3 Fr S. 3, 4, 5
4. Woche Sa 26.01. S. 4 Sa s. 32, 33, 34
5. Woche Mo 28.01. S. 5 Mo s. 5, 6, 7
6. Woche
usw.
Di 05.02. s. 6, 3 Di
usw
s. 6, 7, 8
101
Zur Bestimmung der Grundgesamtheit
Nicht alles, was eine Zeitung im Laufe eines Jahres produziert bzw. an
ihre Leser verteilt, ist in gleicher Weise Bestandteil dieser Zeitung.
Wir unterscheiden
Grundmenge 1: Redaktioneller Teil der Zeitung und regelmäßige Beilagen,
soweit sie normal durchlaufend numeriert sind.
Grundmenge 2: gesondert (meist römisch) numerierte Beilagen, die regel
mäßiger Bestandteil bestimmter Wochentagsausgaben dieser
Zeitung sind (z.B. Stellenanzeigen in der Samstagsausgabe,
die "Geistige Welt", die "Gebildete Nation" (ND)),
Grundmenge 3: nach Druckbild, Numerierung und Aufmachung eigenständige
Beilagen ("Sonderbeilagen"), die nicht regelmäßiger Be
standteil dieser Zeitung sind oder als "Zeitung in der
Zeitung" erscheinen (z.B. bei der WELT die "Welt der Li
teratur", die Rundfunk-Fernseh-Bei 1 age etc.).
Zur besseren Unterscheidung der Grundmengen 1 und 2 wird folgende Zu
satzbestimmung verwendet: Wenn eine Beilage regelmäßig mehr als die
Hälfte des redaktionellen Teils ausmacht, wird sie zur Grundmenge 2 ge
rechnet.
Auf der Grundlage der genauen Auszählung aller Ausgaben des Jahrgangs
wird ermittelt, welche Seiten wie oft in den Grundmengen Vorkommen.
Diese Grundmengen werden in unterschiedlichen Quoten repräsentiert, und
zwar wird
- die Grundmenge 1 mit einer Quote von ca. 2,4 %
- die Grundmenge 2 mit einer Quote von ca. 1,5 bis 1,8 %
- die Grundmenge 3 überhaupt nicht repräsentiert.
Als Grundgesamtheit ist damit die Summe aller Zeitungsseiten (=Elemente)
der Grundmengen 1 und 2 eines Jahrgangs definiert.
102
94. AUFBAU UND ZUSAMMENSETZUNG
2.1 Aufbau des Bonner Zeitungskorpus
Mengenangaben (in lfd. Wörtern) gerundet
Doppelt umrandete Felder: = BZK Teil 1
FR 74
(310.000)
[ BG 64
(340.000)
BG 74
(340.000)
310.000 680.000
WE 49
Ausgabe Nord
(163.000)
WE 54
Ausgabe F j
(258.000) !
WE 59
Ausgabe D l
(293.000)
WE 64 '
Ausgabe B
(379.000)
WE 69
Ausgabe D
(414.000)
WE 74"
Ausgabe D
(363.000)
_4_
ND 49
Ausgabe R
(206.000)
ND 54
Ausgabe B
(208.000)
ND 59
Ausgabe B
(208.000)
ND 64
Ausgabe B
(194.000)
ND 69
Ausgabe B
(174.000)
ND 74
Ausgabe R
(179.000)
NN 64
( 100 . 000 )
NN 74 MO 74
(100.000) (140.000)
3,039.000 1,169.000 200.000 140.000
BRD-Zeitungen
WE = DIE WELT (B = Berliner Ausgabe, D = Deutschland-Ausgabe (Essen), F = Norddeutsche Ausgabe (Hamburg))
GB = Bonner-General-Anzeiger (Stadtausgabe)FR = Frankfurter Rundschau
103
DDR-Zeitungen
ND = Neues Deutschland (B = Berliner Ausgabe, R = Republik-Ausgabe)NN = Norddeutsche Neueste Nachrichten (NDPD, Rostock)MO = Der Morgen (LDPD, Berlin Ost)
Umfang des Bonner Zeitungskorpus Teil 1: 3,04 Mio. lfd. WörterTeil 2: 1,33 Mio. lfd. Wörter
2.2. Versionen des BZK
Das Bonner Zeitungskorpus wurde in 3 Phasen geschaffen:
(1) 1965-75 (mit Unterbrechungen) Jg. WE 54, 64, 59
Jg. ND 54, 64, 69
und teilweise ND 74
(2) 1976-78 (Projekt "Ost-West-Wortschatz") Jg. WE 49, 59, 74
Jg. ND 49, 59, 74
ferner Jg. BG 64, 74
Jg. FR 74
Jg. NN 64, 74
Jg. MO 74
Die Texte der Phase (2) wurden mit Unterstützung der Deutschen For
schungsgemeinschaft extern erfaßt und einmal Korrektur gelesen.
(3) 1981-84
Überarbeitung des Teils 1 (WE und ND) und Anpassung an die Mann
heimer Textkonventionen
Jg. WE 49, 54, 59, 64, 69, 74
Jg. WE 49, 54, 59, 64, 69, 74
Die Texte der Phase 1 und 2 - "Bonner Version" - weisen gegenüber der
Phase 3 - "Mannheimer Version" - einige Besonderheiten auf:
1. Sie sind weniger gut durchkorrigiert.
104
2. Sie weisen Schwankungen in der Codierung auf (bedingt u.a. durch den
Übergang zur externen Texterfassung in Phase 2).
3. Sie sind komplizierter transkribiert (vgl. Punkt 3.2.).
4. Umlaute und ß sind als ae, oe, ue, sz codiert.
5. Sie haben eine andere Satzschlußcodierung (vgl. Punkt 3.2.).
6. Die Texte der Phase 1 sind mit Artikel nummer/Zeilennummer numeriert;
die Texte der Phase 2 sind durchlaufend zeilenweise numeriert.
7. Insbesondere die Texte der Phase 1 weisen eine erweiterte Klassifi
kation auf (vgl. Punkt 4.1).
Für bestimmte Fragestellungen eignen sich die BZK-Texte in der Bonner
Version (trotz ihrer höheren Fehlerquote) besser als die Mannheimer Ver
sion, daher bleibt auch die Bonner Version auf Magnetband gespeichert.
Solche Fragestellungen können z.B. sein: Untersuchungen zu Personennamen
samt Titulaturen, zu Sach-Eigennamen, zur Markierung von Satzschlüssen
in Zeitungstexten.
Die Mannheimer Version steht zur Verfügung
- in satznumerierter Form zur Auswertung mittels REFER (vgl. Punkt
5.2.3)
- in zeilennumerierter Version auf Magnetband
- zusätzlich auf Mikrofiches (vgl. Punkt 5.2.2).
Auch die Mannheimer Version ist nicht absolut fehlerfrei; dies wäre bei
einem manuell erfaßten Drei-Mi 11ionen-Korpus nur mit unvertretbar hohem
Aufwand erreichbar. Wir haben eine Fehlerquote von durchschnittlich 1
Fehler auf 3 Seiten Text (ä 60 Zeilen) in Kauf genommen. Für NO und WELT
1949 sowie für WELT 1969 wurde dies Ziel wahrscheinlich nicht ganz er
reicht (1 Fehler auf 2 Seiten Text).
105
Z.3. Umfang der Grundmenge 1 und Seitenauswahl
Bonner Zeitungskorpus Teil 1
Jg Grundmenge 1 Seitenauswahl Quote
WE 49 1.684 41 (54) Z,43 (3,Z)(1)
WE 54 3.348 80 Z,40
WE 59 3.9Z0 95 Z,4Z
WE 64 5.635 135 Z,40
WE 69 6.988 168 Z,40
WE 74 6.Z43 150 Z,40
Gesamt
WELT 27.818 669 2,40
ND 49 1.814 5Z Z,87
ND 54 1.976 5Z Z,63
ND 59 Z. 300 56 Z,43
ND 64 Z.1Z5 (+31Z) 53 (+8) 2,50(2)
ND 69 Z. 504 61 Z,44
ND 74 Z. 484 61 Z,46
Gesamt
ND 13.515 343 Z,54
WE + ND 41.333 101Z Z,45
Die 101Z Seiten Auswahlmenge des BZK 1 repräsentieren somit eine Grund
gesamtheit von 41.333 Seiten in einer Quote von durchschnittlich Z,45 %.
Anm. (1): Aus H e r turnusmäßig ermittelten Auswahlmenge von 54 Seiten wurden 13 herausgenommen und als Zusatzmenge gespeichert, da die WELT im 1. Halbjahr 49 nur an jedem Z. Tag erschienen ist.
Anm. (Z): Die Beilage "Die Gebildete Nation" wurde nachträglich in die Grundmenge und die Auswahl einbezogen.
106
Zusätzlich zu diesen 1012 Seiten wurden zu den meisten Jahrgängen wei
tere Seiten als Zusatzmengen aufgenommen. Ihr Vorhandensein hat ver
schiedene Gründe. Bei den früheren Bonner Jahrgängen der Phase 1 handelt
es sich großenteils um eine zusätzliche Auswahl aus dem Monat Februar
(sog. "Februarserie"), die aufgenommen wurde, um bestimmte Fragen sta
tistischer Repräsentativität bei erhöhter Aufnahmequote zu untersuchen.
Teilweise handelt es sich um irrtümlich und später ausgetauschte Seiten.
In der Mehrzahl jedoch, insbesondere bei den Texten der Phase 2, handelt
es sich um ausgewählte Seiten aus der Grundmenge 2, also um Beila-
gen-Seiten. Die jeweiligen Zusatzmengen sind in 2.4.1 und 2.4.2 auf
geschlüsselt.
Die Texte dieser Zusatzmengen liegen zum größeren Teil nur in der Bonner
Version vor, d.h. sie sind nicht an die Mannheimer Codierungs-Konvention
angepaßt, nur einmal korrigiert und sind auch nicht mittels REFER am
Bildschirm, sondern nur über allgemeine Suchwortprogramme auswertbar.
2.4. Aufschlüsselung der ausgewählten Seiten nach dem Inhalt
Vorbemerkung
Die Aufschlüsselung muß für ND und WELT gesondert vorgenommen wederi, da
der Spartenaufbau bzw. die Ressortgliederung stark differieren. Aber
auch innerhalb derselben Zeitung schwankt diese Gliederung stark. Die
Zuordnung der Seiten zu einem einmal festgelegten Schema ist daher zu
mindest bei WE 49 und 54 oft schwierig.
Die Zählung berücksichtigt bei Seiten mit gemischtem Inhalt nur jeweils
halbe Seiten (z.B. 1/2 Wirtschaft, 1/2 Roman).
Weitergehende Mischungen (z.B. zusätzlich noch Anzeigen) wurden nicht
berücksichtigt. Generell können Anzeigen auf jeder Seite Vorkommen; ge
zählt wurden sie nur, wenn sie annähernd die Hälfte oder mehr einer
Seite ausmachen.
107
2.4.1. Spartenverteilung DIE WELT
.Sparte WE 49 WE 54 WE 5911 WE 64 WE 69
.WE 74
Titelseite 6 8 818 8 7
Politi k 6 11 23 ¡27 26 23 1/2■ Mei nung 1 6 7Reportage 3 ; 1 6 1/2 5 1/2Anzei gen 4 1/2 13 1/2 18 1/2 24 34 1/2 44Leserbriefe 4 4 4Sport 3 4 1/2 6 8 14 8Wirtschaft 5 13 16 1/2 ! 27 25 17Börse 1 4 1/2 ! 5 13 1/2 12Kultur/Feuilleton 8 15 5 ! 5 8 16 1/2Roman 2 3 1/2 ! 5 6 1/2Wi ssenschaft \ 3 1/2Motor/Rei se 1 i 3Aus al1er Welt 9 7 ! 3 8 2Berlin/Regionales 2 15Nachrichten/Berichte 7 1/2{s.Anm.) !
Summe 41 801
95 135 168i
150
-.... .... - | , i
Zusatzauswahli i 1 i
Titelseite 2 2¡"Februarmenge" (gem.) 4 ¡12jKultur/Feui1leton 2 1/2 i 4 1/2 1 1/2lAnzeigen/Stellen- I 8¡Anzeigen sonst. 2 2 1/2Wi rtschaft 2 1/2Beilage GW 5 ! 4 5Beilage Humor 2 2 1Beilage Frau 2 ! 1Sonstiges 2 1 2 i; Reise/Erholung 3 1/2 1:Poli ti k 2 3
!Summe1
13 5 18t
37
i0 7
Anmerkung zu WE 49:In WE 49 ist eine Sparten- oder Ressorteinteilung kaum erkennbar. In der Mehrzahl der Seiten werden Themen aus Innen- und Außenpolitik, Wirtschaft und Gesellschaft bunt gemischt. Sie werden für diesen Sonderfall in der Rubrik Nachrichten/Berichte (7 1/2) zusammengefaßt.108
2.4.2 Spartenverteilung NEUES DEUTSCHLAND
Sparte ND 49 ND 54 ND 59 i ND 641ND 69 ND 74 1
Titelseite 9 8
. .
9 ; 7 7 8Politik 11 i 18 14 1/2 j 14 17 17 1/2,Wi rtschaf11Produkti o l 5 1 3 1/2 5 1/2 3 3 1/2!Kultur/Feui1leton/ iWissenschaft 9 1 3 7 4+5 5 6 1/2!Reden/Reportagen 6 1/2 |11 10 11 13 1/2 12 1/2jLeserbr./Diskuss. 1+2 1 1Sport 3 1/2 ¡ 3 4 1/2 8 4 6jBerlin/Lokales 5 4 3 1/2 4 1/2 4 1/2.Anzeigen 1 ! 1 3 2 6 1 1/2Vermischtes 2 3+1
Summe1
52 52. _____ _ . -I ._. ......
56 53+8 61 61
Zusatzauswahl Z|E
Reden 18 112"Februarserie"(div.) 5 14 1Kultur 1 3 211 2Wissenschaft/Technik 1 21 2Reportagen/Reden ¡Beilage Freizeit 1
1 1111
2
Beilage Lokales 11Gemischte Auswahl I 8 1 114 1Anzeigen 1 1 1
Summe 0 , 15 5 33 8 18 8
Anmerkung:
ND 49, 64, 69 enthalten keine Seitenüberschriften, ND 74 abweichende.Die Zuordnung erfolgte sinngemäß.
Die Zusatzauswahlen ND 69/Z und ND 74 entstammen der Wochenendbeilage "ND am Wochenende".
In ND 64 ist die Beilage "Die gebildete Nation" in den Hauptfile integriert (+ 8 Seiten).1) incl. Theater-, Rundfunk-/Fernseh-Programme und Roman2) ND 64: mit Berlin-Teil
109
2.5. Listen der aufgenommenen Seiten
Die folgenden Listen verzeichnen sämtliche nach dem statistischen Aus
wahlverfahren aufgenommenen Seiten des BZK 1, also jeweils die Model 1-
mengen. ohne Zusatzmengen. Es handelt sich um genau die Auswahl, die
Grundlage der Microfiche-Veröffentlichung des BZK 1 ist, mit Ausnahme
der Liste des Jahrgangs WE 49; dort sind die mit Z gekennzeichneten Sei
ten nicht in die Modellmenge aufgenommen worden.
Da den Seiten das genaue Datum und die Artikelnummer zugeordnet sind,
kann jeder im BZK 1 gespeicherte Artikel und jeder daraus extrahierte
Beleg datiert werden.
Die Artikel nummern in der rechten Spalte vermerken jeweils die niedrig
ste und höchste Artikelnummer auf der betreffenden Seite. Dazwischen
liegende Nummern müssen nicht unbedingt besetzt sein. Beim Übergang von
einem Blatt zum nächsten bleiben aus organisatorischen Gründen ohnehin
meist Nummern frei.
Die Listen sind durchgehend chronologisch geordnet. Die Artikelnume
rierung und (selten) die Blattnumerierung können springen. Auf dem Mag
netband und in der Microfiche-Veröffentlichung (Gruppe Klartexte) liegen
die Artikel dagegen in strikt numerisch aufsteigender Folge.
Die Numerierung in der linken Spalte bezieht sich auf die ausgewählten
Seiten in der Textvorlage, die im IdS blattweise durchnumeriert, archi
viert und gebunden wurde. Wer sich für den Originalartikel, seine Auf
machung und Plazierung auf der Seite etc. interessiert, kann über die
Blattnummer am einfachsten darauf zurückgreifen und ggf. dazu eine Foto
kopie/Rückvergrößerung beim IdS bestellen.
110
IDS-BLATT DATUM TAG SEITE ART.-NR.
Z 1 06.01. Do 5 2001-20231 11.01. Di 1 0030-0048
Z 2 22.01. Sa 4 2055-20972 27.01. Do 2 0105-0118
Z 3 01.02. Di 3 2125-21303 12.02. Sa 3 0135-0141
Z 4 17.02. Do 2 2147-21624 22.02. Di 4 0170-0201
Z 5 05.03. Sa 1 2170-21895 10.03. Do 5 0210-0234
Z 6 15.03. Di 6 2200-22296 26.03. Sa 6 0240-0269
Z 7 31.03. Do 4 2240-22807 05.04. Di 1 0275-0300
Z 8 16.04. Sa 5 2290-22978 20.04. Mi 2 0306-0318
Z 9 26.04. Di 2 2300-23139 07.05. So 3 0325-0330
Z 10 12.05. Do 6 2320-234710 17.05. Di 4 0336-0364
Z 11 28.05. Sa 7 2355-237611 02.06. Do 5 0370-0396
Z 12 08.06. Mi 1 2385-241212 18.06. Sa 6 0401-0420
Z 13 23.06. Do 6 2420-244813 28.06. Di 1 0426-044614 06.07. Mi 8 0452-048015 14.07. Do 5 0486-051216 22.07. Fr 2 0518-052717 30.07. Sa 3 0535-054218 30.07. Sa 5 0548-056919 01.08. Mo 4 0575-060320 09.08. Di 5 0610-063221 17.08. Mi 6 0637-064722 25.08. Do 1 0655-067823 02.09. Fr 2 0685-069724 10.09. Sa 9 0705-071025 12.09. Mo 3 0716-072426 20.09. Di 4 0730-075527 28.09. Mi 5 0761-077828 06.10. Do 6 0785-080729 14.10. Fr 1 0815-083730 22.10. Sa 4 0843-086731 22.10. Sa 8 .0868-088732 24.10. Mo 1 0893-091233 01.11. Di 2 0917-092734 09.11. Mi 4 0933-095835 17.11. Do 4 0959-096536 25.11. Fr 3 0970-097937 03.12. Sa 7 0983-099738 05.12. Mo 6 1003-101739 13.12. Di 3 1023-103140 21.12. Mi 8 1037-106341 29.12. Do 2 1070-1081
WELT 1954/1 IDS-BLATT DATUM TAG SEITE ART.-NR.
1 02.01. Sa 1 1- 152 02.01. Sa 11 163 02.01. Sa 16 17- 284 11 .01 . Mo 2 29- 445 19.01. Di 3 45- 596 19.01. Di 5 60- 717 27.01. Mi 4 72- 898 04.02. Do 5 101-1169 12.02. Fr 6 117-124
10 20.02. Sa 7 125-13011 20.02. Sa 12 131-13912 20.02. Sa 17 14013 22.02. Mo 8 141-15414 02.03. Di 1 201-21815 10.03. Mi 2 219-23916 10.03. Mi 9 240-24817 18.03. Do 3 249-26418 26.03. Fr 4 265-27119 26.03. Fr 6 272-29220 03.04. Sa 5 301-30821 03.04. Sa 13 309-31322 03.04. Sa 22 31423 05.04. Mo 6 315-34324 13.04. Di 7 344-35425 21.04. Mi 8 355-37126 29.04. Do 1 372-39227 07.05. Fr 2 401-42128 15.05. Sa 3 422-43529 15.05. Sa 14 436-43930 15.05. Sa 30 440-44831 17.05. Mo 4 449-45832 17.05. Mo 7 459-47633 25.05. Di 5 477-48234 02.06. Mi 6 501-51835 02.06. Mi 10 519-53436 10.06. Do 7 535-53837 17.06. Do 8 539-54238 17.06. Do 9 543-55139 26.06. Sa 1 552-56940 26.06. Sa 15 570-57441 26.06. Sa 20 57542 28.06. Mo 2 576-59343 06.07. Di 3 601-61444 06.07. Di 8 615-62745 14.07. Mi 4 628-63846 22.07. Do 5 639-64747 30.07. Fr 6 648-66648 07.08. Sa 7 70149 07.08. Sa 16 70250 07.08. Sa 21 703-70951 09.08. Mo 8 710-72252 17.08. Di 1 723-74253 25.08. Mi 2 743-76154 02.09. Do 3 801-806
112
IDS-BLATT DATUM TAG SEITE ART:-NR.
55 10.09. Fr 1 807- 82456 10.09. Fr 4 825- 83257 18.09. Sa 5 83358 18.09. Sa 17 83459 18.09. Sa 22 835- 83960 20.09. Mo 6 840- 85261 28.09. Di 7 853- 86262 06.10. Mi 8 901- 92063 14.10. Do 1 921- 93864 22.10. Fr 2 939- 95665 30.10. Sa 3 957- 96166 30.10. Sa 12 962- 96467 30.10. Sa 23 96568 01.11. Mo 4 1001-100969 09.11. Di 5 1010-102370 17.11. Mi 6 1024-102771 25.11. Do 7 1028-103072 25.11. Do 10 1031-104973 03.12. Fr 8 1101-111574 11.12. Sa 1 1116-113475 11.12. Sa 13 1135-113776 11.12. Sa 24 113877 13.12. Mo 2 1139-115978 13.12. Mo 5 1160-117479 21.12. Di 3 1175-117980 29.12. Mi 4 1180-1197
113
WELT 1959/1 IDS-BLATT DATUM TAG SEITE ART.-NR.
1 02.01. Fr 6 0001-00142 10.01. Sa 7 0020-00323 10.01. Sa 14 0040-00524 12.01. Mo 1 0060-00735 12.01. Mo 3 0080-00886 20.01. Di 8 0090-01047 28.01. Mi 11 0110-01258 05.02. Do 2 0130-01459 13.02. Fr 5 0150-0151
10 21.02. Sa 10 0160-016211 21.02. Sa 11 0170-017112 21.02. Sa 12 0180-018113 21.02. Sa 13 0190-019214 23.02. Mo 7 0200-021415 03.03. Di 1 0220-023216 11.03. Mi 2 0240-025817 11.03. Mi 3 0260-026718 19.03. Do 4 0270-028819 19.03. Do 11 0290-029320 28.03. Sa 5 0300-031021 28.03. Sa 15 0320-032122 31.03. Di 6 0330-034223 08.04. Mi 4 0350-036724 08.04. Mi 7 0370-038525 08.04. Mi 9 0390-039626 16.04. Do 8 0400-040727 16.04. Do 15 0410-041328 24.04. Fr 2 0420-044029 24.04. Fr 3 0450-045630 24.04. Fr 14 0460-047331 02.05. Sa 13 0480-049032 04.05. Mo 2 0500-052033 04.05. Mo 10 0530-054734 12.05. Di 5 0550-055735 20.05. Mi 1 0560-057536 20.05. Mi 6 0580-059037 28.05. Do 3 0600-060738 28.05. Do 9 0610-061339 05.06. Fr 4 0620-063740 05.06. Fr 8 0640-064941 05.06. Fr 11 0650-065142 13.06. Sa 2 0660-067243 13.06. Sa 16 0680-069344 15.06. Mo 3 0700-070745 23.06. Di 7 0710-072746 23.06. Di 10 0730-074747 01.07. Mi 5 0750-075948 01.07. Mi 12 0760-076949 09.07. Do 1 0770-078550 09.07. Do 6 0790-079651 17.07. Fr 9 0799-080952 25.07. Sa 4 0810-082453 25.07. Sa 8 0830-084454 27.07. Mo 6 0850-0854
114
WELT 1959/2 IDS-BLATT DATUM TAG SEITE ART.-NR.
55 04.08. Di 11 086056 04.08. Di 12 0870-088857 12.08. Mi 2 0890-090858 12.08. Mi 7 0910-093259 20.08. Do 5 0940-094660 20.08. Do 10 0950-095861 20.08. Do 12 1000-101062 28.08. Fr 1 1020-103063 05.09. Sa 3 1040-104564 05.09. Sa 9 1050-106165 05.09. Sa 13 1070-108066 07.09. Mo 4 1090-110567 07.09. Mo 8 1110-112668 15.09. Di 1 1130-114769 23.09. Mi 6 1150-115670 23.09. Mi 8 1160-116471 01.10. Do 2 1170-118472 09.10. Fr 5 1190-119473 09.10. Fr 10 1200-120174 09.10. Fr 12 1210-122775 17.10. Sa 1 1230-124676 17.10. Sa 16 1250-126877 19.10. Mo 6 1270-128478 27.10. Di 8 1290-130279 27.10. Di 10 1310-131180 04.11. Mi 14 1320-133481 12.11. Do 7 134082 20.11. Fr 9 1350-136783 28.11. Sa 10 1370-137384 28.11. Sa 12 1380-138285 30.11. Mo 2 1390-140686 30.11. Mo 5 1410-141987 30.11. Mo 9 1420-142788 08.12. Di 7 1430-144589 08.12. Di 9 1450-145390 08.12. Di 11 146091 16.12. Mi 3 1470-147592 16.12. Mi 4 1480-149793 24.12. Do 3 1500-150794 24.12. Do 4 1510-152395 28.12. Mo 1 1530-1547
115
WELT 1964/1 IDS-BLATT DATUM TAG SEITE ART.-NR.
1 02.01. Do 1 1- 182 02.01. Do 2 19- 323 02.01. Do 4 35- 51
Z 1 04.01. Sa I 1801Z 2 04.01. Sa II 1802-1805
4 10.01. Fr 3 52- 585 10.01. Fr 3 59- 63
Z 3 16.01. Do I 1806-18176 18.01. Sa 5 65- 667 18.01. Sa 6 67- 698 20.01. Mo 7 70- 869 20.01. Mo 8 87- 9610 20.01. Mo 9 100- 11611 28.01. Di 10 155- 17112 28.01. Di 11 172- 17413 28.01. Di 12 175- 18614 05.02. Mi 13 234- 24015 05.02. Mi 14 241- 25616 13.02. Do 15 288- 29317 13.02. Do 16 294- 300
Z 4 15.02. Sa II 1821-1826Z 5 15.02. Sa IV 182018 21.02. Fr 1 339- 35719 21.02. Fr 2 358- 37320 21.02. Fr 3 374- 38021 29.02. Sa 3 413- 41722 29.02. Sa 4 418- 42723 29.02. Sa 11 428- 44124 02.03. Mo 1 1600-161525 02.03. Mo 5 442- 44626 02.03. Mo 6 447- 45327 10.03. Di 7 454- 47028 10.03. Di 8 471- 48229 10.03. Di 12 483- 49330 18.03. Mi 9 495- 51331 18.03. Mi 10 514- 52232 26.03. Do 11 523- 52833 26.03. Do 12 529- 54034 26.03. Do 13 541- 55235 03.04. Fr 15 553- 56236 03.04. Fr 16 564
Z 6 04.04. Sa III 1828Z 7 04.04. Sa VII 182737 11.04. Sa 17 582- 58738 11.04. Sa 18 58839 11.04. Sa 31 1616-161840 11.04. Sa 32 1619-162041 13.04. Mo 1 589- 60542 13.04. Mo 13 606- 62143 13.04. Mo 14 622- 63244 21.04. Di 19 633- 638
648- 64945 21.04. Di 20 635, 70046 29.04. Mi 21 637, 639
116
WELT 1964/2 IDS-BLATT DATUM TAG SEITE ART.-NR.
47 29.04. Mi 22 640- 642Z 8 07.05. Do II 1829-183248 15.05. Fr 3 681- 68749 15.05. Fr 4 688- 69850 15.05. Fr 13 699- 707
Z 9 16.05. Sa IV 1834-1846Z10 16.05. Sa X 183351 23.05. Sa 5 721- 72852 23.05. Sa 6 708- 72053 23.05. Sa 48 162154 23.05. Sa 57 1622-162355 25.05. Mo 7 729- 75056 25.05. Mo 8 751- 76257 02.06. Di 5 764- 77658 02.06. Di 9 777- 79259 02.06. Di 10 793- 808
Z U 04.06. Do V 184760 10.06. Mi 11 809- 82961 10.06. Mi 12 830- 84362 17.06. Mi 2 1624-164063 17.06. Mi 13 844- 85364 17.06. Mi 14 854- 86265 26.06. Fr 1 1680-169666 26.06. Fr 15 863- 86467 26.06. Fr 16 865- 87068 04.07. Sa 17 87269 04.07. Sa 18 873- 87770 04.07. Sa 26 1641-164471 04.07. Sa 27 1645-1647
ZI 2 04.07. Sa V 1848-185272 06.07. Mo 3 878- 88473 06.07. Mo 4 885- 90474 14.07. Di 5 905- 91375 14.07. Di 6 915- 92476 22.07. Mi 6 925- 93077 22.07. Mi 7 931- 94978 22.07. Mi 8 950- 95979 30.07. Do 9 960- 96480 30.07. Do 10 96581 07.08. Fr 5 1648-165282 07.08. Fr 13 966- 98583 07.08. Fr 14 986- 99184 15.08. Sa 21 99285 15.08. Sa 22 993
ZI 3 15.08. Sa VI 1854-1855Z14 15.08. Sa XVI ■ 185386 17.08. Mo 11 994- 99587 17.08. Mo 12 996-101288 25.08. Di 1 1013-103189 25.08. Di 2 1032-104990 25.08. Di 8 1050-1064
Z15 27.08 Do III 1856-186291 02.09. Mi 1 1065-108092 02.09. Mi 2 1081-1097
WELT 1964/3 IDS-BLATT DATUM TAG SEITE ART.-NR.
93 10.09. Do 3 1098-110294 10.09. Do 4 1103-111595 10.09. Do 7 1116-113196 18.09. Fr 5 1132-114297 18.09. Fr 6 1143-115098 26.09. Sa 23 1151-115299 26.09. Sa 25 1153-1159100 28.09. Mo 7 1160-1177101 28.09. Mo 8 1178-1192Z16 03.10. Sa I 1864-1867Z17 03.10. Sa XIX 1863102 06.10. Di 9 1193-1208103 06.10. Di 10 1210-1229104 14.10. Mi 2 1/00-1716105 14.10. Mi 11 1230-1242106 14.10. Mi 17 1243-1251107 22.10. Do 13 1256-1257108 22.10. Do 14 1258-1264109 22.10. Do 17 1653-1661110 30.10. Fr 14 1265-1274111 30.10. Fr 15 1275-1287112 30.10. Fr 16 1288-1302113 07.11. Sa 9 1303-1323114 07.11. Sa 19 1324-1328115 07.11. Sa 20 1329-1337116 09.11. Mo 1 1338-1354117 09.11. Mo 2 1355-1368118 09.11. Mo 10 1369-1376Z18 14.11. Sa IV 1869-1879Z19 14.11. Sa XXII 1868119 17.11. Di 3 1377-1384120 17.11. Di 4 1385-1400121 25.11. Mi 5 1401-1412122 25.11. Mi 6 1413-1424123 25.11. Mi 9 1662-1677124 03.12. Do 16 1425-1435125 03.12. Do 17 1436-1441
1491-1498Z20 03.12. Do IV 1880-1891126 11.12. Fr 7 1442-1460127 11.12. Fr 8 1461-1472128 19.12. Sa 14 1473-1484130 19.12. Sa 16 1504-1522129 19.12. Sa 19 1485-1490131 19.12. Sa 29 1678132 21.12. Mo 9 1523-1539133 21.12. Mo 10 1540-1554134 29.12. Di 11 1555-1570135 29.12. Di 12 1571-1588
118
WELT 1969/1 IDS-BLATT DATUM TAG SEITE ART.-NR.
1 04.01. Sa 1 201- 2142 04.01. Sa 2 217- 2253 04.01. Sa 3 228- 2344 06.01. Mo 2 238- 2455 06.01. Mo 3 251- 2596 06.01. Mo 4 264- 2837 14.01. Di 3 288- 2968 14.01. Di 4 301- 3089 14.01. Di 5 312- 32510 22.01. Mi 4 334- 35211 22.01. Mi 5 360- 36812 22.01. Mi 6 372- 37813 30.01. Do 5 382- 39514 30.01. Do 6 401- 40315 30.01. Do 7 406- 41316 07.02. Fr 6 417- 41817 07.02. Fr 7 421- 42618 07.02. Fr 8 430- 43519 15.02. Sa 7 445- 44920 15.02. Sa 8 465- 47521 15.02. Sa 9 480- 49322 15.02. Sa 22 500- 50123 17.02. Mo 8 508- 52024 17.02. Mo 9 525- 53025 17.02. Mo 10 535- 55126 25.02. Di 9 557- 56227 25.02. Di 10 56728 25.02. Di 11 571- 58829 05.03. Mi 10 593- 59730 05.03. Mi 11 601- 60231 05.03. Mi 12 60532 13.03. Do 11 610- 62533 13.03. Do 12 630- 63934 13.03. Do 13 645- 65335 21.03. Fr 12 658- 66936 21.03. Fr 13 675- 67837 21.03. Fr 14 683- 69738 21.03. Fr 21 700- 70839 29.03. Sa 15 71240 29.03. Sa 33 717- 71941 29.03. Sa 36 724- 72842 31.03. Mo 14 73243 31.03. Mo 15 736- 74044 31.03. Mo 16 745- 75345 08.04. Di 15 758- 77046 08.04. Di 16 775- 79247 08.04. Di 17 797- 80648 16.04. Mi 16 811- 81449 16.04. Mi 17 819- 82750 16.04. Mi 18 832- 83651 24.04. Do 17 841- 84452 24.04. Do 18 849- 85353 24.04. Do 19 858- 86054 24.04. Do 22 865- 873
WELT 1969/2 IDS-BLATT DATUM TAG SEITE ART.-NR.
55 02.05. Fr 18 878- 88256 02.05. Fr 19 887- 89057 02.05. Fr 20 89560 10.05. Sa 1 940- 95158 10.05. Sa 19 900- 91259 10.05. Sa 20 917- 93162 12.05. Mo 1 979- 99163 12.05. Mo 2 996-100361 12.05. Mo 20 956- 97464 20.05. Di 1 1008-102065 20.05. Di 2 1025-103266 20.05. Di 3 1037-104067 28.05. Mi 2 1045-105268 28.05. Mi 3 1057-105969 28.05. Mi 4 1064-107970 05.06. Do 3 1084-108871 05.06. Do 4 1093-111372 05.06. Do 5 1118-112573 05.06. DO 21 1130-1>3674 13.06. Fr 4 1141-115775 13.06. Fr 5 1162-116976 13.06. Fr 6 1174-118477 21.06. Sa 5 1189-119578 21.06. Sa 6 1199-120779 21.06. Sa 7 1212-121680 23.06. Mo 6 1221-123181 23.06. Mo 7 1236-124582 23.06. Mo 8 1250-125683 01.07. Di 7 126184 01.07. Di 8 1264-126585 01.07/ Di 9 1270-127686 01.07. Di 22 1281-129987 09.07. Mi 8 1304-130788 09.07. Mi 9 131089 09.07. Mi 10 1315-132190 17.07. Do 9 1326-134191 17.07. Do 10 1345-135692 17.07. Do 11 1361-136693 25.07. Fr 10 137194 25.07. Fr 11 1380-139595 25.07. Fr 12 1400-140796 02.08. Sa 22 1412-141497 02.08. Sa 23 1420-142198 02.08. Sa 24 1430-143499 04.08. Mo 12 1439-1456
100 04.08. Mo 13 1460-1469101 04.08. Mo 14 1474-1485102 12.08. Di 13 1490-1492103 12.08. Di 14 1497-1508104 12.08. Di 15 1513-1517105 20.08. Mi 14 1522-1536106 20.08. Mi 15 1541-1543107 20.08. Mi 16 1548-1551108 28.08. Do 15 1556-1558
120
WELT 1969/3 IDS-BLATT DATUM TAG SEITE ART.-NR.
109 28.08. Do 16 1563-1572110 28.08. Do 17 1577-1584111 05.09. Fr 16 1590112 05.09. Fr 17 1595-1610113 05.09. Fr 18 1615-1616114 05.09. Fr 21 1620-1625115 13.09. Sa 17 1630-1634116 13.09. Sa 18 1639-1648117 13.09. Sa 19 1653-1655118 15.09. Mo 18 1660-1669119 15.09. Mo 19 1674-1679120 15.09. Mo 20 1684-1693121 15.09. Mo 21 1698-1703124 23.09. Di 1 1738-1749122 23.06. Di 19 1708-1714123 23.06. Di 20 1719-1733126 01.10. Mi 1 1772-1784127 01.10. Mi 2 1789-1796125 01.10. Mi 20 1754-1767128 09.10. Do 1 1801-1813129 09.10. Do 2 1818-1825130 09.10. Do 3 1830-1832131 17.10. Fr 21 1837-1848132 17.10. Fr 24 1853-1862133 17.10. Fr 25 1867-1873134 17.10. Fr 26 1878-1896135 25.10. Sa 25 1901-1908136 25.10. Sa 26 1913-1918137 25,10. Sa 27 1925138 27.10. Mo 4 1935-1950139 27.10. Mo 5 1955-1962140 27.10, Mo 6 1967-1978143 04.11, Di 7 2012-2021141 04.11. Di 17 1983-1992142 04.11. Di 18 1997-2007144 12.11. Mi 27 2026-2030145 12.11, Mi 28 2035-2051146 12.11, Mi 29 2056147 20.11. Do 22 2061-2066148 20.11. Do 23 2071-2081149 20.11. Do 24 2086150 20.11. Do 25 2091-2097151 28.11. Fr 8 2102-2106152 28.11. Fr 9 2111-2118153 28.11. Fr 23 2123-2129154 06.12. Sa 30 2134-2135155 06.12. Sa 31 2140-2144156 06.12. Sa 32 2149-2150157 08.12. Mo 10 2155-2163158 08.12. Mo 11 2170-2183159 08.12. Mo 12 2188-2196160 16.12. Di 11 2204-2218161 16.12. Di 12 2228-2231162 16.12. Di 13 2236-2245
121
WELT 1969/4 IDS-BLATT DATUM TAG SEITE ART.-NR.
163 24.12. Mi 13 2250-2254164 24.12. Mi 14 2259-2265165 24.12. Mi 15 2270-2275166 31.12. Mi 13 2280-2283167 31.12. Mi 14 2288-2294168 31.12. Mi 16 2299-2308
122
IDS-BLATT DATUM TAG SEITE ART.-NR.
1 02.01. Mi 1 0001-00112 02.01. Mi 2 0016-00343 02.01. Mi 3 0040-00424 10.01. Do 2 0047-00625 10.01. Do 3 0067-00696 10.01. Do 4 0074-00847 18.01. Fr 3 0085-00908 18.01. Fr 4 0095-01059 18.01. Fr 5 0110-0118
10 26.01. Sa 32 012411 26.01. Sa 33 0130-013112 26.01. Sa 34 0136-014113 28.01. Mo 5 0146-015314 28.01. Mo 6 0158-016815 28.01. Mo 7 0174-018616 05.02. Di 6 0191-020117 05.02. Di 7 0206-021518 05.02. Di 8 0225-024019 13.02. Mi 7 0245-025120 13.02. Mi 8 0256-026121 13.02. Mi 9 0266-028522 21.02. Do 8 0290-030123 21.02. Do 9 0305-032024 21.02. Do 10 0325-033925 01.03. Fr 9 0345-035126 01.03. Fr 10 035627 01.03. Fr 11 0360-037928 09.03. Sa 10 0384-039329 09.03. Sa 11 0398-041230 09.03. Sa 12 0415-042431 11.03. Mo 11 042932 11.03. Mo 12 0434-043533 11.03. Mo 13 0440-045334 19.03. Di 12 0460-046835 19.03. Di 13 0475-047836 19.03. Di 14 0480-048537 27.03. Mi 13 0490-049638 27.03. Mi 14 0500-051239 27.03. Mi 15 0520-052240 04.04. Do 14 0530-053741 04.04. Do 15 0540-054342 04.04. Do 16 0550-055843 13.04. Sa 24 0565-056844 13.04. Sa 27 0575-057945 13.04. Sa 28 0585-059046 20.04. Sa 16 0600-060847 20.04. Sa 17 0615-061748 20.04. Sa 18 062049 22.04. Mo 17 0625-063350 22.04. Mo 18 0640-065351 22.04. Mo 19 0660-066952 30.04. Di 18 067553 30.04. Di 19 0680-068354 30.04. Di 20 0690-0697
123
WELT 1974/2 IDS-BLATT DATUM TAG SEITE ART.-NR.
55 08.05. Mi 19 0700-071056 08.05. Mi 1 0720-072957 16.05,. Do 1 0735-073958 16.05. Do 2 0745-075859 16.05. Do 3 0765-077460 24.05. Fr 2 0780-079561 24.05. Fr 3 0800-081362 24.05. Fr 4 0820-083163 01.06. Sa 29 0840-084264 01.06. Sa 30 0850-085365 01.06. Sa 31 0860-086466 04.06. Di 4 0870-088167 04.06. Di 5 0890-090268 04.06. Di 6 0910-092569 11.06. Di 5 0930-094370 11.06. Di 6 0950-095971 11.06. Di 7 096572 19.06. Mi 6 0970-097873 19.06. Mi 7 098574 19.06. Mi 8 0990-099775 27.06. Do 7 1000-100776 27.06. Do 8 1010-101977 27.06. Do 9 1025-103578 05.07. Fr 8 1040-105179 05.07. Fr 9 1060-107180 05.07. Fr 10 1080-108981 13.07. Sa 9 1095-109782 13.07. Sa 10 1100-110783 13.07. Sa 11 1115-112484 15.07. Mo 10 1130-114085 15.07. Mo 11 1145-115186 15.07. Mo 12 1160-116687 23.07. Di 11 117588 23.07. Di 12 1180-119289 23.07. Di 13 1200-120990 31.07. Mi 12 1215-122591 31.07. Mi 13(1) 123092 31.07. Mi 14(2) 1235-123693 08.08. Do 13 1245-124994 08.08. Do 14 1255-126795 08.08. Do 17 1275-128696 16.08. Fr 14 1295-130997 16.08. Fr 1 1315-132798 16.08. Fr 2 1335-135199 24.08. Sa 1 1360-1371100 24.08. Sa 2 1380-1395101 24.08. Sa 3 1400-1410102 26.08. Mo 2 1415-1431103 26.08. Mo 4 1440-1452104 26.08. Mo 5 1460-1468105 03.09. Di 6 1475-1483106 03.09. Di 7 1490-1494107 03.09. Di 8 1500-1506108 11.09. Mi 9 1515-1527
124
IOS-BLATT DATUM TAG SEITE ART.-NR
109 11.09. Mi 10 1535-1546110 19.09. Do 11(111) 1555-1560111 19.09. Do 12(IV) 1565-1568112 27.09. Fr 13 1575-1584113 27.09. Fr 14 1590-1594114 05.10. Sa 25 1600115 05.10. Sa 26 1605-1606116 07.10. Mo 15 1615-1622117 07.10. Mo 16 1630-1646118 15.10. Di 16 1635-1659119 15.10. Di 17 1665-1669120 15.10. Di 18 1675-1682121 23.10. Mi 17 1690-1695122 23.10. Mi 18(1) 1700-1703123 23.10. Mi 19(11) 1710-1712124 31.10. Do 20(11) 1720-1728125 31.10. Do 21(111) 1735-1738126 31.10. Do 22(IV) 1745-1751127 08.11. Fr 15 1760-1765128 08.11. Fr 20 1770-1781129 08.11. Fr 21 1790-1797130 16.11. Sa 22 1805-1808131 16.11. Sa 23 1815132 18.11. Mo 1 1820-1828133 18.11. Mo 15 1835-1843134 26.11. Di 1 1850-1860135 26.11. Di 16 1865-1870136 26.11. Di 17 1875-1879137 04.12. Mi 22 1885-1886138 04.12. Mi 23 1890-1893139 04.12. Mi 24(1) 1900140 12.12. Do 20(IV) 1910-1915141 12.12. Do 21 1920-1928142 20.12. Fr 3 1935-1943143 20.12. Fr 4 1950-1961144 20.12. Fr 5 1970-1979145 28.12. Sa 15 1985-1991146 28.12. Sa 16 2000-2016147 28.12. Sa 17 2025-2026148 30.12. Mo 4 2035-2047149 30.12. Mo 5 2055-2062150 30.12. Mo 6 2070-2078
125
ND 1949 IDS-BLATT DATUM TAG SEITE ART.-NR.
1 01.01. Sa 5 0001-00032 11.01. Di 2 0010-00273 19.01. Mi 3 0035-00454 27.01. Do 7 0050-00645 04.02. Fr 1 0070-00926 12.02. Sa 4 0100-01257 13.02. So 2 0130-01498 22.02. Di 3 0155-01629 02.03. Mi 4 0170-0174
10 10.03. Do 1 0180-020311 18.03. Fr 2 0210-023412 26.03. Sa 3 0240-025413 27.03. So 8 0260-027314 05.04. Di 4 0280-029815 13.04. Mi 5 0310-032316 21.04. Do 1 0330-034517 29.04. Fr 6 0350-036318 07.05. Sa 2 0370-039519 08.05. So 4 0400-040220 17.05. Di 5 0410-042621 25.05. Mi 1 0435-045622 02.06. Do 6 0465-047623 10.06. Fr 2 0485-051524 18.06. Sa 3 0520-052925 19.06. So 5 0535-054626 28.06. Di 6 0550-056827 06.07. Mi 1 0575-060228 14.07. Do 2 0610-063329 22.07. Fr 3 0640-065130 30.07. Sa 4 066031 31.07. So 6 0670-068932 09.08. Di 1 0700-072133 17.08. Mi 2 0730-075234 25.08. Do 3 0760-076935 02.09. Fr 4 0775-078136 10.09. Sa 5 0790-081137 11.09. So 1 0820-083538 20.09. Di 2 0840-086439 28.09. Mi 3 0870-088440 06.10. Do 5 0890-089341 14.10. Fr 1 0900-092842 22.10. Sa 6 0935-095643 23.10. So 2 0965-098244 01.11. Di 3 0990-100045 09.11. Mi 4 1010-101546 18.11. Fr 5 1020-103747 25.11. Fr 6 1045-106648 03.12. Sa 1 1075-108849 04.12. So 3 1100-111050 13.12. Di 4 1120-112251 21.12. Mi 5 113052 29.12. Do 6 1135-1150
126
IDS-BLATT DATUM TAG SEITE ART.-NR.
1/2 01.01. Fr 1 1- 53 10.01. So 3 700- 7024 19.01. Di 4 28- 335 27.01. Mi 5 34- 496 04.02. Do 7 50- 657 12 02. Fr 2 66- 778 20.02. Sa 3 78- 869 21.02. So 4 703- 71510 02.03. Di 5 95- 10611 10.03. Mi 6 107- 12312 18.03. Do 1 124- 13613 26.03. Fr 3 137- 14314 03.04. Sa 4 144- 14815 04.04. So 7 716- 71916 13.04. Di 5 153- 17017 21.04. Mi 6 171- 18818 29.04. Do 6 630- 63219 07.05. Fr 4 206- 21120 15.05. Sa 5 212- 22521 16.05. So 2 720- 73322 25.05. Di 1 230- 24123 02.06. Mi 2 242- 25324 10.06. Do 3 254- 25825 18.06. Fr 5 259- 27426 26.06. Sa 8 275- 29127 27.06. So 7 735- 74028 06.07. Di 6 300- 31729 14.07. Mi 1 318- 326
32130 22.07. Do 2 327- 34131 30.07. Fr 6 342- 35732 07.08. Sa 1 633- 64333 08.08. So 2 741- 75334 17.08. Di 3 372- 37935 25.08. Mi 4 380- 38636 02.09. Do 5 387- 40637 10.09. Fr 1 407- 42138 18.09. Sa 2 422- 43539 19.09. So 3 755- 76540 28.09. Di 4 448- 45041 06.10. Mi 5 451- 47042 14.10. Do 6 473- 49243 22.10. Fr 1 493- 50444 30.10. Sa 2 505- 51345 31.10. So 4 766- 77046 09.11. Di 8 522- 54447 17.11. Mi 3 545- 55248 25.11. Do 4 553- 56249 03.12. Fr 5 563- 57150 11.12. Sa 6 572- 59051 12.12. So 1 771- 77652 21.12. Di 2 610- 62053 29.12. Mi 3 603- 604
127
ND 1959 IDS-BLATT DATUM TAG SEITE ART.-NR.
1 01.01. Do 1 0001-00072 09.01. Fr 3 0010-00183 17.01. Sa 4 0020-00294 18.01. So 5 0035-00365 26.01. Mo 2 0040-0050.6 03.02. Di 2 0055-00657 11.02. Mi 6 0070-00798 19.02. Do 7 0085-01009 27.02. Fr 1 0105-011810 07.03. Sa 3 012011 08.03. So 4 0125-013012 16.03. Mo 1 0135-014413 24.03. Di 5 0150-016714 01.04. Mi 2 0170-018315 09.04. Do 8 0190-020216 17.04. Fr 6 0210-021417 25.04. Sa 1 0220-022718 26.04. So 3 0230-023319 04.05. Mo 2 0240-025120 12.05. Di 5 0255-026621 20.05. Mi 1 0270-027822 28.05. Do 7 0280-028223 05.06. Fr 4 0290-030424 13.06. Sa 6 0310-031925 14.06. So 1 0325-033426 22.06. Mo 3 0340-034627 30.06. Di 2 0350-036528 08.07. Mi 4 0370-037229 08.07. Mi 5 0380-038830 16.07. Do 6 0395-039831 24.07. Fr 5 0400-040532 24.07. Fr 8 0410-042733 01.08. Sa 4 0430-043834 02.08. So 6 0445-045935 10.08. Mo 1 0460-047136 18.08. Di 3 0480-048937 26.08. Mi 2 0495-050938 03.09. Do 4 0515-051739 11.09. Fr 4 0520-052940 19.09. Sa 2 0535-053841 20.09. So 3 054042 27.09. Mo 8 0555-057643 06.10. Di 1 0580-058444 14.10. Mi 3 059045 22.10. Do 2 0595-060646 30.10. Fr 7 0610-062647 07.11. Sa 5 0630-063348 07.11. Sa 6 0640-064649 08.11. So 3 065050 16.11. Mo 4 0655-066751 24.11. Di 4 0670-067552 02.12. Mi 1 0680-068553 10.12. Do 3 0690-069354 18.12. Fr 2 0700-071255 25.12. Fr 5 0720-073356 28.12. Mo 6 0740-0755
128
ND 1964 IDS-BLATT DATUM TAG SEITE ART.-NR.
1 02.01. Do 1 1- 112 10.01. Fr 2 12- 253 18.01. Sa 3 26- 30
4/5 20.01. Mo 2 31- 496 28.01. Di 3 68- 727 05.02. Mi 4 748 13.02. Do 5 75- 849 21.02. Fr 6 8510 29.02. Sa 7 8911 02.03. Mo 3 90- 9812 10.03. Di 4 99- 10913 18.03. Mi 5 110- 11614 26.03. Do 6 117- 12715 03.04. Fr 7 128- 12916 11.04. Sa 5 130- 15317 13.04. Mo 4 154- 16918 21.04. Di 5 170- 18919 29.04. Mi 6 190- 19420 15.05. Fr 1 195- 20021 23.05. Sa 2 209- 22222 25.05. Mo 3 223- 23423 02.06. Di 6 235- 24524 10.06. Mi 7 246- 27225 18.06. Do 8 273- 28826 26.06. Fr 1 289- 29927 04.07. Sa 2 300- 31728 06.07. Mo 4 348- 35729 14.07. Di 1 358- 36930 22.07. Mi 2 370- 37731 30.07. Do 3 378- 39132 07.08. Fr 8 392- 40533 15.08. Sa 6 406- 42034 17.08. Mo 1 428- 43935 25.08. Di 2 440- 45536 02.09. Mi 3 20737 10.09. Do 4 472- 48238 18.09. Fr 5 48339 26.09. Sa 8 484- 49940 28.09. Mo 6 500- 50841 06.10. Di 3 509- 51342 06.10. Di 10 325- 33543 22.10. Do 2 527- 54244 30.10. Fr 1 543- 55745 07.11. Sa 7 558- 57846 09.11. Mo 3 579- 59447 17.11. Di 4 595- 60048 25.11. Mi 5 601- 61449 03.12. Do 8 615- 63150 11.12. Fr 7 632- 64751 19.12. Sa 6 648- 66652 21.12. Mo 1 667- 68353 29.12. Di 5 684- 686
129
ND 1969/1 IDS-BLATT DATUM TAG SEITE ART.-NR.
T 04.01. Sa 1 1- 92 06.01. Mo 2 11- 264 14.01. Di 3 41- 425 22.01. Mi 4 45- 466 30.01. Do 5 48- 697 07.02. Fr 6 72- 788 15.02. Sa 7 80- 959 17.02. Mo 8 97
10 25.02. Di 1 101- 113E 1 25.02. Di 4 900- 91012 05.03. Mi 2 121- 13213 13.03. Do 3 135- 14214 21 03. Fr 4 146- 15315 29.03. Sa 5 155- 17416 31.03. Mo 6 177- 19617 08.04. Di 7 201- 220
E 2 08.04. Di 8 915- 924E 3 16.04. Mi 3 930- 93318 16.04. Mi 8 222- 23919 24.04. Do 1 243- 25220 02.05. Fr 2 255- 26421 10.05. Sa 3 265- 26722 15.05. Mo 4 270- 28023 20.05. Di 5 283- 28824 28.05. Mi 6 290- 29525 05.06. Do 7 298- 316
E 4 13.06. Fr 5 938- 94426 13.06. Fr 8 320- 33527 21.06. Sa 1 339- 35128 23.06. Mo 2 354- 36529 01.07. Di 3 368- 379
E 5 09.07. Mi 1 950- 95930 09.07. Mi 4 383- 38332 17.07. Do 5 412- 42233 25.07. Fr 6 426- 432
E 6 02.08. Sa 6 965- 96734 02.08. Sa 7 435- 44835 04.08. Mo 8 451- 45236 12.08. Di 1 455- 46837 20.08. Mi 2 471- 48138 28.08. Do 3 484- 48940 05.09. Fr 4 497- 504
E 7 05.09. Fr 7 972- 99341 13.09. Sa 5 507- 51242 15.09. Mo 6 51543 . 23.09. Di 7 518- 53944 01.10. Mi 8 543- 54948 09.10. Do 1 561- 56949 17.10. Fr 2 572- 58550 25.10. Sa 3 58851 27.10. Mo 4 590- 60152 04.11. Di 5 603- 61553 12.11. Mi 6 618- 622
E 8 20.11. Do 2 995-1009
130
ND 1969/2 IDS-BLATT DATUM TAG SEITE ART.-NR.
54 20.11. Do 7 624- 64955 28.11. Fr 8 652- 66556 06.12. Sa 1 668- 67757 08.12. Mo 2 680- 70259 16.12. Di 3 72660 24.12. Mi 4 728- 73761 31.12. Do 5 741- 747
131
ND 1974/1 IDS-BLATT DATUM TAG SEITE ART.-NR.
1 02.01. Mi 1 0001-00122 10.01. Do 2 0018-00293 18.01. Fr 3 00354 26.01. Sa 4 0041-00475 28.01. Mo 5 0055-00796 05.02. Di 3 00857 05.02. Di 6 0091-00988 13.02. Mi 7 0104-01289 21.02. Do 4 0134-014510 21.02. Do 8 0151-016411 01.03. Fr 2 0170-018312 09.03. Sa 3 0189-019313 11.03. Mo 4 0198-021414 19.03. Di 5 0219-023315 27.03. Mi 6 0238-024216 04.04. Do 7 0247-027017 13.04. Sa 5 0295-030718 20.04. Sa 1 0312-031719 22.04. Mo 3 0322-032720 30.04. Di 4 0337-035021 08.05. Mi 3 035522 08.05. Mi 5 0360-036823 16.05. Do 6 0373-037624 24.05. Fr 4 0381-039225 24.05. Fr 7 0396-041626 01.06. Sa 8 0426-043627 04.06. Di 1 0441-044928 11.06. Di 2 0454-047129 19.06. Mi 4 0476-048930 27.06. Do 5 0494-051131 05.07. Fr 6 0516-052032 13.07. Sa 7 0525-054933 15.07. Mo 8 0556-057434 23.07. Di 1 0579-058435 31.07. Mi 2 0589-060936 08.08. Do 3 0614-062237 16.08. Fr 5 0627-063438 24.08. Sa 6 0639-064339 26.08. Mo 2 0648-067040 26.08. Mo 7 0676-068941 03.09. Di 6 0695-069942 03.09. Di 8 0705-072543 11.09. Mi 1 0731-074144 19.09. Do 2 0747-076445 27.09. Fr 5 0770-078146 05.10. Sa 4 0787-079447 07.10. Mo 6 0800-081248 15.10. Di 7 0818-084249 23.10. Mi 8 0852-087350 31.10. Do 1 0879-088851 08.11. Fr 2 08 -090952 08.11. Fr 8 0915-092853 16.11. Sa 3 0935-094654 18.11. Mo 1 0951-0963
132
ND 1974/2 IDS-BLATT DATUM TAG SEITE ART.-NR.
55 18.11. Mo 4 0968-098256 26.11. Di 5 098857 04.12. Mi 7 0995-102358 12.12. Do 8 1030-104959 20.12. Fr 1 1055-106460 28.12. Sa 2 1070-108861 30.12. Mo 3 1095-1106
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2.6 Statistische Angaben
Text1
Artik2
. Sätze3
Zeilen4
token5
types6
type/tokenRel.
7Satz- 1 änge
8Artikel- länge
9Text- 1 äng. Fakt.
D49 820 13498 31561 206186 32077 6,43 15,28 251,44 0,79
D54 591 12931 34255 207624 27869 7,45 16,06 351,31 1,24
D59 522 13044 31914 208003 29231 7,12 15,95 398,47 1,41
D64 630 12625 33285 193844 31288 6,20 15,35 307,69 1,96
D69 649 10775 28390 173554 26818 6,48 16,11 267,42 2,39
D74 795 11135 28390 179043 28022 6,39 16,08 225,21 2,03
D.. 4007 74008 187795 1168254 175305 6,66 15,79 291,55 1,60
W49 768 12251 27073 163359 33383 4,9 13,33 212,71 1,26
W54 901 19211 46626 258281 42794 6,04 13,44 286,66 0,80
W59 1063 22272 48818 292774 47409 6,18 13,15 275,42 0,71
W64 1428 26905 69667 379429 58297 6,51 14,10 265,71 0,51
W69 1411 31246 77838 414466 64179 6,46 13,26 293,74 0,42
W74 1262 26869 62213 362957 59662 6,42 13,51 287,60 0,49
W.. 6833 138754 332235 1871266 305724 6,12 13,49 273,86 0,62
Alle 10840 212762 520030 3039520 481029 6,32 14,29 280,40
Spalte 1 = Zahl der ArtikelSpalte 2 = Zahl der SätzeSpalte 3 = Zahl der Zeilen im Ausdruck bzw. MicroficheSpalte 4 = Zahl der lfd. Wörter (tokens), u = u TextlängeSpalte 5 = Zahl der verschiedenen Wortformen (types) (ohne Sonderzei
chen und Transkriptionszeichen, incl. Zahlen), = Vokabular Spalte 6 = type-token-Relation (tokens/types)Spalte 7 = Durchschnittliche Satzlänge (tokens/Sätze)Spalte 8 = Durchschnittliche Artikellänge (tokens/Artikel)Spalte 9 = Textlängenfaktor (tokens WELT/tokens ND)
(tokens ND/tokens WELT)
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3. ZUR CODIERUNG DES BZK 1
3.1. Allgemeines zur Textcodierung
Unter Textcodierung verstehe ich zunächst jede Art von absichtlicher
Veränderung an Texten, die man vornimmt, wenn man Texte auf Datenträger
übertragen und maschinenverfügbar machen will.
Auch "Text" ist sehr allgemein zu verstehen: gemeint sind damit nicht
nur die Buchstaben und Zeilen, die sich zu Wörtern, Sätzen und Text im
linguistischen Sinne verbinden (das wäre sehr einfach), sondern auch
alles andere, was sich z.B. auf einer Zeitungsseite befindet, z.B. Bil
der (Fotos), Tabellen und Graphiken, Spartenüberschriften und Impressum,
Werbezeichnungen, Firmenembleme, Warenzeichen und Lottozahlen. Es ge
hören dazu auch die besonderen Mittel, die eine Zeitung anwendet, um
Texte zu gliedern, Textteile hervorzuheben oder in Beziehung zu anderen
zu setzen, wie unterschiedliche Schriftgrade (z.B. bei Überschriften)
oder Schriftdicken, mehrspaltiger Satz, Einrückungen, Sperrungen, Stri
che, Punkte und Pfeile, 5ymbolzeichen der verschiedensten Art (z.B. für
Telefon, Paragraph, Prozent, Dollar usw.).
Gegenüber dieser Fülle an Möglichkeiten mutet der Zeichenvorrat in DV-
Anlagen und die Möglichkeiten ihn einzusetzen geradezu ärmlich an: Auf
den früheren Lochkartengeräten waren gerade 48 Zeichen, auf den späteren
64 Zeichen verfügbar; ein moderner Bildschirm mit Groß-/Kleinschreibung
verfügt über 84 Zeichen, die normalen Schnelldrucker-Ketten über 126
Zeichen, Hinzu kommt, daß in der Textvorlage nebeneinander Geordnetes
(wie Mehrspaltensatz, Tabellen, Graphiken oder Zeichnungen mit inte
griertem Text) bei der Erfassung in eine lineare Ordnung gebracht werden
muß.
Eine Veränderung oder Bearbeitung ist also in jedem Falle unerläßlich.
Die Frage ist, in welchem Sinne diese Veränderung vorgenommen werden
sol 1 .
Eine Textdokumentation, die für möglichst viele verschiedene, auch vor-
135
her nicht bekannte Zwecke dienen soll, wird vor allem der Forderung nach
möglichst weitgehender dokumentarischer Treue folgen, also dem Grund
satz: so wenig abändern wie möglich. Das impliziert die Forderung nach
Vollständigkeit und nach zeichengetreuer Umsetzung und nach Verzicht auf
Zutaten.
Dagegen wird der Benutzer, hier also der auswertende Linguist, auch wenn
er die "ganze" Zeitung als Textgrundlage wünscht, "Vollständigkeit"
nicht so umfassend verstehen wie der Dokumentär: Gleichbleibende Teile
wie der Zeitungskopf, Spartenüberschriften, Impressum, Preisangaben der
Zeitung etc. interessieren ihn nicht, selten auch Zahlenkolonnen, wie
sie in den täglichen Börsenübersichten Vorkommen. Dafür interessieren
ihn um so mehr linguistische Merkmale, die der Originaltext in aller Re
gel keineswegs in der gewünschten Eindeutigkeit oder Vollständigkeit
liefert, z.B. eine Markierung der Satzgrenzen und der Satzgliederung
oder z.B. eine Beschränkung der Großschreibung auf Substantive und An
redenpronomen; auch wünscht er vielleicht Überschriften von Normaltext
oder deutschen Text von fremdsprachigem zu unterscheiden oder die Anfüh
rungszeichen funktional zu differenzieren. Das alles mußte bei der Er
fassung durch Auslassungen oder Einfügungen unterschiedlicher Art gere
gelt werden. Bei der Formulierung dieser Codierregeln tritt erfahrungs
gemäß eine Schwierigkeit auf: Vieles was dem später auswertenden und
deshalb vorher regelformulierenden Linguisten ganz klar zu sein scheint,
ist so klar in der Praxis nicht, und vor allem nicht den Schreibkräften,
die die Regeln anzuwenden haben (z.B.: was ist ein Name? was ist ein
Satzschluß?). Je mehr Ausnahmeregelen oder Interpretationshilfen eine
Codierregel nach sich zieht, um so mehr spricht dafür, auf sie zu ver
zichten und lieber genau so zu schreiben, wie es in der Textvorlage
steht. Auch bei der Codierung der Bonner Zeitungstexte ist die anfäng
liche Codierungseuphorie einer zunehmenden Skepsis gewichen.
Grundsätzlich muß aber für jede Codierung gelten: Sie muß als solche
formal erkennbar sein und sie muß reversibel sein. Eine Codierung, die
den ursprünglichen Textzustand nicht wieder herzustellen erlaubt, ver
fälscht ihn und macht darauf bezogene Auswertungen unmöglich. Man muß
gute Gründe haben, um dies inkauf zu nehmen.
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Sind die Forderungen des Dokumentars nach Vorlagentreue und des auswer
tenden Linguisten nach erleichterter Auswertbarkeit durch Codierung
schon oft schwer vereinbar, so tritt als dritte Forderung die des Daten
verarbeiters nach formaler Konsequenz hinzu: Gleiches habe auch formal
gleich zu sein (= identische Zeichenketten), Zusammengehöriges muß auch
zusammen geschrieben sein (kein Leeranschlag im "Wortinneren"); zwischen
Wort und Nichtwort, Satz und Nichtsatz, Text und Nichttext ist eindeutig
zu unterscheiden. Diese Forderung führt unter Umständen zu Veränderungen
am und im Wort, an Satzzeichen, am Text überhaupt, die einer der beiden
obengenannten Forderungen oder beiden widersprechen. Obwohl die Be
nutzung z.B. alphabetischer Register ohne Zweifel die Berücksichtigung
bestimmter Sortierkriterien - und damit bestimmter Codierungen - nahe
legt, ist auch hier Skepsis am Platz: Es hat keinen Zweck, aus Gründen
der Datenverarbeitung den Texten eine Einheitlichkeit überzustülpen, die
diese nun einmal nicht haben. Schreibvarianten und Sortierprobleme wird
es immer geben. Perfekte Register sind nur um den Preis starker Ein
griffe in den Text und/oder sehr hohen Codieraufwandes zu haben.
Eine letzte Forderung, die in der Praxis sogar von ausschlaggebendem Ge
wicht sein kann, kollidiert möglicherweise mit allen drei vorgenannten:
die Forderung nämlich, daß auf ein bestimmtes, schon vorhandenes und
lange praktiziertes Codiersystem Rücksicht zu nehmen ist und daß neue
Texte, auch um eine einheitliche maschinelle Auswertung zu gewährlei
sten, sich diesem System anzupassen haben, - Forderungen eins bis drei
hin oder her.
So galt z.B. für das Mannheimer Korpus von Anfang an die Regel: Jeder
Satz wird durch Punkt zwischen blanks (= Leeranschlag) geschlossen. Nach
Fragezeichen, Ausrufezeichen wird zusätzlich ein Satzschlußpunkt ge
setzt. Wenn gar kein Satzschlußzeichen vorhanden ist, wird trotzdem
Punkt zwischen blanks gesetzt. Grund für die strikte Satzschlußregelung
war, daß der linguistische Ansatz für das Mannheimer Korpus 1 vor allem
ein grammatisch-syntaktischer war: es sollten Sätze gefunden und ana
lysiert werden. Da das Korpus ganz überwiegend aus literarischen Texten
bestand, traten Probleme kaum auf: Die meisten Sätze schlossen ohnehin
mit Punkt; die Codierung für Fragezeichen und Ausrufezeichen war re-
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versibel, Sätze ohne Satzschlußpunkt kamen fast nur in Überschriften
vor, und diese wiederum waren codiert, genauer: transkribiert.
Erst bei der Anwendung auf Zeitungstexte wurde die Problematik erkenn
bar: Bis zu 15 X der "Sätze" sind in der Textvorlage nicht durch Satz
schlußpunkte abgeschlossen. Vor allem in Tabellen, Listen, Schaubildern,
in zahlreichen Werbeanzeigen werden andere als die laut DUDEN vorgese
henen Mittel zur Gliederung von Äußerungen benutzt (z.B. solche des
layout). Aber auch in Familien- und Kleinanzeigen, bei Aufrufen, Paro
len, Slogans, in BiIdbeiSchriften, Bilanzen und Bekanntmachungen wird
vom Mittel des klassischen Satzschlußpunktes manchmal nur sparsam oder
ungewöhnlicher Gebrauch gemacht. Hier wird die sonst unproblematische
Codierregel für Satzschlüsse nicht nur für die Schreibkräfte problema
tisch, sondern auch, mangels "richtiger Sätze", für die spätere lin
guistische Auswertung. Vor allem aber verstößt sie gegen das Prinzip der
Reversibilität: Man kann den DV-gespeicherten Texten nicht mehr ansehen,
was in der Textvorlage gestanden hat.
Gleichwohl wurde bei der Anpassung des BZK an die Mannheimer Konven
tionen diese Regelung aus den erwähnten Gründen übernommen und ange
wandt. Uns schien dies vertretbar, da die ursprüngliche Bonner Version
ja weiterhin zugänglich ist. Wer sich also für die Frage interessiert,
wie häufig z.B. in den Bonner Zeitungstexten der Satzschlußpunkt wirk
lich vorkommt, kann die Bonner Version benutzen.
Im übrigen ist die auf das BZK angewandte Codierung, wie nicht anders zu
erwarten, ein Kompromiß.
Als oberster Grundsatz galt allerdings: So textnah wie möglich. Gegen
über dem Gebot der Vollständigkeit wurden gewisse Abstriche gemacht:
Zeitungskopf, Impressum, Spartenüberschriften und anderes stets Gleich
bleibendes wird als Nicht-Text definiert und übergangen. Anderes, das im
laufenden Text vorkommt, aber ohne erkennbares linguistisches Interesse
ist, wie z.B. Zahlenkolonnen, wird ausgelassen, aber das Ausgelassene
durch Hinweis gekennzeichnet. Auch Dinge, die durch Schrift nicht wie
derzugeben sind, wie Graphiken, Firmenembleme, Zeichnungen, Fotos, Sym-
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bolzeichen, werden ausgelassen, aber als Ausgelassenes gekennzeichnet.
Drucktechnische Besonderheiten wie Halbfettdruck, Sperrdruck, Kursive
o.a. werden im BZK nicht markiert.
3.2 Arten von Codierungen
Wir unterscheiden
a) Codierungen am Wort, die bei der Textzerlegung sortierrelevant werden:
z.B. Großschreibung am Satzanfang wird ausgeglichen; Großgeschriebene Adjektive als Teil von Eigennamen und Personen-Fami1iennamen erhalten Zusatzmarkierungen.Hybridwörter aus Zahlen und Buchstaben werden mit Bindestrich durchgekoppelt, (7-1/2-t-Kipper statt 7 1/2 t Kipper) etc.
b) Codierungen im Satz, die Sonderzeichen ihrer Funktion nach (syntaktische oder andere) vereindeutigen:
z.B. alle Zeichen mit syntaktischen Funktionen stehen zwischen blanks etc.
c) Codierungen bestimmter Textstellen, die es erlauben, diese Textstellen gesondert anzusprechen oder zu übergehen. (Diese Codierungen heißen Transkriptionen):
z.B. Überschriften, fremdsprachige Textstellen usw. werden durch Einfügen von Transkriptionszeichen am Anfang und am Ende markiert.
d) Codierungen an der Textgestalt
z.B. Überschriften werden durch Leerzeile vom Normaltext getrennt; Absätze werden durch Einrückung von 3 Leeranschlägen oder durch Leerzeile markiert.
Diese Codierungen sollen die Lesbarkeit des dv-gespeicherten Textes verbessern.
Die Forderung nach Reversibilität ist - mit Ausnahme der erwähnten Satz
schluß-Regelung und drei weiteren sehr marginalen Punkten (siehe unter
3.3, Absatz 4)) berücksichtigt.
Abweichungen von der Textvorlage aus Gründen der Sortierung wurden nur
sehr sparsam zugelassen und gegenüber der früheren Mannheimer Konvention
noch weiter vermindert.
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3.3. Aus den Codiervorschriften für das BZK 1
Vorbemerkung: Die folgenden Codierungen und Regeln gelten für die über
arbeitete, den Mannheimer Konventionen weitgehend angepaßte Version des
BZK 1. Für die Bonner Ausgangsversion gelten in den mit (*) (Sternchen)
bezeichneten Fällen andere Regeln, die bei Benutzung der Bonner Version
zu erfragen sind.
1. Drucktechni sches
Impressum und Seitenüberschriften werden generell übergangen, ebenso der Zeitungskopf auf der Titelseite.
Sperrung, Kursive, Halbfett o.ä. werden nicht gekennzeichnet (vgl. aber Überschriften), ebensowenig diakritische Zeichen (Akzente u.a.).
Versalienschreibung wird umgesetzt in Normal Schreibung, Abkürzungen bleiben unverändert.
Zur Textgliederung werden, möglichst in Anlehnung an die Vorlage, Leerzeile und/oder Einrückung um 3 blanks verwendet.
Fette Punkte zur Textgliederung am Zeilenanfang werden durch Spiegelstriche zwischen blanks wiedergegeben.
Überschriften und Zwischenüberschriften werden vom Normaltext durch Leerzeile abgesetzt.
ORIGINAL ABSCHRIFTDIE WELT die WeltGmbH GmbH
2. Transkriptionen(*)
a+ ....... +a = übersetzte Textstelle(*)c+ ....... +c = Bi 1 dbei schri ft (*)f+ ....... +f = Fremdsprachliche Textstellem+ ....... +m = Mundartliche Textstelleo+ +o = Ostzitat in Westtextq+ +q = Quellenangabe:
Ort, Tag, Agentur (am Kopf von Artikeln)u+ ....... +u = Überschriften, Zwischenüberschriftenv+ +v = Verfasserangaben (am Anfang oder Schluß von
Artikeln)w+ ..... +w = Westzitat in Osttextx+ ...... +x = Nichtabdruckbare Symbolzeichen (z.B. x+ Durch
messer +x, x+ Pfund Sterling +x), nicht Schreibbares (x+ Foto +x, x+ Tabelle +x etc.) undSchreibkommentare (z.B. x+ Textstelle unlesbar+x)
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y+ ....... +y = Wegzulassendes(z.B. Anzeigenchiffren, Zahlenkolonnen und Börsentabellen in Bilanzen etc.)
3. Behandlung von Zusammensetzungen und Abkürzungen
ORIGINALMi t-sich-geschehen-lassen Wald- und Wiesen-Tee SPD - Fraktion Dr.Str."Entwicklungs"-Völker(Wasser)Bal1(Wasser-)Bal1CDU / CSU1980 / 81km/h6 1/2 Prozenter
ABSCHRIFTMit-sich-geschehen-1assen Wald- und Wiesen-Tee SPD-Fraktion Dr.(*)Str.(*)" Entwicklungs"-Völker(*)( WasserJBal1(*)( Wasser-JBall(*)CDU/CSU1980/81(aber: 1933 - 1945) km/h6-1/2-Prozenter
4. Zahlen und Zahlenverhältnisse; Mathematische Ausdrücke und Formeln
Dezimalzahlen gelten als ein Wort, werden also ohne Blank vor und nach dem Komma geschrieben.
Der angelsächsische Dezimalpunkt wird als Dezimalkomma geschrieben.
ORIGINAL ABSCHRIFT123,45 123,454.2 4,2150 000 1500001.250.000,25 1.250.000,2511 l-l/2(*)
Jo9.30 Uhr
Mathematische Operatoren werden wie in der Textvorlage geschrieben. Malzeichen: x*)
Formeln werden wie folgt geschrieben
10® 10E5 (E steht für ExponentM*)N„H. N2H4ZN?NH3)2CL2 ((ZN(NH3)2CL2))(*)
Eckige Klammern sind als nicht abdruckbare Zeichen durch runde Klammern zu ersetzen.(*)
Römische Zahlen werden in arabische Ziffern umgesetzt.
Als einziges Symbolzeichen ist das Zeichen % (Prozent) zulässig.(*) Alle anderen werden umschrieben und mit x+ ... +x transkribiert (siehe 2.).
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5. Behandlung von Satzzeichen
Zwischen Satzzeichen und Wort (Zahl) bzw. Satzzeichen und Satzzeichen steht immer ein blank.
Das letzte Zeichen eines Satzes ist immer Punkt - auch dann, wenn in der Vorlage ein anderes oder gar kein Satzschlußzeichen steht.(*) Deshalb sind am Ende des Satzes ggf. folgende Umstellungen bzw. Punkt-Ergänzungen erforderlich.
ORIGINAL
.)
!" ?"
ABSCHRIFT
mit folgender Großschreibung
T Punkt wird umgesetzt
Punkt wird ergänzt
Auch Buchtitel, Untertitel und Überschriften gelten als Satz und sind mit Punkt zu schließen. Danach folgt eine Leerzeile.Ausnahme: Überschriften, die Teil des ersten Satzes eines Textes sind. Beispiel:
ORIGINALWIR SIND DIE BESTEN sagte Uwe gestern zu unserem Reporter
Regelung bei Aufzählungen
ABSCHRIFTu+ wir sind die Besten +u sagte Uwe gestern zu unserem Reporter .
Aufzählungsmerkmale gelten als eigenständige Sätze und bekommen einen Satzpunkt, wenn vollständige Sätze folgen, deren Anfang in der Vorlage groß geschrieben wird.
Abschnittsgliederungsmerkmale, die ohne Einleitung größere Passagen (z. B. mehrere Seiten) einleiten und daher eigentlich nicht als Aufzählung betrachtet werden können, werden (wenn sie nicht in den Satzzusammenhang eingehen) wie Aufzählungsmerkmale behandelt.
ORIGINALTJ2)3)a)b)
ABSCHRIFTTT 2 )3)a)b)
6. Groß/Kleinschreibung
Am Satzanfang wird klein geschrieben (es sei denn, es stünde ein Substantiv, Name oder Anredepronomen dort).142
Groß geschriebene Adjektive in Namen werden durch Apostroph plus Großschreibung gekennzeichnet. Ebenso wird bei Adjektiven verfahren, die von Städtenamen abgeleitet sind. (Versalien siehe obenb unter 1.)
7. Personen/Namen
Personen-Familiennamen werden mit Vorgesetztem Stern gekennzeichnet: Helmut *Schmidt(*)
8. Worttrennung
Worttrennung am Zeilenende ist nicht zulässig(*)
4. ZUR IDENTIFIKATION UND KLASSIFIKATION DER ZEITUNGSARTIKEL
4.1. Informationsklassen der IK-Datei
Die Dokumentationseinheit, d.i. die Datenmenge, die stellvertretend für
ein Dokument in den Dokumentationsprozeß eingeht, ist in unserem Fall
der einzelne Zeitungsartikel. Als Bestandteile von sogenannten Sammeldo
kumenten stellen die einzelnen Zeitungsartikel bibliographisch unselb
ständige Dokumentationseinheiten dar.
Der Begriff "Zeitungsartikel" hat in unserer Dokumentationspraxis einen
relativ weiten Inhalt: Wir verstehen darunter auch z.B. eine Sammlung
von Kurznachrichten unter einer gemeinsamen Überschrift (wie etwa "Kurz
berichtet"), eine Sammlung von Kfz.-Anzeigen, eine Börsentabelle, eine
Lotto-Gewinnliste, den "Pressespiegel", "Roman unterm Strich" usw.
Jeder Zeitungsartikel trägt eine Nummer und zusätzlich die Jahrgangssig
le zur Kennzeichnung, aus welchem Zeitungsjahrgang er stammt.
Diese Artikelnummer und die Jahrgangssigle sind zugleich der Schlüssel
oder die Adresse zu einem Satz von Informationen, die jedem Zeitungsar
tikel zugeordnet sind. Diese Informationen lassen sich in 3 Gruppen
gliedern:
- Informationen zur Wiederauffindung und Datierung des Artikels
143
ORIGINAL Grüne Woche Berliner Bevölkerung
ABSCHRIFT 'Grüne Woche 'Berliner Bevölkerung
- Informationen zu seiner Herkunft (Autor/Agentur)
- Informationen zu Inhalt, Form und Aufmachung.
Alle diese Informationen sind, zum Teil verschlüsselt, in einem IK-Satz
(IK = Information und Klassifikation) von jeweils 80 Zeichen Länge ent
halten; alle IK-Sätze zusammen bilden die IK-Datei.
Sie ist folgendermaßen aufgebaut (vgl. das folgende Muster der IK-Da
tei ) :
Gruppe A
1. Korpussigle (BK = Bonner Korpus)
2. Satzkennung (IK = IK-Datei)
3. Artikelnummer 4-stellig
4. Angabe, ob der Artikel unvollständig ist (F = Fragment)
5. Angabe der Publikationsgattung (ZT = Tageszeitung)
6. Angabe, ob Ost- oder Westtext (0/W)
7. Aufnahmeprinzip (1 = statistisches; Modellmenge)
8. Zeitungsjahrgang (NDB = Neues Deutschland, Republik Ausgabe)
9. Datierung (69010602" Jg. 69, Monat: Januar, Tag: 6., Seite: 02)
Gruppe B
10. Angabe des Verfassers (falls voller Name: Sternchen vorangestellt)
11. Angabe der Agentur(en)
Gruppe C
12. Angabe des Sachgebiets (bis zu 3-fach-Kennzeichnung möglich)
13. Angabe der Intention (publizistisches Ziel), (2-fach-Kennzeichnung
möglich)
14. Angabe der Artikelform (zeitungsspezifische Textsorte)
15. Angabe der Sparte (1 = Politik)
16. Angabe der Aufmachung (Länge und Breite des Artikels)
Auflösung der Jahrgangssiglen in Feld 8:
BG = Bonner General-Anzeiger (Stadtausgabe)
FR = Frankfurter Rundschau (Deutschlandausgabe)
144
ND = Neues Deutschland (A = Berliner Ausgabe, B = Republik-Ausgabe)
MO = Der Morgen (Zeitung der LDPD/DDR)
NN = Norddeutsche Neueste Nachrichten (Rostock, Zeitung der NDPD/DDR)
WE = DIE WELT (Deutschlandausgabe) (B = Berliner Ausgabe)
Beispiel für den Aufbau der Informations- und Klassifikations-Datei (IK-
Datei) zum Bonner Zeitungskorpus (Version 10/83)
A B C
BKIK 0001 ZT 01NDB69010401 ND 1B2V 1 0 114
BKIK 0002 ZT 01NDB69010401 ND 2G2Q3C13C 133BKIK 0003FZT 01NDB69010401 ND 1AlB 23U0122
BKIK 0004 ZT 01NDB69010401 ADNND 1B10 13B 121
BKIK 0005 ZT 01NDB69010401 ND 1Q1W2G12E 122
BKIK 0006 ZT 01NDB69010401 ADNND IM 1 A 122
BKIK 0007 ZT 01NDB69010401 3V1A 1 S 112
BKIK 0008 ZT 01NDB69010401 ND 1W1I 1 A 121
BKIK 0009FZT 01NDB69010401*U1bricht.Walter 1B1A1D23T 141
BKIK 0011FZT 01NDB69010602 2A2G 23B 821
BKIK 0012FZT 01NDB69010602 2C3L2T1 A 821
BKIK 0013 ZT 01NDB69010602*Hempel,Wilhelm 2C3L2T12B 831
BKIK 0014 ZT 01NDB69010602 (Zeichn.Prof.*Haas) 2T 4 0 812
BKIK 0015FZT 01NDB69010602 2F2E3V12B 822
BKIK 0016 ZT 01NDB69010602*Brock,Guenther 3V1W1J12E 822
BKIK 0017 ZT 01NDB69010602*Muel1er,Erwin 3V 12E 822
BKIK 0018 ZT 01ND869010602*Urbschat,Hans-Georg 2C3L2T12B 824
BKIK 0019 ZT 01NDB69010602*Sturzbecher,Adolf 2L2G2F128 831
BKIK 0020 ZT 01NDB69010602 ADN 1A1B 23B 821
BKIK 0021 ZT 01NDB69010602 ND 5H5B 13B 821
BKIK 0022 ZT 01NDB69010602 ND 3B 1 A 811
BKIK 0023 ZT 01NDB69010602 3C2H 12E 832
BKIK 0024 ZT 01NDB69010602 E.Ru. 1S2G2K12E 832
BKIK 0025 ZT 01NDB69010602 BI 2L2F 23C 832
BKIK 0026 ZT 01NDB69010602 5T 13E 821
BKIK 0041 ZT 01NDB69011403 1A1R1P23T 163
145
In der Gruppe C sind die Felder (= Informationsklassen) 13, 14 und 16
nur bei den Bonner Jahrgängen der Phase 1 (WE und ND 54, 64 und 69) aus
gefüllt; Nr. 12 und 15 (Sachgebiet und Sparte) als die wichtigsten Anga
ben zur Inhaltserschließung sind jedoch bei allen Zeitungsartikeln aus
gefüllt.
Die Angaben in Gruppe C sind zum Teil verschlüsselt. Eine Tabelle zur
Entschlüsselung siehe folgende Seiten.
In einem weiteren Informations-Satz, dem "Thema-Satz", wird außer der
Artikelnummer noch das Thema, das in dem betreffenden Artikel behandelt
wird, angegeben. Das geschieht in der Weise, daß zum einen die Länder
genannt werden, auf die sich das im Artikel behandelte Thema bezieht,
daß zum anderen das Thema in Stichworten wiedergegeben wird. Auch diese
Informationen sind nur bei den Bonner Texten der Phase 1 vorhanden.
4.2. Benutzerzugriff
Ein Benutzer kann auf diese Informationen auf zweierlei Weise zugreifen:
a) Er kann sie benutzen, um den gesamten Datenbestand zu segmentieren;
z.B. kann er Anzeigentexte ausschließen oder nur Agenturtexte ein
schließen oder das gesamte BZK 1 nach Sparten aufgliedern wollen.
Dies ist durch entsprechende Selektions- und Sortierarbeiten in der
IK-Datei möglich; das Ergebnis ist eine Liste von gewünschten oder
ausgeschlossenen Artikel nummern, die dann als Eingabedatei für ent
sprechende Selektionsläufe über das Textkorpus dient.
b) Er kann aber auch, von einzelnen Textbelegen ausgehend (z.B. als Er
gebnis von Suchwort-Recherchen mittels REFER) Informationen zu seinen
Textbelegen wünschen; in der Regel die genaue Datierung, aber ggfs.
auch die gesamten im IK-Satz gespeicherten Informationen einschließ
lich Sachgebiets- und Spartenzuordnung.
Hier dient die jedem Textbeleg beigegebene Artikelnummer und Jahr
gangssigle als Adresse, unter der die gewünschten Informationen aus
der IK-Datei abrufbar sind.
146
Wo kein Terminal Zugang zur IK-Datei besteht, ermöglichen die unter
2.4. zusammengestellten Listen der aufgenommenen Seiten wenigstens
eine genaue Datierung. In Einzelfällen kann das IdS bei der
Beschaffung von Kopien der Original-Artikel helfen.
4.3. Listen zur Entschlüsselung kodierter Angaben
Zu 12) Klassifikation der Sachgebiete (vgl. Hellmann 1968, 99-103)
1 Politik
1A Allgemeine Lage 1B Persönlichkeiten IC Übernationale Zusammenschlüsse
und Vereinbarungen ID West-Ost-Politik bestimmter
Staaten)IE Westliche Außenpolitik 1F Östliche Außenpolitik IG Politik der Blockfreien und
Neutralen als Gruppe 1H Politik einzelner blockfreier
und neutraler Staaten II Militär- und Verteidigungspoli
tik (international und national) 1J Europäische Politik (auch ein
zelner Staaten)1K Afrikanische Politik (auch
einzelner Staaten)
2 Wirtschaft
2A Al 1 gemeine Lage 2B Persönlichkeiten 2C Technik2D Übernationale Zusammenschlüsse
(außer europäischen)2E Europäische Zusammenschlüsse 2F Organisationen, Verbände 2G Planung2H Arbeitskräfte, Personal Struk
tur21 Industrie, Grundstoffindustrie 2J Industrie, Investitionsgüter 2K Industrie, Konsumgüter 2L Landwirtschaft, Forsten 2M Seefahrt, Fischerei 2N Handwerk 20 Handel, Außen-
IL Asiatische Politik (auch einzelner Staaten)
IM Arabisch-nahöstl. Politik (auch einzelner Staaten)
IN Deutsche Außenpolitik 10 Deutsche West-Ost-Politik IP Innenpolitik auf Bundesebene bzw.
der DDRIQ Innenpolitik auf Länderebene IR Innenpolitik auf Partei(en)ebene IS Deutsche Wirtschaftspolitik IT Innenpolitik bestimmter Staaten 1U Deutsche Kulturpolitik IV Deutsche Sozialpolitik IW Verbände IX Kommunalpolitik 1Y1Z Sonstiges
2P Handel, Innen-2Q Betriebsorganisation, Rationali
sierung2R Finanzen, Börse, Versicherungen 2S Verkehr, Verkehrswege 2T Verkehrsmittel (Luft-, Land-,
Seefahrzeuge) und -technik 2U Stadtplanung, Raumordnung 2V Wohnungsbau, Bauwesen 2W Dienstleistungsindustrie und -ge-
werbe (Fremdenverkehr, Hotel u. dergl.)
2X Werbung2Y Vergnügung, Unterhaltung, Massen
medien (nur wirtschaftlich)2Z Sonstiges 2( Energiewirtschaft2) Handel-Versorgung
147
3 Soziales
3A Allgemeines, Statistik 3B Persönlichkeiten 3C Bevölkerung3D Verbrechen, Vergehen (auch Be
schuldigungen)3E Rechtswesen3F Gesundheitswesen, Medizin 3G Verbände, Organisationen 3H Körperpflege 31 Versorgung (Renten usw.)3J Rassenprobleme 3K Kommunikationsmittel (Presse,
Rundfunk, Fernsehen, Film - nicht Artikel zum künstlerischen Rang!)
3L Wissenschaft und Forschung
4 Sport
4A Al 1 gemeines4B Persönlichkeiten, Verbände 4C4D Großveranstaltungen mehrerer
Sportarten (z.B. olymp. Spiele) 4E Leichtathletik 4F Schwerathletik, Boxen, Ringen 4G4H Turnen, Gymnastik, Tanz 414J Ballspiele, Mannschafts- 4K4L Ballspiele, Einzel- (Tennis,
Tischtennis usw.); Golf usw.
5 Kulturelles
5A Allgemeines 5B Persönlichkeiten 5C Museen, Galerien usw.5D Organisationen, Gruppen 5E Kulturelle Entwicklung in
einzelnen Ländern 5F Musik (Konzert)5G Oper, Operette, Musical 5H Theater, Bailet 51 Malerei, Graphik 5J Bildhauerei 5K Architektur 5L Literatur 5M Sprache
3M Schul-, Erziehungs-,Bildungswesen 3N Beruf und Arbeitswelt 30 Haus und Garten 3P Familie, (Ehe)3Q Liebe (Ehe), Erotik (sog. Privat
oder Intimsphäre)3R Hobbies, Freizeit, Reisen,
Touri smus 3S Geographisches 3T Mode 3U3V Veranstaltungen 3W Naturereignisse, Wetter 3X Unglücksfälle, Todesfälle 3Y Streiks, Unruhen, Aufstände 3Z Sonstiges
4M Fechten 4N Pferdesport 40 Wassersport4P Wintersport (mit Eislauf) 4Q Schießsport 4R Radsport4S Motor- und Flugsport 4T4U Bergsteigen, Wandern 4 V4W Spiele und Rätsel4X4Y4Z Sonstiges
5N Wissenschaft, Forschung, Universitäten
50 Massenmedien5P Philosophie, Weltanschauung 5Q Kunstakademien 5R Religion und Kirche 5S5T Geschichte 5U5V Volks- und Brauchtum5W5X5YSonstiges, Vermischtes
148
Nachbemerkung: Leere Felder sind durch spätere Zusammenlegung zweier oder mehrerer Klassen entstanden, bzw. für eventuell neu zu etablierende Klassen vorgesehen gewesen.
Dieses Sachgebietsschema ist für Zwecke der Korpus-Segmentierung viel
leicht, für statistische Zwecke sicherlich schon zu fein aufgeschlüs
selt. Es wurde daher eine Hyperklassifikation entwickelt, in der die
einzelnen Untersachgebiete zu größeren Gruppen zusammengefaßt wurden,
nämlich Politik mit 4, Wirtschaft mit 5, Soziales Leben mit 5, Sport mit
4, Kulturelles Leben mit 4 Untergruppen, also zusammen 22 Gruppen. (Zur
Einteilung dieser Hyperklassifikation siehe Schaeder, Bericht II in
Hellmann (Hg.) 84, Anhang S. 119-123.)
Zu 13)
Publizistische ZieleEs können 2 Chiffren gleichzeitig angegeben werden.
1 = Unterrichtung2 = Belehrung3 = Beeinflussung4 = Unterhaltung5 = Wirtschaftswerbung
zu 14)
A = Nachricht (Unterrichtung, Wirtschaftswerbung)B = Bericht (Unterrichtung, Belehrung, Beeinflussung, Wirtschaftswer
bung)C - Background-Bericht (Unterrichtung, Belehrung, Beeinflussung)D = Abhandlung (Belehrung, Unterrichtung)E = Beitrag (Belehrung, Unterrichtung, Unterhaltung, Wirtschaftswerbung) F = Tips, Vorschlag, Anweisung (Belehrung, Unterrichtung, Unterhaltung,
Wirtschaftswerbung)G = Hauptkommentar (Beeinflussung, Belehrung, Unterrichtung)H = Glosse (Beeinflussung, Unterhaltung)I = "Spitzmarke" (Beeinflussung, Unterhaltung)J = Geschichte (Unterhaltung, Belehrung) (Kurzgeschichte, Erzählung)K = Plauderei (Unterhaltung, Beeinflussung, Belehrung)L = "kleines Feuilleton" (Unterhaltung, Beeinflussung, Belehrung)M = Großanzeige (Wirtschaftswerbung, Beeinflussung, Unterrichtung, Be
lehrung)N = Anzeige (Wirtschaftswerbung, Beeinflussung, Unterrichtung, Beleh
rung)
Sonderformen
0 = Text zu einem Bild, Schaubild, graph.Darstellung usw.P = LeserbriefQ = Interview
149
R = Abdruck eines literarischen Textes (auch Gedichtes)S = Abdruck einer amtlichen Verlautbarung (Gesetz, Vertrag, Bekannt
machung, Aufruf), Kommunique T = Abdruck einer RedeU = Abdruck eines fremden ArtikelsV = Klein- und Privatannonce W = Tabelle, Wetterbericht X = Fortsetzungsroman Z = Sonstiges
Für diese Sonderformen braucht kein publizistisches Ziel angegeben zu werden; die dafür vorgesehenen Spalten (64-65) werden dann mit 00 ausgefüllt.
Zu 15)
Angabe der Sparte
Politik = 1Wirtschaft = 2Sport = 3Technik-Motor = 4Feuilleton = 5
Zu 16)
Äußere Form
1) Länge des Artikels in Zeilen (nach Klassen gruppiert),2) Breite des Artikels in Spalten.
5. MÖGLICHKEITEN DER AUSWERTUNG
5.1. Fragestellungen
Grundsätzlich erlaubt das Material von seiner Struktur her ein Herange
hen unter verschiedenen Aspekten:
1. Da das Material aus Ost- und West-Zeitungen besteht: ost-west- ver
gleichend, und zwar sowohl generell als auch jahrgangsweise oder nach
anderen Auswahlkriterien.
2. Das das Material zeitlich gestuft ist: diachronisch vergleichend, al
so bezogen über einen Zeitraum von 25 Jahren hin.
Lokales = 6Anzeigen = 7Vermischtes = 8Sonstiges = 0
3. Das das Material u.a. nach Sparten und Sachgebieten klassifiziert ist
150
(vgl. oben 4.2): nach Sparten/Sachgebieten vergleichend, ggf. unter
Einbeziehung auch des ost-west-vergleichenden und/oder des diachro
nisch vergleichenden Aspekts.
Außerdem ist das Material, wie oben in 3.3 beschrieben, in bestimmter
Weise codiert bzw. transkribiert und kann entsprechend abgefragt werden.
Man kann also z.B. die transkribierten Überschriften, Bildbeischriften,
Quellenangaben aus einer Untersuchung ausschließen oder gerade gesondert
hervorheben; man kann u.a. Substantive, Initialabkürzungen, großge
schriebene Adjektive abfragen sowie Satzschlüsse und andere syntaktische
Binnengliederungen mithilfe codierter Satzzeichen erkennen und abfragen.
Jede der in 3.3 erwähnten Codierungen erlaubt entsprechende Abfragen.
Nicht abfragbar - um auch zwei Beispiele aus der Praxis zu zitieren -
sind dagegen Fragestellungen wie "Ironie im Feuilleton" oder "Manipula
tion im Meinungsartikel der WELT": Feuilleton und Meinungsartikel wären
segmentierbar, aber "Ironie" oder "Manipulation" sind nicht maschinenex
plizit, und die Anführungszeichen (z.B. vor und nach "DDR") helfen nicht
weiter.
Sehr gut bearbeitbar sind dagegen in der Regel alle Fragestellungen, die
sich auf Häufigkeit und Häufigkeitsrelationen von Wortformen beziehen.
Gerade der Unterschied von Häufigkeiten im Zeitvergleich oder im Ver
gleich zwischen Sachgebieten ergibt interessante Aufschlüsse, z.B. auch
über Stilerscheinungen.
Am häufigsten wird das Material zur Beschaffung von Belegen zu vorge
gebenen Wörtern oder Wortbestandteilen (z.B. Morphemen) benutzt. Dazu
wird eine bestimmte Zeichenkette, z.B. "demokrat", eingegeben. Der Rech
ner liefert dazu sämtliche Sätze, in denen Wortformen mit dieser Zei
chenkette Vorkommen, also auch z.B. "demokratischste, undemokratischer,
demokratiefeindlich" usw. Dies Verfahren läßt sich auch bei einer Abfra
ge nach Morphemen verwenden, z.B. nach "-ismus", obwohl man mit Fehl
belegen wie "Kreismuster" rechnen muß. Auch Kombinationsabfragen mit
(zur Zeit) 2 Gliedern sind möglich, z.B. nach "in" & "Angriff", wenn das
Funktionsverbgefüge "in Angriff nehmen" bearbeitet werden soll. (Aller-
151
dings werden zur Zeit vom Programm auch Sätze ausgegeben, in denen die
gesuchten Wörter weit entfernt stehen: "...als in diesem Augenblick der
Angriff begann ..."). Die gefundenen Kontext-Belege werden zusammen mit
bestimmten Nummern ausgegeben, die ein Wiederauffinden in den Texten und
eine Fundstellenangabe ermöglichen. Für das Bonner Zeitungskorpus ist
eine entsprechende Datierung mithilfe der in diesem Aufsatz gedruckten
Artikel-Seiten-Kokordanz gewährleistet.
5.2. Ausgabeformen und -techniken
5.2.1 Ausgabe über Drucker
Die wesentlichen Ausgabeformen über Schnelldrucker sind:
- Kontext-Beleglisten als Ergebnis von Suchwort-Abfragen
- KWIC-Konkordanzen (KWIC = key word in context) oder KWIC-Auszüge, bei
denen das gesuchte Wort in alphabetischer Sortierung in der Mitte von
genau einer Computerzeile Kontext steht;
- Wortregister ohne Kontext, aber mit Fundstellenangaben (= Index) oder
ohne letztere (= Register) und zwar in alphabetisch vorwärtsläufiger
Sortierung, in alphabetisch rückläufiger Sortierung, nach Häufigkeit
absteigend sortiert;
- Gesamt- oder Mischregister aus allen Jahrgängen.
Auch diese Wortregister können wieder Gegenstand von Suchwort-Abfragen
sein; das Ergebnis sind entsprechende Auszüge aus den Registern.
Weitere Abfrage- und Auswertungsmöglichkeiten sollten mit der Service-
Stelle im IdS, z.Hd. Frau S. Dickgießer, oder mit dem fachlich zustän
digen wissenschaftlichen Mitarbeiter besprochen werden.
5.2.2 Mikrofiches
Die Texte selbst umfassen, auf Papier (Großformat) ausgedruckt, etwa 18
Bände zu je 500 bis 600 Seiten. Die Indices und Register machen etwa 30
Bände aus, die vollständigen KWIC-Konkordanzen (bei 60 Zeilen pro Seite)
152
rund 100 Bände zu je 500 Seiten. Niemand kann solche Papierberge noch
speichern, geschweige denn bewegen. Auch diese Daten ständig auf Magnet
platten bereit zu halten, ist nicht immer möglich. Dafür bietet der Mi
krofiche ein preiswertes und handliches Archivierungsmittel. In 48-
facher Verkleinerung speichert ein postkartengroßer Mikrofiche 270 Com
puterseiten; 100 Bände Großformat lassen sich auf weniger als 200 Mikro
fiches unterbringen.
Das gesamte Bonner Zeitungskorpus Teil 1 mit allen Registern und Kon
kordanzen paßt bequem in eine Aktentasche. Ein Lesegerät kostet weniger
als ein Bücherregal. Im IdS und in einigen großen Bibliotheken sind
reader-printer vorhanden, mit denen man die (ausgewählten bzw. benötig
ten) Daten vom Mikrofiche wieder rückvergrößern und auf Papier kopieren
kann. Bei einer Reihe von Fragestellungen bzw. Arbeitsgängen macht die
Verwendung von Mikrofiches und reader-printer die Benutzung des Rechners
überhaupt überflüssig.
Das BZK 1 erscheint auf Mikrofiche unter folgendem Titel:
Das Bonner Zeitungskorpus Teil 1. Am Institut für deutsche Sprache er
stellt nach der Konzeption und unter der Leitung von Manfred W. Hel 1 -
mann. Teil 1: DIE WELT und NEUES DEUTSCHLAND. Texte, Register, Kon
kordanzen, Gesamtregister. (= Brekle u.a. (Hg.), Regensburger Mikrofiche
Materialien (RMM) Nr. 007/1), Regensburg 1985. (MCS Verlag Nürnberg).
5.2.3 Bildschirm-Auswertung
Im IdS selbst ist ein dialogorientiertes, sehr benutzerfreundliches Ab
fragesystem namens REFER entwickelt worden, mit dessen Hilfe der Be
nutzer in verschiedener Hinsicht seine Abfragen selbst steuern, Belege
kommentieren, abspeichern oder ausgeben lassen kann. Eine detaillierte
Beschreibung ist bei der IdS-Service-Stelle erhältlich, sie ersetzt al
lerdings das Ausprobieren nicht. REFER enthält auch die oben erwähnte
Möglichkeit der Kombinationsabfrage. Vor allem ist es sehr schnell, d.h.
die Antwortzeiten des Systems am Bildschirm sind erfreulich kurz. REFER
wird in gewissen Zeitabständen weiterentwickelt.
153
5.3. Bearbeitung von Anwenderproblemen
Es kommt vor, daß Anwenderprobleme mit den vorhandenen Bereitstellungs
formen und Auswertungsprogrammen einschließlich REFER nicht zu lösen
sind. Je nachdem ob es sich eher um ein linguistisches oder um ein tech
nisches Problem handelt, sollte der zuständige wissenschaftliche Mit
arbeiter im IdS oder aber die Service-Stelle oder beide mit dem Problem
vertraut gemacht werden. Manchmal findet sich noch ein Lösungsweg.
Manchmal können wir auch ein Anwenderproblem zu unserem eigenen machen
und finden gemeinsam eine neue Lösung. Es lohnt sich also nachzufragen
(vgl. auch M. Kolvenbach in IdS LDV-Info 1, 1981, S. 1-4).
6. AUSBLICK
6.1 Fortschreibung
Das Bonner Zeitungskorpus ist auf Fortschreibung in bestimmten Interval
len hin angelegt. Nur so läßt sich laufend Aktualität gewährleisten, und
nur durch Aktualität bleibt das Korpus auch in seinen früheren Quer
schnitten interessant. Der Jahrgang 1979 wurde daher schon kurz nach der
Übersiedlung von Bonn nach Mannheim ausgezählt, die Auswahl fotokopiert
und zur Texterfassung vorbereitet. Der Jahrgang 1984 steht jetzt an. Das
IdS sucht nach einer technischen Lösung, die die immensen Kosten einer
manuellen Texterfassung auf ein erträgliches Maß reduziert.
6.2. Erweiterungen
Das Bonner Zeitungskorpus enthält mit der WELT und dem ND gewiß zwei für
den jeweiligen Staat durchaus typische Zeitungen, trotzdem würde man
sich, zumindest für die westdeutsche Seite, Ergänzungen wünschen. Sie
wurden noch in Bonn durch die Aufnahme folgender Jahrgangsauswahlen vor
genommen:
Bonner General-Anzeiger 1964
Bonner General-Anzeiger 1974
Frankfurter Rundschau 1974
154
Rostocker Neueste Nachrichten (NDPD/DDR) 1964
Rostocker Neueste Nachrichten (NDPD/DDR) 1974
Der Morgen (LDPD/DDR) 1974.
Diese Jahrgangsauswahlen bilden den Teil 2 des BZK. Sie sind nach dem
gleichen Prinzip aufgenommen wie Teil 1. Sie werden allerdings nicht
mehr den Mannheimer Codierungskonventionen angepaßt und bleiben im we
sentlichen unkorrigiert. Sie sind mittels allgemeiner Suchwortprogramme
auswertbar, jedoch nicht mittels REFER.
An eine Fortschreibung auch dieser Erweiterungstexte wird zur Zeit nicht
gedacht.
Statt ihrer entsteht zur Zeit - im Rahmen eines großen lexikologischen
Vorhabens - eine umfangreiche Sammlung maschinenlesbarer Texte des
"Mannheimer Morgen" Jg. 1985. Die Texte sind jedoch vorläufig nicht ver
fügbar.
Literatur
Bayer, Klaus/Kurbel, Karl: Maschinelle Textverarbeitung im Rechenzentrum des Instituts für deutsche Sprache. In: Bayer/Kurbel/Epp: Maschinelle Textverarbeitung im Rechenzentrum des IdS (= Forschungsberichte des IdS Nr. 14). Tübingen 1974, S. 1-66.
Hellmann, Manfred W . : Zur Dokumentation und maschinellen Bearbeitung von Zeitungstexten in der Außenstelle Bonn des Instituts für deutsche Sprache (= Forschungsberichte des Instituts für deutsche Sprache Nr. 2). Mannheim 1968, S. 39-125.
Hellmann, Manfred W. : Untersuchungen an östlichen und westlichen Zeitungstexten. Zu einigen Arbeiten der Außenstelle Bonn des Instituts für deutsche Sprache. In: H. Schanze (Hg.), Literatur und Datenverarbeitung. Tübingen 1972, S. 66-70.
155
I
Hellmann, Manfred W . : Bericht über die Arbeit der Forschungsstelle Bonn des Instituts für deutsche Sprache. In: Hellmann, Manfred W. (Hg.): Zum öffentlichen Sprachgebrauch in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR - Methoden und Probleme seiner Erforschung. (= Reihe Sprache der Gegenwart Bd. 18). Düsseldorf 1973, S. 15-34.
Hellmann, Manfred W. : Sprache zwischen Ost und West - Überlegungen zur Wortschatzdifferenzierung zwischen BRD und DDR und ihren Folgen. In: Kühlwein, W./Radden, G. (Hg.): Sprache und Kultur: Studien zur Diglossie, Gastarbeiterproblematik und kulturellen Integration (= Tübinger Beiträge zur Linguistik Bd. 107). Tübingen 1978, S. 15-54 (mit einem Anhang Wortläufigkeitstabellen, S. 50 ff).
Hellmann, Manfred W. (Hg.): Ost-West-Wortschatzvergleiche. Maschinellgestützte Untersuchungen zum Vokabular von Zeitungstexten aus der BRD und der DDR. (= Forschungsberichte des IdS Bd. 48) . Tübingen 1984.
Hellmann, Manfred W . : Das Projekt "Ost-West-Wortschatzvergleiche" - Neue Wege zur Untersuchung der sprachlichen Ost-West-Differenzen. In: M. W. Hellmann (Hg.), 1984, S. 11-73.
Hellmann, Manfred W.: Das Bonner Zeitungskorpus Teil 1. In: IdS LDV-Info 4. Mannheim 1984, S. 38-47.
Institut für deutsche Sprache: Das Bonner Zeitungskorpus Teil 1. AmInstitut für deutsche Sprache erstellt nach der Konzeption und unter der Leitung von Manfred W. Hellmann. Teil 1: DIE WELT und NEUES DEUTSCHLAND. (= Brekle u.a. (Hg.), Regensburger Microfiche Materialien (RMM) Nr. 007/1). Regensburg 1985 (MCS Verlag Nürnberg) . (Microfiche-Veröffentlichung der Texte, Register und Konkordanzen) .
Mückenmüller, Peter: Die maschinelle Aufbereitung des Bonner Zeitungskorpus Teil 1: In IdS LDV-Info 4. Mannheim 1984, S. 48-56 (mitMuster-Auswertungen).
Institut für deutsche Sprache, Abt. Zentrale Wiss. Dienste: IdS LDV-Info 1: Nachrichten aus der Arbeitsstelle Linguistische Datenverarbeitung. (masch.), Mannheim 1981IDS LDV-Info 2, Mannheim 1982IdS LDV-Info 3, Mannheim 1983IdS LDV-Info 4, Mannheim 1984(jeweils Eigenverlag des IdS).
Schaeder, Burkhard: Eine Dokumentation maschinenlesbarer Textkorpora der deutschen Gegenwartssprache. In: Henne u.a. (Hg.) 1978, S. 233-254.
Schaeder, Burkhard: Maschinelle Dokumentation und Lexikographie. Ausführungen zum DFG-Projekt Ost-West-Wortschatzvergleiche. In: Krallmann (Hg.) 1978, S. 110-164.
Schaeder, Burkhard: Zur Methodik der Auswertung von Textkorpora für die Zwecke der Lexikographie. In: Bergenholtz/Schaeder (Hg.), Empiri-
156
sehe Textwissenschaft. Aufbau und Auswertung von Textkorpora. Kö- nigstein/Ts 1979, S. 220-267.
Schaeder, Burkhard: Maschinenlesbare Text-Corpora des Deutschen und des Englischen. Eine Dokumentation. In: Bergenholtz/Schaeder (Hg.)1979, S. 325-336 (Anhang).
Schaeder, Burkhard: Lexikographie als Praxis und Theorie (= ReiheGermanistische Linguistik Bd. 34). Tübingen 1981.
Schaeder, Burkhard: Das Bonner Zeitungskorpus. Eine maschinelle Dokumentation von Tageszeitungen aug der BRD und der DDR. In: M.W. Hellmann (Hg.). 1984, S. 74-123 (Bericht Nr. II).
157