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Mit Vielfalt gewinnen - kip-pic.chLeicht gekürztes Interview aus «terra cognita» Nr. 3 / 2003 ()...

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Mit Vielfalt gewinnen St.Galler Leitfaden zur Integration am Arbeitsplatz [zum Herausnehmen]
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Page 1: Mit Vielfalt gewinnen - kip-pic.chLeicht gekürztes Interview aus «terra cognita» Nr. 3 / 2003 () 5 Interview mit Dr. Nils Jent, Universität St.Gallen. 4‹Es ist halt schwierig

Mit Vielfalt gewinnenSt.Galler Leitfaden zur Integration am Arbeitsplatz

[zum Herausnehmen]

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12 Vorwort 13 Jede vierte Arbeitsstunde 14 Es ist noch vieles möglich15 Von der Vielfalt lernen 16 «Es ist halt schwierig»

Leitfaden zum Herausnehmen17 Menü ohne Schweinefleisch18 «Das zahlt sich spürbar aus»19 Kanada – Erfolg mit Vielfalt10 Was Sie tun sollten – und was nicht12 St.Gallen überwindet Grenzen

I n h a l t

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M i t V i e l f a l t g e w i n n e nSt.Galler Leitfaden zur Integration am Arbeitsplatz

Herausgegeben von der Koordinationsstelle für Integration

Departement des Innern

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Den Arbeitsplatz bewusst alsOrt der Integration nutzen

Für viele Ausländerinnen und Aus-länder ergibt sich der direkteste

Kontakt mit unserer Gesellschaft am Arbeitsplatz. Ihr erster Integra-tionsschritt findet also im Betriebstatt. Deshalb ist es auch für die ge-sellschaftliche Eingliederung äusserstentscheidend, wie jene im Betriebverläuft. Die Chancen, dass sie posi-tiv verläuft, sind dann gut, wenn Aus-länderinnen und Ausländer Akzeptanzund Wertschätzung erfahren. Gleich-zeitig müssen sie von Anfang anoffen, direkt und transparent sowohlmit fairen Anforderungen als auch mit verbindlichen Angeboten zur Integration konfrontiert werden.

Die meisten Betriebe beschäfti-gen Mitarbeitende aus unterschied-lichen Ländern und Kulturen. Und siesetzen diese Menschen erfolgreichund produktiv ein. Mit anderen Wor-ten: Die KMU integrieren die Mit-arbeitenden in die Arbeitsabläufe, indie Produktionsprozesse und in dieBetriebskultur. Je besser dies gelingt,desto mehr profitieren sowohl dieBetriebe als auch die Arbeitneh-menden und ihre Angehörigen. Gutintegrierte Angestellte arbeitenmotivierter und zuverlässiger. Sieidentifizieren sich stärker mit demUnternehmen. Die Personalfluk-tuation, aber auch Absenzen oderFehler in der Produktion nehmen ab.

Die höhere Arbeitszufriedenheit wirktsich auch positiv auf das familiäreUmfeld aus.

Wenn Arbeitgeberinnen undArbeitgeber die Eingliederung inihrem KMU pflegen, leisten sie indi-rekt einen wesentlichen Beitrag zuminterkulturellen Zusammenleben im Kanton St.Gallen. Gelingt die Inte-gration in der Firma, profitiert davonauch die Gesellschaft: Ausländerin-nen und Ausländer setzen sichschneller mit unseren Verhältnissenauseinander, finden sich eher zurechtund sind mehr motiviert, Deutsch zu lernen und in einem Dorfvereinmitzuwirken.

Der vorliegende Leitfaden stelltallen Interessierten Ideen und Rezep-te für die Pflege der Integration im Betrieb zur Verfügung. Die prakti-schen Hinweise und Ratschläge haben sich allesamt in der Praxis be-währt. Die Grundlagen zum Leitfa-den lieferte die Studie «Integrations-potenzial Arbeitsplatz», welche die Universität St.Gallen im Auftragdes Departements des Innern durch-führte.

Ich wünsche mir, dass die Zahlder Betriebe, die mit der Integrationam Arbeitsplatz ernst machen, dankdiesem Leitfaden noch grösser wird.Ich wünsche Ihnen dabei viel Erfolg!

Kathrin Hilber, Regierungsrätin

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Jede vierte ArbeitsstundeUnsere Wirtschaft ist ohne Migran-

tinnen und Migranten kaumdenkbar. Diese Menschen helfen mit,einen beträchtlichen Teil der Wert-schöpfung in der Schweiz zu erarbei-ten.

Das sind die TatsachenIm Jahr 2002 gab es 1,058 Mio.

ausländische Erwerbstätige. Das istein Viertel aller Beschäftigten.

Jede vierte erwerbstätige Personstammt aus dem Ausland. Andersausgedrückt: Jede vierte Arbeitsstun-de wird von einer Person geleistet,die eingewandert ist.

Ausländerinnen und Ausländerfinanzieren mit ihren Beiträgen 25Prozent der jährlichen AHV-Kosten.Sie beziehen jedoch nur 13 Prozentder jährlich ausbezahlten AHV-Renten, sie sind also Nettozahler.Fazit: Ohne Migration gingen ganzeWirtschaftszweige bankrott. OhneMigration wären unsere Sozialwerkenicht mehr finanzierbar.

WanderfreudigeEinheimischeJedes Jahr findet in der Schweiz einegrosse Migration im Umfang einerVölkerwanderung statt. Über 400'000Personen ziehen in eine andereGemeinde um. Im Schnitt besteht dieBevölkerung jeder Schweizer Ge-meinde aus einem Drittel Einheimi-sche (dort geboren) und aus zweiDritteln Fremden (ausserhalb derWohngemeinde geboren).

Rund 612'000 Schweizerinnenund Schweizer leben im Ausland, unddavon sind 70 Prozent Doppelbürger.Migration – auch ein schweizerischesPhänomen!

St.Gallen keine Ausnahme Im Kanton St.Gallen haben rund 20Prozent der Bevölkerung einen ausländischen Pass. Das sind über90'000 Menschen.

Drei Viertel der Ausländerinnenund Ausländer leben seit über zehnJahren im Kanton, fast die Hälfte ist seit über 20 Jahren hier wohnhaft

oder wurde hier geboren. Es sindgenau genommen «einheimischeAusländer».

Auch die st.gallische Wirtschaftprofitiert zu einem bedeutenden Teilvon ausländischen Arbeitskräften.Rund 145'000 Stellen in den st.galli-schen Unternehmen oder rund 23Prozent sind von Menschen ausländi-scher Herkunft besetzt.

Wo arbeiten Ausländerin-nen und Ausländer?Sie arbeiten vor allem in der Indus-trie, aber auch im Dienstleistungs-gewerbe. Die Schwerpunkte liegen inder Maschinen- und Metallindustrie,im Bau- und im Gastgewerbe sowieim Gesundheitswesen. Am meistendominieren ausländische Arbeits-kräfte in der Textil- und Bekleidungs-industrie.

Stellen von ausländischen Mitarbeitenden in der st.gallischen Wirtschaft(Vollzeitäquivalente, Jahr 2001)

Industrie: 51'137 (33,5%)Dienstleistungen: 18'115 (15,9%)

Wichtige Branchen:Maschinen- und Metallindustrie, Fahrzeugbau, Elektrotechnik 10'943 (35,7%)Baugewerbe 4'377 (25,1%)Verschiedene Industriezweige 3'627 (39,1%)Handel, Reparaturen 4'517 (15,1%)Gesundheits- und Sozialwesen 3'306 (20,5%)Gastgewerbe 3'215 (35%)Informatikdienste, Dienstleistungen für Unternehmen 2'745 (15,5%)Textil- und Bekleidungsindustrie 2'113 (53,9%)

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4Es ist noch vieles möglich4Der Arbeitsplatz ist einer der wich-

tigsten Orte der Integration. Ar-beit bringt Anerkennung und sozialesWohlbefinden. In vielen Betriebenarbeiten Menschen verschiedensterHerkunft zusammen – Sizilianer,Andalusierinnen, Mazedonier, Türkin-nen, Schwaben, Tamilinnen usw. AmArbeitsplatz müssen sie sich in dieBetriebs- und Arbeitsabläufe einfügenund sich den Erfordernissen derProduktion anpassen. Nicht immergeht dies ohne Probleme.

Die Sachverständigen, die sichmit Fragen der Integration von Angehörigen aus verschiedenen Kul-turen befassen, sind einhellig derMeinung: In den Betrieben geschiehtviel Positives für die Integration, doch es gibt auch ungenutzte Mög-lichkeiten.

Ein grosses PotenzialDie Eidgenössische Ausländerkom-mission (EKA) befürwortet betrieb-liche Integrationsbemühungen. Sie hält in ihrem Bericht «Integrationund Arbeit» fest:

«Es ist gut, dass die Integration am Arbeitsplatz ein Thema in derÖffentlichkeit geworden ist. In diesem Bereich besteht Hand-lungsbedarf. Die Ausländerkom-mission unterstützt diese Bestre-bungen.»

Eine neue Studie der GewerkschaftTravail.Suisse kommt auf Grund einerUmfrage in zahlreichen Betriebenzum Schluss:

«Es gibt vielfältige Integrations-massnahmen in den Unternehmen.Aber es werden auch viele Mängel

sichtbar. Dies zeigt die Notwen-digkeit einer besseren Integrationam Arbeitsplatz auf. Das Verbes-serungspotenzial ist sehr gross.»

Das Institut für Führung und Perso-nalmanagement der UniversitätSt.Gallen zieht in der Studie «Integra-tionspotenzial Arbeitsplatz im KantonSt.Gallen» ein positives Fazit:

«Zahlreiche Betriebe haben er-kannt, dass sich Integrationsarbeitlängerfristig lohnt. Die Mitarbeiter-zufriedenheit steigt, die Identifi-kation mit dem Unternehmen wirdbesser, das Arbeitsklima verbessertsich. Viele Ideen können gratisoder sehr günstig umgesetzt wer-den. Ein kleiner Mehraufwand führt für die Unternehmung zueinem grossen Zusatznutzen.»

Im Folgenden stellt dieser Leitfadendie wichtigsten Ergebnisse derSt.Galler Studie dar. Die Untersu-chung wurde im Auftrag der Koordi-nationsstelle für Integration im Departement des Innern des KantonsSt.Gallen erstellt und im Februar2004 der Öffentlichkeit vorgestellt.

Was heisst Integration?

Integration kommt vom Lateinischen «integratio» und heisst: Zusammenfügenverschiedener Teile zu einem Ganzen.

Was meint Integration?Integration heisst mehr als nur ein Einpas-sen von Migrantinnen und Migranten in dieSchweizer Verhältnisse. Integration ist einwechselseitiger Prozess, der beide Seitenverändert. Die Migrantinnen und Migranten,aber auch die Einheimischen müssen sichzwangsläufig aufeinander einstellen.

Was meint Integration nicht?Integration heisst nicht einseitige Anpas-sung unter Preisgabe der eigenen Identität.Eine solche Selbstaufgabe ist für keinenMenschen möglich, ohne dass er den Bodenunter den Füssen verliert.

Wen geht Integration etwas an?Integration geht uns alle etwas an. Dennnicht nur die Migrantinnen und Migrantenmüssen sich anpassen, sondern auch dieEinheimischen müssen lernen, mit denneuen Nachbarinnen und Nachbarn umzu-gehen.

Wann ist ein Mensch integriert?Integration ist kein abgeschlossenerZustand, sondern eine Entwicklung. EinePerson lebt integriert:

wenn sie selbstbestimmt leben und sichentwickeln kann; wenn sie ein existenzsicherndes Einkom-men und eine sichere Zukunft hat;wenn sie in ein soziales Netz von per-sönlichen Beziehungen eingebunden ist; wenn sie nicht mit dem Gesetz in Kon-flikt gerät.

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Dr. Nils Jent

Dr. Nils Jent ist Lehrbeauftragter an der Uni-versität St.Gallen und Berater für «Managing

Diversity». Mit 18 Jahrenerlitt Nils Jent einenVerkehrsunfall. Er ist aufGrund eines Herz-stillstands während deranschliessenden Opera-tion blind sowie körper-

und sprechbehindert. Dies hielt ihn jedochnicht von einer akademischen Karriere ab. Ameigenen Leib mit «Diversity» konfrontiert, istNils Jent ein Experte für Fragen der Verschie-denartigkeit und deren positiver Nutzung. Vonihm ist das Buch «Learning from Diversity» alsBand 2 der Schriftenreihe des Instituts fürFührung und Personalmanagement der Univer-sität St.Gallen erschienen.

4Von der Vielfalt lernen

Dr. Jent, Sie befassen sich mit demKonzept «Learning from Diversity».Was versteht man unter «Diversity»?Dr. Nils Jent: «Diversity» befasst sichmit der Verschiedenartigkeit vonMenschen und damit, wie diese Ver-schiedenartigkeit in der Gesellschaftoder in einem Unternehmen zumWohle aller sinnvoll organisiert undgenutzt werden kann. Als Grundsatzwird vorausgesetzt, dass niemanddiskriminiert wird. Jeder Mitarbeiterund jede Mitarbeiterin eines Unter-nehmens ist in der Pflicht. Sie oderer muss Verantwortung dafür über-nehmen, dass diese Vielfalt gelebtwird und sie Nutzen stiften kann.

Wo setzt «Managing Diversity» an?Die Lehre von Führung und Personal-management unterscheidet Men-schen auf Grund sozialer Daten wieGeschlecht, Alter, Nationalität, Kultur-prägung usw. «Managing Diversity»legt einen positiven Fokus: Unter-schiede werden nicht als Nachteil,sondern als Erfolgsfaktor für Unter-nehmen aufgefasst.

Wie wird dabei vorgegangen?Man setzt beim gegenseitigen Lernen

und der damit verbundenen Leistungs-steigerung des Einzelnen sowie desTeams an. Dazu ist erforderlich, dassjede und jeder die eigenen persön-lichen Stärken und Schwächen genaukennt – gleich wie jene der Arbeits-partner – und konstruktiv damit umge-hen lernt. Wenn meine Arbeitspartne-rin dort stark ist, wo ich entwicklungs-fähig bin und ich mit diesem Umstandpositiv und aufbaufähig umgehenkann, so kann ich von der Zusammen-arbeit in einem gemischten Teamausserordentlich profitieren.

Können Sie ein Beispiel geben?Häufig werden Menschen auf Grundeiner bestimmten sozialen Zuordnung«schubladisiert» oder gar diskriminiert.Frauen schreibt man beispielsweiseEntscheidungsschwäche zu. ÄltereMitarbeitende werden als unflexibelbezeichnet. Ausländer qualifiziert manab als ungeeignet für bestimmte Auf-gaben. Mit der Brille für wertvollePotenziale lässt sich jedoch auch ganzanderes erkennen. Man kann bei-spielsweise Frauen im Vergleich zuMännern als besonders entschei-dungsgründlich beobachten. Wie alleinschon dieses Beispiel zeigt, lässt sichdurch eine etwas geänderte OptikWertvolles für den Arbeitsprozess ingemischten Teams gewinnen. Umfra-

gen haben ergeben, dass durchschnitt-lich lediglich rund 50 Prozent der ei-gentlichen Befähigungen der Mitarbei-tenden genutzt werden! Diese brachliegenden Kompetenzen müssenerkannt und eingesetzt werden. ImFachjargon heisst das «Nutzung derkomparativen Vorzüge».

Ein solcher Ansatz wird in Grossun-ternehmen bereits angewendet. Wiesteht es aber mit kleinen und mittle-ren Unternehmen? Kann «ManagingDiversity» auch in KMU funktionieren?Die grosse Chance der KMU liegt inihren informellen Strukturen. Da kenntjeder jeden. Die Arbeitsbeziehungenlaufen über das ganze Unternehmeneher direkt und persönlich. Dies ist einganz grosser Vorteil, wenn es darumgeht, Stärken und Schwächen desanderen zu kennen und gegenseitigmit diesen geschickt umzugehen. Hier braucht es keine ausgeklügelten«Diversity»-Konzepte. Es gilt vor allemdas Bewusstsein zu schaffen, dass in der Andersartigkeit des Vis-à-visPotenziale vorhanden sind. EineAtmosphäre von «Diversity» muss vonder Geschäftsleitung vorgelebt werden. Sie muss jedoch auch dieGrenzen der Verschiedenartigkeit bestimmen.

Leicht gekürztes Interview aus «terra cognita» Nr. 3 / 2003 (www.terra-cognita.ch)

5Interview mit Dr. Nils Jent, Universität St.Gallen

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4‹Es ist halt schwierig›

Das Mass aller Dinge

Wir reisen überall auf der Welt herum.Trotzdem haben wir nicht alle das gleicheVerständnis für andere Kulturen. Die einen lehnen in Bausch und Bogen ab, wasandere als tiefe Bereicherung empfinden.Die Wissenschaft hat die verschiedenenStufen im Umgang mit anderen Kulturenuntersucht. Verleugnung: Die eigene Kultur wird alsMass aller Dinge angesehen. Andersartig-keit wird gar nicht wahrgenommen. Separation: Andersartigkeit wird zwarerkannt, aber eher negativ bewertet – unddeshalb separiert. Abwehr: Kulturelle Unterschiede werdenwahrgenommen, aber als Bedrohung der

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Alle st.gallischen Betriebe mit ausländischen Mitarbeitenden

haben in Fragen der betrieblichenIntegration unweigerlich Erfahrungengesammelt.

Aus Umfragen geht jedoch her-vor, dass spezielle Hilfen für dieEingliederung von Mitarbeitenden ausdem Ausland oft nicht für nötigerachtet werden. Tenor: «Wir habenda keine Probleme!» Andere räumenein, dass besondere Massnahmenwünschbar wären, aber aus verschie-denen Gründen unterblieben sind.Und wieder andere blicken auf guteErfahrungen zurück und finden, dasssich entsprechende Anstrengungengelohnt haben.

Hier einige typische Antworten:Negativ:

«Wir haben keine Konflikte imBetrieb, also braucht es auch keineIntegrationsmassnahmen.»«Es ist nicht Aufgabe unseres Ver-bandes, Sprachkurse zu organisie-ren.»«Während der Saison gibt es zu viel Arbeit, da können wir Angestelltenicht in Kurse schicken.»«Sprachkurse werden von uns be-

grüsst, aber das müssen die Gewerk-schaften machen.» «Integrationsmassnahmen in Betrie-ben sind zu teuer, der Aufwand ist zugross.»«KMU können niemals soziale Pro-gramme selbst finanzieren und durch-führen.»«Unsere Bevölkerung hat gar keinInteresse an fremden Kulturen.»«Als Saisonbetrieb haben wir grossePersonalwechsel. Es lohnt sich nicht,teure Massnahmen durchzuführen.»

Positiv:

«Das Selbstwertgefühl der Mitarbei-tenden steigt.»«Die Betriebskultur wird langfristigverbessert.»«Es entstehen weniger Konflikte inder Belegschaft.»«Die Zahl der Absenzen sinkt.» «Die Loyalität gegenüber dem Unter-nehmen steigt.»«Die Bereitschaft der Angestellten,mehr Leistung zu erbringen, ist deut-lich höher.»

eigenen Identität – und deshalb abgewehrt. Minimierung: Andersartigkeit wird zwaranerkannt und auch nicht für negativ gehal-ten, aber als geringfügig und unbedeutenderachtet. Akzeptanz: Kulturelle Differenzen werdenanerkannt und respektiert.Pluralismus: Andersartigkeit wird alsgrundsätzliche Vielfalt in ihrem vollenUmfang wahrgenommen und als möglicherGewinn bewertet.Integration: Die eigene Identität wird aufdem Hintergrund von verschiedenen Kultur-zusammenhängen immer wieder neu defi-niert. (Modell zwischenkultureller

Einfühlsamkeit nach Milton J. Bennett)

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4Menü ohne SchweinefleischViele Firmen im Kanton St.Gallen

kümmern sich aktiv um dieEingliederung von Migrantinnen undMigranten in den Betrieb. Sie achtenauf ein Klima der gegenseitigenAnerkennung und des Respekts undversuchen, die Mitarbeitenden auf-einander abzustimmen.

Hier einige Stimmen aus der Praxis:

Im Hotel Zollhaus in Gams stammenvon zwei Dutzend Mitarbeitendendrei aus dem Ausland. Ein Mitarbeiterist im Jemen aufgewachsen.Geschäftsführer Urs Kremmel achtetdarauf, dass die Religionsausübungwährend des Ramadans (Fastenmo-nat) respektiert wird. Moslems dürfendann tagsüber nichts essen, erstnach Sonnenuntergang sind ihnen be-stimmte Speisen erlaubt. Viel Wertlegt Urs Kremmel auf die Information.Sein Betrieb ist ISO-zertifiziert. Alle Angestellten müssen zum Bei-spiel nicht nur ihre eigenen Auf-gaben kennen, sondern auch diejeni-gen aller andern.

Die Zehnder Druckerei ist in Wilund Rickenbach tätig. Im Druckzen-trum kommt fast die Hälfte der Mitarbeitenden aus andern Ländern,

die meisten aus Ex-Jugoslawien. Inhaber Andreas Zehnder sagt, er be-merke unter den ausländischen Mit-arbeitenden «ganz sicher nicht mehrProbleme als unter den einheimi-schen». Er nennt ein Beispiel, wiesich Integration im Team von selbereinspielt. So war ein Druckmaschi-nen-führer bei seiner Anstellung überdie vielen Personen aus Ex-Jugos-lawien verunsichert. Einen Monatspäter rühmte er die neuen Arbeits-kollegen: Sie seien «weit besser alsalle Schweizer am alten Arbeitsort».

Bei der Max Pfister Baubüro AGin St.Gallen wird in Bezug auf dieHerkunft kein Unterschied gemacht.«Bei mir gibt es keine Ausländer. Wir sind alles Menschen», betont Jürg Pfister. Diese Einstellung prägtdas Klima im Baugeschäft mit 22 Mitarbeitern, die zu zwei Dritteln ausSüdeuropa kommen. Bauleiter Hanspeter Jenni fördert das gute Ein-vernehmen im Team. Dazu führt eralle drei Monate einen Informations-tag durch. Neben dem jährlichenWeihnachtsessen gibt es einen ge-meinsamen Ausflug in die Berge.Sodann erhält jeder Mitarbeiter miteinem runden Geburtstag ein Prä-sent, das aus einem Betriebskässeliberappt wird.

Seit vielen Jahren beschäftigtGeorges Amstutz im Hotel Schwanenin Wil ausländische Angestellte. Alser den ersten schwarzen Kellnerbeschäftigte, gab das im Städtli zureden. Heute ist das gemischte Teamim Familienbetrieb mit rund 30 Ange-stellten auch für die Gäste normal.Man nimmt Rücksicht, etwa bei denEssensgewohnheiten. Stets gibt esein Menü ohne Schweinefleisch. FürGeorges Amstutz ist nicht wichtig,woher jemand kommt: «In ersterLinie muss die Chemie stimmen!»

Bei der Migros Ostschweiz stam-men 22 Prozent der Mitarbeitendenaus dem Ausland. «Das ist für unseine gewohnte Realität», sagt RenéFrei, Leiter Personal und Ausbildung.Er legt Wert auf eine seriöse Ein-führung und Integration am Arbeits-platz. Alle Mitarbeitenden können biszu einem bestimmten Betrag pro Jahrgratis die Kurse der Klubschule besuchen. Fremdsprachige machen davon regen Gebrauch. Bei derKaderförderung geht die Migros aufspezielle Bedürfnisse ausländischerMitarbeitender ein, um diesen die gleichen Entwicklungschancen zubieten. Auch in den Vorgesetzten-schulungen wird für den Umgang mitkultureller Vielfalt sensibilisiert.

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Spannungen leben weiter

Viele Länder werden von kriegerischenKonflikten erschüttert. Diese Spannungenhören bei der Auswanderung nicht ein-fach auf, sie gehen vielmehr mit den Men-schen mit. Kein Wunder, tauchen sie plötzlich auch in der Schweizer Arbeitsweltauf. Während des Krieges in Ex-Jugoslawienwaren Angehörige der gegnerischen Volks-gruppen nicht gut aufeinander zu sprechen.Der Bürgerkrieg auf Sri Lanka hinterlässt bei den emigrierten Landsleuten teils tiefeSpuren. Die Probleme zwischen türkischenund kurdischen Landsleuten schwelen seit Jahren weiter. Aber selbst unter italie-nischen, spanischen oder portugiesischenEinwanderern sind traditionelle politischeGegensätze noch nach vielen Jahren spürbar.

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4‹Das zahlt sich spürbar aus›Interview mit Diana Maag, Personal-

leiterin der Firma Bischoff Textil AG,St.Gallen

Frau Maag, müssen alle ausländi-schen Mitarbeitenden bei der FirmaBischoff Textil AG Deutsch können?Diana Maag: Das ist weitgehend abhängig von der Funktion, welchedie betreffende Person einnimmt. Beieinfachsten Produktionsaufgabensind gute Deutschkenntnisse nichtunbedingt nötig, aber natürlich wün-schenswert. Denn dies erleichtertnicht nur den Umgang und die Kom-munikation am Arbeitsplatz, sondernhilft den Menschen auch, sich in derGesellschaft besser zu integrieren.

Was tun Sie konkret?Zum Beispiel bieten wir periodischDeutschkurse an. Wir haben dies imletzten Jahr in Zusammenarbeit mit«Bilang» organisiert. Die Kurse führ-ten wir je in einem Seminarraum an unserem Hauptsitz und in unse-rem Stickereiwerk in Kronbühl durch.Bevor jemand am Kurs teilnahm,machten wir während der Arbeitszeiteine Eignungsabklärung, die imjährlichen Personalergebnis-Gesprächmit dem Vorgesetzten zusammenbesprochen wurde. Die Resultate er-laubten so eine stufengerechteKlasseneinteilung.

Wann fand der Unterricht statt? Undwer bezahlt ihn?Da wir viele Frauen beschäftigen unddiese nach Arbeitsschluss Haushalts-und Betreuungspflichten in der Fami-lie übernehmen müssen, hat sich einKurs über Mittag als am vorteilhaftes-

ten erwiesen. Er dauerte anderthalbStunden, und das während neunMonaten. Die Sprachlehrerinnenkamen jeweils zu uns in die Betriebe.Die Schulungskosten inkl. Lehrmate-rial wurden in früheren Jahren jeweilsvom Arbeitgeber übernommen. Im2003 hat die Firma über das Kantons-projekt «Fit im Job» eine finanzielleUnterstützung erhalten.

Viele Betriebe wenden ein, sie könn-ten Sprachkurse nicht finanzieren.Für einen Betrieb mittlerer Grössedürften die Kosten durchaus tragbarsein, zumal die Sprachkurse ja nichtalljährlich durchge-führt werden müs-sen. Kleinere Betrie-be könnten sich zu-sammentun. Grund-sätzlich ist es eineFrage des Willensund der jährlichenPrioritätensetzung inder betrieblichenWeiterbildung. Wennman bedenkt, wel-che Beträge Firmenjährlich in die Schu-lung von Kader- undFührungskräften in-vestieren, sind dieKosten für Deutsch-kurse durchaus an-gemessen. Man vergisst leider zuhäufig, dass alle Mitarbeitenden ihrenBeitrag an die Leistungsfähigkeiteines Unternehmens geben.

Oft ist zu hören, dass ausländischeMitarbeitende nur ein geringes Inte-resse an Kursen zeigten. Wir machen eine andere Erfahrung.Meist ist das Bedürfnis da. Die Leutemüssen aber spüren, dass dieGeschäftsleitung und die Vorgesetz-ten hinter diesem Angebot stehen.Dann wird es auch genutzt. Im letz-ten Jahr hatten wir die Absolven-tinnen des Deutschkurses zu einemgemeinsamen Essen eingeladen undihnen das Kurs-Testat persönlichüberreicht. Viele waren stolz darauf,da manche noch nie zuvor in ihremLeben ein richtiges Zeugnis erhaltenhaben.

Wie kann man ein mitarbeiter-freundliches Klima erzeugen?Die Angestellten sollen persönlicheWertschätzung erfahren. Sie müssenspüren, dass ihre Leistung, die sietäglich erbringen, gewürdigt wird.Dies fördert die Motivation und dieLeistung. Mit einem autoritärenBefehlston erreicht man dies nicht,sondern eher das Gegenteil.

Gibt es noch weitere Massnahmen?Wir haben eine Wandzeitung, wo wirgezielt über Aktualitäten informieren.Letztes Jahr haben wir ein neuesPersonalreglement erlassen. Dieses

16 Nationen

Die Firma Bischoff Textil AG mit Sitz inSt.Gallen und Werken in Kronbühl und Diepoldsau produziert seit 1927 hochwer-tige Stickereien. Sie beschäftigt 270Mitarbeitende aus 16 Nationen, von Italienund Spanien über Bosnien, Albanien unddie Türkei bis Vietnam und Kambodscha.Seit Jahren setzt die Firma Massnahmenzur Integration der ausländischen Mitarbei-tenden um.

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wurde vor der Einführung für jedeSprachgruppe mit Hilfe von internenDolmetschern erläutert, damit Fragendazu direkt geklärt werden konnten.Auch können wir mit unserer Jahres-arbeitszeit auf spezifische Arbeits-zeitbedürfnisse von erziehenden Per-sonen gut eingehen.

Welche Bilanz ziehen Sie insgesamt?Eine positive! Wir erhalten auf Grundunserer Massnahmen ein gutesFeedback. Die Motivation und dieLeistungsbereitschaft der Mitarbei-tenden sind deutlich höher. Davonprofitiert unser Betrieb, etwa wennwir bei hohem Auftragsbestand aus-nahmsweise auch an Samstagenarbeiten müssen. Der Aufwand fürunsere Massnahmen zahlt sich wohlnicht mess-, aber doch spürbar aus.

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4Kanada – Erfolg mit VielfaltKanada versteht sich offiziell als

multikulturelles Land. Heute lebengrössere Gruppen von insgesamtzwölf verschiedenen Nationalitätenim Land. Dazu kommen die Inuit alseinheimische Volksgruppe. Die meis-ten Einwohnerinnen und Einwohnersind Abkömmlinge der englischenund französischen Einwanderer des18. Jahrhunderts.

Kanada verfolgt eine aktive Politikder Integration wie kaum ein anderesLand. Seit vielen Jahren werdendamit Erfahrungen gewonnen. DerGrundsatz lautet so: Eingewandertewerden nicht als Fremde, sondern

als Menschen gesehen, die für dieVolkswirtschaft wertvoll sind und mit-helfen, diese wettbewerbsfähig zumachen. Einwanderung wird nicht als Problem, sondern als Chance fürdas eigene Land angesehen.

Vielfalt als StrategieViele kanadische Unternehmen habenstark gemischte Belegschaften mitPersonen aus verschiedensten Kultu-ren. Sie haben deshalb Strategienentwickelt, wie man mit dieser Tat-sache produktiv umgehen kann. Hiereinige ausgewählte Beispiele.

Fairmont Waterfront Hotel: Das Hotelin Vancouver fördert ausländischeMitarbeitende von allem Anfang an.Bevor jemand angestellt wird, mussdie Person ein «Employee Assistance

Program» in Form eines Praktikumsdurchlaufen. Mitarbeitende unter-stützen die Person und führen sie indie Arbeit und das Umfeld ein. Giltdie Person als geeignet, wird sieschrittweise in den Betrieb integriert.Zuerst mit einem Teilzeitjob, spätermit Vollzeitbeschäftigung. Währenddieser Einarbeitungsphase werdenregelmässig Standortgesprächegeführt. Bei Bedarf kommen auchWeiterbildungsseminare zum Zug.

Royal Bank of Canada: Die Bank gibtein Magazin heraus, in dem Ange-stellte ihre Arbeitsplatzgeschichte

darstellen können.Insbesondere kom-men solche Mit-arbeitende zu Wort,die mit einer Behin-derung umgehenmüssen. Auf dieseWeise kann Ver-ständnis für ihrebesondere Situationgeweckt werden.Weiter wurde einVideofilm zum The-ma Umgang mitverschiedenen Kul-turen hergestellt.Hiezu werden auchspezielle Trainingsdurchgeführt.

Orca Manufacturing und O'GradyWest Coast Food Equipment: Das Unternehmen der Nahrungsmit-telindustrie stellt viele Migrantinnenund Migranten in tiefen Positionenein. Diese Angestellten erhalten dieGelegenheit, sich laufend weiterzu-bilden. Ihre Sprachkenntnisse könnensie in einem Trainingszentrum derMetallarbeiter-Gewerkschaft verbes-sern. Dieses Zentrum hat die Ge-werkschaft eingerichtet. Sie bietetdie Kurse als Dienstleistung für ihreMitglieder an.

Children's and Women's HealthCentre of British Columbia: Dieseöffentliche Institution des Gesund-heitswesens hat 1998 ein Basis-Ausbildungsprogramm eingeführt.Dieses Programm dauert zwei Jahre

Integration bringt Nutzen

Gemäss dem «Atlantic Report» von 2001 ziehtKanada aus der Einwanderung und der aktivenIntegration der verschiedenen Kulturen Nut-zen für seine Wirtschaft. Der Einfluss auf dasPro-Kopf-Einkommen ist positiv. Da viele Mi-grantinnen und Migranten inzwischen höherePositionen besetzen, wird Einwanderungmehrheitlich nicht als Gefährdung der eigenenArbeitsplätze, sondern als Chance für dieWirtschaft zu Weiterentwicklung und Prospe-rität angesehen. Als Nachteil werden dieKosten bezeichnet, die breit angelegte Inte-grationsprogramme für eine grössere Zahl vonMitarbeitenden verursachen. Diese Kostenseien jedoch auf Dauer gut investiertes Geld,wird in dem Report betont. Solche Programmelaufen meist unter der Bezeichnung «Mana-ging Diversity» (Handhabung von Vielfalt). Essei wichtig, dass sie mit Bedacht, gezielt undkonsequent angewendet werden.

9und hat die individuelle Weiterbildungder Mitarbeitenden zum Ziel. In denSchulungen wird auf die kulturellenEigenheiten der TeilnehmendenRücksicht genommen. Ferner gibt esein Komitee, in dem speziell Fragenzur Integration von neu eintretendenMitarbeitenden in das Arbeitsumfelddiskutiert werden.

Reebok: Der bekannte Sportartikel-hersteller pflegt Vielfältigkeit seitlangem als Schlüsselstrategie. Damithat er es zum Milliardenunternehmengebracht. Multikulturalität ist gera-dezu seine Geschäftsgrundlage. DieRessourcen, welche die Mitarbei-tenden einbringen, werden ernstgenommen und nach Möglichkeitausgeschöpft. So entstand dasErfolgsprodukt Aerobic-Schuhe aufAnregung von Mitarbeiterinnen,welche das Fehlen eines solchenProdukts beklagten und dadurch denAnstoss zur Entwicklung diesesSpezialschuhs gaben. Das Mitdenkenbei der Produktentwicklung wird beiReebok systematisch gefördert.

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Was Sie tun sollten – und was Integrationsmassnahmen im Betrieb

müssen nicht teuer und aufwändigsein. Oft genügt eine Veränderungdes Bewusstseins, eine Korrektur imVerhalten, eine offenere Haltung oder eine verbesserte Kommunika-tion, um Vertrauen und Wertschät-zung zu erzielen und dadurch ein inte-grationsförderliches Betriebsklimaaufzubauen.

Wichtig für eine gelingende Inte-gration am Arbeitsplatz sind zweiDinge: eine gute Kommunikation unddie Vermittlung von Anreizen, damitdie Motivation der involvierten Mit-arbeitenden gefördert wird.

Kommunizieren Sie!Kommunizieren Sie offen, ehrlichund unkompliziert.Informieren Sie persönlich.Sprechen Sie mit den Betroffenendirekt.Seien Sie als Vorgesetzte/r präsent. Orientieren Sie alle Angestelltenüber Ihre Integrationsbemühungenso früh wie möglich.

Vermitteln Sie Anreize!Legen Sie Leistungsziele fest undstellen Sie bei ihrer ErreichungLohnvorteile in Aussicht.Stellen Sie Weiterbildungsmög-

lichkeiten oder eine bessere Posi-tion im Betrieb in Aussicht, wennSprachkurse erfolgreich absolviertwurden. Stellen Sie eine Mitwirkung in derIntegrationsgruppe in Aussicht.Richten Sie Belohnungen bei erfolg-reich bestandenen Prüfungen aus. Zeigen Sie das Risiko von Nach-teilen oder gar einer Entlassungauf, wenn die geforderten Leistun-gen nicht erbracht werden.Loten Sie die menschlichen und beruflichen Potenziale der auslän-dischen Mitarbeitenden genau ausund nutzen Sie diese. Es ist oft einfacher, latent vorhandene Poten-ziale bei ausländischen Mitarbeiten-

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«Die Zahl der Absenzen sinkt.»

Was sagen St.Galler Unternehmen, die bereitsaktive Integrationsmassnahmen am Arbeits-platz ergriffen haben? Konnten Sie damitResultate erzielen? Hier einige signifikanteAntworten aus einer Umfrage im Rahmen derStudie «Integrationspotenzial Arbeitsplatz»der Universität St.Gallen:

«Das Selbstwertgefühl der Mitarbeitendensteigt.»«Die Betriebskultur wird langfristig verbes-sert.» «Die Bereitschaft der Angestellten, mehrLeistung – auch in aussergewöhnlichenSituationen wie zum Beispiel Rezession –zu bringen, ist deutlich höher.»«Es entstehen weniger Konflikte in derBelegschaft.»«Die Zahl der Absenzen sinkt.»«Das Klima innerhalb des Betriebs ist bes-ser. Die Massnahmen werden meist positivaufgenommen.»«Die Loyalität gegenüber dem Unterneh-men steigt.»

Die wichtigste Erkenntis aus der Praxis ist,dass Integration im Betrieb ein gegenseitigerProzess ist. Der Aufbau erfordert Zeit undGeduld, aber nicht unbedingt viel mehr Geld.Zu Beginn ist ein gewisser Aufwand nötig,der sich aber in der Regel auf Dauer in einenGewinn für das Unternehmen verwandelt,indem die vorhandenen Potenziale der Mitar-beitenden besser genutzt werden.

Wunder dauern etwas länger.

Die Pflege der Integration im Betrieb erfordertZeit. Der finanzielle Nutzen stellt sich nichtvon heute auf morgen ein. Doch langfristigverbessern sich Firmenkultur, Betriebsklimaund Motivation – «weiche Faktoren», die fürden Geschäftserfolg mitentscheidend sind.

Integration beruht auf einem Geben undNehmen. Beachten Sie bei der Umsetzung fol-gende Tipps:

Lassen Sie sich Zeit und erwarten Sie nichtunmittelbar zählbare Resultate. Bauen Sie eine Vertrauensbasis zwi-schen allen Beteiligten auf, auch wenndies – etwa in Saisonbetrieben – nureingeschränkt möglich ist.Arbeiten Sie ständig daran, Vorurteile,Ängste und Desinteresse abzubauen. Überlegen Sie sich Möglichkeiten derSprachschulung. Selber Sprachkurse an-zubieten ist zwar für KMU oft uner-schwinglich, aber es gibt Möglichkeitender Zusammenarbeit. Verfolgen Sie die Ziele einer aktiven Ein-gliederung auch in finanziell angespanntenSituationen. Leben Sie eine Kultur der Wertschätzungund der Anerkennung durch Ihr eigenesVerhalten vor und animieren Sie alle Vor-gesetzten, dies auch zu tun. Geben Sie bei Rückschlägen oder schlech-ten Erfahrungen nicht gleich auf. Beimnächsten Mal geht es besser.

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nichtden nutzenwirksam zu erschlies-sen, als dies bei Einheimischen derFall ist. Der Grund liegt darin, dassEingewanderte häufig leichter zumotivieren sind. Denken Sie daran, dass viele etwaserreichen und zeigen wollen, wozusie fähig sind. Dazu braucht es An-erkennung, Unterstützung, Bera-tung und Betreuung sowie Förde-rung. Integrieren Sie Ihre ausländischenMitarbeitenden gezielt. Fördern Siezuerst diejenigen, die sich dafürinteressieren und den entsprechen-den Willen zeigen. Halten Sie aberdie angebotenen Möglichkeiten füralle offen.

Vermeiden Sie Fehler! Dekretieren Sie keine einseitigenMassnahmen von oben, sonderngehen Sie schrittweise vor undleisten Sie im ganzen BetriebÜberzeugungsarbeit.Glauben Sie nicht, dass mit einerIntegrationsmassnahme die Auf-gaben schnell erledigt sind. Wirk-same Integration erfordert vielGeduld und Zeit.Erwarten Sie von konkreten Inte-grationsmassnahmen nicht einenkurzfristigen finanziellen Nutzen.Ein spürbarer Erfolg stellt sich erstnach und nach ein, indem sich dieKultur und der Zusammenhalt im

Betrieb verbessern. ErfolgreicheIntegration zeigt aber langfristigsehr wohl einen positiven finanziel-len Nutzen durch eine höhere Mo-tivation und Leistungsbereitschaftder Mitarbeitenden. Vermeiden Sie Insellösungen. Ver-folgen Sie eine kostenbewussteIntegration mit einfachen Massnah-men, die adaptierbar sind und allenMitarbeitenden zugute kommen. Gehen Sie nicht allein und isoliertvor. Arbeiten Sie mit Behörden,Gemeinden, Verbänden und ande-ren Unternehmen zusammen. Nutzen Sie Synergien und greifenSie auf die praktischen Erfahrun-gen von Partnern zurück.

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4St.Gallen überwindet GrenzenKantonsrat und Regierung des Kan-

tons St.Gallen haben die Notwen-digkeit erkannt, dass das interkultu-relle Zusammenleben aktiv gestaltetwerden muss, weil ein friedliches Zu-sammenleben keine Selbstverständ-lichkeit ist. Im Jahre 2001 hat derKantonsrat einen entsprechenden Be-richt der Regierung genehmigt unddamit die Gestaltung des interkultu-rellen Zusammenlebens als Aufgabeder öffentlichen Hand anerkannt.

Der Kanton fördert und unter-stützt Integrationsanliegen auf vielfäl-tige Weise. Hier einige Beispiele:

Vor zwei Jahren wurde die neueKoordinationsstelle für Integrationim Departement des Innern ge-schaffen.Das Angebot der Lehrerberatungwurde ausgebaut.Der Kanton unterstützt die Vermitt-lungsstelle Dolmetscherinnen und Dolmetscher VERDI finanziell.Der Arbeitsgemeinschaft für Inte-grationsfragen gewährt der Kantoneinen erhöhten Staatsbeitrag.Das Pilotprogramm «Fit im Job»zur Entwicklung niederschwelligerWeiterbildungsangebote wurde ermöglicht.Der Kanton hat die Mitwirkungs-pflicht der Eltern gegenüber der Schule gesetzlich verankert.Das Erziehungsdepartement bietetden Schulräten Kurse über andereKulturen an.Die Fachstelle Integration undGesundheit der Caritas wird durchden Kanton finanziell unterstützt.

Koordinationsstelle für IntegrationDamit die Integration umfassend ge-fördert werden kann, wurde im Jahr2001 im Departement des Innern dieKoordinationsstelle für Integrationgeschaffen. Sie ist die Fachstelle derkantonalen Verwaltung für dieFörderung des interkulturellenZusammenlebens und verantwortlichfür die Koordination und die Um-setzung der kantonalen Integrations-massnahmen.

Die aktuellen Arbeitsschwer-punkte der Koordinationsstelle sind:

Fachliche und finanzielle Unterstüt-zung der Integrationsprojekte vonGemeinden und PrivatenFörderung der Deutschkurse fürfremdsprachige MütterUnterstützung von Gemeinden undRegionen bei der Erarbeitung vonIntegrationsleitbildernVerbesserung der Information derausländischen Mitbürgerinnen undMitbürgerInformationsaustausch zwischenden Departementen der Verwal-tung, zwischen Kanton und Bundsowie zwischen Kanton, Gemein-den und PrivatenFörderung der Selbstorganisation

der Migrantinnen und Migrantenund Unterstützung der Gründungeines Dachverbandes der Auslän-derinnen und AusländerFörderung von Integration undPartizipation im SportVerbesserung der Integration amArbeitsplatz

Fragen Sie!Haben Sie Fragen oder ein Anliegen?Wenden Sie sich an den Leiter derKoordinationsstelle für Integration,Beda Meier (Tel. 071 229 33 02,[email protected]).

Auskunft und viele Hinweise überaktuelle Projekte im Kanton, Sprach-kurse in den Gemeinden, weitereFachstellen und Verbände, Ausländer-vereine, wichtige Nachrichten undAnlässe sowie zahlreiche nützlicheAdressen und Kontakte gibt dieHomepage der Arbeitsgemeinschaftfür Integrationsfragen. Der Enzian istihr Logo. Denn der Enzian ist ähnlichvielfältig wie die Integration: Er istein Himmelsblümlein oder einTeufelskraut, eine Heilpflanze odereine Schnapswurzel.

� www.enzian.ch

Unser Wohlergehen

«Das Zusammenleben der Kulturen im KantonSt.Gallen muss auf lange Sicht gewährleistetwerden. Damit ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass auch die aus dem Auslandstammende Wohnbevölkerung einen grossenAnteil am Wohlergehen unserer Gesellschafthat. Menschen, die den Kanton St.Gallen als neue Heimat gewählt haben und welchedie Voraussetzungen für einen Aufenthalterfüllen, sollen in unsere Gesellschaft inte-griert werden.»

Aus: Bericht der Regierung «InterkulturellesZusammenleben», 2000

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Nützliche Adressen:

Koordinationsstelle für Integration des Kantons St.Gallen

Departement des Innern Regierungsgebäude 9001 St.GallenTel. 071 229 33 02 [email protected] www.enzian.ch

Integrationsstelle der Stadt St.Gallen

Neugasse 25 9001 St.Gallen Tel. 071 224 56 [email protected]/soziales_netz/integration/integration.html

Arbeitsgemeinschaft für Integrationsfragen in Kanton

und Stadt St.Gallen

Poststrasse 18 9001 St.Gallen Tel. 071 228 33 [email protected] www.integration.sg.ch www.enzian.ch

Kompetenzzentrum Integration für den Kanton St.Gallen

Arbeitsgemeinschaft für IntegrationsfragenPoststrasse 18 9001 St.Gallen Tel. 071 228 33 [email protected] www.integration.sg.ch www.enzian.ch

Verdi – Vermittlungsstelle für Dolmetscherinnen und

Dolmetscher

Poststrasse 18 9001 St.Gallen Tel. 071 228 33 [email protected]

Stiftung Mintegra

Regionales Kompetenzzentrum der Arbeitsgemeinschaft für IntegrationsfragenPostfach 9471 Buchs Tel. 081 756 51 47 [email protected]

A.I.D.A.

Kompetenzzentrum Deutsch für fremdsprachige MütterBernadette Bachmann Oberer Graben 44 9000 St.GallenTel. 071 223 30 58 [email protected] www.aidasg.ch

Caritas

Fachstelle Gesundheit und IntegrationKlosterhof 6e 9000 St.Gallen Tel. 071 227 34 [email protected] www.caritas.ch/gesundheit

Fachstelle für fremdsprachige Kinder und kulturelle Vielfalt

Amt für VolksschuleStella Maris 9400 Rorschach Tel. 071 858 71 [email protected]

Wichtige Berichte zum Thema Integration am Arbeitsplatz:

Universität St.Gallen: «Integrationspotenzial Arbeitsplatz KantonSt.Gallen», 2003 www.ifmd.org

Eidgenössiche Ausländerkommission: «Integration und Arbeit»,2003 www.eka-cfe.ch

Gewerkschaft Travail.Suisse: «Die Integration von MigrantInnenam Arbeitsplatz in der Schweiz», 2004 www.travailsuisse.ch

Links im Internet:

Eidgenössische Ausländerkommission (EKA): www.eka-cfe.ch

Bundesamt für Zuwanderung, Integration und Auswanderung(IMES): www.imes.admin.ch

Bundesamt für Flüchtlinge (BFF): www.bff.admin.ch

Eidgenössische Kommission gegen Rassismus: www.ekr-cfr.ch

Zum Konzept Managing Diversity: www.stop-discrimination.info/fileadmin/pdfs/costsbenefexsum_de.pdf

http://europa.eu.int/comm/employment_social/fundamental_rights/prog/studies_de.htm

Zeitschrift zu Integration und Migration:terra cognita: www.terra-cognita.ch

Vielen Dank!

Diese Broschüre wäre nicht möglich gewesen ohne eine Vielzahlvon Beteiligten, die mit ihrem Wissen und ihrem Engagementzum Zustandekommen beigetragen haben. Ein besonderes«Danke!» geht an folgende Personen, die an der Studie derHochschule St.Gallen beteiligt waren: Walter Abderhalden (kanto-nales Amt für Arbeit), Prof. Dr. Martin Hilb (Universität St.Gallen),Dr. Nils Jent (Universität St.Gallen), Diana Maag (Bischoff TextilAG), Vica Mitrovic (Gewerkschaft Bau & Industrie), Josef Müller-Tschirky (Gastro St.Gallen).

Die Herstellung dieses Leitfadens wurde möglich dank derfinanziellen Unterstützung von

ImpressumHerausgegeben von: Departement des Innern, St.Gallen, 2004Gesamtkonzept: Beda Meier, Koordinationsstelle für Integration des Kantons St.Gallen Konzeption und Redaktion: Ralph Hug, Pressebüro St.GallenGestaltung: Markus Traber, Typografisches Atelier, St.GallenFotografie: Daniel Ammann, Ammann & Siebrecht, St.GallenDruck: Niedermann Druck AG, St.GallenCopyright © by Departement des Innern, 2004. Wir freuen uns, wenn Sie Inhalte derBroschüre unter Quellenangabe weiterverwenden können.

Bezug des LeitfadensDer Leitfaden steht als pdf auf dem Internet zum download bereit: www.enzian.ch (RubrikHilfsmittel).Gedruckte Exemplare können Sie für Fr. 10.– beziehen bei: Departement des Innern,Regierungsgebäude, 9001 St.Gallen, 071 229 44 16, [email protected]

www.enzian.ch

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